Sammler journal 0716

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Juli 2016 · B 1309 | € 6,50 Schweiz CHF 11,50 | Österreich € 7,00 | Be/Ne/Lux € 7,50

SAMMLER JOURNAL

JULI 2016

KUNST • ANTIQUITÄTEN • AUKTIONEN

Über 2.000 Termine

Alexander Girard Designer

Metall Weinkühler

Porzellan Fürstenberg

Dialog Anfragen & Schätzungen

Auktionen GEMI

Berichte & Preise

Ausstellungen Tipps & Termine


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Juli 2016 · B 1309 | € 6,50 Schweiz CHF 11,50 | Österreich € 7,00 | Be/Ne/Lux € 7,50

KUNST • ANTIQUITÄTEN • AUKTIONEN

Über 2.000 Termine

M E TA L L

Alexander Girard

Weinkühler

Designer

Dieter Weidmann

Metall

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Weinkühler

Porzellan Fürstenberg

Dialog Anfragen & Schätzungen

Auktionen Berichte & Preise

Ausstellungen Tipps & Termine

DESIGN Titelfoto: © Vitra Design Museum. Nachlass Alexander Girard

DIALOG

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MAGAZIN

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MESSETERMINE

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KUNSTMARKT

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FOTOKUNST

18

AUKTIONSTERMINE

30

INSERENTENVERZEICHNIS

33

AUKTIONSNOTIZEN

34

AUSSTELLUNGSTERMINE

50

AUSSTELLUNGEN

55

LITERATURTIPP

74

AUKTIONSPREISE

76

VORSCHAU / IMPRESSUM

82

Alexander Girard Heidrun Th. Grigoleit

PORZELLAN Fürstenberg Regina Voges

SPIELZEUG Haut den Lukas

TERMINE & KLEINANZEIGEN IN DER BEILAGE

Ludger Spielberg

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Vogelbad? Schirm- oder Stockständer aus Metall Um was für ein Objekt könnte es sich hier handeln? Meiner Meinung nach könnte es ein Vogelbad aus dem Art déco oder noch Jugendstil sein. Es ist ein zweiteiliger verschraubter Metallguss (Material weiß ich leider nicht genau, es schimmert je nach Licht in verschiedenen Farben). Am Hals des Vogels glaube ich eine Schweißnaht zu sehen. Es ist nicht signiert oder gestempelt. Es wiegt etwa 3 Kilo und ist 55 cm hoch und 30 cm breit. Ich habe noch nie etwas Ähnliches gesehen und weiß eben auch nicht, was es ist oder wozu es einmal gehört hat. Peter Groß, o. O.

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Die naturalistische Ausformung des Vogels lässt gleich an ein Objekt des Jugendstils denken, das etwas skurrile Motiv stammt aber aus einer früheren Zeit. Das Modell wurde nämlich ursprünglich um 1845 von der Coalbrookedale Eisengießerei in England ausgeführt, allerdings als Schirmund Stockständer zum Aufstellen im Eingangsbereich eines größeren Hauses. Dort stand möglicherweise auch ein hoher Mantel- und Hutständer aus Gusseisen in Form eines Baumes mit flach an der Wand ausladenden Zweigen. Als Vogelbad war das Objekt damals nicht vorgesehen. Der Vergleich mit einem ähnlichen Modell, das aus dem 19. Jahrhundert stammt (kleine Abb.) zeigt, dass die Flügel des Reihers ursprünglich nicht weit ausgestreckt, sondern nach innen umgebogen waren, um als Halterungen für die Schirme und Stöcke zu dienen. Da von diesen viel Wasser nach einem heftigen Regenguss nach unten abtropfte, wurde die Auffangschale themengerecht als pflanzenumrankter Teich mit allzu sehr auffälligem Goldfisch entworfen, der vom Reiher gleich dankbar geschnappt werden wird. Ein perfektes Beispiel also für die frühviktorianische Vorstellung, dass ein Gebrauchsobjekt zum Kunstobjekt durch die Anwendung von künstlerischen Zutaten, die den Zweck des Objektes widerspiegelten, erhoben werden konnte. Das Material war bei dem Vergleichsobjekt vergoldetes und mit einer dunkelroten Ölfarbe bemaltes Gusseisen. Bei dem „Vogel-

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bad“ dagegen handelt es sich um ein anhand des Fotos allein nicht bestimmbares Weißmetall, das in verschiedenen Teilen gegossen wurde. Es ist vermutlich als Kopie bzw. Variante eines Originalmodells vor etwa 20 Jahren, vermutlich in einer europäischen Gießerei, entstanden und vermutlich auch als „Vogelbad“ für den Garten angeboten worden, passend möglicherweise zu anderen Metallgussmodellen des Herstellers für den Gartenbereich, wie Armstühle und Bänke. Vermutlich hat das dekorative „Vogelbad“ einen Wert von etwa 150 Euro, vorstellbar wäre aber eine höhere Preisauszeichnung im Antikhandel, wenn der Besitzer davon ausginge, es handele sich um ein echtes und daher wertvolles Jugendstilobjekt. Dr. Graham Dry, München

Attraktive Sitzmöbel Stühle um 1870 Als langjährige Leserin des „SammlerJournal“ bitte ich Sie um Begutachtung meiner Stühle. Aus dem Nachlass einer Tante aus Leipzig habe ich diese drei Stühle bekommen, die schon auf sehr alten Fotos zu sehen sind, sie sind sicher schon hundert Jahre alt. Sie gefallen mir sehr gut, sind aber in keinem guten Zustand. Ich möchte gern Näheres über die Stühle wissen, Alter, Stil, Holz (Kirschbaum?), Wert usw. Ist eine Restaurierung empfehlenswert?

