E&G – Quaternary Science Journal - Drucktexturen in eiszeitlichen Sedimenten

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Drucktexturen in eiszeitlichen Sedimenten Von Gerhard K e l l e r , Hannover. Mit 9 A b b . im T e x t Einführung Zur Deutung der Lagerungsstörungen in eiszeitlichen Sedimenten w u r d e schon früh der aktive Eisdruck des in B e w e g u n g begriffenen Inlandeises heran­ gezogen. W e n n in dieser Hinsicht zuviel unternommen w u r d e und auch die v o n S t r ö m u n g s v o r g ä n g e n beherrschten kryoturbaten Erscheinungen als durch Eis­ druck entstanden erklärt wurden, so sind doch die sonst vorhandenen L a g e r u n g s ­ störungen meistens auf B e w e g u n g s d r u c k zurückzuführen. Auch im folgenden kann zunächst eine R e i h e d y n a m i s c h e r Druckstörungen erläutert werden, die i m Z u s a m m e n h a n g mit Untersuchungen in nordwestdeutschen Stauchmorä­ nengebieten in den letzten Jahren b e k a n n t g e w o r d e n sind. Dazu gesellt sich eine zweite G r u p p e v o n Druckstörungen, deren Bildung bis­ her ebenfalls auf dynamische V o r g ä n g e zurückgehend gedacht w u r d e . Doch lie­ gen hier die ursächlichen Z u s a m m e n h ä n g e wesentlich anders, und als A u s l ö s u n g der Störungsvorgänge dürfte lediglich der Belastungsdruck der einst das Han­ gende bildenden Eisschichten zu gelten haben. Diesen somit auf s t a t i s c h e Einwirkungen zurückgehenden Lagerungsstörungen liegen Beobachtungen in westdeutschen fiuvioglazialen A b l a g e r u n g e n zu G r u n d e . W i e schon b e i den d y ­ namischen Störungserscheinungen, so soll noch eingehender bei den statischen versucht werden, die eingetretenen V o r g ä n g e nach bodenphysikalischen Gesetz­ mäßigkeiten mit d e m Ziele zu analysieren, Aufschluß über den abgelaufenen natürlichen Bewegungsmechanismus zu gewinnen. 1.

Dynamische

Drucktexturen

a) B a u u n d B i l d d e r S t a u c h m o r ä n e

des R e h b u r g e r

Stadiums

Die hier zu erörternde Gruppe der dynamischen Druckstörungen ist i m west­ deutschen R a u m mit d e m Z u g e der R e h b u r g e r Stauchmoräne verknüpft, die von der holländischen Grenze in der Grafschaft Bentheim bis an die W i e t z e nördlich von H a n n o v e r zu v e r f o l g e n ist. Ihre erste lokale D e u t u n g bei R e h b u r g geht auf SPETHMANN ( 1 9 0 7 ) zurück, während ihre überragende Bedeutung in m o r p h o l o g i ­ scher und stratigraphischer Hinsicht v o n WOLDSTEDT ( 1 9 2 8 ) dargelegt w u r d e . A l s das Kernstück der Stauchmoräne des Rehburger Stadiums darf das Gebiet der D a m m e r B e r g e angesehen werden. H i e r tritt z u m ersten Mal, auf d e m W e g e v o n Osten k o m m e n d , ein langgestreckter H ö h e n z u g auf, der selbst mit 1 4 6 m + N N für die dortige G e g e n d beachtlich hoch ist und relativ ü b e r das östlich anschlie­ ßende Niederungsgebiet der Hunte mit d e m D ü m m e r - S e e u m 1 1 0 m aufragt. Der D a m m e r B o g e n endet östlich der Hase. Die Stauchmoräne setzt sich west­ lich v o n ihr zunächst in den ausgedehnten A n k u m - B i p p e n e r Bergen und weiter nach der Ems fort. A u s der Gegend westlich v o n A n k u m stammt die erste W i e d e r ­ gabe der Lagerungsverhältnisse in der Stauchmoräne, die sich darauf beschränkt, das Bild nebeneinanderstehender steil einfallender T o n - und Grünsandschichten zwischen steilaufgerichteten Sand- u n d Kiesschichten zu zeigen. DEWERS ( 1 9 4 1 ) machte auf diese Lagerungsverhältnisse aufmerksam, ohne daß w e i t e r e Unter­ suchungen in diesen abgelegenen G e b i e t e n folgten. Insbesondere fehlten B o h -


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rungen, die Aufschluß über die Lagerungsverhältnisse nach der Tiefe hätten g e ­ ben können. Erst durch diese waren in V e r b i n d u n g mit größeren Tongrubenauf­ schlüssen Anschauungen über das gesamte T e x t u r b i l d zu g e w i n n e n . Eine A n z a h l v o n T o n g r u b e n liegt bei Neuenkirchen am S ü d e n d e der D a m m e r B e r g e . Die G r u b e n folgen mit ihrem A b b a u ostweststreichenden Schuppen v o n Tertiärtonen, die selten breiter als 5 0 m w e r d e n und beiderseits v o n diluvialen S a n d e n begrenzt sind. Die Schuppen lassen sich i m Grundriß oft dadurch w e i t e r ­ verfolgen, daß sie v o n morphologisch h e r v o r t r e t e n d e n Grobsand- und Kiesstrei­ fen begleitet w e r d e n , die das ursprüngliche H a n g e n d e des aus d e r Tiefe aufge­ stauchten Tertiärs bilden. Diese Kiese bestehen aus sehr g r o b e m Wesermaterial, dem elstereiszeitliche Geschiebe b e i g e m e n g t sind. Diese früher als Präglazial b e ­ zeichneten Schichten sind das Älteste des D i l u v i u m s aus e t w a 8 0 — 1 0 0 m Tiefe und konnten mit der Basis der unteren Weser-Mittelterrasse parallelisiert w e r ­ den

(KELLER 1 9 5 1 ) .

