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MÄRZ 2015
März 2015 · B 1309 | € 6,50 Schweiz CHF 11,50 | Österreich € 7,00 | Be/Ne/Lux € 7,50
SAMMLER JOURNAL
KUNST • ANTIQUITÄTEN • AUKTIONEN
Über 2.000 Sammlertermine
Möbel Friedrich Gottlob Hoffmann
Gemälde Ferdinand Hodler
Glas Fritz Heckert / Teil 2
Dialog Leser & Experten
Ausstellungen Tipps & Termine
GEMI
Auktionen Berichte & Preise
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März 2015 · B 1309 | € 6,50 Schweiz CHF 11,50 | Österreich € 7,00 | Be/Ne/Lux € 7,50
KUNST • ANTIQUITÄTEN • AUKTIONEN
Über 2.000 Sammlertermine
MÖBEL
Möbel Friedrich Gottlob Hoffmann
Friedrich Gottlob Hoffmann
Gemälde
Sabine Spindler
Ferdinand Hodler
Glas
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Fritz Heckert / Teil 2
Dialog Leser & Experten
Ausstellungen Tipps & Termine
Auktionen Berichte & Preise
GLAS Titelfoto: Ferdinand Hodler, Waldbach bei Leissigen, 1904. Kunsthaus Zürich, Legat Richard Schwarzenbach, 1920
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MAGAZIN
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MESSETERMINE
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KUNSTMARKT
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PORZELLANKUNST
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AUKTIONTERMINE
49
INSERENTENVERZEICHNIS
55
AUKTIONSNOTIZEN
56
AUSSTELLUNGSTERMINE
66
Fritz Heckert / Teil 2 Volkmar Schorcht
GEMÄLDE Ferdinand Hodler Anja Iwa
AUSSTELLUNGEN
71
K U N ST H A N D W E R K
LITERATURTIPP
84
Bibliotheksleuchten
AUKTIONSPREISE
90
IMPRESSUM
98
VORSCHAU
98
TERMINE & KLEINANZEIGEN IN DER BEILAGE
Dieter Weidmann
UHREN Taschenuhren Christoph Prignitz
40 44 76 86
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Beduine Figur aus vermutlich böhmischer Produktion Ich habe kürzlich bei eBay eine Skulptur erworben, die nur als „Beduine“ bezeichnet war. Die Büste wird jedenfalls den geplanten Zweck erfüllen, nämlich meine Dielenkommode „aufpeppen“. Und teuer war das Stück bei circa 75 Euro auch nicht. Ein Zufallsfund. Der Sockel ist ziemlich dick schwarz übermalt und es sind keine Fabrik- oder andere Marken zu erkennen. Meine Mutmaßung geht aber in Richtung Goldscheider. Da ich keinerlei Ahnung von der Materie habe, und deshalb nicht weiß, ob sich eine tiefergehende Recherche lohnt: Wären Sie so gut, einmal einen Blick auf das Bild zu werfen? Vielleicht ist gar nichts dran, dann würde ich auch nichts weiter unternehmen. Immerhin: Wenn ich mir nun „meinen“ Beduinen auf dem Schränkchen ansehe, ist das doch ein ganz gutes Gefühl (wenngleich ich schon denke, dass ich das Stück doch wohl stark unter Wert bekommen habe). Dr. Angelika Pabel, Würzburg
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Das instinktive Gefühl „Richtung Goldscheider“ stimmt auf jeden Fall, auch wenn es sich tatsächlich nicht um ein Produkt der berühmten Wiener Keramikfabrik handelt, zu der vor einiger Zeit das unerlässliche Standardwerk von Robert E. Dechant und Filipp Goldscheider, „Goldscheider – Firmengeschichte und Werkverzeichnis: Historismus, Jugendstil, Art Déco, 1950er Jahre“ bei Arnold’sche Art Publishers, Stuttgart, erschienen ist. Zu den frühesten Erzeugnissen von Goldscheider aus den mittleren 1880erJahren gehört eine ganze Reihe von Beduinen- und Araberbüsten. Ihre Beliebtheit als Highlight im damaligen gutbürgerlichen Interieur geht auf eine französische Mode zurück, die der Bildhauer Charles Henri Joseph Cordier (Cambrai 1827-1905 Algerien) im Jahre 1848 ausgelöst hat. Im Pariser Salon stellte er in diesem Jahr – dem Jahr der endgültigen Abschaffung des Sklavenhandels in allen französischen Kolonien – die Gipsbüste eines Sudanesen „Saïd Abdullah der Mayac, Reich der Darfur“ (heute in der Walters Art Gallery, Baltimore) aus, die viel Aufsehen erregte. Eine Bronzeversion kaufte Königin Victoria auf der Weltausstellung in London 1851. Darstellungen von Sheikhs, edlen Afrikanern, nackten Afrikanerinnen, Ägyptern usw., die kurzum die „edlen Wilden“ personifizierten und alles, was exotisch und angeblich unverdorben aus fremden Ländern herkam, zum Thema hatten, wurden anschließend von Cordier und vielen anderen französischen Bildhauern gepflegt. Um den Eindruck dieser Exotik zu erhöhen, wurden bei der Gestaltung der Büsten vielfach verschiedenfarbige Marmorarten verwendet. Gesichter und Schulterpartien der Afrikaner und Afrikanerinnen wurden aus schwarzem Marmor, ihre Bekleidung aus bunten Marmorapplikationen gearbeitet. Die später entstehenden, entsprechenden Büsten und Figuren der Keramikfabrik Goldscheider konnten der internationalen Mode als relativ
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billig hergestellte Serienerzeugnisse einen weiteren Impuls geben. Die für die exotische Wirkung wichtige Farbgebung wurde anhand des Brandes im Steingutofen und der fest mit dem Scherben verschmolzenen verwendeten Unterglasurfarben erreicht (vgl. Ora Pinhas, Goldscheider, Richard Dennis Publications, Shepton Beauchamp 2006,„The Orientalists“, S. 17-33). Es ging aber noch billiger, denn bei der vorliegenden Büste, an der der Zahn der Zeit stellenweise genagt hat, handelt es sich um so genannte „Siderolithware“, ein eigentlich nichtkeramisches Verfahren, bei der die erhöhte naturalistische Wirkung durch den Auftrag von Ölfarben und Firnissen auf den zu einem niedrigen Temperatur gebrannten Scherben erzielt wird. Diese Herstellungsmethode war wegen der billigen Ausführung, die die Mitwirkung von geübten Keramikern nicht benötigte, und wegen der Möglichkeit, viele bunte Farben „kalt“ vor dem Niedertemperaturbrand im Muffelofen aufzutragen, außerordentlich beliebt. Goldscheider hat sich dieser kostengünstigen, aber effektiven Produktionsart nie zugewandt. Mit der Zeit platzt nämlich der keineswegs nachhaltige Farbauftrag hier und da ab, natürlich ein optischer Nachteil den Keramiken mit Unterglasurfarben gegenüber, was auch den heutigen Wert- und Preisunterschied etwa zu den auch mit Künstlersignatur versehenen Goldscheider-Büsten, erklärt. Die vorliegende Büste (Höhe nicht mitgeteilt, Wert unter günstigsten Umständen etwa 400 Euro) stammt vermutlich aus einer böhmischen Keramikfabrik in Znaim, Bodenbach oder Turn-Teplitz, die auf die Produktion von „Siderolith“ (= Eisenstein) spezialisiert war. Die bekannteste Fabrik war Johann Maresch in Znaim (blinder Signaturstempel JM). Wir bilden eine kürzlich bei eBay angebotene und sehr ähnliche Büste in Siderolithtechnik ab, die zu recht Johann
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Maresch zugeschrieben wird. Sie steht dort zu einem sehr optimistischen Preis von fast 1.900 Euro im Schaufenster, aber wer weiß, wer des Weges mit prallem Portemonnaie kommen könnte. Auf eine arabische Kundschaft wird hier ganz offensichtlich gehofft. Dr. Graham Dry, München
Beliebte Lampen Tischlampen von Muller Frères Als Abonnent Ihrer Zeitschrift „Sammler Journal“ las ich mit Interesse den Aufsatz über Metallarbeiten des Edgar Brandt (Oktober 2014). In unserem Fall sind die Glasarbeiten von „Muller Frères Lunéville“. Sie sind in Ätztechnik signiert, auf Fotos schlecht zu erkennen. Die Höhen 36/50/59 cm. Bei den Metallarbeiten konnte ich keine Signatur erkennen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn ich Näheres über Hersteller und Wert von Ihnen erfahren könnte. Heinz Weber, Söchau (A)
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Vor allem bei der größeren der beiden Tischlampen mit den Füßen aus Schmiedeeisen fällt die exzellente kunsthandwerkliche Qualität der Metallarbeit auf. Alle drei Lampen stammen vermutlich aus dem Anfang oder Mitte der Zwanzigerjahre und Stil und Farbgebung der Glasschirme lassen ein Bestreben erkennen, dem großen Vorbild in diesem Genre, mit Daum Frères in Nancy auf Augenhöhe zu sein. Die Glasfabrik Muller Frères, oder genauer Grandes Verreries de Croismare et Verreries d’art Muller Frères, wurde 1895 in Lunéville bei Nancy, Départment Meurthe-etMoselle gegründet, 1919 übernahm das Unternehmen die Glashütte Hinzelin in Croismare im selben Département. Um 1925 wurden etwa 300 Mitarbeiter beschäftigt, darunter 100 Glasschneider. Die Fabrik stellte 1936 ihre Tätigkeit ein. Die Lampenfüße aus Schmiedeeisen, die die Glasfabrik verwendete, sind nie signiert. Obwohl es anscheinend keine Dokumentation zu diesen Lampenfüßen gibt, die vielleicht genauere Informationen zu deren Herstellung geben könnte, kann man mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass die Glasfabrik eine eigene Metallwerkstätte für ihre Herstellung unterhielt. Die Füße, wie auch die Montierungen für die viel verkauften Deckenlampen bilden einen so selbstverständlichen Teil des Gesamtentwurfs, dass eine Herstellung der verschiedenen Teile aus Glas und Metall innerhalb ein und derselben Fabrik anzunehmen ist. Eine Firmenbezeichnung, die schon auf den Glasschirmen zu finden war, wurde vermutlich als für den Fußteil aus Eisen überflüssig erachtet. Auch der Firmenkatalog von 1930, der noch viele Deckenund Tischlampenmodelle aus der Vorkriegszeit enthält, bildet zehn Tischlampen mit Füßen aus Schmiedeeisen als Gesamtprodukte der Glasfabrik ab (Tafel 8). Tischlampen von Muller Frères sind
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sehr beliebt und können unterschiedliche Preise im Antiquitätenhandel haben, gestaffelt nach Größe, Technik, Seltenheit des Modells und Erhaltungszustand. Im Kunsthandel könnte man erwarten, etwa 1.800 bis 2.400 Euro für die linke Lampe, 1.000 Euro für die mittlere Lampe aus zwei beleuchtbaren Glasteilen und etwa 1.200 bis 1.500 Euro für die rechte Tischlampe zu zahlen. Schwankungen nach oben und nach unten sind allerdings möglich, je nach den Umständen des Verkaufsangebots, sei es Antiquitätenmesse oder Fachhandel vor Ort. Es ist durchaus erlaubt, einen noch höheren Preis zu bezahlen, wenn das individuelle Stück als besonders attraktiv empfunden wird, ein Jubiläum oder ein Geburtstag ansteht. Dr. Graham Dry, München
Glorreiche Geschichte Service von Zeh, Scherzer & Co. von 1930 Ich bin im Besitz eines Kaffee-Services der Firma Zeh Scherzer. Unter dem Fuß der einzelnen Teile ist die Beschriftung „50 Jahre Zeh Scherzer Bavaria“. Das Service ist für zwölf Personen ausgelegt. Leider fehlt eine Tasse. Ich möchte gerne wissen, wann dieses Firmenjubiläum war und was der Wert dieses Service ist. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir darüber Auskunft geben könnten.
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Otto Vollbracht, Ziemetshausen
Die Porzellanfabrik Zeh, Scherzer & Co. wurde im Jahre 1880 in Rehau in Bayern gegründet und somit deutet die Jubiläumsmarke der Fabrik auf eine Herstellung im Jahre 1930 hin, als alle deutschen Porzellanfabriken schwer unter den Folgen der wirtschaftlichen Depression leiden mussten. Auf dem Service kann man auch gut die mit der Hand aufgetragenen Nummern des Musters und der Porzellanmalerin erkennen. Die Form des Services ist behäbig-konventionell und spiegelt die damalige Moderne in der Porzellankunst nicht wider und da eine Tasse fehlt, kann der Wert nur auf etwa 100 Euro taxiert werden, obwohl es sich um ein Produkt von einer der damals besten Porzellanfabriken handelt. Zeh, Scherzer & Co. ist es wegen lange nach 1918
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andauernder französischen Ressentiments, wie der gesamten deutschen Kunstindustrie, nicht vergönnt gewesen, 1925 an der Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes in Paris teilzunehmen und dadurch konnten sich die Besucher aus aller Welt kein Bild von dem gegenwärtigen Stand des deutschen Kunstgewerbes machen. Es blieben natürlich alle Aufträge für die Fabriken aus. Die Qualität des Porzellans etwa von Zeh, Scherzer & Co. war damals auch im internationalen Vergleich überragend, bestens nachzuprüfen in der glänzenden Publikation von Ellen Mey mit dem Titel „Kunst-Stücke – Die Kunstabteilung Zeh, Scherzer & Co., Rehau“, die 2005 als Band 91 der Schriften und Kataloge des Deutschen Porzellanmuseums in Hohenberg, herausgegeben von Wilhelm Siemen. Wer beispielsweise vor Gertrud Löwensohns „Meerkatze“ (S. 73), Max Heilmaiers „Mariandl“ (S. 59) oder dem anonymen „Papageitaucher“ der Fachschule für Porzellanindustrie Selb nicht den Hut zieht, ist selber schuld, muss Besserung geloben und sich schleunigst mit der glorreichen Geschichte der deutschen Porzellantierplastik beschäftigen, am besten gleich im Museum in Hohenberg selbst. Verbunden mit einem sehr empfehlenswerten Besuch im Rosenthal Outlet Center im nahen Selb, das weit mehr als nur Rosenthal bietet. Dr. Graham Dry, München
Neubewertung Silberkännchen von M. T. Wetzlar In Ihrer Zeitschrift habe ich mit großem Interesse den Artikel über M.T. Wetzlar (Juni 2014) gelesen. Auch ich verfüge in meiner Sammlung über mehrere schöne Stücke dieser Silberschmiede. Ein kleines Kännchen davon habe ich Ihnen fotografiert. Es hat mit Stiel eine Größe von 10 cm und eine Höhe von ca. 4,5 cm. Erika Horn, o. O.
