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Persönlich. Echt. Lebensnah. D 12013 ISSN 0939-138X
2/2016 sfr 5,60 3,60 (A)
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JAHRE LYDIA
USCHI GLAS
MONICA MASI
Ich heiratete meinen Ex-Mann
ADOPTION
Die Sehnsucht bleibt Mihamm Kim-Rauchholz
Weniger Perfektionismus, mehr Gnade
Frühstück für Schulkinder SÜDAFRIKA
Leben unter Gangstern
Selbst wenn niemand mich plante: Gott hat mich gewollt.
Ich bin ein Kind des Kรถnigs,
dem Himmel und Erde gehรถren.
RUTH HEIL
Ganz persönlich Ellen Nieswiodek-Martin
„Wenn du die ganze Zeit herumwirbelst, verpasst du die Begegnung mit mir.“
Abschied vom Perfektionismus Ich gebe es ungern zu, aber ich bin perfektionistisch. Ich habe konkrete Vorstellungen, wie ich die Dinge haben möchte. Wie ich sein sollte als Mutter, als Redakteurin, als Christin. Ich versuche, meinen inneren Maßstäben zu entsprechen. Und scheitere immer wieder. Aus Gesprächen weiß ich, dass ich damit nicht alleine bin, sondern dass viele Frauen mit Perfektionismus kämpfen. Dieses perfektionistische Denken hat seinen Ursprung oft in der Kindheit. In der Schule haben wir gelernt, dass diejenigen die meiste Anerkennung bekommen, die gute Leistungen bringen. Und oft setzen wir unsere Leistungen mit unserem persönlichen Wert gleich. Dazu kommen die Einflüsse der Medien und gesellschaftliche Normen. Da tappen Perfektionisten schnell in die Falle: Das Zuhause soll aussehen wie bei „Schöner Wohnen“. Natürlich kaufen wir Bio-Produkte und kochen alles selbst. Im Beruf wollen wir Höchstleistung bringen. Und bei all dem möchten wir natürlich gut aussehen. Die Wahrheit ist: Das schaffen wir nicht – schon gar nicht in allen Bereichen. Wir möchten aber gerne, dass es nach außen so wirkt. Also tun wir so, als ob. Als Jesus zu Besuch bei den Schwestern Maria und Marta ist, beschwert Marta sich, dass sie die ganze Arbeit in der Küche allein machen muss. Maria hat sich derweil zu Jesus gesetzt. Jesus antwortet Marta: „Marta, Marta, du bist um so vieles besorgt und machst dir so viel Mühe. Nur eines aber ist wirklich wichtig und gut! Maria hat sich für dieses eine entschieden, und das kann ihr niemand mehr nehmen“ (Lukas 10,41–42).
Mit dieser Stelle habe ich lange gehadert. Immerhin ist Jesus mit zwölf Männern zu Besuch gekommen, die alle etwas essen wollen. Das wäre für mich auf jeden Fall ein Grund, gestresst zu sein! Und was sagt Jesus? Er spricht offen an, dass Marta sich zu viele Sorgen macht, dass sie falsche Prioritäten setzt. Sinngemäß sagt er: „Wenn du die ganze Zeit herumwirbelst, verpasst du die Begegnung mit mir.“ Maria hat sich zu Jesus gesetzt und ihm zugehört. Marta hat sich abgehetzt, war unglücklich und selbstmitleidig. Es hätte ihr sicher gutgetan, sich Zeit für Jesus zu nehmen. Und Marta scheint sich seine Worte zu Herzen zu nehmen. Die Bibel beschreibt an weiteren Stellen, dass Jesus noch mehrmals im Haus der Schwestern einkehrt. Bei der nächsten Begegnung ist es Marta, die Jesus zuerst entgegenläuft ( Johannes 11,20). Seitdem frage ich mich, wenn ich mich abhetze: Welche inneren Antreiber bestimmen mich gerade? Welchen Maßstäben will ich genügen? Das verändert viel. Aber es gelingt nicht immer, sondern ist ein Umdenkprozess, der immer wieder geübt werden muss. In LYDIA wollen wir Frauen voreinander ehrlich sein und uns nichts vormachen, sondern uns gegenseitig stärken und ermutigen. Das ist das Ziel von LYDIA. Ich wünsche mir, dass diese Ausgabe Ihnen wertvolle Impulse gibt. Ihre Ellen Nieswiodek-Martin
