Was können Führungskräfte vom Theater lernen

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Was können Führungskräfte vom Theater lernen? „Die gan ze Welt ist eine Bühne, und wir sind nichts als Marionetten.“ (W . Shak es pe ar e: W ie es Euc h g ef ä l lt)

Als R E G I S S E U R bin ich mit den verschiedensten Führungsaufgaben konfrontiert. Einerseits stehe ich in der Verantwortung gegenüber dem Intendanten, dem Budget und dem Publikum. Anderseits habe ich diverse Mitarbeiter mit verschiedensten Ansprüchen zu führen: den künstlerischen Mitarbeiterstab, Dramaturgie, Ausstattung, Musiker etc., die Techniker und natürlich die Schauspieler. Gerade letztere wollen einerseits sehr genau geführt werden, anderseits darf ich ihre eigene Kreativität nicht beschneiden, wenn ich deren optimale Möglichkeiten voll ausschöpfen will. Über all dem steht meine Vision, was ich mit dem Thema, mit dem Stück erzählen möchte. Projektmanagement im besten Sinne. Die Arbeit des Regisseurs im Spannungsfeld Theater entspricht also ziemlich genau den Aufgaben eines M A N A G E R S , der das kreative Potential einer Truppe zum großen Ganzen zusammenfügt. Die S P I E L - M E T A P H E R durchzieht unser ganzes Leben. Ein guter Spieler kann mit den aggressiven Kräften, die in einem konfliktreichen Feld zwangsläufig aufkommen, gut umgehen. Er hat vielleicht sogar Spaß daran, geht „locker“, also nicht blind aggressiv in diese Kämpfe. Er verliert nicht die Nerven. Ein guter Spieler behält die Übersicht. Selbst im Kampfsport ist die Strategie entscheidend. Vielleicht kann man sogar behaupten, dass die Fähigkeit zu spielen die grundlegendste soziale Kompetenz darstellt. W enn in einem Konfliktfall die Fronten verhärtet sind, kann man neue Aspekte ins Spiel bringen, die den Prozess wieder in Gang bringen. Neue Spielräume tun sich auf. Anstatt eine Szene zu machen, distanziere ich mich innerlich von dem Geschehen und werde zum Regisseur. Im Alltag sind diverse Auftritte in Meetings und Besprechungsszenen zu bewältigen. Ich verschaffe mir einen guten, also wirkungsvollen Auftritt, werde gesehen und gehört. Die Performance kann alles entscheiden. Meine Argumentation erscheint im richtigen Licht. Auch aus der T H E A T E R L I T E R A T U R ist viel über Hierarchie und Beziehungen, Konkurrenz und Macht zu lernen, denn die Dramatiker, allen voran Schiller und Shakespeare, haben den Stoff exemplarisch analysiert. W ettbewerb und Kündigungen, Fusion und Übernahme: die Arbeitswelt steckt voller Schlachten und Tragödien. W elche Rolle fällt mir zu? Bin ich König oder Narr? Oder muss ich gar wie König Lear entdecken, dass ich am Ende weniger habe, als der Narr?

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LEAR

Es ist unser Wille, von unserm Alter alle Sorgen und Geschäfte ab zuschütteln, sie jüngeren Kräften zu vertraun, dass unbelastet wir dem Tod entgegen kriechen.

Foto: König Lear Inszenierung W . Gerber am Theater Augsburg 2004

L E AR wi l l s e in e n T öc h ter n v or ze i t i g s e in Im p er ium , d ie k ön i gl ic h e F ir m a, üb er g eb e n. S e i n V er t e i lu n gs p r i n zi p k l in g t s i m pel. D er T oc h t er , d i e d e n V at er am m eis te n l i e bt , s o l l der gr ö ß t e T e i l ü b er s c hr i e be n wer de n. U ns ee l i g e V er k nü pf u ng v on Li e be un d M ac ht .

LEAR NARR

Nennst du mich Narr, Junge? Alle deine andern Titel hast du weggeschenkt, mit diesem bist du geboren.

