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Juli – September
2014
67. Jahrgang
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PRAXIS GEMEINDEPÄDAGOGIK
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ISBN 978-3-374-03776-6
ZEI TSCHRI F T FÜR E VA NGEL ISCHE BI L DU NGSARBEI T
– Die
ntscheidenden Bibeltexte
Die Entdeckungsreise durch die Bibel. Die Bibel. Der Leseplan. Die Impulse. E100-Bibel
Die Bibel
Gute Nachricht Bibel OHNE DIE SPÄTSCHRIFTEN DES ALTEN TESTAMENTS 12 x 18 cm, 1344 Seiten + 32 farbige Sonderseiten Beilage: E100-Faltkarte mit Bibelleseplan Bibeltext zweifarbig, Klebebindung, Farbeinband ISBN 978-3-438-01619-5 €(D) 14,95 €(A) 15,40 CHF 22,50
Die »entscheidenden einhundert Bibeltexte« sind in der E100Gute Nachricht Bibel farbig hervorgehoben, sodass sie leicht aufzufinden sind. Jedem dieser Texte ist ein Hinweis auf die nächste Leseeinheit beigefügt. Hinzu kommen 32 farbige Sonderseiten, die auf das E100Leseprogramm abgestimmt sind und Hintergrundinformationen und Verständnishilfen bieten.
E100-Faltkarte mit Bibelleseplan 43 x 14 cm, drei Mal gefalzt ISBN 978-3-438-06408-0 10 Exemplare €(D) 3,95 €(A) 4,10 CHF 5,90*
Die Impulse
E100-Impulse
In diesem Buch finden sich für alle einhundert Bibeltexte lebensnahe Erklärungen, dazu Fragen zum Nachdenken und Anregungen zum Beten.
Autor: Whitney T. Kuniholm 14 x 21 cm, 160 Seiten Farbeinband ISBN 978-3-438-06113-3 €(D) 12,95 €(A) 13,30 CHF 19,50 Kombipaket zum Sonderpreis
Der Leseplan
E100-Gute Nachricht Bibel mit E100-Faltkarte + E100-Impulse
Auf der Faltkarte sind alle einhundert Textstellen gesondert aufgelistet. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, die bereits gelesenen Texte zu markieren, indem man die entsprechende Zahl aus der Stanzkarte drückt.
ISBN 978-3-438-01681-2 €(D) 24,95 €(A) 25,70 CHF 36,90 *unverbindlich empfohlener Preis In Gemeinschaft mit dem Bibellesebund
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Fabian Vogt erklärt die Bibel
Fabian Vogt Bibel für Neugierige Das kleine Handbuch göttlicher Geschichten 192 Seiten | 13,5 x 19 cm | Paperback ISBN 978-3-374-03872-5
€ 12,90 [D] erscheint im September 2014
Warum musste Gott am Anfang erst mal das »Tohuwabohu« aufräumen? Gilt Noah eigentlich als Archetyp? Wollte Jona Walfreiheit? War Jesus Christ? Wieso macht der gute »Vater im Himmel« gleich zwei Testamente? Hätte nicht ein Evangelium gereicht? Und: Wie kann ein 2000 Jahre altes Buch heute noch aktuell sein? Fabian Vogt gibt Antworten: Fundiert, übersichtlich und dabei höchst unterhaltsam lässt er die großen Erzählungen der Bibel neu lebendig werden, erläutert die Zusammenhänge und zeigt, welche lebensstiftende Kraft in ihnen steckt. Das Buch ist ein Lesevergnügen für Heiden wie für Fromme aller Couleur. Fabian Vogt, Dr. theol., Jahrgang 1967, studierte Theologie, Germanistik und Gesang. Er ist Pfarrer, Sachbuchautor und Kabarettist – und in allen drei Berufen sehr bekannt. Wer kennt das »Duo Camillo« nicht? Vogt gehört der Künstlervereinigung »Das Rad« an und wurde mit dem »Deutschen Science-Fiction-Preis 2001«, der »Honnefer Zündkerze 2010« und dem »Wertheimer Affen 2013« (in Silber) ausgezeichnet. Vogt lebt mit Frau und Kindern in Oberstedten.
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Anzeigenschluss für die nächste Ausgabe der PRAXIS GEMEINDEPÄDAGOGIK ist der 15. September 2014.
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INHALTSVERZEICHNIS
Zugänge
Theologische Einblicke
Matthias Spenn Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Tobias Bilz Ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem andern dient. (Phil 2,4) Meditation zum Thema der Ausgabe . . . . . . . . . . .
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Kerstin Söderblom Konfl ikte verstehen Alltagserfahrungen und sechs Erkenntnisse . . . . . . . . .
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Konflikte verstehen Jutta Rottwilm Systemische Unterscheidung von Konfl iktsituationen Wenn es unter Hauptamtlichen einer Kirchengemeinde kocht und brodelt . . . . . . . . . . . . . . . . . Annekatrin Herzog Mobbing in Kirchengemeinden Das sensible Konstrukt kirchengemeindlicher Zusammenarbeit verstehen – und im Konfliktfall nicht wegsehen . . . . . .
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Dorothea Jüngst Lasset die Kinder zu uns kommen! Veränderungen in der Schule und ihre Auswirkungen auf kirchliche Kinder- und Jugendarbeitt . . . . . . . . .
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Was ist Mediation? Ein Interview mit Rainer Hartmann, Servicestelle für Konfliktmanagement, Krisenintervention und Mediation der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) . . . . .
Anika Tobaben Wenn Gott zu bröckeln beginnt … Konflikte in der Glaubensentwicklung am Beispiel des Konflikts zwischen Schöpfungsglauben und naturwissenschaftlichen Weltentstehungstheorien . . . . . . .
Conny Käfer Schule ohne Streit – SOS Die Idee, Streit nicht einfach zu bekämpfen, sondern mit Konflikten sinnvoll umzugehen . . . . . . . . .
Petra Müller Konfl ikte im Alter Entwicklungsaufgaben, die das Leben stellt . . . . . . . .
Bernd Neukirch Konfl ikte können die Gemeinde beleben Der Gemeindekirchenrat hat die Verantwortung – auch für eine gelingende Kommunikation . . . . . . . . .
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Franziska Riebesel, Ina Kaufmann und Christian Mann Konfl ikte: Das Salz in der Suppe oder ein lästiges Übel? Was müssen Pädagogen können und wissen? . . . . . . .
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Kerstin Söderblom Kirchliches Konfl iktmanagement Ein Beispiel aus der Evangelischen Kirche von Hessen und Nassau (EKHN) . . . . . . . . . . . .
Lars Charbonnier Die dunklen Seiten des lieben Gottes? Theologische Konfliktbewältigung angesichts des Bösen in der Welt . . . . . . . . . . .
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Birgit Piltman Aktives Lernen für Familien in alltagsnahen Situationen – praktisch und mit FuN . . . . . . . . . . . . . .
Peter Burkowski Eine andere Leitungskultur als Konfl iktprävention Von Transparenz und Kommunikation in der Kirchengemeinde . . . . . . . . . . . . . . .
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Schule und Gemeinde
Mit Konflikten arbeiten
Heinz-Joachim Lohmann Christliche Solidarität gegen braune Gewalt Die Evangelische Kirche als wichtiger Bestandteil gesamtgesellschaftlichen Handelns gegen Rechtsextremismus – ein Beispiel aus Wittstock . . . . . . . . . . . . . .
Renate Kirchhoff Konfl ikte in der Bibel Rezeption biblischer Texte für den Umgang mit Konflikten heute .
Materialien Petra Müller Buchtipps für die gemeindepädagogische Praxis
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Simone Carstens-Kant Lebensquell Taufe Ein gemeindepädagogisches Projekt mit Teenagern . . . . . .
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Franziska Reiher »Unsere Hände in Gottes Hand« Familiengottesdienst zum Schulanfang . . . . . . . . . .
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Christine Ursel Erntedank des Lebens Bausteine für die Erwachsenenbildung . . . . . . . . . .
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Dieter Wiggers Friedensandachten mit Jugendlichen Anregungen aus der Arbeit mit der Besinnungsbox »Gesegnete Unruhe« der Friedensdekade . . . . . . . . .
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Praxisentwürfe
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ge der Firmen Diese Ausgabe enthält je eine Beila enberg, Hütt k, Reise -Börse und Reise -Wer sowie des gart, Stutt es, werk des Katholischen Bibel , Frankfurt/ Main. zistik Publi chen gelis Evan der es Gemeinschaftswerk g. Wir bitten um freundliche Beachtun
Gemeindepädagogisches Forum Matthias Röhm und Matthias Spenn Wozu zählen …? Fachtagung der Zeitschrift Praxis Gemeindepädagogik und des Amtes für kirchliche Dienste in der EKBO – ein Rückblick . . .
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Zwei atheistische Dokumentarfi lmer im Gespräch über ihr neuestes Werk »Pfarrer« Interview mit Chris Wright und Stefan Kolbe . . . . . . . .
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Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Buchrezensionen . . . . . . . . . . . . . . . .
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ZUGÄNGE
VORWORT
Liebe Leserinnen und Leser, Beziehungskonfl ikte, Sachkonfl ikte, Zielkonfl ikte, Wertkonfl ikte, Machtkonfl ikte, Interessenskonfl ikte, Verteilungskonfl ikte, Entscheidungskonfl ikte … – Konfl ikte in der Gemeindepädagogik sind an der Tagesordnung. Sie sind in sozialen Systemen, insbesondere in Bildungskontexten und Bildungsprozessen, eine Grundgegebenheit. Mitunter werden sie sogar didaktisch initiiert oder taktisch geschickt eingesetzt. Bilden sie nicht einen Nährboden und zugleich den Stoff für soziale oder auch religiöse Bildungsprozesse? Nach einer gängigen Definition sind Konfl ikte Störungen, die einen Handlungsablauf unterbrechen und als belastend empfunden werden. Aus dieser Definition geht hervor, dass Konfl ikte nicht gewollt sind. Oft werden sie besonders in der Kirche sogar als äußerst problematisch empfunden. Denn wer sich in der Freizeit in der Kirche engagiert oder sich aus tiefer Glaubensmotivation für einen kirchlichen Beruf entscheidet, tut dies oft aus dem Wunsch, in einem möglichst und vermeintlich harmonischen, verständnisvollen, wertschätzenden, beziehungsintensiven und lösungsorientierten Umfeld tätig sein zu können. Konfl ikte sind dabei zunächst auf dem persönlichen Lehrplan. Und dennoch gibt es sie gerade immer wieder auch im Alltag von Kirchengemeinden und unter kirchlichen Mitarbeitenden, in Kinder-, Jugend- oder Erwachsenengruppen oder in der kirchenleitenden Ebene. Das wird dann als besonders schmerzlich, belastend, widersinnig empfunden. Allerdings ist das normal: Wo Menschen in sozialen Systemen hoch motiviert und engagiert miteinander arbeiten, treten die jeweiligen Charaktere und Persönlichkeitsstrukturen nahezu unverstellt hervor, zeigen sich die jeweiligen Motivationslagen und Interessen überdeutlich und bedarf es intensiver Verständigungen und Aushandlungen darüber, gemeinsame Lösungs- bzw. Handlungsstrategien zu entwickeln. Manchmal scheint das dann unlösbar, manchmal werden Konfl ikte verdeckt, verdrängt, unter den Teppich gekehrt. Manchmal scheint es auch so zu sein, dass das Verharren in einem Konfl ikt bequemer als seine Bearbeitung erscheint, weil man sich so nicht verändern muss. Mitunter wird sogar der Glaube dazu benutzt, eine Lösung von Konfl ikten zu verhindern. Wer mit gemeindepädagogischen Mitarbeitenden zu tun hat, bekommt mitunter leicht den Eindruck: Hier ist ein besonders konfl iktträchtiges Feld. Tatsächlich gehört es ja auch zur pädagogischen Profession, Probleme identifi zieren und Konfl ikte benennen zu können. Es ist dran, sich diesem Thema einmal differenzierter zuzuwenden. Das tun wir hiermit. Wir bieten Praxiseinblicke in Konfl iktsituationen und -felder in Kirche und kirchlichen Bildungszusammenhängen, die sämtlich auch Bearbeitungs- oder Lösungsstrategien zeigen. Vielleicht ist das für manche von Ihnen in vergleichbaren Situationen eine Veranlassung, den eigenen Konfl ikt in einem neuen Licht zu sehen. Vielleicht aber ergibt sich aus dem einen oder anderen Beitrag auch eine Idee, mit Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen noch einmal über Konfl ikte und den Umgang mit ihnen zu arbeiten. Wir – die Redaktion – wünschen Ihnen die Erfahrung, dass sich Neues, Unerwartetes, Überrachendes dabei erschließt – insbesondere im Horizont des Glaubens. Mit den besten, sommerlichen Wünschen
Matthias Spenn, PGP-Schriftleiter
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ZUGÄNGE
Meditation zum Thema der Ausgabe Tobias Bilz
Ein Posaunenchor trifft sich zur Übungsstunde. Der ambitionierte Chorleiter hat ein neues, sehr anspruchsvolles Stück herausgesucht. Er traut seinen Bläserinnen und Bläsern etwas zu, möchte sie weiterführen. Der Chor dagegen fühlt sich massiv überfordert. Kaum drei Takte gelingen. Einige fangen an, spöttische Bemerkungen zu machen. Es gibt verhaltenes Gelächter. Andere senken auffällig den Blick. Stöhnen ist zu hören, Gemurmel. Der Chorleiter gibt nicht auf, fordert mehr Konzentration und reagiert auf die spürbare Opposition mit Appellen und immer neuen Spielversuchen. Ein zähes Ringen beginnt, die Spannung steigt. Konflikte bauen sich auf, wenn Menschen mit einer starken Überzeugung oder Absicht auf gegenteilige Meinungen oder Widerstand stoßen. Schnell wird daraus ein Machtkampf. Die Beteiligten führen den oft verdeckt. Sachargumente werden zwar ausgetauscht und abgewogen, dahinter aber liegt oft die Frage: Wer wird sich durchsetzen? Das spricht freilich niemand aus. Der Posaunenchorleiter spürt allmählich, dass er gegen den passiven Widerstand seines Chores das schwere Stück nicht wird bewältigen können. Es bleiben ihm zwei Möglichkeiten: Er kann einen Gesicht wahrenden Rückzug antreten oder den Konfl ikt offen thematisieren. Noch immer ist er überzeugt davon, dass der Posaunenchor sein Stück schaffen wird. Er muss nur wollen. Die Bläserinnen und Bläser bekommen allmählich das Gefühl, es könnte ihnen gelingen, sich den allzu fremden Blues vom Halse zu schaffen. Sie müssen jetzt nur noch unmotiviert weiterblasen und darauf warten, dass der Chorleiter aufgibt. Ein Bläser bemerkt beiläufig, er hätte gedacht, man würde sich heute eher auf den unmittelbar bevorstehenden Auftritt konzentrieren. Wer wagt es, offen auszusprechen, was sich seiner Meinung nach gerade abspielt? Ist keiner in der Lage zu sagen, was er denkt oder empfindet? Vor allem: Kann der Posaunenchorleiter nicht wahrnehmen, dass sein Chor aus Angst vor dem Scheitern blockiert? Und: Können die Bläserinnen und Bläser nicht erkennen, dass ihr Leiter ihnen etwas zutraut und ihnen ein wichtiges Erfolgserlebnis verschaffen möchte?
Wider Erwarten gelingt es doch, dass eine leichtere Zeile im hinteren Teil des Stückes einigermaßen gut klingt. Der Posaunenchorleiter nutzt diesen Moment, um die Arbeit am Stück mit einem kleinen Erfolg abzuschließen. Man merkt aber, dass er sauer ist. Die Musiker sind beklommen. Die Übungsstunde endet eine halbe Stunde eher als sonst. Eigentlich wollte einer der Bläser im Anschluss etwas ausgeben. Passt das jetzt noch? Der beschriebene Konflikt kann unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet werden. Hier soll ein Aspekt im Vordergrund stehen. Alle Beteiligten sind von sich selbst, ihrer Situation und ihren Einsichten bestimmt. Sie haben Mühe damit, die Position des anderen wahrzunehmen, geschweige denn zu verstehen. Doppelt fatal ist, dass sie auch nicht aussprechen, was in ihnen selbst vorgeht. Jemand müsste sich ein Herz fassen und sich öffnen. Dann wird doch noch geredet. Jemand fängt an, Tische zusammenzuschieben, andere fassen mit an, Stühle werden gestellt und Getränke verteilt. Zunächst spricht man vorsichtig über Belanglosigkeiten. Am Ende weiß keiner mehr, wer von dem missglückten Stück angefangen hat. Alle aber werden mit dem Empfi nden heimgehen, dass man lange nicht so offen und intensiv über das Miteinander im Chor gesprochen hat. Verständnis und Vertrauen haben einen Schub bekommen. Ob das besagte Stück wieder aufgegriffen wird, bleibt offen.
Tobias Bilz ist Landesjugendpfarrer in der EvangelischLutherischen Landeskirche Sachsens.
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KONFLIKTE VERSTEHEN Alltagserfahrungen und sechs Erkenntnisse Kerstin Söderblom
»Konflikte kommen in den besten Familien vor!« So lautet nicht zufällig ein oft zitiertes Sprichwort. Denn überall dort, wo sich Menschen begegnen, kommt es zu Streit und Auseinandersetzungen, im Privatleben genauso wie im Berufsleben. Das Sprichwort weist also zunächst nüchtern auf eine gängige Lebenserfahrung hin. Darüber hinaus sagt das Sprichwort auch, dass es kein Drama ist, wenn es Konflikte gibt. Denn es gibt sie nun einmal allerorten. Es ist also weder ein Zeichen von Schwäche noch zeigt es Scheitern oder Versagen an. »Konflikte sind normal!« So können wir es umgangssprachlich auch sagen. Die Frage ist also nicht, ob es Konflikte gibt, sondern, wie Menschen mit Konflikten umgehen. Werden Konflikte zuhause oder am Arbeitsplatz verschwiegen und vertuscht oder werden sie angesprochen und geklärt? Gibt es in der Familie, in einer Organisation oder im Unternehmen die Bereitschaft, Fehler zuzugeben und Konflikte sichtbar und damit bearbeitbar zu machen? Diese Fragestellungen sind gerade auch im kirchlichen Umfeld sehr wichtig. Denn dort wird davon ausgegangen, dass alle Menschen Kinder Gottes seien und es daher doch keine Konflikte geben sollte. Diese Erwartungshaltung verführt zum Verschweigen und zur Tabuisierung von Konflikten und ist daher für eine konstruktive Konfliktbearbeitung problematisch.
1. ERKENNTNIS:
Konflikte sind dafür da, dass sie benannt und bearbeitet werden!
2. ERKENNTNIS:
Je früher Konflikte angesprochen und bearbeitet werden, desto größer ist die Chance, dass sie gelöst werden können. Ein konstruktiver Umgang mit Konflikten braucht zunächst einmal die Bereitschaft aller Beteiligten, Konflikte sachlich anzusprechen und mit ihnen für alle nachvollziehbar umzugehen. Für den Umgang mit Konflikten ist es entscheidend zu klären, worum es eigentlich geht, wer an dem Konflikt in welcher Weise beteiligt ist und welche Ursachen der Konflikt haben könnte. Durch eine respektvolle und unaufgeregte Beschreibung des Konflikts können unterschiedliche Sichtweisen und Positionen benannt
werden, die Klarheit verschaffen und Konflikte entdramatisieren. Damit beginnt bereits die Bewältigungsarbeit des Konflikts.
3. ERKENNTNIS:
Konflikte brauchen eine konstruktive Konfliktbeschreibung, die von allen Beteiligten getragen und akzeptiert wird.
4. ERKENNTNIS:
Eine konstruktive Konfliktbeschreibung ist der erste Schritt zur Konfliktbewältigung.
Folgende Fragen helfen dabei weiter: • Welche Akteure sind am Konflikt beteiligt? • Welche Fakten sind wesentlich und unumstritten? • Welche Punkte und Ziele sind unter den Beteiligten strittig? • Warum sind diese Unterschiede so wichtig, welche Werte werden berührt? • Was sind höherrangige Gemeinsamkeiten der Beteiligten? • Sind diese Gemeinsamkeiten stark genug, den Konflikt zu disziplinieren?1 Durch die sachliche Beschreibung eines Konflikts wird die Grundlage für seine Bearbeitung und Klärung gelegt. Unbestrittenen Fakten kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Sie halten eine Verbindungsklammer um die strittigen Punkte und helfen, die Akteure auf ihre Gemeinsamkeiten hinzuweisen. Dadurch können Konfliktdynamiken entschärft und »Feindbilder« relativiert werden. Darüber hinaus ist zu klären, welche Rollen die Beteiligten im Konflikt innehaben, wie sie im Konflikt positioniert sind und in welcher Weise das berufl iche Umfeld (Kolleginnen und Kollegen, Führungskräfte) in den Konflikt eingebunden ist. Nur durch Klärung der Konfliktrollen und Positionen der Beteiligten können Verstrickungen und
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ZUGÄNGE
Konfliktmuster aufgedeckt, unterbrochen und günstigstenfalls beendet werden. Wenn die Akteure alleine keine überzeugende Konfliktbeschreibung erarbeiten können, sollte in jedem Fall Unterstützung von außen dazu geholt werden. Ein solcher Vorgang ist wiederum kein Zeichen von Schwäche oder Misserfolg, sondern zeigt einen professionellen Umgang mit einer sachlich und emotional herausfordernden Situation an.
Was ist eigentlich ein Konflikt? Im Bereich der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) liegt der Bearbeitung von beruflichen Konflikten eine Konfliktdefi nition von Friedrich Glasl zugrunde: »Ein sozialer Konflikt ist eine Interaktion zwischen Einzelnen, Gruppen, Organisationen usw., wobei wenigstens eine beteiligte Partei Unvereinbarkeit im Denken, Wahrnehmen, Fühlen oder Wollen mit anderen Beteiligten in der Art erlebt, dass das eigene Wollen und Handeln eine Beeinträchtigung erfährt.«2 Wichtig ist bei dieser Defi nition, dass es ausreicht, wenn eine Person oder eine Partei eine Situation als Konflikt wahrnimmt. Aussitzen oder Ignorieren der anderen Beteiligten ist nach diesem Verständnis nicht zulässig. Die Situation ist folglich als Konflikt anzuerkennen und sollte schnellstmöglich bearbeitet werden. Dabei gilt es zunächst zu klären, um welche Unvereinbarkeiten und Beeinträchtigungen es konkret geht und wer sie mit wem und wie bearbeiten sollte. Darüber hinaus werden Konflikte nach den wesentlichen Gegenständen der Auseinandersetzung unterschieden:3 Es gibt u. a. Bekenntniskonflikte, Werte- und Normenkonflikte, Zielkonflikte, Mittel- und Wegekonflikte, Rollenkonflikte, Verteilungsund Beziehungskonflikte, Macht- und Leitungskonflikte.
5. ERKENNTNIS:
Ein professioneller Umgang mit Konflikten wird in der Regel durch das Hinzuziehen von allparteilichen Fachleuten von außen gesichert. Konfliktberater und Mediatoren setzen einen klar definierten Rahmen, garantieren ausgeglichene Redezeiten der Beteiligten und sorgen dafür, dass die Gesprächsregeln im Konfliktgespräch eingehalten werden. Nur in einem festen Rahmen kann Sicherheit für die Beteiligten entstehen. Diese ist notwendig, damit sie ihre Sichtweise der Konfl iktlinien, ihre Gefühle, Verletzungen und Enttäuschungen offen darlegen können.
6. ERKENNTNIS:
Nur wenn die subjektive Sichtweise der verschiedenen Parteien vor allen Beteiligten laut formuliert, von allen gehört und ernst genommen wird, ist es möglich, einen Konflikt auf dieser Grundlage zu bearbeiten und zu befrieden. Ausgebildete Konfliktberater bringen für Konfliktberatungen Achtsamkeit, Respekt und Geduld mit. Sie verfügen über die Fähigkeit, zur richtigen Zeit die richtigen Fragen zu stellen und Sachverhalte auf den Punkt zu bringen. Sie sorgen für Sicherheit im Hinblick auf Gesprächsrahmen, Gesprächsregeln und Verfahrensführung und haben einen Blick für das Machbare hinsichtlich umsetzbarer Lösungen und Vereinbarungen.
Dr. Kerstin Söderblom ist Pfarrerin am Institut für Personalberatung, Organisationsentwicklung und Supervision (IPOS) in Friedberg/Hessen. 1
Vgl. Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) (Hrsg.): Handreichung zu Konfliktbearbeitung, Mobbing, Sexuelle Belästigung, Darmstadt 32010, 14.
2
Glasl, Friedrich: Konfliktmanagement, Bern 31992, 14-15.
3
Vgl. Pohl, Dieter: Konflikte in der Kirche – kompetent und kreativ lösen, Neukirchen-Vluyn 2003, 31 ff.
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Systemische Unterscheidung von Konfliktsituationen Wenn es unter Hauptamtlichen einer Kirchengemeinde kocht und brodelt Jutta Rottwilm
Im Team der Kita scheint es seit einiger Zeit zwei Lager zu geben: Die einen, mit ihnen die Kita-Leitung, möchten endlich die Inklusion auch in der Kita umsetzen. Die anderen sagen: »Wir haben noch kaum die Umstellung auf die unter Dreijährigen verarbeitet. Jetzt lasst doch endlich mal Ruhe in unseren Laden einkehren. Wir werden schon den Größeren nicht mehr gerecht, weil unsere Zeit vorne und hinten nicht reicht!« Die Fronten verhärten sich; mittlerweile wird jede Bemerkung auf der Folie der Zugehörigkeit zum anderen Lager gehört, Fehler, Unterlassungen und verbale Spitzen dem unsichtbaren »Konto der Vergehen« zugerechnet, das jede und jeder innerlich führt. Kantorin und Pfarrer geraten lautstark aneinander … Es passiert mindestens einmal im Jahr. Es passiert, obwohl sich die Streithähne, jeder für sich, fest vorgenommen haben, diesmal nicht auszurasten. Aber es ist wieder so weit: Es geht um die Art der Kirchenmusik während der Gottesdienste, populär oder anspruchsvoll, um die Beteiligung von Instrumentalisten, die Anzahl der Konzerte usw. Gemeindepädagoge und Pfarrerin streiten … Ihnen geht es um die nächste Konfirmandenfahrt. Da hat die Pfarrerin den Gemeindepädagogen schon fest eingeplant. Immer (!) geht es in der Woche vor Pfingsten auf die »Konfitour«. Immer (!) rechnet die Pfarrerin damit, dass der Gemeindepädagoge mitkommt. Wenn nicht für die Jugendarbeit – wofür ist der denn sonst da?! … In diesem Fall noch für andere Gemeinden und für die Arbeit auf Dekanatsebene! So jedenfalls in den meisten Fällen in der EKHN, wo die Gemeindepädagogen und Gemeindepädagoginnen beim Dekanat angesiedelt sind und sich ihre Tätigkeit auf mehrere Gemeinden und Aufgabenfelder erstreckt. Drei Konfl ikte kurz skizziert, und in den meisten Fällen sind die Beobachter solcher Szenen dazu geneigt, vor allem die Personen im Rampenlicht zu
sehen. Würden die sich anders verhalten, nicht so schnell ›hochgehen‹, nicht so empfindlich sein, dann wäre mit etwas gutem Willen und Kompromissbereitschaft die Sache doch schnell aus dem Weg, oder?! Zumal in der Kirche … Versuchsweise sei der Scheinwerfer von den beteiligten Akteuren weggenommen. Ihre Persönlichkeiten können wir sowieso nicht ändern. Aber wir können andere Blickwinkel wählen, die wieder eine »Verflüssigung« der Positionen ermöglichen (vgl. dazu auch den Artikel von K. Söderblom in diesem Heft).
Strukturelle Widersprüche – aber auflösbar! Im Fall der lautstarken Auseinandersetzung zwischen Pfarrerin und Gemeindepädagoge ist von außen leicht zu sehen, dass schon in der Anstellungsstruktur des Gemeindepädagogen Konstellationen angelegt sind, die in sich widersprüchliche Anforderungen an seine Berufsausübung stellen. In seiner Tätigkeit drei verschiedenen Gemeinden zugeordnet und mit 10 Prozent seiner Zeit den Aufgaben auf Dekanatsebene verpfl ichtet, hat er das Problem zu lösen, jeder »Anspruchspartei« gegenüber die Begrenztheit seiner Ressourcen zu vertreten und zu legitimieren. Und da im gemeindlichen wie im Dekanatsbereich die Arbeitsauf kommen eher wellenförmig denn gleichbleibend verlaufen, kann es sein, dass gerade in Spitzenzeiten drei seiner vier Anspruchsgruppen leer ausgehen müssen. Die Gemeindepfarrerin wiederum braucht die Mitarbeit des Gemeindepädagogen: Seine Konfihelfer und Konfi helferinnen ›fl iegen‹ auf den Gemeindepädagogen; nur mit ihm im Boot gelingt die Gruppenfahrt …
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KONFLIKTE VERSTEHEN
Wie lässt sich solcher Konflikt lösen? Sachlich ist er sowohl auf der Ebene der Kontexte (verschiedene Gemeinden, Dekanat) zu bearbeiten als auch auf der Ebene der konkreten Arbeitsorganisation vor Ort. Deutlich ist zugleich, dass die »Anspruchsparteien« miteinander in Verhandlung treten müssen, um Arbeitszeiten (mit ihren Spitzen) und »Zugriffsrechte« sowie die damit verbundenen Verantwortlichkeiten zu vereinbaren. Langfristige Planung, Pufferzeiten für spontane Einsätze etc. müssen auf dieser Ebene ausgehandelt werden. Das gibt den Rahmen für die konkrete Organisation der Arbeit an den vier Arbeitsstellen des Gemeindepädagogen, an denen er u. U. verschiedene Rollen (als Gruppenleiter, Multiplikator, Konzeptentwickler, Referent etc.) wahrnehmen muss und kann. Die Erfahrung zeigt: Mancher Konfl ikt ist vermeidbar, wenn auf diesen obersten beiden Ebenen der Sachkonfl ikte Klarheit geschaffen ist!
Strukturell nicht auflösbare Konflikte: immer wieder verhandeln und balancieren! Auch der Kantorin-Pfarrer-Konflikt ist strukturell angelegt. Beide verfolgen ihr jeweiliges Berufsethos mit professionseigenen Qualitätsstandards. Beide sind von ihrem Auftrag her aufgerufen, in ihrem Metier die Verkündigung des Evangeliums zu leisten. Das Verhältnis lässt sich im Hinblick auf die »Nutzer« der Leistungen der Kantorin wie das Verhältnis von Küche und Kellner im Restaurant beschreiben: Hier ist der Pfarrer der Kellner und kann den Gästen nur anbieten, was die Küche zubereitet. Entspricht die Küche nicht dem Geschmack der Gäste, muss es in die Verhandlung gehen: Kann und will – und wenn ja, in welchem Ausmaß – das Restaurant dem Kundenwunsch entsprechen? Oft hilft es, den Blick von der inneren Verstrickung wieder auf die »Gäste« und ihre Anforderungen zu richten! Und die guten Wirkungen bei den Gästen sind vermutlich dann am größten, wenn ›Küche‹ und ›Kellner‹ gut kooperieren.
Der Konflikt, Zusammenstoß der Professionsverständnisse, ist hier eine notwendige Stufe auf dem Weg zur Kooperation. Er nimmt destruktive Formen an, wenn Konkurrenz das bestimmende Motiv ist – er ist mit der ihm innewohnenden Energie konstruktiv gewendet, wenn er Anlass zu intensiver Kommunikation ohne Angst vor Auseinandersetzungen gibt. Temporärer Konsens, z. B. auf einzelne, gemeinsam entwickelte und getragene Projekte bezogen, hilft, Kommunikationsstrukturen einzuüben und auszutesten, die der Kooperation dienlich sind.
Vermischte Konflikte: die Ebenen unterscheiden! Am Konfl ikt in der Kita ist gut zu zeigen, wie verschiedene Konfliktarten miteinander verwoben sind. Das ist oft der Fall und macht es so schwierig. Klarheit über die Art des Konflikts und die Möglichkeiten des Umgangs mit dieser Konfliktart ist wichtig, um eine solche Situation gewinnbringend zu bearbeiten. Bei den in der Kita zu entscheidenden Fragen haben wir es wahrscheinlich zu tun mit ➥ unterschiedlichen Anschauungen bzgl. der pädagogischen Werte und Grundüberzeugungen: Ob z. B. Kleinkinder (ob mit oder ohne Behinderung) besser gedeihen, wenn sie möglichst vielen verschiedenen Eindrücken und Situationen ausgesetzt sind oder gerade nicht, lässt sich nicht endgültig nachweisen. Darum ist am Pol der Wertekonflikte überhaupt erst zu klären, wer sich denn an welchen (religiösen, kulturellen, moralischen) Werten orientiert. Sie sind eng mit dem verbunden, was wir für den Kern unserer Persönlichkeit halten – deswegen wollen sie gegenseitig akzeptiert und/oder gemeinsam weiterentwickelt sein, sie lassen sich nicht wegdiskutieren nach dem Muster »richtig/falsch«. Der Umgang mit unterschiedlichen Werten kann verabredet werden: Das geht innerhalb erkennbarer Grenzen – sowohl institutioneller als auch individueller Art, und die Grenzen markieren die Linie, jenseits derer die Entscheidung fällt, sich voneinander zu trennen.
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➥ Beziehungskonfl ikten zwischen den pädagogischen Kräften: Wenn erst einmal die o. g. »Konten der Vergehen« angelegt sind, verschärft sich das Klima deutlich, und Beziehungsbedürfnisse können nicht mehr in hinreichendem Maß positiv gestillt werden. Da das Ausmaß dieser Bedürfnisse individuell unterschiedlich ausgeprägt ist und in der Arbeit besser kollegial denn z. B. familiär gestaltet werden sollte, wirken auch die Beziehungssignale auf Individuen unterschiedlich stark: Was den Einen verletzt, war der Anderen nur ein flotter Spruch. Beziehungskonfl ikte sind (nur) zu heilen, indem die Beteiligten die Unterschiedlichkeit ihrer Bedürfnisse anerkennen, die verletzten Gefühle wahrnehmen und überlegen, was beide Kontrahenten für den Heilungsprozess tun können. ➥ Sachkonflikten bezüglich Arbeitszeit, Arbeitsvolumina, Ausstattung der Kita, Qualifizierung für die Aufgabe der Inklusion etc.: hier wird sich herausstellen, dass es einerseits unterschiedliche Interessen z.B. im Sinne der Wahrung von Professionsund Arbeitnehmerpositionen gibt, und andererseits Vorbehalte, dass das Raumprogramm der Kita nicht ausreicht, dass nicht genügend zusätzliches Personal eingestellt wird … Sachkonfl ikte können wie Probleme behandelt werden. Welche Kriterien lassen sich entwickeln, an denen erkennbar ist, dass Sachfragen angemessene Lösungen zugeführt werden? In der Regel hilft es, verschiedene Lösungen in den Blick zu nehmen und sich nicht vorschnell auf eine ›richtige‹ zu versteifen.