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6 Fotos: Dana Mar tin
Weniger Perfektionismus, mehr Gnade Interview mit Mihamm Kim-Rauchholz
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{inhalt}
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Glaube & Lebenshilfe
Beruf & Gesellschaft
11 Meine kleinen Lebens- entschleuniger – Lena Friesen
12 Meine Meinung Lassen sich Familie und Beruf vereinbaren?
19 Mit Muffins Liebe schenken Edelgard Kornelsen
Jeder kann etwas tun
Lydia
55 Sag mal, ... Fragen an Petrus´ Schwiegermutter 62 Tiefer graben Warum Verlassen und Ehren der Eltern für ein gelingendes Miteinander wichtig sind – Cornelia Mack 72 Heilige heute Gipfelstürmer in Schottland Sissi Steuerwald • Fidschi einmal anders Daniela Merkert • „Schatz, es drückt!“ Ilona Barthel • Wer betet, ist klar im Vorteil Edelgard Kornelsen
16 Jeder kann etwas tun … Interview mit Uschi Glas 20 Zwischen zwei Welten Okkulte Praktiken blockierten mich auf meiner Suche nach Gott – Sina Willbergen 22 Wofür stehe ich? – Monika Berlitz 24 Auf der Suche nach mehr Doris Schulte 28 Wenn das Leid Gesichter bekommt Einblicke in das Flüchtlingscamp in Idomeni 33 Herzlich willkommen in Deutschland! – Heidi Stäger
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Abenteuer Ruheinsel
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Ehe & Familie
Körper & Seele
{ In jeder Ausgabe }
38 Ich heiratete meinen Ex-Mann Interview mit Monica Masi
14 „Ich will dir dienen“ Erfahrungen in meiner Auszeit – Kerstin Wendel
3 Ganz persönlich Abschied vom Perfektionismus Ellen Nieswiodek-Martin
45 Warum eigentlich nicht? 30 Die Sehnsucht bleibt … Interview mit Sabine Lehmpfuhl 27 Liebe Leser Birgit Schilling 46 Nachgefragt Mein Kind starrt nur noch aufs Smartphone! Annemarie Pfeifer
34 Mein Leben unter Gangstern Als die Angst ihre Macht verlor Doris Lindsay
60 LYDIA kreativ – Imke Johannson
47 Schmunzeln mit LYDIA
42 Narbenschmerzen der Seele Wie ich nach meiner Scheidung wieder Hoffnung und Zuversicht fand Damaris Pippig
76 Gut informiert. Neu inspiriert.
48 Abenteuer Ruheinsel Katja Ebinger
82 Nachgedacht „Ich bin Kämpferin und Prinzessin“ – Joanna Haverkamp
50 Zwischendurchgedanken Gebete in der Dunkelheit – Saskia Barthelmeß 51 LYDIA-Familientipp Mütter sind Wegbereiterinnen Birgit Weiß Unser Erinnerungsbuch Beate Simon 52 Der höchste Besuch Meine Eltern zu ehren hat für mich eine neue Bedeutung bekommen Heike Malisic 56 Wenn Eltern zu Kindern werden Silvia Konstantinou
68 Meine Geschichte Ich musste meine Kinder beerdigen Brigitte Kloosterman
66 Für Sie gelesen
80 Leserbriefe 81 Impressum
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Wofür stehe ich? Lydia 02/2016
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LY D I A
Interview
Gnade mit Mihamm Kim-Rauchholz
Weniger Perfektionismus, mehr Gnade Mihamm Kim-Rauchholz weiß, was es heißt, fremd in Deutschland zu sein. Als Kind von südkoreanischen Eltern erlebte sie an der deutschen Schule Mobbing und Ausgrenzung. Heute arbeitet die Professorin für Neues Testament und Griechisch an der Internationalen Hochschule Liebenzell. Wie viele Frauen kämpft auch sie mit dem Versuch, Beruf und Familie zu vereinbaren.
Meine Kindheit in Deutschland war nicht einfach. Meine Eltern konnten die Sprache nicht richtig sprechen. Deshalb konnten sie mir nicht bei den Hausaufgaben helfen und haben beim Elternabend kaum etwas verstanden. Ich hatte immer das Gefühl, ich muss selbst durchkommen. Zeitweise wurde ich gemobbt und habe auch mal die Erfahrung gemacht, dass sich die ganze Klasse gegen mich gestellt hat. Wie sah das konkret aus?
