GESUND?! (Praxis Gemeinepädagogik 3/2015)

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Juli – September

2015

68. Jahrgang

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PRAXIS GEMEINDEPÄDAGOGIK I SB N 978-3-374-04190-9

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Die Erzählung spart – unbekümmert um die Grenze zwischen Sachbuch und Belletristik – die kuriosen und vergnüglichen Momente der Ereignisse nicht aus. So gelingt es ihr, verständlich und unterhaltsam zentrale Fragen zu beantworten: Worum ging es bei der Reformation? Was waren die Sorgen und Nöte der sich formierenden Lutheraner? Welche Orientierung bot ihnen der christliche Glaube?

Die Autoren zeichnen einfühlsam die Entwicklung Spalatins nach und stellen sein Wirken in den Horizont der politischen Ereignisse. Die stürmische Phase der Reformation von 1517 bis 1525 steht dabei im Mittelpunkt. Auch die Beziehungen Spalatins zu seiner Heimatstadt Spalt und zu Franken erscheinen in einem neuen Licht.

as Augsburger Bekenntnis von 1530 hat Geschichte gemacht. Für mehr als 70 Millionen lutherische Christen auf der Erde gehört es bis heute zur Grundlage ihrer Kirchengemeinschaft. Einfühlsam erzählt Christian Bogislav Burandt aufgrund historischer Quellen die Geschichte aus dem Blickwinkel zweier Hauptpersonen: Philipp Melanchthon, der federführende Theologe auf dem Augsburger Reichstag, und Gregor Brück, Altkanzler und rechte Hand des Kurfürsten.

er Jurist und Theologe Georg Spalatin gehört zweifellos zu den bedeutenden Männern der Reformation. Ohne ihn und seine vermittelnde Funktion hätte Martin Luther kaum den Schutz seines Landesherrn erfahren. Mit diplomatischem Geschick zog er auf Reichstagen und bei Religionsgesprächen hinter den Kulissen die Fäden. Er war verantwortlich für den Ausbau der jungen Universität Wittenberg und setzte von 1525 bis 1545 die Reformation in Altenburg durch.

Christian Bogislav Burandt

Martin Burkert | Karl-Heinz Röhlin

GEGEN FÜRSTEN, TOD UND TEUFEL

GEORG SPAL ATIN

eine erzählung um das Augsburger Bekenntnis

Luthers Freund und Schutz

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InHALTSVeRZeICHnIS

Zugänge Matthias Spenn Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Uwe Hahn Eine App für’s Leben? . . . . . . . . . . . . . . .

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Andreas Weigelt »Gut, gerne und wohlbehalten« Salutogenese in der kirchlichen Personalentwicklung

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Michael Lehmann Hauptsache gesund – auch im Beruf? Meditation zum Thema der Ausgabe . . . . . . . . . . .

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Luise Lähnemann Gesundheit – Ansichten eines Clowns . . . . . . . . .

Ulrich Laepple »Gut aufgehoben!« Gesundheit aus theologischer Perspektive . . . . . . . . . . .

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Hintergründe

Gesund leben Pierre Stutz Entspannt ein spannendes Leben wagen Miteinander einen gesunden Lebensrhythmus einüben . . . . . .

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Annelie Keil Über die Verborgenheit der Gesundheit und die Kunst, sie auch in der Krankheit nicht zu verlieren! . . . . . .

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Tim Hagemann Arbeit, Gesundheit und Spiritualität

. . . . . . . . .

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Hanns Sauter An Leib und Seele geheilt Ein Entwurf mit biblischer Hinführung für die Arbeit mit Älteren . . .

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Hans Gerhard Behringer Heilsames Kirchenjahr Von der Heilkraft von Festen, Rhythmen und Ritualen . . . . . .

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Janett Conrad Fasten – Auszeit mit Klarsicht Leben von innen – die Kur für Körper, Seele und Geist . . . . . .

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Angela Stoll Krankhaft gesund . . . . . . . . . . . . . . . .

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Claus-Erhard Heinrich Singen und Gesundheit Praktische Übungen, die das Singen und die Gesundheit fördern

Brunhild Windmann Der »Vergissmeinnicht«-Garten Ein Projekt für Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz und deren Angehörige, durchgeführt vom Verein »Herbst-Zeitlos« e. V. . .

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60

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Christine Ursel Wenn das Pflegebett plötzlich am Teich Bethesda steht … Eine Heilungsgeschichte einmal anders – ein Bibliolog . . . . . Renate Jensen Trauer in Tanz verwandeln Dankgottesdienst nach überstandener Krankheit

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Zurückgeblättert zum Thema dieses Heftes Willst du gesund werden? (zu Joh 5,1–14)

Ilsabe Seibt Gesundheit und Heilung in den Liedern des Evangelischen Gesangbuchs . . . . . . . . Dörte Detert Resilienz Psychische Widerstandsfähigkeit bei Kindern und Jugendlichen

24

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27

Felix C. Haase Mensch – Umwelt – Teilhabe Ein zeitgemäßer Blick auf Menschen mit Behinderung . . . . . .

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Arbeit Beruf Heinrich Geissler Macht Arbeit gesund? Prima Klima und andere Anforderungen an die Arbeitsgestaltung im demografischen Wandel

Entwürfe

Sophie Koenig Reformation kulinarisch

Materialien Petra Müller Buchtipps für die gemeindepädagogische Praxis

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Gemeindepädagogisches Forum

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Andrea Boyer Betriebliches Gesundheitsmanagement im Evangelischen Kurzentrum Ein Erfahrungsbericht . . . . . . . . . . . . . . . .

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Simone Merkel Christenlehre – was ist das? Buchrezensionen

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Christine Ursel Life-Balance statt Work-Life-Balance Dimensionen des einen und ganzen Lebens im Gleichgewicht . . . .

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Kerstin Brückner Gesund bleiben in der sozialdiakonischen Arbeit . . . . .

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ila ge n: en th ält dr ei Be Di es e Au sg ab e ttg ar t, Stu ft, ha sc ell es De ut sc he Bib elg er ch lis er k Evan ge Ge me ins ch af tsw rt/ M ., un d fu nk Fra , Pu blizis tik ipzig. rla gs an sta lt, Le Evan ge lis ch e Ve Be ac ht un g. e ch dli un fre W ir bit ten um


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VORWORT

Liebe Leserinnen und Leser,

Matthias Spenn, PGP-Schriftleiter

fühlen Sie sich gesund? Vielleicht fällt Ihnen eine Antwort leicht, vielleicht schwer. Egal, wie Sie reagieren, stellt sich die Frage, woran Sie Ihr mögliches Ja, Ihr mögliches Nein festmachen: An Ihrem körperlichen Befinden, Ihrem Ergehen an Geist oder Seele, an Einsam- , Zweisam-, Vielsamkeit …? Und: Das Befinden kann sich schnell ändern. Schließlich kann es »vor Nacht leicht anders werden, als es am frühen Morgen war« (Ämilie Juliane von Schwarzenburg-Rudolstadt, 1688, Evangelisches Gesangbuch 530,2). Hinzu kommt: Selbstwahrnehmung und Deutung des eigenen Zustands können sich deutlich unterscheiden von dem, wie andere meinen gesundheitlichen Zustand sehen oder deuten. Gesundheit ist ein zentrales Thema in nahezu allen Lebensdimensionen. Gesundheitsberatung findet sich auf allen Kanälen, die Gesundheitsindustrie ist vielfältig und bunt aufgefächert und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Je differenzierter die Sicht auf das (Un-)Wohlbefinden, umso vielfältiger und differenzierter sind das Problembewusstsein und Lösungsangebote. Für die kirchliche Praxis sind mit dieser Thematik viele Facetten und Perspektiven verbunden: Welche Faktoren im Blick auf Krankheit und Gesundheit spielen bei mir persönlich und in meinem Umfeld als ehrenamtlich engagierter oder berufl icher kirchlicher Mitarbeiter eine Rolle? Was macht mich krank, was macht mich gesund? Gibt es darauf plausible Antworten? Was ist Gesundheit theologisch? Welche Rolle spielen Motive wie Heil und Heilung in christlicher Perspektive, in der Bibel, in anderen Religionen, nach schul- und alternativmedizinischem, psychosozialem oder pathologischem, biologischem, chemischem, physikalischem Verständnis? Wie kann ich im Gottesdienst, in meiner Glaubenspraxis, in gemeindepädagogischen Zusammenhängen mit Menschen unterschiedlicher Alter und Lebenslagen die Themen Gesundheit und Krankheit thematisieren? Wie steht es um das Wohlbefinden kirchlicher Mitarbeitender? Gerade dieses Thema gewinnt auch in der gemeindepädagogischen Praxis immer wieder und (gefühlt) zunehmend an Bedeutung. Das war der ausschlaggebende Grund für die Redaktion, dazu ein eigenes Heft unserer Zeitschrift zum Thema »gesund« zu machen. Die Bandbreite der Themen reicht von inhaltlichen Dimensionen wie Singen und Gesundheit über Problemanzeigen im Blick auf berufl iche Belastungen bis hin zur Arbeit mit Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz. Viel Freude und hoffentlich anregende, aktivierende Erfahrungen beim Lesen sowie Lust auf interessante Impulse in diesem Heft wünsche ich Ihnen und – trotz allem und Hauptsache: Gesundheit!