Westlich v o n A n k u m folgen weitere T o n g r u b e n , zum Teil m i t Septarienton, aber auch mit Grünsanden und G l i m m e r t o n e n anderer Tertiärformationen. D i e g r o b e n Basisschichten des Diluviums w e r d e n zu schmalen, aber unverkennbaren Kiesstreifen, o d e r es bleibt, w i e in d e m n e u e n Bett des Dortmund-Emskanals südlich v o n Lingen, eine Steinsohle v o n faust- bis kopfgroßen nordischen G e ­ schieben der Elstergrundmoräne übrig. Dabei tritt das grobe Wesermaterial z u ­ rück. Über die ursprüngliche Tiefenlage der Basis des Diluviums b z w . die der vordiluvialen Oberfläche des Tertiärs berichteten Bohrungen i m Gebiet v o n D a m m e und i m T h i e n e r Feld (STILLE & BRINKMANN 1 9 3 0 ) und die v o m A m t für

Bo­

denforschung H a n n o v e r herausgegebene Strukturkarte. Eine w e i t e r e Anzahl v o n B o h r u n g e n durchsank Tertiärschuppen, so daß auch Anhaltspunkte für die T e x ­ turen in der Tiefe abgeleitet w e r d e n können. S o w e i t die Tonschuppen die Erdoberfläche erreichen, herrscht das steile Ein­ fallen vor. A l s Beispiel m ö g e n die Lagerungsverhältnisse der T o n g r u b e Rettberg b e i N e u e n k i r c h e n i. O. dienen (KELLER 1 9 4 0 , WAGER 1952). H i e r fällt die

Unter­

fläche der Schuppe, die gleichzeitig die B e w e g u n g s b a h n darstellt, mit 5 6 ° gegen die aus Norden k o m m e n d e Schubrichtung ein (Abb. 1). Die Schuppe besteht aus

N Sonde u. Kiese mit Basisgeröllschicht

Geschiebe •decksand steil Sande

-

gestellte u. Kiese

Diluvium

0 Abb.

Wm

1. Die Schuppe in der Rettbergschen Tongrube in den südlichen Dammer Bergen.

geschichteten Tertiärtonen und ist in sich durch weitere Schubflächen unterteilt. Diese Schubflächen sind als spiegelnde Harnische ausgebildet. Sie setzen s o m i t voraus, daß das Tonmaterial beim V o r g a n g der Aufschuppung zumindest eine steifplastische o d e r halbfeste Konsistenz gehabt hat. Die Art der Beanspruchung macht jedoch deutlich, daß keine weichplastischen oder breiigen Schichten v o r ­ gelegen haben, bei denen die Reaktion anders hätte ablaufen müssen. b) D i e T e x t u r e n In der Hauptschubbahn zwischen d e m h o c h b e w e g t e n Tertiär und dem ü b e r schobenen D i l u v i u m ist keine harnischartige A u s p r ä g u n g der Tertiärbasis fest-


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zustellen gewesen. Das liegende Sandmaterial w a r zu einer solchen A u s b i l d u n g auch nicht geeeignet. V i e l m e h r dürften die Festigkeitsverhältnisse in der ur­ sprünglichen Tertiärfolge für das A u f s t e i g e n der Schubfläche bestimmend g e ­ wesen sein. Die Abschertiefe ist daher mit d e m Tiefgang des Bodenfrostes in V e r ­ bindung gesetzt w o r d e n . Bis zu seiner T i e f e w a r der Wassergehalt bis einschließ­ lich der Bergfeuchtigkeit gefroren. D e r a r t i g e Bodenfrosttiefen v o n 1 0 0 m und mehr sind aus arktischen Gebieten vielfach beschrieben w o r d e n . Die L o s l ö s u n g der Schuppen in diesen Tiefen w u r d e offenbar durch zusagende K o n s i s t e n z b e ­ dingungen hervorgerufen, w o b e i die M i t w i r k u n g des Wassers allgemeiner und auch schon die eines g e r i n g e n Feuchtigkeitsgehaltes v o n Bedeutung g e w e s e n sein dürfte. A u s g e h e n d v o n d e m Einfallen der Schuppen übertage und unter V e r w e n d u n g des aus B o h r u n g e n zu erschließenden Einfallens lag es nahe, die Schubbahnen als oben steile und nach der Tiefe sich i m m e r flacher l e g e n d e Flächen anzusehen. Diese Auffassung ist in d e r A b b . 2 w i e d e r g e g e b e n . Eine in einer Bohrung durchsunkene Schuppe w u r d e mit der nächsten übertage ausgehenden und in der Schubrichtung liegenden parallelisiert. D i e Fortsetzung der Einzelschuppen und die noch vorhandene V e r b i n d u n g zu d e m Anstehenden w u r d e auf praktisch-geo­ logischem W e g e dadurch erschlossen, daß die in den S a n d e n zwischen den S c h u p ­ pen v o r h a n d e n e n stockwerkartigen G r u n d w a s s e r v o r k o m m e n jedes für sich h y ­ drologisch selbständig sind. Diese F o l g e r u n g trifft nicht nur für das G e b i e t bei Neuenkirchen und A n k u m im Dammer L o b u s zu, sondern auch für den R a u m bei Fürstenau und im holländischen Grenzgebiet bei Itterbeck (Kr. Neuenhaus). miMfJ

Abb.

0 100 m 2. Stauchungstyp in der Zentralzone der Rehburger Endmoräne im Südteil der Dammer Berge.

A u s diesen Unterlagen konnten T e x t u r b i l d e r abgeleitet werden, die auch spä­ ter bei der Bearbeitung der linksemsischen Gebiete durch das A m t für B o d e n ­ forschung H a n n o v e r (RICHTER, SCHNEIDER & WAGER 1 9 5 0 ) als Anknüpfung dienten ( A b b . 3 ) . In diesen durch ein bestimmtes Anteilverhältnis v o n mächtigeren T e r ­ tiärschuppen zu der diluvialen G r u n d m a s s e gekennzeichneten Bildern scheint der T e x t u r t y p u s zentraler Teile der Stauchmoräne festgehalten zu sein. N e u e r e Bohrungen, die im V o r l a n d des A n k u m e r Stauchmoränenbogens etwa 7 k m ent­ fernt niedergebracht w u r d e n , haben auf einen weiteren T e x t u r t y p aufmerksam gemacht, der offenbar durch seine Schuppenarmut gekennzeichnet ist. D o r t tritt N

Gl immer feinst sand

Diluvium

Mitteloligozän

i

o Abb.

i

Soo m

3. Zentralteil der Rehburger Stauchzone am Weißen-Berg bei Itterbeck Grafschaft Bentheim) nach Richter, W . , Schneider, Harras & Wager, R.