Zum Beispiel hat sich die Klasse gestört gefühlt, weil ich immer wieder zu spät gekommen bin. Meine Eltern haben nicht im Blick gehabt, dass
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sie mich ein bisschen früher schicken müssen. Die anderen Kinder haben sich darüber sehr aufgeregt. Es gab sogar eine Unterschriftenaktion mit den Worten: „Mihamm, wir hassen dich! Wir möchten, dass du nach Korea zurückgehst.“ Schwer auszuhalten für ein Kind …
Ich glaube nicht, dass die Kinder böswillig waren. Vermutlich hätten sie mich nicht gemobbt, wenn ich in der Kultur richtig angekommen wäre. In der Kindheit lernt man die Dinge ja von den Eltern. Wenn diese aber einen anderen kulturellen Hintergrund haben, dann haben die Kinder wenig Chancen. Das sehe ich auch heute bei Kindern mit Migrationshintergrund. Da sagen die anderen Kinder in der Schule: „Warum zieht die sich so seltsam an? Warum achtet der nicht auf dieses oder jenes?“
Fotos: Dana Mar tin
Frau Kim-Rauchholz, Sie sind in Südkorea geboren und haben als Kind sieben Jahre lang in Deutschland gelebt. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?
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Beruf & Gesellschaft
D O R I S S C H U LT E
auf der Suche nach mehr
Oft treffe ich Menschen, die ihr Gl체ck in esoterischen Praktiken suchen. Das sind f체r mich wunderbare Gelegenheiten, um von der Kraft in meinem Leben zu erz채hlen.
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Als ich einmal „All inclusive“-Urlaub gebucht hatte und eine entspannte Reise mit vielen kulinarischen Köstlichkeiten genoss, sehnte ich mich nach zehn Tagen zurück in meine Heimat. Mir fehlten meine Arbeit und ein gutbürgerliches Essen. Eine solche Erfahrung nennt man „Kipptheorie“. Oder anders ausgedrückt: „Was den Menschen heute fehlt, wird ihnen morgen wichtig!“ Uns Menschen, denen die Ewigkeit von unserem Schöpfer ins Herz gelegt worden ist, geht es in Bezug auf den Glauben an Gott genauso. Wir können unsere Sehnsucht nach Gott nicht allzu lange als unbedeutend beiseitelegen. Sie bleibt – mal mehr, mal weniger stark –, bis wir uns auf eine Beziehung zum Gott der Bibel eingelassen haben.
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ls es in den Neunzigerjahren immer mehr Anzeichen der Säkularisierung gab, schenkten gleichzeitig immer mehr Menschen ihre Aufmerksamkeit der Suche nach dem Sinn des Lebens. Inzwischen suchen Millionen von Menschen Ruhe und Halt in philosophischen und humanistischen Ideen oder versuchen, bei den großen Weltreligionen, in asiatischen Praktiken oder esoterischen Übungen das Göttliche zu finden. Menschen spüren, dass alles, was sie haben, und alles, was sie auf dieser Erde kennengelernt haben und kennenlernen werden, nicht reicht. Sie suchen nach einer „Wiederverzauberung“. Sie wollen das verlorene Geheimnis entdecken – ein Fenster zur „geistigen Welt“, das sich in der Hektik des Alltags geschlossen hat. Sie sehnen sich nach einer Aura, einer göttlichen Lebenskraft. Sie wollen ihr Lebenshaus nicht länger „auf Sand bauen“. Sie wollen wissen, wer sie sind und wie sie gut und richtig leben können.