Die Unterscheidung der Konflikte und die Trennung von Personen und Konfliktgegenstand, so die Grundthese, helfen bei der Verflüssigung von Konfl ikten. Schon die gemeinsame Zuordnung von Beobachtungen anhand der oben vorgestellten Modelle wäre ein erster deeskalierend wirkender Schritt … Nur: Wer soll den tun? »In den frühen Herrnhuter Gemeinden gab es ein Amt, das ›Der Scharnier‹ hieß. Der Scharnier war dafür zuständig, die Gemeinschaft zu beobachten, aufkommende Konfl ikte auszumachen und zu bearbeiten. Tendenzen, die der Gemeinschaft gefährlich werden konnten, sollten im Vorfeld erkannt und ausgeräumt werden.« (aus: www.zinzendorfhaus.de am 24.03.2014) Das ist eine gute Idee: rotierend jemandem die Rolle zuweisen, aus der heraus er oder sie Beobachtungen zur Verfügung stellt, noch ehe sich die »Konten der Vergehen« auffüllen! Die Selbsthilfe hat aber auch ihre Grenzen: Da ist es sachdienlich, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, in vielen Landeskirchen bei der jeweiligen Institution für Gemeindeberatung/Organisationsentwicklung. Und gut, wenn es, wie von K. Söderblom für die EKHN geschildert, eine ausgewiesene Stelle gibt, bei der schon am ›Konflikthandy‹ erste Schritte aus der Notlage heraus geklärt werden können!
Jutta Rottwilm ist Organisationsberaterin und Coach am Institut für Personalberatung, Organisationsentwicklung und Supervision (IPOS) in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN).
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KONFLIKTE VERSTEHEN
MOBBING IN K IRCHENGEMEINDEN
Das sensible Konstrukt kirchengemeindlicher Zusammenarbeit verstehen – und im Konfliktfall nicht wegsehen Annekatrin Herzog
Bestenfalls erleben Menschen in Kirchengemeinden das, was das Wort »Kirchengemeinde« zu versprechen scheint: Gemeinschaft unter dem Dach und im Namen der Kirche. Nicht nur in Gottesdienst und Gebet, sondern sehr viel mehr noch im gemeinsamen Tun in den vielen Gruppen, in die sich eine Kirchengemeinde für gewöhnlich gliedert: im Kirchenvorstand und seinen Ausschüssen, in der Gemeindebriefredaktion, in Musik- und Gesprächskreisen, Projektgruppen und offenen Treffs für jedes Alter. Hier wirken engagierte Menschen zusammen und erleben – wenn die Zusammenarbeit gelingt – ein wohlwollendes und konstruktives, zumindest aber von Toleranz getragenes Miteinander. Mitunter laufen die Dinge aber ganz anders, denn auch Christen sind nur Menschen, und das Bekenntnis zum Christsein entfaltet für sich allein keine so starke Klammerwirkung, als dass es aufkeimende Animositäten zwischen den Gemeindegliedern dauerhaft überbrücken könnte. So ist es nicht wirklich erstaunlich, wenn sich das Versprechen der christlichen (das wäre nach christlichem Selbstverständnis: liebevollen) Gemeinschaft in der Kirchengemeinde nicht in jedem Fall realisiert oder sich manchmal sogar in sein Gegenteil verkehrt.
blick auf ungleich eingeräumte Privilegien wie Schlüsselgewalt, Raumnutzungsrechte, Zugriff auf Arbeitsmaterialien, finanzielle Ausstattung, ungleiche öffentliche Würdigung der erbrachten Leistungen im Gemeindebrief oder auf der Homepage, oder eine als ungleich empfundene Anerkennung durch Pastor/Pastorin oder Diakon/ Diakonin.
Spezifisch kirchengemeindliche Auslöser dafür gäbe es genug: Unter den ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern können um den Erfolg oder die Beliebtheit ehrenamtlicher Kollegen Missgunst und Neid entstehen. Oder es besteht ein Ungerechtigkeitsempfinden im Hin-
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SPANNUNGSVERHÄLTNIS VON HAUPT- UND EHRENAMTLICHER ZUSAMMENARBEIT
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Im Zusammenspiel von ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeitern besteht strukturell bedingt ein anders gelagertes Konfliktpotenzial. Obwohl Ehrenamtliche teilweise verantwortungsvollere Aufgaben übernehmen als die ebenfalls beteiligten Hauptamtlichen, wie zum Beispiel beim Redigieren des Gemeindebriefs, beim Organisieren von Veranstaltungen, Festen oder Fahrten oder beim Gestalten von Seniorennachmittagen, ist den Ehrenamtlichen doch stets bewusst, dass ihre hauptamtlichen Kollegen für die eingebrachte Arbeitszeit finanziell entlohnt werden, während sie selbst ihre Kraft und Zeit unbezahlt, eben ehrenamtlich, zur Verfügung stellen. Obwohl es hinreichend andere als finanzielle Beweggründe geben mag, die die Ehrenamtlichen zu ihrem Engagement motivieren, ist dieses unterschwellige Bewusstsein geeignet, gelegentlich ein Empfinden der Ungerechtigkeit oder Bitterkeit bei den unbezahlten Kräften einer Kirchengemeinde hervorzurufen. Aus Sicht der Hauptamtlichen wiederum löst die fortwährende Verpfl ichtung zu Dank und Wertschätzung mitunter einen nachvollziehbaren Überdruss aus. Darüber hinaus ist den Pastorinnen und Pastoren, den Diakoninnen und Diakonen, den Küsterinnen und Küstern, Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusikern sehr wohl bewusst, dass die ehrenamtlich, also freiwillig geleistete Mitarbeit – anders als ihre eigene – jederzeit grundlos und ohne die Hemmschwelle einer wirtschaftlichen Einbuße aufkündbar ist. Diese Freiheit mögen sie neiden, zugleich verpflichtet sie sie jedoch zu einem besonders rücksichtvollen und einladenden Umgang mit den Ehrenamtlichen. Die Ehrenamtlichen wiederum sind sich ihrer Ungebundenheit und ihres Wahlrechts gegenüber den anstehenden Aufgaben ihrer Kirchengemeinde durchaus im Klaren. Wer könnte es ihnen vorwerfen, sich aus den anfallenden und nicht immer spaßbesetzten Aufgaben in ihrer Kirchengemeinde die »Rosinen« herauszupicken? In dem meist überschaubaren Kreis der hauptamtlich beschäftigten Mitarbeiter einer Kirchengemeinde (ergänzend zu den bisher genannten sind noch das Reinigungspersonal und ggf. Erzieherinnen und Erzieher bzw. Friedhofsarbeiterinnen und Friedhofsarbeiter zu nennen) sind naturgemäß sämtliche Zwistigkeiten denkbar, die auch im nicht kirchlichen Kontext unter Arbeitskollegen auftreten können. Darüber hinaus ist als spezifisch kirchengemeindliche Konfliktquelle sicherlich die heikle Frage der Aufgabenverteilung unter den Pastoren und Diakonen einer Gemeinde zu zählen: Wer übernimmt die erfahrungsgemäß mit großer öffentlicher Aufmerksamkeit bedachten und mit freudigen Anlässen verknüpften – und daher in der Regel begehrten – Veranstaltungen und Gottesdienste, und wer kümmert sich vornehmlich um das mühselige und eher undankbare Alltagsgeschäft?
Die hier skizzierten »Unruheherde« im Rahmen kirchengemeindlicher Zusammenarbeit sind, wie dargestellt, weitgehend strukturell vorgezeichnet und von daher in gewisser Weise systemimmanent. Erfahrene Mitglieder einer Kirchengemeinde sind sich dieser »Untiefen« ihres Arbeitsplatzes mehr oder minder bewusst und haben gelernt, mit ihnen umzugehen. Dennoch erweist es sich im kirchlichen Rahmen immer wieder als besonders enttäuschend, Zeuge oder Beteiligter zwischenmenschlicher Konflikte zu sein, ist doch der Selbstanspruch von Christinnen und Christen nach dem Gebot der Nächstenliebe ein ganz anderer. Daher soll das Wissen um die ganz eigenen »Fallstricke« kirchengemeindlicher Zusammenarbeit nicht dazu verleiten, Groll und Verletzungen nur schulterzuckend zur Kenntnis zu nehmen. Streit und Missgunst unter Mitarbeitern sind dem Arbeitsprozess in jedem Falle abträglich und sollten, soweit möglich, beachtet und geschlichtet werden.
»NORMALER« STREIT ODER MOBBING? Handlungsbedarf besteht insbesondere nicht erst dann, wenn wiederkehrende Anzeichen für ein gezielt missgünstiges Verhalten gegenüber einer bestimmten Person innerhalb der Kirchengemeinde auftreten. Wird ersichtlich, dass ein oder mehrere Gemeindemitglieder es situationsunabhängig darauf anlegen, ein ausgewähltes Gemeindemitglied durch ihr planvoll-strategisches, herabwürdigendes Verhalten substanziell in seinem Wohlbefinden zu schädigen und letztlich von dem Ort der bisherigen Gemeinschaft zu vertreiben, so handelt es sich um ein nicht nur aus christlicher Sicht inakzeptables Mobbing. Vorauszuschicken ist, dass der Begriff »Mobbing« umgangssprachlich oft unbedacht und unsachgemäß verwendet wird. Der Mobbingvorwurf wird nicht selten schon dann erhoben, wenn ein sozial nicht einwandfreies, aber als massiver persönlicher Angriff empfundenes Verhalten kritisiert werden soll. Dabei werden aus juristischer Sicht deutlich höhere Anforderungen an den Tatbestand des Mobbing gestellt. Wesentliche Kriterien sind vor allem, dass sich das missachtende Verhalten planvoll gegen dieselbe Person richtet und dass dies in einem länger andauernden Prozess geschieht. Nur sporadisch oder über einen begrenzten Zeitraum auftretendes herabwürdigendes Sozialverhalten gegenüber einer Person oder auch fortgesetzte »Gemeinheiten« gegenüber einem nicht bestimmten Personenkreis können diesen Tatbestand nicht erfüllen. Zum Nachweis des Mobbingvorwurfs wird daher in der Regel verlangt, ein schriftlich dokumentiertes, möglichst lückenloses Mobbingtagebuch vorlegen zu können, welches die zeitliche Abfolge und die konkrete Äuße-
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KONFLIKTE VERSTEHEN
rung des herabwürdigenden Verhaltens nachvollziehbar macht. Zeugenbeweis für die erhobenen Vorwürfe wird dagegen in der Regel nicht verlangt. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass Mobbingtäter ihre Opfer meist bewusst unter Ausschluss Dritter angreifen oder sich derart subtiler herabwürdigender Verhaltensweisen bedienen, dass diese für Außenstehende nicht ohne Weiteres wahrnehmbar sind.
Der Verein D.A.V.I.D. richtet sich gegen Mobbing in der evangelischen Kirche. Die Buchstaben stehen für Deeskalation, Aufklärung, Vertrauen, Intervention und Dokumentation. www.david-gegen-mobbing.de
Wird in einer Kirchengemeinde ein Mobbingvorwurf erhoben, so muss es zunächst einmal darum gehen, dem Mobbingopfer bzw. der Person, die sich für ein solches hält, offenes und vorbehaltloses Gehör zu schenken. Das gut gemeinte Motto »Mobbing darf es in unserer Gemeinde nicht geben« darf nicht zu dem selbstbetrügerischen Schluss führen: »Mobbing kann es in unserer Gemeinde nicht geben«. Als Ansprechpartner für ein erstes Gespräch kommen aufgrund ihres seelsorgerlichen Auftrages grundsätzlich die Pastorin oder der Pastor sowie die Diakonin oder der Diakon in Betracht – natürlich nur, wenn sie selbst nicht in den Tatvorwurf involviert sind. Aber auch sämtliche Mitglieder des Kirchenvorstandes sind mit der Führung der Gemeinde betraut und tragen Personalverantwortung. Bei praxisnaher Betrachtung umfasst diese auch die große und unverzichtbare Gruppe der ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im kirchengemeindlichen Alltag gibt es noch eine weitere Person, der erfahrungsgemäß großes Vertrauen geschenkt wird. Als erste, zuverlässig und niederschwellig erreichbare Ansprechpartnerin einer Gemeinde ist es häufig die Gemeindesekretärin, der Konfl ikte und persönliche Nöte vertraulich zugetragen werden. Sie sollte sich nicht scheuen, einen ihr gegenüber ausgesprochenen Mobbingvorwurf zur vertrauensvollen Behandlung an den Kirchenvorstand weiterzuleiten. Schließlich gehen Kirchengemeinden zunehmend dazu über, sogenannte Ehrenamtlichenkoordinatorinnen oder -koordinatoren zu berufen. Der Übernahme dieses Amtes geht eine mehrmonatige Schulung voraus, die für die Belange der ehrenamtlichen Mitarbeiter in der Kirchengemeinde sensibilisiert und unter anderem auch das oben beschriebene Spannungsverhältnis zwischen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern zum Gegenstand hat. Auch sie stehen den Ehrenamtlichen als Ansprechpartner für Konflikte jedweder Art zur Verfügung. Wurde dem Mobbingopfer Gelegenheit gegeben, seine Sicht der Geschehnisse darzustellen, so wird in einem nächsten Schritt selbstverständlich der beschuldigte Mobbingtäter anzuhören sein. Diese möglicherweise wiederholt zu führenden Konfliktgespräche sollten zum
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WAS KANN DIE GEMEINDE TUN?
Zweck der Objektivierung einem kleineren Ausschuss, ggf. unter Beteiligung von Kirchenvorstandsmitgliedern, übertragen werden. Ob sich am Ende der Gespräche herausstellt, dass es sich bei den Vorwürfen tatsächlich um Mobbing im rechtlichen Sinne oder »nur« um einen ausgeuferten Konflikt zweier oder mehrerer Gemeindeglieder handelt, ist letztlich für das weitere Vorgehen innerhalb der Kirchengemeinde nachrangig. Entscheidend ist, dass das (vermeintliche) Opfer mit seinen Nöten ernst genommen wird und ebenso ernsthaft an einer Konfliktlösung gearbeitet wird. Dies kann es erfordern, weitere Personen unterstützend hinzuzuziehen, wobei vorab jedoch stets das Einverständnis des bzw. der Betroffenen einzuholen ist. Abschließend sei zugestanden, dass nicht jeder schwerwiegende Konflikt für alle Beteiligten zufriedenstellend gelöst werden kann. Es jedenfalls nach Kräften versucht zu haben, sollte ernsthaftes Anliegen einer jeden Kirchengemeinde sein.
Annekatrin Herzog ist juristische Referentin der Mitarbeiterorganisationen »vkm« und »KG Niedersachsen« und berät sie als ständiger Gast in den Verhandlungen der Arbeits- und Dienstrechtlichen Kommission der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen. Als ausgebildete Ehrenamtlichenkoordinatorin, langjährige Mitarbeiterin im Kirchenvorstand und ehemalige Gemeindesekretärin verfügt sie über umfangreiche Erfahrungen im Bereich kirchengemeindlicher Zusammenarbeit.
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Aktives Lernen für Familien in alltagsnahen Situationen – praktisch und mit FuN Birgit Piltman
Das Programm FuN – Familie und Nachbarschaft lädt Eltern und Kinder aller sozialer Schichten und Kulturen ein, Familienleben und soziale Beziehungen spielerisch zu erleben. In dem bunten Programm lernen Eltern und Kinder die für das Zusammenleben in der Familie und Gesellschaft wichtigen sozialen Kompetenzen: »learning by doing« mit viel Spaß!
Warum FuN? Während das Konzept des Lernens in konkreten Situationen und beim aktiven Tun in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sehr verbreitet ist, fi ndet es in Programmen und Angeboten für Eltern nur sehr eingeschränkt Eingang. Wenn auf solche Lernformen zurückgegriffen wird, dann eher im Bereich praktischer Fertigkeiten, die erlernt werden sollen: Werktechniken, Kochen oder gemeinsame erlebnisorientierte Projekte wie Kanufahren oder Drachenbau. Wie aber ist es mit den klassischen Basiskompetenzen, die, wissenschaftlich unbestritten, familiär erlernt und geprägt sind, also Kommunikationsfähigkeit, Kooperationskompetenz und die Fähigkeit, mit Konflikten angemessen umzugehen? Sie gelten als Schlüsselkompetenzen für ein selbstbestimmtes verantwortliches Leben und damit auch als Grundlage für die weitere Entwicklung und das Lernen von Kindern. Sowohl Interaktionen innerhalb der Familie zwischen Eltern und Kindern als auch der Kontakt im sozialen Umfeld der Familie sind Lern- und Übungsfeld für die Kinder. Sie erleben unterschiedliche sozial-kommunikative Situationen und eignen sich auf diese Weise die genannten Basiskompetenzen an. Überwiegen dabei problematische Erfahrungen und wenig gelungene Situationen, erhöht sich das Risiko, dass destruktive Verhaltensweisen erlernt werden. Mangelnde Ansprache und Aufmerksamkeit sowie das Ignorieren oder Fehlinterpretieren kindlicher Bedürfnisse belasten i. d. R. die Kinder in der Ausbildung ihrer Grundkompetenzen. Ähnlich ist es im Umgang mit Konflikten. Erleben Kinder dauerhaft harte Auseinandersetzungen ohne Lösungsoptionen oder aber gar das permanente Ignorieren von Mei-
nungen, so entwickeln sie nicht selten ein auffälliges Konfliktverhalten. Auch wenn Eltern grundsätzlich im Umgang mit ihren Kindern förderlich handeln wollen, gelingt das nicht immer. Unsicherheit oder auch Überforderung, manchmal kombiniert mit schwierigen individuellen Lebenserfahrungen und Bedingungen, führen nicht selten zu dauerhaft unangemessenem Erziehungsverhalten. Der gesellschaftliche Erziehungs- und Bildungsdruck und vielfältige Kritik an Eltern verschärfen diese Unsicherheit teilweise bis zur Hilflosigkeit.
Wie arbeitet FuN? Während die meisten präventiven Programme für Eltern eine Zielgruppe ansprechen, die grundsätzlich interessiert ist, sich mit Familienleben und Kindererziehung auseinanderzusetzen, geht FuN einen anderen Weg. Es steht für Familie und Nachbarschaft und ist in seinem Aufbau und seiner Gestaltung insbesondere auch für die Arbeit mit Familien mit anderen Kultur- und Lerngeschichten konzipiert. Es handelt sich hierbei insbesondere um ein interaktives Familienprogramm, an dem Eltern und Kinder gemeinsam teilnehmen und in dem das Lernen durch Erfahrung im Vordergrund steht. FuN lebt von einem spielerischen Charakter und verzichtet auf pädagogische Zeigefi nger. FuN bietet so einen konkreten Lernort und Rahmen für Elternkompetenz und gemeinsames Handeln in der Familie. Das FuN-Familienprogramm ist inzwischen seit 15 Jahren bundesweit im Einsatz und in Varianten für Eltern mit Kindern aller Altersstufen in der Praxis gut erprobt. Von FuN Baby über Kleinkind, einer Programmvariante für Kita und Grundschule bis hin zu Programmen für die Sekundarstufe I sowie FuN Berufs- und Lebensplanung für Eltern mit heranwachsenden Kindern – immer geht es um gemeinsames Lernen in der Familie. Diese Vielfalt spiegelt sich in den Durchführungsorten: Beratungseinrichtungen, Gemeindehäuser, Nachbarschaftszentren, Schulen und Kitas – dort, wo die Familien schon erste Kontakte zu den Einrichtungen und Diensten haben, findet FuN statt.
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MIT KONFLIKTEN ARBEITEN
Was sind Familienkompetenzen? Unter Familienkompetenzen werden im FuN-Programm die Fähigkeiten verstanden, Aufgaben im Familienleben gemeinsam zu lösen – miteinander zu reden, etwas voneinander zu erfahren und sich etwas mitzuteilen – gemeinsame Familiensituationen angenehm und befriedigend zu gestalten – auftretende Alltagskonflikte fair und konstruktiv zu lösen – soziale Beziehungen zu Freunden, Bekannten und Nachbarn zu gestalten. Das FuN-Programm bietet in fünf bis acht Programmelementen – je nach Alter der Kinder – vielfältige Übungs- und Lernmöglichkeiten zum Ausbau dieser Schlüsselkompetenzen.
Was passiert konkret im FuN-Programm? Acht bis zwölf Familien werden eingeladen, mit der ganzen Familie am FuN-Nachmittag zum Beispiel in der Kita im Sozialraum der Familien teilzunehmen. Einmal wöchentlich fi ndet acht Wochen lang von ca. 16 bis 19 Uhr FuN statt. Das Programm vermittelt den Familien Erziehungs- und Beziehungskompetenzen durch das gemeinsame Erleben von Spielen und kleinen Übungen. Nach Möglichkeit immer in der gleichen Reihenfolge und im gleichen Zeitrhythmus erleben die Familien die acht Programmelemente. Ein Begrüßungsritual – ein Spiel oder Lied zum Ankommen und zur Begrüßung.
Die erste Aufgabe fördert die Teamfähigkeit der Familien: eine gemeinsame Aufgabe, bei der alle mitmachen sollen und bei der die Eltern die besondere Aufgabe erhalten, Regie in der Familie zu führen, d. h. dafür zu sorgen, dass es einen Plan für die Aufgabenlösung gibt und alle Familienmitglieder daran beteiligt sind. Beim nächsten Spiel reden die Familienmitglieder miteinander. Anhand kleiner Gesprächsimpulse erhalten die Familien eine Vorlage, dass alle etwas von sich mitteilen können und etwas von den anderen erfahren können. Wieder erhalten die Eltern die besondere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass alle drankommen und jeder ausreden darf. Das gemeinsame Essen: Jede Familie kocht einmal für alle. Sie erhält dafür ein Budget für den Einkauf der Zutaten und die Unterstützung des Teams bei den Überlegungen und Planungen und danach ganz viel Anerkennung für die vollbrachte Leistung. Die Familien erleben das gemeinsame Essen als Treffpunkt für die ganze Familie und als Chance zum Austausch in angenehmer Atmosphäre. Die Elternzeit/parallel dazu die Kinderzeit: die Kinder spielen unter betreuten Bedingungen im Nebenraum. Die Eltern haben die Möglichkeit, sich gegenseitig kennenzulernen und sich über gemeinsame Fragen auszutauschen. Das Motto lautet: Familien lernen von Familien! Das FuN-Team moderiert die Elternrunde und achtet darauf, dass alle beteiligt sind. Das Spiel zu zweit: Immer ein Elternteil spielt bei diesem Spiel mit immer demselben Kind. Die-
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ses Spiel fördert die kreativen Spielideen der Kinder und die Fähigkeiten der Eltern, sich auf diese Ideen einzulassen und gemeinsam ein dynamisches Spiel zu entwickeln. Die Kinder genießen die ungeteilte Aufmerksamkeit des Elternteils und die Eltern lernen vielleicht neue Seiten an ihren Kindern kennen. Das Überraschungsspiel in der gesamten Gruppe bringt jeden mit jedem in Kontakt. Jetzt, gegen Ende des Programmnachmittags, erweitert sich der Fokus von den einzelnen Familien auf die ganze Gruppe. Eltern und Kinder spielen mit Lust und Laune miteinander und lernen sich spielerisch besser kennen. Das Abschlussritual spannt den Bogen zum nächsten Treffen in der folgenden Woche. Nach einem weiteren kleinen Applaus für das leckere Essen heute, wird die Frage geklärt, wer den Kochlöffel und damit die Aufgabe zu kochen für die nächste Woche übernimmt. Vielleicht hat noch jemand Geburtstag in der nächsten Woche oder einen wichtigen Termin oder eine schwierige Aufgabe zu lösen? Und dann heißt es »Tschüss und bis zum nächsten Mal!«
Die Hauptziele des FuN-Programms FuN stärkt Eltern- und Erziehungskompetenzen In den konkreten Übungen, Spielen und Programmelementen lernen Eltern, was es heißt, Eltern zu sein: – Eltern sind die Regisseure des Familienlebens. – Eltern gewinnen in ihren Familien dadurch eine Autoritätspositio, dass sie ihre Kinder angemessen anleiten und unterstützen. Dies führt dazu, dass die elterliche Autorität von den Kindern respektiert wird. – Eltern nehmen ihre eigenen Bedürfnisse und die ihrer Kinder wahr und versuchen, Wege zur Zufriedenheit für beide Seiten zu finden. – Eltern haben Spaß im gemeinsamen Spiel mit den Kindern. – Eltern helfen, Konflikte in der Familie gemeinschaftlich und fair zu lösen.
Erzieher bei manchen Aufgaben. Hier werden also gute Voraussetzungen für »Erziehungspartnerschaften« geschaffen.
Die Grundidee hinter dem FuN-Konzept Das Menschen- und Familienbild des FuN-Programms folgt der Theorie und Philosophie der Humanistischen Psychologie. Insbesondere die verschiedenen Richtungen und Schwerpunktsetzungen der Systemischen Familientherapie haben Struktur und Inhalt des FuN-Programms grundlegend mitgestaltet. FuN bezieht sich an verschiedenen Stellen auf diese therapeutischen Konzepte und gewinnt daraus Impulse für die Bildungsarbeit mit Familien. Die Eltern werden darin als kompetente Regisseure des Familienlebens betrachtet, die den Entwicklungs- und Erfahrungsraum für ihre Kinder gestalten. Dieses System funktioniert produktiv, wenn die Bedingungen gegenseitiger Wertschätzung und Achtung gelebt werden FuN spricht die Eltern in erster Linie auf ihre Ressourcen und nicht auf ihre Defizite an und schafft damit eine Atmosphäre von Entwicklung und Wachsen. Durch die Anerkennung und Würdigung der Eltern und ihrer Leistungen für die Familie steigt auch deren Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.
Synergie-Effekte durch Kooperation FuN ist als Kooperationsprojekt konzipiert. Im multiprofessionellen FuN-Team arbeitet die Kita beispielsweise mit der Familienbildungsstätte, der Kirchengemeinde oder der Familienberatungsstelle zusammen. Diese Konstruktion bietet dem FuNTeam die Vorteile der Zusammenarbeit: Die Kollegen können sich in ihren Kompetenzen ergänzen und voneinander und miteinander lernen. Aus der Sicht der Familien werden durch die FuN-Teamer die unterschiedlichen familienunterstützenden Angebote im Stadtteil niedrigschwellig und beziehungsvoll präsentiert. Dadurch werden die Zugangswege leichter und kürzer.
FuN entwickelt Kontakte und soziale Netzwerke für Familien Das FuN-Programm bietet die Möglichkeit zu Kontakten auch für Familien mit einem hohen Unsicherheitspotenzial und für Familien aus anderen Kulturen. Über das Kennenlernen und den Erfahrungsaustausch entstehen Beziehungen und Netzwerke zur gegenseitigen Unterstützung im Sinne von sozialer Nachbarschaft. FuN bindet Eltern in die Arbeit der pädagogischen Einrichtungen ein Das FuN-Programm fördert die Zusammenarbeit zwischen Eltern und pädagogischen Einrichtungen. Eltern identifizieren sich stärker auch mit den Zielsetzungen von Kindertageseinrichtungen und Schulen, helfen mit und entlasten die Erzieherinnen und
Birgit Piltman leitet das Institut für präventive Pädagogik Praepaed e.V. in Detmold. Qualifizierungsseminare und weitere Informationen: www.praepaed.de
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MIT KONFLIKTEN ARBEITEN
Konflikte im Alter Entwicklungsaufgaben, die das Leben stellt Petra Müller
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Konflikte im Alter – was kommt Ihnen bei diesem Thema spontan in den Sinn? Vielleicht ein Generationenkonflikt oder Konflikt um Testament oder Erbschaft? Oder Lebenspartner, die ein neues Miteinander in der nachberuflichen Zeit für sich finden, gestalten und aushandeln müssen? Sind es vielleicht Situationen, wo man in Konflikt gerät, weil die körperlichen Kräfte nachlassen – sei es aus Ungeduld, aus Verzweiflung und Enttäuschung? Ist es die et-
was sonderbare alte Dame, die sich beim Direktor des Altenzentrums über das Geschenk zu ihrem 90. Geburtstag mit den Worten »Zu meinem 90. Geburtstag habe ich mir aber ein anderes Geschenk vorgestellt!« beschwert und dann wutschnaubend und demonstrativ den Fresskorb in den Müllbehälter der Putzkolonne wirft? Oder sind es die immer wiederkehrenden Momente, wenn beim Seniorennachmittag jemand seinen Platz – »Hier sitze ich immer. Das ist mein Platz!« – oder den einer anderen – »Hier sitzt immer Frau Meyer« – verteidigt? All das können Konflikte sein – Konflikte, die sich auf der Außenbühne des Lebens ereignen und abspielen, die aber häufig mit der Innenbühne verknüpft sind und von dort gesteuert werden. Von diesem Blickwinkel aus betrachtet stecken in Konfl ikten immer auch Entwicklungsaufgaben – und das in jedem Lebensalter, also auch im Alter. Innere Konflikte und Entwicklungsaufgaben Wer von einem Leben ohne Konflikte träumt, wird enttäuscht werden. Konflikte gehören zu unserem Leben, vor allem auch die inneren Konfl ikte. Positiv gesehen können uns Konfl ikte in unserer Entwicklung voranbringen, wenn wir ihnen nicht ausweichen, sondern uns ihnen stellen. Unbewältigte Konfl ikte dagegen blockieren uns und werden immer wieder, auch in anderer Gestalt, bei uns anklopfen. Vor Entwicklungsaufgaben werden wir im Rahmen unserer persönlichen Entwicklung und Reifung gestellt – nicht nur in der Kindheit und Jugend, sondern das ganze Leben lang. Jeder Lebensabschnitt stellt altersspezifische Entwicklungsaufgaben. So können wir reifen und so können wir zu dem und zu der werden, als die wir von Gott erschaffen und gedacht sind. In jedem Lebensalter und bis zum letzten Atemzug sind bestimmte Aufgaben zu bewältigen.
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Entwicklung ist auch noch im Alter möglich Die Entwicklungspsychologie richtete in früheren Jahrzehnten ihren Blick überwiegend auf das Kinder- und Jugendalter. Im »hohen Erwachsenenalter«, das damals die Zeitspanne von 51 bis 80 Jahren umfasste, gab es kaum Differenzierung. Statt mit Entwicklung und innerem Wachstum beschrieb die Entwicklungspsychologie damals dieses »hohe Erwachsenenalter« mit Verlust und Abbau, und die Gerontologie, die Altersforschung, entwickelte das Defizitmodell des Alters. Heute werden die oft langen Jahre des Älterwerdens in verschiedene Phasen eingeteilt (das dritte, das vierte und das fünfte Alter) und die schöpferischen Potenziale des Alters herausgestellt. Auch die »Theologie des Alterns« nahm eine Wende von der »Mortalität zur Natalität«, was besagt, dass auch im Alter immer noch Entwicklung und Neuwerden möglich sind. Die notwendige Auseinandersetzung mit der Endlichkeit des Lebens und dem eigenen Sterben wird durch diesen Ansatz nicht geleugnet, ebenso wenig, dass sich unser Leben zwischen Autonomie und Angewiesenheit abspielt. Das Alter ist eine konfliktreiche Zeit Konflikte und Lebenskrisen entstehen häufig an den Lebensübergängen. Die Jahre des Älterwerdens sind voller Wendepunkte. Es sind Zeiten des Wandels, und vielleicht können diese Jahre daher auch zu den konfliktträchtigsten im Leben werden. Der Begriff des »erfolgreichen Alterns« hat schon seit Langem Einzug in die gerontologischen Theorien gehalten. Viele Menschen in der nachberufl ichen Zeit sagen heutzutage, dass das ihre »besten Jahre« seien. Das macht sie zu einem »Best Ager«. Lassen äußere Lebensqualität und inneres Wohlbefinden einen erfolgreich altern? Widerspricht sich das oder meint »erfolgreiches Altern« vielleicht auch die Fähigkeit, sich im Alter mit den Konflikten, Einbrüchen, Umbrüchen, Übergängen und Abschieden auseinandersetzen zu können? Ich spreche in diesem Zusammenhang lieber von »gelingendem Altern«. Realitäten, Aufgaben und Fragen des Alters, die zu Konflikten führen können Die Jahre des Älterwerdens können sehr kraftvolle Zeiten sein, aber auch Zeiten, die durch Mühen und Zumutungen geprägt sind und in denen man
verstärkt oder vollständig auf Unterstützung angewiesen ist. Der Übergang in die nachberufliche Zeit ist für Frauen erheblich einfacher als für Männer, vor allem auch dadurch, weil Frauen geübter sind, Kontakte zu pflegen und soziale Netze zu knüpfen, und weil der Beruf für Frauen in der Regel einen anderen Stellenwert hatte. Männer hingegen erleben das Berufsende oft als Verlust, was in vielen Fällen zu Depressionen führt. Die höchste Selbstmordrate liegt bei Männern am Übergang vom Beruf in die berufsfreie Zeit. Man erlebt einen Verlust von Verantwortungsrollen und steht vor der Aufgabe, neue Rollen zu fi nden und einzunehmen, andere Rollen wachsen einem vielleicht zu. In den kraftvollen Jahren des Alters beginnen viele noch einmal etwas Neues, etwas, das ihnen bisher nicht möglich war. Oder sie verwirklichen Dinge, für die es irgendwann zu spät sein wird – wann, wenn nicht jetzt? Es ist die Frage zu beantworten, was man im Leben noch machen und erreichen möchte. Und man weiß auch darum, dass einem nicht mehr alle Türen offenstehen. Viele engagieren sich ehrenamtlich oder übernehmen neue Aufgaben in familiären Zusammenhängen. Anderen fällt die Decke auf den Kopf, weil sie nicht geübt sind, sich neue Aufgaben und Betätigungsfelder zu suchen. Auch ein neuer Tagesrhythmus ist zu finden. Vielleicht ist das sogar die erste und wichtigste Übung. Freie Zeit kann man genießen, aber man kann auch Mühe haben, sie zu füllen. Wieder andere haben auch in der nachberuflichen Zeit einen vollen Terminkalender oder sind rastlos unterwegs. Aufgrund der längeren und gestiegenen Lebenserwartung fallen in die nachberufliche Zeit immer häufiger auch Pflegesituationen und Pflegeaufgaben von zwei Generationen: die Pflege der eigenen Eltern, aber auch die Pflege eines Lebenspartners. Das können sehr konfliktträchtige Zeiten sein in einem Lebensabschnitt, in dem man endlich die eigene Freiheit genießen wollte. Pflege wird zu einem erheblichen Teil von Frauen geleistet. Immer mehr rücken aber auch Männer, die Angehörige pflegen, in unser Bewusstsein. In allen Lebensphasen des Alters ist die Wohnsituation ein brennendes Thema. Immer häufiger beschäftigen sich viele schon frühzeitig damit. Wie will man im Alter wohnen oder wie lässt sich die bishe-
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MIT KONFLIKTEN ARBEITEN
rige Wohnsituation dem Alter anpassen? Wann ist der richtige Zeitpunkt für einen Umzug in ein Servicehaus (früher sprach man von »Betreutem Wohnen«) und welches Altenheim könnte ggf. für einen in Frage kommen? Körperliche Beeinträchtigungen, ernsthafte Erkrankungen und Mehrfacherkrankungen sind spürbare Einschnitte, die häufig zu Krisen und Konf likten führen und die Lebensqualität deutlich mindern. Wie geht man mit seinem Körper um, auf den nicht mehr so Verlass ist, und wie soll man auf einen Geist, der schwächer wird, reagieren? Es wird einem zur Aufgabe, mit widrigen und unabwendbaren Gegebenheiten und Einschränkungen umgehen zu lernen, ohne zu verbittern. Besonders wenn jemand an Demenz erkrankt, bringt das viele Konflikte mit sich: bei den Betroffenen selber, die als Erste immer wieder merken, dass sie Dinge vergessen oder nicht mehr wissen, und auch im Miteinander mit den Angehörigen, die oft noch lange krampfhaft bemüht sind, alles über und mit dem Verstand zu erklären. Extrem konfliktreich wird es oft an der Stelle, wenn Angehörige die Entscheidung treffen – treffen müssen –, Unterstützung und Betreuung in Anspruch zu nehmen oder jemanden in eine Demenz-WG oder in ein Pflegeheim zu bringen. Auch Fragen um Betreuungsverfügung und Betreuungsvollmacht herum können Konfliktstoff in sich bergen. In den letzten Jahren wuchs das Verständnis für den Umgang mit alten Traumata im Alter, was nicht nur für die Kriegsgeneration gilt, sondern für alle, die, wodurch auch immer, traumatisiert sind. Für viele ist es die größte Angst, wenn sie an das Ausgeliefertsein, an Abhängigkeit im Alter und an Pflegesituationen denken. Zu den Realitäten der späten Jahre gehört vor allem die Erkenntnis, dass die eigene Lebenszeit überschaubar ist, dass ein großer Teil des Lebens hinter einem liegt und die Zahl der Lebensjahre am Abnehmen ist. Damit umgehen zu lernen, ist eine der größten Aufgaben. Dass die Endlichkeit um einen herum sich immer mehr Raum nimmt, ist vielleicht besonders schmerzlich: wenn der Lebenspartner stirbt, wenn Freunde und Bekannte erkranken oder sterben und vertraute Menschen des Umfelds nur noch wenige sind. Man fragt sich, welche Verluste noch kommen werden, wie viele Abschiede man nehmen muss und ob man sie bewälti-
gen wird. Wie wird sich das Leben in immer enger werdenden Grenzen anfühlen? Gelingt es, rechtzeitig die Dinge zu übergeben, die man in guten Händen wissen will? Das Geheimnis des eigenen Sterbens rückt näher und lässt sich nicht mehr so gut verdrängen wie in den Jahrzehnten zuvor. Wie wird man sterben? Wer wird bei einem sein? Das Gewahrwerden der eigenen Endlichkeit stellt die Frage nach dem, woran man glaubt, nach Spiritualität, nach Hoffnung. Niemand weiß, ob sein Glaube stark genug ist, die Belastungen der späten Jahre zu tragen und die Hoffnung wachzuhalten. Wird der Glaube einen auch dann noch tragen? Gleichzeitig kann man aber auch in dieser Lebensphase noch immer eine spirituelle Praxis pflegen, einüben, vertiefen und im Alltag verankern und sich auf die Suche nach tragenden Gottesbildern im Alter machen. Man sagt, dass die unausweichlichen Fragen des Alters häufig in die späten Lebensjahre hinausgeschoben werden. Sich diesen Fragen des vorangeschrittenen Alters zuzuwenden, ist eine entscheidende Aufgabe. Sie beinhaltet auch, sich erst einmal mit seinem Lebensweg auseinanderzusetzen und das eigene Leben zu reflektieren, sich zu versöhnen mit dem, was anders als geplant verlaufen ist, aber auch Spuren des Glücks oder des Wirkens Gottes zu entdecken. Man merkt vielleicht, dass es Dinge gibt, die nicht mehr gut werden. Anderes wird man nicht zu Ende bringen. Es wächst die Erkenntnis, dass das Leben Fragment – bruchstückhaft – ist und bleibt. Auch im Alter bleibt das Leben konfl iktreich. Konflikte können die psychische, geistige und geistliche Entwicklung anregen und voranbringen, aber sie können auch negative Kräfte entfalten oder verstärken. An diese konfl iktreichen Entwicklungsaufgaben und Übergängen im Alter anzuknüpfen ist ein wichtiger Ansatz in der kirchlichen Arbeit mit Älteren.