Zug채nge

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Heile du mich, Herr, so werde ich heil; hilf du mir, so ist mir geholfen. Jer 17,14


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Zugänge

HAUPTSACHE GESUND – auch im Beruf ? Meditation zum Heftthema Michael Lehmann

Der Prophet Jeremia hadert. Er hadert mit seinem Beruf. Er hadert mit den Menschen, an die sein Auftrag ihn weist. Er hadert mit sich selbst. Und wird krank daran. Wie glücklich sind Sie mit Ihrem Beruf? Freuen Sie sich auf Ihre Arbeit? Freuen Sie sich auf die Menschen, an die Ihr Auftrag Sie weist? Sind Sie zufrieden mit sich selbst? oder geht es Ihnen wie Jeremia? Manchmal? Seit Längerem schon? Kirchliche Mitarbeitende sind mit hohen Erwartungen konfrontiert: Ihre Arbeit soll ein Zeugnis ihres Glaubens sein und zum Glauben einladen, ihre persönliche Zuwendung soll zeichenhaft die Liebe Gottes spiegeln, ihre Motivation sich aus der Dankbarkeit für Gottes reiche Gaben speisen. Und wir, die Mitarbeitenden der Kirche, könnten wir je anders, als von der verschwenderischen Liebe Gottes weiterzugeben? Mitarbeitende in der Kirche arbeiten mit hohem Anspruch an sich selbst. Dazu kommt: Sie arbeiten unter nicht einfachen Bedingungen. Insbesondere die Mitarbeitenden im gemeindepädagogischen Dienst sind einem Wettbewerb ausgesetzt, der unter den öffentlichen, gesellschaftlichen, kommerziellen und privaten Anbietern auf dem Freizeitmarkt ausgetragen wird: Die gemeindepädagogischen Angebote konkurrieren mit Musikschule und Reitunterricht, mit Sportvereinen, deren Spiel- und Wettkampfterminen, mit Ganztagsschulen und ihren Nachmittagsangeboten, mit den vielfältigen Formen virtueller Kommunikation und Zerstreuung ... Sie müssen sich in den dicht gefüllten Terminkalendern von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen behaupten. Sie sind einem sich rasant ändernden Freizeitverhalten von Familien ausgeliefert. Sie bekommen als erste kirchliche Berufsgruppe den demografischen Wandel unserer Gesellschaft zu spüren. Es bleibt nicht aus, dass sie die Fülle der an sie gestellten Anforderungen als erdrückend empfi nden, und gelegentlich kommt es vor, dass sie von den vielen verschiedenen, teils konträren Erwartungen zerrissen zu werden drohen. Wie viele sind innerlich beim Propheten Jeremia und seinen Klagen angekommen? Und sind, wie er, an ihrem Beruf krank geworden? Jeremia spricht mit Gott. Er frisst seinen Zweifel, seine Ernüchterung, seine Erschöpfung nicht in sich hinein;

stattdessen betet er. Er tut das mit dem Wissen, dass er an den Bedingungen seines Berufs selbst nur wenig ändern kann, und er gibt sich nicht die Schuld an all den Widrigkeiten. Aber er merkt, dass ihn das alles krank macht. Also bittet er nicht um ein besseres berufliches Umfeld oder um bessere Arbeitsbedingungen oder um andere Zielgruppen, sondern er bittet: »Heile du mich, Herr, so werde ich heil. Hilf du mir, so ist mir geholfen.« Auch in der Personalarbeit der evangelischen Landeskirchen hat sich herumgesprochen, dass Arbeit, auch die Arbeit im kirchlichen Beruf, krank machen kann. Dem Thema Salutogenese hat sich gerade erst die Personalreferentenkonferenz der EKD gewidmet. In meiner Landeskirche, der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, haben wir in den letzten Jahren unsere Instrumente der Personalentwicklung systematisch auf ihre Leistungsfähigkeit für die Gesunderhaltung im Beruf geprüft und, wo notwendig, neu ausgerichtet. In unseren Mitarbeitendenjahresgesprächen wurden die Themen berufl icher Stress und Gesunderhaltung fest verankert. Wir haben für unsere Mitarbeitenden einen Rechtsanspruch auf Supervision beschrieben. Wir haben den Anspruch auf zwei Wochen Fortbildungsurlaub pro Jahr gesetzlich verankert. Und der Fortbildungskatalog wurde um Angebote zu geistlichem Leben und spiritueller Bildung, zu Gesundheitsförderung und Prävention, zu kollegialer Beratung und berufl icher orientierung erweitert. Es wäre gut, wenn wir uns auch im Umgang mit unseren beruflichen Enttäuschungen und Überforderungen, unseren Vergeblichkeitsängsten und der daraus folgenden Erschöpfung als Zeugen der Liebe Gottes erwiesen: Dass wir uns in seiner Kirche gegenseitig stützen und stärken, ermutigen und begleiten, und dass wir nicht ablassen, alles, auch das, was uns entmutigt, kränkt und krank macht, vor Gott zu bringen. Wie Jeremia.

OKR Michael Lehmann ist Personaldezernent der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland.


© luismolinero – Fotolia.com

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»GUT AUFGEHOBEN!« Gesundheit aus theologischer Perspektive Ulrich Laepple

»Springt ihr jetzt auch auf den Zug des Gesundheitskults auf?«, fragte eine Mitarbeiterin aus der Diakonie, als sie erfuhr, dass wir eine Tagung zum Thema »Die therapeutische Kraft des Glaubens« planten. Die kritische Frage wirft ein Licht auf das Spannungsfeld, in das christliche Theologie gerät, wenn sie sich dem Thema Gesundheit stellt. Wenn Gesundheit heute zu einer Art Götze geworden ist (und vieles deutet darauf hin) – was hat christliche Theologie dazu zu sagen? Und was hat sie positiv beizutragen zur Sehnsucht, zum Streben nach Gesundheit – auch zum Versagtsein von Gesundheit –, wenn sie ihre eigenen Wurzeln, das Evangelium von Jesus Christus, ernst nimmt?

Von der Kontrasterfahrung zur »Hauptsache« »Gesundheit« wird uns als hohes Gut oft erst bewusst, wenn wir sie nicht mehr haben oder wieder haben – also im Kontrast zur Krankheit. Wer Zahnschmerzen hatte und davon befreit wird, wer Migräne-Kopfschmerzen überstanden hat, wer aufgrund eines Verdachts auf Darmkrebs nach einer Darmspiegelung Entwarnung bekommt oder nach einer oP als »erfolgreich operiert« nach Hause entlassen wird, erlebt Gesundheit, und zwar als hohes, als kostbares Gut. Umgekehrt wird dem, der nie Krankheit erfahren hat, Gesundheit als Wert eher verborgen bleiben.


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geSunD LeBen

ENTSPANNT EIN SPANNENDES LEBEN WAGEN Miteinander einen gesunden Lebensrhythmus einüben Pierre Stutz

Auf der ersten Seite der Bibel erfahren wir, was lebens bejahend ist: Schöpferisches Dasein ereignet sich im Rhythmus von Spannung und Entspannung. Diesen Rhythmus können wir nicht mehr voraussetzen in einer Welt, in der wir immer mehr gelebt werden. Darum leisten spirituelle Menschen Wider stand für eine Lebensqualität, die Kreativität, Lebenslust und Solidarität fördert. Rituale im Alltag können uns dabei unterstützen.