Hauptsache, es tut gut Die Sehnsucht nach Sinn und einem erfüllten Leben ist so groß, dass sie überall suchen. Manchmal an mehreren Stellen gleichzeitig. Sie sind „weltoffen“, offen für alles. Hauptsache, es tut ihnen gut. Ehrlich gesagt, kann ich diese Menschen verstehen. Wenn ich nicht Gott durch Jesus persönlich kennengelernt hätte, würde ich ganz sicher auch überall auf der Suche sein. Ein Leben ohne Sinn und Ziel würde ich persönlich nicht lange aushalten können. Vor einiger Zeit war ich zusammen mit sechs anderen Frauen bei meinem ehemali-
gen Zahnarzt und seiner Frau eingeladen – als Dankeschön dafür, dass ich ihnen eine neue Patientin gebracht hatte. Im Laufe des Abends ermutigte uns die Frau des Zahnarztes wiederholt, „weltoffen“ zu sein, um an positive Energien zu gelangen. Auf meine Frage hin, wo genau sie nach dieser Energie suche, sagte sie: „Durch FengShui.“ Feng-Shui ist eine Harmonielehre aus China und hat als Ziel die Harmonisierung des Menschen mit seiner Umgebung, die durch eine besondere Gestaltung der Wohn- und Lebensräume erreicht werden soll. Als ich fragte, was sie denn neben den behaglichen neuen Wandfarben in ihrer Praxis sonst noch in ihrem Leben geändert hätte, meinte sie ganz selbstverständlich: „Ich habe nach dem Rat von Feng-Shui alle trockenen Blumensträuße entsorgt und diese mit frischen Blumen ersetzt, die die positive Energie freisetzen!“ Weil ich gerade aus Äthiopien zurückgekommen war, dachte ich spontan an die vielen armen Menschen, die niemals an frische Blumen kommen und diese auch nicht bezahlen könnten. Wie unfair, dachte ich, wenn diese positive Energie nur einigen wenigen Menschen auf dieser Erde zur Verfügung steht. Verwundert fragte ich sie: „Und wie geht es Ihnen jetzt?“ „Wunderbar, einfach wunderbar!“, war die Antwort, worauf sich plötzlich eine ältere Dame neben mir zu Wort meldete und erzählte: „Ich habe auch einen Feng-Shui-Kurs besucht, in der Hoffnung, an positive Energie zu gelangen. Ich war sogar bereit, mein Gartenhaus umzustellen, damit das Quadrat auf meinem
Grundstück abgeschlossen ist, so wie es von Feng-Shui empfohlen wird.“ Jetzt war ich neugierig und fragte: „Und wie geht es Ihnen jetzt?“ „Gar nicht gut“, meinte sie, „jetzt habe ich Streit mit dem Nachbarn und muss meine Hecke abschneiden!“ Unterschiedliche Kraftquellen Menschen, die keine Beziehung zu Gott haben, sind auf der Suche. Manche versuchen ihr Glück mit einer Tarot-Kartenleserin, manche mit der Neugestaltung ihrer Lebensräume, andere durch Steine oder Holzfiguren – Dinge, die Gott geschaffen hat, die es aber niemals mit ihm aufnehmen können. Eine Bekannte, die zur evangelischen Landeskirche gehört, den Hauskreis einer freien Gemeinde besucht und eine emsige Bibelleserin ist, überraschte mich, als ich auf ihrem Beistelltisch ein großes Buch mit dem Titel „Die Kraft der Heilsteine“ entdeckte. Steine, die je nach Farbe eine positive Auswirkung auf unsere Finanzen oder unser Liebesleben haben sollen – wenn wir die entsprechenden Steine als Armband oder Kette am Körper tragen.
Menschen spüren, dass alles, was sie haben und alles, was sie auf dieser Erde kennengelernt haben und kennenlernen werden, nicht reicht, und sie suchen nach einer
„Wiederverzauberung“. Als ich meine Bekannte fragte, ob sie als Christin an die Kraft der Steine glaube, meinte sie: „Doris, wenn unser Gott das Unmögliche möglich machen kann, dann kann er mich auch durch Steine gesund werden lassen.“ Tja, was soll man dazu sagen. Natürlich kann Gott machen, was er will, wann er will und wie er will. Aber in ihm liegt die Kraft, nicht in den Dingen, die er geschaffen hat. Tatsache ist, dass Gott eifersüchtig ist, wenn wir nicht ihm allein unser ganzes Leben anvertrauen,
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DORIS LINDSAY
Mein Leben unter Gangstern
Als die Angst ihre Macht verlor
Niemals hätte ich als Teenager gedacht, dass ich eines Tages mit Vergewaltigern und Mördern esse, mit ihnen bete und ihnen von Jesus erzähle. Oder dass ich Gangster zu Hause besuche, mit ihnen über den Sinn des Lebens spreche und ihnen Mut mache, das Leben neu anzupacken. All das wäre mir nicht im Traum in den Sinn gekommen.