Das Problem des Königs: er nimmt sich zu ernst, bis es zu spät ist. Die W eisheit des Narren: er stellt die W elt der W irklichkeit spielerisch auf den Kopf. Er zeigt: Ihr seid die wirklichen Narren, ich aber spiele diese Rolle nur – wissend, dass es eine Rolle ist. Es soll hier nicht ein weiteres E X P E R T E N W I S S E N Z U M T H E M A F Ü H R E N versprochen werden, das man in sein Handwerksköfferchen stecken kann. Es soll nicht vorgegaukelt werden, alle Probleme lösen zu können, die Führen zwangsläufig mit sich bringt, das als ein Handeln mit hoher Komplexität anzusehen ist, welches oft mehr mit Steuern von Dilemmata zu tun hat als mit logisch durchgestylten Rezepten. Da ist nicht selten die Fähigkeit zum Improvisieren und kreatives Management gefordert. Diese Talente kann man beim Theaterspielen entdecken und fördern.

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Führen führt zu S T R E S S . Viele Führungskräfte werden sagen, das gehört zu meinem Job, dafür bekomme ich mein Gehalt, das möglichst hoch angesetzt, gerne auch als Schmerzensgeld angesehen wird. Schmerzen, die noch immer zum Ehrenkodex eines Managers zu gehören scheinen, der Selbstausbeutung bis zum burn out als Selbstverständlichkeit ansieht. Das Bewusstsein, eine Führungsrolle zu spielen, als Chef, Regisseur, Trainer, als Politiker etc., also zu wissen, dass man sich in einem klar definierten (Spiel - ) Feld bewegt, kann helfen, sich abzugrenzen. Der Stress gehört zu meiner Rolle und nicht zu meiner Person. Ich muss also Formen und vielleicht Rituale finden, wie ich den Stress an seinem Ort, z.B. dem Arbeitsplatz, lassen kann. Die großen A’s: Authentizität Nur authentische Führung ist erfolgreiche Führung. Aber Denis Diderot hat bereits auf die Paradoxie der A U T H E N T I Z I T Ä T hingewiesen. „Man sagt, ein Redner taugt mehr, wenn er sich erhit zt, wenn er in Zorn gerät. Das bestreite ich. Es ist besser, wenn er den Zorn nachahmt. Die Schauspieler machen Eindruck auf das Publikum nicht wenn sie wutentbrannt sind, sondern wenn sie einen Wutausbruch gut spielen. Übertriebene Empfindsamkeit macht mittelmäßige Schauspieler.“ ( Di d er ot : Das Par a do x ü b er de n Sc h a us p i e le r .)

Der Zuschauer erlebt den Schauspieler als glaubhaft (authentisch), wenn er seine Rolle bewusst spielt. W enn er jedoch seine privaten Gefühle auf der Bühne ausbreitet, wird das Publikum peinlich berührt sein und ihm nicht glauben. Die Anekdote, dass das Publikum bei einem realen Herzinfarkt eines Darstellers auf der Bühne gelacht haben soll, weil es an eine komische Darstellung glaubte, unterstreicht dieses Phänomen. „Solange der Mensch, in seinem physischen Zustande, die Sinnenwelt bloß leidend in sich aufnimmt, bloß empfindet, ist er auch noch völlig eins mit derselben, und eben weil er selbst bloß Welt ist, so ist für ihn noch keine Welt. Erst wenn er in seinem ästhetischen Stande sie außer sich stellt oder betrachtet, sondert sich seine Persönlichkeit von ihr ab, und es erscheint ihm eine Welt, weil er aufgehört hat, mit derselben eins aus zumachen“. ( F . Sc hi l l er : Ü b er d ie äs th e tis c h e Er zi e h u n g d es Me ns c h en i n e in er R e ih e v o n Br i ef e n/ 25 . Br ie f)