(Kreis


Drucktexturen in eiszeitlichen Sedimenten

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Grumfeld

S

N

m NN T+100

v i um 100

0

Tertiärton

ZOO

(Mittel-Eozän)

+ 50 • •tO .+ 50 + 100

Abb. 4. Stauchungstyp im Vorfeld des A n k u m e r Lobus (Kreis Bersenbrück).

nicht nur eine Vereinzelung der Schuppen ein, sondern die Gestalt der Schuppen scheint auch m e h r brettartig und dünner ausgebildet zu sein ( A b b . 4). Bei der Frage nach dem mechanischen V o r g a n g der A u s l ö s u n g und dem A b ­ lauf der Aufschuppung m u ß es sich nach den Texturbildern u m Schubbeanspru­ chung mit Abscherungen gehandelt haben. S i g m o i d a l g e k r ü m m t e Gleitflächen nach A r t der vorgefundenen Schubbahnen pflegen auch bei E r d d r u c k w i r k u n g e n als Ausgleichflächen aufzutreten. Doch ist hier das seitliche A u s w e i c h e n v o n e i ­ n e m benachbarten Nachsinken der belasteten Partien begleitet. D e r G l e i t v o r g a n g endet mit der Herstellung eines neuen Gleichgewichtszustandes. A b g e s e h e n d a ­ von, daß hierbei für die A u s l ö s u n g des V o r g a n g e s allein die statische D r u c k b e ­ lastung genügt und damit der Stauchungsvorgang für die T e x t u r ohne Bedeutung sein würde, sprechen aber die v o r l i e g e n d e n T e x t u r b i l d e r in b e r e d t e r Weise g e g e n eine derartige Auffassung. Stets liegen h o c h b e w e g t e Schichtkeile v o r , und es f e h ­ len solche Partien, die in K o r r e s p o n d e n z dazu an schaufelartigen V e r w e r f u n g e n hätten abgesunken sein müssen. c) D i e A b s c h e r u n g u n d

Typen dynamischer

Drucktexturen

Bei der Z u r ü c k v e r f o l g u n g der Schubbahnen nach der Tiefe (Abb. 5) ergibt sich, daß diese schließlich unter einem sehr spitzen Winkel in d e n unterlagernden Tertiärtonen enden, w o b e i der noch gegebenenfalls vorhandenen Schichtung ein gewisser Einfluß einzuräumen ist. Dieser A u s g a n g s w i n k e l ist als der Winkel der inneren R e i b u n g anzusehen, die zusammen mit d e r Kohäsion d i e Scherfestigkeit des beanspruchten Materials bestimmt. Da es sich vielfach u m typische sog. fette T o n e handelt, liegt echte K o h ä s i o n vor. D e r R e i b u n g s w i n k e l sinkt mit a b n e h ­ m e n d e r K o r n g r ö ß e und beträgt für das angetroffene Material e t w a zwischen 10 und 20°. Unter diesem W i n k e l w ü r d e infolge des v o n der Seite her w i r k e n d e n Eisdruckes auch die abgescherte Schuppe fortgeglitten sein, w e n n sich nicht mit d e m Übertritt der Scherfläche in die Sande und Kiese der R e i b u n g s w i n k e l v e r ­ ändert hätte Nach den Profilen besteht das L i e g e n d e d e r Schubbahnen meist aus M i t t e l u n d Grobsanden und auch aus Kiesen, für die R e i b u n g s w i n k e l v o n 35—40° u n d m e h r gültig sind. Da das Material gefroren w a r , dürfte aus A n a l o g i e zu festen

p

Tertiär-Ton

'100 m

Abb. 5. Die Abscherung nach den Beobachtungen in den D a m m e r Bergen. 11

Eiszeit und Gegenwart


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Gesteinen der R e i b u n g s w i n k e l noch steiler gewesen sein. D i e Steilerstellung der Schubbahnen erscheint daher als eine v o n d e m j e w e i l i g e n Material abhängige Gesetzmäßigkeit. Der einmal eingeleitete Schervorgang b o g nicht nur nach d e m Übertritt in die diluvialen Sande w e g e n des größeren Reibungswinkels ab, s o n ­ dern folgte weiter dadurch dem relativ geringsten Widerstand, daß die E r d o b e r ­ fläche unter dem nach Möglichkeit steilsten W i n k e l zu erreichen versucht w u r d e . Bei diesem V o r g a n g w u r d e die auf der abgescherten Tertiärplatte n o r m a l auf­ lagernde diluviale Schicht unter W a h r u n g der natürlichen Schichtung mit hoch­ getragen. B e m e r k e n s w e r t ist, daß dieser V o r g a n g verlief, ohne daß es zu einer weiteren Abscherung bei auffälligen Schichtwechseln innerhalb des D i l u v i u m s oder besonders zwischen d e m Tertiär und d e m Diluvium bei dessen gleichzeiti­ gem Zurückbleiben kam. Trotz der Diskontinuitätsfläche zwischen diesen beiden Formationsgliedern reagierte die gesamte Schichtfolge einheitlich als eine starre Platte, deren Stabilität u n d Verhalten nach A r t eines h o m o g e n e n K ö r p e r s n a h e ­ liegend auf die Verfestigung durch den Bodenfrost zurückgeführt w e r d e n kann. D e r vorstehenden A b b i l d u n g 5 haben Beobachtungen aus den südlichen D a m ­ mer B e r g e n zu Grunde gelegen. A n d e r e Schichtprofile müssen schon material­ mäßig zu anderen A r t e n der Stauchung geführt haben. In sehr mächtigen Sandund Kiesablagerungen, in denen die Frostbodengrenze noch innerhalb dieser Schichtfolge lag, m u ß die Scherbeanspruchung stark abweichende T e x t u r b i l d e r hervorgerufen haben. D i e Abscherung hat hier v o n vornherein mit steileren Schubbahnen entsprechend den natürlichen R e i b u n g s w i n k e l n von über 35° b e ­ gonnen. Doch fehlen hierzu Beobachtungen. Andererseits ist abzuleiten, daß A b ­ scherungen auf höher aufragenden Plateaus v o n Tertiärtonen ohne o d e r mit g e ­ ringer Diluvialauflagerung nur in F o r m flacher, unter w e n i g e n Winkelgraden a b ­ gescherter und übereinander geglittener Schichtplatten erfolgt sein können. Es liegt nahe, mit diesen letzteren V o r g ä n g e n geringmächtige und nicht aushaltende Kieslinsen v o n nordischem Material zu erklären, die, angeblich ohne Störung, in horizontal geschichteten Tertiärtonen der nördlichen D a m m e r B e r g e plan­ parallel eingeschaltet liegen. Die Frage der Materialbedingtheit in der Abschertiefe für das Z u s t a n d e k o m ­ men v o n Stauchmoränen ist schon länger gestellt w o r d e n . Teilweise hat m a n g e ­ glaubt, die Bedeutung der T o n e für die Abscherung ablehnen zu können, w e i l auch G e b i e t e ohne Tonuntergrund Stauchmoränen aufweisen. Doch dürfte in ei­ ner Hinsicht den T o n e n u n d auch noch den schwachschluffigen Tonen für die Entstehung eines besondern Stauchungstypus eine b e s t i m m t e Bedeutung z u k o m ­ men. Stauchungszonen m i t langen Schubbahnen und, b e i wiederholter Stauch­ wirkung, mit dementsprechend stärkerer Materialanhäufung besonders des auf­ lagernden Diluviums, dürften als Voraussetzung für sich v o n Tonen m i t sehr niedrigen R e i b u n g s w i n k e l n unterlagert sein. Hinzu k o m m t hierbei noch, daß der hangende Teil des Tonuntergrundes mit in der Bodenfrostzone liegt. I n w i e f e r n weitere T y p e n v o n Stauchungstexturen materialmäßig b e d i n g t sind, ist aus Stau­ chungsbildern zu ersehen, die BRINKMANN (1953) bekannt machte. D e r Vergleich dieser v o n Rügen stammenden Beobachtungen mit denen i m Hase- u n d Emsgebiet zeigt, daß eine rohe Klassifizierung d e r Texturen zunächst nach d e m Anteilsverhältnis des auf geschuppten Untergrundes an der Z u s a m m e n ­ setzung der gesamten Stauchmoräne möglich ist. A b g e s e h e n v o n den leichter zu übersehenden Querprofilen trifft dieser Unterschied auch räumlich bei e i n e m Überblick über die Mannigfaltigkeit des morphologischen Bildes an der T a g e s ­ oberfläche in Erscheinung. Doch fehlen hier meist die Tiefenaufschlüsse, die für die genauere Beurteilung erforderlich sind. Die Querprofile geben daher doch noch einen besseren Einblick. S o zeigt sich, daß sich der A n t e i l von Schuppen des