Während einer Vortragsreise in Südtirol entdeckte ich im Herbst 2003 in Brixen das letzte Buch von Dorothee Sölle (1929–2003). Was für ein bewegender Moment! Ich erinnere mich, als wenn es gestern gewesen wäre. Ich öffnete zufällig ihr Buch »Mystik des Todes« und entdecke auf Seite 74 drei Sätze, die ich nicht auswendig lernen musste, weil sie seither in meinem Herzen (franz. »par coeur«) sind. Dorothee Sölle schreibt: »Wir benötigen eine neue Spiritualität, die den Rhythmus des Lebens kennt und akzeptiert. Wir können uns selbst unterbrechen, um diesen Rhythmus wahrzunehmen und uns in ihn einzustimmen. Er ist vor uns da und nach uns da.« In wenigen Worten gelingt es der Mystikerin aus Hamburg zu umschreiben, wie sich eine spirituelle Kultur entfalten kann, in der sich uns ein spannendes Leben eröffnet. Ich spreche nicht von einer »neuen« Spiritualität, sondern von der uralt-biblischen Sabbatkultur, wie sie schon auf der ersten Seite der Bibel aufscheint. Sie erinnert uns an den Rhythmus des Lebens, der sich durch Tag und Nacht, Leichtigkeit und Schwere, Erholung und Arbeit, Lachen und Weinen, Spannung und Entspannung, Leben und Sterben ausdrückt. In einer Welt, in der die Geschäfte 7 Tage pro Woche und 24 Stun-

den am Tag offen sein sollten, können wir diesen lebensfördernden Rhythmus nicht mehr voraussetzen. Als neue Freiheit wird uns diese subtile Versklavung vorgegaukelt. Sie entfremdet uns von uns selbst, von unseren Mitmenschen, von unserem Verwurzeltsein in der Schöpfung, vom Geschenk des Lebensatems Gottes.

Unterbrechungskultur Dorothee Sölle erinnert uns an die Möglichkeit, uns unterbrechen zu können, um nicht dem unbarmherzigen Gesetz des ››Hamsterrades« ausgeliefert zu sein. Sich unterbrechen zu lassen, heißt, sich befreien zu lassen vom Irrtum, alles selber tun zu müssen. Es bedeutet auch, sich nicht zu gewöhnen an unmenschliche Arbeits- und Lebensbedingungen. Wenn wir uns wie Jesus dem Leben in die Arme werfen wollen, wenn wir einander liebend-versöhnend begegnen wollen, dann brauchen wir die Gabe des Innehaltens, die sich uns im Rhythmus von Spannung und Entspannung zeigt. Mystische Menschen erzählen uns unaufhaltsam von dieser Lebenskultur, die sich weigert, sich leben zu lassen. Die erste Frage eines mystischen Menschen heißt darum nicht, »was muss ich tun?«, sondern, »wo nehme ich die Kraft her, aus welcher Quelle schöpfe ich?«. Johannes vom Kreuz (1542–1591) spricht von einem »liebenden Aufmerken« und Madeleine Delbrêl (1904–1964) spannt den Bogen des Innehaltens, des Verweilens sehr weit: »Christus will überall dort zu Hause sein, wo wir bei uns selber verweilen.« Seit meinem Burnout lasse ich mich nun schon 22 Jahre durch viele mystische Weggefährtinnen und Weg-


KRANKHAFT GESUND Angela Stoll

Manche Menschen sind besessen von dem Gedanken, sich »richtig« zu ernähren. Zwanghaftes Essverhalten kann zu Mangelernährung führen.

Dinkelbrot, Vollkornnudeln, Salat, Bio-Äpfel: Klingt ja wunderbar gesund! Eigentlich ist es das auch. Wer aber derart auf Vollwertkost fi xiert ist, dass er niemals ein Stück Pizza oder ein paar Pommes anrühren würde, der übertreibt. »Wenn man bei der Ernährungsweise rigide ist und die Beschäftigung mit gesundem Essen zum Selbstläufer wird, wird ein Problem daraus«, sagt Dr. Reinhard Pietrowsky, Professor für Psychologie an der Universität Düsseldorf. Dann nämlich fängt das Verhalten an, zwanghaft zu werden: Experten sprechen von »orthorexia nervosa«. Das Wort bedeutet so viel wie »krankhaftes Gesund-Essen«. Fans von fettigem Fastfood sollten sich aber nicht zu früh freuen und die »Bio-Freaks« belächeln. »Sich mit gesunder Ernährung auseinanderzusetzen, ist zunächst etwas Positives«, betont Pietrowsky. Bedenklich wird die Sache erst, wenn die Beschäftigung mit gesundem Essen zur »überwertigen Idee« wird, der man alles andere unterordnet: Die Betroffenen verbringen typischerweise viel Zeit damit, Speisepläne auszuarbeiten und die »richtigen« Nahrungsmittel zu besorgen. ob sie ihnen schmecken, spielt kaum eine Rolle. Sollten orthorektiker doch einmal der Versuchung einer Currywurst erliegen, löst das bei ihnen nicht selten Schuldgefühle aus. »oft nehmen die Betroffenen auch keine Einladungen mehr an, weil sie dem misstrauen, was andere kochen, und begeben sich immer mehr in die soziale Isolation«, sagt Pietrowsky. Am Ende kann die vermeintliche Super-Diät dem Körper sogar schaden: Manchmal setzt sich der Speiseplan nämlich nur noch aus wenigen

Nahrungsmitteln zusammen, so dass es zu einer Mangelernährung kommt. So berichtet eine Internet-Nutzerin im Forum von »Was wir essen«: »eine Zeitlang war es echt schlimm … da hab ich fast nur obst gegessen …« Bislang wird orthorexie offiziell noch nicht als eigenständige Krankheit definiert. »Das ändert aber nichts daran, dass es dieses Phänomen tatsächlich gibt«, sagt Pietrowsky. Und das offenbar gar nicht selten: »In Deutschland dürften ein bis zwei Prozent der Bevölkerung betroffen sein. Das hat auch unsere online-Befragung mit mehr als 2000 Teilnehmern ergeben«, berichtet er. Die meisten orthorektiker seien eher jung, also unter 35 Jahren. Frauen sind Pietrowsky zufolge nicht wesentlich öfter als Männer betroffen. Wer ohnehin eine spezielle Art hat, sich zu ernähren, ist anfälliger: »Es hat sich gezeigt, dass Vegetarier und Veganer eine etwas höhere Wahrscheinlichkeit für orthorexie haben als die Gesamtbevölkerung«, sagt der Psychologe. offenbar neigen Menschen, die sich ohnehin stark mit Ernährung auseinandersetzen, eher zu Übertreibungen: Eine Studie der Universität Innsbruck, bei der knapp 300 Diätassistentinnen zu ihrem Essverhalten befragt wurden, ergab erstaunliche Zahlen. Fast 13 Prozent waren demnach gefährdet, eine orthorexie zu entwickeln, oder litten bereits an der Störung. Den Begriff »orthorexie« prägte der amerikanische Alternativmediziner Steven Bratman, der die Essstörung 1997 erstmals ausführlich in einem Artikel beschrieb. Das Wort kommt aus dem Griechischen: »ortho« bedeutet richtig und »orexis« Appe-

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geSunD LeBen

RESILIENZ Psychische Widerstandsfähigkeit bei Kindern und Jugendlichen Dörte Detert

Der Aspekt der Resilienz hält immer mehr Einzug in den pädagogischen Alltag. Die Resilienzforschung, in der Entwicklungspsychopathologie verortet, wirft einen differenzierten Blick auf Entwicklungsprozesse unter verschiedenen Bedingungen – fördernde und nicht-fördernde. Sie sucht Antworten auf gelingende und nicht gelingende Entwicklungen und deren Bedingungsfaktoren. In verschiedenen Längsschnittstudien (z. B. Werner 1955–1995, Laucht et. al. 1986–2007) sind Bevölkerungsgruppen untersucht worden, um neue Erkenntnisse bezüglich sogenannter Schutz- und Risikofaktoren in der Entwicklung zu finden, die dann entwicklungsfördernd in die pädagogische Arbeit einfließen können.