Es gilt also zu unterscheiden zwischen privat und persönlich. W ir wollen möglichst wenig aus dem Privatleben unseres Chefs wissen, aber wenn er seine Persönlichkeit zeigt, kann er uns faszinieren und motivieren. Eine wichtige Voraussetzung für diese Selbstdarstellung ist die (ironische) Selbst-Distanz, denn diese schafft den inneren Raum, sich authentisch öffentlich ausdrücken zu können. 3


Ambiguitätstoleranz Noch ein schöner Begriff, der die Fähigkeit meint, W idersprüche aushalten zu können, z.B. mit unfertigen Lösungen arbeiten zu können, ohne permanent frustriert, also blockiert zu sein. Diese Fähigkeit entspricht nicht unbedingt dem normalen Anforderungsprofil einer Führungskraft, die auf schnelle (kostensparende) Lösungen bedacht ist. Unlösbarkeiten kommen in diesem W eltbild oft nicht vor. Sie sollen Macher, Entscheider, Treiber sein und behandeln emotionale und kommunikative Probleme wie technische. Erwartet werden eindeutige Ursache-W irkungs-Ketten und klare Lösungsvorschläge. Autonomie Ist eine wichtige Voraussetzung für das Kreieren von möglichst tragfähigen Lösungsvorschlägen. Aber auch die Autonomie muss in einem ambivalenten Spannungsfeld gesehen werden. Einerseits brauche ich Freiheit um selbst bestimmt handeln zu können, anderseits gerät völlige Freiheit ohne Ordnung und Regeln zum Chaos. Absolute Sicherheit aber führt zum zwanghaft-bürokratischen Kältetod. Diese Ambivalenz stellt einen weiteren Stressfaktor für Führungskräfte dar. Autorität Die V O R G E S E T Z T E N - R O L L E ist hervorgehoben und wichtig. Die Führungskraft nimmt die Position der Autorität ein. Sie darf nie vergessen, dass sie für die Mitarbeiter immer auch eine Projektionsfläche für die Übertragung unreflektierter Autoritätskonflikte darstellt. Häufige Verhaltensweisen der Mitarbeiter wie Anpassung, Trotz, SichBenachteiligt-Fühlen, Beleidigt-Sein, Immer-die-Schuld-Haben, Nie-dieSchuld-Haben, Nichts-mit–dem-Chef-zu-tun-haben-W ollen und andere bekannte Spiele aus der Arbeitswelt werden dann gerne auf Sach- und Inhaltsfragen verschoben. Die Mitarbeiter-Rolle hat die Tendenz, regressive Entwicklungen zu fördern und den Chef zu idealisieren: „Er soll es richten, er muss es doch wissen“. Diese Idealisierung kann dann später in die Vernichtung des Idols umschlagen. Der Mitarbeiter lauert darauf, den idealisierten Chef wieder vom Thron zu stoßen. Dieses Spiel mit unbewussten Schattenfiguren im Hintergrund, den idealisierten Elternfiguren, kann bei vielen Vorgesetzten zu Überforderungsgefühlen und Versagensängsten führen, die gerne überspielt werden, denn Führungskräfte sollen keine „Schwächen“ zeigen. Um nicht in diese Spiele hinein gezogen zu werden, ist es sehr wichtig, sich abgrenzen zu können und am Feierabend seine Rolle wieder in der Garderobe abgeben zu können. Man muss sich Möglichkeiten verschaffen, diese Übertragungen im Privatleben abzuarbeiten, sei es durch ein stabiles Privatleben, ehrliche Freunde, aber auch durch ein seriöses Coaching.

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Is t L E A R j et zt v er r üc k t g e wor d en o d er h at er j et zt de n t ot a le n D ur c hb l ic k ?

LEAR

Jeder Zoll ein König! Wie? Verrückt? Um zu sehen, wie ’s zugeht auf der Welt braucht man keine Augen, sondern Ohren! Sieh, wie der Richter da den kleinen Dieb fertig macht! Und jet zt passt auf: Bäumchen, Bäumchen wechsle dich! Wer ist der Richter, wer der Dieb? Schickt mir den Arzt. Ich bin hirnrissig.