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Jutta Degen, Pegau


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Die flach-konvexe Form der Rückenlehne der Stühle, die im Prinzip im Biedermeierstil gehalten sind, deuten auf eine Entstehung um 1870, als sich die gerundeten Formen des „Wiener Barocks“ die strenge und gerade klassizistische Formgebung im Möbelbau Bahn machten. Eine genaue landschaftliche Einordnung der Stühle ist nicht möglich. Das Kernholz der Stühle lässt sich anhand der Fotos allein nicht bestimmen, aber das Furnier, das hier und da infolge der Abnutzung fehlt, scheint aus Kirschholz zu sein. Sehr gefällig sind die durchbrochen gearbeiteten Einlagen in der Rückenlehne, die an Attraktivität dadurch gewinnen, dass sie beidseitig graviert sind. Es ist anzunehmen, dass die Stühle, möglicherweise ein Satz von sechs Stück, damals Ergänzungen zu einer schon vorhandenen Stuhlgarnitur der Biedermeierzeit waren. Heute bildet zwar ein Satz von drei Stück keinen richtigen Stuhlsatz, aber dennoch haben sie einen Gesamtwert in ihrem restaurierungsbedürftigen Zustand von etwa 240 Euro. Eine Restaurierung lohnt sich schon, besonders wenn es sich um Familienerbstücke handelt. Ein Kunstschreiner wird gern einen Kostenvoranschlag für die Instandsetzung anfertigen. Dr. Graham Dry, München

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Farbrausch Vase von Giampaolo Nason, Murano Vor einigen Jahren machte eine Freundin von mir Urlaub in Venedig und hat, wie ich finde, ein sehr schönes Andenken aus Glas mitgebracht, das ich dann zum Geburtstag bekam, weil es mich so begeisterte. Die Vase ist 22 cm hoch und ist oben 32 cm breit, ist signiert und hat ein aufgeklebtes Etikett, das vermutlich im Zusammenhang mit einem Geschäft auf der Insel Murano steht. Können Sie mir etwas zu dieser Vase und auch zu ihrem Preis sagen? Die Freundin feiert demnächst einen runden Geburtstag und ich möchte mich beim Geschenk nicht lumpen lassen!

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Vera Brandner, Illertissen

Um vorab auf den Punkt zu kommen: Die Glasvase war damals ein sehr gut ausgesuchtes und wohl auch nicht ganz billiges Geschenk und um die Freundschaft zu erhalten,

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Garantien dafür, dass es sich bei den Glaserzeugnissen um erstklassiges und weltbekanntes Kunst- und Gebrauchsglas handelt. Über Giampaolo Nason ist relativ wenig bekannt, außer dass er Inhaber eines Geschäftes in der Fondamenta dei Vetrai in Murano ist, das eigene und auch fremde Erzeugnisse verkauft. Als Glaskünstler ist Nason, soweit feststellbar, nie bei offiziellen Ausstellungen aufgetreten und dadurch erschwert sich ein Überblick über sein Schaffen bzw. die Geschichte dieses Unternehmens. Das Geschäft verkauft viele Kleinigkeiten wie Schmuck, Spiegel, Rahmen und andere gefällige Nippes, die das Herz der Ein-Tages-Touristen erfreuen, und vermutlich auch die Miete zahlen, aber zwischendurch blitzen interessante Einzelobjekte aus der Masse hervor, die doch einer anderen Kategorie der Glasgestaltung zuzuordnen sind. Dazu gehört diese sehr schöne Vase, die mit dem Mund frei geblasen wurde und nicht Teil einer Serie ist, sondern ein Unikat. Beim Herstellungsprozess wurden fünf verschiedenfarbige Reihen von nicht ganz regelmäßig aufgestellten Glassegmenten in eine farblose Glasmasse integriert, in so einer Weise, dass beim fertigen Objekt der Eindruck eines bewegt auflodernden und sich erweiternden Farbrausches entsteht. Es ist wahrscheinlich, dass diese eher einfache Glasvase nie in künstlerischer Konkurrenz mit den seriellen Produkten der großen Muraneser Firmen wie Venini, Barovier oder Salviati treten könnte, aber sie hat etwas Ungeplantes, Erfrischendes und Positives an sich, so dass sie im Vergleich mit vielen anderen der modernen Muraneser Erzeugnissen wie aus dem Ärmel geschüttelt wirkt. Vor acht Jahren wird diese Vase etwa 400 Euro gekostet haben, mit etwa 600 Euro müsste man heute rechnen. Das Klebeetikett von Nason weist im Übrigen nur darauf, dass das Objekt aus dem gleichnamigen Geschäft stammt. Wenn das Objekt tatsächlich in der Glasfabrik von Giampaolo Nason hergestellt wurde, wäre es mit einer entsprechend gravierten Signatur am Boden versehen, wie bei der vorliegenden Vase. Dr. Graham Dry, München

muss ziemlich tief in die Tasche gegriffen werden, sollte es allein um ein finanzielles Gleichziehen, und nichts anderes gehen. Auf dem Boden der Vase kann man die gravierte Inschrift lesen: „Giampaolo Nason 2007 Murano“ und das Etikett besagt, dass die Vase aus der Produktion bzw. Geschäft des Giampaolo Nason in Venezia – Murano stammt. Der Name Nason ist seit über 600 Jahren als Familienname bekannt, der in Verbindung mit der Glasherstellung auf Murano steht. Noch heute sind Namensträger wie der Glaskünstler Ermanno Nason und die Firma Nason & Moretti


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Knobelspaß Bierkrug von Villeroy & Boch Ich habe von meiner Großmutter das nette Krügle vererbt bekommen. Es ist 11,5 cm hoch und hat einen Durchmesser von 7,8 cm, hat drei verschiedene Figurenbilder, Deckel ist aus Zinn, in der Mitte auch ein Bild. Marke Villeroy & Boch, Mettlach, Nr. 1266/II und die Zahl 20. Können Sie mir sagen: 1. wie alt es ist und 2. was es ungefähr wert ist?