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Untergrundes in der Schuppenzone durch Ausplanimetrieren bei dem H a u p t t y p aus der Zentralregion der D a m m e r B e r g e auf 5 0 % und b e i d e m Vorstaffeltyp mit geringmächtigen Gleitbrettern auf 1 2 % beläuft. Beiden T y p e n ist gemeinsam, daß die Schuppen des Untergrundes die heutige Tagesoberfiäche durchstoßen. In gewissem, w e n n auch nicht ausschlaggebendem Sinne k ö n n e n bei derartigen Vergleichen auch die örtlich unterschiedlichen Erosionsbeträge v o n Belang sein. Aus den fehlenden hochgeschuppten T e i l e n ist in den D a m m e r Bergen, ü b e r frü­ here Feststellungen hinausgehend, abzuleiten, daß sich die A b t r a g u n g auf rd. 7 5 — 1 0 0 m beläuft. Diese A b t r a g u n g v e r l i e f offenbar in e n g e m Z u s a m m e n h a n g mit d e m Aufgleiten der Schuppen, w e i l das sich darüberlegende jüngere D i l u ­ v i u m ein schon stark ausgeglichenes Relief überdeckt. Die Texturverschiedenheit wird deutlicher, wenn die W u r z e l z o n e der S c h u p ­ pen i m Untergrund auf R ü g e n mit den Texturbildern der beiden T y p e n v o n D a m m e verglichen wird. Es ergibt sich, daß b e i Saßnitz die Masse des U n t e r g r u n ­ des mit e t w a 8 5 % weit ü b e r w i e g t . Seine b e w e g t e n Teile b i l d e n bei Sagard auch auffällige gewölbeartige B l ö c k e mit stumpfen Scheiteln, die seitlich hart anein­ anderstoßen. D i e Schubbahnen unterteufen die Blöcke nach A r t flachliegender Überschiebungen, wobei das ursprünglich H a n g e n d e invers als das Liegende auf­ tritt. Da an sich die Oberkreide wegen i h r e r oft massigen A u s b i l d u n g eine hohe innere R e i b u n g besitzt, erscheint zunächst die steile Endigung der Schubbahnen (nach BRINKMANN 4 0 — 7 0 ° ) nach der Tiefe p r i m ä r das Natürlichere zu sein, auch w e n n B o h r u n g e n an anderen Stellen auf eine regelrechte A u s w a l z u n g h i n w e i ­ sen. Diese Erscheinung k a n n durch feine Inhomogenitäten in der O b e r k r e i d e ­ schichtfolge ebenso erklärt w e r d e n w i e durch eine weiterdauernde oder noch­ malige Druckbeanspruchung. 2. a)

Das

Statische

Drucktexturen

Erscheinungsbild

der

Kernkames

Unter statischen Drucktexturen sollen solche verstanden werden, deren Z u ­ s t a n d e k o m m e n durch einen ruhenden Belastungsdruck ausgelöst wurde. Bei der A u s b i l d u n g des Texturbildes selbst haben dynamische V o r g ä n g e mitgewirkt, sie erscheinen a b e r erst als F o l g e des nach A u s g l e i c h strebenden Belastungsdruckes. Der Belastungsdruck oder die gleichbedeutende Bodenpressung wurde v o n ru­ henden Eismassen, insbesondere von b e w e g u n g s l o s g e w o r d e n e m Toteis ausgeübt. Infolgedessen finden sich die Texturen in fiuvioglazialen A b l a g e r u n g e n unmittel­ bar in der Nachbarschaft v o n Toteisrändern oder zwischen Toteisrändern in Kames, die w e g e n der in i h n e n oft enthaltenen Kerne des Untergrundes K e r n ­ kames heißen (KELLER 1952). Gleichartige T e x t u r e n werden auch bei Osern a n g e ­ troffen, die zweckmäßig ebenfalls als K e r n o s e r bezeichnet w e r d e n , weil der äl­ tere Ausdruck Aufpressungsoser — soweit er noch gültig sein kann — genetisch auch i m Z u s a m m e n h a n g mit d e m dynamischen Eisdruck genannt wurde. Bei den im folgenden zu erörternden statischen Drucktexturen handelt es sich u m Er­ scheinungen an Kernkames aus Niedersachsen und Westfalen. Die Frage, o b bei der B i l d u n g der K e r n k a m e s der aktive Strömungsdruck des Eises durch W i e d e r a k t i v i e r u n g des Toteises dominant beteiligt g e w e s e n sein kann, hat w e n i g Aussicht auf Bejahung, w e i l die Entstehung der K e r n k a m e s in einen sehr späten Abschnitt der Toteisphase einer Eiszeit fällt. Eine W i e d e r b e ­ lebung des stark reduzierten und, wie sich nachweisen läßt, des auf seiner schon im Auftauen begriffenen Unterlage auflagernden Toteises ist k a u m glaubhaft zu machen, w e n n die Ansicht nicht mit e i n e m tatsächlich erneuten geschlossenen Eisvorstoß begründet w e r d e n kann. Bei d e n hier erörterten zahlreichen Fällen li •