Petra Müller ist Diplompädagogin für Theologie und Erwachsenenbildung und leitet die Fachstelle Alter der Nordkirche.
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CHRISTLICHE SOLIDARITÄT GEGEN BRAUNE GEWALT Die Evangelische Kirche als wichtiger Bestandteil gesamtgesellschaftlichen Handelns gegen Rechtsextremismus – ein Beispiel aus Wittstock Heinz-Joachim Lohmann
Wittstock erschreckt, erkennt und handelt Kajrat Batesov starb am Ende eines Diskothekenbesuchs. Ein Feldstein zertrümmerte seine Brust, der Angriff war begleitet von erniedrigenden Äußerungen gegen Aussiedler. Nach seinem Tod organisierte sich die Gemeinschaft der Russlanddeutschen in Wittstock/Dosse und trug eine Fülle von Demütigungen und Beleidigungen vor, die ihnen und ihren Kindern alltäglich entgegenschlugen. In der Folge stellte die Stadt einen Bürgerberater für die Belange der Zuwanderinnen und Zuwanderer ein und der Kirchenkreis Wittstock-Ruppin gründete mit Hilfe eines diakonischen Vereins ein »Haus der Begegnung«, das die Gemeinschaft von Alt- und Neubürgerinnen und -bürgern fördert. Für den Totschlag wurde die örtliche Neonaziszene verantwortlich gemacht. Nach Racheangriffen meldeten sich die Anführer in der Superintendentur, um zu beteuern, dass sie weder etwas mit dem Todesfall zu tun noch überhaupt etwas gegen Aussiedlerinnen und Aussiedler hätten. Schließlich stellte sich heraus, dass der Täter aus dem bürgerlichen Milieu ohne Beziehung zur »Szene« kam. Als Ansprechpartnerin und Initiatorin für öffentliche Trauerbekundungen und Überlegungen zur Krisenbewältigung diente das Aktionsbündnis »Wittstock gegen Rechts«. Es entstand im Jahr zuvor auf Anregung der Evangelischen Kirche, um den in sechswöchigem Rhythmus wiederkehrenden NPD-Demonstrationen in der Stadt etwas entgegenzusetzen. Das Aktionsbündnis organisierte in der Folge eine Vielzahl von Protesten, die immer von der St.-Marienkirche ausgingen oder dort ihr Ziel fanden.
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MIT KONFLIKTEN ARBEITEN
So wie in Wittstock arbeiten viele Christinnen und Christen in Aktionsbündnissen gegen Neonazis mit. Warum ist es notwendig, sich besonders gegen Rechtsextremismus zu wenden und ihm im Ansatz entgegenzutreten?
Demokratische Kultur und Kirche Die Evangelische Kirche engagiert sich, weil sie Teil des Gemeinschaftsgefüges der Stadt Wittstock ist und Rechtsextremismus eine Bedrohung des Zusammenlebens darstellt. Seit 1990 sind weit über 100 Menschen in Deutschland an einer neonazistischen oder rassistischen Straftat gestorben. Die Zahl differiert je nach der zugrunde gelegten Statistik. Unzweifelhaft bleibt, dass die politisch motivierte Kriminalität von rechts in unserem Land die meisten Todesopfer fordert. Durch sie werden Menschen beleidigt und verletzt. Sie kann eine stetige Bedrohung des Menschenrechts auf körperliche Unversehrtheit für Personen mit anderer Hautfarbe oder alternativem Aussehen sein. Zum rechtsextremen Grundbekenntnis gehört die Vernichtung der Gegnerinnen und Gegner, da in diesem Kontext Gewalt die Funktion innehat, dem Höherwertigen in der sozialen Rangordnung zum Durchbruch zu verhelfen. Die gesamtgesellschaftliche Widerstandskultur zeigt viele unterschiedliche Ausprägungen. Der städtische Bereich lebt mit einem sehr heterogenen Lebensgefühl. Das Beispiel Berlin offenbart, dass die Vielfalt der Lebensstile für genug Protestpotenzial sorgt, um Neonazis entgegenzutreten, wo immer sie auftauchen. Im ländlichen Raum bedarf es einer Verständigung von Politik und Gesellschaft. Dazu gehören gemeinsame Überlegungen, welche Entwicklungen verhindert und welche gefördert werden müssen. Unabhängig von ihrer prozentualen Verankerung in der Bevölkerung sind die Kirchen in diesem Prozess notwendige und einflussreiche Akteure. In ihnen organisieren sich mehr Menschen als in Parteien, und neben der freiwilligen Feuerwehr und dem Sportverein sind sie die einzigen flächendeckend präsenten Vereinigungen.
Biblische Grundlage und kirchlicher Konsens In der Interpretation der biblischen Grundlage besteht heute Konsens, dass Gott die Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen hat, ohne nach Rasse
und Hautfarbe zu differenzieren. Das war in der Geschichte nicht immer so. Sowohl die Sklaverei in Amerika als auch die Apartheid in Südafrika wurden im Rückgriff auf biblische Traditionen und in Kombination mit der Erwählungslehre begründet. In der Gegenwart haben sich alle christlichen Kirchen von diesem Erbe distanziert und setzen sich für die Gleichberechtigung aller Menschen ein. Als eine der Letzten distanzierte sich die Niederländisch Reformierte Kirche in Südafrika 1986 von ihren überkommenen Einstellungen und bezeichnete den vormaligen Weg als Sünde. Zu dem Gedanken der Gottebenbildlichkeit treten Überlegungen, dass die ersten christlichen Gemeinden außerhalb des heiligen Landes durch Menschen ganz unterschiedlicher Tradition und Herkunft gebildet wurden, die im christlichen Glauben neue Identität finden. »Da ist weder Jude noch Grieche, da ist weder Sklave noch Freier, da ist nicht Mann oder Frau. Denn ihr seid alle eins in Christus Jesus.«, schreibt Paulus an die Gemeinden in Galatien (Gal 3,28).
Kirchliche Konfliktlösungspotenziale Die biblischen Einsichten für den Gebrauch im Alltag durchzubuchstabieren, gehört zur Aufgabe des gegenwärtigen Zusammenspiels von Christengemeinde und Bürgergemeinde. Traditionell charakterisiert der Begriff »Volkskirche« die Repräsentation der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger eines politischen Raumes durch eine Konfession. In der Grundtvigschen Definition konstituiert sich »Volkskirche« durch die Repräsentation der verschiedenen gesellschaftlichen Schichten in der Kirche. Sie gewinnt den Status, indem sie einen Querschnitt der Bevölkerung darstellt. In diesem Sinne kann Kirche zu einem Lernraum für das Gemeinwesen werden. Unter ihren Mitgliedern sind die gleichen Vorurteile und Ängste vorhanden wie in der Bevölkerung, deren Abbild sie ist. Gleichzeitig ist sie durch den Anspruch des Evangeliums herausgefordert, anders zu denken und Wege zu entwickeln, die Sortierungsmuster der Gesellschaft, in der sie lebt, zu überwinden. Kirche repräsentiert die Gesellschaft, in der sie lebt. Sie ist herausgefordert durch die Botschaft, auf der sie steht, und sie verfügt über eine Infrastruktur, um notwendige Einsichten auch umzusetzen. Dazu gehören Pfarrerinnen und Pfarrer, pädagogische, kirchenmusikalische und nicht zuletzt
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ehrenamtlich Mitarbeitende, die durch die Kraft der Sprache und tatkräftiges Engagement den Alltag des Gemeinwesens mitgestalten. Dazu gehören Gebäude, die für öffentliche Aufgaben nutzbar gemacht werden können. Nicht zuletzt bilden die Kirchengebäude einen Schutzraum, in dem sich alle gleichberechtigt in der Gegenwart des Wortes Gottes treffen. Sie stehen für eine Botschaft, die sich mit den Grenzen der Welt nicht abfindet. Die Gründung des »Hauses der Begegnung« in Wittstock führte zur Auseinandersetzung mit den Erfahrungen der Aussiedlerinnen und Aussiedler in der Sowjetunion und ihrer Folgen. Der Aufbau eines Caterings für öffentliche Anlässe machte die kulinarischen Traditionen bekannt und integrierte sie in das Leben am neuen Wohnort. Ein russischer Chor präsentiert deutsches und russisches Liedgut bei vielen öffentlichen Anlässen. In gemeinsamen Projekten des zweiten Arbeitsmarktes lernen Einheimische und Zugezogene gegenseitigen Respekt. Durch den Bürgerberater gab es einen direkten Zugang zum politischen Establishment und zur Verwaltung.
Der Brandenburger Weg Das Land Brandenburg erkannte früh, dass rechtsextremistische Gewalt eine Bedrohung für die Gestaltung des Gemeinwesens bedeutet. Es installierte ein Handlungskonzept, »Tolerantes Brandenburg«, und schuf mit dem Mobilen Beratungsteam (MBT) und der Opferperspektive effiziente Mechanismen zur Unterstützung von kommunalen Strukturen und zur Begleitung von Geschädigten. Das Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit zeigt den entschiedenen Einsatz der Zivilgesellschaft gegen Neonazis. Dabei stellte die Evangelische Kirche bisher stets den Vorsitz, weil sie die soziale Bandbreite der Gesellschaft repräsentiert und keiner politischen Strömung zuordenbar ist. Zu den Besonderheiten Brandenburgs gehört der Versuch eines guten Miteinanders von Zivilgesellschaft, Politik und den Staatsorganen. Im Umgang mit rechtsextremen Demonstrationen bleibt am umstrittensten, welche Art des Widerstandes die erfolgreichste ist. Der größte Teil der Zivilgesellschaft bevorzugt die Totalverhinderung in Form von Blockaden. Der Generalstaatsanwalt, selbst bekennender Nazigegner, hält diese Form des Protestes für eine massive und nicht hinnehmbare Grundrechtsverletzung. Die Polizei, beauftragt mit dem Schutz
des Demonstrationsrechtes der Rechtsextremisten, befi ndet sich immer in der unangenehmen Situation, zum Gegenstand der Abneigung der Gegendemonstranten zu werden. Eine Konfliktsituation, die nur durch Geduld und Kommunikation entschärft werden kann. In Brandenburg tritt dem Rechtsextremismus eine ganz große Koalition von der CDU bis zur Antifa entgegen. Dieser gemeinsame Weg ist weder für das bürgerliche Lager noch für die autonome Fraktion leicht begehbar. Das konzertierte Handeln zeigte seinen größten Erfolg bei der Beendigung der jährlichen rechtsextremen Demonstrationen am Waldfriedhof in Halbe. Große Demonstrationen, Veränderung des Rechtes und die Neugestaltung der Anlage sorgten dafür, dass die geistigen Nachkommen der Nationalsozialisten das Interesse verloren. Die Evangelische Kirche genießt das Vertrauen der Antipoden. Die Schnittstelle liegt darin, dass sie sich in ihren eigenen Reihen mit den verschiedensten Positionen auseinandersetzen muss, die dennoch den Konsens teilen, dass Faschismus keine Weltanschauung ist, sondern ein Verbrechen. Deshalb beschloss die Landessynode der EKBO im Herbst 2013, dass das aktive Eintreten für menschenfeindliche Positionen unvereinbar ist mit der Mitarbeit in den Gremien der Landeskirche.
Mission Der Tod von Kajrat Batesov zeigte, dass nicht nur Rechtsextremisten die Kernideologie des Rechtsextremismus leben. Die Evangelische Kirche vertritt die Interessen, die sich aus der Botschaft von Jesus Christus ergeben, wenn sie sich für die Gleichheit der Menschen einsetzt und Gewalt als Mittel des demokratischen Prozesses ablehnt. Indem sie Konflikte wahrnimmt, aushält und austrägt, leistet sie einen Beitrag zur Weiterentwicklung des friedlichen gesellschaftlichen Zusammenlebens und bleibt eine wichtige Partnerin in der Entwicklung des demokratischen Gemeinwesens.
Heinz-Joachim Lohmann ist Studienleiter für Demokratische Kultur und Kirche im ländlichen Raum an der Evangelischen Akademie zu Berlin.
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MIT KONFLIKTEN ARBEITEN
Eine andere Leitungskultur als Konfliktprävention Von Transparenz und Kommunikation in der Kirchengemeinde Peter Burkowski
Eine ganz normale Erfahrung Visitation in einer »ganz normalen« Kirchengemeinde. Die Aufgabe eines Gemeindezentrums ist bei den Verantwortlichen und vielen Engagierten spürbar in Erinnerung geblieben. Und dennoch: Die Gemeinde erscheint vital und einladend! Aber schon beim ersten Planungsgespräch häufen sich die konf liktumschreibenden Begriffe wie »manchmal schwierige Kommunikation«, »viele Unklarheiten«, »Wer hat hier eigentlich etwas zu sagen?«.
Organisationstypen bedingen das Leitungsverständnis Was bedeutet das, wenn in christlichen Gemeinschaften von »unterschiedlichen Kulturen« oder »vielen Unklarheiten« gesprochen wird? Lesen nicht alle in denselben biblischen Texten? Gründen sich nicht alle auf denselben Ursprung des Glaubens, der Heiligen Schrift und der Bekenntnisse? Und doch gibt es offenbar eine Fülle von Konflikten und Überforderungen bei denen, die in einer Gemeinde zusammenarbeiten. Hierfür gibt es
eine klare Adresse: die Leitung. Denn es ist die zentrale Aufgabe der Leitung und der Personalführung, für Transparenz und Kommunikation in der Gemeinde zu sorgen: z. B. zur Klärung von Aufgaben, in Veränderungsprozessen oder in der Personalverantwortung (in Teamgesprächen oder Jahresgesprächen). Zugespitzt gesagt: Je deutlicher die Leitung für klare und transparente Rahmenbedingungen, Zuständigkeiten, Ziele und Aufgabenbeschreibungen sorgt, desto zufriedener leben und arbeiten diejenigen, die hier zusammen
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an der Aufgabe der Kommunikation des Evangeliums unterwegs sind. Zur Voraussetzung für solche Klärungen zählt in der Regel, dass eine Gemeinde sich bewusst (auch) als Organisation versteht und eine Gemeindeleitung entsprechend handelt. Organisationen haben – historisch betrachtet – viele Typen herausgebildet: vom »Familienbetrieb« bis zum »Netzwerk«1. Manchmal kann man den Eindruck bekommen, als ob der Familientypus in vielen kirchlichen Zusammenhängen noch prägend ist: Jede und jeder kennt alle. Man schaut nicht auf die Uhr. »Man kann hier doch über alles reden.« Die Kommunikation ist auf eine leitende Führungsfigur ausgerichtet. Die Regeln sind – bewusst – schwach ausgeprägt. Die Führungspersönlichkeit ist für alles und jedes ansprechbar und zuständig. Dieser Typus von Organisation und Führung ist uns aus dem biblischen Kontext vertraut. Mose tritt als Prophet und Gottesbote, als Anführer und Richter zugleich auf. Aber dann wird auch von einer organisatorischen Weiterentwicklung berichtet: Mose ist überfordert und erhält von Jethro, seinem Schwiegervater, einen wertvollen Rat: »Du machst dich müde, dazu auch das Volk, das mit dir ist. Das Geschäft ist zu schwer, du kannst es nicht alleine ausrichten. Sieh dich unter dem ganzen Volk nach redlichen Leuten um, die Gott fürchten, wahrhaftig sind und dem ungerechten Gewinn Feind. Die setze über sie als Oberste über tausend, über hundert, über fünfzig und über zehn.« (2 Mose 18,18.21) Hier wird der Organisationstyp verändert, weil die Aufgaben immer weiter zugenommen haben. Am Ende ist die neue Regelung für alle entlastend. Es müssen nun nicht mehr alle alles machen und verantworten, sondern sie
dürfen sich auf den eigenen Verantwortungsbereich konzentrieren. Die Ausformung eines bürokratischen Organisationstyps hat in der Entstehung der modernen Staatswesen eine besondere Bedeutung gehabt. Die Formalisierung von Entscheidungen wird vom individuellen Interesse abgelöst. Es entsteht eine geregelte Arbeitsteilung, ein System von Kommunikationswegen (Dienstweg!) und ein Regelwerk von Verfahrensweisen zur Erfüllung der Aufgaben. »Wo es sich um konstante Routinetätigkeiten handelt, ist das bürokratische Organisationsmodell von Vorteil, wo es komplexe und innovative Aufgaben zu erfüllen gilt, sind andere Organisationsformen leistungsfähiger.«2 Insofern gilt auch für die evangelische Kirche der Typ einer dritten Organisationsform: die Netzwerkorganisation, lockere Verbindungen mit zumeist geringem Organisationsgrad. Beziehungsnetzwerke prägen die Organisationsform, die sich als flexibel und anpassungsfähig zeigt. Schaut man mit dem Blick auf die Organisationstypen wieder zurück auf die Ortsgemeinde, dann wird deutlich, dass der Organisationstyp »Familie« Personen und deren Beziehungen heute in hohem Maße belastet. Die Zunahme von Komplexität und Entscheidungsdichte führt zu einer feststellbaren Überlastung von Personen und Beziehungen. Konflikte und Erschöpfung sind häufig die Folge. Zudem beschränkten sich Gemeindeleitungen häufig auf eine Art des »verwaltenden Leitens«, bei dem routinemäßig Verwaltungsvorlagen bearbeitet werden, im Gegensatz zu einem »gestaltenden Leiten« (Reflexion der Ist-Situation, Ziele, Leitbild, Konzeption …). Die »Kultur« ist eben eher re-aktiv und nicht pro-aktiv auf die Zukunft gerichtet.
Das kybernetische Dreieck: Auftrag – Situation – Ressourcen Es geht – theologisch – ganz konkret um die aktuelle Frage, wie in einer bestimmten gesellschaftlichen Situation, die von zunehmender Komplexität, von einer technischen und individuellen Beschleunigung, von Säkularisierung und Pluralisierung bestimmt ist, die Botschaft des Evangeliums erkennbar (Konzentration und Profi lierung) und möglichst »alles Volk«3 erreicht wird. Welche konkreten Aufgaben soll (und wird in Zukunft) eine Kirchengemeinde (oder ein Kirchenkreis/ein Dekanat) wahrnehmen, um an ihrem jeweiligen Ort, in der jeweiligen gesellschaftlichen Situation mit den vorhandenen Ressourcen die Kommunikation des Evangeliums zu ermöglichen? »Denn die Kirche ist in ihrem Auftrag an die Welt gewiesen (vgl. Mt 28,20; Apg 1,8), die immer nur als konkrete Welt im jeweiligen gesellschaftlichen und kulturellen Kontext existiert.«4 Die Aufgabe der Gemeindeleitung kann mit dem »kybernetischen Dreieck« beschrieben werden: »Die zu planenden und umzusetzenden Aufgaben bzw. Veränderungen einer kirchlichen Organisation ergeben sich, indem der biblische Auftrag (Kommunikation des Evangeliums) auf den gesellschaftlichen Kontext (Komplexität, Beschleunigung, Säkularisierung, Milieus, Mitgliedschafts- und Bevölkerungsstruktur, zukünftige Entwicklungen, Erwartungen u. a. m.) und auf die Ressourcen (Kompetenzen der Mitarbeitenden, Finanzmittel, Sachmittel, Stärken-Schwächen-Profi l u. a. m.) des Handlungsbereichs (Kirchengemeinde …) bezogen wird.«5 Neben eine Situationsanalyse tritt in der Regel eine realistische Einschätzung der eigenen personellen, wirtschaftlichen (Gebäude, Finanzen usw.), histo-
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rischen und geistlichen Ressourcen. In Form von Leitbildprozessen oder Zielprozessen für die kommenden Jahre werden konkrete Schwerpunkte deutlich benannt und in den Mittelpunkt gestellt. So konzentriert sich die Gemeinde auf ihre Stärken und erarbeitet ein erkennbares Profil. Der nächste Schritt ist häufig die Umsetzung dieser Ideen, indem Schwerpunkte für zukünftige Aufgaben festgelegt werden. In Konzeptionspapieren von Kirchengemeinden werden hierzu Hinweise gegeben, wie konkrete Ziele (z. B. mit einer größeren Gemeinschaft Gottesdienst zu feiern oder die Kommunikation mit den Gemeindegliedern zu verbessern6) umgesetzt werden sollen. Die Erarbeitung einer Strategie oder einer Konzeption erfolgt mit angemessener Beteiligung und Transparenz. Es wird öffentlich erkennbar, welchen Weg eine Kirchengemeinde einschlagen wird und worauf sie sich dabei konzentriert (Themen, Zielgruppen, Gebäude). In einem nächsten Schritt wird die jeweilige Verantwortung geklärt und die Aufgaben der hauptamtlich Beschäftigten werden überprüft, angepasst oder weiterentwickelt. Wichtig ist hierbei, dass Aufgaben und Verantwortung erkennbar zusammenbleiben: Wer eine Aufgabe bekommt, erhält auch die Verantwortung. Dadurch wird z. B. die Komplexität reduziert, die je eigenen Aufgaben werden konkret und die »Reibung« mit anderen Mitarbeitenden wird geringer. Der »Herzschlag« jedes Entwicklungsprozesses in Kirchengemeinden ist eine regelmäßige Kommunikation mit allen Beteiligten. Dieses gilt für die Atmosphäre im Leitungsorgan ebenso wie für die Kommunikation der Mitarbeitenden. Regelmäßige Team-Gespräche sollten selbstverständlich sein. Zum Austausch zwischen der Gemeindeleitung
und den Mitarbeitenden hat sich das Instrument des Jahresgespräches/Orientierungsgesprächs deutlich bewährt. Hier ist der Ort, an dem individuelle Unsicherheiten angesprochen werden können und neue Vereinbarungen möglich sind. In Zeiten zunehmender Komplexität wäre es fatal, die Verbindlichkeit von Regeln zu vernachlässigen oder einem offenkundigen Regelungsbedarf nicht nachzukommen. Geklärte Strukturen mit einem angemessenen Regelwerk entlasten die handelnden Personen, reduzieren die jeweilige Verantwortung und ein Stück der überfordernden Komplexität. Diese »disponierende« Aufgabe der Gemeindeleitung, die ebenso einer theologischen und geistlichen Reflektion bedarf,7 steht also direkt neben der »kommunikativen« Verkündigungsaufgabe. Aufgabenklarheit, Transparenz und regelmäßige Kommunikation über die gemeinsamen Ziele geben den Handelnden hierbei größere Sicherheit und Zufriedenheit in der Erfüllung ihrer Aufgaben.
Pfarrer Peter Burkowski ist Vorstand der Führungsakademie für Kirche und Diakonie, Berlin.
1
Vgl. hierzu Lindner, Herbert: Kirche am Ort, Eine Gemeindetheorie, Stuttgart 1994, 149 ff.; eine Untersuchung der Leitungsstrukturen in ausgewählten Landeskirchen der EKD unterscheidet »Familienorganisation«, »Maschinenorganisation« und »Netzwerkorganisation«, vgl. www.institut-afw.de/fileadmin/user_ upload/Dokumente/focus_supervision_11-2011_-_internetversion.pdf
2
Lindner, 153.
3
Barmer Theologische Erklärung; These 6: »… durch Predigt und Sakrament die Botschaft von der freien Gnade Gottes auszurichten an alles Volk«.
4
Hauschildt, Eberhard/Pohl-Patalong, Uta: Kirche, Lehrbuch Praktische Theologie, Band 4, Gütersloh 2013, 409.
5
Charbonnier, Ralph: Kirche in Veränderung, Grundlagen und Konkretionen von Veränderungsprozessen im Kirchenkreis, in: Freiraum, Kirche in der Region missionarisch entwickeln, Kirche im Aufbruch, Band 8, Leipzig 2013, 83 (Hervorhebungen vom Verf.).
6
Vgl. z. B. die Gemeindekonzeption der Ev. Kirchengemeinde Oer-Erkenschwick; http://www.kirche-oe.de/index.php/downloads/file/13-gemeindekonzeption.
7
Vgl. Preul, Reiner: Was bedeutet die kirchentheoretische These: Die Kirche wird durch die Auslegung ihrer Lehre geleitet? In: Preul, Reiner: Die soziale Gestalt des Glaubens, Aufsätze zur Kirchentheorie, Leipzig 2008, 20: »Die Gesamtheit der Akte kirchlichen Handelns kann in zwei Klassen eingeteilt werden: es gibt disponierendes Handeln, und es gibt kommunikatives Handeln.«
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KIRCHLICHES KONFLIKTMANAGEMENT Ein Beispiel aus der Evangelischen Kirche von Hessen und Nassau (EKHN) Kerstin Söderblom
In der EKHN wird ein kircheninternes Konfl iktmanagement über den »Zentralen Konfliktauftrag« gesteuert. Diesen »Zentralen Konfliktauftrag« der EKHN gibt es seit 2001. Eingerichtet wurde er aufgrund des gemeinsamen Engagements der Gesamtmitarbeitervertretung (GMAV) und der kirchenjuristischen Abteilung der EKHN, die erkannt hatten, dass berufliche Konflikte in der Kirche einen eigenen professionellen Ort brauchen, an dem sie bearbeitet werden, um juristische Auseinandersetzungen zu reduzieren. Der erste Konfl iktbeauftragte war ein Gemeindepädagoge, der Gewaltprävention und friedliche Konfliktlösungen als Arbeitsschwerpunkte innehatte. Für die Arbeit des Konfl iktauftrags wurde eine »Handreichung für ein partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz« erstellt. Diese Informationsbroschüre stellte ein Regelwerk für faire Verhaltensformen in einer kirchlichen Dienstgemeinschaft zur Verfügung. Die Broschüre war gemeinsam von der Kirchenleitung, der damaligen Frauenbeauftragten und der Gesamtmitarbeitervertretung herausgegeben worden. Mittlerweile heißt die Broschüre »Handreichung zu Konfl iktbearbeitung, Mobbing, Sexuelle Belästigung« und ist im Dezember 2010 in der dritten Auflage erschienen.1 Der »Zentrale Konfliktauftrag« ist seit 2004 im kircheninternen Institut für Personalberatung, Organisationsentwicklung und Supervision (IPOS) in Friedberg angesiedelt. Im Stellenplan der Gesamtkirche sind für den »Zentralen Konfl iktauftrag« 0,4 Stellenanteile vorgesehen. In manchen Dekanaten stehen außerdem regionale Konfliktbeauftragte zur Verfügung, die mit dem »Zentralen Konfl iktauftrag« im Austausch stehen. Seit 2006 wird er durch 0,3 Stellenanteile in der Verwaltung unterstützt. Im Jahr steht dem »Zentralen Konfliktauftrag« ein festes Budget zur Verfügung, um
anfragenden kirchlichen Mitarbeitern bis zu fünf Konfliktberatungssitzungen (in der Regel à 90 Minuten) fi nanzieren zu können. Dieser Anreiz soll deutlich machen, dass die EKHN als Arbeitgeberin daran interessiert ist, dass Mitarbeitende ihre Konflikte nicht unter den Teppich kehren oder eskalieren lassen, sondern konstruktiv und mit professioneller Unterstützung von externen Konfliktberatern bearbeiten. Die Existenz und die gesicherte Ausstattung des Konfliktauftrags stellen nach meiner Einschätzung ein extrem wichtiges Signal für eine konstruktive Konfliktkultur in der EKHN dar. Diese bisherige Struktur bietet wertvolle Bausteine auf dem Weg zu einem innerkirchlichen Konfl iktmanagement, das personell allerdings noch ausgebaut werden könnte. Unter Konfl iktmanagement verstehe ich den systematischen und institutionalisierten »… Umgang mit Konfl ikten, durch den der Verlauf eines Konfl iktes gezielt beeinflusst wird. Auswahl und Gestaltung eines geeigneten Verfahrens sollten Transparenz, Steuerbarkeit und Effizienz der Konfliktbearbeitung sicherstellen.«2 Ein professionelles Konfl iktmanagement vernetzt systematisch alle vorhandenen Anlaufstellen und Verfahrensweisen einer Organisation im Hinblick auf die Bearbeitung von Konfl ikten. Es bemüht sich um den Umgang mit Konflikten unter einheitlichen Standards und bezieht organisationale Faktoren mit in die Bearbeitung ein. Schließlich gewährleistet es nicht nur professionelle Verfahrensstandards und deren Evaluation, sondern auch Präventionsveranstaltungen und Fort- und Weiterbildungen. Ziel ist es, die Konfliktkompetenz, Konfliktbearbeitung und Konfliktkultur der Organisation zu stärken. Der »Zentrale Konfl iktauftrag« übernimmt im Sinne des Konfliktmanagements in der EKHN eine doppelte Aufgabe: Zum einen ist er verantwortlich
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für die organisationale Gesamtsteuerung der Konf liktbearbeitung im System der EKHN. Dazu gehören Präventionsveranstaltungen, Fort- und Weiterbildungen zum Umgang mit Konflikten, die gesamte Erstaufnahme, Bearbeitung und Weitervermittlung von Konfl iktanfragen, bis hin zur Sicherung der Durchführung der Beratungen und ihrer Evaluation. Auch ein organisationales Feedback an die Vorgesetzten der betroffenen Arbeitsstelle oder an die Kirchenleitung ist möglich, wenn das gewollt ist. Dem liegt die These zugrunde, dass Konfl ikte zumeist Hinweise liefern auf strukturelle Schwierigkeiten in der Organisation. Sie können durch ein organisationales Feedback der Konfliktberater an die Leitung sichtbar und bearbeitbar gemacht werden.3 Zum anderen ist der »Zentrale Konfliktauftrag« verantwortlich für die Beratungsinterne Gesamtsteuerung der konkret angebotenen Konfliktberatungen. Dazu gehören der Kontakt zu den Konfliktberatern, die Sicherung von Intervision und Supervision der Beratungsarbeit, das Angebot von Fort- und Weiterbildungen in diesem Bereich für Berater und die Evaluation von Konfliktberatungen, um die Qualität der Beratungen zu sichern.
Ein systematisches Konfl iktmanagement braucht ausreichend Personal, finanzielle Ressourcen und Arbeitszeit, um eine gelingende Gesamtsteuerung auf organisationaler und beratungsinterner Ebene darstellen zu können. Insofern ist das Konzept des »Zentralen Konfliktauftrags« der EKHN ein konstruktiver Beitrag zu einem solchen Gesamtkonzept.
Dr. Kerstin Söderblom ist ordinierte Pfarrerin der Ev. Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). Die letzten fünf Jahre hat sie als Studienleiterin beim Institut für Personalberatung, Organisationsentwicklung und Supervision (IPOS) in Friedberg als systemische Beraterin, Coach und Mediatorin gearbeitet. Sie war Konfliktbeauftragte der EKHN. Seit Februar 2014 ist sie Pfarrerin und Studienleiterin im Ev. Studienwerk in Villigst/Westfalen.
1
Vgl. Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (Hrsg.): Handreichung.
2
Kirchhoff, Lars: Konfliktmanagement – Von den Elementen zum System, Frankfurt (Oder) 2011, 17.
3
Z.B. durch eine Organisationsmediation. Vgl. dazu Kerntke, Wilfried: Mediation als Organisationsentwicklung, Bern, 22009.