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Erhard Schaukal, Schorndorf

Der schöne Bierkrug stammt aus der Produktion der Steingutfabrik Villeroy & Boch in Mettlach. Die Seriennummer 1266 deutet auf eine Ausformung des Modells etwa im Jahre 1882, andererseits erinnert der Stil des Krugs, dessen Wandung in drei rankende Hopfenfelder aufgeteilt ist, so sehr an frühe Trink- und Schaugefäße des Unternehmens aus den beschaulichen 1840er-Jahren, dass das Modell vermutlich tatsächlich aus jener Zeit stammt. Es bekam seine vierstellige Zahl zu einer viel späteren Zeit im 19. Jahrhundert, als die Fabrik eine Neuordnung und auch Aussortierung verschiedener Modelle unternahm. Der Krug besteht aus einer glatten Grundform, auf der die weißen figürlichen Motive, Rundbögen und Ranken mit der Hand und unter Verwendung von Einzelmodeln aufgelegt wurden. Nach dem Brand wurde die Firnis- bzw. Ölfarbe aufgetragen und nochmals im Muffelofen gebrannt. Nur einer der Trinker sieht einigermaßen fidel und von Erdensorgen befreit aus, nämlich derjenige mit dem großen Trinkstiefel, der hoffentlich nicht aus Leder, sondern aus Steinzeug ist, in der Art der Westerwälder Produkte dieses Genres, die im 19. Jahrhundert großer Beliebtheit als Scherzartikel und

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schwere Herausforderung an den Zecher genossen. Der Krug besteht trotz Villeroy & Bochs Verwendung der Bezeichnung „Steingutfabrik“ nicht aus Steingut, sondern aus Steinzeug, das im später werdenden 19. Jahrhundert infolge seines Einsatzes als das passende Material für grobes Haushaltsgeschirr und andere notwendige, aber unkünstlerische Gebrauchsgegenstände, verwendet wurde. Das Steingut, das billiger als Steinzeug herzustellen war, hatte den Vorteil, sich optisch etwas an die Farbe des Porzellans angleichen zu können und war deshalb „besser“ als Steinzeug und deshalb auch einfacher zu vermarkten. Interessanterweise hat Villeroy & Boch das Problem erkannt und dagegen gesteuert, indem das Unternehmen seine Bierkrüge und andere Gefäße als „Steinzeug-Artikel aus der Steingutfabrik Villeroy & Boch in Mettlach“ in seinen Spezialkatalogen vorstellt, z. B. im „Preisverzeichniss … 1. Juli 1885“, in: Anton Post. Mettlacher Steinzeug 1885-1905, Saarwellingen 1976, Titelblatt S. 33. In dieser illustrierten Preisliste ist der Krug Nr. 1266 auf S. 38 abgebildet. Auf S. 39 führt

die Liste das Modell in zwei Größen, H 11,5 und 9,5 cm an, die man „grau“, „gelb garnirt“ oder „u. blau Fond“ zu verschiedenen Preisen bis 2 M. 30 erstehen kann, mit oder ohne Deckel. Auf dem Boden unseres Exemplars ist neben der „Merkur-Marke“ auch die Zahl 20 eingeprägt. Sie bezieht sich in diesem Fall vermutlich nicht auf das Herstellungsdatum 1920, sondern auf die Nummer des Qualitätskontrolleurs. Zurzeit sind zwei Beispiele dieses Modells auf eBay zu sehen: Eines davon hat einen Ersatzdeckel – die originalen Keramikdeckel gingen relativ leicht in die Brüche – und wurden für 30 Euro verkauft, ein zweiter steht mit 68 Euro zum Verkauf. Der erfahrene Mettlach-Sammler hat andere Zeiten erlebt, in denen solche Krüge sehr viel teurer waren, da sie ab den Fünfzigerjahren vor allem von amerikanischer Seite sehr gesucht wurden. Es ist sicher allgemein bekannt, dass wenn ein amerikanischer Mettlach-Sammler stirbt, kommt er nicht in den Himmel, sondern nach Mettlach. Es gibt im Übrigen eine Methode, das Jahr der Erstherstellung eines Mettlach-Modells anhand der Seriennummer zu bestimmen, die dermaßen skurril und unwahrscheinlich ist, dass sie vermutlich deshalb funktioniert. Man nehme z. B. das Mettlach-Modell Nr. 2100 und teile es durch 100, was 21 ergibt. Dann addiert man dazu ein Drittel dieser Zahl (= 7), dann die Zahl 65. Die Summe 21 + 7 + 65 ergibt 93, d.h. die Ausführung des Krugs stammt aus dem Jahre 1893! Aufund Abrundungen sind möglich, z.B. die Seriennummer 3089 kann als 31 + 10 + 65 leicht justiert werden: Das Ergebnis lautet 106, d.h. 1906 (Gary Kirsner. The Mettlach Book, Coral Springs, Florida 1987, S. 21). Viel Spaß also beim Knobeln. Dr. Graham Dry, München


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Es handelt sich um Teekanne, Zuckerdose und Sahnekännchen, gefertigt aus „Englisch Zinn“. Alle drei Teile sind mit einer Punze „Fein Zinn“ versehen, die Kanne hat eine Doppelzinnmarke, dargestellt durch einen Engel. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, einmal in meinem Leben ein Teeservice aus der berühmten Schule des „Bauhaus“ mein Eigen zu nennen. Das Service ist schlicht gehalten, hochwertig angefertigt und strahlt duch seine einfache Form eine gewisse Schönheit aus. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mir mit Ihrem fachkundigen Rat weiterhelfen könnten. Peter Wiesner, Waldkraiburg