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Gerhard Keller

scheidet aber eine derartige Möglichkeit aus, da die A n o r d n u n g der D r u c k t e x t u ­ ren je nach d e m Verlauf des Eisrandes und der Kames überhaupt wechselt u n d irgendeine den örtlichen Pressungsauswirkungen übergeordnete Druckrichtung als Folge eines erneuten Eisvorstoßes in j e d e m Falle nicht festzustellen ist. A l s K a m e s w e r d e n die heute in Hügelrücken vorliegenden Sedimentinhalte v o n Schmelzwasserflußbetten aufgefaßt, die supraglaziär entstanden. Die relativ geringe H ö h e i m Verhältnis zur Breite b z w . der große Breiten-Höhenindex y j v o n ü b e r 20 schließt eine subglaziäre oder inglaziäre B i l d u n g wegen der b e ­ schränkten möglichen Spannweite v o n Sohlentunneln o d e r w e g e n der g e r i n g e n lichten A u s m a ß e v o n inglazialen Kanalröhren aus (KELLER 1954). Die K e r n k a m e s sind dadurch gekennzeichnet, daß sie zusätzlich aufgepreßte K e i l e aus d e m L i e ­ genden des Toteises oder des Fluvioglazials in sich tragen. D i e oft geradezu h o c h ­ gespießten K e r n e bestehen aus Geschiebelehm oder aus tonigen und schluffigen Staubeckensedimenten. A u c h ältere Sande k o m m e n hochgepreßt vor, doch b i l d e n sie dann die Haube eines tiefer steckengebliebenen Kernes aus feinklastischem Material. Bei einem Vergleich der räumlichen A n o r d n u n g zeigt sich in der K a r t e des Engelbosteler K a m e s nördlich v o n H a n n o v e r ( A b b . 6), daß die hochgepreßten K e r n e parallel zum Verlauf des K ä m e angeordnet sind. Die einzelnen K e r n e rei­ hen sich hintereinander, o h n e daß eine auf längere Entfernung durchgehende Mauer vorzuliegen braucht. Eine zweite Besonderheit gibt sich in der d o p p e l t e n Ausbildung der K e r n e zu erkennen, die unter sich zwei parallele Z ü g e bilden. D e r A b s t a n d beider Reihen ist mit 40—50 m anzugeben, doch sind auch g r ö ß e r e Abstände vorhanden. A u c h kann die eine K e r n r e i h e überhaupt fehlen. G r u n d ­ sätzlich zeigt sich aber ein Z u s a m m e n h a n g derart, daß die K e r n e nie in den I n n e n -

A b b . 6. Der Engelbosteler K ä m e nördlich von Hannover mit aufgepreßten Kernen.


Drucktexturen in eiszeitlichen Sedimenten

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z o n e n der K a m e s , die gleichzeitig die heutigen höchsten E r h e b u n g e n bilden, auf­ g e d r u n g e n sind, sondern stets seitlich auf den Hügelflanken stehen. Dieses bei kilometerweit sich fortsetzenden K a m e s deutliche Bild findet in kurzen Kamesrücken v o n o v a l e m Grundriß eine Modifizierung. Z w a r sind auch beiderseitige K e r n e hochgepreßt, doch handelt es sich hier nicht mehr u m paral­ lele Kernketten, sondern u m eine der H ü g e l f o r m entsprechende A n o r d n u n g nach d e m ovalen Grundriß. In der A b b . 7 ist ein Ausschnitt eines westfälischen K a m e s gezeigt, w o der Hügel auf seinen Flanken v o n den Kernen umstellt ist. D e r e n Richtung kann in der Horizontalen untereinader sogar bis zu 90° abweichen, w e n n der K e r n am umlaufenden Ende eines einzelnen Kamesgliedes aufdrang. D i e alte Außenrichtung wird dann w i e d e r aufgenommen, w i e i m südlichen Teil des Hügels an einem hochgepreßten Keil und weiterhin an einer hochgestoßenen schmalen isoklinalen Sattelbildung der unterlagernden Feinsande erkennbar ist (KELLER 1951).

Das aus den allgemeinen u n d den speziellen Phänomenen abzuleitende Bild führt zu der Frage, ob in der engen räumlichen Verknüpfung der Hügelflanken mit der Örtlichkeit des A u f d r i n g e n s der K e r n e auch ein genetischer Z u s a m m e n ­ h a n g gesehen w e r d e n darf. Da die K a m e s die Sedimentinhalte v o n Flußbetten im Toteis sind, so sind ihre abfallenden Hügelflanken ehemals die flachen Uferstrei­ fen auf d e m Toteisuntergrund u n d schließlich die seitlichen Enden der K a m e s die Eisufer selbst. Infolge der Erosion des strömenden Wassers, die durch die m i t ­ geführten meist groben Sande u n d Kiese stark gefördert w u r d e , dürften diese Ufer Steilufer g e w e s e n sein. Das flächenhafte A b t a u e n und Verdunsten der Eiscberfläche b l i e b jedenfalls g e g e n ü b e r der linear angreifenden Tiefenerosion z u ­ rück, so daß die Kamesflusse zwischen Eiswänden dahin strömten. Bei der Ein­ o r d n u n g der hochgepreßten K e r n e in dieses genetische Bild finden sich diese

A b b . 7. Die Kiesgruben Hoberg-Nord und Hoberg-Süd bei Laggenbeck in Westfalen mit aufgepreßten Kernen.


Gerhard Keller

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außerhalb des eigentlichen Strombettes mit d e m tieferen Wasser oder außerhalb des T a l w e g e s mit der heute größeren Sedimentmächtigkeit, sind ufernah u n d b e ­ gleiten stets marginal die aufsteigenden Eisränder. b)

Kerntypen

und

Belastungsfragen

Die einzelnen Sedimentkeile sind meist 5—10 m weit zu verfolgen. Ihre Dicke überschreitet selten 5 m, meist w e r d e n Dicken v o n 2—4 m angetroffen. A u c h schmale, nur einige Dezimeter mächtige K e r n e k o m m e n v o r , die den Eindruck senkrecht stehender Bretter erwecken. Das Einfallen ist auch sonst meist steil. Verschiedene T y p e n v o n K e r n e n sind in der A b b . 8 zusammengestellt. N e b e n der schneidenartigen Endung a m oberen Ende treten auch Ausfransungen auf. D i e A u f ­ wärtsbewegung w i r d dadurch deutlich, daß die mehr o d e r weniger flach liegenden oder schräg nach außen geneigten Schichten an den K e i l e n aufgebogen, m i t g e ­ schleppt und bis zur Steilstellung aufgerichtet sind. Die K e i l e spießen durch die fiuvioglazialen Sande und K i e s e hindurch. Materialmäßig bestehen sie meist aus Geschiebelehm. Daneben k o m m e n auch in sich noch feingeschichtete, w e n n auch in der Schichtung v e r b o g e n e Schluffe und Mehlsande als Staubeckenabsätze v o r . Neben den B e w e g u n g s b i l d e r n ist auch aus der petrographischen Beschaffenheit der aufgedrungenen K e i l e auf H o c h b e w e g u n g aus d e m Liegenden des Toteises zu schließen. S o finden sich hochgepreßte K e i l e der G r u n d m o r ä n e einer v o r a n g e ­ gangenen Eiszeit aus einer Tiefe v o n 5—15 m, während sich der zu d e m Toteis gehörende jüngere Geschiebelehm als fazielle Vertretung des Fluvioglazials aus diesem etwa i m Niveau der heutigen Geländeoberfläche nach der Seite hin ent­ wickelt (KELLER 1954). Die H o c h b e w e g u n g hinterließ b e s o n d e r e texturelle Spuren. s