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Fotos:
p r i vat
as Leben, das ich früher kannte, war erfüllt von Angst. Eine Angst, die mich lähmte, die jederzeit präsent war und die mich daran hinderte, kleinste Dinge im Alltag ganz normal zu erledigen. Der große Schatten, der über meinem Leben hing, war die Angst, dass ich eines Tages ermordet werde. Für mich war es normal, dass ich mich immer wieder umschaute, wenn ich alleine unterwegs war. Schließlich konnte es ja sein, dass mir jemand auflauerte und mich von hinten packen wollte. Alleine zu Hause zu sein war ein Albtraum – denn jedes Knacken im Gebälk, jedes Geräusch konnte ja ein Mann sein, der mich erwürgen wollte. Ich hatte einen ständig wiederkehrenden Traum: Ich war in einer Sanduhr gefangen und rannte dagegen an, heruntergezogen zu werden. Mit aller Kraft kämpfte ich ums Überleben. Schweißnass und außer Atem vom Rennen erwachte ich dann und realisierte, dass ich sicher in meinem Bett lag. Den Tag über war ich ein fröhlicher Teenager. Ich war in einer christlichen Gemeinde aktiv und war gerne mit Gleichaltrigen zusammen. Niemand wusste etwas von meinen Ängsten, die mich überfielen, wenn ich alleine war. Heilung von Angst Als ich 15 Jahre alt war, besuchte ich in meiner Gemeinde ein Seminar zum Thema „Heilung“. Ich war damals schon über ein Jahr mit Jesus unterwegs. Er hatte mein Herz mit viel Leidenschaft und Liebe erfüllt. Ich wollte im Glauben wachsen, und mir war klar, dass ich Heilung brauchte. Ich konnte nicht in Worte fassen, für was genau, doch ich fühlte tief in mir, dass etwas nicht stimmte. Der praktische Teil des Seminars
war, dass Menschen für mich beteten und auf den Heiligen Geist hörten, was er mir sagen wollte. Ich hatte ihnen nichts von meinem Leben erzählt – schon gar nichts von meinen Ängsten. Ich hatte diese Angst ja schon so viele Jahre, dass ich das Gefühl hatte, sie sei ganz normal. Nicht einmal meine Eltern wussten von den jahrelangen Albträumen und inneren Qualen. Während des Gebets hatte eine Frau einen Eindruck: Sie sagte, sie habe das Gefühl, dass der Geist des Todes über mir schwebe. So seltsam das klingen mag und so mutig die Frau war, dies auszusprechen, es traf genau ins Schwarze. Mir wurde auf einen Schlag klar, dass dies die Wahrheit war. Ich sah die Bilder wie einen Film wieder vor mir, die ich als Kind im Fernsehen gesehen hatte: das kleine blonde Mädchen, das im Wald ermordet wurde. Ich erkannte, dass ein Film mich jahrelang gefangen genommen und mich mit der Angst, ermordet zu werden, geknechtet hatte. Die Frauen beteten für mich und sprachen mir das Leben zu. Gott tat ein Wunder
in dieser Stunde – mein Leben war von diesem Tag an nicht mehr dasselbe. Ich hatte nie wieder den Albtraum von der Sanduhr und begriff: Gott will, dass ich lebe! Gott nutzt schwierige Dinge in unserem Leben, um uns ihm näherzubringen. Meine Erfahrungen mit Gottes Liebe haben meine Liebe zu den Menschen um mich herum wachsen lassen. Besonders zu Menschen in Not. Mir wurde klar, dass es nichts Besseres gibt, als in meinem Alltag mit Gott unterwegs zu sein und zu erwarten, dass er mich gebraucht. Das Leben mit ihm ist ein Abenteuer! Der Ruf nach Afrika Später leiteten mein Mann und ich sieben Jahre lang eine Jüngerschafts- und Leiterschaftsschule in der Schweiz. Teil der Ausbildung war ein mehrwöchiger Einsatz im Ausland. Während der Vorbereitungen für den ersten Einsatz in Südafrika bemerkten wir als Ehepaar, dass Gott anfing, zu unseren Herzen zu sprechen. Es fühlte sich an, als würden wir uns dieses Mal
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Brigitte Kloosterman
Ich musste meine Kinder beerdigen Eine Mutter erlebt das Unfassbare und findet neue Hoffnung
Der 4. August 1995 war ein Sommertag, wie man ihn sich nur wünschen kann: warm, sonnig, vielversprechend. Als mein Sohn Eric am Morgen aufbrach, war niemand zu Hause, der ihn hätte ermahnen können, seinen Fahrradhelm zu tragen. Wie lästig ihm diese Ermahnungen immer waren! Er war dreizehn, voller Übermut und heiterem Tatendrang.