Das schöne Zinnservice stammt aus der Zeit um 1928 und die Verwendung der kugelförmigen Deckelgriffe weist beispielsweise tatsächlich auf Formvorstellungen des Bauhauses, die sich damals allmählich bei der industriellen Formgebung durchgesetzt hatten. Mit dem Bauhaus selbst kann das Service leider nicht in Verbindung gebracht werden. Dennoch handelt es sich um ein sehr formschönes Produkt, das das formale Empfinden der Zeit sehr überzeugend und auch richtig schön zum Ausdruck bringt. Es erinnert an bestimmte Produkte der Zinnwarenfabrik Eugen Wiedamann in Regensburg, aber für dieses Unternehmen ist der Rundstempel „Feinzinn“, der lediglich ein Qualitätszeichen, aber keine Firmenmarke ist, nicht belegt. Die beiden „Engelmarken“, die bis etwa 1950 in Gebrauch waren und immer in etwas anderer Form, je nach grafischer Vorstellung des Betriebes, auf den Zinnwaren erscheinen, lassen sich im vorliegenden Fall nicht einer bestimmten Stadt oder einem Hersteller zuweisen. Es ist durchaus möglich, dass Erzeugnisse dieses sehr guten Unternehmens unterwegs sind, die neben der Feinzinn-Marke (für mindestens 99,95 % Zinngehalt) auch die tatsächliche Herstellermarke aufweisen, aber auf diesen Zufall müssen wir noch etwas warten. Der Wert des Services liegt bei etwa 200 Euro. Dr. Graham Dry, München

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Auf Motivsuche Gemälde von A. Reuß Bei diesem Gemälde von A. Reuß möchten wir gerne wissen, wo es gemalt wurde. Es müsste ein Hafen in Südfrankreich sein. Dr. Graham Dry, München

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Überzeugend Teeservice aus Zinn Vielen Dank für alle interessanten und wertvollen Beiträge in Ihrem Magazin. Ich freue mich immer auf eine neue Ausgabe. Heute sende ich Ihnen die Bilder eines Teeservices.

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Abseits vom Mainstream Art Bodensee in Dornbirn (A) Von 8. bis 10. Juli wird Dornbirn mit der 16. Art Bodensee zum allsommerlichen Treffpunkt der Kunstszene. Die Salonmesse ist ein Anziehungspunkt für Sammler, Kunstliebhaber und Neueinsteiger. Rund 60 Galerien, Museen und Institutionen aus acht Ländern sind auf der dreitägigen Messe vertreten. Werke von etablierten Künstlern, aber auch von vielversprechenden Newcomern sind zu sehen. Seit der ersten Art Bodensee, im Jahr 2001, entwickelte sich die Dornbirner Kunstmesse zum angesehenen Treffpunkt für moderne und zeitgenössische Kunst. Zahlreiche Galerien und Institutionen aus der Vier-Länder-Region Österreich, Deutschland, Schweiz und Liechtenstein nehmen auch dieses Jahr teil. Darüber hinaus bringt die einzige Sommer-Kunstmesse im deutschsprachigen Raum Aussteller aus Italien, Frankreich und Spanien nach Vorarlberg. Als Salonmesse ist die Art Bodensee „groß genug und klein genug“. Das Interesse der Aussteller, aber auch der Messebesucher, wächst von Jahr zu Jahr. Projektleiterin Isabella Marte sieht die Attraktivität in der Kombination aus Qualität und persönlicher Beratung: „Hier haben die Galeristen

Ein Blick auf die Art Bodensee in Dornbirn vom letzten Jahr © Conny Hefel

die Zeit und den Raum, sich intensiv den Sammlern zu widmen und ihnen die Werke näher zu bringen. Zudem bietet die Art Bodensee die Gelegenheit, Kunst abseits des Mainstreams zu entdecken“. Die Messe sieht sich selbst klar als Handelsplattform, jedoch unterstützt sie die Vermittlungsarbeit der Galerien mit zusätzlichen Angeboten. Neben Künstlergesprächen und einem speziellen Kreativprogramm für Kinder gibt es dreimal täglich gratis Führungen durch die Messe. Die künstlerische Ausrichtung der Art Bodensee liegt in der zeitgenössischen Kunst. Zu den Galerien zählen unter anderen Lindner (Wien), Kunst und Handel (Graz), Werner Bommer (Zürich), Ambacher Contemporary (München) oder Semjon Contemporary (Berlin). Daneben finden sich aber auch vereinzelt Galerien, die hervorragende Werke der klassischen Moderne anbieten, so wie die Galerie Valentin aus Stuttgart. Aus der Vorarlberger Szene stellen die Galerien Feurstein, Lisi Hämmerle, c.art, Maximilan Hutz, am Hofsteig und Arthouse Arbeiten von vorwiegend regionalen Künstlern vor. Zu einer Kunstmesse gehört ein „featured artist“. Seit 2007 unterstützt das Land Vorarlberg in Zusammenarbeit mit der Art Bodensee jeweils einen Künstler aus der Region. Konkret gefördert wird die Teilnahme an der Messe. Dem vom Vorarlberger Künstler Harald Gfader ausgewählten Newcomer steht ein Messestand zur Präsentation der eigenen Werke zur Verfügung. Ebenso darf die Sonderschau nicht fehlen. Mit dem Schwerpunkt „Textile Kunst“ wird sie das Messeprogramm bereichern. INTERNET I www.artbodensee.info