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Konflikte können die Gemeinde beleben Der Gemeindekirchenrat hat die Verantwortung – auch für eine gelingende Kommunikation Bernd Neukirch
»Wer ist eigentlich für den Gottesdienst zuständig?« So oder so ähnlich werde ich sehr häufi g bei Zusammenkünften mit meist ehrenamtlichen Mitgliedern von Gemeindekirchenräten (GKR) gefragt. Ein gutes halbes Jahr nach den letzten Gemeindekirchenratswahlen in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) gibt es vielerorts Gesprächsbedarf. Dabei stehen die Fragen der GKR-Mitglieder zu eindeutigen Zuständigkeitsregelungen an erster Stelle. Diese sind mit vielen Geschichten verbunden: Da gibt es die zur Zusammenarbeit innerhalb des GKR, zwischen den Ehrenamtlichen und der Pfarrerin/dem Pfarrer oder zum Aufeinandertreffen verschiedener Ehrenamtskulturen. Und es gibt die zur Zusammenarbeit zwischen GKR als Leitungsorgan der Kirchengemeinde und in der Gemeindearbeit teilweise sehr dominanten Ehrenamtlichen. Beispiel 1: Konflikt ehrenamtlich und beruflich Mitarbeitender im GKR
Pfarrer A hat als Mitglied des GKR die Zuständigkeit für den Friedhof übernommen. Ein größeres Sanierungsvorhaben (Wege und Mauern) wird lange vorbereitet. Wenige Monate vor den geplanten Baumaßnahmen teilt er dem GKR mit, dass er während der Hauptbauphase in Studienurlaub gehen werde. Das ginge, da bis dahin mit örtlichen Baufirmen alles bestens abgesprochen werde. Am Ende kommen auf die Kirchengemeinde erhebliche Mehrkosten zu. Die nachträgliche Auseinandersetzung sprengt fast das Gremium. Beispiel 2: Verschiedene Ehrenamtskulturen
Frau B, von Beruf Bankkauffrau mit langjähriger Personalverantwortung, geht in den Ruhestand und
zieht von Westdeutschland in eine landschaftlich reizvolle Gegend Brandenburgs. Zeit ihres Lebens fühlte sie sich »der Kirche« verbunden. Jetzt im Ruhestand möchte sie sich aktiv in die Gemeinde einbringen. Sie bietet u. a. ihre kaufmännischen Fähigkeiten an, wird zur Wirtschafterin berufen und schließlich in den GKR gewählt. Hier regt sie wiederholt an, die weitere Entwicklung der Gemeinde planerisch in den Blick zu nehmen, anstelle »immer nur den Kirchdienst für die nächsten Wochen« zu organisieren. Frau B sieht keinen Erfolg, tritt zurück und stellt alles Engagement für die Kirchengemeinde ein. Beispiel 3: Konflikt des GKR mit einer leitenden Ehrenamtlichen in der Gemeindearbeit
Frau C leitet seit vielen Jahren die Eltern-KindGruppe. Der GKR hat in einem längeren Entwicklungsprozess, zu dem auch Frau C eingeladen war (die aber nicht mitwirken konnte), den Schwerpunkt für die Gemeindearbeit auf Familien festgelegt. In diesen Zusammenhang soll die Eltern-Kind-Gruppe stärker in das Konzept eingebunden werden. Mitglieder des GKR tragen das Anliegen an Frau C in mehreren Gesprächen heran. Frau C möchte aber ihre »Arbeit erfolgreich wie bisher« fortsetzen. Der GKR diskutiert kontrovers darüber, ob man eine (»verdiente«) Ehrenamtliche (»einfach so«) »entlassen« könne. Drei Konfliktlagen, drei konkrete Geschichten, die für viele andere stehen. Sie weisen neben inhaltlichen Unterschieden Gemeinsamkeiten auf: Es geht um unklare Verständigungsprozesse hinsichtlich der übernommenen Rollen, der persönlichen Erwartungen oder der konkreten Aufgaben.
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MIT KONFLIKTEN ARBEITEN
Wer darf denn nun was?
»Die Leitung der Kirchengemeinde obliegt dem Gemeindekirchenrat« (Art. 15 Abs. 1 Grundordnung der EKBO). So oder ähnlich ist der Auftrag für den Gemeindekirchenrat in den Landeskirchen sehr grundsätzlich benannt. Weitere Artikel/Paragrafen führen die Aufgaben aus. Außerdem wird – in den Landeskirchen unterschiedlich – differenziert zwischen Zuständigkeiten des GKR und der Pfarrerin/des Pfarrers. Ohne hier weiter in die Tiefen der landeskirchlichen Ordnungen einsteigen zu wollen, bleibt festzuhalten: GKR-Mitglieder haben einen umfassenden Leitungsauftrag, sie sind für ihre Kirchengemeinden verantwortlich. Das betrifft die inhaltliche Gemeindearbeit genauso wie die beruflich und ehrenamtlich Mitarbeitenden und die sachgemäße Bewirtschaftung von Gebäuden, Grundeigentum und Finanzen. Diesen Auftrag gilt es anzuerkennen und zu gestalten. So eindeutig der Auftrag beschrieben ist, so wenig sind die landeskirchlichen Ordnungen Kochbücher, aus denen GKR-Mitglieder sozusagen Rezepte für alle Themen ausdrucken können. Das landeskirchliche Recht setzt einen Rahmen, regelt Dienstrechts- und Aufsichtsfragen und organisiert Unterstützung z. B. durch Verwaltungsämter oder landes-, kreiskirchliche Einrichtungen. Der Rahmen muss vor Ort konkret und ausgerichtet an der jeweiligen Wirklichkeit angemessen gefüllt werden. Das braucht Verständigung und Vereinbarung zwischen den Beteiligten vor Ort. Gemeindekirchenrat und Pfarramt
Der Klärungsbedarf beginnt mit der Zusammenarbeit zwischen Ehrenamtlichen im GKR und der Pfarrerin/dem Pfarrer. Zusammen leiten sie geist-
lich die Kirchengemeinde. Aber was heißt das? Ehrenamtliche GKR-Mitglieder sind keine Assistenzkräfte für überlastete Pfarrerinnen und Pfarrer. Pfarrerinnen und Pfarrer sind andererseits keine Angestellten der Kirchengemeinde oder gar des GKR. Die Grundordnung der EKBO (GO) spricht von der »geschwisterlichen Gemeinschaft« und vom »gemeinsamen Einsatz von Gaben und Kräften« (Art. 29 Abs. 1 GO) und bezieht dies auf alle ehrenamtlich wie berufl ich in der Kirchengemeinde Mitarbeitenden. Für die konkrete Arbeit hilft das nur indirekt, weil die Rechtstexte einen allgemeinen Anspruch formulieren. Sorgfältig erarbeitet kann eine Dienstvereinbarung für Klarheit für die Beteiligten sorgen. Die Kommunikation darüber, dass Rollen- und Aufgabenklärung das Ziel einer Dienstvereinbarung ist, ist durch nichts zu ersetzen. Darüber hinaus macht eine örtliche Geschäftsordnung Sinn, in der die wesentlichen Verabredungen zur internen Organisation festgelegt werden. Gelingt eine solche Kommunikation, dann kann der weitere »gemeinsame Einsatz« zielführend arbeitsteilig – im Sinn von Kooperation auf Augenhöhe – erfolgen. Gemeindekirchenrat und Ehrenamtliche
Eine Dienstvereinbarung löst nicht das Problem der Verbindlichkeit von Ehrenamtlichen, denn beruflich Mitarbeitende haben einen Vertrag, den sie erfüllen müssen. Ehrenamtliche können ohne Rechtsfolgen ganz kurzfristig und selbstbestimmt aus dem Dienst ausscheiden (s. o.). Sie wollen möglicherweise aber auch Aufgaben übernehmen, denen sie nicht gewachsen sind. Oder sie wollen ihre Aufgaben so fortführen, wie sie das persönlich für richtig halten (siehe Beispiel 3), und fordern ausdrücklich
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dafür Wertschätzung ein. Dokumentierte Freiwilligenvereinbarungen können die Verantwortungsübergabe an Ehrenamtliche unterstützen. Sie halten die Fähigkeiten (können), Legitimation (dürfen) und Funktion (müssen) fest und werden nach einem festgelegten Zeitraum reflektiert. Zwei Voraussetzungen müssen erfüllt sein: Es gibt Zuständige für die Arbeit mit Ehrenamtlichen und die Kommunikation (auch im Sinn von Rechenschaft ablegen), sie erfolgt organisiert und nicht zufällig – oder erst in der Krise. Ehrenamt und Ehrenamt – die eine Wirklichkeit ist sehr verschieden
»Mein Großvater war schon Kirchenältester, meine Mutter auch. Die Aufgabe muss ja weitergemacht werden, deshalb bin ich seit 15 Jahren im GKR.« »In meiner Jugend habe ich tolle Zeltlager mit der Kirche gemacht. Seit drei Jahren bin ich bei der Tafel dabei. Jetzt gehe ich demnächst in Ruhestand und kann meine Fähigkeiten sinnvoll im GKR für die Gemeinde einbringen.« Diese beiden Aussagen von zwei in etwa gleichaltrigen GKR-Mitgliedern weisen auf sehr gegensätzliche Motivlagen hin, weswegen sich Menschen in der Kirchengemeinde engagieren. Auf der einen Seite übernehmen Menschen die Verantwortung aus ihrer familiären Tradition heraus und passen sich in die Aufgaben pflichtbewusst ein. Das geschieht so lange, bis sie persönlich für eine Nachfolge in ihrem Umfeld gesorgt haben. Auf der anderen Seite steht die persönliche Entscheidung im Vordergrund: Was macht für mich in meiner jetzigen Lebenslage Sinn? Was kann ich und möchte ich in die Gemeinde einbringen? Welche Aufgabe interessiert mich? Mit dem Wunsch nach transparenten Strukturen, nach Informationsteilhabe und Möglichkeiten zur aktiven Mitbestimmung treten diese Ehrenamtlichen eben auch in ihren Dienst als GKRMitglieder. In der Regel haben sie länger überlegt und sich innerlich zeitlich befristet. Stimmen die Anforderungen nicht mit den Erwartungen überein oder gelingt die Verständigung im GKR nicht so, dass es ein inneres Einverständnis zur Aufgabe gibt, treten diese Ehrenamtlichen zurück. Es passt nicht mehr für sie. Beide Kulturen finden sich in Gemeindekirchenräten (siehe Beispiel 2). Nicht immer verstehen sie sich. Während für die einen »alles klar« ist, wollen die anderen »immer über alles reden. Aber Kirchdienst machen die nur zweimal im Jahr«. Es gilt anzuerkennen, dass breit gefächerte Motivlagen zum Engagement im GKR führen. Auch hier hilft Kommunikation, sich z. B. den persönlichen Weg in den GKR zu erzählen und die mögliche Vielfalt der Perspektiven und Lebenserfahrungen als Schatz anzunehmen.
Konflikte sind normal
Zunächst ist ein Konflikt ein Hinweis auf verschiedene Sichtweisen oder voneinander abweichende Interessen. Unterschiede zwischen Menschen werden deutlich. Das ist ganz normal. Lasse ich das zu und überdecke ihn nicht mit Personalisierung (»X hat wohl heute einen schlechten Tag«) oder mit Harmonie (»Wir wollen doch alle das Gleiche«), dann wird Energie zum Handeln freigesetzt. Konfl ikte sind nicht das Problem, sondern vielmehr der ungeübte Umgang damit. Der kann zum Beispiel in Tabus bestehen: Pfarrerinnen/Pfarrer können nicht alles gleich gut. Darf das ausgesprochen werden? Langjährige Ehrenamtliche besetzen Funktionen, ohne sie noch füllen zu können. »Aber sie habe sich doch in schwierigen Zeiten so verdient gemacht!« Es gibt Vorhaben, die sich abgenutzt haben. Sie entfalten keine Wirkung mehr. Aber sie sind »das Lieblingskind« einer/eines Anderen. Wie kann das angesprochen werden? Werden Konfl ikte nicht zugelassen, wirken sie trotzdem. Nicht offen ausgetragene Meinungsverschiedenheiten, die u. U. langsam im Verborgenen anwachsen, führen zu Verbitterung und mehr. An der Bearbeitung führt kein Weg vorbei. Dafür braucht es Räume und Zeiten für Gespräche: für regelmäßiges Feedback, für Dienstbesprechungen, vielleicht auch für Ehrenamtlichentreffen oder für Kommunikationsfortbildungen. Ich höre schon mit meinem inneren Ohr: »Wie sollen wir das denn alles auch noch hinkriegen?« Nehmen Sie, was Ihnen in Ihren Zusammenhängen nützt. Vielleicht reicht es für Sie schon, wenn eine Person verantwortlich als Koordinatorin, die für die Ehrenamtlichen zuständig ist, u. a. das Konfliktpotenzial Ihrer Organisation wahrnimmt, beobachtet und entsprechende Maßnahmen organisiert.
Bernd Neukirch ist Studienleiter für Gemeindeberatung und Gemeindeentwicklung im Amt für kirchliche Dienste in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Berlin. Literatur Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.): 3. Freiwilligensurvey – Hauptbericht, Berlin 2003. Glasl, Friedrich: Konfliktmanagement, Bern 2009. Pohl, Dieter: Konflikte in der Kirche – kompetent und kreativ lösen, Neukirchen-Vluyn 2003. Schmidt, Eva Renate/ Berg, Hans Georg: Beraten mit Kontakt, Offenbach/Main 1995. Seidelmann, Stephan: Evangelische engagiert – Tendenz steigend, Hannover 2012.
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MIT KONFLIKTEN ARBEITEN
Was ist Mediation? Ein Interview mit Rainer Hartmann, Servicestelle für Konfliktmanagement, Krisenintervention und Mediation der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM)
Konflikte in der Kirche – da streitet man sich doch nicht! Oder doch? Wie kommt es zu Konflikten im kirchlichen Raum? Auch im kirchlichen Raum kommt es auf die gleiche Weise zu Konfl ikten wie es in anderen Bereichen geschieht. Das Besondere in christlichen Gemeinschaften hängt mit der ersten Frage zusammen. Unter sogenannten Schwestern und Brüdern im Glauben kann es doch keine Konflikte geben, dort darf doch kein Streit ausgetragen werden. Das ist zwar schon lange kein Satz mehr, der wirklich ausgesprochen wird, aber er steht irgendwie doch hinter dem Zusammenleben christlicher Gemeinden und Gemeinschaften. Deshalb werden Konfl ikte oft nicht als solche benannt oder lange auf ungeeignete Weise behandelt (verdrängt, unter den Teppich gekehrt oder versucht, auf einer scheinbar sachlichen Ebene zu lösen, wo Wut und Ärger keinen Platz haben). Konflikte werden mehr noch als in anderen Institutionen nur als störend empfunden und dabei wird ihr kreatives Potenzial ganz unterschätzt. So ist es nur folgerichtig, dass die Servicestelle Konfliktmanagement vorwiegend zu hoch eskalierten Konflikten gerufen wird – »dorthin, wo unter dem Tisch oder unter der Decke eben kein Platz mehr ist.« Welche Hintergründe von Konflikten im kirchlichen Kontext gibt es? Strukturveränderungen im Pfarrbereich, Zusammenlegungen von Gemeinden, Überforderung von einzelnen Mitarbeitern … Der Bereich, für den und in dem gearbeitet wird, erweitert sich fortlaufend. Die Art darauf zu reagieren aber verändert sich
nicht in gleicher Weise. Es wird versucht, immer mehr zu arbeiten als bisher, statt die Konzeption radikal zu verändern. Wo aber doch versucht wird, die Konzeption zu verändern, entstehen auch Konflikte, da nicht alle die gleiche Bereitschaft und Voraussetzung haben, sich auf diese Veränderung einzulassen. Aus unübersichtlichen Zuständigkeiten im Arbeitsbereich entsteht Überforderung auf der einen und Resignation auf der anderen Seite. Manchmal ist es auch die Chemie, die nicht stimmt oder oft auch nur nicht zu stimmen scheint und sich nach Vermittlung aufeinander einstellen kann. Was kann man sich unter der Methode der Mediation vorstellen? Es ist vielleicht mehr eine Haltung als eine Methode. Es gibt da ein relativ standardisiertes Herangehen. Viel entscheidender für mich aber ist die Haltung, die dahintersteht: Als Mediator gehe ich mit einer allparteilichen Haltung in eine Vermittlungssituation. Das ist etwas anderes als Neutralität, bei der man sich herauszuhalten versucht. Allparteilichkeit bezeichnet eine Haltung, mit der ich versuche, die Partei von allen zu ergreifen und auf diese Weise Anwalt aller Konfliktbeteiligten zu sein. Diese Haltung wird möglich, wenn ich auf die Schuldfrage verzichte und mich mehr daran orientiere, wie der Konflikt funktioniert und was an Bedürfnissen und Interessen bei den einzelnen Beteiligten dahintersteht. Wenn es dem Mediator gelingt, zusammen mit den Konfl iktparteien dorthin zu kommen, wo die eigentlichen Interessen und Verletzungen liegen,
© Peter Hebgen - pixelio
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dann steht man kurz vor einer Einigung. Aber bis dahin ist es oft ein anstrengender Weg. In der Regel gibt es einen großen Pool gemeinsamer Interessen, die es zu entdecken gilt und die sich gut verwirklichen lassen mit neuen gemeinsamen oder sich nicht gegenseitig behindernden Strategien. Über den Rest an unterschiedlichen Interessen lässt es sich dann leicht einigen. Wie funktioniert Mediation und welche Arbeitsweise hat sie? In der Regel bekommen beide Parteien (manchmal sind es auch mehr als zwei Parteien) die Möglichkeit, ihre Sicht der Dinge darzulegen, indem sie diese den Mediatoren erzählen. Die eine Seite beginnt. Die andere Partei ist dann noch nicht angesprochen, sondern hört nur von der Seite aus zu. Es ist quasi ein Gespräch zwischen den Mediatoren und jeweils einer Partei, bei dem die andere Partei nur zuhört und sich eventuell Notizen macht, aber nichts zum Gespräch beitragen darf. Dann kommt die andere Partei ins Gespräch mit den Mediatoren. Nun darf die erste Partei dem Gespräch nur schweigend zuhören. Bei dieser ersten halben Stunde versuchen die Mediatoren, jeweils die Anliegen der Parteien wirklich zu verstehen und dies durch Fragen und Wiederholen mit eigenen Worten auch zu zeigen. Beide Seiten sollten sich nach dieser ersten Phase der Mediation von den Mediatoren wirklich verstanden fühlen. Dabei kommt nun ein anscheinend paradoxer Effekt zur Wirkung: Jede Partei muss erleben, wie sie von den Mediatoren verstanden wird, die auch diejenigen verstehen, von denen sie sich nun eben
gerade nicht verstanden fühlen, die ihre Gegner im Konflikt sind. Es entsteht ein Konfliktdilemma für die Parteien, das zumindest eine Desorientierung erzeugt und manchmal auch schon erste Schritte in Richtung einer Umorientierung ermöglicht. In den nun folgenden jeweiligen Reaktionen der Parteien aufeinander werden immer noch die Mediatoren angesprochen, damit es zu keinen direkten Angriffen kommen kann. Jeder hört die Angriffe des anderen sozusagen von der Seite her. Und die Mediatoren reagieren so darauf, dass diese aus direkten Angriffen zu Äußerungen über Interessen und Verletzungen werden. Das ist eine sehr sensible und für alle anspruchsvolle Phase, die sich über mehrere Sitzungen hinziehen kann. Es ist sozusagen die Hauptphase der Mediation. Zwischen den Sitzungen (ich gehe in der Regel von drei Sitzungen von jeweils zwei Stunden Dauer aus) bekommen die Parteien oft Beobachtungsaufgaben, die ihnen helfen sollen, aus der Welt des Konflikts erste Schritte in eine Lösungswelt zu gehen. Was muss man tun, um einen Mediationsprozess in Gang zu setzen? Man sollte sich mit einer Mediatorin oder einem Mediator in Verbindung setzen und dabei besprechen, ob Mediation für den vorliegenden Konfl ikt geeignet ist. Dies tut in der Regel erst mal eine der Konfliktparteien. Welche Voraussetzungen und Vorbereitungen sind nötig? Voraussetzung für eine Mediation ist natürlich, dass alle bereit sind, an einen Tisch zu kommen. Es gehört für mich allerdings schon zur Mediation dazu,
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Die Servicestelle Konfliktmanagement – Krisenintervention-Mediation ist ein Projekt der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Sie ist ausgestattet mit einem Pfarrer, unser Interviewpartner, der zugleich Mediator und Supervisor ist und umfangreiche und vielfältige Erfahrungen mit Krisenintervention hat. Die Anfragen an die Servicestelle kommen aus Kirchengemeinden, kirchlichen Werken und Einrichtungen, wie der Diakonie, und verschiedenen außerkirchlichen Bereichen. Die Konflikte, um die es geht, betreffen einzelne Angestellte oder ehrenamtliche Mitarbeiter bis hin zu Gemeinden und großen Teams. Im Wesentlichen werden die Anfragen von Pfarrer Hartmann selber bearbeitet. Im Bedarfsfalle werden externe Mediatoren und Supervisoren hinzugezogen oder es wird an sie verwiesen.
dabei im Hintergrund behilfl ich zu sein, mit den Mediatoren zu sprechen, wie es gelingen kann, alle an den Tisch zu bekommen. Auch wer alles zu einer Mediation dazugehört, sollte im Vorfeld von allen Parteien mit den Mediatoren besprochen werden. Ansonsten bedarf es keiner Vorbereitung. Es ist sogar gut, wenn die Mediatoren im Vorfeld nicht zu viele Einzelheiten von den Konfl iktparteien erfahren haben. So kann sich alles in Anwesenheit aller zeigen und die Dynamik bekommt so ihren charakteristischen Verlauf. Wenn alle dann aber mit einem gewissen Zutrauen zu den Mediatoren am Tisch sitzen, ist ein wichtiger Schritt schon geschehen. Ist Mediation auch zwischen Mitarbeitern unterschiedlicher Hierarchieebenen möglich? Ja, das kommt sogar in dem Bereich, für den ich zuständig bin, häufig vor. Dabei muss allen klar gemacht werden, dass die Vorgesetzten für die Zeit der Sitzung aus ihrer Rolle als Leiter und Leiterinnen aussteigen und die Gesprächsführung ganz den Mediatoren überlassen. Allerdings müssen diese nach der Sitzung bzw. nach der Mediation wieder voll in ihre Rolle einsteigen und auch aus ihr heraus handeln. Welche Erfahrungen gibt es, wenn eine Mediation zu Ende geht? Wie geht es weiter? Am Ende der Mediation stehen in der Regel Vereinbarungen, denen alle Seiten zustimmen können, weil sie auch für alle einen Gewinn darstellen. Die entstandene Lösung kann die Beziehung zueinander betreffen oder Handlungsweisen oder aber auch materielle oder strukturelle Einigungen. Es kann aber auch vereinbart werden, in welcher Weise es eine Abgrenzung oder Trennung geben soll. Die Parteien können sich auch darüber einigen, ob es einen späteren Termin mit den Mediatoren geben soll (etwa in einem halben Jahr), an dem gesichtet wird, wie die Vereinbarungen funktioniert haben und wie eventuell nachgebessert werden muss.
Mit welchen Kosten ist zu rechnen? Die Servicestelle Mediation im Gemeindedienst der EKM berechnet 120 Euro für eine Sitzung von zwei Stunden plus eine Fahrtkostenpauschale von 40 Euro. Und wie ist die Erfolgsquote? Ganz ohne Erfolg bleiben eigentlich nur die Mediationen, die vorzeitig beendet werden, dazu hat jede Partei jederzeit das Recht und muss mir gegenüber dafür auch keine Erklärung abgeben. Ansonsten zähle ich es auch als Erfolg, wenn eine geregelte Trennung das Ergebnis ist, mit dem beide Seiten Möglichkeiten gefunden haben zu leben, und in deren Ergebnis nicht zusätzliche Schäden im System bleiben oder entstehen. Insofern kann ich von einer sehr hohen Erfolgsquote sprechen. Wer kann denn Mediation ausüben? Kann das einfach jeder lernen? Mittlerweise gibt es sehr viele Möglichkeiten, sich zum Mediator ausbilden zu lassen, und es gibt da auch fortgeschrittene Standardisierungen der großen Mediationsverbände. Ich selber halte es für wichtig, dass in diesen Ausbildungen, die sich oft über ein Jahr und mindestens 200 Stunden erstrecken, möglichst viel Praxisanteil ist, bei dem man sich selber übt und ausprobiert. Es ist eine berufsbegleitende Ausbildung. Das kann fast jeder lernen und es ist auch ein Gewinn für die alltägliche Arbeit in vielen Bereichen, selbst wenn man nicht im eigentlichen Sinne Mediationen leitet. Die mediatorische Haltung erweitert den Horizont und den Spielraum gewaltig.
Kontakt: Rainer Hartmann, Tel.: 036202 771793, rainer.hartmann@ekmd.de, www.gemeindedienst-ekm.de/konfliktmanagement/
Die Fragen stellte Dorothee Schneider.
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Konflikte in der Bibel Rezeption biblischer Texte für den Umgang mit Konflikten heute Renate Kirchhoff
Wer nach Konflikten in der Bibel fragt, hat in der Regel das Interesse, unter Bezug auf biblische Texte den gegenwärtigen Umgang mit Konflikten zu gestalten. Deshalb setzen die folgenden Ausführungen einen Schwerpunkt auf hermeneutisch-methodische Aspekte des Themas und bieten ausgehend von zwei biblischen Texten Beispiele für die Rezeption von biblischen Konfliktgeschichten. Konflikte begegnen auf unterschiedlichen Ebenen der biblischen Texte: Ein Konflikt
kann erzählt werden und/oder ein Text kann auf eine Konfliktsituation im Trägerkreis reagieren. Letzteres ist nicht notwendig damit verbunden, dass der Text den betreffenden Konflikt auch erzählt. Sowohl erzählerische als auch argumentative Texte können zudem von Konflikten handeln oder auf Konflikte im Trägerkreis reagieren, ohne dass ein Wort der griechischen oder hebräischen Wortstämme gebraucht wird, die mit »Streit«1 ins Deutsche übertragen werden.
Konflikt perspektivisch und kontextuell Eine Rückfrage nach Konfl ikten in der Bibel, die in der Welt der Lesenden wurzelt, setzt eine Defi nition dessen voraus, was heute als Konfl ikt verstanden werden soll. Aus den unterschiedlichen Defi nitionen 2 des Wortes nutzt dieser Beitrag eine solche, die die Perspektivität der Bewertung einer Relation als Konflikt betont. Denn die folgenden hermeneutischen und methodischen Ausführungen gehen da-
von aus, dass Verstehen ein kontextueller und perspektivischer Konstruktionsprozess ist, so dass sowohl die Identifikation eines Konfliktes in einem heutigen Kontext wie auch die Rekonstruktion von Konflikten auf den Ebenen des Textes davon betroffen sind. »Als Konflikt gelten solche Interessen, die aus einer Beobachterperspektive rekonstruiert und als in Relationen konkurrierend und/oder widersprechend bestimmt werden.«3 Dass die Bewertung einer Relation als Konflikt eine Bewertungsleistung
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des Betrachters bzw. der Betrachterin ist, bedeutet, dass ein Konfl ikt sich nicht aus dem Vorhandensein bestimmter objektiver Merkmale der Beteiligten – etwa unterschiedlicher fi nanzieller Ressourcen – automatisch ergibt, sondern erst dann, wenn die Beteiligten den Unterschied so bewerten, dass er für konkurrierende bzw. einander widerstreitende Interessen relevant wird. Das ist für die Rezeption der biblischen Texte zur Gestaltung heutiger Konfliktsituationen wichtig, weil eine Reihe von biblischen Texten mit der Bewertung des Gegenstands des Konfl ikts und/oder der Strategien zur Durchsetzung von Interessen arbeiten. Diese Bewertungen erfolgen durch die Bezugnahme auf Traditionen, die die Verfasser der Texte mit ihren Adressaten teilen, und die nach dem Selbstverständnis der Beteiligten ihr Handeln orientieren. Zielt der Text auf eine Änderung von Bewertungen und Verhalten bei den Lesern des Textes, so ist davon auszugehen, dass sich diese Änderung für die Adressaten nicht selbstverständlich aus der Rezeption der Tradition ergibt. Es kann sogar sein, dass ein Verfasser in der Zielgruppe einen Konflikt herstellt, den sie ohne ihn gar nicht hätte. Also sind bereits die biblischen Texte perspektivisch und kontextuell.4 Legitime und nicht legitime Konflikte Es gibt biblische Texte, die legitime Konfl ikte beschreiben, und solche, die nicht legitime Konf likte beschreiben. 5 Beschreiben sie einen legitimen Konfl ikt, bewerten sie auf der Erzählebene das Interesse an und die Konkurrenz um ein Gut als positiv, und/oder sie bewerten die Strategie, mit der die Konkurrenz ausgetragen wird, als positiv. Die Thematisierung von nicht legitimen Konflikten zielt dabei darauf ab, auf Normen zu verpflichten, deren Anerkennung zur Vermeidung dieser Konflikte oder der Konfliktstrategie führen. »Die als Herrscher gelten …« Mk 10,35–45 ist ein Beispiel für die Erzählung eines legitimen Konflikts, weil Jesus als autorisierter Schlichter nicht das Interesse an Gestaltungsmacht diffamiert, sondern die Kriterien für Konkurrenz bestimmt (Mk 10,43).6 Auf der Erzählebene bitten Jakobus und Johannes Jesus um die Zusicherung, im künfti-
gen Reich richten und herrschen zu dürfen. Sie begründen dieses Ansinnen mit dem Verweis auf ihre Bereitschaft zum Martyrium,7 das sie als eine bessere Form der Nachahmung Jesu bewerten als andere Arten, Jesus im übertragenen Sinne nachzufolgen, und das aus diesem Grund mit besonderer Gestaltungsmacht belohnt werden sollte. Diesem Interesse widersprechen die anderen Schüler (Mk 10,41). Der Text thematisiert einen Konflikt um die Kriterien für die Gestaltungs- und Leitungsfunktion und kritisiert diejenige Gruppe, die aufgrund der eigenen Nähe zu den Zebeda iden bzw. ihrer Leidensbereitschaft einen Anspruch auf hervorgehobene Gestaltungsmacht einklagt. Den Konfl ikt löst auf der Erzählebene Jesus, und zwar in zwei Etappen. Zunächst widerlegt er die Vorstellung, dass Leidensbereitschaft für Gestaltungsmacht prädestiniere (V. 38– 40), und qualifi ziert damit die Strategie der Zebedaiden als unwirksam. Danach greift er das Interesse an Gestaltungsmacht positiv auf, definiert jedoch die Kriterien, die für Leitung qualifizieren, anders als Jakobus und Johannes und betont in Abgrenzung von den römischen Machthabern: »Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken, und die Mächtigen ihre Macht missbrauchen. So soll es bei euch nicht sein!« (V. 42 f.). Für Leitung qualifiziert sich, wer wirksam für das Wohlergehen der ihm Anvertrauten sorgt und die mit Leitung verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten nicht zu eigenen Gunsten (und zu Lasten der anderen) einsetzt: »Wer unter euch groß sein will, soll euer Diener sein; und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein« (43 f.). Dieses Kriterium qualifiziert der markinische Jesus als angemessene Form der Nachahmung des Programms Jesu, das seinem Leben8 abzulesen ist (V. 45). Mit diesem Text lassen sich heute a) Kriterien für eine gute Leitung thematisieren, es lassen sich b) die notwendigen Preise, die gute Leitungspersonen und -gremien zu zahlen bereit sein müssen, theologisch interpretieren und c) lassen sich diese abgrenzen von solchen Preisen, die um ihrer selbst willen und also als Leidensgabe erbracht werden. Zudem lässt sich mit dem Text d) das Austragen von Konflikten als Instrument der Qualitätsentwicklung als typisch christlich aufwerten.9
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»So etwas tut man nicht …« 2Sam 13 ist ein Beispiel für die Erzählung eines nicht legitimen Konflikts. Die Erzählung von der Vergewaltigung Tamars durch Amnon (2Sam 13) beschreibt auf beklemmend eindrückliche Weise einen asymmetrischen Interessenkonfl ikt zwischen Amnon (und weiteren Männern seiner Sippe) einerseits und Tamar andererseits. Die Erzählung qualifiziert den Konfl ikt als nicht legitim, insofern Tamar die Erinnerung an die in Israel gültigen Normen ausspricht: »Nicht doch mein Bruder! Vergewaltige mich nicht! So etwas tut man nicht in Israel. Begeh nicht diese Untat!« (V. 12). Diese Bewertung Tamars wird durch den Tod Amnons bestätigt, da dieser als Parteinahme Gottes interpretiert ist (V. 32). Aufgrund der Tatsache, dass die Beschreibung Tamars dem Blick des Täters folgt, regt der Text die Lesenden zur Identifi kation mit dem Täter an, während der zitierte Verweis Tamars auf die israelitische Ethik die Zustimmung der Rezipienten provoziert.10 Diese Leseführung führt zur Disqualifikation der Vergewaltigung an sich und insbesondere als Strategie des Machtanspruchs im Kontext der Konkurrenz um das Königtum.11 Mit diesem Text lassen sich heute a) Sympathien für die Täterperspektive bei Menschen thematisieren, die Gewaltsituationen wahrnehmen, b) gesellschaftlich akzeptierte Macht- und Täterstrategien aufdecken und negativ bewerten und c) die Traumatisierung von Menschen mit Erfahrung sexualisierter Gewalt durch das Ausbleiben gesellschaftlicher Solidarität analysieren und bewerten. Letzteres ist möglich, auch wenn heute die körperliche Unversehrtheit von Frauen in Europa gesellschaftlich als ein höheres Gut gilt, als dies für den Text und seine antiken Rezeptionen vorausgesetzt werden kann. 1
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Das Wort ›Konflikt‹ kommt in der Luther-, Zürcher- und der Einheitsübersetzung nicht vor. »Streit« ist in diesen Übersetzungen die Übertragung von verschiedenen hebräischen bzw. griechischen Wörtern ins Deutsche, die kontextspezifisch unterschiedliche Aspekte betonen, vgl. z.B. etwa »rib« in Prov 20,3 und »patar« in Spr 14,14 oder »eris« in Gal 5,20 und »stasis« in Apg 23,7. Vgl. etwa Thorsten Bonacker (Hrsg.): Sozialwissenschaftliche Konflikttheorien. Eine Einführung, Friedens- und Konfliktforschung 5, Wiesbaden 42008, bes. 33–98. Mit dieser Definition betont Kraus die Beobachterperspektive und verdeutlicht, dass Unterschiede weder notwendige noch hinreichende Voraussetzungen von Konflikten sind, sondern Konkurrenz und/oder Widerspruch hinzukommen muss; s. Kraus, Björn (2014): Macht und Ohnmacht in Konflikten – Zur Reflexion der Durchsetzungspotentiale, konfliktDynamik. Verhandeln, Vermitteln und Führen in Organisationen (im Druck). Wenn wir in der Kommunikation, die uns im Text vorliegt, eine Beobachterperspektive im Sinne von Kraus vorliegen haben, dann sind die Exegeten Beobachter zweiter Ordnung: Wir analysieren die perspektivische Beschreibung eines Konflikts unter den anfänglichen Rezipienten des Textes. Mit dieser Definition knüpfe ich an die Definition von legitimen und nicht legitimen Konflikten an, die Thorsten Bonacker und Peter Imbusch in: Zentrale Begriffe der Friedens- und Konfliktforschung: Konflikt, Gewalt, Krieg, Frieden, in: Peter Imbusch, Ralf Zoll (Hrsg.), Friedens- und Konfliktforschung. Eine Einführung, Wiesbaden 42006, 67–80.72f. vorgelegt haben.
Mit dem Text lassen sich d) Kriterien für die Bewertung von Strategien zum Erwerb von Gestaltungsmacht entwickeln. Diese Rezeptionsmöglichkeiten knüpfen an die Beurteilung des erzählten Konflikts als nicht legitim an, indem sie analogen Konstellationen wertend begegnen. Dabei ist bereits das Auffinden von analogen Konstellationen in heutigen Kontexten ein perspektivischer Vorgang. Die Rezeption des Textes fördert damit einen wertenden perspektivischen Zugang zur heutigen Wirklichkeit. Viele biblische Texte lassen sich als Konfl ikttexte lesen. Ihre Bewertungen des Verhaltens der Konfliktparteien sowie der Ziele ihrer Konkurrenz lassen sich nutzen, um heutige Konflikte zu analysieren und zu bewerten. Der transparent gestaltete Bezug auf die Texte ist geeignet, sich mit den Zielgruppen über ihr religiös-soziales Selbstverständnis und ihre Werte zu verständigen, die die Gestaltung der jeweiligen Relation prägen sollen.
Dr. Renate Kirchhoff ist Professorin für Neues Testament und Diakoniewissenschaften sowie Dekanin des Fachbereichs II Theologische Bildungs- und Diakoniewissenschaft an der Evangelischen Hochschule Freiburg.
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Zur Exegese ausführlich s. Renate Kirchhoff: »So soll es bei euch nicht sein!« (Mk 10,43a) Vom Konflikt als einem Strukturprinzip christlichen Miteinanders, in: Dies (u. a.): Christologie im Lebensbezug, Göttingen 2005, 58–87.
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Der Zebedaide Jakobus ist ca. 41 n. Chr. von Herodes Agrippa I. mit dem Schwert hingerichtet worden (Apg 12,2; Flav.Jos. Ant. 20.197–203); Johannes ist nicht hingerichtet worden, vgl. Gal 2,9.