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den spiegelglatten Formvorstellungen etwa des Bauhauses oder von Georg Gensen in Kopenhagen. Derings umfangreiche Veröffentlichung zu M. T. Wetzlar, bei der Arnold’schen in Stuttgart erschienen, hat natürlich zu einer auch für den Kunsthandel dankbaren Neubewertung von Wetzlar-Silber geführt. Das Silberkännchen wird wohl neuerdings zwischen etwa 400 und 500 Euro wert sein, Tendenz im Kunsthandel steigend, da Arbeiten von Wetzlar anscheinend nicht so oft anzutreffen sind. Dr. Graham Dry, München
Vorfahren Tischuhr um 1910 Ein Wiedersehen in Loriots Film „Pappa ante Portas“. Als ein Fernsehteam in einer Filmszene das Wohnzimmer der Familie „Lohse“ in das der Familie „Schnackenbusch“ umstrukturierte, erkannte ich diese Uhr als Accessoire in einem Raumteiler. Maße: Der Grundsockel hat eine Länge von 27,5 cm. Die Breite beträgt an den Seiten 5,5 cm und 7,8 cm Mittenbreite nach einer Rundung nach vorne. Die Höhe beträgt an den Seiten 18 cm sowie 23,5 cm in der Mitte am höchsten Punkt. Weißes Porzellan mit einer Goldrandbemalung an der Vorderseite. Am Sockel befindet sich auf der Rückseite eine Einlassung: 27 III (römisch). Als Erbstück empfangen, bin ich der Überzeugung, der Korpus erinnert an das Brandenburger Tor und ist ein weiteres Mitbringsel von der Militärdienstzeit meines Urgroßvaters. Seinerzeit Füsilier von 1894-1896 beim 4. Preußischen Garderegiment zu Fuß in Berlin. Übrigens gibt es noch eine weitere Verbindung zu Vicco von Bülow alias Loriot. Einer seiner Ahnen, Oberst von Bülow, war gerade zu jener Zeit der Kommandant der Gardeeinheit, in welcher mein Vorfahr seine Wehrpflicht ableistete. Ist meine Aussage, eine Verbindung nach Berlin herzuleiten zutreffend, und was würde diese Uhr als Verkaufserlös erzielen? Schon viele Male habe ich vergeblich versucht, via Internet solch eine Uhr aufzuspüren, leider fehlte mir bislang wohl der richtige Suchbegriff. Können Sie mir bei der Beantwortung meiner Fragen weiterhelfen? Fragt ein mit Antikem reich gesegneter Berufspendler nach, der Ihr interessantes Magazin zwischen den Bahnhöfen Wiesbaden und Frankfurt/Main stets in „vollen Zügen“ genießt.
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Dieses schöne Milchkännchen der Münchener Silberschmiedewerkstätte M. T. Wetzlar, das in einer relativ strengen Form der Dreißigerjahre gehalten ist, bei der die Handarbeit einmal bei Wetzlar nicht zum Vorschein kommt, stammt aus dem Jahr 1936. Das Datum wissen wir ganz genau seit Allerneuestem dank des Katalogs zur Ausstellung „M.T. Wetzlar – Silberschmiede in München“, die im letzten Jahr im Münchner Stadtmuseum gezeigt wurde. Auf S. 210 listet der Organisator der Ausstellung, Florian Dering, die ab dem Buchstaben „a“ (1927) fortlaufende und von ihm erstmals recherchierten Jahresbuchstaben auf – ein System, das von der englischen Jahrespunzierung übernommen wurde –, und bei diesem bisher unbekannten, d.h. bisher nicht mal als Jahresbuchstabe zu erkennenden Bezeichnungssystem steht der Buchstabe „k“ eben für das Herstellungsjahr 1936. Ein weiteres Milchkännchen der Firma Wetzlar, ebenfalls mit Elfenbeingriff ausgestattet, ist zusammen mit der dazugehörigen Kaffeekanne auf S. 168 des Katalogs abgebildet. Es zeigt eine rundere Form auf und stammt aus dem Jahr 1943, fünf Jahre nach der Zwangsenteignung des Betriebs und der Übernahme der Firma durch die Silberschmiede F. und L. Kleemann. Interessant an unserem Milchkännchen ist die relativ strenge Form, die auf den Einfluss des internationalen Art déco hinweist (z. B. Puiforcat in Paris), eine Beeinflussung von außen, die bei Wetzlars eher konservativer, oft retrospektiver Ausrichtung selten festzustellen ist: Bei den gleichbleibend vorzüglich bearbeiteten Erzeugnissen der Firma merkt man oft die Bewunderung für englisches Silber des 18. Jahrhunderts und auch den Vorsatz, die Schönheit der Handarbeit etwa durch die diskrete Hammerschlagstruktur der Oberfläche hervorzuheben. Dadurch unterscheidet sich auch das damalige Wesen der Münchener Silberarbeiten im Allgemeinen von
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Friedhelm Becht, Wiesbaden
Die Tischuhr mit den vier Säulen (Abb. oben) wurde um 1910 entworfen und stammt vermutlich aus der Produktion einer deutschen Steingutfabrik. Sie kann durchaus in Berlin erworben worden sein, aber als Vorlage bzw. Anregung für diesen architektonischen Entwurf diente nicht das Brandenburger Tor, sondern mit einer Säulenreihe gestaltete Tischuhren
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aus dunklem Serpentinstein, die Albin Müller (1871-1941), Mitglied der Darmstädter Künstlerkolonie, ab etwa 1908 für die Sächsische Serpentin-Stein-Gesellschaft, Zöblitz entwarf: vgl. Renate Ulmer, Katalog, Museum Künstlerkolonie Darmstadt, Darmstadt [1990], S. 180, Nr. 277). Das in Gold gedruckte Ornamentmotiv erinnert weniger an Ornamentik von Müller, dafür mehr an Flachdekormotive seines Darmstädter Kollegen Margold (vgl. Renate Ulmer, Emanuel Josef Margold, Arnoldsche, Stuttgart 2003, S. 141, Nr. 68, ornamentale Umrandung des Künstlermonogramms EM). Margold stammte aus Wien und dorthin weist der Weg zu einer weiteren Quelle für die Idee zu der vorliegenden Uhr, nämlich zu einem Tischuhrmodell aus Steingut, das um 1909/10 von Anton Kling (1881-1963) für die Fa. Wiener Keramik entworfen wurde. Dieses flotter wirkende Uhrmodell mit Pendelwerk ist mit verschiedenen Säulendekoren nachweisbar: Das hier abgebildete Exemplar, nach 1919 von der Gmündner Keramik (Fabrikmarke) ausgeführt, (Abb. unten) stammt aus der Auktion Nr. 198 des Auktionshaus im Kinsky G.m.b.H. in Wien, 28. Januar 2014, bei der es unter Katalog-Nr. 0541 zum Schätzpreis von 5.000 bis 8.000 Euro angeboten, aber nicht verkauft wurde. Drei Künstler und zwei Städte haben wir herangezogen, um die künstlerische Vorfahren unserer Tischuhr zu bestimmen, aber dadurch erst die vermutliche Entstehungszeit des Entwurfs eingekreist. Der Hersteller der Uhr lässt sich dagegen nicht bestimmen, da die geprägten Zahlen 27 und III, die sich auf der Rückseite des Sockels befinden, lediglich interne Fabrikbzw. Formnummern sind. Die bei der Form und Dekor vorkommende Stilmischung deutet vermutlich auf die Entwurfstätigkeit eines im Zeichenbüro einer deutschen Steingutfabrik angestellten Designers, der hier und da Anleihen aus dem zeitgenössischen deutschen und österreichischen Kunstgewerbe für die eigenen Fabrikzwecke geholt hat. Die vermutlich deutsche Tischuhr ist deshalb ein Kunstgebilde aus zweiter oder dritter Entwurfshand und als solches nicht übermäßig hoch mit etwa 400 Euro zu bewerten, zumal das billige Einsteckuhrwerk für Uhrensammler nicht besonders interessant ist. Dr. Graham Dry, München
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Antike Ähnlichkeit Büste von Rosenthal & Maeder Nachdem Sie mir so sorgfältig eine Expertise über einen Spielekasten um 1890 (SJ vom Oktober 2014) erstellt haben, möchte ich Ihnen eine Marmorbüste Frauenkopf auf einem Marmorsockel, der am Boden mit einer Metallmarke versehen ist, Sockel: 7 cm, Büste: 21 cm, zur Beurteilung vorstellen. Auch hier frage ich nach Alter und Wert.
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Gerhard-Ulrich Hoebink, Münster
Die Mädchenbüste hat viel vom Aussehen und Innerlichkeit der Marmorbüsten des jungen Antinous (27. November, c. 111 – vor 30. Oktober 130) des in Claudiopolis (heute Bolu, Türkei) geborenen bithynischen griechischen Knaben, der zum Geliebten des römischen Kaisers Hadrian wurde und vermutlich bei einem Badeunfall im Nil ertrank. Das Material ist aber bei dieser Büste nicht Marmor, sondern Marmor- oder Steinguss. Die Büste wurde also unter Verwendung einer Gussform angefertigt, die auch immer wieder nach Hineinführung der Steinmasse verwendet werden konnte. Nach dem Erhärten der Masse konnten Feinheiten in der Oberfläche von einem Ciseleur ausgeführt werden, in den meisten Fällen eine vertiefte „Signatur“ des Künstlers auf der Rückseite der Büste oder Figur angebracht werden. Diese „Signatur“ ist niemals vom Bildhauer selbst, dessen Modell in der betreffenden Kunstanstalt zur Verfügung
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stand. Sie wurde immer vom Ciseleur nach einer Signaturvorlage des Bildhauers ausgeführt, was manchmal zu „falschen“ Signaturen geführt hat, wenn der Ciseleur zu schlampig gearbeitet hat. Die vorliegende Büste stammt aus der Produktion von Rosenthal & Maeder (im Sockel eingelassene Messingmarke mit der Inschrift R&M), Werkstätten für plastische Kunst, Berlin S 14, Dresdnerstr. 88/89. Das Unternehmen wurde 1907 gegründet und stellte regelmäßig auf der Leipziger Messe aus. In einem zeitgenössischen Bericht wird zwar über die „Marmorskulpturen“ der Firma gesprochen, aber der Berichterstatter wollte wohl etwas Gutes für die Firma tun, denn es handelt sich bei den Erzeugnissen durchwegs um relativ günstige Reproduktionen „von Modellen erster deutscher und ausländischer Bildhauer“, zu denen Rudolf Kaesbach, F. Rosenberg, Lutz Eisenberger, Paul Aichele, Adolf Müller-Crefeld, Roberto Montini, Sigismund Wernekinck, der Wiener Anton Puchegger und Paul Zeiller gehörten, die letzeren beiden vor allem für ihre Tierplastiken bekannt; gearbeitet wurde auch mit Applikationen aus Bronze und farbig gefärbten Massen (Rundschau des Kunstgewerbes, „Die Leipziger Messe“, VIII Bd., Leipzig, Michaelis 1911, Abb. S. 8, Text S. 65). Wenn die Fotos der Büste richtig gelesen wurden, befinden sich bräunliche Stellen auf der Oberfläche der Büste. Diese stehen in Verbindung mit der leicht porösen Beschaffenheit der mit Leim gebundenen Gussmasse aus Gips und anderen Zutaten, die dazu neigt, etwa Fettablagen von Fingern oder anderen Flüssigkeiten in sich aufzunehmen, die sich über die Jahre hinweg verfärben – im Gegensatz zum harten Marmor oder Stein. Dadurch verringert sich natürlich der Wert, aber ein Restaurator kann unter Umständen Abhilfe leisten. Im vorliegenden Fall – über eine Signatur wurde uns nichts mitgeteilt – beträgt der Wert etwa 250 Euro, im restaurierten bzw. originalen, perfekten Zustand läge er bei etwa 450 Euro. Im Kunsthandel werden signierte Büsten und andere Figuren dieser Herstellungsart, auch von anderen Firmen produziert, versehentlich oft als angebliche Originalwerke dieses oder jenes Bildhauers aus „Marmor“ zu entsprechend höheren Preisen angeboten, denn es ist manchmal nicht ganz einfach, den Unterschied zwischen gut gelungenem und nachgearbeitetem Guss und originaler Marmorbildhauerei festzustellen. Schwer in der Hand liegen beide Ausführungsarten. Dr. Graham Dry, München
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KUNSTHANDEL – AUKTIONEN
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Figurative Formen art Karlsruhe Was während der vier Messetage vom 5. bis 8. März die Aufmerksamkeit des Publikums finden wird, erweist ein Blick auf die mit hochkarätigen Namen gespickten Künstlerlisten der 210 Galerien aus elf Ländern. Die art Karlsruhe in der Messe spannt den Bogen von Klassischer Moderne bis zur Gegenwartskunst und versammelt Werke von allen wichtigen Strömungen in diesem Zeitraum. Das Spektrum reicht vom Impressionismus, dem Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit über wichtige Nachkriegspositionen wie Informel, konkrete Positionen, ZERO und Pop Art bis hin zu neoexpressiver Malerei, Street Art und jüngster Gegenwartskunst. Stark vertreten im Bereich der Klassischen Moderne sind Künstler des Expressionismus: Werke von Ernst Ludwig Kirchner zeigen u.a. Galerien wie Henze & Ketterer, Fischer Kunsthandel & Editionen oder Koch. Die Galerie Gitta Bierhinkel hat beispielsweise Max Pechstein im Gepäck, Karl Hofer ist bei Pfundt und Krümmer fine art zu finden und Kunstkontor Dr. Doris Möllers setzt – neben den Impressionisten Lovis Corinth und Max Liebermann – auf Erich Heckel. Mit Werken von Otto Dix und George Grosz repräsentiert der Kunsthandel Hagemeier zwei Leitfiguren der Neuen Sachlichkeit. Aber auch Bauhaus-Ikonen wie Lyonel Feininger (u.a. bei Koch-Westenhoff) und Oskar Schlemmer (Valentien) bekommen auf der art Karlsruhe eine Bühne. Eine der wichtigsten abstrakten Strömungen in der Nachkriegskunst ist die Informelle Kunst. War die Nachkriegskunst des Westens durch Abstraktion geprägt, hielten die Künstler im Osten an figurativen Formen fest. Die Galerie Schwind gibt einen Einblick in das Schaffen der DDR-Künstler Wolfgang Mattheuer, Arno Rink, Willi Sitte und Werner Tübke. Nicht zuletzt darf man gespannt sein, welche Neuentdeckungen die dm-arena auf dem Gebiet der jüngsten Kunst bereithält. TELEFON I 0721/37205120 INTERNET I www.art-karlsruhe.de