Anstand & Charakter Ich behaupte, dass unser aller Leben, auch das so genannte seriöse berufliche und auch die Politik, nur zu einem sehr geringen Teil vom Faktischen. wissenschaftlich Bewiesenen bestimmt wird. Vielmehr folgen wir unseren Gefühlen, Ahnungen, Intuitionen. Auf dieser Ebene der Kommunikation reagieren wir auf unbewusste Signale. W ir lassen uns leiten von Menschen mit Charisma, Ausstrahlung, von deren Visionen. Als Führungskräfte sind wir auf darauf angewiesen, einerseits zu überzeugen, aber manchmal auch zu ver-führen. Es ist unsere moralische Verantwortung, dass wir diese Macht nicht missbräuchlich verwenden, sondern verantwortungsvoll damit umgehen.

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W erte bringen Mehrwert. Zwei Schlüsselwörter bilden die Säulen, auf denen dieses Führungskonzept steht: Anstand und Charakter. Bei nicht wenigen Managern ist da heute etwas völlig durcheinander geraten: „Da sind zu viele superaktive, ego zentrische, berechnende und aggressive Manager. Ihr Wertesystem stimmt nicht. Geldgier, Größenwahn und Machtbesessenheit halten sie für Qualitäten …und weil viele Unternehmen nichts anderes sind als der verlängerte Schatten des Mannes oder der Frau an der Spit ze, so ist bald das ganze Schiff so wie der Käpt’n: ein Freibeuter in eigener Sache. Der Fisch beginnt am Kopf zu stinken.“ ( W olf Lot t er i n br an d e i ns , H ef t 0 2 – 2 00 6) W enn wir ein Team haben, das das Spiel kennt, also die Regeln und die einzelnen Rollen, wird es das Risiko, das jedes Spiel mit sich bringt, bereitwillig mitspielen. Vielleicht lassen sie sich vom Spielführer mitreißen, wenn sie ihm glauben, dass er in dem Spiel auch mitspielt, also etwas wagt. An diesem Punkt zerstören verantwortungslose Manager, die für ihr Versagen auch noch fürstlich abgefunden werden, das Spiel. Sie spielen unfair, sind gedopt und das führt zu totaler Demotivation. Die Ackermann-Geste spiegelt den Effenberg-Finger. Beides sind Rückfälle in die Zeiten der Urhorde. Ästhetische Erziehung Laut Schiller wird die menschliche Ambivalenz zwischen Sinnlichkeit und Vernunft, Anschauung und Denken, der „Person“ und seinem „Zustand, dem Formtrieb (moralischer Nötigung) und dem Stofftrieb (triebhafter Begierde) erst durch die Tätigkeit eines dritten Triebes aufgehoben: dem S P I E L T R I E B , der dem Menschen „die Fesseln aller Verhältnisse abnimmt und ihn von allem, was Zwang heißt entbindet“. „Es gehört also zu den wichtigsten Aufgaben der Kultur, den Menschen auch schon in seinem bloß physischen Leben der Form zu unterwerfen und ihn, soweit das Reich der Schönheit nur immer reichen kann, ästhetisch zu machen, weil nur aus dem ästhetischen, nicht aber aus dem physischen Zustand der moralische sich entwickeln kann“. ( F . Sc h i ll er : Üb er d i e äs t h et is c he Er zi e h un g d es Me ns c h e n i n e in e r R e ih e v o n Br i ef en / 23 . Br ie f)

Wer A sagt muss auch B sagen: Am besten L E R N E N U N D T R A I N I E R E N wir, indem wir wie die Kinder vorurteilslos Spielsituationen und Rollen ausprobieren. Freiheit und Glück bedeuten auch, spielerisch, also vor allem ohne Angst vor ernsten Konsequenzen das Leben erforschen zu können. Damit diese Haltung möglich ist, brauchen wir einen geschützten Raum des Vertrauens und klar definierte Regeln. Das Erlernen von Regeln ist nicht immer schmerzfrei. W ir erinnern uns, es war nicht einfach als Kind zu lernen, dass man nicht schummeln 6