Drucktexturen in eiszeitlichen Sedimenten

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Die Geschiebelehme sind in der Schubrichtung schieferartig durchbewegt, so daß es nicht fehl am Platze ist, v o n e i n e m „gneisartigen" Habitus der aufgepreßten Geschiebelehme zu sprechen. Die gneisartige T e x t u r verläuft parallel zu den seit­ lichen Begrenzungen der plattenartig aufgerichteten Keile. Sie weist heute der Verwitterung den W e g , durch welche sich die Geschiebelehmkeile b e i beginnen­ dem Zerfall zunächst in dünne Platten auflösen. Da die enge räumliche und genetische V e r k n ü p f u n g der aufgepreßten Keile mit den seichteren Uferstellen der Kamesflüsse b z w . mit den Rändern des T o t ­ eises offenkundig ist, erhebt sich die Frage nach der A r t und d e m Ablauf des AufpressungsVorganges. Die wesentliche Rolle hat dabei die Masse des Toteises gebildet, das seinen Untergrund belastete. D e m Auflagerungsgebiet des Toteises gegenüber finden sich die Kamesbetten als Streifen geringerer Pressung des z w i ­ schen den Toteiswänden hindurchlaufenden gemeinsamen Untergrundes. Die Druckdifferenz begann schon in e i n e m sehr frühen Stadium der Toteisbildung, als sich die Rinnsale und Bäche auf der Toteisoberfläche einzuschneiden anfingen. Aus der schon allgemein gültigen Leistungsdifferenz zwischen der Tiefenerosion gegenüber der Flächenerosion m u ß t e unter den besonderen Verhältnissen des Eises als Substrat die Tiefenerosion mit ständig wachsendem V o r s p r u n g v o r ­ aneilen. Es erscheint in diesem Z u s a m m e n h a n g naheliegend, w e n n bei den Betten der Kamesflüsse teilweise auch an canonartige Erosionsschluchten gedacht wurde. Diese Auffassung berührt sich eng mit der Frage nach den Toteismächtigkeiten. Bei B e g i n n der Auflösung des b e w e g t e n Inlandeises in einzelne Toteisareale ent­ sprach sich zunächst die Eismächtigkeit aus der Z e i t v o r und nach d e m Zerfall. Dann begann der Abschmelzprozeß. W e n n auch schon früher Vorstellungen über die Mächtigkeit des Inlandeises abgeleitet wurden, so sind doch erst in jüngerer Zeit durch bodenphysikalische Untersuchungen genauere Zahlen bekannt g e ­ w o r d e n . Für das Gebiet v o n B r e m e r h a v e n konnte aus der Vorbelastung des Lauenburger Tones der Eisdruck m i t 4 1 k g / c m ermittelt werden. Hieraus ist nach KÖGLER-SCHEIDIG 1 9 4 8 auf eine Eismächtigkeit (Saale-Eiszeit) v o n 4 5 0 m geschlossen worden. 2

W e i t e r e Ergebnisse hat DÜCKER 1 9 5 1 erzielen k ö n n e n und bestimmte im H a m ­ burger Stadtgebiet Eismächtigkeiten v o n 3 5 0 m bei e i n e m Druck v o n 3 2 k g / c m . V o n geringeren weichseleiszeitlichen Eismächtigkeiten berichtete außer DÜCKER auch GRIPP 1947. S o w e i t die v o r l i e g e n d e n Zahlen aus der Vorbelastung abgeleitet sind, gehen alle diese Berechnungen v o n der A n n a h m e aus, daß das R a u m g e w i c h t des Inlandeises b z w . des Toteises d e m des gewöhnlichen Eises v o n 0,9 entsprochen haben soll Diese A n n a h m e dürfte nach Schilderungen über isländisches und g r ö n ­ ländisches Inlandeis n u r z. T. gültig sein. Bei dem W e r t ist offensichtlich die im Inlandeis mit enthaltene Gesteinsmenge unberücksichtigt geblieben. Diese m u ß schon ursprünglich das R a u m g e w i c h t des Toteises erhöht haben, das während des A b t a u e n s ständig g r ö ß e r w u r d e . Nach Beispielen v o n Island dürfte der Rest des Toteises nur noch aus e i n e m verfestigten Gesteinsmaterial zusammengesetzt g e ­ w e s e n sein, dessen Z e m e n t aus Eis bestand. V o n e i n e m wassergesättigten SandKiesgemisch ausgehend beträgt dann sein R a u m g e w i c h t in gefrorenem Z u ­ stand 2,15. 2

c)

Der

M e c h a n i s m u s ' de r

Kernaufpressung

Da sich das R a u m g e w i c h t eines wassergesättigten und dann gefrorenen G e ­ schiebelehms auch auf rd. 2,1 beläuft, liegen die G r e n z w e r t e für das Gewicht des Toteises fest. Das arithmetische Mittel beider W e r t e mit 1,5 kann daher mit g e ­ wisser Berechtigung als zutreffend angesehen w e r d e n Die früher ermittelte


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Gerhard Keller

Mächtigkeit v o n 450 m w ü r d e sich unter Beibehaltung des gleichen Bodendruckes von 41 k g / c m auf 270 m erniedrigen. Da die prozentual anwachsende Gesteins­ fracht des Toteises sich im letzten Abtaustadium zwischen dem Mittelwert und Höchstwert b e w e g t , kann dann auf Raumgewichte v o n 1,5—2,1 geschlossen w e r ­ den. Ein in dieses Intervall fallender W e r t v o n 1,8 konnte dadurch ermittelt w e r ­ den, daß für den letzten Teil der Toteisphase v o n einer Mischung v o n Sand-Kies, Geschiebelehm und reinem Eis zu gleichen Teilen ausgegangen w u r d e . Diese Zahl w u r d e auch für die nachfolgende Berechnung der Bodenpressung u n t e r einigen Z e h n e r n v o n Metern mächtigen Toteisplatten verwendet. Der an sich unter b e ­ stimmten Voraussetzungen z. T. m ö g l i c h e Auftrieb konnte bei diesen R a u m g e ­ wichtsbestimmungen unberücksichtigt bleiben. 2

Schichtmächlig kell über dem Liegenden

Belastungsdruck auf dem Liegen den

Überdruck Bezug: Fluvio glazialoberflä at

C/l*

Abb. 9. Die Entstehungsbedingungen für Kernkames mit Darstellung der Druckverhältnisse.