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Nach meiner Interpretation steht hier nicht der Tod im Zentrum der Deutung, sondern – typisch für einen ›Ich-bin-gekommen-Satz‹ – das Programm der Lebensführung; im Einzelnen s. Kirchhoff (2005), 72–76.
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»Typisch christlich« meint ein inklusives, kein exklusives Merkmal christlicher Gruppen und Systeme.
10 Vgl. Ilse Müllner (2007): Die Samuelbücher, in: Luise Schottroff u.a. (Hrsg.): Kompendium feministische Bibelauslegung, Gütersloh 2007, 114–129.122. Zur Interpretation grundlegend: Ilse Müllner, Gewalt im Hause Davids. Die Erzählung von Tamar und Amnon (2. Sam. 13,1–22), Freiburg i. Br. 1997. 11 Müllner, Samuelbücher, 121–124.
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Konflikte gehören zur evangelischen Theologie wie die Butter zum Brot. Denn die Theologie ist eine hermeneutische Wissenschaft, sie sucht zu verstehen und somit zu deuten, was über das Leben, die Welt und Gott aus Sicht des Christentums zu sagen ist. Von Beginn an sind diese Deutungen aber nicht eindeutig, sondern plural und damit immer auch konfliktbehaftet. Die Konflikte um die rechte Deutung, die nicht selten auch Deutungsmachtkonflikte sind, können sich auf Fragen und Themen beziehen, die theologisch auf den ersten Blick
einfach erscheinen, wie die Bedeutung der Auferstehung für unsere Rede vom Tod, oder kompliziert, wie die Trinität. Zu den am meisten und dabei zugleich am wenigsten geklärten Fragen der theologischen Tradition gehört das sogenannte Theodizee-Problem, also die Frage nach dem Ursprung des Bösen und seiner Wirkmächtigkeit in der Welt angesichts der Vorstellung eines allmächtigen Schöpfergottes, der zugleich als grundgütiger, guter, liebender Gott gedacht wird. Wie wird in der Theologie mit diesem Konflikt umgegangen?
DIE DUNKLEN SEITEN DES LIEBEN GOTTES? Theologische Konfliktbewältigung angesichts des Bösen in der Welt Lars Charbonnier
Betrachtet man das breite Feld der Auseinandersetzung mit dieser Frage nach den dunklen Seiten des »lieben« Gottes, lassen sich m. E. drei Charakteristika deutlich erkennen, die mit den verbreiteten Methoden des Konfliktmanagements so beschrieben werden können: 1. Der Konflikt wird anerkannt und nicht geleugnet. 2. Der Konfl ikt wird nicht durch Klärung seiner Ursachen aufgelöst, sondern es wird nach einer Möglichkeit des Umgangs mit ihm gesucht. 3. Wirklich befriedigende Lösungen sind schwer und im Grunde noch nicht gefunden, vielleicht sogar nicht zu finden. Zwei Beispiele mögen dies verdeutlichen:
BEISPIEL: MARTIN LUTHER Für den Protestantismus ist Martin Luther (1483–1546) für die Beschreibung und damit Anerkennung des Konfl ikts prägend geworden: Luther unterscheidet in der Auseinandersetzung mit der Frage nach der Möglichkeit, Gott zu erkennen, bekanntlich zwischen dem Deus absconditus, dem verborgenen Gott, und dem Deus revelatus, dem offenbaren Gott. Häufig versteht er unter der Verborgenheit Gottes, dass Gott dort offenbar, also erkennbar wird, wo die menschliche Erfahrung es gerade nicht vermuten würde, allem voran am Kreuz. Er greift aber auch solche Erfahrungen auf, die reli-
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gionsgeschichtlich als das Tremendum, als Gottesfurcht beschrieben wurden. In diesen Erfahrungen erscheint Gottes Wirken angesichts von Leid, Gewalt und Tod als seinem angenommenen Wesen widersprüchlich und doch von ihm gewirkt. Luther verfolgt mit seiner Antwort zwei Interessen: Er möchte zum einen an der Souveränität Gottes theologisch festhalten und zum anderen seelsorgerlich einen Umgang mit diesen Erfahrungen anbieten. Sein theologisches Interesse wird etwa in seiner Schrift De servo arbitrio deutlich, wo er 1525 schreibt: »Der in seiner Majestät verborgene Gott beklagt weder den Tod, noch hebt er ihn auf, sondern wirkt Leben, Tod und alles in allem. Denn da hat er sich nicht durch sein Wort in Grenzen eingeschlossen, sondern hat die Freiheit seiner selbst über alles behalten«1. Gott ist für Luther kein grundsätzlich Unberechenbarer, er leugnet aber auch nicht das Problem. Zum Umgang damit macht er sein seelsorgerliches Anliegen stark: Luther empfiehlt die Flucht unter das Kreuz. Dort ist das Vertrauen darauf zu finden, dass Gott sich – unabhängig davon, ob er dunkle Seiten hat oder nicht – als Liebe offenbart und diese Macht den Sinn angesichts alles Sinnlosen garantiert. Luther löst also den Konflikt nicht rein theologisch, sondern seelsorgerlich-existenziell. Diese Lösung Luthers hatte von Beginn an ihre Ausblendungen, denn man kann sich z. B. fragen, ob der Gott Luthers damit nicht schon fast schizoide Züge annimmt, scheint er doch selbst ständig mit einem inneren Kampf um die Hoheit des Guten beschäftigt. Spätestens angesichts der Ereignisse im 20. Jahrhundert wurde die Auseinandersetzung mit der Macht des Bösen im Zusammenhang des Gottesbegriffs wieder intensiv gesucht. BEISPIEL: KARL BARTH Karl Barth (1886–1968) beschäftigte sich mit dieser Frage im Rahmen der Erwählungslehre und verfolgte dabei das Ziel, eine systematisch-theologisch konsistente, d. h. widerspruchsfreie christologisch basierte Rede von Gott zu konzipieren. Er hielt fest: »Dass Gott Gott ist in seinem Wesen als der in Freiheit Liebende, das wird als ein uns zugewandtes Gutes offenbar in der der Wahrheit dieses seines Wesens zugeordneten Tatsache, dass Gott in seiner Gnade wählt, dass er sich dem Menschen zuwendet, indem er handelt in jenem Bunde mit dem einen Jesus von Nazareth und dem von ihm vertretenen Menschenvolk. Alle Freude, alle Wohltat dieses ganzen Werkes als Schöpfer, Versöhner und Erlöser, alles göttlich Gute und damit wirklich Gute, die ganze Verheißung des explizierten Evangeliums ist darin begründet und beschlossen, dass Gott der Gott der ewigen Wahl seiner Gnade ist. Vom Licht dieser Wahl her wird das Ganze des Evangeliums Licht. Indem hier Ja gesagt wird, sind alle Gottesverheißungen Ja und Amen.«2 Barth zufolge hat Gott von Beginn an das Böse nicht gewollt. Er kann also nicht Verursacher des Bösen sein. Und nun kommt der philosophisch-theologische Clou: Es steht für Barth außer Frage, dass alles Wirkliche seinen Ursprung in Gott haben muss. Deshalb folgert er, dass das Böse nicht wirklich seiend ist. Was es gibt, sind Bezeichnungen dessen, aber keine tatsächlich existierenden Größen, sondern im Grunde Täuschungen. Da es das Böse eigentlich nicht gibt, muss also auch nicht nach seinem Ursprung gefragt werden. Und hier greift die
christologische Pointe, denn für Barth hat sich auf Golgatha das Böse als nichtig erwiesen, da hier das Jüngste Gericht über Sünde, Gewalt und Tod vollzogen wurde. Göttliche Macht, das ist zu folgern, ist also nur die, die als Liebe identifizierbar ist. So der sehr theoretische Ansatz Barths, an dessen Ende ein seelsorgerliches Interesse kaum ernsthaft zu identifizieren ist. Wer Unrecht und Leid erfährt, wird kaum damit einen Umgang finden, es letztendlich als Täuschung zu verstehen – zumindest, wenn er oder sie nicht Theologin bzw. Theologe ist. Auf der Erfahrungsebene bleibt der Konflikt also bestehen. FRAGE NACH GOTT NEU STELLEN Angesichts des Bedeutungsverlustes von Kirche und Theologie für das alltägliche Leben der Menschen, der seit Jahrzehnten in unserem Land konstatiert wird, müsste gerade die Gottesfrage eigentlich wieder ins Zentrum der Betrachtung rücken: Wie kann überhaupt noch von der Macht Gottes, geschweige denn seiner Allmacht die Rede sein, wenn der christliche Glaube so in der Minderheit ist? Eine Jenseitsvertröstung in Sondergruppensemantik kann kaum das Ideal einer Gemeinschaft sein, die ihren Gott als Schöpfer der Welt feiert und die Macht der Liebe anbetet. Oder geben wir den 2000 Jahre prägenden Eurozentrismus der Theologie auf, sehen von unserer Lage des Christentums ab hin in die Regionen, in denen dieses wächst und im Leben der Menschen Kräfte entfaltet, die bei uns eher wunderlich klingen? Erfreuen wir uns also daran, dass Gottes Geist wirkt, wo er will, und jetzt ist eben mal Afrika dran? So nötig vielleicht gerade auch in der Theologie eine kritische Reflexion oder gar ein Abschied vom eurozentristischen Denken ist – die Aporien im Blick auf die Frage nach der Macht Gottes angesichts des Bösen in der Welt werden dadurch wohl letztendlich nicht kleiner. Lassen wir also die Frage am Ende offen und fördern damit auch theologisch die Ambiguitätstoleranz, wie es am Ende vieler unlösbarer Konflikte geraten ist: Wir akzeptieren, dass es diesen Konfl ikt gibt, und lernen, mit ihm zu leben, ohne überhaupt eine Lösung anzustreben? Oder ist es letztendlich doch nötig, den Konflikt bei der Wurzel zu packen und über unseren Gottesbegriff angesichts von Konstruktivismus und Pluralismus noch einmal ganz neu nachzudenken?
Dr. Lars Charbonnier ist Theologischer Dozent an der Führungsakademie für Kirche und Diakonie in Berlin und Mitglied der Redaktion der PGP.
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Martin Luther, Vom unfreien Willen, in: WA 18,685, 18f.
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Karl Barth, Kirchliche Dogmatik, Band II,2, Zürich 1948, 12f.
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THEOLOGISCHE EINBLICKE enen Thron; er hat einen du alles. Mister Gott sitzt auf einem gold Wenn du ein Kind bist, dann verstehst f. […] Und Mister Gott rbart und eine Krone hat er auf dem Kop langen weißen Bart und einen Schnur n später, dann denkt genug darum bittet. […] Und ‹n bissche macht einfach alles, wenn man bloß nett n kommt es einem t ist immer schwieriger zu verstehen. Dan man ganz was anderes, und Mister Got edingt sieht es plötzlich nicht ein, dass man unb Er . will n tehe vers r meh t nich uns er plötzlich vor, als wenn teht man ihn schon viel kriegt man auch keins. Und dann vers ein neues Fahrrad braucht. Und dann er. Und dabei wird er […] dann ist es schon wieder schwierig weniger. Und wenn man noch älter wird ihm ab. (Fynn, 1980, 79) in deinem Leben bröckeln da Stücke von irgendwie kleiner. […] Die ganze Zeit
Wenn Gott zu bröckeln beginnt … Konflikte in der Glaubensentwicklung am Beispiel des Konflikts zwischen Schöpfungsglauben und naturwissenschaftlichen Weltentstehungstheorien Anika Tobaben
Die bleibende Aktualität der Einbruchstellen des Glaubens In einfachen Worten drückt die literarische Figur der sechsjährigen Anna eine tiefgreifende religionsbiografische Erfahrung aus: Der Gott der jüdisch-christlichen Bibel ist kein Gott, der einfach mitwächst; er erweist sich mit zunehmendem Alter als eine besondere Herausforderung des Denkens. Wenn Gott zu bröckeln beginnt, hat das meist mit folgenden Anfragen zu tun, die Karl Ernst Nipkow als »Einbruchstellen des Glaubens« beschrieben hat (Nipkow 1987): Erweist sich Gott als Helfer und Garant des Guten? Wie ist der Glaube an einen liebenden und helfenden Gott mit Leiderfahrungen zu vereinbaren? Wie verhält sich Gott zu der Frage nach dem Anfang und dem Ende der Welt bzw. des Lebens? Ist die Welt als Schöpfung zu denken, und wenn ja, wie ist sie als Schöpfung zu denken? Ist Gott letztlich bloß ein Wort und Symbol? Wie steht es um die Fiktivität bzw. Realität Gottes und religiöser Vorstellungen? Wie glaubwürdig ist der Gottesglaube in der Kirche bzw. bei relevanten Mitmenschen verbürgt? Als ein zentrales Spannungsfeld in der Glaubensentwicklung junger Menschen steht im Folgenden die Frage der Vermittlung zwischen Schöpfungsglauben und naturwissenschaftlichen Welterklärungen im Fokus.
Schöpfung vs. Evolution
Kropač und Mohr verweisen auf eine Studie zu Weltbildentwicklung und Schöpfungsverständnis (Fetz/Reich/ Valentin, 2001), nach der sich bei religiös sozialisierten
Kindern und Jugendlichen folgende Stadien der Weltbildentwicklung feststellen lassen: Im Sinne eines unreflektierten, artifizialischen Schöpfungsverständnisses gehen junge Kinder zunächst davon aus, dass Gott die Welt mitsamt allen Lebewesen und Artefakten erschaffen hat. In einer zweiten Phase wird Gottes Schaffensbereich auf die Natur beschränkt und Artefakte der Schöpfungstätigkeit von Menschen zugeschrieben. Mit zunehmendem Alter bestimmen Logik und die Fähigkeit zum rationalen Denken das Denken des Kindes, gleichzeitig erweitert sich dessen Weltwissen um naturwissenschaftliche Erklärungen zur Weltentstehung wie bspw. die Evolutionstheorie oder die Urknalltheorie. Die wahrgenommene Konkurrenzsituation lösen Kinder unterschiedlich: Entweder Gott wird die Zuständigkeit für die Entstehung des Universums entzogen oder naturwissenschaftliche und schöpfungstheologische Elemente werden zu hybriden Weltbildkonstellationen vermischt (bspw. wird der Urknall dadurch erklärt, dass Gott einen Planeten explodieren ließ). Nur wenige Grundschulkinder halten weiterhin unbeirrt an der biblischen Schöpfungserzählung fest. Mit dem Übergang ins Jugendalter findet ein umfassender Transformationsprozess statt, welcher den Konf likt zwischen Schöpfungsglauben und naturwissenschaftlichen Weltentstehungserklärungen verschärft. Der Kontext einer naturwissenschaftlich geprägten Gesellschaft sowie die gewonnene Fähigkeit zu formalen Denkoperationen und zur Hypothesenbildung führen dazu, dass Jugendliche sich bevorzugt an naturalistischen Weltbildern und Erklärungsmustern orien-
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tieren. Sie sind nun in der Lage, die angewandten Mittel des eigenen Denkens zum Gegenstand des Denkens selbst zu machen. Entsprechend kritisch hinterfragen sie den Gottesglauben und religiös motivierte Argumentationen als unwissenschaftliche Denkmittel. Als Folge dieser Entwicklung lassen sich drei Argumentationslinien aufzeigen, mit denen Jugendliche das Verhältnis zwischen biblischer Schöpfungslehre und naturwissenschaftlichen Denkmodellen beschreiben (Rothgangel, 2004): Naturwissenschaft widerlegt biblische Schöpfungserzählung: Wissenschaftliche Erkenntnisse widersprechen den Aussagen der Bibel und sind somit ein Beweis für die Nichtexistenz des Schöpfergottes; die Schöpfungserzählung ist eine überholte pseudo-naturwissenschaftliche Erklärung früherer Zeiten. Naturwissenschaft und Glaubenskonflikt: Die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse werden befürwortet, gleichzeitig wird an der Existenz Gottes festgehalten. Dass keine überzeugende Vermittlungsstrategie zwischen Naturwissenschaft und Theologie vorliegt, wird als Konflikt wahrgenommen und verbalisiert. Vermittlungsstrategien von Naturwissenschaft und Gottesglaube: Gottesglaube und Naturwissenschaft werden entweder gänzlich unterschiedlichen Lebensbereichen zugeschrieben oder Gott wird als Lösung für die Grenzen und Ambivalenzen naturwissenschaftlicher Theorien eingesetzt. Komplexere Argumentationen verbinden die Grenzen der Wissenschaft mit der Kenntnis um den besonderen Deutungsbereich von Religion. Die letztgenannte Position entspricht dem seit den 1950er Jahren in der Theologie und den Naturwissenschaften favorisierten Dialogmodell. Im Zentrum dieses Modells steht das Prinzip der Komplementarität, nach dem der Schöpfungsglaube und naturwissenschaftliche Theorien unterschiedliche, einander ergänzende Weltdeutungsmöglichkeiten darstellen: Während die naturwissenschaftlichen Ansätze die Prozesse erklären, ist der Schöpfungsglaube eine Beziehungsaussage: Gott steht mit der Welt und den Menschen in Beziehung.
Religionspädagogische Konsequenzen: Wenn der Schöpfungsglaube erwachsen wird Da die Fähigkeit zur mehrdimensionalen Betrachtung der Wirklichkeit zentral in der Jugendphase ausgebildet wird, liegt in dieser Zeit die entscheidende Herausforderung der Entwicklung tragfähiger Vermittlungsstrategien zwischen Gottesglaube und naturalistischem Weltbild. In didaktischen Arbeitsmaterialien zur Schöpfungsthematik ist häufig eine Engführung auf naturwissenschaftlich-technische Aspekte (Problematisierung von Wissenschaftsgläubigkeit) sowie historisch-kritische Aspekte (Austausch über verschiedene Weltbilder und Schöpfungsauffassungen) zu beobachten. Diese Zugangsweisen entsprechen dem kritisch-hypothetischen Denken der Jugendlichen. Sie bergen jedoch die Gefahr, dass die Schöpfungserzählung als überholtes Weltbild vergangener Zeiten »entlarvt« und entsprechend als überholt abgetan wird. Anstelle einer Reduktion auf die Frage nach dem Anfang der Welt liegt im Entdecken der theologischen Rede von der Schöpfung als eines facettenreichen Glaubensbegriffs die große Chance, diesen in ein persönlich tragfähiges Weltbild zu integrieren. Ergänzend zu den oben genannten Aspekten nimmt eine schöpfungsorientierte Didaktik folgende Interessen in den Blick (Hunze, 2007, 221 ff.): Wahrnehmungsinteresse: der Welt staunend begegnen und die eigene Existenz in ihren Beziehungsstrukturen wahrnehmen. Refl exionsinteresse: den eigenen wissenschaftstheoretischen Standpunkt klären, komplementäres Denken fördern und Schöpfung in der theologischen Perspektive des Glaubens erschließen. Beziehungsinteresse: den Beziehungscharakter (Beziehung zwischen den Geschöpfen sowie zwischen den Geschöpfen und Gott) thematisieren und beziehungsorientiert lernen. Aneignungsinteresse: die schöpfungstheologische Wahrnehmung der Welt als Teil einer mündigen Glaubensentscheidung verstehen.
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THEOLOGISCHE EINBLICKE
Bewährungsinteresse: die Konsequenzen der schöpfungstheologischen Sichtweise auf die eigene Wahrnehmung und Gestaltung der Welt reflektieren. In der Arbeit mit Kindern können bereits entscheidende Weichen gestellt werden, um zu einem Gelingen der anstehenden Transformationen im Jugendalter beizutragen. Die Beiträge des Jahrbuchs für Kindertheologie zum Thema Schöpfung zeigen, wie aufgeschlossen Kinder sich der Frage nach dem Verhältnis zwischen den biblischen Schöpfungserzählungen und naturwissenschaftlichen Theorien stellen, individuelle Lösungen entwickeln und bereits in Ansätzen verschiedene Perspektiven erschließen können. Von großer Bedeutung ist dabei der Zugang der Kinder zur biblischen Überlieferung. Es entspricht der kindlichen Entwicklung, biblische Geschichten zunächst konkret-wörtlich aufzunehmen. Umso entscheidender ist es, dieses Verständnis nicht durch eine Weitergabe der Schöpfungsgeschichte im Sinne eines Augenzeugenberichts historischer Tatsachen zu zementieren. Um die biblischen Schöpfungserzählungen als Glaubenszeugnisse zu hören und zu verstehen, braucht es Türen, durch welche das Kind zu gegebener Zeit zu einem erweiterten Verständnis der Schöpfung vordringen kann. Im Blick auf die Schöpfungserzählung könnte dies folgendermaßen aussehen: Warum ist diese Welt so, wie sie ist? Das ist eine spannende Frage. Auch damals haben sich die Menschen diese Frage gestellt. Sie glaubten an den Gott Abrahams und Mose, an den Gott, der sie in guten und schlechten Zeiten begleitet. Sie hörten Geschichten davon, wie Wasser und Erde gemacht wurden, die Sonne und der Mond, all die Tiere und auch der Mensch. Sie spürten deutlich: Es ist Gott, unser Gott, der diese Welt so gut geschaffen hat. Und sie begannen, ihre eigene Geschichte zu erzählen. Sie erzählten: Am Anfang schuf Gott … Die Überlegungen der kleinen Anna gehen noch ein wenig weiter: »Dann kommt der Punkt, da sagst du, du verstehst ihn überhaupt nicht mehr. Siehst du, und dann ist er wieder ganz ganz, ganz groß. So groß, wie er in
Wirklichkeit ist. Und wumm, da lacht er dich aus, weil du so blöd warst.« Es ist wichtig, dass das mythische Gottes- und Weltbild des Kindes bröcklig wird, Risse bekommt und so durchlässig wird für die weitere Entwicklung. Es sind diese Spannungen und Konflikte, die bei angemessener Bearbeitung anstelle eines »Einbruchs« vielmehr einen Durchbruch zu einem erwachsenen Glauben bewirken.
Anika Tobaben ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Praktische Theologie/ Religionspädagogik an der HumboldtUniversität zu Berlin.
Literatur Fynn: Hallo Mister Gott, hier spricht Anna, Frankfurt (Main) 1980. Hunze, Guido: Die Entdeckung der Welt als Schöpfung. Religiöses Lernen in naturwissenschaftlich geprägten Lebenswelten, Stuttgart 2007. Kalloch, Christina/Schreiner, Martin (Hrsg.): »Gott hat das in Auftrag gegeben«: Mit Kindern über Schöpfung und Weltentstehung nachdenken. Jahrbuch für Kindertheologie 11, Stuttgart 2012. Kropač, Ulrich/ Mohr, Christine (2012): »Gott schickte zwei Boten, sie sollten zwei Planeten aneinander prallen lassen«. Empirische Erkundungen zum Verständnis von Weltentstehung und Schöpfung bei Kindern, in: Kalloch, Christina/ Schreiner, Martin (Hrsg.): »Gott hat das in Auftrag gegeben«: Mit Kindern über Schöpfung und Weltentstehung nachdenken. Jahrbuch für Kindertheologie 11, Stuttgart 2012, 75–91. Nipkow, Karl E.: Erwachsenwerden ohne Gott? Gotteserfahrung im Lebenslauf, München 1987. Rothgangel, Martin: Gottes- oder Affenkind? Bibel und Naturwissenschaften bei SchülerInnen, in: Feldmeier, Reinhard/Spiekermann, Hermann (Hrsg.): Die Bibel. Entstehung – Botschaft – Wirkung, Göttingen 2004, 117–13
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KONFLIKTE: Das Salz in der Suppe oder ein lästiges Übel? Was müssen Pädagogen können und wissen?
Franziska Riebesel, Ina Kaufmann und Christian Mann
Sind Konflikte im System Schule besonders? In der Schule treffen Schüler und deren Eltern auf eine Institution, in der viele Menschen aus unterschiedlichen Professionen zusammenkommen. Schaut man sich die Organisation einer Schule näher an, muss man bei dem Schulamt anfangen und dann über die Schulleitung, die Lehrer/Sonderschullehrer, Erzieher, Sozialpädagogen, Einzelfallhelfer und die Schulpsychologie gehen, Sekretärinnen, Hausmeister und Reinigungskräfte nicht zu vergessen. Es gibt auch keinen Ort sonst, wo so viele Kinder und Jugendliche auf einmal vorzufinden sind mit allen Gefühlen, die ein Kind oder ein Jugendlicher in so einem Schulalltag durchleben mag. Von Lob, Freude und Fleiß bis Zwang und Tadel ist für einen Heranwachsenden an einem einzigen Tag alles drin. Vor den Mitschülern muss er bestehen, Freunde finden, Selbstzweifel überwinden. Die Pädagogen, und um die soll es ja hier gehen, können einen langen Arbeitstag im System Schule mit allen Höhen und Tiefen erleben. Da sollte ja eigentlich die Freude über gute, freundliche und lernwillige Schüler überwie-
gen, die ihre Hausaufgaben machen, Hefter ordentlich führen, sich zu benehmen wissen und alles dafür tun, um dem Pädagogen die »Sternenstunden« zu bescheren, die er oder sie doch auch so sehr braucht, Freude über nette Kollegen, die im Team am selben Strang ziehen, eine Schulleitung, die gute Stundenpläne steckt, und Sozialarbeiter, mit denen es sich problemlos zusammenarbeiten lässt. Das zur Theorie. Die Praxis im Alltag des Pädagogen sieht oft ganz anders aus: »Unterricht ereignet sich zu einem hohen Prozentsatz als ›Pädagogischer Einmann-/Einfraubetrieb‹. Die Vorteile, die in relativ großer Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit, in der Pädagogischen Freiheit bezüglich methodisch-didaktischem Vorgehen bestehen, werden in der Regel teuer erkauft. Der heutige gängige Lehrerbetrieb kennt so gut wie keine Teamarbeit und besitzt wenig Gelegenheiten zum Austausch über inhaltlich-methodisches Vorgehen, ganz zu schweigen vom Austausch über persönliche Aspekte wie Erwartungen, Enttäuschungen, Betroffenheiten und Befi ndlichkeiten. Damit fehlen ganz generell die Möglichkeiten der gegenseitigen Un-
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SCHULE UND GEMEINDE
terstützung. Die Folge sind Gefühle von Isolation und auf sich selbst Zurückgeworfensein – selbst wenn der oder die Betreffende sich im Kollegium gut integriert fühlt. Häufig ist diese Situation gepaart mit der Fantasie, bei Kolleginnen und Kollegen laufe im Unterricht alles viel besser und nur man selbst habe Probleme mit Schülern im Unterricht.« (Volker Jost E. Kullmann, 2000, 6) Schüler bringen ihre »Päckchen« von zuhause, aus ihrer Alltagswelt, mit; Familienhelfer sind vom Jugendamt eingesetzt und müssen oft zwischen Schule und Familie vermitteln. Schaut man sich die Schulamts- und Schulleitungsebene an, gibt es auch da viel Mühsames, z. B. das Umsetzen von Plänen, Vorgaben und »neuen Errungenschaften« in Bezug auf Unterrichtsgestaltung und Planung. Um eine gute Arbeit der Pädagogen und ein glückendes Zusammenspiel aller Kräfte in so einem System zu befördern, bedarf es der Haltung eines jeden Einzelnen, zu wissen, dass Konfl ikte hier einfach dazugehören. Sie sind normal und wichtig. Sie sind nicht »wegzumachen«, sondern konstruktiv zu bearbeiten. Sie zeigen an, dass etwas nicht in Ordnung ist und dass ein Handlungsbedarf besteht. Welches Handwerkszeug brauche ich, um mit Konflikten umgehen zu können? Um mit Konflikten umgehen zu können, ist es erst einmal notwendig, Abstand zu gewinnen. Einen Schritt zurückzugehen, die berühmte Nacht darüber zu schlafen. Das trägt dazu bei, dass entstehende Emotionen, die, ließe man ihnen freien Lauf, sich in hoher Geschwindigkeit Bahn brechen, in eine Eskalation führen können, deren Folgen nicht nur unangenehm, sondern sogar beängstigend sein können.
Trete ich einen Schritt zurück, gewinne ich einen klaren Kopf und kann darüber nachdenken: 1. Was ist passiert? 2. Wieso ist es passiert? 3. In welchen Situationen stecken die jeweiligen Konfliktpartner? 4. Welche Gefühle hat der Konflikt in mir ausgelöst? 5. Was verletzt mich? 6. Was wünsche ich mir? 7. Um was geht es eigentlich? Hat man sich diese Gedanken gemacht, gibt es Möglichkeiten über Mediation, Supervision oder Konfl iktmanagement den Konflikt zu bearbeiten. In vielen Schulen wird für Schüler inzwischen die Ausbildung zum Konfl iktlotsen angeboten. Es gibt auch die Möglichkeit der »Seniors in Schools«. Das sind Senioren, die eine Mediationsausbildung absolviert haben und gern in Schulen arbeiten, für die Kinder und Jugendlichen da sind und auch gern für Erwachsene. Was kann helfen? Feedbackkultur schaffen. Mit mir selbst in Kontakt kommen. Konfl iktmanagement schaffen. Mit Wertschätzung arbeiten, achtsam sich selbst gegenüber sein, Fragen durchdenken, wie: Wie spreche ich
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mit Schülern, wie gehe ich auf sie ein? Was ist wichtig im Umgang mit den Kollegen und den anderen Professionen an der Schule, der Schulleitung? Hier kann eine kollegiale Beratung hilfreich sein, also mit einer Kollegin oder einem Kollegen des Vertrauens ins Gespräch zu kommen und über die bspw. aufgetretene Ohnmacht in einem Konf likt zu sprechen, die eigenen Anteile im Konfl ikt kennenzulernen und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Das hilft, aus der Ohnmacht herauszukommen und im beruflichen Alltag wieder handlungsfähig zu werden und bspw. mit dem Schüler oder den Eltern durch zielgerichtete Kommunikation wieder in Kontakt zu kommen und den Konflikt konstruktiv und für alle Beteiligten befriedigend zu lösen. Gibt es präventive Maßnahmen? Supervision, Coaching, Fortbildung zum Thema »Konfl ikte« und »Umgang mit Konf likten«, Herstellung eines Konfl iktmanagements an der Schule, also gemeinsam ein Verfahren entwickeln, wie man an der eigenen Schule konst-
ruktiv mit auftretenden Konflikten umgeht, Lehrer durch Supervision stärken, Verhaltensveränderungsprozesse durch Rollenfeedback, Fach- und Studientage organisieren, zum Arbeitskreis Supervision und Schule einladen, Konfliktlotsenausbildung an Schulen installieren, Seminare zur gewaltfreien Kommunikation anbieten, die Kommunikationskultur an einer Schule stärken, z. B. durch den regelmäßigen Einsatz der »kollegialen Fallberatung« in den Teams und bei Studientagen zu Themen zu arbeiten, wie z. B. »Kommunikation und Konflikte« usw. Welche Rolle nehme ich als Pädagoge ein? In erster Linie geht es darum, sich darüber klar zu werden, wer man ist und in welchen Rollen man unterwegs ist. Als Lehrerin und Lehrer habe ich bestimmte Arbeitsaufgaben, die ich zu erfüllen habe, und ich vertrete in der Rolle und Haltung bestimmte Werte, die an meiner Schule und in unserer Gesellschaft gelten. Das kann insbesondere bei Schülern, aber auch bei Eltern auf Widerstand stoßen, den es zu bearbeiten gilt,
um auftretende Konfl ikte konstruktiv zu lösen. An dieser Stelle ist es wichtig, dass ich mir darüber bewusst bin, was mich »auf die Palme« bringt, was ich über Konf likte, die Wirkungsweisen von Konfl iktdynamiken und mögliche Konfliktbearbeitungsmodelle weiß. Welches Handwerkszeug steht mir momentan zur Lösung des Konf liktes zur Verfügung, wenn ich drinstecke, und was fehlt mir noch, um mit auftretenden Auseinandersetzungen und Verstimmungen konstruktiv verfahren zu können? Dies sind erste Schritte, die hilfreich im Umgang mit Konfl ikten sein können. Literatur: Kullmann, Volker Jost E.: Selbst-Supervision in der Schule, Neuwied 2000.
Franziska Riebesel, Ina Kaufmann und Christian Mann sind Supervisoren in Berlin. Weitere Informationen auch auf der Website vom Arbeitskreis Supervision und Schule: www.schule-und-supervision.de.
ZURÜCKGEBLÄTTERT ZUM THEMA DIESES HEFTES in: Die Christenlehre 37/1984, U36 f.
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KONFLIKTE UND GLAUBE
Unser Glaube hat das Ziel, sinnvolles erfülltes Leben für uns und andere in der Verantwortung vor Gott zu realisieren. Diese Ziel schließt Konflikte gerade nicht aus, aber es muß unseren Umgang mit Konflikten prägen … Jesu grundsätzlicher Konflikt mit den Mächtigen seiner Zeit war nicht lösbar, er führte zu seinem Tod. In Entscheidungskonflikten haben wir das Recht und die Pflicht, unsere Verantwortung wahrzunehmen, indem wir uns für eine von mehreren Möglichkeiten entscheiden und uns auf diese ganz einlassen.
Gerade unsere Beziehung zu Gott ist nicht konfliktfrei: Die Erwartungen Gottes an uns stehen im Konflikt mit den Bedürfnissen unseres Ichs. Und doch geht Gott auf uns ein und läßt sich auf die Beziehung mit uns ein. Dieses Modell des Umgangs miteinander dürfen wir Christen gerade in Konflikten nicht aus den Augen verlieren. Die Bibel spiegelt menschliches Leben vor Gott wider, wie es ist. Da dieses Spiegelbild so konfliktreich ist, wie das Leben selbst, sind die Bezüge dieser Thematik zur Bibel besonders zahlreich. Heinz Hündorf
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SCHULE UND GEMEINDE
SOS
SCHULE OHNE STREIT
Die Idee, e, Streit nicht einfach zu bekämpfen, sondern mit Konflikten sinnvoll umzugehen Conny Käfer
Standortbestimmung: Seit über zehn Jahren arbeite ich nun an unserer Schule, der Paul-Gerhardt-Schule in Kahl am Main. Und seit fast genauso langer Zeit kämpfe ich mit den verschiedensten Ansätzen gegen Streit und Mobbing im Schulalltag – immer auf der Suche nach dem Erfolgsrezept gegen das »Streitvirus«. Immer wieder anders und mit immer neuen Strategien, Arbeitskreisen, Projekten und Wettbewerben, Streitschlichtergruppen, Sozialkompetenztrainings, Klassenpaten und Schülermentoren … Wir haben wohl mit fast allen gängigen Modellen gearbeitet und mit immer neuen Konzepten die für unsere Bedingungen passendste Lösung gesucht – aber die »Perle im Acker« haben wir dabei leider nicht gefunden. Über die Akzeptanz im Kollegium, die Unterstützung der Schulleitung und des Trägers (Evangelische Schulstiftung in Bayern) oder das Interesse bei den Eltern konnte ich mich nicht beklagen – was immer uns eingefallen ist und wo immer ich eine Idee einbringen wollte, war das möglich. Aber scheinbar haben alle unsere Versuche, das soziale Klima unserer Schule wirksam und nachhaltig zu verbessern, zu kurz gegriffen. Und obwohl wir insgesamt auf hohem Niveau klagen, da wir eigentlich so gut wie keine explizite Migrations- oder Gewaltproblematik haben, blieb das Aufwand-Nutzen-Gleichgewicht eher unbefriedigend und das messbare Ergebnis deutlich hinter unseren Erwartungen zurück. Da stellt sich doch die Frage: Woran liegt das? Und: Warum gelingt es uns nicht, den von Gott gewollten und von uns klar als Auftrag verstandenen
Frieden so zu leben? Scheinbar reicht ein klares Bekenntnis zum Leitbild der Paul-Gerhardt-Schule nicht aus. Ein Leitbild, in dem christliche Werte, ein christliches Menschenbild und der wertschätzende Umgang miteinander fest verankert sind, samt Schulgottesdiensten, Klassenandachten und Sozialprojekten. Zwischenzeitlich hatte ich sogar den Eindruck, wir »graben im falschen Acker« oder wir hätten die falschen »Werkzeuge« und diese wären schlicht ungeeignet für unser schulisches Um Umfeld, um bei dem biblischen Bild vom »Schatz im Acker« zu bleiben.