ZUM BeGriFF Der resilienZ Der Begriff Resilienz wird aus dem Englischen (resilience) mit Elastizität und Widerstandskraft bzw. -fähigkeit übersetzt. Ursprünglich kommt der Terminus aus dem Lateinischen (resiliere) und bedeutet so viel wie »abprallen« (vgl. Kipker 2008: 21; Wustmann 2004: 18). Hiermit wird die Widerstandsfähigkeit von Menschen oder gesamten sozialen Systemen assoziiert, die Belastungen und Stress in ihren Lebenswelten und Lebensbedingungen erfolgreich standhalten. Wustmann beschreibt Resilienz als »[...] eine psychische Widerstandsfähigkeit von Kindern gegenüber biologischen, psychologischen und psychosozialen Entwicklungsrisiken« (Wustmann 2004: 18). Von Resilienz bei Kindern wird allerdings erst dann gesprochen, wenn sowohl eine Bedrohung bzw. akute Gefährdung der Entwicklung des Kindes vorliegt als auch die erfolgreiche Bewältigung dieser Entwicklungsgefährdung zu verzeichnen ist (vgl. Kipker 2008: 22; Wustmann 2004: 18). Diese positive kindliche Entwicklung geht einher mit dem Erwerben und Erhalten von Fähigkeiten und Kompetenzen, die dem jeweiligen Kindesalter angemessen und für dieses relevant sind, wie zum Beispiel bei der Entwicklung der Sprache oder der Bewältigung

von Aufgaben in der Schule. Bewältigt das Kind diese Entwicklungsaufgaben trotz hoher Risikobelastungen erfolgreich, schafft es sich eine Erfahrungs- und Wissensbasis für das Bewältigen anderer neuer Aufgaben (vgl. Fröhlich-Gildhoff/Rönnau-Böse 2009: 12; Wustmann 2004: 20). In diesem fortlaufenden Prozess »[...] erwirbt das Kind Fähigkeiten und Kompetenzen, die es für eine positive Entwicklung benötigt« (Kipker 2008: 22). Resilienz ist also ein »[...] dynamischer Anpassungsund Entwicklungsprozess [...]« (Wustmann 2004: 28). Hieraus wird deutlich, dass Resilienz nicht angeboren ist, sondern durch Interaktionen des Individuums mit der Umwelt erworben wird und sich stetig in einem »dynamischen, wechselseitigen Prozess zwischen Kind und Umwelt« (Kipker 2008: 27) weiterentwickelt. Dabei besteht eine gegenseitige Beeinflussung aller Faktoren (Umwelt und Kind), die an dem Interaktionsprozess beteiligt sind (vgl. Kipker 2008: 27). Bewältigt ein Kind eine mit Entwicklungsrisiken belastete Situation erfolgreich, wirkt sich diese Erfahrung sowohl positiv auf den Resilienzprozess aus als auch auf sein Selbstvertrauen, sein Selbstbewusstsein und seine Selbstwirksamkeitsüberzeugungen. Dies begünstigt das Bewältigen von möglichen weiteren Risikosituationen und zukünftigen Anforderungen.


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Macht Arbeit gesund? Prima Klima und andere Anforderungen an die Arbeitsgestaltung im demografischen Wandel Heinrich Geissler

Für alle Organisationen und für alle Tätigkeiten sind folgende Faktoren von großer Bedeutung: Die Gruppe der älteren Mitarbeiter wächst rasant, die Arbeitsanforderungen sind meist von raschen technologischen Entwicklungen und von Verdichtung und Pausenlosigkeit sowie erhöhten Ansprüchen der Klienten/Kunden/Gläubigen geprägt. Im Beitrag werden die Möglichkeiten alter(n)sgerechter Arbeitsgestaltung und gesundheitsfördernder Führung im demografischen Wandel diskutiert.

Alternde Belegschaften Angesichts alternder Belegschaften sind vor allem zwei Fragen zu stellen: ➽ Gibt es in bestimmten Bereichen alterskritische Tätigkeiten, wie z. B. langes Stehen, viele Überstunden, Zeitdruck, Nachtarbeit, schweres Heben und Tragen etc., die mit zunehmendem Alter nicht mehr von allen gleich gut bewältigt werden können? ➽ Ältere sind weniger oft krank, aber dafür dauern die Krankenstände länger: Wie kann dieser altersbedingte Zuwachs an Krankenstand personell und finanziell bewältigt werden?

Altern: Vor allem körperliche Herausforderung Die Herausforderungen des demografischen Wandels sind vor allem im Bereich der körperlichen Veränderungen im Alternsprozess – weniger Muskelmasse, geringere Sauerstoffaufnahme der Lunge, schlechter Sehen und

Hören, geringere Toleranz im Umgang mit Erholungsdefiziten – und, im Bereich der psychischen Belastungen, durch Zeitdruck zu sehen. Ansonsten werden wir mit dem Alter besser: Mehr Erfahrungswissen, größere Gelassenheit, schnellere Übersicht in komplexen Situationen, um nur einige Stärken der Älteren zu nennen. Es geht also um Entlastung, z. B. durch ☛ Entlastungstage, also Zusatzurlaub, für Ältere, ☛ Mitentscheidung Älterer über Nachtarbeit, Überstunden etc., ☛ Verringerung von Zeitdruck. Gleichzeitig geht es aber im Sinne eines GenerationenManagements darum, altersgerechte Arbeitsbedingungen auch für die Jungen zu schaffen, z. B. keine Überforderung aufgrund fehlender Erfahrung, und für das »Mittelalter«, z. B. Aufstiegs- oder andere Entwicklungsmöglichkeiten.

Alter(n)sgerechte Berufsverläufe Oft ist in den Betrieben nicht rechtzeitig auf den demografischen Wandel reagiert worden. Damit ist gemeint, dass man meist korrektiv reagiert: Herr Maier hat einen Bandscheibenvorfall und dann sucht man eine zumutbare Tätigkeit. Das Interventionswerkzeug Alter(n) sgerechte Berufsverläufe dagegen ist präventiv und liefert Antworten vor allem auf folgende Fragen: ➽ Welche Tätigkeiten sind für den Einstieg in den Beruf/Betrieb am besten geeignet, um Erfahrung und Routine aufzubauen und um fachliche und organisatorische Kompetenzen zu stärken? ➽ Welche horizontalen, diagonalen und vertikalen Entwicklungsperspektiven gibt es bzw. sind denkbar und wünschenswert?


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ARBeIT BeRuF

Life-Balance statt Work-Life-Balance Dimensionen des einen und ganzen Lebens im Gleichgewicht Christine Ursel

Überall sind Angebote und Bücher zur sogenannten »Work-Life-Balance« zu entdecken! Der Begriff suggeriert, dass es zwei getrennte Bereiche gäbe, die nacheinander oder nebeneinander stehen und in Balance zu bringen wären: Arbeiten und Leben. Für manche scheint »das Leben« tatsächlich erst nach »der Arbeit« anzugehen: Am Feierabend, am Wochenende, im Urlaub, im Ruhestand. Da muss das Private und Berufl iche strikt getrennt werden, um überleben zu können. Wie schade, wenn das so empfunden wird und Arbeit zum Teil so gestrickt ist, dass sie nur durch die Fokusverschiebung auf das Private auszuhalten ist. Aber: Ich habe nur ein Leben und dies ist nicht zerstückelt in diese beiden Bereiche, deshalb muss ich diese beiden auch nicht in Balance bringen. Vielmehr geht es darum, mein Le-

ben als Ganzes zu sehen und zu gestalten und in Balance zu leben. Deshalb ist es viel sinnvoller, von »Life-Balance« als von »Work-Life-Balance« zu sprechen. Neu inspiriert zu einem solchen Verständnis hat mich in besonderer Weise Albert Pietzko (Unternehmensberatung Heiligenfeld & Pietzko in Bad Kissingen). Im Folgenden stelle ich sechs Bereiche vor, die zum Leben in Balance gehören. Alle sechs Dimensionen gehören zum Leben in Balance. Gut ist es, wenn alle Dimensionen im Blick sind. Die Fragen können hilfreich sein, meine Balance im Leben immer wieder neu auszuloten. Ein sehr dynamisches Geschehen, das immer das gesamte System in Bewegung bringt und hält. Das hilft auch, der Tendenz zur zunehmend stärker entgrenzten Arbeit zu begegnen. Die ganz-

heitliche Sorge um alle meine sechs Lebensbereiche kann mir niemand abnehmen. Es kann niemand für mich evtl. sogar auf Vorrat »spielen«… Nur ich kann das Meine dazu tun, dass arbeiten, spielen, tun, heiligen, Regeneration und Interaktion in (m)einer Life-Balance immer wieder in ein gutes Gleichgewicht kommen und die »Life-Balance« nicht ganz aus dem Rahmen fällt und keinen Halt mehr hat.