Für die Berechnung der Druckverhältnisse ist ein Querschnitt durch einen K ä m e aus dem Gebiet nördlich v o n H a n n o v e r zu G r u n d e gelegt w o r d e n (Abb. 9). Ein Kamefluß v o n 140 m Breite ist zwischen 50—60 m hohen Toteiswänden ein­ getieft. Das Toteis greift unter das mit Sand und K i e s ausgefüllte Flußbett. Die Mächtigkeit der fiuvioglazialen Ausfüllung beträgt maximal 10 m. Toteis und Kamesflußbett haben einen gemeinsamen Untergrund, der aus älterem Geschiebe­ lehm besteht. Das Erosionsbild zeigt den Zustand, daß das Toteis unter d e m Fluß­ bett selbst schon erodiert ist. Der Schnitt stellt Verhältnisse innerhalb des Toteis­ gebietes dar. Die Grenze des Toteises gegen das eisfreie Vorland ist mindestens


169

Drucktexturen in eiszeitlichen Sedimenten

10—20 k m entfernt. Nach dort verringert sich die Mächtigkeit des Toteises. Z u r K l ä r u n g der grundsätzlichen Beziehungen zwischen d e m Toteis und d e m Kamesbett ist eine bestimmte Toteismächtigkeit nicht erforderlich, so daß die obige Mächtigkeitsannahme als Beispiel beibehalten w e r d e n kann. A u s den Mächtigkeiten und den R a u m g e w i c h t e n des Toteises und der K a m e s sedimente sind die auf den gemeinsamen Untergrund ausgeübten Bodendrucke berechnet worden. Die Druckverteilung ist entsprechend dem sog. Normalfall mit 45° a n g e n o m m e n . D i e unter der Toteismasse relativ gleichmäßigen und h ö ­ heren Drucke v o n 9—10 k g / c m fallen m i t A n n ä h e r u n g an die K a m e r i n n e lang­ samer u n d dann plötzlich v o n etwa 6,5 k g / c m auf einen W e r t v o n 2,0 k g / c m ab. Im Bereich der fiuvioglazialen A b l a g e r u n g e n w i r k e n w i e d e r etwas h ö h e r e Drucke, die der Mächtigkeit der Sand- und Kiesschicht entsprechen. Nach d e r Stelle des Stromstriches und j e nach der wechselnden Tiefe des Talweges sind die v o n der Füllung auf den Untergrund ausgeübten B o d e n d r u c k e 2,2 k g / c m groß. In der zu­ geordneten Druckkurve ( A b b . 9, Mitte) sind die an den verschiedenen Punkten des Querschnittes auf die Unterlage w i r k e n d e n Bodenpressungen besonders dargestellt. 2

2

2

2

Die A u s w e r t u n g des Belastungsprofiles ergibt, daß die in der Erosionsrinne des K ä m e auftretenden Drucke nur teilweise kompensiert werden. W ä h r e n d in d e m fiuvioglazialen Flußbett die örtliche Belastung durch die Füllung nicht mehr unter d e m Einfluß der Belastung durch das Toteis steht, k o m m t diese am Rande eines mit 45° nach d e m Flußbett zu abfallenden Druckkegels noch v o l l zur A u s ­ w i r k u n g . Infolgedessen resultiert hier d e r Neigung des Druckkegels entsprechend in e i n e m Streifen v o n einigen Metern A b s t a n d v o m aufsteigenden Eisrand ein beachtlicher Überdruck. Da dieser auf der Sohle des Kamebettes w i r k e n d e Über­ druck durch die Sedimentfolge teilweise ausgeglichen wird, w u r d e als B e z u g s n i v e a u die Oberfläche der Sedimentfüllung v e r w e n d e t . In der A b b . 9 (unten) ist dementsprechend der tatsächlich zur A u s w i r k u n g k o m m e n d e Überdruck als K u r v e dargestellt. Das Ergebnis besagt eindeutig, daß das M a x i m u m des Ü b e r ­ druckes (für diesen Fall v o n 4,5 atü) m i t den Stellen zusammenfällt, w o die Kerne aus d e m Liegenden durchspießen. Dieses Ergebnis w u r d e auf Grund eines tatsächlich vorliegenden Texturbildes g e w o n n e n . Bestimmte zur Durchführung des Gedankenganges erforderliche d e ­ duktive Schlüsse ließen sowohl die a n g e n o m m e n e Toteismächtigkeit und sein R a u m g e w i c h t als d e n Tatsachen entsprechend erscheinen. Gesetzt den Fall, daß beide W e r t e höher o d e r niedriger g e w e s e n sind, so ergibt sich, besonders auch für die Frage geringeren Druckes, daß stets i m Gefolge des unterschiedlichen A b t a u und Erosionsvorganges ein Überdruck an der kausal vorbestimmten Schwäche­ stelle aufgetreten ist. Das generelle B i l d bleibt damit v o n der absoluten Höhe der w i r k s a m g e w o r d e n e n Bodenpressung unberührt und erlaubt sogar in der Frage der Konsistenz des hochgepreßten K e i l e s b z w . der benutzten Gleitbahn im L i e ­ genden noch bestimmte grundsätzliche A n g a b e n . D a d e m im Schichtverband herausgepreßten K e i l v o n bekannter Mächtigkeit ein gleichstarker Massenschwund unter d e m Toteisrand entspricht und die da­ durch hervorgerufene Setzung als Z a h l bekannt ist, läßt sich für die Konsistenz der Sedimente unter d e m Toteisrand aus der gesetzmäßigen Beziehung v o n B o ­ denpressung, Steifewert und Setzung der unbekannte Steifewert bestimmen. Danach haben die Schichten unter d e m Eisrand die Konsistenz v o n e t w a weich­ plastischen Tonen gehabt. Dieser Z u s t a n d dürfte erst in einer späteren A b t a u ­ phase des Toteises eingetreten sein, als der v o m Kamefluß ausgehende A b t a u ­ prozeß des Frostbodens randlich schon unter den Toteiskörper greifen konnte.