Ursachenforschung: a) Unsere Schule hat von der 1. Klasse (Grundschule) bis zur 11. Klasse (Wirtschaftsschule) ca. 550 Schüler im Alter von 6 bis manchmal 20 Jahren; alle mehr oder weniger in einem Gebäude – das ist an sich schon Zündstoff genug! b) Pausenhöfe, Fachräume und Flure werden gemeinsam genutzt, die Lern- und Spielräume für die Offene Ganztagsschule sowie die Mensa und das Außengelände ebenfalls – dadurch ergeben sich immer wieder organisatorische und personelle Engpässe, die für immer neues Stresspotenzial sorgen. c) Außerdem leben wir schon seit Jahren immer wieder in Baustellen und Übergangslösungen, was die Räume noch enger und die Wege noch weiter macht – auch nicht gerade geeignet, um dauerhafte Regeln zu installieren, Traditionen zu gründen oder Konzepte zu entwickeln, die länger überleben könnten.
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d) Die Schüler, die sich für AGs und soziale Aktionen außerhalb des offiziellen Unterrichtsangebotes (eben auch die Streitschlichter) interessieren, sind oft die »Kleineren« (5. bis 7. Klasse). Die »Größeren«, die wir nach einer Streitschlichterausbildung tatsächlich im Schulalltag gut einsetzen könnten, sind dann in den Abschlussklassen und eher mit Prüfungen und Praktika beschäftigt. e) Durch die Kombination von Wirtschafts- und Mittelschule sind nicht nur die Stundentafeln vieler Lehrer, sondern auch die Stundenpläne unserer Schüler oft sehr voll – und damit bleiben wenige Zwischenzeiten für Streitschlichterausbildung und/oder sonst ein zusätzliches Engagement.
Die äußeren Umstände sind nicht gerade das, was man ideal nennen könnte (und daran wird sich in absehbarer Zeit wohl auch nichts ändern), und wir haben lange Zeit kein für uns stimmiges Konzept gefunden, trotz vieler Bemühungen und immer wieder neuer Ansätze, aus den vorhandenen Bedingungen das Beste zu machen. Aber »wenn Gott mit uns ist, …«: Aufgeben kam nicht in Frage. Wenn wir also die äußeren Umstände nicht nach unseren Vorstellungen ändern konnten, mussten wir unsere Ziele den vorhandenen Möglichkeiten anpassen. Ressourcenorientierung heißt das bei Pädagogen – Gabenorientierung für uns!
sozialer Projekte zum Wohle des gesamten sozialen Umgangs innerhalb der Schule optimiert. Das Konzept wird immer wieder den jeweils veränderten äußeren Bedingungen angepasst und entsprechend unseren Erfahrungen nachgebessert. Es ist inzwischen fester Bestandteil unseres Schullebens. SOS steht für »Schule ohne Streit« und ist der Oberbegriff für eine Kultur des Konfliktmanagements. Dies entfaltet sich in allen Jahrgangsstufen von der Grundschule bis zur Wirtschaftsschule in unterschiedlichen Projekten und Kursen: die »Pausenengel« für die Grundschule, die »PAULAPaten« für die Nachmittagsbetreuung und die »Sozialdienstler« (Schüler/innen, die aufgrund von Vergehen nach schulinternen Regeln eine sinnvolle Tätigkeit zum Wohl der Schulgemeinschaft leisten), die tageweise in der Essens- oder Hausaufgabenbegleitung von Grundschülern oder auch als zusätzliche Aufsicht bei Spiel- und Bastelangeboten im Nachmittagsbereich eingesetzt sind. Sie alle werden entweder am Anfang des Schuljahres in sogenannten Einführungstreffen mit den wichtigsten sozialen Umgangsformen vertraut gemacht oder über einen längeren Zeitraum in sogenannten PAULAKursen oder Gesprächen mit mir gezielt geschult und begleitet. Die »klassische« Streitschlichterausbildung haben wir an die oben genannten Bedingungen bei uns in der Schule angepasst und dadurch ist ein Konzept entstanden, mit dem wir seit Jahren gute Erfahrungen machen.
Lösungsansätze:
Streitschlichterkonzept: 1
Der Grundsatz unseres Pädagogischen Konzeptes im Umgang mit Konflikten ist: Wiedergutmachung geht vor Strafe!, und dieses Prinzip zieht sich durch all unsere Aktionen, Projekte, Ausbildungs- und Anleitungsprogramme für die Streitschlichter, die sogenannten PAULA-Paten (»Das PAULA«– so heißt unsere Offene Ganztagschule) und die Sozialdienstler (das sind die sogenannten Strafdienstler = Sozialdienst statt Hausmeisterdienst). Ziel unserer Idee ist es, einen roten Faden für den Maßnahmenkatalog zu legen und so Transparenz in dem sozialen Netzwerk unserer Schule zu schaffen. Neben vielen einzelnen Maßnahmen, die wir in diesem Zusammenhang ergriffen haben, um die Kommunikation zwischen Kollegium und der Nachmittagsbetreuung zu verbessern, hat sich das SOSKonzept am nachhaltigsten bewährt. Dadurch werden auch die Absprachen einzelner Aktionen und
Unsere Streitschlichterausbildung haben wir in zwei aufeinander aufbauende Kurse geteilt, die jeweils halbjährlich als AG einmal wöchentlich laufen und von zwei Kollegen betreut werden. Der erste Kurs »KoMM« (= Kompetenz macht mutig) ist eine Art Sozialkompetenz-Training, für das sich freiwillig Schüler ab der 6. Klasse anmelden können, oder wofür Schüler in Absprache mit den Lehrern (und ggf. den Eltern) auch verpflichtet werden. Die Teilnahme wird im Zeugnis als »Soziales Engagement« positiv vermerkt, verpfl ichtet den Schüler aber zu keinerlei Aktivitäten darüber hinaus. Sinn ist es, in hauptsächlich spielerischen Aktionen die Grundlagen sozialen Verhaltens zu vermitteln und gruppendynamische Prozesse zu verdeutlichen. Inhaltlich bearbeiten wir in den zehn bis zwölf Einheiten Grundlagen zu den Themen Vorurteile, Selbsteinschätzung und Fremdwahrneh-
Schlussfolgerung:
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mung, Körpersprache (Gestik, Mimik), allgemeiner Sprachgebrauch und Konfliktverhalten. Dieser Grundkurs ist im Regelfall die Voraussetzung zur Teilnahme an der anschließenden eigentlichen Streitschlichterausbildung, obwohl sich gerade ältere Schüler oft auch gleich für die Ausbildung im zweiten Halbjahr bewerben. Aufgrund unserer Erfahrung mit Zuverlässigkeit und Ernsthaftigkeit – gerade bei den sehr jungen Schülern – behalten wir uns aber vor, die Schüler zur Ausbildung zuzulassen oder eben nicht. Es gibt ein kleines Bewerbungsverfahren (Vorstellung und Gespräch), das uns bei der Auswahl hilft und so ganz nebenbei bei den Schülern die Attraktivität der Ausbildung steigert. Der zweite Kurs »SOS« (= Schule ohne Streit) schließt sich im zweiten Schulhalbjahr an den KoMM- Kurs an und baut in weiten Teilen auf den Grundlagen des Sozialkompetenz-Trainings auf. Er endet ebenfalls nach zehn oder zwölf Einheiten, dann mit einem offiziellen »Zertifi kat Streitschlichter« für das Portfolio. Ziel ist es, die Schüler zu mündigen, selbstreflektierten und eigenverantwortlichen Menschen zu erziehen und ihnen die Grundlagen sozialer Verantwortung und Mitbestimmung zu vermitteln. Die Inhalte der theoretischen Einheiten beziehen sich auf Kommunikationsregeln, Gesprächsführung, Konfliktmanagement und den Umgang mit Mobbing. Neben der rein theoretischen Ausbildung beinhaltet der Kurs parallel dazu auch den praktischen Einsatz im Schulalltag. Dafür gibt es einen verbindlichen Einsatzplan, den die Schüler selbst erarbeiten (hauptsächlich für die Pausen, in denen die Schüler jeweils zu zweit auftreten). In regelmäßigen Abständen finden begleitende Reflexionstreffen statt, bei denen sich die Teams untereinander austauschen und einzelne Situationen mit uns besprechen können. Erkennbar sind die SOSler während ihrer Einsätze an einem Schlüsselband mit sogenannter »Backstage«-Karte (farblich unterschiedlich für Schüler in der Ausbildung und fertige SOSler). Zu Beginn ihrer Ausbildung werden sie in einer
Lehrerkonferenz dem Kollegium und während einer Schulandacht der Schülerschaft vorgestellt und am Schuljahresende (oft beim jeweiligen Abschlussgottesdienst) zusammen mit der Zertifikatsverleihung auch für andere besondere Leistungen mit einem offiziellen Handschlag der Schulleitung bedankt.
Fazit: Mit dieser Aufteilung auf ein ganzes Schuljahr und der Gewichtung der beiden aufeinander aufbauenden Kurse erreichen wir viele Ziele auf einmal: das Interesse der Schüler an der Ausbildung, die Integration auch jüngerer oder auffälliger Schüler, die Vernetzung verschiedener Sozialkompetenz-Aktionen der einzelnen Schulsparten, die Präsenz im Schulalltag und ein wachsendes soziales Bewusstsein insgesamt. Am Ende sind es eben oft die kleinen Dinge, aus denen Großes werden kann …
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http://www.pgs-kahl.de/schueler/streitschlichter.shtml
Conny Käfer ist Dipl.-Sozialpädagogin und Systemische Beraterin. Seit 2002 macht sie die Schulsozialarbeit und Beratung in der Paul-Gerhardt-Schule in Kahl am Main (Unterfranken). www.pgs-kahl.de
Literaturtipps Bertet, Roland/Keller, Gustav: Gewaltprävention in der Schule: Wege zu prosozialem Verhalten, Bern 2011. Götzinger, Marina/Kirsch, Dieter: Grundschulkinder werden Streitschlichter: Ein Ausbildungsprogramm mit vielen Kopiervorlagen, Mülheim a.d.R. 2004. Jefferys-Duden, Karin: Das neue Streitschlichterprogramm – Lehrerband: 5. bis 10. Klasse: Lehrerband mit Kopiervorlagen, Hamburg 62013.
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Lasset die Kinder zu uns kommen! Veränderungen in der Schule und ihre Auswirkungen auf kirchliche Kinder- und Jugendarbeit Dorothea Jüngst
Jan (18) engagiert sich schon lange ehrenamtlich in seiner Kirchengemeinde. Er hat als Mitarbeiter in der Kindergruppe angefangen und ist inzwischen ausgebildeter Jugendleiter. Gemeinsam mit Katja (19) leitet er eine Jugendgruppe. Beide fahren gerne mit auf Freizeiten. Besonders die Sommerfreizeit ist für Jan eine tolle Herausforderung. Jan macht viel möglich. Trotzdem merkt er zunehmend, dass es Kraft und Zeit kostet, dieses Engagement neben der Schule einzubringen. Er hat inzwischen immer häufiger seine Lernsachen im Gepäck, selbst auf den Freizeiten nutzt er die Pausen, um zu lernen. Auch Katja hat ihr Engagement zurückschrauben müssen, da das Pensum immer mehr geworden ist. Vor allem, seit sie studiert und auch an manchem Wochenende Seminare an der Uni hat. Dann muss sie Jan die Arbeit in der Jugendgruppe alleine überlassen. Die Ausbildung von Kindern und Jugendlichen konzentriert sich immer intensiver auf die Institution Schule und drängt die anderen Gestalter von ganzheitlicher Bildung an den Rand. Für die außerschulische Bildungsarbeit bleibt ein immer kleineres Zeitfenster übrig. Das Leben von Kindern und Jugendlichen hat sich in den letzten zehn Jahren erheblich verändert: R6, G8, offene oder gebundene, rhythmisierte Ganztagsschule – Ganztagsbetreuung von Kindern und Jugendlichen ist angesagt. Wie kann darauf sinnvoll reagiert werden? Schule verändert sich Als eines der wenigen Länder in Europa hatte Deutschland lange Zeit in vielen Bundesländern keine Ganztagsschulen. Die PISA-Studie zeigte, dass im europäischen Vergleich hierzulande Kinder schlechter abschneiden.1 Zwar verfügen sie über
viel erlerntes Wissen, doch die Fähigkeit, logisch zu denken und eigenständige Schlussfolgerungen zu ziehen, lässt zu wünschen übrig. Die Konsequenz: Neben der Intensivierung der schulischen Ausbildung ist es zu einer Verdichtung der Inhalte bei einer gleichzeitigen Verkürzung der Schulzeit gekommen. Die Verweildauer an der Schule insgesamt wurde verkürzt, da die jungen Menschen früher dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen sollen. Um alle notwendigen Inhalte zu lernen, wurde der Schultag erheblich verlängert. Von 8–16 Uhr, drei- bis viermal die Woche. Richtig ist also, dass die Kinder und Jugendlichen heute mehr Zeit in der Schule verbringen als je zuvor. Nicht selten hat die Woche von Kindern und Jugendlichen einen erheblich höheren Stundensatz als die vertraglich geregelten 40 Stunden ihrer Eltern. Wofür bleibt jungen Menschen noch Zeit? Ist Raum für ehrenamtliches Engagement? Die Studie vom Deutschen Jugendinstitut in Kooperation mit der Technischen Universität Dortmund »Keine Zeit für Jugendarbeit«2 zeigt deutlich, dass junge Menschen sich immer schwerer tun, verantwortliche, ehrenamtliche Tätigkeiten zu übernehmen. Und wenn sie es tun, weil es ihnen einfach Spaß macht und ihnen dieses Engagement am Herzen liegt, erleben sie, dass der Stressfaktor steigt. Der Lebensraum Schule verändert sich weiter, und an der Ganztagsidee führt kein Weg mehr vorbei. Leider haben sich in der Umsetzung der Idee der Ganztagsschule viele positive Ansätze bis jetzt nicht durchgesetzt. Eine alleinige »Betreuung« der Kinder erfüllt noch keinen ganzheitlichen Bildungsanspruch für alle – gerade im Rahmen der Inklusion!
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SCHULE UND GEMEINDE
Unsere Gesellschaft verändert sich Leben geschieht multikulturell, multioptional und mit einem multimedialen Angebot, dass sich immer mehr und immer schneller erweitert. Dies fordert eine hohe Flexibilität, große Entscheidungskompetenz und soziale und emotionale Stärken. Um diese entwickeln und erweitern zu können, brauchen junge Menschen verschiedene Lernfelder. Neben formalen Lernarrangements sind dafür insbesondere informelle und nonformale Lernprozesse bedeutsam. Kirchliche Kinder- und Jugendarbeit verändert sich Die Kirchengemeinden mit ihrer Kinder- und Jugendarbeit, der Konfirmandenarbeit, die evangelischen Jugendverbände auf Gemeinde- und Dekanatsebene, die ehrenamtliche Arbeit ganz allgemein – innerhalb und natürlich auch außerhalb der Kirche – bekommen diese Veränderungen in Schule und Gesellschaft deutlich zu spüren. Was heißt das für die kirchliche Bildungsarbeit und Gemeindepädagogik, nachdem klar ist, dass Ganztagsklassen und Nachmittagsbetreuung bleiben werden? Es bedeutet zum einen, diese Herausforderung anzunehmen. Es geht darum, das Bewusstsein zu schärfen für die Selbstbestimmung von Kindern und Jugendlichen und darum politisch zu kämpfen, dass ihnen Freiräume erhalten bleiben und Lernfelder, um ihre eigenen Ideen einzubringen und ihre Fähigkeiten auszuprobieren. Zum anderen braucht es gleichzeitig Konzepte, die auf die aktuellen Herausforderungen und die veränderten Zeitressourcen von Kindern und Jugendlichen antworten. Es gilt, nach neuen Ideen und Modellen zu suchen und neue Schritte in Gemeindepädagogik und Jugendarbeit zu gehen.
im Leben – mein Lebensweg, Umgang mit Konflikten – nur ein paar Beispiele von Themenwünschen junger Menschen.
Pilgern:
Jugendliche befassen sich oft und gerne mit der Frage nach dem Sinn des Lebens und der Bedeutung von Glaube und Spiritualität. Ein paar Tage pilgern zu gehen kann ein wunderbares Angebot sein, um sich ganz bewegt und ungezwungen mit diesen Fragen zu beschäftigen.
Sozialpraktika: Eine Kollegin von der Evangelischen Jugend in Oberbayern organisiert in Zusammenarbeit mit engagierten Lehrerinnen und Lehrern ein Sozialpraktikum für Mittelschüler. Nach anfänglicher Sorge, ob sich überhaupt jemand für dieses Angebot interessiert, stehen sie nun vor ganz anderen Problemen: 96 Schülerinnen und Schüler haben sich zu diesem Projekt angemeldet – (wo)her mit den Praktikumsplätzen?! Angebote der Evangelischen Jugendarbeit müssen für Kinder und Jugendliche zugänglich bleiben und werden auch weiterhin von großer Bedeutung sein. Ein afrikanisches Sprichwort sagt: »Um ein Kind zu erziehen, bedarf es ein ganzes Dorf.« Schulbezogene und außerschulische evangelische Jugendarbeit sind beide ein Teil dieses »Dorfes«, wenn es auch immer mehr an neuen Wirkungsorten und in veränderten Formaten heißt: »Lasset die Kinder zu uns kommen …«3
Dorothea Jüngst ist Dipl.Religionspädagogin (FH), Mediatorin und Systemische Beraterin sowie Referentin für schulbezogene Jugendarbeit für die Evangelische Jugend Bayern (www.ejb.de).
Einige Praxisbeispiele aus der schulbezogenen Jugendarbeit zeigen die Richtung, in die es gehen kann. Diese Ideen können auch von Kirchengemeinden aufgegriffen und umgesetzt werden:
Besinnungstagearbeit / Tage der Orientierung: Hier können Schülerinnen und Schüler mit einem Team von Jugendreferentinnen und -referenten für zwei Tage eine Auszeit aus dem Schulalltag nehmen und sich mit einem Thema nach ihren Wünschen befassen. Leben in der Gemeinschaft, Unterwegs
1
Prenzel, Manfred /Sälzer, Christiane / Klieme, Eckhard / Köller, Olaf (Hrsg.): PISA 2012 – Fortschritte und Herausforderungen in Deutschland. Schülerleistungen im internationalen Vergleich, Münster 2013.
2
Siehe http://www.forschungsverbund.tu-dortmund.de/fileadmin/Files/Kinder-_und_ Jugendarbeit/13-03-12_Keine_Zeit_Befunde_Download.pdf sowie Lange, Mirja/ Wehmeyer, Karin: Jugendarbeit im Takt einer beschleunigten Gesellschaft – Veränderte Bedingungen des Heranwachsens als Herausforderung, Weinheim 2014.
3
In Anlehnung an Mt 19,14.
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MATERIALIEN
Buchtipps für die gemeindepädagogische Praxis Petra Müller
Ratgeber über das Lösen von Konflikten gibt es viele. Anselm Grün geht in seinem Buch »Konf likte bewältigen – Schwierige Situationen aushalten und lösen« das Thema von der Bibel her an und bedenkt von dort aus mögliche Strategien zur Konfl iktbewältigung. Er geht davon aus, dass die biblischen Konfliktgeschichten archetypisch sind und bestimmte Muster haben, die auch in unserer Zeit aktuell sind. An sieben konfliktreichen Beziehungen und Situationen aus der Bibel stellt er verschiedene Arten von Konflikten dar und überträgt sie in heutige Situationen in Beziehung, Familie, Beruf und Kirche. Zuvor beschreibt er einige psychologische Einsichten und ergänzt diese auch um Erfahrungen aus der benediktinischen Tradition. Im Schlussteil führt er typisch wiederkehrende Formen einer Konfl iktverarbeitung aus, zeigt Möglichkeiten einer Konfliktbewältigung auf und stellt sieben Regeln für eine friedliche Konfliktlösung auf. Mit einer klar verständlichen Sprache, anschaulichen Beispielen und stets einem geistlichen Bezug ist es, wie ich finde, ein hilfreiches und gut zu lesendes Buch. Verlag Kreuz, Freiburg 2013, 160 Seiten gebunden, ISBN 978-3-451-61241-1, € 16,99
Monika und Udo Tworuschka stellen in ihrem Buch »Die Weltreligionen Kindern erklärt« die fünf Weltreligionen Judentum, Christentum, Islam, Hinduismus und Buddhismus in einfacher und kindgerechter Sprache dar. In einem sich wiederholenden Schema werden Glaubensinhalte, Religionsstifter, heilige Bücher, heilige Stätten sowie Feste und Bräuche erklärt. Der Vorläuferband der jetzt aktualisierten, ergänzten und neu gestalteten Ausgabe wurde 2002 mit dem italienischen Friedenspreis ausgezeichnet. Interessant sind auch die Wimmelbilder von Guido Wandrey mit ihren Aufgaben zum Finden und Entdecken. Auch wenn es sich um ein Wissensbuch für Kinder (und Jugendliche) handelt, es eignet sich sicherlich auch zum Einstieg für interessierte Erwachsene ohne Vorwissen – das habe ich schon in der Nachbarschaft getestet. Wie ich zudem gehört habe, wurde es auch schon für Vorbereitungen zu Lehramtsprüfungen im Fach Religion genutzt. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2013, 240 Seiten gebunden, ISBN 978-3-579-06604-2, € 19,99
Kennen Sie das nicht auch, dass Sie immer wieder mit denselben »Typen« in Konflikt geraten, aber auch, dass andere »Typen« Ihnen wiederum häufig guttun und sie mit ihnen fruchtbar zusammenarbeiten? Seit vielen Jahren ist mir das Enneagramm ein sehr hilfreiches Modell, das mir selber immer wieder auf die Sprünge hilft, mich und andere wahrzunehmen und zu verstehen. Mit großem Interesse habe ich daher die Neuerscheinung »Typisch! – So verstehen Sie Ihre Chefs und Kollegen mit dem Enneagramm« wahrgenommen. Simone May, Diplom-Kommunikationswirtin und Enneagrammlehrerin, erläutert darin das Enneagramm im Kontext des Arbeitslebens. Sie zeichnet die verschiedenen Arbeitsstile auf und, wer mit wem wie zusammenarbeitet. Wie lassen sich Konflikte im Arbeitsalltag effektiv lösen und wie arbeitet man erfolgreich zusammen? Besonders anschaulich und aussagekräftig sind die humorvollen Cartoons zu Bürosituationen, Meetings und Mitarbeitendengesprächen. Ich habe mich sofort lachend wiederentdeckt, aber auch manch andere. Ein Buch, auf das ich bestimmt oft zurückgreifen werde. Claudius Verlag, München 2014, 344 Seiten Paperback, ISBN 978-3-532-62458-6, € 24,90
In allen Landeskirchen und an vielen anderen Stellen wird auf das Reformationsjubiläum 2017 hingearbeitet. Ziel ist es, die Bedeutung der Reformation für die Gegenwart aufzuzeigen. Dass Luther am 31.10.1517 seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg genagelt haben soll, ist bekannt, aber was fordert Luther mit diesen Thesen und wie lauten sie? Als Einstimmung und Vorbereitung auf das Lutherjubiläum brachte der Claudius Verlag ein Plakat mit dem Originaltext der 95 Thesen nach Martin Luther heraus. Das vierfarbige Plakat im Format 47 x 70 cm eignet sich zum »Anschlag« an Kirchentüren, zum Aufhängen in Gemeindehäusern und zum Kleben an Bürotüren. Handlich gefalzt in einer Geschenkverpackung im Format von 15,8 x 17,5 cm eignet es sich auch zum Verschenken und Verschicken. Bei der Abnahme von zehn Exemplaren und mehr gibt es Staffelpreise. Claudius Verlag, München 2013, Plakat 47 x 70 cm, EAN 426024087-606-3, € 5,95
PRAXISENTWÜRFE
Lebensquell Taufe Ein gemeindepädagogisches Projekt mit Teenagern Simone Carstens-Kant
Der besondere Ort In Luthers Taufkirche in Lutherstadt Eisleben gibt es seit 2012 ein großes Tauf becken, das sich zur Taufe durch Untertauchen eignet. Die Fußbodengestaltung, Wasserringe, die vom Taufbrunnen ausgehen, und der ständig mit bewegtem Wasser gefüllte Taufbrunnen laden aber zuerst zum Taufgedächtnis ein. Besucher nehmen das Angebot sehr unterschiedlich an. Während die einen angeregt werden, überhaupt mal nach der eigenen Taufe zu fragen, legen sich andere der Länge nach an den Tauf brunnen und bekreuzigen sich mit dem Wasserzeichen. Auf Jugendliche wirkt die modernisierte Gestalt der Kirche sehr einladend, wie das Gästebuch verrät. Das inhaltliche Konzept dieser Kirche zielt darauf, sowohl Martin Luther als auch die Taufe in den Mittelpunkt zu stellen. Dementsprechend reicht die Palette der Angebote in dieser Kirche von thematischen Führungen über Workshops für Konfi-Gruppen und Schulklassen bis hin zu Übernachtungen in der Kirche mit Kindergruppen. Durch den ebenerdigen Taufbrunnen angeregt, lassen sich die Teilnehmenden in Workshops und thematischen Führungen inspirieren, über das eigene Leben und die Bedeutung der Taufe im und für das eigene Leben nachzudenken.
Theologische und religionspädagogische Überlegungen »Kennen Sie das Datum ihres Tauftags? Kennen Sie Ihren Taufspruch?« Meist bekomme ich ein verneinendes Kopfschütteln auf diese Fragen. Die Taufe, in den meisten Fällen als Kleinkind und nicht bewusst erlebt, hat es schwer mit ihren Getauften. Wir feiern Jubelkonfirmation, aber nur selten ein Goldenes Taufgedächtnis. Und das nicht nur, weil die Taufe nicht im Klassenverband, sondern als Familienfest begangen wird.
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Dass Taufe ein Prozess ist, der sich durch Höhen und Tiefen des Lebens bis hin zum letzten Atemzug zieht, versuchen wir in Luthers Taufkirche deutlich werden zu lassen: anhand der Symbolsprache des Fußbodens und anhand biografischer Angaben zu Luther. Der Legende nach hat Luther in besonderen Krisenmomenten vor sich auf den Tisch geschrieben: »Baptizatus sum!« – Ich bin getauft! Das heißt, in allen Wirren und Unsicherheiten steht die Zusage Gottes, dem Einzelnen an der Seite zu sein. Jugendliche im Konfi-Alter machen sich im günstigsten Fall selbst auf Spurensuche: Zur Vorbereitung der Konfi rmation wird die Taufurkunde in die Hand genommen, werden die Namen der Paten gesucht (wegen der Gästeliste) und wird der Taufspruch gebraucht: entweder, um ihn noch einmal auch als Konfirmationsspruch zu wählen, oder, um bewusst zu entscheiden, welches Bibelwort fortan über dem eigenen Leben als Motto, als Wunsch oder als Zielsetzung stehen soll. Die Zusage Gottes in der Taufe wird Jugendlichen darüber hinaus im eigenen Lebenslauf deutlich. Was habe ich schon erlebt? Und was steht mir noch bevor bzw. was erwarte ich von meinem Leben? Fragen, die im Alter der Konfirmierten an Bedeutung gewinnen, ihnen aber kaum gestellt werden. Dass 13-Jährige bereits ein erfahrungsreiches Leben hinter sich haben, wird bei den Fragen: Freust du dich auf deine Konfirmation? Was wünschst du dir? Was willst du mal werden?, kaum oder gar nicht berücksichtigt.
Die Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre im Zentrum Taufe zeigen aber, dass Jugendliche nur eines kurzen Anstupsers bedürfen, um sich das Zurückliegende zu vergegenwärtigen. Und um etwas weiter zu denken als nur an die Konfirmation und den ersehnten Wunschberuf.
Ablaufplanung ➜ Kirchenraumerkundung zum Thema Taufe TN erkunden zuerst für sich allein den Kirchenraum und legen ihren mitgebrachten Taufspruch an eine Stelle, die dem Inhalt irgendwie entspricht (»Ich bin das Licht der Welt …« liegt vielleicht an der Osterkerze usw.). TN, die noch nicht getauft sind oder die ihren Taufspruch vergessen haben, können sich aus einer Anzahl von Sprüchen einen aussuchen, der ihnen gefällt. ➜ Der Bedeutung der Taufe auf der Spur TN kommen am Taufbrunnen zusammen. Fragen nach dem Woher der Taufe, der Form der Taufe, Kleidung usw. werden geklärt (hier bietet sich auch die Frage nach Form und Aussehen des Taufsteins in der Heimatkirche an). Jesaja 43,1b »Gott spricht: Fürchte dich nicht! Ich habe dich bei deinem Namen gerufen – du bist mein.« liegt für alle lesbar am Rand des Taufbrunnens. Erläuterung, dass die Taufe an jedem Menschen ganz individuell vollzogen wird.
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PRAXISENTWÜRFE
➜ Wer bin ich? Bedeutung des Vornamens TN suchen per Smartphone nach der Bedeutung ihres Namens (das Nachschlagen in Vornamenbücher erfüllt denselben Zweck, dazu braucht man aber mehrere Exemplare, da immer nur ein TN gucken kann). TN füllen einen vorbereiteten Zettel aus und legen ihn an den Rand des Taufbrunnens.
➜ Mein Lebensweg – ein Blick zurück und voraus TN überlegen je für sich, welche wichtigen Ereignisse es bisher in ihrem Leben gab (Geburt, Einschulungm Operation, Geburt der Schwester usw.) und welche Ereignisse sie noch erwarten (Schulabschluss, Fahrerlaubnis, Hochzeit usw.) und schreiben jeweils ein Ereignis auf einen Zettel (ca. 5x15 cm), dabei werden Ereignisse, die direkt oder indirekt mit der Taufe zu tun haben, auf blaue Zettel geschrieben (Taufe Konfirmation usw.) ➜ Die Taufe – was bedeutet sie für mein Leben? TN legen alle Zettel chronologisch untereinander an ihren Namenszettel, dabei wird deutlich, dass die Gestaltung des Fußbodens das Prozesshafte der Taufe unterstreicht. TN nehmen wahr, was die anderen geschrieben haben, ohne es zu kommentieren. Alle TN gehen zu den Stellen, an denen die Taufsprüche liegen, der Spruch wird vorgelesen und kurz erklärt, wieso er gerade hier liegt. TN gehen mit ihren Taufsprüchen zurück zum Taufbrunnen und legen sie an den jeweiligen Lebensstrahl.
➜ »Ich bin getauft auf deinen Namen!« Taufgedächtnis feiern Bei Konfi-Gruppen schließt sich jetzt ein Taufgedächtnis an: Das Wasser wird aus dem Taufbrunnen geschöpft. Jede Konfirmandin, jeder Konfirmand wird je nach Wunsch auf der Hand oder der Stirn mit dem Kreuzzeichen und dem Wort aus Jes 43 gesegnet.
➜ Gute Wünsche für jeden Menschen Bei Schulgruppen ist ein Taufgedächtnis nicht gut möglich, da davon auszugehen ist, dass nur wenige der Schülerinnen und Schüler getauft sind. Hier schließt sich Folgendes an: Die TN bekommen einen schönen selbstklebenden Zettel (grün oder blau, vielleicht sogar eine besondere Form) und schreiben für den jeweiligen rechten Nachbarn oder die Nachbarin einen guten Wunsch für seinen, ihren weiteren Lebensweg auf und kleben ihn auf den Namenszettel. Als Abschluss wird ein allen bekanntes Lied gesungen (z. B. »Ins Wasser fällt ein Stein …«, »Dona nobis pacem«, »Laudate omnes gentes« usw.). Mit einem Schleifenband können der Namenszettel, der Lebensstrahl und der gute Wunsch zusammengerollt und -gebunden und aus der Kirche getragen werden. www.zentrum-taufe-eisleben.de
Simone Carstens-Kant ist Pfarrerin für das Zentrum Taufe in Eisleben.
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»Unsere Hände in Gottes Hand« Familiengottesdienst zum Schulanfang Franziska Reiher
Ablaufplanung Musik zum Eingang Votum und Begrüßung Eingangslied: »Wir sind hier zusammen« (Text und Melodie überliefert, aus »Singt von Hoffnung« Nr. 33) Eingangsgebet Lied: »Hände können fassen« (Text und Melodie Wolfgang Longard aus »Wir freuen uns«, EVA Berlin 1982, 74) Lesung: Jes 42,5–7 Glaubenslied: »Ich glaube: Gott ist Herr der Welt« (Text Peter Spangenberg, Melodie Christian Lahusen; EG Ausgabe für Thüringen und Bayern, Nr. 704) Predigt Lied: Kanon »Gottes Hand hält uns fest« (Text und Melodie Bernd Schlaudt, aus »Das Liederheft – Kirche mit Kindern« KIMMIK 36, 13) Aktion zum Thema – dazwischen Lied »Halte zu mir, guter Gott« (Text: Rolf Krenzer, Melodie: Ludger Edelkötter, aus »Das Liederheft – Kirche mit Kindern« KIMMIK 36, 82) Lied begleitend und zum Abschluss der Aktion: »Gott hält die ganze Welt in der Hand« (Text und Melodie Spiritual) Segnung der Schulanfänger Bekanntmachungen und Abkündigungen Dankopferlied: EG 432,1–3 Fürbittengebet und Vaterunser Schlusslied: »Segne uns, o Herr« (Text und Melodie Kommunität Gnadenthal; EG Ausgabe Thüringen und Bayern Nr. 573) Sendung und Segen Musik zum Ausgang
Votum und Begrüßung Wir feiern diesen Gottesdienst im Namen Gottes, des Vaters, der uns in unserem Leben begleitet. Wir feiern diesen Gottesdienst im Namen Jesu, dem Kinder ganz wichtig sind. Wir feiern diesen Gottesdienst im Namen des Heiligen Geistes, der uns heute hier zusammengeführt hat. Amen. Herzlich willkommen alle großen und kleinen Leute unserer Gemeinde, die sich heute zu diesem Familiengottesdienst aufgemacht haben. Am Eingang seid Ihr und sind Sie mit einem freundlichen Händedruck begrüßt worden. Hier vorn hängen auch zwei große Hände. Hände sind ganz wichtig in unserem Leben: Sie begleiten uns auf dem Lebensweg. Gott sei Dank gibt es Hände, uns ganz fest halten, wenn wir in Gefahr sind. Gott sei Dank gibt es Hände, die uns Liebe zeigen, wenn wir uns danach sehnen. Mit meiner Hand winke ich Euch zum Beginn allen ganz herzlich zu: winken. Winkt doch mal zurück! Zuerst dürfen alle Schulanfänger uns zuwinken. Jetzt sind alle Kindergartenkinder dran. Nun winken uns die Eltern zu. Und nun winken alle Omas und Opas. Jetzt sind die dran mit Winken, für die beruflich oder privat etwas Neues beginnt. Zum Schluss winken uns alle, die noch nicht gewunken haben. Es ist schön, dass wir jetzt nach der Ferien- und Urlaubszeit wieder hier im Gottesdienst zusammen kommen. Klasse, dass Ihr alle da seid! Mit dem ersten Lied wollen wir uns auch gleichzeitig daran erinnern, warum wir hier zusammengekommen sind und in wessen Namen. Wir singen das Lied »Wir sind hier zusammen in Jesu Namen« zweimal hintereinander.