darf, und dass man auch mal verlieren können muss, wenn wir mit Partnern spielen wollen. Hier erlernen wir, mehr oder weniger gut, die so genannte F R U S T R A T I O N S T O L E R A N Z . Vom Ursprung der Kultur im Spiel Der Kulturhistoriker J. Huizinga stellt in seinem Buch „Homo ludens: Vom Ursprung der Kultur im Spiel“ die Bedeutung des Spiels für die Menschwerdung dar. Er betont, dass das Spiel immer auf Freiwilligkeit beruht. Niemand kann zum Spielen gezwungen werden, aber die Spielregeln müssen anerkannt werden. Das Spiel hat Ähnlichkeiten mit dem Kult und dem Religiösen, denn es bedarf eines Ethos der höheren Ernsthaftigkeit (Fairness), wir sprechen ja auch vom „heiligen Ernst“ im Spiel, obwohl das Phänomen Spiel eigentlich im Gegensatz zum Ernst steht. Der Ernst (ernest, ernust, eornost = Streit, Kampf) ist definiert als Abwesenheit von Spiel, wohingegen das Spiel den Ernst durchaus mit einschließen kann. Das Spiel ist demnach der höher stehende Term. Die W issenschaft und die Kunst sieht Huizinga als spezielle Formen des Spiels, ebenso natürlich die Politik und die W irtschaft. Demnach übernehmen Führungskräfte bestimmte Rollen in diesem Spiel. Ich behaupte, dass immer dann, wenn der Spielcharakter vollkommen verloren geht und nur noch die so genannte Realpolitik und Sachzwänge unser Handeln bestimmen, die Alarmglocken läuten sollten. Dann läuft etwas schief und wir sollten versuchen, wieder auf Distanz zum Problem zu gehen, um neue Spielräume zu entdecken. W eiter definiert Huizinga das Spiel in Opposition zum „gewöhnlichen, eigentlichen Leben“. Es ist in letzter Konsequenz überflüssig, man muss es nicht machen, und genau da liegt seine Freiheit. Sehr wichtig auch die Abgeschlossenheit, Begrenztheit und v.a. dessen W iederholbarkeit. Diese drei Merkmale machen das Spiel zu einer beobachtbaren und damit besonders wertvollen Tätigkeit. Daraus ergibt sich die Möglichkeit des P R O B E H A N D E L N S . Man kann etwas ausprobieren, ohne gleich ernsthafte Konsequenzen befürchten zu müssen. Ein ideales Lernfeld. Status-Spiele Der W E T T B E W E R B , das „Sich-Messen-W ollen“ kann man durchaus als ein Grundbedürfnis vieler Menschen ansehen, das auch in der Tierwelt zu beobachten ist. W ie stark dieses Bedürfnis bei einzelnen Menschen ausgeprägt ist, ist natürlich sehr verschieden. Konkurrenz kommt vom lateinischen „con currare“, was soviel bedeutet wie „miteinander laufen“. Ein Spiel macht uns dann am meisten Spaß, wenn wir uns mit Gegnern messen, die uns ebenbürtig sind. W ir erlernen dabei auch das Hoch- und Tiefstatusspiel.