Rosalie, Light Scape; Art Karlsruhe Foto: Wolf-Dieter Gericke
Carl Moll (1861-1945), Stillleben mit Hummer und Früchten, 1892; bei Antiquitäten & Bildergalerie Figl auf der 69. Niederösterreichischen Kunst- & Antiquitätenmesse im Schloss Laxenburg bei Wien
Tradition und Moderne 69. Niederösterreichische Kunst & Antiquitätenmesse im Schloss Laxenburg bei Wien Von 14. bis 22. März lädt der Verband Österreichischer Antiquitäten- und Kunsthändler wieder in die prunkvollen Säle des Schlosses Laxenburg. Zum 69. Mal präsentieren Aussteller aus Österreich und Deutschland auf der Niederösterreichischen Kunst & Antiquitätenmesse ihre Highlights aus den verschiedensten Kunstrichtungen und Epochen. Die größte und bedeutendste Messe Niederösterreichs verspricht auch 2015 ein besonders spannendes Kunstevent und Treffpunkt für Sammler zu werden. Zwanzig engagierte Kunstexperten präsentieren Ausstellungsstücke von der Gotik bis zur Gegenwart. Geboten werden Gemälde, Zeichnungen und Grafiken vom 17. bis zum 21. Jahrhundert, Asiatika aus China, Japan und Tibet, kostbarer Schmuck vom Biedermeier bis zum Art déco, gesuchte Barock- und Biedermeiermöbel sowie Mobiliar aus dem bäuerlichen Bereich, meisterlich gearbeitete Silberexponate namhafter Manufakturen und Skulpturen bedeutender Bildhauerdynastien, museale Kleinkunst, Kamin- und Kachelöfen um 1900, barocke Gartenfiguren, antike Teppiche und Textilkunst, interessante Volkskunst, seltene Uhren. Ein besonderer Messehöhepunkt ist die Sonderausstellung „Hans Robert Pippal – Zum 100. Geburtstag“ am Stand der Galerie Szaal. Heute ist Pippal Kunstkennern und -sammlern vor allem aufgrund seiner Wien-Veduten ein Begriff. Doch hebt die umfangreiche Präsentation – gezeigt werden mehr als 20 Ölgemälde und Aquarelle – darüber hinaus auch seine grandiose surreale Malerei in altmeisterlicher Lasurtechnik ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Als sachverständige Spezialisten beraten die ausstellenden Kunsthändler beim Kunstkauf und garantieren für ihre Kunstobjekte. Veranstalter ist der Verband Österreichischer Antiquitäten- und Kunsthändler, der auch für die beiden
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großen Messen in Wien, die WIKAM im Künstlerhaus und die WIKAM im Palais Ferstel / Palais Niederösterreich verantwortlich zeichnet. Obwohl asiatische Kunst bei Sammlern sehr beliebt ist, ist dieser Kunstzweig in den letzten Jahren auf dem österreichischen Markt weniger präsent. Deshalb freut sich der Veranstalter, dass Galerie Darya aus Karlsruhe wieder für dieses Kunstereignis gewonnen werden konnte. Ihr Programm beinhaltet eine Buddha-Büste aus Stein, Burma, 18. Jahrhundert, einen Buddha Shakyamuni wie auch eine Repoussé-Figur des Sadbhuja-Mahakala – beides Tibet, Ende 18./frühes 19. Jahrhundert. Als sehr selten und interessant erweist sich bei St. Georgs Antiquariat eine 24-teilige Perspektivkarte der Stadt Wien und den Vorstädten, gezeichnet 1774 von Daniel Huber, radiert von Wagner, Eberspach und Kurtz, verfertigt von A. Adam, mit einer Größe von circa 15 Quadratmetern. Am Stand von Antiquitäten & Bildergalerie Figl findet der Besucher eines der Messehighlights, ein großformatiges „Stillleben mit Hummer und Früchten“ von Carl Moll, das von Dr. Cornelia Cabuk (Belvedere) für das Werksverzeichnis C. Moll dokumentiert wurde. Die Galerie Altstadt, spezialisiert auf hochwertige Gemälde des 19. und 20. Jahrhunderts, verweist auf eine „Spanische Landschaft“ des renommierten Künstlers Willy Eisenschitz. Dieser Wiener Zwischenkriegsmaler lebte und arbeitete in Frankreich und zählt zu den wenigen österreichischen Künstlern, deren Arbeiten bereits im National Art Museum of China in Peking gezeigt wurden. Ein vielseitiger Künstler ist Franz von Zülow, der mit einem ansprechenden Stillleben bei Kunsthandel Zöchling vertreten ist. Galerie Heinze bringt eine Ansicht des Markusplatzes von Emanuel Fohn, der vor allem hellfarbige Landschaften und Veduten in impressionistischer Tradition schuf. Nach dem Militärdienst und kurzen Aufenthalten in Spa-
Hans Robert Pippal (1915-1998), Mädchen mit Schmetterlingshut, 1975; bei der Galerie Szaal auf der 69. Niederösterreichischen Kunst- & Antiquitätenmesse im Schloss Laxenburg bei Wien
nien folgten Fohns venezianische Jahre (1923-1932), die sich in zahlreichen farbig bewegten Bildern niederschlugen. Gemälde aus seiner Hand befinden sich im Stadtmuseum Bozen, sein Nachlass im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum. Ein ganz spezielles und derzeit auch als Anlage international hoch bewertetes Sammelgebiet sind antike Teppiche und Textilkunst. In diesem Bereich findet der Besucher vier Aussteller, die mit qualitätvollen Exponaten aufwarten. ÖFFNUNGSZEITEN I täglich 11 bis 18 Uhr TELEFON I 0043/664/1353050 INTERNET I www.wikam.at
Das Porträt Eurantica in Brüssel
Miguel Alzueta; Eurantica in Brüssel © Eurantica Brussels
Die Brussels Fine Art-Messe Eurantica ist der Treffpunkt in Belgien für Sammler von alten Gemälden, moderner Kunst, Schmuck, klassischen und Vintage-Möbeln. Die für ihr modernes Flair, ihre großartigen Gemälde-Entdeckungen und die prominente Stellung, die Möbeln (antiken wie auch Vintage-Möbeln) eingeräumt wird, bekannte Messe wird von Sammlern, Kunsthändlern, aber auch von zahlreichen Dekorateuren erwartet. Mit ihrem Angebot an qualitativ hochwertigen und geschmackvollen Stücken zu erschwinglichen Preisen hat sich die Eurantica neben den großen internationalen Ereignissen zu einem Highlight entwickelt. Dieses Jahr öffnet die Messe von Freitag, 20. März bis Sonntag, 29. März ihre Pforten auf dem Messegelände Brussels Expo. Professionelle Sammler, Dekorateure und Fachleute
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treffen sich dort in entspannter Atmosphäre, wo die junge Generation belgischer und ausländischer Antiquitätenhändler die neuesten Markttrends aufzeigt. Bei der diesjährigen Messe steht „Das Porträt“ im Mittelpunkt. Auch wenn seine Entstehung auf die Antike zurückgeht, war es noch nie so erfolgreich wie in den vergangenen Jahren. TELEFON I 0032/2/7401031 INTERNET I www.eurantica.be
Antikes mit Ambiente Antik- & Kunstforum in der ehemaligen Klosterkirche Bornheim-Walberberg Eine außergewöhnliche Veranstaltung verdient eine besondere Location: Deshalb findet das „Antik- & Kunstforum” am 7. und 8. März zum zweiten Mal in einer ehemaligen Klosterkirche statt. Die Klosterkirche des Dominikanerklosters „Albertus Magnus” in Bornheim-Walberberg aus dem Jahre 1920 wurde Ende 2007 vom Dominikaner-Orden aufgegeben. Sie bietet so ein außergewöhnliches und einmaliges Ambiente für diese Veranstaltung. Die wertvollen alten Exponate und antiken Schätze kommen im Kirchenschiff bestens zur Wirkung, beschreibt ein Aussteller aus dem Elsaß die Idee, in der alten Kirche auszustellen. Circa 30 Aussteller aus ganz Deutschland zeigen eine erlesene Auswahl an wertvollen Antiquitäten, zeitgenössischer Kunst, seltenen Exponaten, antiken Möbeln verschiedener Stilepochen, Schmuck, Silber und Porzellan sowie Gemälde alter Meister, Druckgrafiken und wertvolle Zeichnungen. ÖFFNUNGSZEITEN I Sa: 15 bis 19 Uhr und So: 11 bis 17 UhrUhr TELEFON I 02232/931717 INTERNET I www.a-v-a.net
Die ehemalige Klosterkirche des Dominikanerordens „Albertus Magnus“ in Bornheim-Walberberg wird zum zweiten Mal Schauplatz für das Antikforum
Träume aus Glas 1. Parfumflakon-Sammlerbörse in Germering Liebhaber und Bewunderer duftender und dekorativer Fläschchen kommen am Sonntag, dem 8. März in der Stadthalle in Germering (bei München) auf ihre Kosten. Dort findet die erste Parfumflakon-Sammlerbörse statt. Bettina Bayer-Tetzel aus dem badischen Offenburg ist seit Ende der 80er-Jahre passionierte Sammlerin und veranstaltet seit 1992 regelmäßig Parfum-Börsen in Baden-Württemberg und Straßburg, die sich großer Beliebtheit erfreuen. Da es in Bayern keine Parfumbörsen gibt, nahmen Sammler aus Bayern sehr Flakon Diorissimo von Dior; 1. weite Wege in Kauf, nur um Parfumflakon-Sammlerbörse in den Austausch mit Gleichder Stadthalle Germering (bei gesinnten zu erhalten. Aufgrund der Nachfrage an die München) Veranstalterin, dies auch in Bayern zu organisieren, hat sie sich entschlossen, in der Stadthalle Germering mit einer Parfumbörse zu starten. Unter dem Motto „Ein Quäntchen Duft" wird alles angeboten, was mit Düften und den dazu gehörenden Flakons zu tun hat. Der Besucher kann also Parfumflaschen von Armani bis Valentino und aktuelle Miniaturen kaufen. Die mit gefärbtem Wasser gefüllten Magnum-Flaschen, sogenannte Großfaktisen, lassen so manches Sammlerherz höher schlagen. Ergänzt wird das Angebot durch Parfumflakons in allen Größen, Farben und Formen, durch Neuheiten, limitierte Düfte, Duftkarten, Schmuck, Creme-Parfums, Puderdosen, Accessoires aus dem Duftbereich bis hin zu Dekorationsartikeln und Fachliteratur. Vor allem Miniaturflakons sind gefragte Sammlerstücke. „Ein Parfum ist ein Kunstwerk und das Objekt, in dem es enthalten ist, muss ein Meisterwerk sein", stellte Modemacher Robert Ricci einmal fest. Flakons sind in allen Formen, Farben und Stilen verbreitet. Beinahe jeder namhafte Designer wie Ricci, Dior, Versace, Gaultier und Lalique hat einen oder mehrere eigene Düfte und Flakons kreiert. Flakons, die in großer Auflage produziert werden, kann man bereits für kleines Geld erwerben (ab 2 Euro). Tiefer in die Tasche greifen muss man z.B. für handgeschliffene Glasflakons des französischen Designers René Lalique oder für Großfaktisen wie „L'Air du temps" nach einem Entwurf von Marc Lalique mit original Signatur. ÖFFNUNGSZEIT I 10.30 bis 15.30 Uhr TELEFON I 0171/6349999
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www.verzamelaarsjaarbeurs.nl
KÜNSTLERHAUS WIEN KARLSPLATZ 5 18. bis 26. April 2015 Täglich 11 bis 19 Uhr
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Der Ruf Indiens Bombay – London – New York Christie's etabliert sich in Bombay, die Marktakteure treffen sich auf der großen Messe für zeitgenössische Kunst in Delhi, Versailles bereitet sich auf eine Ausstellung des großen britisch-indischen Künstlers Anish Kapoor vor: Der indische Kunstmarkt ist zweifellos zurückhaltender und weniger spektakulär als andere, doch die Grundlagen sind durchaus da und schlagen immer tiefere Wurzeln. Auffallend bei den Auktionen, die Christie's seit Dezember 2013 in Bombay hält, ist die lebhafte, um nicht zu sagen „unersättliche" Nachfrage. Natürlich wurden auf den beiden Auktionen moderner und zeitgenössischer Kunst, die seit nunmehr etwas über einem Jahr dort stattfinden, nicht dieselben Ergebnisse erzielt wie London und New York. Bei beiden wurden jedoch Kunstwerke im Wert von mehreren Millionen und vor allem auch fast alle angebotenen Lose versteigert. Am 11. Dezember 2014 fanden 90 Prozent aller Lose einen Abnehmer, bei 70 Prozent davon übertrafen die Höchstgebote die Erwartungen. Dies sind Rekordzahlen, denn normalerweise liegt die Quote der versteigerten Werke pro Auktion im Westen bei rund 70 Prozent. Die Nachfrage ist lebhaft, sowohl bei indischen Sammlern als auch bei westlichen Kennern der indischen Szene, die über zwei Jahrzehnte Erfahrungen sammeln konnten. Dass Christie's gerade in Bombay ein zwölftes Auktionshaus eröffnet hat, ist Teil einer Entwicklungsstrategie und einer Öffnung des Marktes nach Indien, die vor 20 Jahren mit der ersten Auktion zeitgenössischer indischer Kunst von Christie's in London eingeleitet wurde. Indische Künstler haben sich also über London einen Namen gemacht, beispielsweise die großen Namen der Moderne wie Tyeb Metha, Francis Newton Souza, Sayed Haider Raza oder Jagdish Swaminathan und die auf dem Markt in den Jahren 2006 bis 2008 und erneut seit 2010 stark nachgefragten zeitgenössischen Künstler. In Bezug auf zeitgenössische indische Kunst herrschte während der zwei Jahre vor dem Kollaps der Investmentbank Lehman Brothers geradezu eine Euphorie.