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PRAXISENTWÜRFE
Und wenn ich gestürzt bin, da haben mich Hände aufgehoben und gestreichelt und getröstet, und der Schmerz und der Kummer gingen wieder vorbei. Als ich klein war, haben mich Hände aufgefangen: Ich konnte loslaufen und mich in die Hände von Vater und Mutter, in die Hände von Oma oder Opa werfen … Heute denke ich an unsere Enkelkinder. Wenn sie zu Besuch sind, müssen sie die lange Treppe in unserem Haus meistern. An der Hand von Oma und Opa können die Kinder große Sprünge machen und mehrere Stufen mit einem Mal nehmen. Das macht ihnen großen Spaß.
»Unsere Hände in Gottes Hand« – Predigt im Familiengottesdienst zum Schulanfang In meiner Hand halte ich eine Hand. Sie ist aus Pappmaché, ziemlich fest und bunt bemalt. Es ist eine Kinderhand. Von wem ist diese Hand? Welche Hand hat da wohl »Modell gestanden«? Vor fünf Jahren – genau: am 5. August 2007 – haben meine Frau und ich diese Hand hier in der Petrikirche von Grit – unserer Gemeindpädagogin – und den Kindern des Kindertreffs überreicht bekommen. Es war das Begrüßungsgeschenk zu meiner Einführung, zum Dienstbeginn als neuer Pfarrer in unserer Gemeinde. Im Blick auf unseren Familiengottesdienst, vor allem im Blick auf das Thema HÄNDE fiel mir diese Hand sofort ein. Beim Blick auf die Hand hatte ich gleich so viele Bilder im Kopf. Ich musste daran denken, wie mich die Hand meines Vaters oder die meiner Mutter als Kind festgehalten hat, wenn ich gestolpert bin. Wie mich diese Hände zurückgehalten hat, wenn es gefährlich wurde, beim Überqueren der Straße. Und wie mich die Vater- und Mutter-Hände beschützt haben, wenn ich Angst hatte. Manchmal mussten diese Hände ganz schön fest zupacken. Aber das war gut so, denn sonst wäre vielleicht etwas Schlimmes passiert. Oder wenn ich daran denke, wie ich das Fahrradfahren gelernt habe: Da haben mich helfende Hände gehalten, damit ich nicht hinfalle. Ein besonders schönes Bild habe ich in Erinnerung: wie ich an der Hand meines Vaters über einen Bach gesprungen bin. Das war ein Riesen-Satz. Alleine hätte ich das nie geschafft. Ich wäre ins Wasser gefallen oder hätte mich verletzt. Die starke Vaterhand hat mir den nötigen Schwung und die Sicherheit gegeben – und dann habe ich es geschafft. Ich konnte vom Ast eines Baumes, auf den ich geklettert bin, oder von einer Mauer direkt in die Hände meines Vaters springen und wusste, mir kann nichts passieren. Seine Hände fangen mich auf. Seine Hände halten mich fest. In den Händen des Vaters bin ich ganz sicher!
Und welche Erlebnisse habt Ihr mit den Händen von Vater und Mutter, von Oma und Opa, mit den Händen von Euren Freunden gemacht? Jeder von uns kann auf besondere Erfahrungen zurückschauen. Und manche der Erfahrungen, die wir gemacht haben, verbinden uns – weil es ähnliche Erfahrungen sind. Gut, dass es so starke, kräftige Hände gibt, die uns halten und stützen, Hände, die helfen und heilen, bewahren und trösten, Hände die uns führen und leiten. Das brauchen wir alle, kleine und große Menschen, Kinder und Erwachsene. Und bestimmt habt Ihr auch schon erlebt, wie schön es ist, wenn Ihr mit Euren Händen anderen geholfen habt, wenn Eure Hand gehalten, getröstet, geholfen hat. Die Hand ist schon ein besonderes Zeichen und ein starkes Symbol für Halt und Sicherheit, für Trost und Schutz! Auch wir Großen brauchen eine starke Hand und helfende Hände! Deshalb beten wir: »Der Herr ist mein Hirte. Mir wird nichts mangeln … Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück. Denn du bist bei mir; dein Stecken und Stab trösten mich.« Hier werden Gottes Hände im Bild vom Wanderstab und Kampfstock gezeigt. Der alte Beter dieses Psalms hat erlebt: Gottes Hände halten mich auf der Wanderung durch mein Leben. Gottes Hände schützen mich, wenn Gefahr droht. Deshalb wende ich mich an Gott um Hilfe und Unterstützung. Ich lege meine Hände – nicht in den Schoß – sondern in Gottes Hände und vertraue darauf, dass er mich durch mein Leben führt. Die Liederdichterin Julie Hausmann hat vor 150 Jahren ein inzwischen sehr bekanntes Lied gedichtet: »So nimm denn meine Hände und führe mich bis an mein selig Ende und ewiglich. Ich mag allein nicht gehen, nicht einen Schritt: wo du wirst gehn und stehen, da nimm mich mit.« (EG 376,1) Zu diesem Vertrauen lade ich alle ein – die Kleinen und die Großen. An Gottes Hand kann ich sicher und getröstet gehen durch das ganze Leben. Ich habe eine starke Hand an meiner Seite. An der kann ich mich festhalten. Gottes Hand gibt mir Halt und Sicherheit – im Leben und auch über den Tod hinaus. Amen.
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Wir singen nun miteinander den Kanon: »Gottes Hand hält uns fest, wie ein Vogel im Nest, so sind wir all geborgen«
und segne Euch auf allen Lebensweg. (persönliche Segnung jedes Kindes unter Handauflegung) An den Segen Gottes erinnert Euch ein kleines Geschenk: Hier seht Ihr eine Hand, die uns an die Hand Gottes erinnert. Diesen Anhänger könnt Ihr an Euren Schulranzen hängen.
Fürbitten und Vaterunser
Einleitung zur Aktion Gottes Hände halten uns – das ist gut zu wissen, nicht nur für die Kleinen in unserer Gemeinde, auch für die Großen. Aber ich denke, für die Kinder und Schulanfänger ist es besonders wichtig. Wir wollen das jetzt für alle sichtbar machen: Alle, die mögen, zuerst aber die Kinder, dürfen jetzt nach vorn kommen und ihre Hand in die große Gotteshand hineinlegen. Es gibt Helfer, die malen eure Handinnenflächen mit Fingermalfarbe an (keine Angst, die Farbe ist auswaschbar!). Dann könnt ihr zu dem Bild mit den großen Händen gehen und eure Hand symbolisch in Gottes Hand legen. Danach geht ihr zur Waschstraße und wieder zurück an euern Platz. Die Gemeinde begleitet uns mit dem Lied: »Gott hält die ganze Welt in seiner Hand …«
Lieber Gott, wir bitten dich heute besonders für diejenigen, für die mit dem neuen Schuljahr auch ein neuer Lebensabschnitt begonnen hat: Wir bitten dich für die Schulanfänger, die Lehrerinnen und Lehrer, für alle, die in Erziehung, Lehre und Ausbildung, Betreuung und Begleitung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen tätig sind. Halte deine Hände schützend über sie. Fördere alles ehrliche Bemühen und allen Einsatz um Bildung und Erziehung in Familien, Schulen und Kirchgemeinden. Schenke allen, die pädagogisch tätig sind, Mut und Weisheit, Kraft und Durchhaltevermögen, Liebe und Verständnis im Umgang mit den ihnen anvertrauten Menschen. Schenke den Eltern die Gelassenheit, dass sie ihre Kinder getrost loslassen können – auf ihren Schulwegen und allen Lebenswegen. Lieber Gott, wir danken dir dafür, dass deine liebevollen Hände uns halten und schützen. Vertrauensvoll beten wir zu dir als deine kleinen und großen Kinder: Vater unser im Himmel … Amen. Segen Gottes Segen sei vor Euch, um Euch den Weg zu zeigen. Gottes Segen sei neben Euch, um Euch zu begleiten. Gottes Segen sei hinter Euch, um Euch zu schützen. Gottes Segen sei über Euch, um Euch zu bewahren. So segne Euch Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Franziska Reiher arbeitet als Gemeindepädagogin in der Petri-Schloss-Kirchgemeinde Chemnitz. Segnung der Schulanfänger Gottes Hände spüren wir besonders deutlich im Segen. Dabei zeigen die segnenden Hände die Nähe Gottes und den Schutz Gottes, den wir nun für die Schulanfänger erbitten. Wir sprechen Euch nun den Segen Gottes zu. Gott segne und beschütze euch auf den neuen Wegen eures Schullebens. Gott beschütze
Der Gottesdienst wurde im Jahr 2012 in der Petrikirche in Chemnitz, Sachsen, gefeiert, Predigt: Pfarrer Hans-Jürgen Kutter, Chemnitz, Petri-Schloss-Kirchgemeinde.
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PRAXISENTWÜRFE
ERNTEDANK DES LEBENS Bausteine für die Erwachsenenbildung
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Christine Ursel
Alle Jahre wieder – Erntedank! Für Kinder in der Kirche ein Fest der Sinne, für Erwachsene eher ein Relikt aus guten alten Zeiten, als die Kartoffeln noch vom Bauern und nicht aus dem Supermarkt kamen. Hat Erntedank an Charme verloren – in unserer Zeit der Agrarindustrie und der hochtechnologischen Lebensmittelproduktion und im Zeichen globaler Märkte? Nach wie vor sind die Gottesdienste an Erntedank in den Kirchen in der Regel gut besucht. Vielleicht liegt es daran, dass die Altäre schön geschmückt sind und etwas für Augen, Herz und Ohr geboten wird. Oft wirken Kinder mit, die Gaben in einer Prozession zum Altar bringen. Oder Kindergartenkinder tragen ein fröhliches Lied vor, das uns anrührt, weil es an die eigene Kindheit erinnert und an das elementare Wunder des Wachstums und Gedeihens. Auch
wenn wir selbst nicht mehr »pflügen und streuen«, wie es das bekannte Kirchenlied von Matthias Claudius (EG 508) beschreibt, spricht uns der Refrain an: »Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn, drum dankt ihm, dankt, drum dankt ihm, dankt und hofft auf ihn.« Erntedank für Erwachsene bietet vielfältige Aspekte, die sich in verschiedenen Formen und Formaten gemeindepädagogischer Arbeit konkretisieren können. Im Folgenden werden nebeneinander verschiedene inhaltliche und methodische Ideen – einem reich gefüllten Erntedankkorb gleich – vorgestellt und dem ABC nach buchstabiert. Es kommt darauf an, das herauszugreifen, was für die Menschen vor Ort, die konkrete Situation und das Setting der Veranstaltung stimmig ist. Der Ideen-
korb kann nur Impulse geben für das Entwickeln eigener bewusst geplanter und reflektierter Praxis. Er befreit einen nicht vom Nutzen des eigenen pädagogischen Handwerkszeugs, genauso wie die Früchte des Feldes im Erntedankkorb verarbeitet werden müssen, damit sie mundgerecht und bekömmlich sind. Je nach Zielsetzung kann auch der didaktische Ort einer methodischen Idee vielfältig sein. Manches lässt sich als Einstieg, aber auch als Form der Verarbeitung oder Sicherung nutzen. Mit der eigenen Erfahrung, etwas Fingerspitzengefühl für die Stimmigkeit und einem spielerischen Probieren lassen sich aus den präsentierten methodischen Ideen und eigenen Impulsen viele anregende Veranstaltungen für Erwachsene entwickeln und gestalten – nicht nur zu Erntedank.
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A
Akrostichon Zentrale Begriffe aus den Anfangsbuchstaben buchstabieren (Einzelarbeit, anschließend im Plenum präsentieren), z. B. ERNTE = E wie Einfach, R wie Reichtum, N wie Natur, T wie Technik, E wie Erfolg …; damit kann die Weite und Breite eines Themas gut für die eigene Person fokussiert werden, die persönliche Relevanz wird sichtbar. Wichtig ist, dass die Ergebnisse nicht von anderen bewertet werden, sondern als individueller Ausdruck und im Sinn einer Momentaufnahme gewürdigt werden.
B
Bildkarten Fotokarten als Bildimpuls erleichtern den Gesprächseinstieg oder können gut in der Anfangsrunde verwendet werden, um sich gleichzeitig persönlich und thematisch vorzustellen. Große Anzahl von Bildern auslegen, ein (max. zwei Bilder) auswählen lassen mit der Frage: Was spricht im Moment besonders an? Wenn ich an Dank denke? Evtl. kann man auch dem Bild einen Titel geben.
C
Charme-Offensive Anregung zur Einzelarbeit: Wenn ich ohne Scheu und falsche Scham über mein eigenes bisheriges Leben in den höchsten Tönen lobend schwelgen sollte, was sind die Aspekte, Erfolge, Eigenschaften, die meinem Leben Glanz verleihen? Welche Komplimente würde ich mir selbst aussprechen?
D
Dreiklang In Dreier-Gruppen: Eine Person erzählt, wie sie eine schwierige Situation einmal gut bewältigt hat. Die beiden anderen hören zu und schreiben mit, welche Kompetenzen und Stärken die Person damit gezeigt hat. Diese zwei Listen der Kompetenzen werden im Anschluss der Person, die erzählt hat, vorgelesen (akustisch zum Klingen gebracht) und ihr geschenkt. Dann wechseln die Rollen durch, bis alle erzählt haben.
E
Ein ganzes Leben Ich habe nur ein Leben – der Begriff »Work-Life-Balance« suggeriert, dass ich ein Arbeits- und ein davon getrenntes Privatleben hätte, die ich beide balancieren muss. Vielmehr habe ich EIN Leben, in dem ich verschiedene Bereiche im Spiel habe (mehr unter: J wie Jonglieren).
F
Früchte des Lebens Vorbereitet sind verschiedene Früchte – harte Nüsse, schöne Äpfel, schrumpelige Äpfel, Hagebutten mit Dornen u. ä. Die Anwesenden suchen sich eine der Früchte aus. Diese legen sie nacheinander auf ein in der Mitte stehendes Silbertablett – still oder mit Worten. Das kann als Andacht auch in der Kirche stattfi nden; dann werden die »Früchte des Lebens« auf den Altar gelegt – real oder (falls die versammelte Gemeinde zu zahlreich ist) in Gedanken.1
G
Garten Eine Metapher mit Leben füllen: Wenn mein Leben ein Garten wäre, wie würde er aussehen? Was gibt es dort alles? Wie groß ist er? Wodurch ist er begrenzt? Was passiert dort? Wie wird er gepflegt? Was wird dort geerntet? Aufgabe: Selbst ein Bild des »eigenen« Gartens malen oder mit Worten beschreiben. Im Anschluss sich wertschätzend in Kleingruppen (mit wohlwollendem Nachfragen) austauschen. Abschluss: eine Antwort finden auf die Frage: Worauf wartet mein Garten?
H
Haiku Die traditionelle japanische Gedichtform mit 17 Silben ermöglicht, innerhalb kurzer Zeit, ohne Reim, konkret und auf die Gegenwart bezogen, als offene Form etwas auszudrücken. In drei Wortgruppen von 5 – 7 – 5 Lauteinheiten (in drei Zeilen untereinander) können z.B. persönliche Erkenntnisse poetisch gefasst, verdichtet und gebündelt werden. Sie bleiben offen und können so gut auch im Plenum veröffentlicht werden.
I
Interessenslagen Eine Landschaft der eigenen vielfältigen Interessen entwerfen – als Landkarte mit dem Blick von oben (z. B. auf Papier oder als Plakat); welche »Gegend« habe ich in den letzten Jahren oft besucht, wo bin ich eher selten vorbeigekommen, wo möchte ich mal wieder hin?
J
Jonglieren der Ansprüche Manchmal muss man eine neue Technik lernen, um die Vielzahl der Ansprüche gleichzeitig »in der Luft halten zu können« Jonglieren lernen mit Chiffontüchern – sie bleiben lange in der Luft (Anleitungen im Internet2). Genauso wichtig ist, zu überlegen, welche Ansprüche ich nicht mehr im Spiel haben will, sondern welche ich ablegen will und kann. Das erleichtert das »Spiel«.
K
Konfl ikte sind Verstehenshilfen für das, was mir wichtig ist An Stellen, wo es zu Konfl ikten kommt, sind Werte und Bedürfnisse berührt und/oder gefährdet. Zur Klärung der Konflikte kann es hilfreich sein, dem nachzugehen, was hinter dem Konflikt steht. Worum geht es wirklich? Da werden die eigenen Werte, die ich hochhalte, schnell sichtbar. Denn nur für etwas, was mir etwas bedeutet, gehe ich in den Konflikt. Konfliktlinien können so Hinweisschilder für persönliche Schätze sein.
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PRAXISENTWÜRFE
L
Lieder: Mit Liedern lässt sich vielfältig arbeiten, z. B. »Von Gott kommt diese Kunde: mein Leben ist ein Fest« (EG 614, Regionalteil BY/TH) – Ein Manifest des eigenen Lebens schreiben lassen (Besonders Vers 2: einen auf Papier kopierten »Lebensrahmen« mit dem füllen, was mein Leben ausmacht und zu einem »Fest« macht), z. B. »Du bist da, wo Menschen leben« (Liederbuch »Kommt, atmet auf«, 058) – Neue Strophen dazu fi nden durch neue Verben und gemeinsam singen.
M
Musik als Ausdruck des Lebens: Der Dokumentarfi lm »Das Lied des Lebens. Erstaunlich, was man plötzlich alles kann« von Irene Langemann 3 zeigt, wie der Komponist Bernhard König gemeinsam mit alten Menschen erarbeitet, welche Lieblings- und Lebenslieder ihr Leben am besten zum Ausdruck bringen. Darin geschieht Würdigung des individuellen Lebens, mit allem was an Leid, Liebe, Lust und Leidenschaft dazugehört.
N
Namen sammeln Manchmal steht auf Homepages unter dem Profil der vorgestellten Person eine Liste mit Namen, die diesen Menschen geprägt haben und ihm auf dem eigenen Weg unterstützt haben, von denen sie viel gelernt hat. Eine eigene Liste zusammenstellen mit Namen von solchen für mich wegweisenden Menschen, von Menschen, denen ich dankbar bin. Anregung: Mit wem würde ich gerne Kontakt aufnehmen und dies diesem Menschen mitteilen und wie? Ich verdanke mich nicht mir selbst, …
O
Orte meines Lebens Eine geografische Biografie nachvollziehen mit der Markierung der Lebensstationen und der wichtigen Orte im Lebenslauf auf einer Karte oder durchs eigene Skizzieren. Auch wichtige Reisen könnten in den Blick kommen, Orte von wichtigen Entscheidungen, Lieblingsorte, Kraftorte, …
P
Perspektivenwechsel In einem Korb finden sich verschiedene Lebensmittel. Alle haben die Aufgabe, wie in einer Koch-Show aus den vorhandenen Lebensmitteln mit etwas Fantasie ein interessantes Menü zusammenzustellen. Jede und jeder schreibt dies auf einen Zettel und präsentiert anschließend den eigenen Vorschlag. Dabei wird die individuelle Lösung der Aufgabe deutlich: Aus dem, was mir gegeben ist, kann vieles und Unterschiedliches entstehen. Es liegt an mir, was ich daraus mache. Wie geht es mir mit den anderen Perspektiven der anderen Menü-Karten?
Q
Quellen der Ermutigung Welche Worte, Redensarten, Sätze, Flursprüche, Bibelzitate, usw. haben mein Leben begleitet und mich ermutigt? Weiß ich meinen Konfi rmationsspruch noch? Wie sehe ich ihn heute? Wer hat mir mit welchen Worten Mut gemacht? Eine anregende Sammlung mit kurzen biografischen Bezügen findet sich in dem Buch »Starke Sätze«, hrsg. von Margot Käßmann, gesammelt aufgrund einer Initiative der Zeitschrift chrismon. Diese Worte in einer Gruppe zu sammeln und sich darüber auszutauschen, kann sehr tief verbinden. Auch auf einem Fest z.B. bei einem runden Geburtstag können Gäste diese Sätze auf Karten schreiben. Nach dem Fest werden alle Sätze dokumentiert und an die Gäste als Geschenk versandt. Oder in einer Andacht ist dies gut aufzunehmen.4
R
Rituale im Alltag Gesprächskette: Welche Rituale prägen meinen Alltag? (Einzelarbeit) – Welche Rituale haben mir als Kind gut getan? (Gespräch zur zweit) – Welche Rituale würde ich gerne für mich entwickeln? (Wachsende Gruppe: zwei Paare) – Ideenkorb für ungewöhnliche Rituale (Plenum), …
S
Spirituelles Schatzkästchen In einer Schachtel oder Schatzkiste o. Ä. werden Dinge, Texte, Musik, Erinnerungsstücke zusammengestellt, die einem persönlich viel bedeuten und einen durchs Leben begleiten und tragen. Immer wieder aktualisieren, z. B. mit dem Tagebuch der guten Stunden.
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Tagebuch der guten Stunden Anregung als Vorrat für trübe Tage: Ein kleines Büchlein anlegen, in dem frohe Momente, schöne Erlebnisse, glückliche Ereignisse (mit Datum) aufgeschrieben werden.
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Und was noch? Spätestens seit dem Kino-Film »Das Beste kommt zum Schluss« (2007) ist sie bekannt, die »bucket-list« (wie der Film im Original hieß): die Liste mit Dingen, die ich noch machen will, bevor ich »den Löffel abgebe« (bucket = engl. Löffel). Es lohnt sich, schriftlich auf einem kleinen Zettel zehn solcher Dinge zu notieren, diesen Zettel mit mir zu führen und dafür zu sorgen, dass ich nach und nach Punkte von der Liste abhaken kann.
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Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft Erntedank als Lebenshaltung richtet sich nicht nur in die Vergangenheit als Ergebnissicherung. Erntedank macht deutlich, was mich zu dem Menschen hat werden lassen, der ich heute bin. Und: Erntedank ist damit auch ein Ausblick auf die Zukunft, weil ich schauen und antizipieren kann, was sich noch entwickeln wird.
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Wertschätzende Erkundung (Appreciative Inquiry) Diese Methode aus der Organisationsund Teamentwicklung geht nicht von der Analyse des Problems und von Defiziten aus, sondern von dem, was gelungen ist, was schon da ist. Es geht um die Wertschätzung des Besten im Menschen, das Heben von Schätzen, Bejahen von Stärken und Potenzialen. Die »Juwelen« wertschätzend erkunden durch gezielte Fragen ist die Basis für alle weiteren Entwicklungsschritte. Eine Wertschätzende Erkundung in wechselseitigen Paar-Interviews mit Leitfragen kann auf einen »Erntedank« zielen und Ausgangspunkt für die eigene weitere Lebensgestaltung sein.
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x Jahre = Psalm x Die Psalmen spiegeln das Leben mit seinen Höhen und Tiefen. Und es gibt so viele, dass für alle Jahre eines Lebens mindestens einer da ist. Eine Anregung: immer den Psalm in den Blick zu nehmen, der meinem Lebensalter entspricht (z. B. wenn ich 34 Jahre alt bin, dann den Psalm 34 immer mal wieder anschauen), zu meditieren. Oder ich gehe frei auf die Suche nach einem Psalm, der gerade gut in mein Leben passt, oder gehe einer vorgegebenen Ordnung nach.
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Y-Modell Ein Ypsilon entsteht, wenn zwei Linien in eine Linie münden. Ich selbst bin entstanden durch die Liebe zweier Menschen: Was habe ich an Gutem von den beiden Familien väterlicherseits und mütterlicherseits mitbekommen und mitgenommen? Was habe ich daraus gemacht? Was könnte ich noch daraus machen? Auf einem Papier mit einem großen Y sammeln.
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Zehn-Jahres-Buch Tagebuch einmal anders: Pro Seite gibt es einen Tag. Dieser Tag hat jeweils zehn Zeilen, für jedes der zehn Jahre eine, in die ich kurz wichtige Ereignisse aufschreiben kann.5 Im Lauf der Jahre entsteht ein Blick auf die Dinge, die alle am gleichen Tag in den unterschiedlichen Jahren passiert sind. Ein synoptischer Blick auf eine ganze Lebensdekade.
Das ganze Leben von A bis Z – alles kann und will Ausdruck und Gestaltungsraum einer Erwachsenenbildung sein, die Menschen als Subjekt ernst nimmt. So verstanden bieten sich viele Gelegenheiten für Biografiearbeit, die nicht erst am Ende des Lebens greift. Sie trägt vielmehr dazu bei, zu allen Zeiten und in allen Phasen des Lebens Leben zu deuten und zur Gestaltung der eigenen Möglichkeiten zu ermutigen. Das gilt auch für die Mitarbeitenden in der Erwachsenenbildung selbst. Eine »lebensmutige Biografiearbeit« will Menschen anregen, anleiten und begleiten, ihr Leben selbst in den Blick zu nehmen: Vergangenheit verstehen – Orientierung gewinnen, Gegenwart begreifen – Kompetenzen stärken und Zukunft gestalten – Perspektiven eröffnen.6 Und das Ganze im Kontext Gottes – wie in dem Lied von Matthias Claudius: »Alle gute
Gabe kommt her von Gott dem Herrn, drum dankt ihm, dankt, drum dankt ihm, dankt und hofft auf ihn.« Eine Bestärkung, die sich auch und gerade in Konfl iktsituationen und Krisenzeiten bewähren kann.
Christine Ursel ist Fortbildungsreferentin im Diakonischen Werk Bayern. www.diakoniekolleg.de
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http://www.zentrum-verkuendigung.de/nc/material/downloads.html?tx_abdownloads_pi1%5Baction%5D =getviewclickeddownload&tx_abdownloads_pi1%5Buid%5D=142 (mit Gebetstext)
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http://www.cms-bitforbit.com/newsimages/3.3_Jonglieren_mit_Tuechern.pdf
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http://daslieddeslebens.lichtfilm.de/
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http://www.diakonie-bayern.de/aktuelles/diakonie-macht-sinn-jahresthema-20132014/diakonie-machtsinn-andachtsreihe.html – 4. unter N wie Navigation
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z.B. »Zehn Jahre Leben – Wegbegleiter« aus dem Präsenz-Verlag – im Buchhandel.
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www.lebensmutig.de
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PRAXISENTWÜRFE
Friedensandachten mit Jugendlichen Anregungen aus der Arbeit mit der Besinnungsbox »Gesegnete Unruhe« der Friedensdekade Dieter Wiggers
Wir sitzen im Kreis. In der Mitte wird eine Lichttüte mit dem Motto der Friedensdekade vom Licht einer Kerze erhellt. Daneben liegen drei Stapel mit je 15 Karten bereit. Die Andacht kann beginnen. Mit Jugendgruppen die Friedensdekade zu begehen – dies will die »Besinnungsbox« mit dem Titel »Gesegnete Unruhe« anregen und ermöglichen. Die Box im Format DIN A 5 enthält jeweils 15 Karten mit Fotos, Texten und Methoden für Kurzandachten. Neben der Ritualkarte, die Schritt für Schritt den Ablauf der Andachten absteckt, sind mehrere Weg-, Bild-, und Textkarten vorhanden. Bei jeder Andacht kommen in der Regel eine Wegkarte, eine Bildkarte und eine Textkarte zum Einsatz, die laut Hinweis der Ritualkarte während der Andacht spontan aus dem verdeckten Stapel gezogen werden. Die Wegkarte enthält neben methodischen Hinweisen, wie Bild- und Textkarte miteinander in Beziehung treten, jeweils ein Gebet. Die Herausgeber erklären, dass mit dieser Besinnungsbox eine Andacht gestaltet werden kann, die keine Vorbereitung erfordert. Das Einzige, was bei einigen Andachten gebraucht wird, sind Stifte und Papier. Auch benötigt man für die beiliegende Lichttüte eine Kerze oder ein Teelicht. Aber dann kann’s losgehen. Dies kann in einigen Gruppen gelingen. In manchen aber, weiß ich, kann ich das Material nicht ein-
fach so in die Gruppe werfen. Hier bedarf es entsprechender Vorbereitung der Gruppe selbst. Meine Aufgabe besteht zunächst darin, die Jugendlichen aus der zerstreuten Unruhe in eine gesammelte Ruhe zu führen. Nachdem ich die Karte mit der Beschreibung zur Hand genommen habe, kann ich mir sehr schnell eine Vorstellung davon machen, wie diese Friedensgebete ablaufen. Mein erster Eindruck: Manche Bilder haben eine deutliche Aussage, die spontan in die Augen springt. Andere brauchen Zeit und einige wenige viel Spekulation. Die Texte sind – beim ersten Überfliegen – stärker. Gespannt bin ich, ob und wie die Gruppen mit ihnen umgehen werden. Ich frage mich auch, ob ich die Bilder evtl. vergrößert präsentieren sollte (Beamer) und die Texte für jeden kopiert oder auch für alle sichtbar an die Wand projizieren muss, so dass die Teilnehmenden die Texte mitlesen und nachlesen können. Aber erst einmal lege ich so los: in einer Gruppe von acht Jugendlichen im Alter von 14 Jahren – kirchlicher Unterricht. Ich kenne die Gruppe noch nicht sehr lange – aber die Jugendlichen wissen, dass wir in der Regel mit einer Art Andacht beginnen, durchaus sehr unterschiedlich gestaltet. Ich erkläre ihnen den Sinn des Mottos der Frie-
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Die Besinnungsbox »Gesegnete Unruhe« kostet 24,80 Euro. Zu beziehen bei www.friedensdekade.de. Hier gibt es auch das Ergänzungsset sowie eine Lichttüte mit dem Motto 2014.
densdekade, das auf der Lichttüte steht, und die Jugendlichen lassen sich darauf ein. Dass keine absolute Konzentration erreicht wird, wie man sie von Erwachsenengruppen kennt, halte ich aus. Das Bild bringt die Jugendlichen zum Reden. Der Text ist schwieriger, erfordert ein wiederholtes Vorlesen und einige Erläuterungen. Wahrscheinlich wäre es besser, wenn die Jugendlichen den Text vor Augen hätten, denke ich. Das abschließende Gebet spricht mich an. Vielleicht brauchen die Form und die Medien eine gewisse Übung, denke ich, und nehme mir vor, mit dieser Gruppe eine weitere Andacht zu gestalten. Die Bereitschaft in der darauffolgenden Woche ist spontan da. Nun muss ich auch nicht noch einmal auf den Ablauf und auf die innere Haltung eingehen – es funktioniert. Das Entzünden der Kerze markiert deutlich den Beginn der Andacht und wird von den Jugendlichen auch so verstanden. Die Bildkarte zeigt sich als guter Einstieg. Wahrnehmungen und Empfi ndungen werden spontan genannt. Der Text setzt inhaltlich einen weiteren Akzent. Der Gruppe fällt es schwer, Bild und Text zueinander in Verbindung zu bringen. Nachdem das Gebet der Wegkarte – für sich genommen gut formuliert und inhaltsstark – nun aber noch einen anderen Aspekt zum Ausdruck bringt, bin ich mir sicher, dass die zufällige Zuordnung von Weg-, Bild- und Textkarte eine Herausforderung darstellt, der nicht jede Gruppe gewachsen sein dürfte. Unter den Karten eine Vorauswahl zu treffen, scheint für Gruppen wie diese geboten und hilfreich zu sein. Aufgrund meiner ersten Erfahrungen mit der Besinnungsbox in verschiedenen Gruppen kann ich sagen: Viele Bildkarten sind ein guter Einstieg und durchaus in der Lage, junge Menschen zu Äußerungen zu bewegen. Bei kleinen Gruppen ist es gut möglich, die Bildkarte herumzureichen. Für größere Gruppen ist zu überlegen, ob die Bilder evtl. eingescannt per Beamer an die Wand projiziert werden sollten. Für die Texte kann Ähnliches gelten: Mit einer Kopie in der Hand ist es den Jugendlichen evtl. eher möglich, den Text genauer wahrzunehmen.
Gruppenleiter sollten sich die Freiheit nehmen, evtl. jeweils einige der Karten auszuwählen, um ihre Gruppe nicht zu überfordern. Während manche Bildkarten für ältere Gruppen eher zu einfach sind, sind die Texte für jüngere Gruppen bisweilen etwas zu anspruchsvoll. Für einen spontanen Zugriff eignen sich in ungeübteren Gruppen nicht alle Texte. Aber genau das macht sie aus meiner Sicht auch wertvoll. Nur braucht man dafür mehr Zeit und die Möglichkeit, den Text intensiver wahrzunehmen. Und nicht jede Methode wird zu jeder Gruppe passen. Ich habe während der Andachten die Methoden auch schon mal spontan geändert. Die Zuordnung von Weg-, Bild-, und Textkarten dem Zufall zu überlassen, funktioniert in gut harmonisierenden Gruppen. Was bleibt: Die Besinnungsbox bietet eine schöne und vielfältige Sammlung von brauchbaren Bildern, starken Texten, schönen Gebeten und manchen hilfreichen Methoden – eine Fundgrube auch für andere Formate außerhalb der Friedensdekade. Man darf gespannt sein auf das erste von zwei geplanten Ergänzungssets, das ab Sommer 2014 jeweils sieben weitere Bilder, Texte und Methoden bereithält. Und: Hat man die Box einmal zur Hand, dann macht sie Mut, es doch mal wieder zu versuchen: die Friedensdekade und ihre Anliegen in der Jugendgruppe oder in einem anderen Gemeindekreis zu thematisieren. Sie ist eine wertvolle Anregung, Andachten zur Friedensdekade mit Jugendlichen zu gestalten.
Dieter Wiggers ist Gemeindepastor der Ev.-altreformierten Kirchengemeinde in Nordhorn mit Lehrauftrag in der Schule.
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Wozu zählen …? – Vom Nutzen von Statistiken für die gemeindepädagogische Praxis Fachtagung der Zeitschrift Praxis Gemeindepädagogik und des Amtes für kirchliche Dienste (AKD) in der EKBO – ein Rückblick Matthias Röhm und Matthias Spenn
»Nicht Antwort auf alle Fragen haben, sondern die richtigen Fragen stellen können …!«, stand am Ende der Fachtagung auf einem Kärtchen eines Teilnehmers oder einer Teilnehmerin als Quintessenz aus den Impulsreferaten, Projektvorstellungen und gemeinsamen Diskussionsrunden, Pausengesprächen und dem Austausch in Kleingruppen auf der Fachtagung »Wozu zählen ..?« am 16. Mai 2014 in Berlin. Mehr als 20 Menschen aus Studium, Lehre und Praxis der Gemeindepädagogik, der kirchlichen Arbeit mit Kindern, der Jugendarbeit und Religionspädagogik, aus Fort- und Weiterbildung diskutierten gemeinsam über Statistiken und Erhebungen und alles, was zur Theorie und Praxis statistischer Erhebungen gehört. Und immer wieder tauchte die Frage auf nach dem Nutzen und der Nutzerperspektive, ausgelöst auch von den beiden Einstiegsreferaten.
Dr. Jens Pothmann vom Forschungsverbund des Deutschen Jugendinstituts (DJI) und der TU Dortmund berichtete von der Neukonzeption der amtlichen Statistik über die Kinderund Jugendarbeit und Dr. Leila Akremi von der TU Berlin stellte sich der Frage nach dem Nutzen von Statistiken für die Praxis. Jens Pothmann gab am Beispiel der Neukonzipierung einer amtlichen Statistik einen Einblick in die Komplexität und den wechselseitigen Bezug von Fragestellung, Erhebungskonzeption, Instrumentenentwicklung und Kommunikation unter steter Beachtung der Nutzerperspektiven. Leila Akremi zeigte, dass Statistiken nicht nur der Erhebung von Daten über Angebote oder Teilnehmerzahlen dienen können, sondern etwa auch, um Informationen zu erhalten über Beziehungsgeflechte in Netzwerken oder über Entwicklungsperspektiven für Bibliotheken.