Christine Ursel arbeitet als Fortbildungsreferentin im Diakonischen Werk Bayern – Diakonie.Kolleg. Bayern.


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GESUND BLEIBEN IN DER SOZIALDIAKONISCHEN ARBEIT Kerstin Brückner

Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserer Kirche sind mit dem zunehmenden verwaltungsorganisatorischen Management und mit dem verkündenden, seelsorgerischen, pädagogischen und pflegerischen Dienst am Menschen betraut. Besonders hervorzuheben sind die sozialdiakonischen Hilfen, die den am Rand der Gesellschaft stehenden Menschen zuteilwerden – Menschen, die sich in prekären Lebenslagen befinden, Benachteiligungen erleben oder besondere körperliche, seelische, geistige und soziale Bedürfnisse mitbringen. Diese multiplen Anforderungen an die Mitarbeitenden sind immer anspruchsvoller und die Masse an zu bewältigenden Aufgaben ist – dem schnellen gesellschaftlichen Wandel geschuldet – tendenziell größer geworden. Vor diesem Hintergrund stellen sich drängende Fragen. Wie gelingt es, ein dauerhaft kraftvoller, fachkompetenter und dynamischer Mitarbeiter zu bleiben? Wo sind die Grenzen der Belastbarkeit? Sind diese immer eindeutig zu erkennen und finden sie Akzeptanz? Ein fiktiver Arztbesuch macht das Ausmaß des Problems deutlich:

Diese Szene beschreibt einen typischen Fall von Langzeiterschöpfung. Eine Diagnose, die bei dem betroffenen Mitarbeiter nicht auf Einsicht trifft. Eine geistige, körperliche oder seelische Langzeiterschöpfung kann viele Krankheiten auslösen: Herz-KreislaufBeschwerden, Muskelverspannungen, Rücken,- Magen,- und Kopfschmerzen, Depressionen, Verdauungsbeschwerden und Schlafstörungen. Dieser Erschöpfungsprozess entwickelt sich zu meist schleichend über lange Zeit hinweg und ist besser unter dem

Ärztin: »Welche Beschwerden führen Sie zu mir?« Patient (bedächtig): »Nun, eigentlich ist alles in Ordnung. Im Dienst arbeite ich meinen Stapel von oben ab, meine Notizen helfen mir meine Aufgaben zu erfüllen und meine Termine einzuhalten. Allerdings ist gegen 3.00 Uhr meine Nacht vorbei, da fängt das Gedankenkarussell an, sich zu drehen. Ich grüble, wie ich meine Projekte noch besser gestalten kann. Mir fällt ein, was ich alles noch machen muss. Ich bekomme panische Angst, all meine Arbeit nicht zu schaffen oder etwas nicht perfekt gemacht zu haben. Tagsüber fühle ich mich müde und unkonzentriert.« Ärztin (bestimmt): »Das hört sich sehr nach einer mittelgradigen Erschöpfung an. Ich stelle Sie für die nächste Zeit erst einmal ruhig.« Patient (schreit auf): »Aber nein. Ich kann mein Team nicht im Stich lassen. Ich muss noch ein Projekt zu Ende führen, die Teilnehmenden werden enttäuscht sein. Die Statistik muss raus, das muss ich selbst machen. Die Osterfestvorbereitungen laufen auf Hochtouren, da kann ich nicht fehlen. Können Sie mir nicht anders helfen?«

Namen Burnout oder Erschöpfungsdepression bekannt. Die Weltgesundheitsorganisation WHo benennt Stress als eine der Hauptursachen für Krankheiten. Stress kann uns aber auch mit spürbaren Erfolgschancen beflügeln und wir nehmen ihn in der Bewältigung unserer Aufgaben als positive Herausforderung wahr. Wird Stress in einer relevanten oder in zunehmend sich häufenden Situationen zu einer Überforderung, z. B. durch fehlende Ressourcen wie Zeit und Infragestellen der eigenen Kompetenz, dann kann

er zu einer Bedrohung werden. Denn er stört die normale Funktion des Gehirns und verursacht eine Abnahme der Produktion des »Glückshormons« Serotonin. Überforderung wirkt sich negativ auf die körperliche und geistige Verfassung aus. Das daraus folgende Verhalten erzeugt hier eine Überlastungsspirale, wenn durch den eigenen hohen Leistungsanspruch, die Unfähigkeit, »Nein« zu sagen, oder einen erhöhten Arbeitsanfall Druck entsteht. Denn wer unter Druck arbeitet, macht Fehler. Es folgen Selbstkritik, Kritik von an-


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ARBeIT BeRuF

»Gut, gerne und wohlbehalten« Salutogenese in der kirchlichen Personalentwicklung

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Andreas Weigelt

Seit September 2012 hat die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern (ELKB) eine Projektstelle für Salutogenese. Sie reagiert damit auf Wahrnehmungen und Hinweise, die in Jahresgesprächen, Beurteilungsvorgängen und anderen Gesprächen mit Mitarbeitenden aller Berufsgruppen gesammelt wurden: Die Arbeit im kirchlichen Kontext ist vielseitig und abwechslungsreich; sie ist aber auch anstrengend und fordernd, manchmal über das Maß des Zuträglichen hinaus. Auch Mitarbeitende in der ELKB fühlen sich von ihrem Arbeitsumfang über-

fordert, leiden unter den Arbeitsbedingungen oder werden krank. Von Beginn an versucht die Projektstelle in vielen Gesprächen bei Pfarrkonferenzen und Zusammenkünften anderer Berufsgruppen die Belastungsfaktoren in kirchlichen Berufen zu ermitteln, ihre Ursachen zu erforschen – und geeignete Maßnahmen zu entwickeln. Hilfreiches Instrument dafür ist das sogenannte Arbeitsbewältigungscoaching (ab-c)1, das bislang in drei Praxisfeldern (Personalabteilung des LKA, Dekanat Weilheim und Gesamtkirchen-


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gemeinde Schwabach) erprobt wurde. Es stellt eine Verbindung zwischen Personal- und Organisationsberatung dar und fußt auf zwei Säulen: Jedem Mitarbeitenden wird ein etwa einstündiges vertrauliches Coaching mit einem nicht in der Hierarchie stehenden, also meist externen Gesprächspartner angeboten. Darin wird zunächst der ABI-Bogen 2 ausgefüllt und besprochen. Anschließend entwickelt der Mitarbeiter zusammen mit dem Coach einen persönlichen Förderplan. Gleichzeitig entsteht in diesem Gespräch eine Liste von Förderthemen, die in anonymisierter Form die Basis für einen zweiten Baustein bilden: In einem Workshop mit den Verantwortlichen der zu beratenden Einheit werden die gesammelten Förderthemen aus den Einzelcoachings geordnet und gewichtet. Es wird beraten, abgewogen und beschlossen, welche konkreten Maßnahmen entwickelt werden können. Jedes Förderthema bekommt einen Umsetzungspaten, der die Verantwortung für die Weiterarbeit übernimmt. Nach etwa einem halben Jahr schließt sich eine Maßnahmenevaluation an, zu der alle Mitarbeiter eingeladen werden. Die Ergebnisse aus diesen Projekten, die derzeit in anderen Praxisfeldern weiter durchgeführt werden, sowie die vielen Einzelbeobachtungen lassen inzwischen erste Herausforderungen einer salutogenetisch orientierten Personalentwicklung erkennen:

Salutogenese ist eine unverzichtbare Perspektive für Führungskräfte. Die Untersuchungen in den ab-c-Prozessen haben übereinstimmend festgestellt, wie hoch der Stellenwert einer guten Führung und Leitung für Mitarbeitende aller Berufsgruppen ist. Das überrascht in gewisser Weise, weil man gerade Pfarrerinnen und Pfarrer im Allgemeinen als wenig führungsfixiert wahrnimmt, wird doch in diesem Berufsstand die Freiheit und Unabhängigkeit von Autoritäten aller Art gerne hochgehalten. Besonders die Daten aus dem Dekanat Weilheim jedoch ergeben klare Hinweise auf die Bedeutung einer guten Führung und korrespondieren mit zahlreichen arbeitswissenschaftlichen Untersuchungen.3 Die Wichtigkeit einer erfolgreichen direkten Vorgesetzten-Mitar-

beiter-Beziehung wurde sowohl in der Leitung des Dekanats als auch in den anderen Berufsgruppen mehrfach betont. Führt ein Vorgesetzter eine Abteilung mit hohem Krankenstand, so dauert es bei einem Wechsel des Chefs in eine andere Abteilung nicht lange, bis auch dort die Krankenrate steigt. Gleiches gilt umgekehrt.4 – Auch die anderen Berufsgruppen haben die Bedeutung der direkten Vorgesetzten-Mitarbeitenden-Beziehung deutlich hervorgehoben. Die kybernetische Herausforderung besteht nun darin, diesen Zusammenhang nicht als zusätzlichen Belastungsfaktor an die kirchlichen Vorgesetzten weiterzugeben, sondern als gestalterische Chance ihrer Führungsaufgabe. Hier gilt es, die bestehenden Führungsinstrumente kritisch zu überprüfen und gegebenenfalls neu zu akzentuieren (s. u.). Möglicherweise muss Neues hinzutreten. Vor allem aber sollen die Vorgesetzten für ihre Möglichkeiten im Bereich der Mitarbeitendenführung sensibilisiert werden.

