Kapitel 2
Geschaffen für eine innige Beziehung Jeder mag eine schöne Liebesgeschichte. Viele Filme, Bestsellerromane und Artikel drehen sich um die Liebe. Das liegt daran, dass wir als Wesen erschaffen wurden, die andere lieben und Liebe empfangen möchten. Wir brauchen enge Gemeinschaft. Jedoch haben viele Menschen mehr Erfahrung mit fehlender Gemeinschaft. Dieses Gefühl von Einsamkeit und Isolation ganz tief im Inneren unserer Seele ist ein von Gott gemachtes Loch, das jeder Mensch kennt und das danach schreit, gefüllt zu werden; es ist die Sehnsucht nach inniger Gemeinschaft. Seit frühster Kindheit versuchen wir dieses Vakuum zu füllen – wir hungern nach sozialer Nähe, Wärme und Zuneigung; wir möchten für jemanden wichtig sein, sehnen uns nach echtem Interesse und dass sich jemand um uns kümmert, dass jemand uns durch und durch kennt und trotzdem liebt. Aber selbst in den harmonischsten Familien und intimsten zwischenmenschlichen Beziehungen können wir diese Sehnsucht höchstens etwas lindern; ein anderer Mensch kann diese Leere niemals ausfüllen. Weil nämlich der Gott, der dieses Loch in unseren Herzen schuf, der Einzige ist, der es füllen kann. In der 38
Schrift lernen wir einen Gott kennen, der uns entgegenkommt, uns zu sich zieht, uns ganz genau kennt, eine große Leidenschaft für uns empfindet und uns einlädt, ihn ebenso kennenzulernen. Auf den ersten Seiten des 1. Buchs Mose wird uns dieser Gott vorgestellt, der eine Beziehung zu den ersten Menschen aufbaut. Von allen geschaffenen Wesen ist der Mensch der Einzige, der in sder Lage ist, solch eine Beziehung zu erwidern, zurückzulieben, Gott zu erkennen und die Gemeinschaft mit ihm zu genießen. Aber die Geschichte hat kaum begonnen, da lehnt der Mensch Gottes Angebot bereits ab, und die innige Gemeinschaft wird zerstört. Gott handelt sofort und setzt einen Plan in Gang, an dessen Ende die von ihm abgewandten Menschen wieder die gleiche Vertrautheit mit ihm genießen dürfen. Wie sieht das Ende dieses Planes konkret aus? Wenn wir die letzten Seiten der Offenbarung aufschlagen, sehen wir die ultimative Erfüllung seiner ewigen Absichten. Der Himmel ist mit Menschen bevölkert, deren Herzen sich von Gottes leidenschaftlichem Werben haben gewinnen lassen und die die Ewigkeit in einer innigen Liebesbeziehung mit ihrem Schöpfer verbringen werden. Sie sehen also, vom Anfang bis zum Ende ist das Wort Gottes eine herrliche Liebesgeschichte. Und, man höre und staune, in dieser Geschichte treten sowohl Sie als auch ich auf. Ob Sie wie ich in einem christlichen Umfeld aufgewachsen sind oder auch nicht, ob Sie einen gesellschaftlich angesehenen Hintergrund haben oder auch nicht, ob Sie sich gut in der Bibel auskennen oder dieses Buch erst neulich zum ersten Mal in der Hand gehalten haben – in dieser Liebesgeschichte ist Platz für Sie. Viele der Männer und Frauen der Bibel veranschaulichen, was es heißt, von Gott geliebt zu werden und auf 39
sein göttliches Liebeswerben mit froher Verwunderung, Anbetung und freudiger Selbstaufgabe zu reagieren. Wer von den tiefen Quellen dieser göttlichen Liebe getrunken hatte, wollte in seiner Gegenwart verharren. In ungebrochener Einheit und Gemeinschaft mit ihm leben zu dürfen wurde zum höchsten Lebensziel und Privileg. Das Vorbild dieser biblischen Personen ruft in uns das Verlangen nach einer Intimität mit unserem liebenden Schöpfer hervor, das das Vakuum in unseren Herzen ausfüllt.