Woche der Kunst Masterpiece London James A. Knie, Landkarte von England, Wales und einem Teil von Schottland, London, 1837; Masterpiece London

Dort, wo im Frühjahr jedes Jahr die legendäre Chelsea Flower Show stattfindet, öffnet nun vom 30. Juni bis 6. Juli das Royal Hospital für über 5000 Jahre Kunst seine Tore. Außer-


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gewöhnliche Meisterstücke in musealer Qualität und aller Genres sind hier zu finden, durch alle Stilrichtungen von der Antike bis zu den Alten Meistern, vom Impressionismus bis hin zur zeitgenössischen Kunst, daneben ethnographische Kunst, Antiquitäten, seltene Bücher und Schmuck. Mit dabei sind unter den Ausstellern einige Neuzugänge wie Rückkehrer zu verzeichnen, wie z. B. Axel Vervoordt, Rose Uniacke und Alessandra di Castro, Tornabuoni Art, Mazzoleni London oder Wallace Chan. Aus Deutschland machen sich der Kunsthandel Senger aus Bamberg und Hemmerle aus München auf den Weg zur die Insel. Parallel zur Masterpiece London finden vom 1. bis 8. Juli die London Art Week statt, außerdem diverse Kunstauktionen. INTERNET I www.masterpiecefair.com

Anton Hoffmann, Die Parforcejagd; bei von Seckendorff, 21. Bamberger Kunst- und Antiquitätentage 2016

Sammeln in der Siebenhügelstadt 21. Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen 2016 Die 21. Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen finden vom 22. Juli bis 19. August 2016 im Weltkulturerbe Bamberg statt. In der mittelalterlichen Domstadt haben sich Kunstund Antiquitätenhändler und das Internationale Künstlerhaus Villa Concordia zusammengeschlossen und veranstalten gemeinsam die Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen. Schirmherr ist der Oberbürgermeister der Stadt Bamberg Andreas Starke. Diese Veranstaltung findet auf allerhöchstem Niveau statt. Sie zieht sowohl das nationale als auch das internationale Publikum an, bietet sie Kunstobjekte von internationalem Rang: Im Umkreis von circa 500 Metern liegt unterhalb des Domberges das so genannte Antiquitätenviertel. In der persönlichen Atmosphäre ihrer Galerien, im historischen Barockzentrum, bieten die Kunstund Antiquitätenhändler wertbeständige Kunst an. Alle Schauräume befinden sich in denkmalgeschützten Häusern. Auf insgesamt 4.000 Quadratmetern Ausstellungsflä-

Louis XVI Gartenbank, fränkisch, um 1770/80; bei Dr. SchmitzAvila, 21. Bamberger Kunst- und Antiquitätentage 2016

Meister Thomas Evans, 1816, Deckelsaucièren; bei Christian Eduard Franke, 21. Bamberger Kunst- und Antiquitätentage 2016

che findet die alljährliche Leistungsschau der Kunst- und Antiquitätenhändler statt. Es wird ein breites Spektrum an nationaler Kunst und internationalem Kunsthandwerk aus sieben Jahrhunderten geboten. Bei ausgefallenen Kundenwünschen ist man in Bamberg bemüht den Sammlerwunsch zu erfüllen, schließlich arbeiten die Kunsthändler hier Hand in Hand. Sie empfehlen sich untereinander weiter, so dass der Kunde vor Ort fündig wird und zufrieden ist. Mit dem Begriff „Einheit in der Vielfalt“ möchten die Händler das „Bamberger Modell“ des Wettbewerbs und gleichzeitig auch der Kooperation charakterisieren: Jeder Händler ist Experte auf seinem Gebiet. Jeder hat hier seinen Platz. Und dieser Platz des Angebots von Kunst- und Antiquitäten ist nicht in einer Messehalle am Stadtrand, sondern es sind die Galerien im barocken Zentrum einer der schönsten historischen Städte Deutschlands. Was hier angeboten wird, korrespondiert in schönster Weise mit der Architektur der fränkischen Siebenhügelstadt, deren Zeugnisse weit vor die Barockzeit zurückreichen. TELEFON I 0175 2468806 INTERNET I www.bamberger-antiquitaeten.de