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Der englische Theatermacher Keith Johnstone, der den „Theatersport“ kreierte, eine Form von Improvisationstheater, in dem zwei Teams gegeneinander antreten und zu verschiedenen Themen improvisieren, hat die Terminologie vom S T A T U S S P I E L eingeführt. W enn zwei Menschen aneinander vorbeigehen wollen, ohne zusammen zu stoßen, müssen sie schnell und meistens unbewusst ihren jeweiligen Status klären. Dass zwei Menschen absolut den gleichen Status haben, kommt so gut wie nie vor, außer wenn sie gezwungen sind, identische und beschränkte Bewegungen auszuführen (Chöre, beim militärischen Drill etc.). Freunde machen den Status zum Spiel; sie beleidigen einander, ohne es ernst zu meinen, oder verneigen sich im Spaß voreinander. Das ist vielleicht eine Erklärung für das Phänomen, warum uns einerseits jahrelang Bekannte fremd bleiben können, während wir mit spielerischen Menschen spontan Freundschaft schließen. Auf den Brettern der Bühne, die ja die W elt bedeuten, geht es wie im wirklichen Leben darum, dieses Statusspiel zu spielen. W er führt, wer dominiert die Szene und wie macht er das? Die führende Person bestimmt den Raum. Es gibt immer nur einen bestimmten Platz für den Thron des Königs oder den Chefsessel. Sie benimmt sich meistens entspannter und ihre Körpersprache strahlt Gelassenheit aus. Sie gibt das Sprechtempo vor, spricht in längeren Bögen, antwortet nicht schnell und gehetzt, sondern nimmt sich das Recht zu längeren Pausen. Die innere Steuerung für diese Ausstrahlung von Ruhe ist der Atem. W ir sagen von besonders erfolgreichen Menschen: der hat einen langen Atem. Einige der wichtigsten Statussignale werden durch die Augen vermittelt. W ir halten den Blickkontakt, wenn wir dominieren möchten. Die W ichtigkeit der K Ö R P E R S P R A C H E , wenn wir unsere intellektuellen Meisterleistungen an den Mann bzw. an die Frau bringen wollen, hat Melanie Gieschen in ihrem Text ausführlich dargelegt. Aber wo wird die Körpersprache nun gesehen? Auf der Bühne des täglichen Lebens. Da tanzen wir unseren täglichen Gesellschaftstanz, wissentlich und unwissentlich. Dabei eine gute Figur zu machen, kann man lernen. In der Atem- und Sprechtechnik und im Körpertraining erlernt der Schauspieler Techniken, wie er diese Prozesse bewusst steuern kann, um die jeweilige Rolle glaubhaft zu verkörpern. Der Zuschauer kann das Resultat dieser Arbeit auf der Bühne sehen und vielleicht erkennt er gewisse Muster, wie sie auch in seinem Leben vorkommen. Den größeren Erkenntnis- und damit Lerngewinn hat er natürlich dann, wenn er sich getraut diese Übungen selber auszuprobieren. Daraus sind viele Seminare für Führungskräfte entstanden. Nun ergeht es dem Übenden nicht anders als dem Schauspielschüler: erst wenn die Technik unsichtbar wird, also das Erlernte zum unbewussten Repertoire gehört, wirkt die Darstellung glaubhaft. Diesen W eg, vom naiv, „aus dem Bauch heraus“ Handelnden zum bewusst Lernenden, bis hin zum Meister seiner Kunst, hat Kleist in dem Aufsatz „Über das Marionettentheater“ beschrieben: 8


„Nun, mein vortrefflicher Freund,“ sagte Herr C., „wir sehen, dass in dem Maße, als die Reflexion dunkler und schwächer wird, die Gra zie immer strahlender und herrschender hervortritt: so findet sich, wenn die Erkenntnis gleichsam durch ein Unendliches gegangen ist, die Gra zie wieder ein; so, dass sie, zu gleicher Zeit, in demjenigen menschlichen Körperbau am reinsten erscheint, der entweder gar keins, oder ein unendliches Bewusstsein hat, d.h. in dem Gliedermann, oder in dem Gott. „Mithin“, sagte ich ein wenig zerstreut, „müssten wir wieder von dem Baum der Erkenntnis essen, um in den Stand der Unschuld zurück zufallen?“ „Allerdings“, antwortete er, „das ist das letzte Kapitel von der Geschichte der Welt.“

Das Bild entstammt meiner Hamlet-Inszenierung am Landestheater Neustrelitz 1998

HAMLET

Die Welt ist aus den Fugen: Schmach und Gram, dass ich zur Welt, sie ein zurichten kam!