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Gerhard Keller

Zusammenfassung a) D y n a m i s c h e

Drucktexturen

I m Stauchmoränenzug des R e h b u r g e r Stadiums liegen als Beispiele aus d e m Gebiet der D a m m e r B e r g e v o m lateralen Eisdruck erzeugte A b s c h e r u n g e n aus 50—100 m Tiefe vor, w o unterhalb der Frostbodengrenze noch die natürlichen Konsistenzbedingungen vorhanden waren. In diesen Tiefen werden tertiäre Tone, Schluffe und feine Grünsande angetroffen, die v o n hier auf sigmoidal nach oben g e k r ü m m t e n Gleitbahnen als Schuppen aufgepreßt w u r d e n . In der heutigen Stauchungszone bilden die Schuppen z. T. infolge nachträg­ licher Erosion an der Tagesoberfläche Streifen. Das ursprüngliche H a n g e n d e der abgescherten Schuppen verblieb als erstarrter Frostkörper in seinem ursprüng­ lichen Schichtverband, so daß es mit hochgetragen w u r d e . Da in i h m w i e d e r standsfähigere Schichtglieder in Gestalt v o n G r o b s a n d e n und Kiesen eingeschal­ tet sind, treten diese i m Oberflächenrelief als langgestreckte Härtlinge hervor. W e n n auch eine direkte B e z i e h u n g zwischen tonigen A b l a g e r u n g e n und d e m Z u s t a n d e k o m m e n v o n Abscherungen nicht v o r z u l e g e n braucht, so begünstigen die geringen Scherfestigkeiten infolge der geringen Kohäsion und des niedrigen Winkels der inneren Reibung bei T o n e n die A u s b i l d u n g anfänglich sehr flacher Schubbahnen und damit den Materialtransport auf größtmögliche Entfernung. W i e d e r h o l t e Aufschuppungen führen daher zu einer Konzentration v o n Schup­ pen, die das heutige innere-texturelle und das landschaftlich-morphologische Erscheinungsbild bestimmen. b) S t a t i s c h e

Drucktexturen

In Westfalen und Niedersachsen w u r d e n K e r n k a m e s bekannt, deren fluvioglaziale Sande und K i e s e v o n hochgestoßenen Schichtkeilen des älteren diluvialen Untergrundes randlich durchbrochen w e r d e n . Die hochgetriebenen K e i l e folgen d e m Verlauf der K a m e s und machen auch deren Schwenkurngen in der Streich­ richtung mit. Sie sind einseitig als Einzelkerne oder als Doppelkerne auf beiden Hügelflanken angeordnet. I m G r u n d r i ß erscheinen sie als aneinandergereihte langgezogene Schichtkeile bis zu einigen Zehnern v o n Metern Länge. Ihre Stärke erreicht meistens nur w e n i g e Meter, u n d das Einfallen ist größtenteils steil. Die v o n statten gegangene H o c h b e w e g u n g w i r d zunächst stratigraphischpetrographisch dadurch offenkundig, daß Geschiebelehm aus einer v o r a n g e g a n ­ genen Eiszeit oder ältere Staubeckenschluffe und -Feinsande hochgepreßt sind und als K e r n e in den fiuvioglazialen Sedimenten jüngeren Alters stecken. In textureller Beziehung zeigt sich die Aufpressung in der Mitschleppung der b e ­ nachbarten, ehemals mehr oder w e n i g e r horizontal liegenden Kamesschichten. Schließlich sind auch in den K e r n e n B e w e g u n g s t e x t u r e n nach A r t v o n Durchschieferungen deutlich, die bei Geschiebelehmen auftreten und parallel zu den beiden Seitenbegrenzungen der K e r n e orientiert sind. Da die K a m e s als Flußbetten zwischen höheren Toteisflächen aufgefaßt w e r ­ den, erscheinen die in Einzel- und D o p p e l f o r m aufgepreßten K e r n e marginal zu den beiden Toteisrändern angeordnet. Diese räumliche Beziehung führt zu gene­ tischen Zusammenhängen. Die s o w o h l randlich z u m K ä m e als auch randlich z u m Toteis erfolgte Aufpressung der K e r n e beschränkt sich auf einen ufernahen schmalen Streifen v o r den aufsteigenden Eisrändern, w o infolge der differenzier­ ten Bodenpressungen auf dem älteren Untergrund an der Sohle des Toteises Überdruck herrscht. A n diesen Stellen fanden die aufgepreßten K e i l e ihren W e g nach oben. Auslösung und Ablauf des Hochgleitens w u r d e n durch die geänderten Konsistenzbedingungen des bereits i m Auftauen begriffenen Substrates unter den Toteisrändern mit hervorgerufen u n d begünstigt.


Drucktexturen in eiszeitlichen Sedimenten

Angeführtes

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Schrifttum

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99, S.

190-205. 1947.

KELLER, G.: Untersuchungen über die strukturellen und geohydrologischen Verhältnisse in den südlichen Dammer Bergen. - Z . f. prakt. Geol. 48, S. 1 4 7 - 1 5 3 . Halle 1 9 4 0 . - - Der stratigraphische Aufbau des Diluviums im nördlichen Vorland der Osnabrücker Mittelgebirgsschwelle. - Neues Jahrb. f. Geol. u. Paläont., S. 1 6 1 - 1 6 9 , Stuttgart 1 9 5 1 . - - K a m e s am Fuße des Schafberges bei Ibben­ büren. - Neues Jahrb. f. Geol. u. Paläont., S. 1 - 9 , Stuttgart 1 9 5 1 . - - Die B e ­ ziehung des Rehburger Stadiums südlich A n k u m (Kreis Bersenbrück) zur saaleeiszeitlichen Grundmoräne. - Eiszeitalter und Gegenwart 3 , S. 5 8 - 6 4 . Öhringen 1 9 5 3 . - - Das Fluvioglazial bei Engelbostel und Frielingen nördlich von Hannover. - Geol. Jahrb., Hannover; erscheint 1 9 5 4 . - - Beitrag zur Frage Oser und Kames. - Eiszeitalter und Gegenwart 2, S. 1 2 7 - 1 3 2 , Öhringen 1 9 5 2 . KÖGLER, F. & SCHEIDIG, A . : Baugrund und Bauwerk, Berlin 1 9 4 8 . RICHTER, W., SCHNEIDER, Harras & WAGER, R . : Die saaleeiszeitliche Stauchzone von Itter­ beck-Uelsen (Grafschaft Bentheim). Z . deutsch, geol. Ges. 102, S. 6 0 - 7 4 . Stuttgart 1 9 5 0 . SPETHMANN, H . : Glaziale Stillstandslagen im Gebiet der mittleren Weser. - Mitt. geogr. Ges. Lübeck, 2 . Reihe, H. 2 2 , S. 1 - 1 7 . Lübeck 1 9 0 8 . STILLE, H. & BRINKMANN, R.: Der Untergrund des südlichen Oldenburg und der Nachbar­ gebiete. - A b h . preuß. geol. L A . , N F . 116, S. 7 5 - 1 1 2 . Berlin 1 9 3 0 . WAGER, R.: Saleeiszeitliche Stauchzone der D a m m e r Berge. - Geol. Exkursionsführer für Osnabrück, S. 5 9 - 5 9 . Osnabrück (Meanders & Elstermann) 1 9 5 3 . WOLDSTEDT, P.: Über einen wichtigen Endmoränenzug in Nordwestdeutschland. - Jber. niedersächs. geol. Verein 21, S. 1 0 - 1 7 . Hanover 1 9 2 8 . Manuskr. eingeg. 7. 6. 1 9 5 4 . Anschrift des Verf.: Prof. Dr. G. Keller, Ibbenbüren, Gartenstraße 3 6 .


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