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K U N STM A R K T

Pierre Molinier Oder: Die Kunst, sich neu zu erfinden Pierre Molinier, Schöpfer und Geschöpf, wird an einem Freitag, dem 13., im Jahr 1900 geboren und begeht 76 Jahre später Selbstmord. Der verrufene Künstler aus Bordeaux, zugleich Maler, Zeichner, Dichter und Fotograf, kultivierte eine ausgeprägte Vorliebe für Androgynität und kam in Kontakt mit der Gruppe der Surrealisten, bevor Breton zu ihm auf Distanz geht ... Pierre Molinier kommt am Freitag, den 13. April 1900, in Agen zur Welt. Er bringt sehr früh schamlose Neigungen zum Ausdruck, seine Obsession für Sex, Frauen, Beine. Wohnhaft in Bordeaux ab 1919, übt er die Tätigkeit des Malermeisters aus und baut nebenbei eine private künstlerische Produktion auf. 1951 löst er einen Skandal im „Salon des Indépendants” aus, indem er „Le Grand Combat” enthüllt, ein erotisches Gemälde aus verschlungenen Körpern, das die Bourgeoisie aus Bordeaux schockiert. Hingegen bemerkt André Breton „das Magische” in Moliniers Kunst und schreibt ihm 1955: „Seien Sie sich dessen sicher, lieber Pierre Molinier, dass Sie im Surrealismus nur Freunde haben.” Bretons Unterstützung führt zu einer ersten Pariser Ausstellung in der „Galerie à l’Étoile scellée”: 18 Gemälde werden vom 27. Januar bis 17. Februar 1956 präsentiert, darunter „Le Grand Combat, Succube” oder „Les dames voilées”. André Breton selbst verfasst das Vorwort zum Ausstellungskatalog und nennt den Künstler einen „Magier der erotischer Kunst”. Letztendlich frequentiert Molinier die Surrealisten nur wenig, von denen er 1959 ins Abseits gedrängt wird infolge eines zu „pornografischen” Briefes, den er an Breton geschickt hätte. Eine Welt für sich Der andere Aspekt seiner Arbeit, heute der meistbekannte, offenbart sich 1960, dem Jahr erster Versuche mit Fotomontagen. Molinier beginnt, Fotografien verfälschter Teile seines eigenen Körpers zu zerschneiden und neu zusammenzustellen, auf denen er Seidenstrümpfe, Strapse und schwarze Pumps trägt, um seine Androgynitätsfindung zu befriedigen. Er retuschiert anschließend seine Kompositionen mit Tinte, bevor er sie erneut fotografiert. Über diese neue Arbeit teilt er mit: „Ich habe Fotomontagen gemacht, wie ich Gemälde gemalt habe. Der einzige Unterschied besteht darin, dass die Elemente von meinem eigenen KörJambes, 196 (Christie’s, Paris, per stammen. Dies ist eine 11/2015; Zuschlagspreis 3.800 Art von Egozentrik, von NarEuro (Foto: © VG Bild-Kunst, zissmus. Ich siedele meine Bonn; Christie’s Images LimiMalerei auf der gleichen ted 2016 Ebene wie meine Fotomon-

L’éperon d’amour (photomantage – pl. 15 du Chaman), um 1967 (Artcurial, Paris, 11/2015; Zuschlagspreis 1.100 Euro (Foto: © VG Bild-Kunst, Bonn; Artcurial)

tagen an”. Diese neuen Kreaturen männlichen und weiblichen Geschlechts haben einen starken Einfluss auf die Künstler der Body-Art. Für manche von ihnen ist Obszönität die Kunst, eine Kunst ohne Grenzen zu akzeptieren, und die Befreiung ist ein zu befolgender Verhaltensmodus. 1974 beteiligt sich Molinier an der Ausstellung „Transformer. Aspekte der Travestie”, die im Kunstmuseum Luzern in der Schweiz stattfand. Er traf dann den Künstler Luciano Castelli, große Figur der Body-Art, der sein Modell wird. Dieses Werk, frei und verrufen, bleibt über viele Jahre hinweg weitgehend unverstanden und Molinier erwirbt wirkliche Anerkennung erst posthum mit einer ersten monografischen Ausstellung im Centre Pompidou in Paris 1979. Einige gut informierte Sammler und Pariser Galeristen interessierten sich bereits in den 80er-Jahren näher für sein Werk. Zu jener Zeit wechselten manche Fotomontagen für ein paar hundert Euro den Besitzer. Dann wirkte die Arbeit des Galeristen Kamel Mennour an der Ausweitung seines Marktes mit. Der Galerist widmete ihm 1999 eine erste Einzelausstellung und zeigte sie drei weitere Male zwischen 2005 und 2010. Heute sind seine androgynen Wesen,„seine erotischen Erfindungen”, wie er sie nannte, vor allem in Frankreich gesucht, finden aber auch guten Anklang in London und in den USA, wobei sein zweitgrößter Markt amerikanisch ist. Verrufen zu welchem Preis? Die Fotomontagen werden geringer bewertet als die seltenen Gemälde, deren Rekord bei 90.000 Euro im Juni 2000 liegt (mit „Les amoureuses angoissées”, 1962, 100 x 81 cm, verkauft am 17. Juni 2000 bei Renaud in Paris). Seit jenem Jahr 2000 stieg sein Preisindex immerhin um 65 Prozent, so


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stark, dass seine teuerste Fotomontage vor Kurzem im Rahmen eines ganz besonderen Pariser Verkaufs zugeschlagen wurde. Das Jahr 2015 war in der Tat ein historisches Jahr für Moliniers Werk in Versteigerungen, da dieses mehr als 400.000 Euro an Einnahmen generierte, viermal mehr als im Vorjahr, durch den Verkauf von 119 Arbeiten, ein außergewöhnlicher Verkauf, die größte Versteigerungssitzung, die ihm jemals gewidmet wurde. Die Versteigerungssitzung „Forbidden sale” fand bei Artcurial in Paris am Freitag, 13. November 2015, in Erinnerung an den Geburtstag des Künstlers, Freitag, 13. April 1900, statt. Die angebotenen Arbeiten stammten aus der Sammlung einer der Musen von Molinier, Emmanuelle Arsan. Dieser Verkauf war der Schauplatz eines absoluten Rekords für ein Foto mit der wunderschönen Montage „Chaman”, gestartet mit einer niedrigen Schätzung von 4.000 Euro und verkauft für 22.100 Euro inklusive Aufgeld. Eine solche Versteigerungssitzung bot auch die Gelegenheit, einige Vintage-Prints für ein paar hundert Euro zu erwerben, manchmal unter der Schätzung liegend, insbesondere „Mes Jambes” (1967) und „Mon cul” (circa 1965-67), verkauft für je-