Adam und Eva: allein mit ihrem Schöpfer Adam und Eva waren die ersten Wesen der Schöpfung Gottes, die diese faszinierende Einheit erfahren durften. Nirgends lesen wir, dass Gott Gemeinschaft mit Bäumen, Fischen oder dem Meer pflegte. Nirgends sehen wir, dass Gott mit einem Teil der untergeordneten Schöpfung eine Beziehung aufbaute – nur mit dem Menschen, der in Gottes eigenem Bild erschaffen war. Nur Adam und Eva gegenüber offenbarte sich Gott, seinen Charakter, seine Wünsche, seine Pläne. Das Paar reagierte auf diese göttliche Einladung mit Ehrfurcht, Liebe und Gehorsam. Die beiden kannten keine Angst, denn die Liebe zwischen Gott und seinen Geschöpfen war perfekt. Sie kannten keine Scham, denn der Mann und seine Frau wollten den Willen Gottes gerne kennenlernen und erfüllen. Sie freuten sich über die Gegenwart und Stimme Gottes. Die Gemeinschaft mit ihm war der Grund ihrer Existenz. Vielleicht haben Sie selbst schon eine ähnliche Beziehung zu Gott erlebt. Sie waren der Empfänger seiner unglaublichen Liebe und Segnungen; Sie wissen, was es heißt, mit ihm zu gehen, auf sein Wort zu hören und aus einem erfüllten Herzen anzubeten. 40
Wissen Sie auch, wie es ist, diese Form der Intimität zu verlieren? Wissen Sie, wie es ist, wenn man eine Entscheidung getroffen hat, die dort Distanz schafft, wo vorher Nähe gewesen war, Angst, wo vorher Vertrauen herrschte und Scham, wo vorher Freiheit regierte? Dieser Augenblick, in dem der erste Mann und die erste Frau ihre eigene Unabhängigkeitserklärung unterzeichneten, war allesentscheidend. Sie entschlossen sich, das Wort der Schlange höher zu achten als das Wort Gottes. Sie handelten unabhängig von Gott und wurden von Gott getrennt. Als sie hörten, wie Gott am frühen Morgen durch den Garten auf sie zukam, wurden sie von Angst erfüllt und konnten es nicht ertragen, ihm zu begegnen – oder sich gegenseitig. Stattdessen verhüllten sie ihre nackten Körper und versuchten, sich vor Gott zu verstecken. Als eine von Evas Töchtern kennen wir alle dieses schreckliche Schamgefühl und die Angst, die uns vor Gott weglaufen lässt, weil wir wissen, dass wir die einzig wahre Liebe, die wir jemals erlebt haben, mit Füßen getreten haben. In diesem dunklen Augenblick kommt es uns vor, als hätten wir Gottes Liebe fortgeworfen und würden sie niemals wieder erleben dürfen. Aber sogar in diesem beschämenden Moment der Trennung im Garten gab es Hoffnung, denn der ewig liebende Gott ergriff die Initiative zur Wiederherstellung der Beziehung. Sanft und voller Liebe bekleidete er die Menschen mit Tierfellen und setzte eine Ereigniskette in Gang, durch die die Menschen letztlich wieder mit ihm vereint werden sollten. Und während all dieser Zeit hörte Gott niemals auf zu lieben, zu kommunizieren, zu suchen und einzuladen. So wie er ebenso niemals aufhört, Sie und mich zu lieben und zu suchen.
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Abraham: Freund Gottes Einige Jahrhunderte später offenbarte sich Gott einem anderen Menschen. Dies war Teil seines großen, ewigen Planes. Ich habe mir oft versucht vorzustellen, wie Abraham sich gefühlt haben muss, als er das erste Mal die Stimme Gottes vernahm. Abraham suchte gar nicht nach Gott – er wusste noch nicht einmal, dass es Gott überhaupt gab. Er war in einer heidnischen Kultur aufgewachsen, in der es keinen einzigen Menschen gab, der an Gott glaubte. Es gab keine anderen Gläubigen, keine Bibeln, Liederbücher, Gemeinden, Sonntagsschule, Predigten – und vom Himmel nur ohrenbetäubende Stille. Aber eines Tages durchbrach Gott diese Stille. Er stellte sich Abraham vor und versprach einige unglaubliche Dinge. Abraham hörte die Stimme Gottes. Und Abraham glaubte Gott. Als niemand anderes zuhörte, als niemand anderes glaubte, wurde Abraham die Gnade geschenkt, Gottes Einladung anzunehmen. Die Lebensgeschichte Abrahams handelt von einem Mann, der auf die Stimme Gottes hörte und dem Gottes Geheimnisse, Pläne und Willen offenbart wurden. Es ist die Geschichte eines Mannes, der auf die Stimme eines Liebenden in Anbetung, Glauben, Liebe und Gehorsam reagierte. Die in Sichem, Bethel, Hebron und auf dem Berg Morija errichteten Altäre sind Stufen auf dem Weg dieses „Freundes Gottes“ – eines Mannes, der mit Gott in inniger Gemeinschaft lebte. Es gab Momente, in denen Abrahams Glaube wankte. Er tat sogar mehrfach so, als würde er Gott überhaupt nicht kennen. Aber Gottes Liebe hing nicht von Abrahams Leistung ab. Sogar als Abraham sich wie ein Heide verhielt, warb Gott mit großer Leidenschaft und ohne Unterlass um ihn. Wie auch schon um Adam und Eva. Wie auch um Sie und um mich. 42