Anish Kapoor: Sans titre, 1989 (Christie’s/Paris, 10/2014; Zuschlagspreis 12.000 Euro) (© VG Bild-Kunst Bonn; © Christie’s Images Limited)
Raqib Shaw: Garden of Earthly Delights XIII, 2005 (Sotheby’s/London, 6/2014; Zuschlagspreis 287.316 Euro) (© Sotheby’s)
Schlag auf Schlag folgten von London bis New York sechsund siebenstellige Höchstgebote für Raqib Shaw und Anish Kapoor, die beiden führenden Künstler des Genres. Seit Kurzem erzielt auch Bharti Kher, die neue Favoritin des Marktes, gleichwertige Rekordergebnisse.
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Bharti Kher: Journeys + Steps, 2010 (Sotheby’s/London, 10/2014; Zuschlagspreis 27.667 Euro) (© Sotheby’s)
Das Trio Shaw – Kher – Kapoor Von diesen drei zeitgenössischen Künstlern ist Bharti Kher die einzige, die in Indien (Neu-Delhi) lebt, doch geboren wurde sie in London. Die beiden anderen, Raqib Shaw und Anish Kapoor, haben vor rund zwanzig Jahren London zum Wohnsitz gewählt – eine sinnvolle Wahl, da die Stadt weiterhin als „Hauptstadt" der indischen Kunstszene gilt. Alle drei Künstler können auf außergewöhnliche Laufbahnen und zuweilen auch Auszeichnungen zurückblicken: Raqib Shaw wird von der Galerie White Cube unterstützt und profitierte 2006 von einer prestigeträchtigen Ausstellung im MoMA (mit dem Titel „Garden of Earthly Delights III"). Bharti Kher gehört zu einer Gruppe von Künstlern, die von dem Galeristen Emmanuel Perrotin (Paris – Hongkong – New York) gefördert werden. Anish Kapoor schließlich wurde 1991 mit dem Turner Prize ausgezeichnet, 1999 in die Royal Academy aufgenommen und 2003 zum Commander of the Order of the British Empire ernannt. Das Schloss von Versailles öffnet zudem von Juni bis Oktober 2015 seine Gärten für eine große Anish Kapoor-Ausstellung. Von allen zeitgenössischen indischen Künstlern ist Anish Kapoor zweifellos der bekannteste. Die immense Empfindsamkeit und die psychische Kraft seines Werks zogen 2011 277.000 Besucher an, die seine Monumentalinstallation „Léviathan" im Pariser Grand Palais bewunderten. Nie zuvor hatte sich das Ausstellungsgebäude eines so großen öffentlichen Zulaufs erfreut. Auch der kommerzielle Erfolg blieb nicht aus: Seine Werke sind auf allen großen internationalen Messen vertreten und erfreuen sich weltweit einer lebhaften Nachfrage. Bereits mehr als 30 Mal erzielten Werke des Künstlers Höchstgebote von über einer Million Dollar (London, New York und Doha). Doch seine Bekanntheit macht ihn nicht zugleich zum teuersten indischen zeitgenössischen Künstler: Dieser Titel gebührt Raqib Shaw, dessen Ge-
mälde „Garden of Earthly Delights III" am 12. Oktober 2007 in London für 2,4 Millionen GBP (3,45 Millionen Euro) unter den Hammer kam (bei einem oberen Schätzwert von 600.000 GBP). In den vergangenen Monaten wurden nur wenige bedeutende indische Werke auf Auktionen angeboten, insbesondere kaum Arbeiten dieser zeitgenössischen Künstler. Der Markt verdaut die vorangegangenen Höhenflüge und reagiert vorerst mit vorsichtiger Zurückhaltung. So wird die derzeitige Rarität dieser Werke ihren Wert langfristig steigern. Das Erwachen des Marktes vor Ort, in Indien, trägt mit Messen wie dem 7. India Art Fair (IAF) in Neu-Delhi (29. Januar 1. Februar 2015) und lokalen Auktionshäusern zu dieser Konsolidierung bei: Zu Letzteren zählen natürlich zum einen Christie's, zum anderen aber auch indische Unternehmen. Die Explosion des indischen Kunstmarkts seit 2006 ermöglichte die Eröffnung von Auktionshäusern wie Osian, Triveda Fine Art (gleichzeitig auch eine Kunstgalerie) oder Bid & Hammer Auctionneers, Bangalore in Neu-Delhi und Asta Guru in Bombay. Der Markt vor Ort ist also in einem Prozess des Wandels und des Aufbaus begriffen. Anders als in anderen Schwellenländern wie China oder den Vereinigten Arabischen Emiraten entwickelt sich der indische Kunstmarkt eher dank Investitionen des privaten als des öffentlichen Sektors. Die wirklichen Akteure sind die Sammler, im Ausland ansässige Inder und Frauen aus wohlhabenden Schichten. Der Aufbau der kulturellen Infrastrukturen und des Kunstmarkts in Indien befindet sich noch in den Kinderschuhen, doch der Reichtum der dortigen Kunstszene, die Ambitionen der kulturellen Akteure und das Potenzial der Käufer vor Ort sind bereits ausgebildet und werden von den großen internationalen Akteuren der Kunstwelt sorgsam beobachtet. QUELLE | artprice.com
Bharti Kher: Untitled, 1999 (Christie’s/London, 6/2014; Zuschlagspreis 5.567 Euro) (© Christie’s Images Limited)
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Chinesische Künstler in Frankreich Der Fall Wang Keping China ist heute für die Akteure des Kunstmarkts ein Muss. Das Land hat sich bereits vor fünf Jahren als weltweit bedeutendster Marktplatz für Kunstauktionen durchgesetzt, noch vor den Vereinigten Staaten. Mehr als vier Milliarden Kunstwerke wurden in chinesischen Auktionshäusern 2014 versteigert, ohne die Milliarden zu zählen, die von kalligrafischen Arbeiten und Antiquitäten erzielt wurden. Der chinesische Markt übt eine außerordentliche Macht aus. Kaum zehn Jahre hat es gedauert, bis die großen Namen der modernen und zeitgenössischen chinesischen Kunst in Auktionshäusern die Millionengrenze überschritten. Die auserkorenen Favoriten heißen Qi Baishi, Huang Zhou, Li Xiongcai, Tang Yin und Zhang Daqian. Die Gebote für ihre Werke kletterten in den Auktionshäusern von Peking, Shanghai, Hongkong oder Guangzhou bereits auf ungeahnte Höhen, noch bevor westliche Sammler auf sie aufmerksam wurden. Die mangelnde Bekanntheit im Westen ist darauf zurückzuführen, dass die Werke dieser Künstler außerhalb von China nur wenig verbreitet sind. Verantwortlich für den explosionsartigen Preisanstieg für chinesische Kunst waren indes einige zeitgenössische Meister, die seit langem in Frankreich lebten und in der gesamten westlichen Welt bekannt sind. Denn seit einigen Jahren interessieren sich chinesische Sammler stark für ihre ausgewanderten Landsleute, die im 20. Jahr-
Wang Keping: Untitled (Sotheby’s/Hong Kong, 10/2014; Zuschlagspreis 12.360 Euro) (© Sotheby’s)
hundert in Paris berühmt geworden waren und deren Werke hybride Visionen der großen asiatischen Tradition und der westlichen Moderne zeigten. Die aus ihrem Heimatland emigrierten chinesischen Künstler stehen symbolisch für eine transnationale Vision künstlerischen Schaffens und erfreuen sich im Westen wie im Osten einer soliden Nachfrage. Die französische Kunstszene ist von erstrangigen chinesischen Künstlern geprägt, deren Werke in Europa und China gesammelt werden. Beispielhaft sind die Abstraktionen von Zao Wou-Ki und Chu Teh-Chun zu nennen, die nunmehr Multimillionäre sind. Weniger auffällig, ohne großes Aufsehen folgt hingegen Wang Keping seinem künstlerischen Weg. Er ist Mitbegründer der berühmten Gruppe „Die Sterne" – ein Name, den diese bedeutenden nicht-offiziellen chinesischen Künstler wählten, weil „wir die einzigen Lichtschimmer in einer endlosen Nacht waren. Sterne, die von weitem so klein aussehen, können sich außerdem als gigantische Planeten erweisen." Wang Kepings Weg Wang Keping ist weder Maler noch Zeichner, sondern Bildhauer. Er wurde 1949 in Peking geboren, arbeitet jedoch seit
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Katrin Himmelreich Zeitgeist des Art déco Ihr Name klingt wie eine Verheißung, ihre Arbeit für die Schwarzburger Werkstätten erinnert an glühendes Großstadtleben und Amusement: Katrin Himmelreich brachte in ihrer Figur einer Revuetänzerin das Formgefühl des Art déco und das Lebensgefühl der 20er-Jahre perfekt zum Ausdruck. Damit gelang ihr ein Porzellankunststück, das sie untrennbar mit den Schwarzburger Werkstätten für Porzellankunst verknüpft: Die Revuetänzerin entstand in limitierter Auflage von 199 Exemplaren im Jahr 2009 anlässlich des hundertjährigen Bestehens der berühmten und traditionsreichen Kunstabteilung. Die Thüringer Porzellanplastikerin stellte für diese Aufgabe die perfekte Wahl dar, liegt ihre besondere Begabung doch in der meisterlichen Umsetzung von Auftragsarbeiten. Die handwerkliche Grundausstattung erhielt die 1970 in der thüringischen Kleinstadt Neuhaus am Rennweg, unweit von Rudolstadt geborene Himmelreich in Lichte, im heutigen Landkreis Saalfeld-Rudolstadt, wo sie als Figurenmodelleurin ausgebildet wurde. Den künstlerischen Feinschliff verpasste ihr Meistermodelleur Heinz Schober, unter dessen Anleitung sie von 1990 bis 1997 in den Unterweissbacher Werkstätten für Porzellankunst arbeitete, innerhalb derer Max Adolf Pfeiffer Anfang des Jahrhunderts seine Schwarzburger Kunstabteilung initiierte. Die Unterweissbacher Manufaktur war bis zur Wende Teil der VEB Vereinigte Zierporzellanwerke Lichte im Kombinat Feinkeramik Kahla und spezialisiert auf anmutig-galante Motive mit meisterlichem und detailgetreuem Spitzenwerk, auf Musiker und Harlekingruppen und auf jagdliches Repertoire. Heinz Schober zählte neben Gustav Oppel, der das Profil der Werkstätten von Anfang an mitprägte, und Kurt Steiner, der mit seinen Figurinen über Jahrzehnte das Thüringer Zierporzellan beeinflusste und dessen Umsetzung des „Schwanensee"-Themas Höhepunkte seines Spätschaffens waren, zu den Meistermodelleuren. Himmelreich konnte dort ihre Vielseitigkeit unter Beweis stellen. Sie schuf Reiterfiguren, Tän-
Katrin Himmelreich
zerinnen, Darstellungen von Sportlern, zahlreiche Tierplastiken, Reliefs mit Stadtansichten und weihnachtlichen Motiven. Heute sind die Unterweissbacher Werkstätten für Porzellankunst der „Königlich privilegierten Porzellanfabrik Tettau", einer Seltmann-Tochter, angegliedert und produzieren in der Gläsernen Porzellanmanufaktur am historischen Standort der Aeltesten Volkstedter Porzellanfabrik in Rudoldstadt. Seit 1997 entwickelt sie ihre eigenen Entwürfe und arbeitet nach Kundenwünschen. Volkstedt legte ihre Interpretation des Zaren Nikolaus I. auf sowie ihre Darstellungen einiger berühmter russischer Tänzerinnen. Die delikate Umsetzung bewegter Figuren in all ihren unterschiedlichen Haltungen mit idealer Körperspannung, hoher Geschmeidigkeit und gewandten Drehungen gehört zu Katrin Himmelreichs Spezialitäten. In der Figurine zum hundertjährigen Werkstätten-Jubliläum zeigt die Porzellanplastikerin all ihr Können. Sowohl inhaltlich als auch formal verweist sie in ihrer Revuetänzerin auf die goldenen Zeiten, auf brodelnde Metropolen, Glamour und Vergnügen, kreative Nährböden, Vitalität und künstlerische Aufbruchsstimmung am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, auf eine Zeit also, zu der Max Adolf Pfeiffer
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Alle abgebildeten Objekte: Revuetänzerin (U 6001-W), 2009 anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Schwarzburger Werkstätten für Porzellankunst, limitierte Serie von 199 Exemplaren, 35 x 22 x 57 cm
um die klare große Pose wie um zierlichen Detailreichtum und setzt beides in die richtige Verhältnismäßigkeit. Den nackten Rücken der Tänzerin umschwingt ein seidiges, frei hängendes Stück Stoff. Es nimmt formal die große Schüsselfalte des nur von einem zarten Perlengürtel auf den Hüften gehaltenen langen Tuchs auf. Diese Perlenschnüre kehren als Träger des Büstenhalters und als Stirnband wieder. Ein Meister der Art-déco-Tänzerin war Demetre Chiparus, der seine Figuren des Ballets Russes bevorzugt in einer Kombination aus Bronze und Elfenbein anfertigte. Himmelreichs Revuetänzerin ähnelt in Haltung, Eleganz und Mode denen des rumänischen Bildhauers, in ihrer Wirkung ist sie jedoch ungleich geschmeidiger, schmiegsamer und zarter. Das Porzellan erscheint in ihr als absolut biegsame Masse, ein Kunststück, umso mehr wenn man weiß, dass das Material keinen Fehler verzeiht. Katrin Himmelreich gehört zu den Porzellinern, die bereits in der dritten Generation in den Werkstätten arbeiten – die Lust am gekonnten Modellieren sieht man ihrer Revuetänzerin jedenfalls an. die Schwarzburger Werkstätten aus der Taufe hob und in der sie mit einem dezidiert künstlerischen Programm innerhalb kürzester Zeit internationale Berühmtheit erlangten. Himmelreich hat sich für ihre Revuetänzerin stilistisch am Art déco orientiert, an der Stilrichtung, die grob zwischen den beiden Weltkriegen auszumachen ist und welche die Architektur und das Interieur genauso prägte wie die Plakatkunst und das Theater. Ihre Figur verkörpert den damaligen Zeitgeist, das Selbstbewusstsein der Frauen und ihr stolzes Körpergefühl, die Sehnsucht nach einem von falschen Moralvorstellungen und überholten Konventionen befreiten Leben und die damit auch einhergehende Freizügigkeit in der Mode. Zarte, fließende, die Körperkonturen unterstreichende Stoffe waren gefragt, und viel Haut – eine Herausforderung für jeden Modelleur. Himmelreich meistert sie mit Bravour, besonders da die stattliche Figur unbemalt ist und vom reinen Porzellan lebt. Gekonnt umgesetzt hat sie die nackten Körperpartien und die Luftigkeit und Leichtigkeit des Kostümstoffes. Der klare Faltenwurf des gefächerten Rocks folgt den bevorzugten vertikalen Linien des Art déco, die geschickte Drehung der Figur ist aus der Überkreuzung der langen Beine motiviert, welche der gesamten Figur eine elegantfließende Bewegung gibt. Der gespannte Oberkörper ist deutlich herausgearbeitet, der gestreckte Hals hält graziös den Kopf mit der zeittypischen Bubikopffrisur und dem Kopfschmuck. Die gewinkelten Arme unterstützen die Dynamik und Allansichtigkeit. Katrin Himmelreich weiß ebenso
Karin Probst
FOTOS | Gläserne Porzellanmanufaktur Rudolstadt
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Hoff man n Friedrich Gottlob Hoffmann Sabine Spindler
VORNEHMSTE TISCHLERARBEIT Für die Zeit um 1770 war es ein ungewöhnlicher Schritt, dass sich ein Schreiner aufmachte, den Möbelmarkt umzukrempeln und zu erobern. Der in Leipzig wirkende Friedrich Gottlob Hoffmann (1741-1806) hatte den Ehrgeiz und das entsprechende Talent dazu, wie die derzeitige, erste Ausstellung über Werk und Wirken dieses Möbelproduzenten im Leipziger Grassi Museum zeigt. Seine Möbel zählen neben den Arbeiten David Roentgens zum Besten, was der Frühklassizismus in deutschen Landen hervorgebracht hat. Wie viele seiner Zunft betrieb er in der sächsischen Messestadt eine Werkstatt, aber er führte sie wie ein großes Unternehmen, produzierte auf Vorrat und im großen Stil, orientierte sich an den neuesten internationalen Trends und gab unter dem Titel „Vornehmste Tischlerarbeiten aus Leipzig" den ersten gedruckten Warenkatalog eines deutschen Möbelproduzenten heraus. Doch entscheidend für den Erfolg war letztlich sein unvergleichliches Möbelprogramm, dem es weder an Modernität und Eleganz noch an Qualität und Raffinesse fehlte. Hoffmann befriedigte sowohl in adligen als auch in bürgerlichen Kreisen das Bedürfnis nach eher schlichten, frühklassizistischen Einrichtungen, wie sie zu dieser Zeit in England gerade en vogue waren.