Jean Meunier: Portrait nu, 1972 (Artcurial, Paris, 11/2015; Zuschlagspreis 550 Euro (Foto: © VG Bild-Kunst, Bonn; Artcurial)

weils nur 585 Euro. Es bleibt dem fließenden Verkauf vorbehalten, dass die Geschäftsabschlüsse manchmal leichter fallen, wenn das Angebot umfangreich ist. Wenn Pierre Moliniers fetischistische Ausschweifungen auch in die Kunstgeschichte eingegangen sind, so hat dieser Künstler sicherlich nicht das volle Maß seiner Bewertung erreicht. Wie auch immer, seine Grabinschrift spricht für sich selbst: „Hier ruht Pierre Molinier. Er war ein Mann ohne jede Moral, er machte daraus Ruhm und Ehre. Unnötig, um ihn zu weinen.” QUELLE | artprice.com

Hanel, 1972 (Lempertz, Köln, 5/2015; Zuschlagspreis 2.200 Euro (Foto: © VG Bild-Kunst, Bonn; Lempertz)


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Haut denL ukas Haut den Lukas Ludger Spielberg

Das Spielgerät mit einem Ball aus gepresster Watte und dem 11 cm langen Holzhammer. Es ist einschließlich des aufsteckbaren Sockels 17,5 cm hoch und zeigt oben den bekannten „Moritz” von Wilhelm Busch. Von dem Spielehersteller wurde es mit großer Wahrscheinlichkeit vom Blechspielzeugfabrikanten Georg Levy aus Nürnberg bezogen. Für die Ausstattung von Gesellschafts-, Geschicklichkeitsspielen usw. wurden häufiger Einzelteile von Fremdfirmen gefertigt, z. B. Spielfiguren aus Metall, Holz, Kunststoff usw.

ALTE JAHRMARKTATTRAKTION Vor etwa 200 Jahren, vielleicht aber auch schon einige Jahrzehnte früher, dürfte auf einem Jahrmarkt ein findiger Schausteller eine ebenso merkwürdige wie einfache Konstruktion aufgestellt haben, bestehend aus einer Säule mit einer Schiene oder einem Rohr, einer Wippe und einem riesigen Hammer. Wer sich im Publikum kräftig genug fühlte, durfte gegen Zahlung eines geringen Betrages mit dem Hammer auf das eine Ende der Wippe schlagen und dann zuschauen, wie vom anderen Ende der Wippe ein an der Schiene oder dem Rohr verlaufendes Gleitgewicht aus Metall oder Holz in die Höhe schnellte. Für umstehende Gaffer dürfte der Anreiz groß gewesen sein, mit einem noch kräftigeren Hammerschlag die erreichte Höhe seines Vorgängers zu überbieten. Vielleicht hatte der Schausteller auch einen Preis ausgelobt und die Interessenten auf diese Art zum Kräftemessen animiert. So oder ähnlich dürfte auf den Jahrmärkten ein Kraftmesser etabliert worden sein, der als „Hau den Lukas" bekannt wurde und auch heute noch auf Rummelplätzen anzutreffen ist. Kraftmesser zur Unterhaltung der Besucher von Jahrmärkten, Volksfesten usw. gab es in verschiedensten Ausführungen und oft waren es Eigenbauten der Schausteller. So konnten z. B. Scheiben oder Klötze mit einer kräftigen Armbewegung auf einer Art Rutschbahn in die Höhe geschoben werden und am Rande der Bahn angebrachte Markierungen ließen auf das Ergebnis der Kraftanstrengung schließen. Andere Geräte waren ähnlich wie die früher aus Lebensmittelläden bekannten Neigungswaagen konstruiert: Nach einem Faustschlag auf die Wiegefläche wurde das Ergebnis durch den Ausschlag eines Zeigers auf einer Skala dargestellt. An Erfolg und Beliebtheit war jedoch der „Lukas” nicht zu überbieten. Laute Hammerschläge und ein johlendes Publi-


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Das Bild des 35 cm x 25 cm großen Schachteldeckels mit einer bunten Kirmesszene Aus der Anzeigenwerbung von Georg Levy 1927: Der Lukas in der großen, 17 cm hohen, Ausführung. Eine kleinere und ähnlich gestaltete Variante hatte eine Höhe von 12 cm. Bei beiden Versionen wechselt nach einem erfolgreichen Schlag mit dem Hammer der Ring neben der Figur die Seite. Beschreibung des Spielzeugs in einem Spielwarenkatalog: „Das eine Bein wird in die Feder gespannt und durch Druck auf die Feder schlägt die Figur mit dem Hammer auf den Amboß und schleudert das Gewicht in die Höhe."

kum zogen weitere Zuschauer und Akteure an und bei Höhen von oft mehr als drei Metern waren die Geräte auch kaum zu übersehen. Deren Funktionsweise war ja weitgehend identisch, weshalb die Schausteller zur Steigerung der Beliebheit und Frequentierung auch auf eine originelle äußere Gestaltung Wert legten. Statt durch eine simple Ziffer wurde der Erfolg oft mit scherzhaften Bezeichnungen wie „Schlappschwanz” oder „Pantoffelheld” am unteren Ende der Skala bis zum „Gladiator”, „Supermann” oder „Weltmeister” am oberen Ende ausgewiesen. Da neben der Kraft auch die Schlagtechnik für den Erfolg entscheidend war, konnten Schwächlinge durchaus zu Helden und Muskelmänner zu Lachnummern werden. Auch Berufsbezeichnungen waren als Erfolgsangaben beliebt und die Akteure konnten es vom „Schreiberling” über den „Postboten” zum „Baumfäller” bringen. Wenn das Gewicht die maximale Höhe erreichte, blieb auch manchmal eine kleine Belohnung nicht aus. Bei vielen Geräten ertönte nur eine Glocke oder ein anderes Signal, bei etlichen anderen wurde ein Mechanismus ausgelöst, der für einen Moment eine Figur erscheinen

ließ, z. B. den Oberkörper eines Muskelprotzes oder, wie es in Hafenstädten zur Freude der Matrosen geschehen sein soll, leicht oder nicht bekleidete weibliche Körperteile. Da sich die dekorativen Teile der Geräte leicht verändern ließen, konnten sie auch rasch auf regionale oder zeitgenössische Gegebenheiten umgebaut werden. So sollen in Bayern Apparate mit der Bezeichnung „Saupreiß" gestanden haben, natürlich am unteren Ende der Skala angebracht. Wie man sich denken kann, dürfte der Schausteller bei einem Auftritt in Berlin sein Gerät mit den abwertenden Namen für die Bewohner südlicher Landesteile dekoriert haben.