Die Wahrnehmung der berufsgruppenübergreifenden Perspektive Kirche ist tendenziell pfarrerzentriert. Das Impulspapier der EKD »Kirche der Freiheit« 5 bezeichnet die Profession des Pfarrers als einen »Schlüsselberuf«. Die fünfte Kirchenmitgliedschaftsstudie der EKD bestätigt dies unter anderem mit der Feststellung, dass die Bindungskräfte für Kirchenmitglieder am höchsten sind, wenn die Mitglieder den Pfarrer persönlich kennen.6 Dieser nicht anzuzweifelnde Befund darf aber nicht dazu führen, dass ein intensives Miteinander mit den anderen kirchlichen Berufsgruppen vernachlässigt wird. Die »Fünf Thesen zur Personalentwicklung« haben deshalb die Aufgabe formuliert, alle anderen Mitarbeitenden konsequenter entsprechend ihrer beruflichen Qualifikation einzusetzen, so dass zum einen der Berufsstand des Pfarrers entlastet und zum anderen für alle der fachfremde Anteil im Berufsleben minimiert wird. Dies könnte zu erheblichen Verbesserungen der Berufszufriedenheit und -gesundheit führen. Elemente des schwedischen Kirchensystems könnten als Vorbild für eine solche Ausrichtung die-


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enTWüRFe

R eformationsbrö tchen

Zutaten für ca. 10 Stück: 500 g M ehl

40 g Hefe 250 ml lauwar me M ilch 50 g gehackte M andeln 100 g gehacktes Citronat (nach Be lieben) 150 g Sultanine n, heiß gewasch en und abgetrop ft 1 TL geriebene Zi tronenschale ½ Glas Rum 100 g Butter 50 g Zucker

1 großes Ei Prise Salz 100 g Erdbeerm

REFORMATION KULINARISCH

armelade 100 g Puderzuc ker Zitronensaft

Sophie Koenig

Im oktober ruft mich immer meine Schwester an, eine ExilSächsin aus Baden-Württemberg, und schreit auf: »Hier gibt es keine Reformationsbrötchen, es ist zum Verzweifeln! Ich muss bald wieder mal heimkommen!« Sie tut mir wirklich leid. Ein Leben ohne dieses hefeteigige Gebäckstück mit Marmelade und Zuckerguss, das bei uns im Landkreis Leipzig um den 31. oktober die Auslagen der Bäckereien ziert, kann ich mir selbst auch nicht vorstellen. Das Reformationsbrötchen ist in etwa so groß wie ein Kaiserbrötchen, nur gewichtiger. Der Teig ähnelt Stollenteig, ist aber etwas weicher und leichter. Es soll an die Lutherrose erinnern, das jedenfalls ist die bekannteste Interpretation. Auch wenn die Lutherrose eigentlich fünf Spitzen hat, unser Gebäckstück nur vier. Das Herz in der Mitte der Lutherrose imitiert der Bäcker mit einem Klecks Erdbeermarmelade. Zum Schluss verziert man es mit Zucker, Puderzucker oder Zuckerglasur. Auch gehobelte Mandeln werden gerne obenauf gegeben. Es gibt eine Überlieferung, dass ein Leipziger Bäckermeister im späten 19. Jahrhundert das süße Gebäck erfand.1 Eine andere Theorie besagt, das Brötchen sei als protestantische Alternative zum katholischen Martinshörnchen schon viel früher entstanden.2 Wie auch immer, es ist jedenfalls vielen Deutschen nicht bekannt. Und meine Schwester muss sich mit »Süßstückle« begnügen. Bis vor Kurzem jedenfalls! Denn ich habe ein Rezept kreiert, mit dem sie die leckeren Brötchen leicht nachbacken kann, um auch in Baden-Württemberg der Reformation gedenken zu können – denn nur dafür ist es ja da, oder?!

Sophie Koenig, MA (Germanistik, Journalistik) ist Lektoratsassistentin bei der Evangelischen Verlagsanstalt in Leipzig und dort auch als Redaktionsassistentin für die PGP tätig.

Zubereitung: 1. Das Mehl in eine Schüssel sieben, eine Mulde eindrücken, die Hefe hineinbröckeln und mit der Milch und etwas Mehl zu einem Vorteig rühren. 15 Min. gehen lassen. 2. Sultaninen, Mandeln und Citronat mit Rum mischen und 30 Min. durchziehen lassen. 3. Butter schmelzen, mit Zucker, Ei, Zitronenschale und Vorteig zu einem Teig schlagen und an einem warmen Ort 40 Minuten gehen lassen. 4. Den Teig mit den Rumfrüchten mischen, einen Laib formen und nochmals 20 Min. gehen lassen. 5. Ofen auf 200 °C vorheizen. 6. Den Laib zu einer Rolle formen und Brötchen abschneiden. Diese in der Mitte kreuzartig einschneiden. In die Mitte einen Kleks Marmelade setzen. 7. Die Brötchen auf ein mit Backpapier ausgelegtes Blech setzen und ca. 20 Minuten backen. Nicht zu dunkel werden lassen, sondern herausnehmen, wenn sie sich noch leicht weich anfühlen, sonst sind sie nachher zu trocken. Brötchen etwas abkühlen lassen. 8. Aus Puderzucker und Zitronensaft eine cremige Glasur herstellen und die Brötchen damit beträufeln.

Die Brötchen nach diesem Rezept wurden bereits vom Redaktionsteam verkostet und für lecker befunden!

1

Artikel »Über das Reformationsbrötchen«, vgl. http://baeckerei-wolf.com/2012/10/uber-das-reformationsbrotchen/.

2

Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Reformationsbr%C3%B6tchen.


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Materialien

Buchtipps für die gemeindepädagogische Praxis Petra Müller

Der »Evangelische Lebensbegleiter«, herausgegeben im Auftrag der Kirchenleitung der VELKD bewährt sich vielerorts seit Jahren und erscheint mittlerweile in der 4. Auflage. Dieses Jahreslesebuch widmet jedem Tag des Jahres eine Doppelseite. Jeder Tag folgt dem Dreischritt: Wahrnehmen – Deuten – Gestalten. An manchem Tag gibt es zusätzlich noch eine »Idee für den Tag«. Jeder Monat steht unter einem eigenen Thema, das an menschliche Grunderfahrungen anknüpft. Diese werden in ihrer Polarität entfaltet, wie zum Beispiel Vertrauen haben – Angst haben / Arbeiten – Ruhen / Helle Tage – Dunkle Tage / Zweifeln – Glauben / Zeit – Ewigkeit … Zwischen den zwölf Monatsthemen stehen informative Einheiten zu Leitthemen evangelischer Spiritualität. Der Monat August entfaltet das Thema »Gesund sein – krank sein«. Das Buch eignet sich zum persönlichen Gebrauch, hat sich aber ebenso auch sehr bewährt zum Auslegen in Kirchen, Kirchengemeinden, Tagungshäusern, Krankenhäusern und Arztpraxen. Auch ist es ein schönes und besonderes Geschenk. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2007, 848 Seiten geb., 3 Lesebändchen, ISBN 978-3-579-05576-3, € 29,99