Tyrannei der Intimität W er sich für eine umfassende Untersuchung über die Metapher „D I E W EL T I S T E I N E B Ü H N E “ interessiert, dem sei weiter die Lektüre von „Verfall und Ende des öffentlichen Lebens – Die Tyrannei der Intimität“ von Richard Sennett sehr empfohlen. Er stellt die Geschichte dieser Metapher in der abendländischen Kultur dar, von Platons „theatrum mundi“, in dessen Schrift „Der Staat“, das Leben der Menschen als ein von Göttern aufgeführtes Puppenspiel erscheint, über Petronius’ „Satyricon“ zu Balzacs „comedie humain“, für den die Menschen „Maskenwesen“ darstellen, die die Gesellschaftsbühne bevölkern.

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Beim Rollenspiel geht es um ein der jeweiligen Situation angemessenes Verhalten. Das Spiel erzeugt Energie für den öffentlichen Ausdruck, während der Narzissmus, der hinter der dauernden Selbst-Enthüllung steht, die Energie schwächt. „Je mehr sich eine Person auf die Authentizität ihres Fühlens statt auf den objektiven Gehalt dessen, was sie fühlt, kon zentriert, je mehr Subjektivität zum Selbst zweck wird, desto weniger vermag sie, expressiv zu sein.“ „Wir alle spielen Theater“, so heißt auch ein Buch des Soziologen E. Goffmann, einem weiteren Klassiker. Er betont aber auch, dass dies ein rhetorisches Manöver darstellt, einen dramaturgischen Trick. Der wirkliche Schauspieler kann am Ende der Darstellung seine Rolle abgeben. Kein Zuschauer wird ihn hundertprozentig mit seiner Rolle identifizieren, obwohl er auch den „Hitler“ nur gut spielen kann, wenn er bei sich seine Anteile dieser Figur entdeckt. Auf der realen Bühne des Lebens wollen wir aber gerade, dass man uns mit unseren Rollen, als Ehepartner, Chef oder Mitarbeiter usw. identifiziert, dass man uns glaubt.

Ich hoffe, ich habe aufgezeigt, dass die W ahrnehmung der Dialektik von Sein und Schein, uns auch im Alltag und im Berufsleben W ahlfreiheiten geben kann. W enn ich weiß, dass ich eine Rolle spiele, kann ich mich auch ihr gemäß verhalten. Diese kreative Anpassung bedeutet S O Z I A L E KOMPETENZ. „Denn um es endlich auf einmal heraus zusagen, der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt. Dieser Satz, der in diesem Augenblicke vielleicht paradox erscheint, wird eine große und tiefe Bedeutung erhalten, wenn wir erst dahin gekommen sein werden, ihn auf dem doppelten Ernst der Pflicht und des Schicksals an zuwenden; er wird, ich verspreche es Ihnen, das gan ze Gebäude der ästhetischen Kunst und der noch schwierigeren Lebenskunst tragen“. ( F . Sc h i l l er : Ü be r d ie äs t h et is c he Er zi e h un g d es Me ns c h e n i n e in e r R e ih e v o n Br i ef e n/ 1 5 .Br i e f)

Literatur Denis Diderot

Das Paradox über den Schauspieler 1770-1773 Pr ogr am m hef t zu SC H IL L ER d er s t a at l ic h e n Sc ha us p ie l bü h ne n Ber l in 19 8 5/ 86

Klaus Eidenschink

Führen ist Stress i n G es t al tT he r a p ie H ef t 2 /2 0 02 E di t io n h um an is t is c h e Ps yc ho l o gi e

Julius Fast

Körpersprache R o woh l t 10


Erving Goffmann

Wir alle spielen Theater P i per

Johan Huizinga

Homo ludens Ro wo h lt

Keith Johnston

Improvisation und Theater A l ex a n der V er la g Theaterspiele A lex a nd er Ver l a g

Heinrich von Kleist

Über das Marionettentheater Säm tl .W erk e: W ink ler

W olf Lotter

Goodby Johnny br a nd ei ns :W ir ts c haf ts m a ga zi n 0 2 /2 0 06

Friedrich Schiller

Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen S äm tl. W er k e: H ans er Ver l a g

Richard Sennett

Verfall und Ende des öffentlichen Lebens Die Tyrannei der Intimität S . F is c h er V er l ag

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