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Alte Dokumente belegen, dass sich auch die Politik für die Gestaltung des „Lukas” anbot. So konnte in Frankreich zur Zeit des Ersten Weltkriegs auf ein Konterfei des Deutschen Kaisers eingedroschen werden. Nicht geklärt ist die Bezeichnung des Gerätes, weshalb also ausgerechnet auf den „Lukas” geschlagen wurde. Eine These besagt, dass man in einigen Regionen Deutschlands umgangssprachlich das Gesäß als „Lukas” bezeichnete und die Prügelstrafe mit Schlägen auf denselben vollzogen wurde.

„LUKAS” EN MINIATURE Neben die Großgeräte für Jugendliche und Erwachsene stellten manche Schausteller auch kleinere Ausführungen, an denen Kinder ihre Kräfte messen konnten. Und wie bei fast allen anderen Jahrmarktsgeräten nahmen sich auch die Spielwarenhersteller der beliebten Attraktion an und konstruierten Miniaturen für den Gebrauch im Kinderzimmer. Bekannt sind ein paar Holzartikel und Zinnfiguren, besonders beliebt und begehrt aber die bunt bedruckten mechanischen Ausführungen aus Blech. Die bekanntesten Exemplare dieser Art stammen von der Firma Georg Levy (Markenzeichen GeLy) und wurden gegen Ende der 1920er-Jahre in Nürnberg produziert. Von Levy bezog um 1930 vermutlich auch ein Spielehersteller den Hauptbestandteil seines hier vorgestellten „Haut den Lukas” als Gesellschaftsspiel mit der Nr. 2907. Das Spielgerät ist nämlich in wesentlichen Teilen und hinsichtlich der Größe absolut identisch mit dem GeLy-Artikel. Die Figur des schlagenden Mannes war überflüs-

Das 24,5 cm x 25 cm große und in den Karton integrierte Spielfeld mit einigen Bällen, dahinter die aufgesteckte Spielfigur

sig, da die Spielteilnehmer ja selbst den Hammer führen sollten. Der Spielablauf entsprach allerdings in keiner Weise dem Vorbild des Jahrmarktes, denn statt Kraft standen etwas Geschicklichkeit und viel Glück im Vordergrund. Ein Vorschlag für den Spielverlauf mit einigen Regeln war einem Aufkleber im Kartondeckel zu entnehmen: „Wer hat auf den Volksfestplätzen noch nicht die hohe Säule gesehen, vor der ein großer Holzblock steht? Wer hat noch nicht die starken Männer bewundert, die mit einem großen Holzhammer durch gewaltigen Schlag auf den Holzblock einen kleinen Keil an der Säule in die Höhe treiben? Ihr alle kennt das für jeden Zuschauer und Mitwirkenden gleich große Vergnügen und stets habt ihr vor diesem Riesenspielzeug, das allgemein 'Haut den Lukas' heißt, gestanden und gedacht: 'Wenn ich doch auch einmal so kräftig wäre wie die starken Männer!' Hier habt ihr den 'Lukas'. Natürlich nicht gerade so hoch und gewaltig, aber doch so, dass ihr jetzt auf ungefährliche Art 'Haut den Lukas' spielen könnt. Schiebt den 'Lukas' über den weißen Pappsteg, der einige Zentimeter vom Kastenrand entfernt ist, legt einen kleinen Ball auf das Schüsselchen und schlagt dann mit dem Holzhammer auf den seitlich angebrachten kleinen Amboss. Ihr sollt einmal sehen, wie der Ball dann in die Höhe fliegt und nach vorn auf das Spielfeld fällt. Das Spiel-

feld besteht aus einer Anzahl runder Löcher, unter denen Zahlen stehen. Ihr verabredet nun vor dem Spielanfang, wie oft jeder Mitspieler schlagen darf. Fliegt der Ball in ein Loch, wird die darunter befindliche Zahl aufgeschrieben. Natürlich dürfen nur dann die Zahlen aufgeschrieben werden, wenn der Ball richtig in einem Loch liegt. Am Schluss werden die Zahlen für jeden Spieler zusammengezählt und wer dann die höchste Summe hat, ist Gewinner." Diese Regelvorschläge ließen sich natürlich nach Belieben ändern. Ein Kind konnte sich auch gut allein damit beschäftigen, statt der oft über den Spielfeldrand hinaus fliegenden leichten Wattebälle z.B. auch Tonkugeln nehmen oder die vorgeschlagene Zählweise variieren. Die an Kuriositäten nicht gerade arme Spielzeuggeschichte hat erst in jüngster Zeit eine sonderbare Version des „Hau den Lukas” mit 17 cm Höhe hervorgebracht. Ein Lüdenscheider Hersteller von Dampfmaschinen und Betriebsmodellen fertigt neben Schaukeln, Karussells und anderen blechernen Kirmesartikeln auch einen Kraftmesser. Angetrieben durch eine Dampfmaschine, schlägt ein Blechmännchen mit rasantem Tempo und unermüdlich seinen Hammer auf einen Klotz und kann das Ergebnis an farbigen Leuchtdioden ablesen. Fotos: Ludger Spielberg


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