Im Vier-Türme-Verlag der Abtei Münsterschwarzach sind drei neue Gebetbücher erschienen, bei denen es sich lohnt, gleich auf alle drei hinzuweisen. Die Herausgeberin Ulrike Strerath-Bolz stellt zeitlose und moderne Gebete zusammen. Die handlichen Bücher sind wunderbar und ansprechend gestaltet. »Halt uns in deiner Hand – Gebete für die Familie« sind Gebete, für verschiedenste Lebenssituationen in der Familie zusammengestellt.  ISBN 978-3-89680-928-5 »Behüte mich in dieser Nacht – Gebete für den Abend« lässt uns Gebete für den Abend, am Ende eines Tages und für dunkle Stunden finden. ISBN 978-3-89680-927-8 »Du bist meine Freude – Gebete aus dem Kloster« ist eine Auswahl von Texten, denen man in der klösterlichen Liturgie begegnet.   ISBN 978-3-89680-929-2 Vier-Türme-Verlag, Münsterschwarzach 2015, je 64 Seiten, gebunden, je € 9,99

In dem Bilderbuch »Kuddelmuddel in Omas Kopf« erlebt Nils, wie sehr sich seine Oma verändert. Zuerst findet er es nicht schlimm, dass sie zunehmend etwas vergisst, denn auch er vergisst ja immer wieder etwas. Doch bald schon merkt er, dass das bei seiner Oma wohl anders ist. Manchmal weiß sie schon gar nicht mehr, wie sie heißt und wer er ist. Die Autorin Martina Baumbach greift in einfühlsamer Weise und kindgerecht das Thema Demenz auf. Kinder im Kindergartenalter werden mit Nils zusammen erkennen, dass dem Verhalten seiner Oma eine unheilbare Krankheit zugrunde liegt. Die unterschiedlichen Gefühle werden treffend dargestellt. Die Dialoge sind kindgerecht. Die farbigen Illustrationen von Michaela Heitmann sind gut in diesem Bilderbuch arrangiert. Es ist ein vortreffliches Buch, das hoffentlich an vielen Orten zum Einsatz kommt, um Kindern – und vielleicht auch Erwachsenen – die Krankheit Demenz zu veranschaulichen. Gabriel Verlag, Stuttgart 2014, 32 Seiten gebunden, ISBN 978-3-522-30329-3, € 12,99

Pausen sind Zeiten der Unterbrechung, Zeiten, um Kraft zu tanken, Abstand zu gewinnen, innezuhalten. Das Wort Pause ist vom griechischen Wort pauestai abgeleitet, das so viel bedeutet wie: aufhören etwas zu tun. Die beiden Pädagogen Clauß Peter Sajak und Winfried Verburg laden mit dem Buch »5 Minuten Pause – Impulse zum Nachdenken für Lehrerinnen und Lehrer« zu einem kurzen Innehalten in der Woche ein. Die 52 Impulse orientieren sich an der Schulrealität, verbinden Schuljahr und Kirchenjahr und Erfahrungen des Schulalltags mit der Heilsgeschichte. Für jede Woche ist eine überschaubare Doppelseite vorgesehen. Mit der Beschränkung eines Impulses für sieben Tage wollen die Autoren das Durchdenken und Memorieren anregen und die alte Methode der Ruminatio, des »Wiederkäuens« von Texten, aufgreifen. Die Texte sind von schulerfahrenen Religionspädagogen verfasst. Das Buch ist vielerorts und vielseitig einsetzbar, auch, wie ich finde, über den Schulalltag hinaus. Kösel Verlag, München 2015, 128 Seiten gebunden, ISBN 978-3-466-37120-4, € 12,99


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geMeInDePäDAgOgISCHeS FORuM

Als in einer Fortbildung im Zusammenhang mit der kirchlich-gemeindlichen Arbeit mit Kindern der Begriff Christenlehre fällt, macht sich Unkenntnis breit: »Ach, Sie meinen Religionsunterricht?« »Sprechen Sie vom Katechumenat?« »Es geht um die vorbereitende Unterweisung für den Konfirmandenunterricht?« »Ach, Sie reden von der Arbeit mit Kindern in der DDR?« »Christenlehre ist mir in meiner Gemein-

de noch nicht begegnet!« »Das ist vergleichbar mit Jungschar!« »In meiner Gemeinde treffen sich die Kinder regelmäßig zur Christenlehre. Was da geschieht, weiß ich auch nicht so genau.« Christenlehre – was ist das? Der Titel und auch das dahinter liegende aktuelle Angebot erschließen sich offensichtlich nicht mehr von selbst. Der Begriff Christenlehre ist erklärungsbedürftig geworden.

CHRISTENLEHRE WAS IST DAS? Simone Merkel

In Gesprächen in der gemeindlichen Praxis wird deutlich, dass die Menschen sehr unterschiedliche Erfahrungen und Erwartungen mit diesem Wort verbinden. Manche haben als Kind in den 1970er und 1980er Jahren selbst an der Christenlehre teilgenommen und erwarten nun unter dem Titel ein entsprechendes Angebot für die heutigen Kinder. Andere verstehen es als Markenzeichen und Überschrift für eine Vielfalt von kirchlichen Angeboten für Kinder und verbinden damit Formate wie wöchentliche Gruppentreffen, Kinderbibelwochen, Feste, Feiern, Fahrten, Gottesdienste und vieles mehr. Wieder andere fühlen sich verunsichert, weil der Begriff ein formales Bildungsformat

suggeriert. Selbstverständlich begegnet man auch denjenigen, die Christenlehre als anregendes gemeinschaftsstiftendes Beziehungsgeschehen erleben und erlebt haben und nun begeistert davon weitererzählen. In ihrer Abschlusspräsentation des Seminars Öffentlichkeitsarbeit beschreibt eine Absolventin des gemeindepädagogischen Aufbaukurses Christenlehre so: »Christenlehre ist ein regelmäßiges wöchentliches Angebot für Grundschulkinder. Der Begriff Christenlehre wurde in der DDR verwendet, als der Religionsunterricht nicht mehr an den Schulen stattfinden durfte und in den Räumlichkeiten der Kirchengemeinden angeboten

wurde. Tatsächlich ist der Begriff der Christenlehre jedoch schon viel älter. Er reicht weit zurück, bis an Luthers Zeiten heran, und meinte ursprünglich die Unterweisung im christlichen Glauben. Nun hat sich diesbezüglich natürlich ein erheblicher Wandel vollzogen. Heutzutage geht es darum, die Kinder auf ihrem Glaubensweg zu begleiten und ihnen Räume zu eröffnen, wo sie ganzheitliche Erfahrungen zum Thema Glaube und Christsein im heutigen Alltag erleben können. Ganz praktisch sieht das so aus, dass wir singen, spielen, Geschichten hören und erleben, basteln, philosophieren, miteinander Essen, beten und Themen, die uns bewegen, miteinander erörtern.« (Merker-Mechelke 2015)


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PRAXIS GEMEINDEPÄDAGOGIK PGP ehemals »Christenlehre /Religionsunterricht–PRAXIS« ehemals »Die Christenlehre«