Dreischübige Kommode mit kannelierten, schrägen Lisenen, Mahagoni- und Königsholzfurnier, Zugringe mit emaillierten Grundplatten, seitlich Wedgwood-Medaillons, um 1790/1795 (Foto: Grassi Museum/Stephan Klonk) Kanapee, um 1785, Buche, grau gefasst, teils vergoldet, ehemals Schloss Crossen. Im Warenkatalog von 1789 sind ähnliche Möbel unter No. 18 und No. 23 aufgeführt. B 191 cm (Foto: Sandstein Verlag/Peter Atzig)
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Sekretär, um 1795, Mahagoni, Ahorn und andere Hölzer, Messingbeschläge, Wedgwood-Medaillon im Giebel, seitlich und auf der Front Tafeln mit Lackmalerei auf Eisenblech. Im Katalog von 1795 auf Tafel 36 als „Ein Büreau mit feinen lakierten englischen Platten" beschrieben. H 185 cm (Foto: Grassi Museum/Gunter Bindsack) Zylinderbüro mit Aufsatz, im Katalog von 1795 als „Ein Büreau mit einem Aufsatz" beschrieben, Mahagoni, Königsholz, Ahorn und andere Hölzer, Beschläge aus Messing, Wedgwood-Medaillon im Giebel, Malerei auf Blech; die obere Schublade war gleichzeitig als Stehpult zu benutzen, H 197 cm, im Besitz des Kunstgewerbemuseums Dresden (Foto: Grassi Museum/Christoph Sandig) Sekretär, 1789, Mahagoni, Ahorn, Nussbaum und andere Hölzer, Beschläge teilweise vergoldet, Kupferbleck lackiert, im Warenkatalog von 1789 als „Bureau für Damen" beschrieben, die obere Schublade ist als Steh- oder Zeichnungspult nutzbar. H 161 cm (Foto: Grassi Museum/Stephan Klonk)
Denn auch wenn die vom Geist der Aufklärung beseelten HoffmannZeitgenossen Einfachheit und Vernunft zum Gebot der Stunde erklärten, die Lust auf Mode, Luxus und standesgemäße Repräsentation war ihnen noch lange nicht vergangen. Die Blütezeit Friedrich Gottlob Hoffmanns sind die Jahre zwischen 1780 und 1795. Seinen Möbeln ist eine
zurückhaltende Eleganz zu eigen. Meist mit noblen Mahagoni-Furnieren versehen, stellt er Möbel her, die in ihren Grundzügen auf die Antike verweisen, aber sich vom sogenannten Zopfstil mit seinen schweren Festons und demonstrativen Ornamentstäben im Lauf der Jahre gänzlich verabschiedet hatten. Ob Hoffmann in den Anfangsjahren seiner 1770 gegründeten Werkstatt vorwiegend in diesem Stil gearbeitet hat, ist nicht nachzuvollziehen, da die Möbelforschung ihm bislang kein Möbel aus den 1770er-Jahren zuschreiben konnte. Michael Sulzbacher, Möbelhändler und -forscher, vermutet im Ausstellungs-Katalog, dass Hoffmanns Arbeiten in diesen Jahren noch zu beliebig waren und ihren markanten Zug noch nicht besaßen. Der entstand Ende der 1770er-Jahre. Die Schauflächen sind streng gegliedert, die Schubfronten mit verschiedenen, kassettenähnlich gesetzten Hölzern, Fadeneinlagen und zierlichen Messingstäben aufgelockert, und mit Aufsätzen und Giebeln ist Bewegung ins Spiel gebracht. Säulen, manchmal auch Vasen, ein typischer Zahnschnittfries aus unterschiedlich farbigen Furnierhölzern unterhalb der Kommodenplatte etwa setzen zeittypische Akzente. Bestens nachzuvollziehen ist Hoffmanns Stil an den edlen, aber niemals prunkvollen Schreibmöbeln, von denen in der Leipziger Ausstellung ein Großteil jener Modelle ausgestellt ist, die er in den Warenkatalogen aufführte. Es sind kompakte Möbel, die mehr als eine Schaufas-
sade bieten. Fein gearbeitete Eingerichte mit zierlichen Schubläden, Rouleaus, Tablaren und Schubläden, die zugleich als Stehpult benutzt werden, sprechen für hohen Anspruch und für den Sinn fürs Praktische.
SPIEL DER VARIANTEN Hoffmanns Warenprogramm reichte vom gewichtigen Aufsatzsekretär bis zum Teekästchen. Allein in seinen Katalogen publizierte er insgesamt fast 80 Modelle und betonte immer
Verwandlungstisch, Mahagoni, eingelegt mit farbigen Hölzern, Beschläge und Leuchterarme Messing, 1798, im Katalog von 1789 unter No. 17 als „Ein dreyfacher, viereckiger Tisch zum Speisen, Zeichnen, Schreiben und zur Musik" beschrieben (Foto: Grassi Museum/Kulturstiftung Dessau-Wörlitz)
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wieder, dass er auch einfache Möbel herstelle. Aber wie die heute bekannten Hoffmann-Möbel zeigen, bewegte sich seine Produktion nicht sklavisch im Rahmen des Katalogs. Hoffmann gelang der Spagat zwischen Stereotypie und individuellem Kundenwunsch. Er kombinierte von ihm entworfene Kommoden mit Schreibaufsätzen, er variierte bei Pult- oder Rollsekretären den Unterbau des Möbels, wobei die für ihn typischen Gestaltungselemente wie etwa kassettierte Schübe immer wieder auftraten. Ein augenscheinliches Beispiel dafür sind drei Varianten eines Zylinderbüros, die im Ausstellungskatalog aufgeführt werden. Erst beim genauen Vergleich offenbaren sie Unterschiede: 1789 benutzte Hoffmann als Unterteil eine scheinbar zweischübigen Kommode mit den für ihn typischen, über Eck gestellten Säulen über kurzen, spitz zulaufenden Füßen. Ein dritter, schmaler Schub war bei geöffnetem Möbel kaum wahrnehmbar. 1990 stellte er den identischen Schreibaufsatz auf eine Kommode mit drei gleichhohen Schüben und Klotzfüßen. Und 1795 setzte er dieses Möbel auf höhere Spitzfüße und verzichtete im Aufsatzteil auf den weichen Abschluss mit einer konisch geschwungenen Schublade. Michael Sulzbacher schreibt im Katalog, dass es sich trotzdem nicht um ein Modulsystem gehandelt habe. Die Maße sind zu unterschiedlich, als dass die einzelnen Teile austauschbar wären. Den Keim einer modernen „Serienproduktion" kann man jedoch nicht leugnen.
TECHNISCHE RAFFINESSEN In seinem Stil war Hoffmann eindeutig von englischen Möbeln beeinflusst. Von dort kam auch der Trend zu raffinierten Verwandlungsmöbeln. Multifunktionale Möbel waren im praktisch denkenden und erfindungsreichen späten 18. Jahrhunderts eine große Mode und eine im-
Sekretär, Mahagoni, eingelegt mit farbigen Hölzern, Beschläge teilweise vergoldet, Wedgwood-Medaillon im Giebel, raffiniert sind der im Unterbau des Möbels integrierte Stuhl und die verspiegelten Innentüren der seitlichen Kästchen des Schreibfachs, die der besseren Reflexion des Lichts dienten. H 221 cm (Foto: Grassi Museum/Stephan Klonck) Verwandelbarer Schreibtisch, um 1795, Mahagoni, Königsholz und andere Hölzer, Beschläge aus Messing und Gelbguss, im Warenkatalog von 1795 auf Tafel XXIII und XXIIII als „Schreibtisch in Form eine Opferaltars" bezeichnet. H 83 cm. Der Schreibaufsatz kann durch die Aktivierung einer ausgefeilten Mechanik im Inneren des Unterbaus hochund runtergefahren werden. Durch das Zurückklappen der Schreibfläche bekommt das Möbel das Aussehen eines Halbschrankes (Foto: Grassi Museum/ Stephan Klonck) Aufsatz-Schreibtisch, um 1789, Mahagoni, eingelegt mit farbigen Hölzern, Beschläge Gelbguss, im Warenkatalog von 1789 als No. 1 aufgeführt als „GeschäftsCabinet", Normalhöhe 118 cm, über eine Hebemechanik können Schreibplatte und Aufsatz in der Höhe verändert werden. Das Absenken der Platte erfolgt bei diesem Exemplar mittels eines Fußhebels (Foto: Grassi Museum/Stephan Klonk)
mense Herausforderung im Möbelbau. Dass Hoffmann sie bewältigte, zeigen nicht nur der fast dekorlose, kühn reduzierte Verwandlungstisch und der formal gewagte Schreibtisch in Form eines Opferaltars. Immer wieder sind in seinen Sekretären Schubläden integriert, die sowohl als Schmink- und Frisiervorrichtung als auch Zeichenpult dienen. Er fertigte die mit allerhand Hebe- und Stütztechnik ausgestatteten Architektentische sowie Schreibpulte mit ausgefeilter Mechanik zur Höhenveränderung der Schreibplatte. In seinem er-
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sten Warenkatalog von 1789 etwa pries er einen „Tisch mit dreyfachen Veränderungen" an. Aus einem harmlosen, halbrunden Konsoltisch wurde durch Aufklappen der Deckplatte ein runder Spieltisch mit intarsiertem Dame-Spielbrett. Beim Aufklappen des nächsten Halbrundblattes kamen Kästchen, die hinter der Zarge eingebaut waren, und eine – mit Leder bezogene – Schreibplatte zum Vorschein. Wenn man diese kippte, hatte man einen Spiegel und Zugang zum Zargenkasten.