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Auch sie machte deutlich, wie eng die Klarheit über das leitende Interesse, die Fragestellung, das Vorgehen und die Kommunikation mit allen Beteiligten miteinander zusammenhängen. Motivation und Kommunikation, Akzeptanz und die Einnahme der Nutzerperspektive sind elementare Bausteine, die eine gute Erhebung ausmachen und zum Gelingen beitragen. Dies wurde bestätigt am Beispiel der Entwicklung und Einführung einer neuen Statistik zur evangelischen Kinder- und Jugendarbeit der Arbeitsgemeinschaft der evangelischen Jugend in Deutschland e. V. (aej). Thomas Aßmann, Kinder- und Jugendpfarramt der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (Magdeburg) und Mitglied der aej-Projektgruppe, berichtete von der Konzeption dieser Erhebung und der Anlage des Erhebungsbogens sowie über das Vorgehen. Dabei ergab sich eine Reihe brisanter, noch offen scheinender Fragen nach Konzeption, Kommunikation und Auswertungsstrategie. Simone Merkel, Studienleiterin im AKD in der EKBO, stellte eine aktuelle Erhebung über die Arbeit mit Kindern in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz vor. Einen Schwerpunkt in ihrem Beitrag bildeten vor allem die Klärungsprozesse in der Entwicklungsphase des Projekts: die Verständigung über die Grundgesamtheit (Worum geht’s und was gehört dazu?) sowie über die Anlage und Konzeption der Studie (Was soll bzw.
kann wie erhoben werden?). Deutlich wurde: Indem Kategorien für die Erfassung von Wirklichkeit entwickelt werden, hat das Auswirkungen auf diese Wirklichkeit und die Reflexion darüber. Von entscheidender Bedeutung war zugleich, dass in jeder Phase Wert auf transparente Kommunikation und Motivation der Praktikerinnen und Praktiker als Adressaten und Nutzer des Erhebungsinstruments sowie auf die zeitnahe Diskussion vorliegender Auswertungsergebnisse gelegt wurde. In der anschließenden Diskussion wurde mehrfach auf das enge Wechselverhältnis von Statistik und Organisationsentwicklung hingewiesen: Um Daten zu erheben, bedarf es einer grundständig entwickelten Kommunikations- und fachlichen Unterstützungsstruktur. Zugleich wirken sich Datenerhebung und Auswertung unmittelbar auf die den Gegenstand betreffende Organisation sowie die Weiterentwicklung des Arbeitsfeldes aus. In diese Richtung ging auch der Beitrag von Dr. Nicola Bücker vom Comenius-Institut, evangelische Arbeitsstätte für Erziehungswissenschaft e. V., Münster, mit einem Bericht zu Überlegungen und ersten Studien zu einer »Evangelischen Bildungsberichterstattung«. Zusammenfassend konnte festgestellt werden, dass statistische Erhebungen über evangelische Bildungspraxis nur gelingen können, wenn von Beginn an Transparenz und Klarheit über das leitende Interesse der Initiatoren besteht. In der Praxis werden Erhebungen und Statistiken oftmals kritisch betrachtet bzw. problematisch erlebt, weil nur selten ein Gewinn für die eigene Praxis davon erwartet bzw. vermittelt wird und weil Statistiken oft primär als Instrument der Überwachung der eigenen Arbeit und ihrer Qualität befürchtet werden. Das löst Ängste aus, blockiert die Motivation und beeinträchtigt immer auch die Qualität der Datenakquise. Ermunternd war dagegen das Votum eines Referenten, die Chancen von Statistiken in den Vordergrund zu stellen: Sie dienen dazu, anhand von Zahlen besser zeigen zu können, was ist und was getan wird. Dies wird immer wichtiger für die Kommunikation nach außen wie auch innerkirchlich. Und nicht zuletzt für die Akteure selbst, um die eigenen Stärken, aber auch rechtzeitig Probleme und Entwicklungsnotwendigkeiten zu erkennen, also als Chance, Gutes noch besser machen zu können.
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GEMEINDEPÄDAGOGISCHES FORUM
Die Pfarrerin oder der Pfarrer vor Ort stehen in der Wahrnehmung der Menschen wie keine andere Berufsgruppe für die Kirche. Die kürzlich veröffentlichte fünfte Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung bestätigt dies erneut. Zugleich gibt es vermutlich nur wenige Berufe, die mit so vielen Vorurteilen und Klischees belegt sind. Aktuelle Fernsehserien und -fi lme spielen uns diese immer wieder vor, sei es als Abbild oder bewusst als inszeniertes Gegenbild. Eine Ausnahme in der medialen Darstellung des Pfarrberufs bildet der 2012 bis 2013 im Evangelischen Predigerseminar in Wittenberg gedrehte Dokumentarfilm »Pfarrer«, der seit April 2014 in den Kinos läuft. Die sich selbst als Athe-
isten bezeichnenden Dokumentarfilmer Chris Wright und Stefan Kolbe haben mit Vikarinnen und Vikaren ihren Ausbildungsalltag geteilt und ihren Weg in den Pfarrberuf begleitet. Ohne vorgefertigtes Drehbuch im Kopf gefilmt und ohne Kommentare und Erklärungen aus dem Off arrangiert, ist ein bewegender Film entstanden. Ein Film, der gerade auch diejenigen, die wenig mit dem Glauben anfangen können, zu einer Begegnung mit Vikarinnen und Vikaren und ihrem Glauben, ihren Fragen, ihren Gewissheiten, ihrem Weg in diesen Beruf einlädt. PGP-Redakteur Lars Charbonnier hatte die Möglichkeit, mit den beiden Filmemachern zu sprechen:
»Und da hab ich gemerkt, dass es für viele der Vikarinnen und Vikare schwer ist, eine Welt ohne Gott zu denken.« Zwei atheistische Dokumentarfilmer im Gespräch über ihr neuestes Werk »Pfarrer« Worum geht es in Eurem Film »Pfarrer«? Chris Wright: Es geht um Gottesbeziehungen, um gelebten Glauben, um die Frage ›Wofür braucht der Mensch Gott?‹. Nun habt Ihr nicht Menschen an sich gefragt, sondern Pfarrer, speziell Vikarinnen und Vikare. Warum? Chris Wright: Wir haben nach einem Ort oder nach einer Zeit gesucht, wo diese Fragen im Raum stehen, wo Menschen im Prinzip gezwungen sind, sich mit den Fragen auseinanderzusetzen, also Fragen wie: ›Was ist mein Glaube? Wie funktioniert mein Glaube für mich?‹. Wie seid Ihr auf die Idee zu dem Film gekommen? Chris Wright: Wir haben in den letzten Jahren gemerkt, dass wir bei der Recherche für unsere Filme häufig bei den Dorfpfarrern gelandet sind. Sie kennen sich mit den Menschen
vor Ort und mit ihrer Mentalität aus, sind aber gleichzeitig in der Lage, etwas distanzierter und abstrakter darüber zu sprechen. Pfarrer kommen ja häufig von außen, müssen dann zwar einsteigen, aber sie bleiben meistens immer auch Außenseiter. Das war für uns immer schon spannend. Wie seid Ihr konkret auf das Predigerseminar Wittenberg gekommen? Chris Wright: Es war klar, wir brauchen einen Ort, wo diese Prozesse ablaufen. Und wir haben während unserer Recherchen auch den Eindruck gewonnen, dass gerade die lutherische Tradition mit ihrer großen Betonung auf die persönliche Auseinandersetzung mit dem eigenen Glauben für uns etwas bündelt, wonach wir gesucht haben. Es war dann eine persönliche Empfehlung eines Bekannten, die uns nach Wittenberg geführt hat.
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Stefan Kolbe: Es bot sich auch an, weil alle ostdeutschen Kirchen hier zusammenkommen und weil natürlich auch die Stadt in dieser Hinsicht so aufgeladen ist. Letztlich, und das ist schließlich entscheidend, wurde es uns dort eben auch ermöglicht. Der Film fokussiert auf fünf Personen. Nach welchen Kriterien habt Ihr die fünf ausgewählt? Stefan Kolbe: Eine Bauchentscheidung. Es gibt spontane Prozesse, eigentlich so, wie ein Date abläuft: Es gab einen geselligen Abend und dann gibt es immer diesen Moment, wo ich mit Chris rede, und da gibt es sehr kongruente Wahrnehmungen. Man weiß, es muss eine Neugierde sein, etwas Geheimnisvolles vielleicht, etwas Unberechenbares vielleicht auch, das ist auch ganz persönlich. Und sie müssen einen Schritt auf uns zu machen, es muss eine Begegnung geben. Auch bei ihnen muss eine Neugierde erkennbar sein, bei den langen Strecken braucht es das. Hinter der Auswahl steht keine vorherige Recherche, ob die Biografie etwas hergeben müsste, sondern eher eine Art, wie man sich begegnet. Chris Wright: Die Idee war ja, dass wir uns auf Augenhöhe in die Gruppe begeben, also unter Theologen dann sozusagen nicht nur die Filmleute spielen, sondern bewusst auch die Atheisten. Und ich glaube, das ist der Punkt; dass wir geschaut haben: Wo spürt man, dass auch die Protagonisten etwas gewollt haben? Ich glaube, diese Neugierde lief nicht unbedingt auf der Ebene ab »Oh, das sind jetzt die Filmleute, es geht um Medienpräsenz und so«, sondern weil es eher etwas Theologisches ist. »Warum sind da jetzt Atheisten, die sich auf Augenhöhe mit uns auseinandersetzen wollen?« Im Film gibt es eine besondere Szene, in der Ihr direkt in der Ausbildungssituation mit drin seid und in eine Diskussion über die Frage nach dem Sinn und Unsinn des Glaubens an Gott eingestiegen seid. Was hat das mit den Vikarinnen und Vikaren gemacht?
Chris Wright: (Lachen) Viele haben gesagt, dass es für sie einer der stärksten Momente in diesem Jahr Predigerseminar war. Ich glaub, es geht schlicht und einfach darum, was man sich eigentlich denken kann, also basierend auf der eigenen Lebenserfahrung, der eigenen Erziehung und so. Ich hatte das Gefühl, ich muss jetzt eingreifen. In der Situation ging es um die existentiellen Fragen nach dem Sinn des Lebens und eben auch der Existenz Gottes. Fragen, die sozusagen überall auf der Lauer sind – selbst auf der Straße kann jemand plötzlich solche Fragen stellen. Und da hab ich gemerkt, dass es für viele der Vikarinnen und Vikare schwer ist, eine Welt ohne Gott zu denken. Von daher konnten sie in ihren für mich deshalb immer unrealistisch anmutenden Rollenspielen diese Frage nicht stellen, die ich auf meine Art stelle. Deswegen war es für mich total notwendig, da einzugreifen und zu sagen: »Hey Leute, es gibt mehr als das, was Ihr Euch vorstellen könnt. Es gibt ganz andere Ansätze.« Und viele haben das gespürt, sie haben gemerkt: »Ich kann das nicht denken, aber er kann das denken. Für ihn ist das völlig normal.« Und andererseits ist es nach wie vor so: Ich selbst kann mir eine Welt mit einem Gott nach wie vor nicht denken. Der Sprung gelingt mir auch nicht. Stefan Kolbe: Als Chris in die Situation hineingegangen ist, ist einiges an Dynamik reingekommen, was das dort häufig anzutreffende Kreisgequatsche, wie ich es immer nenne, das sich eigentlich nur selbst stabilisiert, aufgelöst hat. Also dieser Impuls, die Grenze wenigstens einmal abzulaufen, wenn vielleicht auch nicht drüber zu kommen ist. In dieser Hinsicht ist unsere Anwesenheit auf verschiedene Art sehr wirksam gewesen und hat sehr viel hinterlassen in dem Kurs. Das macht die Stärke des Films aus. Die Vikarinnen und Vikare beschreiben ihre Sondersituation auch selbst: »Das ist hier wie eine Insel«, sagt einer. Eine andere sagt, es sei das Paradies. Einer sagt sogar mit Blick auf den Glauben:
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»Hier in Wittenberg ist es Wahrheit und außerhalb ist es Wahnsinn.« Chris Wright: Ja, es ist genau dieses Eingeschlossensein, was einen sogar an Sekten denken lässt. Das, was Sekten und Religionen brauchen, ist ganz oft dieses Vorgehen: Wir sperren jetzt die Leute ein. Und da wird dann gekocht und alle sind in diesem Topf, man schraubt die Temperatur hoch, und es kocht, brodelt, die Gruppe wächst zusammen. Ist das gut, ist das schlecht? Wo fängt Gehirnwäsche an? Da fand ich es spannend herauszufinden, was passiert, wenn man etwas Fremdes in diese Gruppe hineinschmeißt. Man könnte ja gerade in Wittenberg sagen, dass die Pfarrerinnen und Pfarrer aus Kontexten kommen, wo die atheistische oder zumindest stark zweifelnde Position die Mehrheitsposition ist. Da müsste man doch denken: Dem begegnet Ihr doch jeden Tag! Wird das ausgeblendet? Chris Wright: Es ist zu leicht für die Leute, sich auszuruhen. Der Ansatz ist doch meistens der: Wir sind da für die Leute, die in die Kirche kommen, die haben sich auch ein bisschen so zu benehmen, und wir haben uns alle lieb. Und das ist schon in der Ausbildung angelegt: Wir bleiben unter uns. Auch in der Gruppe war die Angst deutlich zu spüren, sich diesen Fragen zu stellen und auch darum zu ringen, um zu merken, wie hilfreich es ist, einfach mal zu streiten und dranzubleiben und zu sagen: »Das befriedigt mich nicht! Wie meinst Du das?« Das wird nicht genug herausgefordert und nicht eingeübt. Der Film fokussiert weniger auf die Anfragen von außen als auf die Zweifel und Fragen, die die Vikarinnen und Vikare selbst haben – im Blick auf den Glauben wie im Blick auf die eigene Berufswahl. Der Film hinterlässt oder öffnet dadurch in vielerlei Hinsicht eine total spannende Ambivalenz. Und ich finde, man kann je nach Vorurteilen, mit denen man hineingeht, aus diesem Film hinausgehen
und denken: Da merkt man, wie intensiv diese Menschen leben und mit diesen Fragen versuchen, ihr Leben zu verstehen und zu gestalten. Man könnte aber auch sagen: Das hab ich schon immer gewusst. Leute, die sich für so etwas entscheiden, müssen doch einen Knall haben, mal so flapsig gesagt. Stefan Kolbe: (Lachen) Ja, aber ich glaube, das ist das, was uns als Ergebnisse unserer Filme interessiert. Es gibt drei Komponenten: Das sind die Protagonisten, das sind wir, das ist der Zuschauer. Und ich glaube, für die Filmdramaturgie ist es natürlich wichtig, so etwas wie Linien zu bauen, auch konkret zu werden. Aber zum Schluss geht es darum, eine Melange zu bilden, etwas Ambivalentes auszustellen. Normalerweise geht es in ganz vielen Dokumentarfi lmen nicht um Ambivalenz. Aber genau diese rezipierbar zu machen, das interessiert uns, weil der Zuschauer gezwungen ist, sich damit zu verzahnen, genau so also, dass jeder auf seine Art reagieren muss und nichts vorgestanzt kriegt, also mit seinen Klischees auf etwas reagiert und merkt, er kriegt kein Klischee bedient. Man geht irgendwie rein, mit Klischees und einer Neugierde, was aufzusplitten, und am Schluss habe ich ja keine Klarheit – um Gottes Willen, das interessiert mich auch nicht. Da sind 1000 Dinge passiert, die bringen mich in Bewegung, in diesem Falle sehr. Das heißt, es geht Euch auch in der Interpretation durch Schnitt und Ton nicht um eine Botschaft, sondern darum, viel Ambivalenz zu zeigen. Stefan Kolbe: Ich glaube, es geht schon um eine Botschaft, aber nicht wie eine Überschrift oder so, die Botschaft ist vielleicht eher eine Art von Interesse, diese Reise auszustellen, ein Gefühl für eine Begegnung, das ist schon Botschaft, das zieht sich auch durch unsere Filme. Natürlich sind diese Begegnungen zentral. Die ganze Gesellschaft um mich ist so bunt und behauptet ständig, von ihrem Innersten zu quatschen, und das stimmt einfach nicht! Es wird immer schlimmer, und es ist auch unser tägliches Brot, dieses aufzubohren, Möglich-
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PRAXIS GEMEINDEPÄDAGOGIK PGP ehemals »Christenlehre /Religionsunterricht–PRAXIS« ehemals »Die Christenlehre«
67. Jahrgang 2014, Heft 3 Herausgeber: Amt für kirchliche Dienste in der Evangelischen Kirche Berlin - Brandenburg - schlesische Oberlausitz Pädagogisch-Theologisches Institut der Nordkirche Theologisch-Pädagogisches Institut der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens Pädagogisch-Theologisches Institut der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland und der Evangelischen Landeskirche Anhalts Anschrift der Redaktion: Matthias Spenn, c/o Evangelische Verlagsanstalt GmbH, »PGP-Redaktion«, Blumenstraße 76, 04155 Leipzig, E-Mail ‹redaktion@praxis-gemeindepaedagogik.de› Redaktionskreis: Dr. Lars Charbonnier, Führungsakademie für Kirche und Diakonie, Berliner Dom – Portal 12, Am Lustgarten, 10178 Berlin Wolfgang Lange, TPI der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, Bahnhofstraße 9, 01468 Moritzburg Petra Müller, Fachstelle Alter der Ev.-Luth. Kirche in Norddeutschland, Gartenstraße 20, 24103 Kiel Matthias Röhm, Amt für kirchliche Dienste in der Ev. Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Goethestraße 26–30, 10625 Berlin Dorothee Schneider, PTI der Ev. Kirche in Mitteldeutschland und der Landeskirche Anhalts, Zinzendorfplatz 3, 99192 Neudietendorf Matthias Spenn, Amt für kirchliche Dienste in der Ev. Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Goethestraße 26–30, 10625 Berlin Inga Teuber, Fachschulzentrum Gesundheitsberufe der DDH, Emmy-Danckwerts-Straße 3, 30559 Hannover Christine Ursel, Diakonisches Werk Bayern – Diakonie.Kolleg., Pirckheimerstraße 6, 90408 Nürnberg Redaktionsassistenz: Sophie Koenig, Evangelische Verlagsanstalt GmbH Verlag: Evangelische Verlagsanstalt GmbH, Blumenstraße 76, 04155 Leipzig, www.eva-leipzig.de Geschäftsführung: Arnd Brummer, Sebastian Knöfel Gestaltung/Satz: Jens Luniak, Evangelisches Medienhaus GmbH Druck: Druckerei Böhlau, Ranftsche Gasse 14, 04103 Leipzig Anzeigen: Rainer Ott · Media | Buch- und Werbeservice, PF 1224, 76758 Rülzheim, Tel. (0 72 72) 91 93 19, Fax (0 72 72) 91 93 20, E-Mail ‹ott@ottmedia.com› Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 11 vom 1.1.2012 Abo-Service: Christine Herrmann, Evangelisches Medienhaus GmbH, Telefon (03 41) 7 11 41 22, Fax (03 41) 7 11 41 50, E-Mail ‹herrmann@emh-leipzig.de› Zahlung mit Bankeinzug: Ein erteiltes Lastschriftmandat (früher Einzugsermächtigung genannt) bewirkt, dass der fällige Abo-Beitrag jeweils im ersten Monat des Berechnungszeitraums, in der letzten Woche, von Ihrem Bankkonto abgebucht wird. Deshalb bitte jede Änderung Ihrer Bankverbindung dem Abo-Service mitteilen. Die GläubigerIdentifikationsnummer im Abbuchungstext auf dem Kontoauszug zeigt, wer abbucht – hier das Evangelische Medienhaus GmbH als Abo-Service der PRAXIS GEMEINDEPÄDAGOGIK . Gläubiger-Identifikationsnummer: DE03EMH00000022516 Bezugsbedingungen: Erscheinungsweise viermal jährlich, jeweils im 1. Monat des Quartals. Das Jahresabonnement umfasst die Lieferung von vier Heften sowie den Zugriff für den Download der kompletten Hefte ab 01/2005. Das Abonnement verlängert sich um 12 Monate, wenn bis zu einem Monat vor Ende des Kalenderjahres keine Abbestellung vorliegt. Bitte Abo-Anschrift prüfen und jede Änderung dem Abo-Service mitteilen. Die Post sendet Zeitschriften nicht nach.
ISSN 1860-6946 ISBN 978-3-374-03776-6 Preise*: Jahresabonnement (inkl. Zustellung): Privat: Inland € 36,00 (inkl. MwSt.), EU-Ausland € 42,00, Nicht-EU-Ausland € 46,00; Institutionen: Inland € 44,00 (inkl. MwSt.), EU-Ausland € 50,00, Nicht-EU-Ausland € 54,00; Rabatte – gegen jährlichen Nachweis: Studenten 35 Prozent; Vikare 20 Prozent; Einzelheft (zuzüglich Zustellung): € 12,00 (inkl. MwSt.) * Stand 01.01.2014, Preisänderungen vorbehalten Die in der Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Kein Teil der Zeitschrift darf ohne schriftliche Geneh migung des Verlages in irgendeiner Form reproduziert werden. Unsere nächste PGP-Ausgabe erscheint im Oktober 2014.
keiten der Zugänge zu fi nden. Und irgendwie ist es immer ein Wunder, wenn es zu echten Begegnungen kommt, und das ist ja auch das, was die Leute am stärksten berührt. Mich ja auch, ich weiß nicht, was wir bei diesem Dreh geweint haben. Und das sind zum einen die Begegnungen, die man hat, und zum anderen zu sehen, was andere Begegnungen oder das Überschreiten von inneren Grenzen bei anderen auslöst, dass man dabei sein darf, vielleicht das selber teilweise ausgelöst hat. Hat das was mit diesen Menschen zu tun, dass die Rührung in diesem Film besonders häufig war? Chris Wright: Ja, das liegt im Wesen der Religion. (Lachen) Es ist immer die Frage, warum hat man den Film gemacht? Man kommt als Außenseiter, der sagt, ich kann eine Welt ohne Gott nicht denken. Aber natürlich hat man eine Sehnsucht danach, sonst würde man den Film nicht machen. Wir wollten ihn machen. Stefan Kolbe: Sehnsucht ist das Schlüsselwort. Chris Wright: Ja, und es geht darum, sich an diese Grenze zu begeben. Religion ist genau diese Grenze, merkt man zumindest bei den Protagonisten. Das ist Graubrot – Religion als Arbeit, jeden Tag zu sagen: Beten bringt mir jetzt nichts, aber ich muss es jetzt machen. Ich geh in den Gottesdienst, ist eigentlich scheiße, das glänzt überhaupt nicht, aber ich mach das jetzt, und irgendwann gibt es diese Momente, wo es glänzt. Diese Grauzone, diese Grenze, ich spüre nichts und plötzlich, huch, ganz viel. Wie kommt das zustande? Der Film zeigt hoffentlich genau das, dass man sich an diese Grenze begibt, dass man merkt: Es ist möglich, kurz über die Grenze zu springen. Es gab Momente, da konnte ich mir das
doch andersherum denken, eine Welt mit Gott. Weil diese Texte da sind, weil diese Musik da ist, weil diese Gruppe da ist, weil man es als Graubrot betreiben muss. Stefan Kolbe: Ich denke, das fängt noch eher an: Es geht darum, sich auf den Weg zu machen. Sehnsucht nach etwas Schönem im weitesten Sinne.
Ist das nicht doch eine Theologie des Films, die korrespondiert mit dem, was Ihr sonst sagt? Es gibt auch im Film dieses Gespräch mit Dir, Chris, und dem Kurs, und der Studienleiter sagt, das Wesentliche sei gewesen, dass es zu der Begegnung gekommen sei. Die Beteiligten haben sich auf die Grenze begeben, der Film zeigt auch fünf Menschen, die so an die Grenze herangegangen sind. Ist das nicht eine Theologie, wie sie etwa Martin Buber formuliert hat, Ich und Du, Begegnung als Zentrum von Existenz und Leben. Chris Wright: Kommunikation des Evangeliums. (Lachen) Ja, so wird es im Film benannt, warum nicht, aber es erscheint mir auch von dem, was Ihr eben gesagt habt, dass sich das doch an vielerlei Stellen deckt? Chris Wright: Ja, ich würde sagen, die Predigten über Jesus, die mich wirklich bewegen, da geht es immer darum: Jesus kommt und zeigt den Menschen: Das Unmögliche ist möglich und das, was ihr immer für möglich und richtig gehalten habt, ist eigentlich falsch. Das sind die Momente, wo ich spüre: Da ist doch etwas dran an diesem christlichen Glauben. Das ist es, was mich am meisten berührt. Stefan Kolbe: Das kann man als Ideenansatz natürlich auch woanders fi nden, aber das ist schon das, was bewegt. Mich würde das sogar noch eine Stufe darunter beeindrucken, wenn man das überhaupt erst mal zulässt, das anzudenken, dass das Vorfindliche nicht alles ist, auch mal einen Schlenker wenigstens nach rechts oder links zu denken. Ich meine, das machen wir hundertprozentig, das ist generell der Ansatz unserer Projekte, das hat immer was mit Sehnsucht zu tun, da ist was, was zieht. Infos zu Stefan Kolbe, Chris Wright und ihr bisheriges Werk unter http://wright-kolbe-film.de. lm.de
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Bildung in Deutschland 2014 – neuer Bildungsbericht erschienen Mit »Bildung in Deutschland 2014« wird der fünfte indikatorengestützte Bericht einer unabhängigen Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vorgelegt. Mit diesem Bericht wird eine alle Bereiche des Bildungswesens umfassende aktuelle Bestandsaufnahme des deutschen Bildungswesens vorgenommen. Die Ausgabe 2014 führt die Berichterstattung über bereits in den vorherigen Berichten dargestellte Indikatoren zum deutschen Bildungswesen fort und präsentiert zugleich neue Indikatoren. Im Rahmen einer vertiefenden Analyse wird der Situation von Menschen mit Behinderungen im Bildungssystem nachgegangen. Die im Bildungsbericht dargestellten Befunde zeigen, dass im Bildungswesen in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Reformen begonnen wurde. Am deutlichsten tritt dies im Ausbau und der institutionellen Differenzierung in der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung, in der weiteren Differenzierung innerhalb des allgemeinbildenden und des beruflichen Schulwesens sowie bei der Ausweitung von Ganztagsschulangeboten zutage, aber auch in der starken Zunahme der Studienberechtigtenquote. Am ehesten ausgespart von dieser Bewegung sind die Bereiche der Berufsausbildung und der Weiterbildung. Die Printversion (ISBN 978-3-7639-5417-9) kann direkt beim W. Bertelsmann Verlag bestellt werden und ist außerdem über den Buchhandel erhältlich. Die Onlineversion steht auf der Homepage http://www.bildungsbericht.de http://www.bildungsbericht.de/ kostenfrei zur Verfügung.
Lucas Cranach der Ältere ist der Maler, der bis heute unsere Vorstellung von Martin Luther prägt. Fast alle bekannten Lutherporträts stammen aus der Manufaktur des erfolgreichen Unternehmers. Indem er die Reformatoren Wittenbergs und ihre protestantischen Ideen ins Bild setzte, trug er wesentlich dazu bei, die reformatorischen Gedanken populär zu machen.
Sonja Poppe Bibel und Bild Die Cranachschule als Malwerkstatt der Reformation 120 Seiten | 20 x 23 cm | Hardcover | Fadenheftung ISBN 978-3-374-03795-7 erscheint im September 2014
€ 16,80
Sonja Poppe erklärt 18 der berühmtesten Cranachbilder zu biblischen Geschichten kurz und bündig. Durch ihre eingängige Bildsprache begeistern diese Bilder auch heute noch und lassen erkennen, wie es dem sächsischen Hofmaler, Manufakturbesitzer, Bürgermeister und Lutherfreund Cranach gelang, der Reformation ihr bis heute überzeugendes Gesicht zu geben.
In Ihrer Buchhandlung oder direkt bei der EVANGELISCHEN VERLAGSANSTALT: Tel. 0341 711 41 16 | www.eva-leipzig.de
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GEMEINEINDEPÄGAGOGISCHES FORUM
Kai-Uwe Hugger (Hrsg.), Digitale Jugendkulturen, Digitale Kultur und Kommunikation 2, 2. Auflage, Wiesbaden: Springer VS 2014, 336 Seiten, ISBN 978-3531184869, € 34,99
Wer seine medienpädagogischen Ref lexionen auf der Basis eines breiten Kenntnisstandes heutiger Nutzung digitaler Medien der Jugendlichen anstellen möchte, sollte diesen interessanten Sammelband zu Rate ziehen. Denn: »Jugendkulturen sind immer auch digitale Jugendkulturen« (11), konstatiert KaiUwe Hugger. Der Herausgeber selbst leitet den Band ein mit einem Plädoyer für die Anerkennung des Partikularen in den digitalen Jugendkulturen. Vor diesem Hintergrund ist der ganze Band zu lesen, der danach fragt, »was das Internet ( …) für die Aufrechterhaltung und Strukturierung von Jugendkulturen leistet« (12), und in seinen Beiträgen zu klären versucht, »was die Kennzeichen digitaler Jugendkulturen sind – und zu welchem Zweck ( …) überhaupt welche digitalen Medien in welchen Jugendkulturen benutzt« werden (13). In 18 Beiträgen (fünf davon neu in der 2. Auflage) namhafter Wissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler wird entsprechend versucht, eine digital sensible Jugendkulturenforschung zu präsentieren, die aus ganz unterschiedlichen disziplinären Zugängen ein differenziertes Bild digitaler Jugendkulturen zeichnet. In einem ersten Kapitel werden kommunikative und kreative Praktiken in den Blick genommen, z. B. über YouTube oder fl ickr und Social Network Sites. Die Beiträge zeigen hier wie in den anderen Kapiteln eine gute Mischung aus allgemeineren Überlegungen auf der einen Seite, etwa zu Jugendkulturen oder medienkonvergenten Interaktionen, und sehr phänomenorientierten Wahrnehmungen auf der anderen, etwa der FanArt oder dem Modding. Das zweite Kapitel nimmt die gerade für den Bildungsbereich zentrale Thematik der Identitätssuche und Selbstsozialisation über digitale Medien auf und enthält genderspezifische Reflexionen ebenso wie Auseinandersetzungen über Avatare, Mangas oder die digitale Musikszene und Visual Kei. Ein drittes Kapitel widmet sich sozialkulturellen Charakteristika und Kontexten: der Welt der interaktiven Spiele, der Bedeutung von Gleichaltrigengruppen, den Social Network Sites und den Tendenzen digitaler Ungleichheit in den Jugendkulturen. Ein viertes Kapitel markiert schließlich explizit die Bildungspotenziale, die in diesen digitalen Jugendkulturen zu erkennen sind: im Blick auf das Handy als Medium sowie allgemeiner im Zusammenhang von medienbildungstheoretischen Reflexionen. Gerade wenn man selbst einigen Abstand zu diesen Kulturen hat, hilft der Band sehr, bis in die sprachliche Welt hinein einen Einblick in diese zu bekommen. Wie bei aller Gegenwartsforschung, zumal bei einer, die sich mit der digitalen Gegenwart auseinandersetzt, ist die Gefahr groß, dass manche Inhalte schon beim Erscheinen wieder überholt sind. Viele der Beiträge aber verbinden grundsätzlichere Reflexionen und breitere Trends mit aktuellen Phänomenen, sodass die Lektüre immer einen Gewinn darstellt und nur empfohlen werden kann.
Thorsten Junge: Jugendmedienschutz und Medienerziehung im digitalen Zeitalter. Eine explorative Studie zur Rolle der Eltern, Medienbildung und Gesellschaft 24, Wiesbaden: Springer VS 2013, 423 Seiten, ISBN: 978-3658015350, € 69,99
Das Internet ist für heutige Kinder und Jugendliche unentbehrlicher Teil ihrer Alltagswelt geworden. Aber es bietet nicht nur positive Anregungen und die Erweiterung von Handlungsmöglichkeiten in der Virtualität, sondern birgt auch eine Menge an Risiken und Gefahren. Medienerziehung spielt deshalb im digitalen Zeitalter eine nicht zu überschätzende Rolle. Wie wichtig und damit wie wirksam sind Eltern mit ihren medienerzieherischen Bemühungen zur Förderung der Medienkompetenz ihrer Kinder? Thorsten Junge ist dieser Frage im Rahmen seiner Dissertation in einer qualitativen Studie mit 14 Elternpaaren nachgegangen. Das Buch bietet zunächst einen hohen Informationswert in der Darstellung der Chancen und Risiken der gegenwärtigen Mediennutzungsmöglichkeiten der Kinder und Jugendlichen wie in der Reflexion über die Leistungen und Grenzen des institutionellen Jugendmedienschutzes. Im Blick auf ein Feld, das von intensivem Wandel und ständiger Entwicklung gekennzeichnet ist, so aktuell und zugleich differenziert zu sein, ist ein großer Vorzug dieses Buches. Ein erstes Kapitel umschreibt das »Aufwachsen im digitalen Zeitalter« in knapper Skizze. Die theoretischen Grundlagen der Wirkung von Medien bilden in der Darstellung historischer wie gegenwärtiger Ansätze den Schwerpunkt im zweiten Kapitel. Ein drittes Kapitel schildert sehr gut in der Dichte der Darstellung auf 50 Seiten den aktuellen Diskurs zum Gefahrenpotenzial digitaler Medien und berührt Fragen der Gewaltdarstellung, der Folgen von Internetnutzung und Abhängigkeit für die schulischen Leistungen oder Cyber-Mobbing ebenso wie den Datenschutz oder das Urheberrecht. Dabei wird so manches Vorurteil ausgeräumt und immer wieder das Potenzial der digitalen Medien betont. Im vierten Kapitel wird dann auf den Jugendmedienschutz mit seinen Herausforderungen und Grenzen in Grundlagen und Praxisvollzügen eingegangen. Damit sind die Hintergründe konturiert, vor denen das Thema der Medienerziehung zunächst theoretisch im fünften Kapitel untersucht wird. Auf knapp 160 Seiten wird dann die Studie selbst, also die Befragung der Eltern, präsentiert. Ein kurzes Resümee rundet die Arbeit ab. Zu den wichtigsten Ergebnissen gehört eine Typologisierung der Fälle in fünf unterschiedliche Medienerziehungstypen (340–363). Sie basiert auf der bei allen Befragten angetroffenen Einsicht, dass Medienerziehung eine wichtige Dimension auch des elterlichen Erziehungshandelns ist, die als in den erzieherischen Gesamtansatz integriert betrachtet wird. Auch wenn sich das Buch in erster Linie an Fachwissenschaftlerinnen und Studenten wendet – und dem entspricht auch die Darstellung in Sprache und Satz –, so ist es dennoch allen zu empfehlen, die selbst erzieherisch tätig und an theoretischen Zugängen zu diesem Feld interessiert sind, ob nun in familiärem Kontext oder als Professionelle. Lars Charbonnier
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Hrsg. von Adelheid Schnelle in Verbindung mit Sabine Meinhold und Hanna de Boor Gottesdienste mit Kindern Handreichungen von Neujahr bis Christfest 2015 344 Seiten | 14,5 x 21,5 cm mit zahlreichen Abbildungen Paperback + CD-ROM ISBN 978-3-374-03770-4
€ 18,80 [D] erscheint im August 2014
Für jeden Sonntag des gesamten Jahres 2015 bietet diese, in der Praxis bewährte, Arbeitshilfe komplett ausgearbeitete Kindergottesdienste nach dem Plan des Gesamtverbandes für Kindergottesdienst in der EKD. »Gottesdienste mit Kindern« gliedert sich in 16 thematische Einheiten mit Anregungen für unterschiedliche Altersstufen und Gruppenstärken. Außerdem sind enthalten: Gestaltungsvorschläge für Familiengottesdienste und für Gottesdienste zur Jahreslosung und zum Schulbeginn, Entscheidungshilfen für monatliche Kindergottesdienste sowie Hinweise zu den Bibeltexten und Themen, Liturgievorschläge, Erzähl- und Anspieltexte, Gesprächsimpulse, Anregungen für kreative Gestaltung, Spielanleitungen, Lieder und Kopiervorlagen.
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