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Europa
Nicht unterschätzen!
In der Investorengemeinschaft spielt Europa schon seit langem nicht mehr die erste Geige. Schade, denn der „alte Kontinent“ verfügt über eine Vielzahl von hervorragenden Unternehmen, die in jedes Portfolio passen.
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HARALD KOLERUS
Markus Herrmann, Fondsmanager bei Loys
Thomas Romig, Multi AssetSpezialist bei Assenagon
„Während europäische Aktien bei Anlegern nicht sehr beliebt waren, sehen wir für die Region viel Aufholpotenzial.“
Maximilian Anderl, Anlagespezialist bei UBS Internet-Giganten wie Google, Facebook oder Amazon sucht man in Europa zwar vergebens, dennoch finden sich interessante Investmentchancen. Markus Herrmann, Fondsmanager bei Loys, meint dazu: „Europa zeichnet sich dadurch aus, dass es aus vielen verschiedenen Ländern besteht, die jeweils ihre eigene Kultur und dementsprechende Stärken haben. In Staaten wie Frankreich oder Italien beispielsweise finden sich besonders viele Unternehmen, die von Kreativität leben, bspw. aus dem Mode- oder Mediensektor, in Skandinavien dominieren digitale Geschäftsmodelle und in Deutschland leben viele der Unternehmen vom Erfindergeist. Dies bietet die Grundlage für ein ausgewogenes Portfolio.“
Hohes Potenzial
Thomas Romig, Head of Multi Asset Portfolio-Management bei Assenagon, fügt hinzu: „Europa steht für einen weitgehend homogenen Wirtschafts- und Währungsraum, der besonders durch einen stabilen Rechtsrahmen glänzen kann. Zudem werden die positiven Zukunftsaussichten von dem konstant hohen Bildungsniveau sowie den hervorragenden Bildungsbedingungen unterstützt.“ Und Anlage-Experte Maximilian Anderl von UBS meint: „Während europäische Aktien bei Anlegern nicht die beliebteste Assetklasse war, sehen wir für die Region viel Aufholpotenzial, das von mehreren Treibern unterstützt wird.“ So haben laut Anderl europäische Aktien bereits aufgehört, Underperformance zu erzielen. Sie sind weiters günstig und werfen attraktive Dividendenrenditen ab. Auf makroökonomischer Ebene sollten wiederum die Fiskalausgaben unterstützend wirken, da der EU-Konjunkturfonds in Kraft tritt und die EZB länger als andere Zentralbanken akkommodierend bleiben wird. Das BIP-Wachstum der Eurozone wird sich voraussichtlich 2022 über dem Trendniveau beschleunigen, während Europa auch höhere Nettogewinnrevisionen nach oben erfahren hat als die meisten anderen großen Regionen. Außerdem sieht der UBSExperte die jüngste Schwäche als gute Kaufgelegenheit: „Sorgen im Zusammenhang mit stark steigenden Energiepreisen, Spitzenwerte der Frühindikatoren und Engagement in den chinesischen Märkten haben sich in letzter Zeit negativ auf die Performance der Region ausgewirkt und bieten einen attraktiven Einstiegspunkt in die Anlageklasse.“
Europaweit „zuschlagen“
Wenn man sich also für Europa entscheidet, auf welche Regionen sollte man setzen? Dazu Anderl: „Wir legen keinen allzu großen Fokus auf Länder, da wir viele europäische Unternehmen als international betrachten. Ein durchschnittliches europäisches Unternehmen erwirtschaftet mehr als 50 Prozent seines Umsatzes außerhalb des Kontinents. Daher konzentrieren wir uns auf die Aktienauswahl und bevorzugen Unternehmen, die in der Lage sind, mit globalen Mitbewerbern zu konkurrieren.“ Für Romig von Assenagon sind die wichtigsten Länder des aktuellen Europa-Aktien-Portfolios Großbritannien, Frankreich und Deutschland: „Auf Länderebene haben wir eine Selektion gemäß der aktuellen Marktkapitalisierung gewählt und uns innerhalb dieser Länderselektion mit besonderem Fokus auf Unternehmen im Small Cap-Bereich positioniert.“ Loys-Experte Herrmann gewährt ebenfalls Einblick in seine PortfolioAufstellung: „Die wichtigsten Länder sind
Großbritannien, Deutschland und Schweden. Diese drei Staaten gehören zu den Ländern, die die meisten börsennotierten Unternehmen stellen, folgerichtig nehmen sie ein hohes Gewicht in unserem Fonds ein. Daneben finden sich aber gerade in diesen historisch wirtschaftlich starken Ländern viele sehr gut aufgestellte Unternehmen. In Großbritannien bekommt man Qualitätstitel zudem mit einem mittlerweile ungerechtfertigten Brexit-Discount, was ein Investment noch attraktiver macht.“
Günstig bewertet
Ein weiterer Vorteil des „alten Kontinents“ laut Herrmann: „Europäischen Aktien sind etwas günstiger bewertet als in den vergangenen Jahren, gemessen an den amerikanischen Titeln sind sie mit einem deutlichen Abschlag versehen. Romig stimmt zu: „Aktuell weisen Europäische Aktien im globalen Vergleich eine der höchsten Risikoprämien aus, auch im historischen Vergleich sind diese aktuell sehr attraktiv bewertet. An dieser Stelle sind die Unterschiede sehr deutlich: Das erwartete Kurs-Gewinn-Verhältnis für nächstes Jahr liegt in Europa bei 16 und in den USA bei 22.“
Attraktive Aktien
Last but not least beherbergt Europa interessante Unternehmen. Anderl von UBS: „Es gibt einige Technologieführer mit Sitz in Europa wie ASML, die als Monopollieferant von Chipherstellungsausrüstungen für die Halbleiterindustrie agiert. Abgesehen von der Technologie verfügt Europa über andere Stärken wie den Luxusgütersektor, in dem LVMH nach wie vor ein dominierender Akteur ist.“ Innerhalb der Industrie haben laut dem Experten Unternehmen wie Schneider Electric aufgrund der hohen Markteintrittsbarrieren und ihrer starken Preissetzungsmacht einen Wettbewerbsvorteil. Wir investieren jedoch auch gerne in einige kleinere, aber innovative Unternehmen, die für einen langfristigen Wachstumskurs gut aufgestellt sind.“ Auch Herrmann hat spannende Titel parat: „Software AG ist ein deutsches IT-Unternehmen, das Software für den Datenaustausch und die Datenaggregation entwickelt. Im Cybersecurity-Bereich gehört die britische NCC Group zu den gefragtesten Anbietern weltweit und zählt unter anderem Microsoft, Google, Facebook und Zoom zu ihren Kunden.“ So kann man auch in Europa am High-Tech-Boom mitnaschen.
Europa hat viel zu bieten: Besonders beliebt bei Investmentprofis sind Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Schweden.
EuroStoxx vs. MSCI World
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