ETAPPEN DES AUFSTIEGS Die Entwicklung des Hoffmannschen Unternehmens vom einfachen, eher unspektakulären Schrei-
Pultsekretär, um 1795/1800, Mahagoni, Ahorn und andere Hölzer, Beschläge zum Teil vergoldet, H 157 cm. Wie Versatzstücke verwendet Hoffmann bei diesem aufwändig gearbeiteten Teil Konstruktionselemente anderer Möbel. Seitliche Tablare dienen als zusätzliche Abstellfläche, das Eingerichte des Schreibfaches zum Vor- und Rückschieben ermöglicht das Verschließen gerade in Arbeit befindlicher Schreibarbeiten (Foto: Grassi Museum/Michael Aust) Vermutlich Friedrich Gottlob Hoffmann, Stuhlpaar mit gebogter Zarge und neogotischen Bögen, um 1790/95, Birnbaum, gebeizt. Einen ähnlichen Satz von 12 Stühlen hat Hoffmann zu dieser Zeit nach Wörlitz geliefert (Foto: Auktionshaus Schmidt/Dresden) Umkreis Friedrich Gottlob Hoffmann (?), Stuhlpaar mit gebogter Zarge und stilisiertem Blattwerk in rechteckiger Rückenlehne, um 1795/1800. Hoffmann fand aufgrund seiner Warenkataloge viele Nachahmer in Sachsen und Thüringen. Eine sichere Zuschreibung an die Werkstatt des erfolgreichen Möbelfabrikanten ist schwierig (Foto: Auktionshaus Schmidt)
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Verwandlungstisch, 1780/85, Mahagoni, Königsholz, Kirschbaum u.a. Hölzer, im Katalog von 1789 als „Tisch mit dreyfacher Veränderung" beschrieben. Ø 99cm (Foto: Sandstein Verlag/Stephan Klonk) Stuhl mit spitzgestelltem Quadrat in der Rückenlehne, um 1795, Buche massiv, dunkel gebeizt. H 91 cm (Foto: Sandstein Verlag) Stuhl mit neogotischen Bögen in der Rückenlehne, um 1795, Buche massiv, dunkel gebeizt. H 91 cm (Foto: Sandstein Verlag)
nerbetrieb, dessen Meister in der Wohnung Stühle fertigte, zum florierenden Manufaktur-Großbetrieb mit Kunden bis nach Russland und Polen ist für das 18. Jahrhundert eine steile Karriere, die nur wenigen gelang. Das Klima in der Handelsstadt Leipzig war gewiss förderlich. Die Bürgerschaft war gut betucht, der Kunsthandel blühte. Zu den Messen stellten internationale Firmen ihre Neuheiten aus, so dass man auch die aktuellen Möbel- und Dekorationstrends aus Frankreich und England wahrnehmen konnte. Die zahlreichen Verlage der Stadt brachten in greifbarer Nähe die neuesten internationalen Publikationen, darunter auch Musterbücher und Vorlagenblätter zu Dekorationsfragen, heraus. Den Wendepunkt in der Laufbahn des gewiss ehrgeizigen Tischlers, so Michael Sulzbacher im Katalog, scheint die Zusammenarbeit mit Johann Christoph Rost herbeigeführt zu haben. Rost betrieb seit 1777 in Leipzig ein Warenmagazin. Das Angebot der Rostischen Kunsthandlung beschrieb der Katalog als alles „was Kunst und Industrie nur Schönes, Bequemes und Geschmackvolles in jeder Art für den feinern Luxus des Lebens liefert". Damit waren Druckgrafiken, Gemälde, Antikenabgüsse genauso gemeint wie Porzellan und Möbel aus Frankreich und
England. Rost ließ einen Teil der Möbel aber auch in Leipzig fertigen. Und Hoffmann wurde um 1780 sein Hauptlieferant. Sulzbachers These ist, dass Hoffmann sich in dieser Zeit ganz auf die Anforderungen des anglophilen Rosts eingestellt hat und durch ihn seine entscheidende Prägung erhielt. Er wurde zum Hersteller klassizistischer Möbel mit englischer Note. Hoffmann hat von dieser Zusammenarbeit nicht nur ästhetisch profitiert. Sie muss ihm auch wirtschaftlich entschiedenen Auftrieb gegeben haben. Er verzeichnete gute Ab- und Umsätze. Er konnte sich hochqualifizierte Gesellen leisten und ein Möbelrepertoire entwickeln, das den Ansprüchen fürstlicher und gutbürgerlicher Kundschaft entsprach.
Gipfel der Zusammenarbeit mit Rost war zweifelsohne die Ausstattung von Schloss Crossen in Thüringen im Jahr 1785. Rost nahm durch diesen Auftrag die stolze Summe von 2292 Talern ein. In einem Beitrag im Journal der Moden, dem Vorläufer des Journal des Luxus und der Moden, des populärsten, geschmacksbildenden Magazins innerhalb Deutschlands, gibt Rost 1786 seine Vision einer perfekten klassizistischen Ausstattung wider und beschreibt wahrscheinlich die von ihm realisierte Crossener Ausstattung. Woher die Möbelentwürfe stammen, bleibt unklar. Über das Aussehen aber gibt ein Auktionskatalog von Cassierer & Helbing eine Vorstellung. Das Crossener Inventar wurde 1828 hier versteigert. Den Stil der Möbel und manchen Ty-
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Umkreis Friedrich Gottlob Hoffmann (?), Wappen-Stuhl, um 1795, Buche, mahagonifarben gebeizt, aufgeführt im Warenkatalog von 1795, ursprünglich ein Entwurf des englischen Ebenisten George Hepplewhite (Foto: Sandstein Verlag/Stephan Klonk)
pus hat Hoffmann, wie die Fotografien zeigen, jedenfalls noch Jahre später verwendet und sie gelten heute als typisch Hoffmann.
EMANZIPATION Die gute Auftragslage durch Rost hinderte Hoffmann nicht, sein eigenes Unternehmen voranzubringen. Im Gegenteil: Im Lauf der Zusammenarbeit hatte sich Hoffmann neben einem guten Gespür für die Qualität eines Möbels anscheinend auch einen eigenen Warenstock und ein solides Grundkapital angeeignet. Rost wird es nicht gefreut haben, als sein Lieferant 1787 im Journal des Luxus und der Moden eine Liste von Einrichtungsstücken inserierte, die dem ein Jahr zuvor im selben Journal angekündigten Warenbestand Rosts entsprachen. Der Zulieferer war zum Konkurrenten geworden. Rost führte in seinem eigenen Katalog alsbald keine Möbel mehr auf. Wo man in Leipzig feinste Möbel ordern konnte, machte Hoffmann schon 1789 mit seinem ersten Warenkatalog deut-
lich. Pünktlich zur Ostermesse erschienen die 41 Kupferstiche mit insgesamt 30 Modellen inklusive eines weich gepolsterten Geburtsstuhls. Sie waren der erste gedruckte Angebots-Katalog eines deutschen Möbelherstellers. Das Verhältnis zwischen Rost und Hoffmann schien sich umgekehrt zu haben. Der Schreiner bezog jetzt Waren vom Kunsthändler. Rost bot in seinem Magazin auch Möbelzubehör an. Messingbeschläge und Zugringe mit emaillierter Grundplatte aus England und Lackmalereien auf Blech nach Angelika Kauffmann-Gemälden, wie sie auch an Hoffmanns Möbeln zu finden sind, waren begehrtester Zierrat der Zeit. Hoffmann betonte nicht umsonst in seinem Katalog, dass er englische Beschläge verwende. Bei Rost wird Hoffmann auch auf Wedgwood-Plaketten gestoßen sein. Er ist der erste Handwerker in Deutschland, der sie zur Dekoration von Möbeln verwendete.
DIE WARENKATALOGE Unternehmerisch war die Herausgabe eines Warenkatalogs ein Schachzug. Potenziellen Kunden führte er selbst fern von Leipzig das Hoffmann’sche Spektrum vor. Es reichte von aufwändigen Schreibmöbeln, Tischen, Sofas und Stühlen bis hin zu einfachen Einrichtungsstücken wie Waschtischen mit eingelassenen Schüsseln, Bidets und Nachtkästchen, wie ein Toilette-Tischchen zum Aufbewahren eines Nachttopfes vorführt. Und er versprach Maßarbeit: „Die Größe der in diesen Blättern beschriebenen Sachen wird nach dem Bedürfnis der Liebhaber und der Größe der Zimmer eingerichtet…", hieß es im Vorwort. „Eine Zäsur im Erscheinungsbild der Möbel", meint Sulzbacher, waren die publizierten Entwürfe nicht. Sie ähnelten im weitesten Sinne denen, die Hoffmann für Rost fertigte. Einige Modelle waren wohl auch anderen Mustervorlagen entnommen. Doch
Pultsekretär, um 1795, Mahagoni und verschieden farbige Hölzer, Messingbeschläge, ehemals Schloss Großsedlitz in Sachsen, im Mai 2014 im Auktionshaus Schloss Ahlden für knapp 40.000 Euro verkauft. B 152 cm (Foto: Kunstauktionshaus Schloss Ahlden) Sekretär, um 1800, Mahagoni, Beschläge teilweise vergoldet, Säulen und Relief Marmor, formal geht der Sekretär auf das Modell No. 6 im Warenkatalog von 1789 zurück, für die Zeit um 1800 spricht die Verwendung von Marmorsäulen (Foto: Kunsthandel Schmitz-Avila, Bad Breisig)
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seiner Auftragslage tat das keinen Abbruch. Durch die Teilnahme an den Leipziger Messen und durch den Musterkatalog hatte Hoffmann mit seinen anspruchsvollen Möbeln die gehobene Kundschaft erreicht. Seine Arbeiten waren an deutschen Fürstenhöfen, die es sich nicht leisten konnten, wie die Könige von Preußen und Württemberg künstlerisch und handwerklich ambitionierte Hofschreiner anzustellen, gefragt. Der kunstsinnige polnische Fürst Radziwil etwa orderte um 1790 für das nahe Warschau gelegene Schloss Nieborow einen Schreibschrank, der einer Variante des Schreibschranks mit lackierten Tafeln aus dem Bestand des Grassi Museums entspricht. Das Radziwil-Modell allerdings wurde ohne den tempelartigen Aufsatz hergestellt. Und auch Fürst Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau, der um 1770 ganz nach englischem Vorbild mit seinem Schloss Wörlitz einen der ersten frühklassizistischen Bauten in Deutschland schuf, orderte vom Tischchen bis zur Pfeilerkommode Einiges bei Hoffmann. Der Erfolg und die Resonanz auf Hoffmanns Möbel rief auch zahlreiche Nachahmer auf den Plan. Die Warenkataloge wurden von sächsischen und thüringischen Handwerkern als Vorlage bzw. als Inspirationsquelle genutzt, so dass viele Nachbauten und Stiladaptionen entstanden.
VERÄNDERUNGEN IM STIL
Nacht-Schränkchen, um 1789, Mahagoni, Beschläge aus Gelbguss und Messing, Marmorplatte, im Warenkatalog von 1789 unter No. 26 als „Ein runder Nachtstuhl" aufgeführt. H 79 cm (Foto: Sandstein Verlag/Peter Atzig) Stuhl mit neogotischen Bögen in der Rückenlehne und gebogter Zarge, Buche, weiß gefasst, um 1795, H 89 cm (Foto: Privatbesitz Heidelberg)
1795 publizierte Hoffmann seinen zweiten Warenkatalog. Er beschäftigte insgesamt 36 Mitarbeiter. In Eilenburg, wo er eine zweite Werkstatt eingerichtet hatte, fertigte er vor allem für den russischen und polnischen Markt, aber auch für Magazine in Berlin und Breslau Schatullen, Tabletts, Schreibzeuge, Teedosen und andere Kleinwaren. Das Unternehmen florierte. Der neue Warenkatalog enthielt laut Hoffmanns Vorwort „gegen 50 neue und noch nie ge-
habte Stücke". Er verschwieg nur, dass etwa 20 davon nahezu unverändert aus englischen Publikationen stammten. Allein drei Stühle, fand Michael Sulzbacher heraus, sind Adaptionen aus Hepplewhites Mappenwerk „The Cabinet-Maker and Upholsters Guide". Doch während der Katalog dem Unternehmer Hoffmann vor allem dem Verkauf diente, ist er heute zugleich Spiegel stilistischer Gradverschiebung. Bestens nachzuvollziehen ist dies an den Stuhlmodellen. Im ersten Katalog von 1789 preist Hoffmann noch Sofas, Stühle und Kanapees an, bei denen „die Lehne en medaillon von Bildhauerarbeit mit geflochtenem Rohr" gearbeitet sind. Es handelt sich um typische Stühle und Sofas im Zopfstil: mit geschnitzten Münzbändern in den Zargen und Louis-SeizeSchleifen als Bekrönung der ovalen, weich geformten Lehnen. Sulzbacher geht davon aus, dass auch die von Rost gelieferten Louis-Seize-Sitzmöbel aus Schloss Crossen von Hoffmann gefertigt wurden. Ein Beispiel dafür gibt ein weiß gefasstes Sofa mit vergoldeten Lorbeerfestons im Rahmen der Rückenlehnen. Ganz anders hingegen ist das Aussehen der Stühle im zweiten Katalog. Hoffmann bevorzugt jetzt – neben den wappenförmigen, englischen Modellen – ausschließlich gerade Rückenlehnen und Sitzflächen. Die Rücken sind luftig mit ornamentalen Verstrebungen durchbrochen. Lyra-Motive, neogotische Bögen, spitzgestellte Quadrate wirken wie eine Vorwegnahme früher Biedermeierstühle. Auch Hoffmanns Korpusmöbel werden noch eine Spur klarer. Sie weisen weniger Beschlagdekore auf, die Flächen werden puristischer. Teil der jüngsten Möbelforschung hingegen ist: Um 1798 begann Hoffmann, einige Stücke mit weißen Marmorsäulen zu versehen, wie man es zu dieser Zeit sonst häufig bei Berliner Möbeln antrifft. Das außergewöhnliche Möbelprogramm, aber auch die progressiven
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Wohl Friedrich Gottlob Hoffmann, Teekästchen mit Messingeinsätzen, um 1795, Königsholz, Ahorn und andere farbige Hölzer, Beschläge aus Gelbguss und Messing, B 21 cm (Foto: Sandstein Verlag/Peter Atzig)
Geschäftspraktiken machten Hoffmann zu einem Wegbereiter einer neuen Zeit. Ohne Konflikte und Widerstand war sein Werdegang allerdings nicht möglich, macht die detailreiche, biografische Datensammlung von Peter Atzig – ebenfalls Hoffmann-Forscher – im Katalog deutlich. Der 1770 zum Meister ernannte Hoffmann war in zahlreiche Streitereien mit der Schreinerinnung oder mit einem der anderen 37 Leipziger Meister verwickelt. Wie immer Hoffmanns Charakter gewesen sein mag, ein Teil der Konflikte ist gesellschaftlicher Natur. Die überlebten Zunftgesetze standen den geschäftlichen Ambitionen Hoffmanns entgegen. Der Mann, der nach eigenen Aussagen „als armer Tischlergesell" seine Werkstatt einrichtete, besaß allem Anschein nach ein Gespür für das konsumelle Potenzial der prosperierenden Bürgerschicht, das vor allem über ein breites, permanent vorhandenes Warenangebot zu erwecken war. Doch statt Wettbewerb herrschten Vorschriften. Die in seiner Eilenburger Werkstatt billiger als in Leipzig produzierten Waren etwa durfte Hoffmann nur während der Messen nach Leipzig einführen und dort verkaufen, die guten Geschäfte mit Rost waren den
Konkurrenten ein Dorn im Auge. Noch 1795, als Hoffmann längst nach Königsberg, Hamburg und Dresden verkaufte, erging eine Klage wegen Beschäftigung zu vieler Gesellen an ihn. Hoffmann war zwar Handwerker, aber sein unternehmerisches Denken war das des Industriezeitalters. Anders als Roentgen in Neuwied, dessen Geschäft auch auf dem überregionalen Verkauf fußte, aber der seine überaus exquisiten Möbel nur noch an den führenden Höfen Europas absetzen konnten, baute Hoffmann bei Beibehaltung eines hohen Anspruchs auf eine breitere Käuferschicht.