68. Jahrgang 2015, Heft 3 Herausgeber: Amt für kirchliche Dienste in der Evangelischen Kirche Berlin - Brandenburg - schlesische Oberlausitz Pädagogisch-Theologisches Institut der Nordkirche Theologisch-Pädagogisches Institut der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens Pädagogisch-Theologisches Institut der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland und der Evangelischen Landeskirche Anhalts Anschrift der Redaktion: Matthias Spenn, c/o Evangelische Verlagsanstalt GmbH, »PGP-Redaktion«, Blumenstraße 76, 04155 Leipzig, E-Mail ‹redaktion@praxis-gemeindepaedagogik.de› Redaktionskreis: Dr. Lars Charbonnier, Führungsakademie für Kirche und Diakonie, Berliner Dom – Portal 12, Am Lustgarten, 10178 Berlin Uwe Hahn, Ev.-Luth. Kirchenbezirk Leipzig, Dienststelle des Bezirkskatecheten, Burgstraße 1–5, 04109 Leipzig Petra Müller, Fachstelle Alter der Ev.-Luth. Kirche in Norddeutschland, Gartenstraße 20, 24103 Kiel Matthias Röhm, Amt für kirchliche Dienste in der Ev. Kirche BerlinBrandenburg-schlesische Oberlausitz, Goethestraße 26–30, 10625 Berlin Dorothee Schneider, PTI der Ev. Kirche in Mitteldeutschland und der Landeskirche Anhalts, Zinzendorfplatz 3, 99192 Neudietendorf Matthias Spenn, Amt für kirchliche Dienste in der Ev. Kirche BerlinBrandenburg-schlesische Oberlausitz, Goethestraße 26–30, 10625 Berlin Christine Ursel, Diakonisches Werk Bayern – Diakonie.Kolleg., Pirckheimerstraße 6, 90408 Nürnberg Redaktionsassistenz: Sophie Koenig, Evangelische Verlagsanstalt GmbH Verlag: EVANGELISCHE VERLAGSANSTALT GmbH, Blumenstraße 76, 04155 Leipzig, www.eva-leipzig.de Geschäftsführung: Arnd Brummer, Sebastian Knöfel Gestaltung/Satz: Jens Luniak, Evangelisches Medienhaus GmbH Druck: Druckerei Böhlau, Ranftsche Gasse 14, 04103 Leipzig Anzeigen: Rainer Ott · Media | Buch- und Werbeservice, PF 1224, 76758 Rülzheim, Tel. (0 72 72) 91 93 19, Fax (0 72 72) 91 93 20, E-Mail ‹ott@ottmedia.com› Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 11 vom 1.1.2012 Abo-Service: Christine Herrmann, Evangelisches Medienhaus GmbH, Telefon (03 41) 7 11 41 22, Fax (03 41) 7 11 41 50, E-Mail ‹herrmann@emh-leipzig.de› Zahlung mit Bankeinzug: Ein erteiltes Lastschriftmandat (früher Einzugsermächtigung genannt) bewirkt, dass der fällige Abo-Beitrag jeweils im ersten Monat des Berechnungszeitraums, in der letzten Woche, von Ihrem Bankkonto abgebucht wird. Deshalb bitte jede Änderung Ihrer Bankverbindung dem Abo-Service mitteilen. Die GläubigerIdentifikationsnummer im Abbuchungstext auf dem Kontoauszug zeigt, wer abbucht – hier das Evangelische Medienhaus GmbH als Abo-Service der PRAXIS GEMEINDEPÄDAGOGIK . Gläubiger-Identifikationsnummer: DE03EMH00000022516 Bezugsbedingungen: Erscheinungsweise viermal jährlich, jeweils im 1. Monat des Quartals. Das Jahresabonnement umfasst die Lieferung von vier Heften sowie den Zugriff für den Download der kompletten Hefte ab 01/2005. Das Abonnement verlängert sich um 12 Monate, wenn bis zu einem Monat vor Ende des Kalenderjahres keine Abbestellung vorliegt. Bitte Abo-Anschrift prüfen und jede Änderung dem Abo-Service mitteilen. Die Post sendet Zeitschriften nicht nach.

ISSN 1860-6946 ISBN 978-3-374-04190-9 Preise: Jahresabonnement* (inkl. Zustellung): Privat: Inland € 36,00 (inkl. MwSt.), EU-Ausland € 42,00, Nicht-EU-Ausland € 46,00; Institutionen: Inland € 44,00 (inkl. MwSt.), EU-Ausland € 50,00, Nicht-EU-Ausland € 54,00; Rabatte – gegen jährlichen Nachweis: Studenten 35 Prozent; Vikare 20 Prozent; Einzelheft (zuzüglich Zustellung): € 12,00 (inkl. MwSt.) * Stand 01.01.2014, Preisänderungen vorbehalten Die in der Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Kein Teil der Zeitschrift darf ohne schriftliche Geneh migung des Verlages in irgendeiner Form reproduziert werden. Unsere nächste PGP-Ausgabe erscheint im Oktober 2015.

Grundlage und Voraussetzung für ein deutlich formuliertes und nach außen transportierbares Selbstverständnis sind Selbstvergewisserung, klare Positionsbeschreibung sowie Zielklärung und eben auch die bewusste Außenorientierung. Alle Ergebnisse der Erhebung in der Arbeit mit Kindern in der EKBo deuten auf eine starke Binnenorientierung des Arbeitsbereiches. In 44 % aller Angebote werden Kinder, die ausschließlich oder überwiegend getauft sind, erreicht. Nur 15 % aller Angebote erreichen ausschließlich oder überwiegend ungetaufte Kinder. Mindestens nachdenklich sollte die Wahrnehmung machen, dass z. B. Ziele wie »kirchenferne Menschen ansprechen« (7,7 %), »Kontakt zwischen den Generationen ermöglichen« (4,4 %), »Kontakt zu anderen Religionen herstellen« (2,3 %) oder »sozial Schwache einbeziehen« (0,6 %) von eher geringer Bedeutung sind. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass eine Klärung des Begriffs Christenlehre auf der Grundlage der Praxis der Arbeit mit Kindern in der EKBo nicht möglich ist. Einer Unterscheidung der Angebote aufgrund der Titel ist wegen vergleichbarer Inhalte und Ziele auch anders bezeichneter Angebote nicht möglich. Zugleich unterscheiden sich Angebote mit gleicher Bezeichnung durchaus teilweise erheblich bezüglich der Rahmenbedingungen, Durchführung und Methodik. Die Vielfalt erweist sich als Stärke durch individuelle Gestaltungsmöglichkeit und orientierung am Bedarf der Gruppe und der Einzelnen. Aber Vielfalt und Individualität verhindern zugleich Transparenz und Verständlichkeit.

Christenlehre – was ist das? Wird diese Frage als Suche nach einem angemessenen alltagstauglichen Titel verstanden, darf man Praktikerinnen und Praktiker getrost zur Vielfalt und zum Einfallsreichtum ermutigen. Dann wird aus der Praxis ein neuer Begriff erwachsen, der den alten Begriff Christenlehre ablöst. Wird die Frage als Suche nach Inhalt und Zielen der kirchlich-gemeindlichen Arbeit mit Kindern verstanden, muss der Blick auf die Formulierung eines einheitlichen Selbstverständnisses gerichtet werden. Es wird darum gehen müssen, die Lebenslagen und Lebensfragen heutiger Kinder in ihrer Vielfalt und Komplexität in den Fokus zu nehmen und zugleich klar und offen christliche Positionen zu vertreten. Davon sind wir bisher vermutlich weit entfernt. Christenlehre – was ist das? Für die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische oberlausitz ist die Frage derzeit nicht zu beantworten. Die Antwort wird sich dann fi nden lassen, wenn die anderen Fragen, die sie aufwirft, bearbeitet werden.

Simone Merkel ist Studienleiterin für gemeindliche Arbeit mit Kindern im Amt für kirchliche Dienste in der EKBO.

Literatur Akremi, Leila / Merkel, Simone (2014): Arbeit mit Kindern in Zahlen, Erhebung der Arbeit mit Kindern in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Tabellenband. Eine Veröffentlichung des Amtes für kirchliche Dienste in der EKBO. Merker-Mechelke, Silvia (2015): Gemeindepädagogischer Aufbaukurs in der EKBO. Abschlussarbeit im Bereich Öffentlichkeitsarbeit. Steinhäuser, Martin (2008): Christenlehre in gemeindepädagogischer Perspektive. In: Adam, Gottfried / Lachmann, Rainer (Hg.): Neues Gemeindepädagogisches Kompendium. Göttingen.


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Hans-Martin Rieger GESUNDHEIT Erkundungen zu einem menschenangemessenen Konzept Forum Theologische Literaturzeitung, 29 248 Seiten | 12 x 19 cm | Paperback ISBN 978-3-3772-6 € 19,80 [D] Auch als eBook erhältlich.

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»Hauptsache gesund!« Dieses Motiv verbindet Menschen unterschiedlicher Herkunft, es ist darüber hinaus zu einem Zukunftsthema der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts geworden. Die »Gesundheitsgesellschaft« ist dadurch gekennzeichnet, dass sie Gesundheit erstens als höchsten Wert ansieht, dass sie Gesundheit zweitens als zunehmend machbar betrachtet und dass sie in der starken Nachfrage nach dem Gut »Gesundheit« drittens einen Wachstumsmotor gerade auch in alternden Gesellschaften erblickt. Doch was ist »Gesundheit«? Eine normale körperliche und psychische Funktionsfähigkeit, ein vollständiges Wohlbefinden oder ein dynamischer Zustand des Gleichgewichts? Höchst kompetent tritt Hans-Martin Rieger in die Diskussion gesellschaftlicher, medizinischer, gesundheitspsychologischer und philosophischer Vorstellungen ein. Dazu werden anthropologische Leitvorstellungen ethisch reflektiert und Grundmerkmale eines menschenangemessenen Gesundheitsverständnisses erkundet. Ein transdisziplinärer Modellvorschlag und eine theologische Betrachtung bieten konstruktive Gesprächsanstöße.

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