RESÜMEE Die Möbel Friedrich Gottlob Hoffmanns waren zwar unter Experten ein Begriff. Wie umfangreich das Repertoire Hoffmanns tatsächlich gewesen ist, wird erst jetzt durch die Ausstellung und das Begleitbuch deutlich. Erstmals wurden die häufig in Privatbesitz befindlichen Arbeiten und die bis auf wenige Beispiele kaum publizierten Stücke aus deutschen Museen zusammengetragen, so dass sich ein geschlossenes Bild von Hoffmanns Werk erschließt. Am Ende aller Erkenntnis ist die Möbelforschung aber mit Hoffmann wahrscheinlich noch lange nicht. Dafür spricht allein die Tatsache, dass die Autoren während ihrer Recherchen in einigen Museumsdepots dem Meister aus Leipzig weitere Stücke zuordnen konnten. Info: „Vornehmste Tischlerarbeiten aus Leipzig. Hoftischler und Unternehmer F. G. Hoffmann", bis 12. April im Grassi Museum Leipzig, www. grassimuseum.de. Der reich bebilderte und äußerst präzise recherchierte Katalog von Michael Sulzbacher und Peter Atzig ist im Sandstein Verlag erschienen (ISBN 978-3-9549-135-9/28 Euro). Er enthält zusätzlich eine CD mit beiden Warenkatalogen Hoffmanns.
Kleiderschrank, um 1785, Nussbaum, Königsholz, Pflaume, Beschläge teilweise vergoldet, H 246 cm (Foto: Kunsthandel Mühlbauer/Pocking) Wohl Friedrich Gottlob Hoffmann, Besteckbehältnis in Form einer antiken Vase, um 1795, Pflaume und Buchsbaum, ein ähnliches „Messergesteck" auf Tafel XI im Warenkatalog von 1795 aufgeführt. H (geschlossen) 56 cm (Foto: Sandstein Verlag/Stephan Klonk)
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Hod ler Ferdinand Hodler Anja Iwa
REALISMUS, SYMBOLISMUS UND JUGENDSTIL Ferdinand Hodler (1853 Bern - 1918 Genf) war ein Schweizer Maler, der sich anfänglich an der französischen Freilichtmalerei und am Impressionismus orientierte. Er entwickelte sich vom Plein-Air- zum Ideenmaler und durchlebte dabei eine Entwicklung vom realistischen Stil über den Expressionismus zur symbolhaften, flächenhaften Malerei. In Hodlers Kunst erhielt die Linie, als Umriss von Landschaftsformen oder Figuren, einen neuen Wert als Ausdrucksträger, was im offenbaren Zusammenhang mit ähnlichen Bestrebungen des Jugendstils steht. In seinem späteren Werk überlagern sich Tendenzen des Realismus, des Symbolismus und des Jugendstils. Heute ist er der bekannteste Schweizer Maler des 19. Jahrhunderts.
BIOGRAFIE Ferdinand Hodler wurde am 14. März 1853 als ältestes von insgesamt sechs Kindern in Bern geboren. Er wuchs in äußerst ärmlichen Verhältnissen auf und musste schon in jungen Jahren lernen, für sich selbst und seine Geschwister zu sorgen. Sein Vater, der Schreiner Johannes Hodler, starb sehr früh an Schwindsucht und auch die Mutter und alle seine Geschwister starben nach und nach an dieser Krankheit. Diese existenzielle Erfahrung hat Hodler tief geprägt und somit findet sich das Motiv des Todes
Ferdinand Hodler, Genfersee mit MontBlanc im Frühlicht, 1918, Öl/Leinwand, 65 x 93 cm. Kunsthaus Zürich, Geschenk des Holenia Trust im Andenken an Joseph H. Hirshhorn, 1992 Ferdinand Hodler, Der Silvaplanersee, 1907, Öl/Leinwand, 71 x 92,5 cm. Kunsthaus Zürich, Legat Richard und Frl. Mathilde Schwarzenbach, 1920
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Ferdinand Hodler, Abend am Genfersee, 1895, Öl/Leinwand, 100 x 130 cm. Kunsthaus Zürich, Leihgabe der Gottfried Keller-Stiftung Ferdinand Hodler, Waldbach bei Leissigen, 1904, Öl/Leinwand, 88,5 x 101,5 cm Kunsthaus Zürich, Legat Richard Schwarzenbach, 1920
immer wieder in seinen Bildern. Seine Mutter, Margarete Hodler, war in zweiter Ehe mit dem Dekorationsmaler Gottlieb Schüpbach verheiratet, als sie 1867 starb. Durch seinen Stiefvater hatte Ferdinand die Malerei kennengelernt und begann ab 1867 eine Lehre bei dem Vedutenund Dekorationsmaler Ferdinand Sommer-Collier in Thun. 1871 siedelte Ferdinand über nach Genf, wo er als Lanschaftsmaler tätig war. Hier machte er Bekanntschaft mit dem Schweizer Landschaftsmaler Barthélemy Menn (1815-1893), der ihm ein verständnisvoller Lehrer wurde und ihn dazu bewegte von 1871 bis 1876 die Kunstschule in Bern zu besuchen. In den folgenden Jahren orientierte er sich an Künstlern seiner Zeit, wie Gustave Courbet (1819-1877), Camille Corot (1796-1875) oder Jean Auguste Dominique Ingres (1780-1867) und ließ sich von den Alten Meistern inspirieren, darunter Peter Paul Rubens (1577-1640), Rembrandt (1606-1669), Hans Holbein d.J. (1497/98-1543) und Diego Velásquez (1599-1660). 1878 reiste Hodler nach Spanien, wo er sich vor allem mit der Freilichtmalerei beschäftigte. Seine Palette hellte sich deutlich auf und gleichzeitig wurde sein Pinselstrich lockerer. Zwischen 1874 und 1895 beteiligte er sich an unzähligen Kunstwettbewerben und Ausstellungen und er erhielt viele Auszeichnungen für seine Arbeiten. Eine religiöse Krise bewirkte eine Wandlung sowohl in der Kunst als auch in seinem Leben und so nahm er Abstand von seinem ehemals realistischen
Stil und wandte sich einer flächenhaft symbolistischen Ausdrucksweise zu. Damit tauschte er die Freilicht- gegen die Ideenmalerei ein und ab 1885 entstanden Werke im von ihm entwickelten Stil des „Parallelismus". Dieser ist geprägt von symmetrischen Wiederholungen ähnlicher Formen zur Verstärkung des allegorischen Bildinhalts. Typi-
sche Gestaltungselemente Hodlers sind auch systematische Verschiebungen und Spiegelungen. 1889 heiratete er Bertha Stucki, von der er sich jedoch bereits 1891 wieder scheiden ließ. Mit seinem Gemälde „Die Nacht" (1889), das sich mit Schlaf, Tod und Sexualität beschäftigte, gelang ihm der künstlerische Durchbruch. Das Bild war dem
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zeitgenössischen Geschmack entgegengesetzt und wurde zunächst als sittenwidrig verurteilt, eine daraufhin privat organisierte Ausstellung wurde jedoch ein großer Erfolg und es folgten weitere Ausstellungen und Ehrungen in Paris, München und Venedig. 1892 stellte der Künstler eines seiner Bilder im Salon der Rosenkreuzer in Paris aus und trat dieser Bewegung bei. 1894 begegnete Hodler der Lehrerin Berthe Jacques, die er drei Jahre später heiratete. 1897 wurde sein Entwurf zur Ausschmückung der Waffenhalle des Schweizerischen Landesmuseums in Zürich mit dem 1. Preis ausgezeichnet. Thema des Wettbewerbs war „Der Rückzug der Schweizer aus der Schlacht von Marignano" im Jahr 1515. In einer Zeit, in der die verhaltene bürgerliche Genremalerei den allgemeinen Geschmack bestimmte, stellte Hodler den Krieg in seiner grausamen Wirklichkeit in einer kraftvollen und zugleich stark farbigen Ausdrucksweise dar und seine Entwürfe lösten den größten Kunststreit aus, den es bisher in der Schweiz gegeben hatte. Erst nach einem jahrelangen Kampf, der das ganze Land ergriff und eine tiefe Einsicht in die Probleme der Kunst dieser Zeit eröffnete, konnten die Entwürfe zu den historischen
Wandmalereien schließlich abgesegnet und ausgeführt werden. Zwischen 1896 und 1899 gab der Künstler Mal- und Zeichenunterricht am Gewerbemuseum in Freiburg. Zu seinen Schülern dort zählten unter anderem Oswald Pilloud (1873-1946), Hiram Brülhart (1878-1949), Raymond Buchs (1878-1958) und JeanEdouard de Castella (1881-1966). Bis zum Jahr 1900 nahm Ferdinand Hodler an über 200 Ausstellungen teil und avancierte zu einem der führenden Maler in Europa, was sich letztendlich auch positiv auf seine zuvor prekäre finanzielle Lage auswirkte. Auf der Weltausstellung in Paris im Jahr 1900 erhielt er eine Goldmedaille für drei seiner ausgestellten Werke und er wurde Mitglied der Wiener und der Berliner Secession. 1904 trat er auch der Münchner Sezession bei und war an ihrer XIX. Ausstellung beteiligt. Seine neuartige und sowohl formal als auch inhaltlich besondere Bilderwelt erntete auf einer Ausstellung der Neuen Secession in Wien 1904 einen außergewöhnlichen Erfolg. 1908 lernte Ferdinand die 20 Jahre jüngere Pariserin Valentine Godé-Darel kennen, die ihm Modell stand und seine Geliebte wurde. Obwohl Valentine bereits an Krebs erkrankt war, brachte sie im Oktober
1913 Hodlers Tochter Paulette gesund zur Welt. Paulette Hodler (1913-1999) wurde später ebenfalls Malerin. Seine späten Landschaftsgemälde machten Ferdinand Hodler zu einem der bedeutendsten Maler der Alpenlandschaft. Er galt vor allem im deutschen Kulturkreis als einer der großen Meister der modernen Kunst und wurde nun mit Aufträgen und Ehrungen überhäuft. Nachdem er 1914 den „Genfer Protest" gegen den Beschuss der Kathedrale von Reims durch die deutsche Artillerie unterschrieben hatte, wandte Deutschland sich von ihm ab und Hodler wurde aus fast allen deutschen Künstlervereinigungen ausgeschlossen. In seiner Heimat wuchs jedoch seine Anerkennung: Bereits 1911 wurden zwei Banknoten mit Motiven seiner Bilder bedruckt und 1913 erhielt er den Ehrendoktortitel an der Universität Basel. Am 25. Januar 1915 erlag Valentine Godé-Darel ihrem Krebsleiden. Hodler hatte seine Geliebte bis zu ihrem Tod gezeichnet und gemalt und der so entstandene Zyklus gibt den Verlauf der Krankheit, das Sterben und den Tod wirklichkeitsgetreu und schonungslos wider. 1916 erhielt der Maler eine Professur an der „Ecole de BeauxArts" in Genf und 1917 erfolgte eine erste Retrospektive seines künstlerischen Schaffens im Kunsthaus Zürich. Er war bis zuletzt rastlos in seiner künstlerischen Entfaltung und ungebrochen tätig. 1918 wurde Ferdinand Hodler zum Ehrenbürger von Genf ernannt und verstarb im gleichen Jahr am 19. Mai in Genf.
AUSSTELLUNG Noch bis zum 26. April 2015 zeigt das Kunsthaus Zürich eine vom Künstler
Ferdinand Hodler, Die Wahrheit, 1902, Öl/Leinwand, 196 x 273 cm. Kunsthaus Zürich, Schenkung der Erben von Alfred Rütschi, 1929
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Ferdinand Hodler, Grindelwaldgletscher, 1912, Öl/Leinwand, 94 x 81 cm. Kunsthaus Zürich, Schenkung der Erben Alfred Rütschi, 1929 Ferdinand Hodler, Sonniges Sträßchen, um 1890, Öl/Leinwand, 41 x 33 cm. Kunsthaus Zürich
Peter Fischli kuratierte Ausstellung über zwei wesentliche und höchst unterschiedliche Exponenten der Schweizer Malerei – Ferdinand Hodler (1853-1918) und Jean-Frédéric Schnyder (*1945). Verbindendes, Trennendes und Überraschendes liegen auf dem mit rund 180 Werken reichen Parcours. Grundlage der Ausstellung sind Zeichnungen und Gemälde Ferdinand Hodlers aus eigenen Beständen des Museums – Landschaften, Naturstudien, Figurenkompositionen und Porträts. Konzeptuell darauf bezogen sind Jean-Frédéric Schnyders Bilderzyklen „Berner Veduten" (1982-1983) und „Am Thunersee" (1995). Fischli lenkt den Blick auf den Schaffensprozess zweier charakteristischer Vertreter der Schweizer Kunst: der eine ein gefeierter und unumgehbarer Hauptmeister an der Schwelle zur Moderne, der andere ein Künstler, der nach dem Ende der klassisch gewordenen Moderne wesentliche Anregungen zu geben vermochte. Eine wichtige Rolle spielt in beiden Fällen die im Freien studierte und gemalte Landschaft. Betont werden die Gemeinsamkeiten, aber insbesondere auch das „Ungleiche" zwischen den beiden Künstlern. Für Kurator Peter Fischli ist der Begriff des „Ungleichen" der unausgesprochene Titel der Ausstellung. Nach seiner Teilnahme an der legendären Ausstellung „When Attitudes Become Form" von 1968 in der Kunsthalle Bern wagte sich Schnyder 1970/71 erstmals auf das Terrain der Malerei. Als er 1982/83 die „Berner Veduten" malte, gewann die Ausei-
nandersetzung mit ihr noch an Tiefe und Bedeutung. Aus der Not, gerade kein Atelier zu haben, setzte sich der Künstler – eine Staffelei auf dem Rücken – Tag für Tag auf sein Velo und malte im Stil der Freiluftmalerei 106 Motive aus Bern und Umgebung. Natur und Stadt, Liebliches und Hässliches, Migros und Münster: Der Zyklus prunkt mit einem formidablen Motivreichtum. Ziel war das Malen als Prozess ohne Wertungen, das Malen an sich. Zeichnerische Studien und installative Objekte Schnyders runden die Präsentation ab: Utensilien wie Rennrad, Wanderschuhe, Rucksack und Staffelei – die er im Schaffensprozess einsetzt – werden zu Skulpturen. Die Unterschiede zu Hodler sind frappant. Denn beim größten Schweizer Maler des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts ist alles Wertung, Betonung, ein Herausarbeiten – Sublimieren. Bei ihm werden Mensch und Landschaft mittels großer Form in ihrer Beziehung zu einem geistigen Sinngefüge erfahrbar gemacht. Hodler pflegte seine Landschaftsmotive im Freien zu malen. Mit den „Berner Veduten” hatte sich auch Schnyder mit heiterer Ernsthaftigkeit erstmals als „Pleinairist" versucht. Als er 1995 seinen Zyklus der Thunersee-Bilder malte, betrat er vollends Hodler’sches Terrain. Gerade der Niesen ist ein Hodler-Berg par excellence. Schnyder, dessen Hand in der Zeit zwischen den Veduten und den Thunersee-Bildern nuancierter geworden ist, malt ihn mehrmals und auch das gegenüberliegende Niederhorn. Anders als bei den Veduten konzentriert er sich hier vor allem auf zwei Motive. Die Standorte bleiben dieselben, was sich ändert sind die meteorologischen, atmosphärischen und energetischen Bedingungen. Manchmal erscheinen die Berge fast erhaben inszeniert, manchmal werden sie von Wolken verdeckt. Während Hodler stets den sublimen Moment suchte, wohnen wir bei Schnyder also wechselweise
der An- und Abwesenheit des traditionell gesehen idealen malerischen Momentes bei. Zur einzigen Konstante wird die Malerei selber. Die Malerei ist bereits bei Hodler als Thema stets omnipräsent. Bei allen Unterschieden erweist es sich somit als große Gemeinsamkeit, dass die Malerei beider vor allem von der Malerei selber handelt. Jenseits von Ikonografie und Kategorisierungen er-
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Jean-Frédéric Schnyder, Am Thunersee 10.10.1995, Öl/Leinwand, 30 x 42 cm. Privatsammlung, Schweiz, Courtesy Galerie Eva Presenhuber, Zürich © 2014 JeanFrédéric Schnyder Jean-Frédéric Schnyder, Am Thunersee 11.10.1995, Öl/Leinwand, 30 x 42 cm. Privatsammlung, Schweiz, Courtesy Galerie Eva Presenhuber, Zürich © 2014 JeanFrédéric Schnyder Jean-Frédéric Schnyder, Murtenstraße, 21.02.1983, Berner Vedute Nr. 33, Öl/ Leinwand, 45 x 60 cm. Kunstmuseum Bern, Sammlung Toni Gerber, Bern – Schenkung 1993 © 2014 Jean-Frédéric Schnyder
laubt es die Ausstellung, am künstlerischen Blick auf die Umsetzung der Welt in Malerei Anteil zu nehmen. Die Auswahl und Inszenierung durch Peter Fischli als bedeutenden Künstler von heute, der einen unverstellten Blick auch auf den Altmeister Hodler wirft, macht diese Präsentation einmalig. Das Kunsthaus, das mehrere Hundert Werke Ferdinand Hodlers besitzt, überließ Peter Fischli die Auswahl. Viele waren seit Jahrzehnten nicht zu sehen und kommen aus dem Kunsthaus-Depot ans Licht. Mit rund 22 Gemälden und insgesamt 61 Zeichnungen Hodlers ist die Ausstellung reich bestückt. Die fragilen Arbeiten auf Papier werden zur Halbzeit ausgewechselt. Jean-Frédéric Schnyders Schaffen ist mit über 100 Werken zwischen 1982 und 1995 repräsentiert. Neben Privatsammlern sind namhafte Schweizer Museen unter den Leihgebern – das Aargauer Kunsthaus, die Kunstmuseen in Basel und Bern, das Bündner Kunstmuseum, das Migros Museum für Gegenwartskunst und die Collection Pictet. Weitere Infos unter: www.kunsthaus.ch
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Das große Ganze Design Hauffe, Thomas: Geschichte des Designs, 320 Seiten, Abbildungen in Farbe und Schwarzweiß, DuMont Buchverlag, Köln, 2014, Preis: € 29,99. Eine Geschichte des Designs kommt eigentlich ohne eine Abbildung von Marcel Breuers spartanischem Stahlclubsessel B3, besser bekannt unter dem Namen Wassily-Stuhl oder den um einiges aus- um nicht zu sagen einladenderen Lounge Chair von Charles Eames nicht aus; genausowenig
ste Verpackung aller Zeiten, der Eierkarton, der nicht ganz so umweltfreundliche Tetra-pak, der für die moderne Konsumgesellschaft unverzichtbare Einkaufswagen sowie die in Zeiten des Internethandels mittlerweile ebenso unvermeidliche Kreditkarte, die vorbildliche Londoner Underground Tube Map sowie der kultige Trabant zwar nicht unbedingt ausschweifend, aber dennoch hervorgehoben. Grundsätzlich handelt es sich bei diesem Buch jedoch nicht um die Dokumentation von Phänomenen, ein ganz wesentliches Anliegen dieser Publikation ist es, die ursächlichen Zusammenhänge, die historischen politischen, gesellschaftlichen und technischen Konditionen herauszustellen. ISBN 978-3-83219116-0
Mundgerecht Kulturgeschichte Kinzel, Volker: Der Löffel, 175 Seiten, Broschur, Abbildungen in Farbe, LIT Verlag Dr. W. Hopf, Berlin, 2014, Preis: € 24,90. Es geht auch ohne, was Millionen von Asiaten täglich immer wieder auf’s Neue beweisen indem sie sogar die heißgeliebte Nudelsuppe ohne Löffel verspeisen. Wer sich
kann sie auf das eine oder andere mindestens so schöne wie funktionstüchtige Elektrogerät aus dem Haus Braun oder die bisweilen exzentrischen Haushaltshelfer der italienischen Kultmarke Alessi verzichten. Von daher ist auch nicht überraschend, dass sich diese und viele andere zwischenzeitlich als Klassiker eingestufte Industrieprodukte in diesem Kompendium finden lassen. Aber Fischstäbchen? Die lebensgroße Abbildung dieser besonders bei Kindern so beliebten Tiefkühlkost erscheint zunächst etwas abwegig, bei genauerer Betrachtung bzw. eigentlich schon beim Versuch ein Fischstäbchen zu klassifizieren, fällt auf, dass dieses deformierte Stück Fisch letztendlich nichts anderes ist als ein typisches, industrielles Massenprodukt; dem neofunktionalistischen Systemgedanken entsprungen und erdacht ausnahmsweise einmal nicht in den fastfoodfanatischen Vereinigten Staaten, sondern im Mutterland der Industrialisierung, in Großbritannien und zwar schon in den späten 1950er-Jahren. Spannenderweise werden hier als sogenannte Alltagsikonen, neben dem konfektionierten Fisch, außerdem die banale Büroklammer, der weltberühmte Thonet-Stuhl Nr. 14, die handliche, kleine achteckige Espressomaschine Moka Express, die vielleicht nachhaltig-
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heutzutage in Europa als kultivierter Globetrotter gerieren möchte, der isst selbstverständlich beim angesagten Japaner mit Stäbchen. Grundsätzlich bevorzugt der Europäer jedoch ein Essbesteck bestehend aus Messer, Gabel und Löffel. Während die Gabel allem Anschein nach lange Zeit entbehrlich war resp. nicht vorhanden, nahmen die zu Tische liegenden, vornehmen Römer ihre mediterrane Kost bereits mit verschiedenen Löffelmodellen, namens li(n)gula und cochlear zu sich. Die Rekapitulation der Geschichte, wie sich die römischen Urahnen des moderene Löffels ihren Weg durch das dunkle, unwegsame Mittelalter bahnten um sich schließlich auf neuzeitlichen Tafeln und Tischen in ganz Europa wiederzufinden, macht nur einen Teil des Buches
dass auf dem Gebiet der Kunst mindestens das gleiche, wenn nicht sogar ein noch stärkeres Ungleichgewicht der Geschlechter herrscht. Künstlerinnen mussten von Anfang an gegen noch mehr um nicht zu sagen hanebüchenere Vorurteile zu Felde ziehen und erkämpfen sich erst allmählich einen festen Platz in den Museen. Dies trifft auch für die französische Malerin Hélène de Beauvoir (1910-2001) zu. Als jüngere Schwester der berühmten Schriftstellerin Simone de Beauvoir wurde sie zudem lange vom bedrückenden Gedanken begleitet, im Schatten der großen Schwester zu stehen. Der Entschluss den Weg einer Malerin einzuschlagen, war letztendlich dem Bedürfnis geschuldet, sich davon zu lösen und zu emanzipieren. Hélène sowie Simone waren beide hochbegabt – ohne diese familiäre Konstellation wäre Hélène vielleicht selbst Schriftstellerin geworden –, da sie aber diejenige mit der größeren künstlerischen Begabung
aus. Mindestens ebenso wichtig war es dem passionierten Sammler und Autor über die metaphysische Ebene des Löffels zu räsonieren, wie zum Beispiel als Bedeutungsträger oder selbst als Lustobjekt. ISBN 978-3643-12606-1
Beinahe vergessen Malerei Sagner, Karin: „Das Talent liegt in der Familie“ – Die Malerin Hélène Beauvoir, 159 Seiten, zahlreiche Abbildungen, überwiegend in Farbe, Hirmer Verlag, München, 2014, Preis: € 34,90. Jüngste Diskussionen über die Frauenquote können zweifelsohne als Indiz dafür gewertet werden, dass die Emanzipation noch längst nicht Realität ist. Immerhin, so könnte man versöhnend anmerken, ist das andauernde Ringen der Frauen um eine gleichberechtigte Stellung in der harten Geschäftswelt zum Politikum geworden, wesentlich weniger im öffentlichen Bewusstsein verankert ist hingegen,
war, entschied sie sich für die Malerei. Angesichts ihrer immensen Produktivität, mehr als 3000 Bilder in Öl und Acryl sowie zahlreiche Skizzen, Kupferstiche, Aquarelle sind erhalten, und der Passion, die sie schließlich für die Kunst entwickelte, sie selbst bemerkte einmal, ein Tag ohne Malen sei ein verlorener Tag, war dies mit Sicherheit der richtige Entschluss gewesen. Nicht zu vergessen die Anerkennung, die sie zu Lebzeiten durch andere zeitgenössische, männliche! Kollegen, u. a. Picasso, und im Rahmen nationaler oder internationaler Ausstellungen dann doch erfuhr. Posthum fand sie bislang leider noch nicht die verdiente Aufmerksamkeit und Würdigung. Diese reich bebilderte Monographie ist angetreten, Hélène de Beauvoir, die sich, obwohl als bescheiden und sanft beschrieben, durchaus zeitlebens mit Bildern und Worten ganz entschieden und energisch für die Gleichberechtigung der Frauen stark machte, vor dem Vergessen zu bewahren. ISBN 978-3-7774-2169-8
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SCHWARZBURGER WERKSTÄTTEN FÜR PORZELL ANKUNST
Die Kunstabteilung der Aeltesten Volkstedter Porzellanmanufaktur, die »Schwarzburger Werkstätten für Porzellankunst« (gegr. 1909 durch Max Adolf Pfeffer in Unterweissbach, später in der »Aeltesten Volkstedter«) wird fortgeführt durch Künstler der Neuzeit.
Limitierte SERIEN
Petra Benndorf ganz individuell
Klare, organische Formen – auf der Scheibe gedreht – enthebt Benndorf ihrer hier mitgegebenen Rotationssymmetrie.
U 6053-BEN »Merlot, klein« (auf 199 Stück limitiert) Höhe 10 cm / Durchmesser 17 cm U 6054-BEN »Merlot, groß« (auf 199 Stück limitiert) Höhe 8 cm / Durchmesser 30 cm
BESTELLSCHEIN
2006/2007 wurde das Fabrikgebäude der Aeltesten Volkstedter Porzellanmanufaktur aus dem 18. Jahrhundert zu einer »gläsernen Porzellanmanufaktur« ausgebaut und vier Manufakturen und eine Kunstabteilung »unter einem Dach« zusammengeführt.
Hiermit bestelle ich verbindlich den unten angekreuzten Artikel.
U 6050-BEN »Lichtband« (auf 199 Stück limitiert) Höhe 10 cm / Durchmesser 26 cm
U 6053-BEN limitierte Serie
»Merlot, klein«
276,00 ¤*
U 6054-BEN limitierte Serie
»Merlot, groß«
348,00 ¤*
U 6048-BEN limitierte Serie
»Lichtblau«
276,00 ¤*
U 6049-BEN limitierte Serie
»Lichtgrau«
348,00 ¤*
U 6050-BEN limitierte Serie
»Lichtband«
348,00 ¤*
Bitte senden Sie mir den Gesamt-Katalog »Schwarzburger Werkstätten für Porzellankunst« kostenlos zu.
Name / Adresse (bitte in Druckbuchstaben)
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Kontakt für Ihre Bestellung:
Porzellanmanufakturen Aelteste Volkstedt Breitscheidstraße 7 ı 07407 Rudolstadt / Thüringen Telefon: +49 (0) 3672 4802-0 ı Fax: +49 (0) 3672 4802-22 www.glaeserneporzellanmanufaktur.eu
U 6049-BEN »Lichtgrau« (auf 199 Stück limitiert) Höhe 9 cm / Durchmesser 23 cm
Bitte hier abschneiden
U 6048-BEN »Lichtblau« (auf 199 Stück limitiert) Höhe 11 cm / Durchmesser 18 cm
Porzellanfabrik Tettau GmbH Fabrikstraße 1 ı 96355 Tettau *Alle Preise verstehen sich als unverbindliche Preisempfehlung inkl. der gesetzl. MwSt. – in Euro. Stand 09/2014 Auf diesen Seiten sind beispielhaft Abbildungen von Porzellan-Werken dargestellt, die als limitierte Serien aufgelegt wurden und deren Verfügbarkeit überprüft werden muss. Es gelten unsere allgemeinen Geschäftsbedingungen unter: www.glaeserneporzellanmanufaktur.eu
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VO R S C H AU / I M P R E S S U M
SAMMLER JOURNAL 4 / 2015
SAMMLER JOURNAL
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