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m Vormittag läutete das Telefon. Eine Polizistin erklärte mir: „Ihr Sohn wurde von einem Lastwagen angefahren, er war mit dem Rad unterwegs.“ Nach allem, was die Polizistin mir gesagt hatte, erwartete ich, Eric im Krankenhaus mit einer kühlenden Kompresse um den Kopf im Bett sitzend vorzufinden. Er würde stinksauer sein, wenn seinem Fahrrad etwas passiert sein sollte. Eric, seine elfjährige Schwester Claudia und ich hatten kurz zuvor einen Bungalow in einer Stadt in Kanada bezogen. Mein Mann Gerard und ich hatten uns nach acht Jahren Ehe scheiden lassen; die Geschwister sahen ihren Vater nur unregelmäßig. Es war nicht leicht, alleinerziehende Mutter zweier lebhafter Jugendlicher zu sein. Noch dazu war Eric einer von der anstrengenden Sorte: Immerzu geriet er in
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Schwierigkeiten. Mir schien, „Risiko“ wäre ein passender Zweitname für ihn. Als ich die Notaufnahme betrat, wies die Ambulanzärztin mich zum Raum der Stille. „Erics Zustand ist unbestimmt“, sagte sie. Und mit diesen spärlichen Informationen ließ sie mich allein. Mit bangem Herzen ging ich den Flur auf und ab, versuchte zu beten, rief Gott um Hilfe, er möge den Ärzten Weisheit geben, wusste aber kaum, wofür ich beten sollte. Da sah ich eine Gideon-Bibel unter der Lampe liegen, öffnete sie wahllos und las die ersten Worte, auf die mein Blick fiel: „Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel? Der Stachel des Todes aber ist die Sünde, die Kraft aber der Sünde ist das Gesetz. Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unseren Herrn Jesus Christus!“ (1. Korinther 15,55–57).
Foto: Stรถhr Fotogr afie
Meine Geschichte
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Nachgedacht Joanna Haverkamp
„Ich bin Kämpferin und Prinzessin“ Vor 16 Jahren zog ich aus meiner Heimatstadt im Nordwesten Englands ins australische Sydney, um am „Hillsong International Leadership College“ zu studieren. In dieser Zeit lernte ich viel Neues kennen, unter anderem die „Colour Conference“, eine christliche Konferenz für Frauen aller Altersstufen. Ich erinnere mich noch gut an den Eröffnungsabend. Über die gesamte Breite der Halle leuchtete auf einer Leinwand das Bild eines ungeborenen Babys auf. Es waren ganz feine, zierliche Details zu sehen. Dann erschienen Worte aus Psalm 139 auf der Leinwand: „Herr, ich danke dir dafür, dass du mich so wunderbar und einzigartig gemacht hast! … Schon als ich im Verborgenen Gestalt annahm, unsichtbar noch, kunstvoll gebildet im Leib meiner Mutter, da war ich dir dennoch nicht verborgen.“ Über Lautsprecher ertönten die Worte: „Es ist ein Mädchen!“ In diesem Moment keimte eine tiefe Erkenntnis in mir: „Ich bin besonders.“ Diese Konferenz bewegte mich sehr. Über Lautsprecher Ich war neu motiviert, mich für Gotertönten die Worte: „Es ist tes Reich einzusetzen. Wenn jemand ein Mädchen!“ In diesem mich fragte, ob ich eine bestimmte Moment keimte eine tiefe Aufgabe übernehmen könne, versuchte ich immer, Ja zu sagen. Ich wollErkenntnis in mir: te ein Werkzeug in Gottes Hand sein, „Ich bin besonders.“ und es war eine Ehre für mich, dass ich einen Beitrag in Gottes Königreich leisten durfte. Ich gab mein Bestes – egal, ob ich auf dem Gebiet Erfahrung hatte oder nicht. Wir Studenten hatten an unserem College jeden Morgen einen kleinen Gottesdienst, dessen Leitung ich übernehmen durfte. Mein Leben war damals ziemlich voll: Ich studierte, hatte einen Job, traf mich mit Mitarbeitern aus dem Team und kümmerte mich um organisatorische Aufgaben. Manchmal war ich extrem müde. Aber ich durfte die Erfahrung machen, dass Gott genau in den Momenten, in denen ich erschöpft war, am meisten an meinem Charakter arbeitete. Die Botschaft, die ich bei meiner ersten „Colour Conference“ in mich aufsog – „Du bist besonders“ –, hat ein Fundament in meiner Seele gelegt. Heute lebe ich mit dieser Überzeugung: „Ich bin besonders. Gott hat einen Plan für mein Leben. Ich bin Kämpferin und Prinzessin. Eine Tochter des Höchsten, die für eine Zeit wie diese geboren wurde.“ Zu wissen, wer ich bin und wozu ich berufen bin, gibt meinem Leben Bestimmung und Kraft.
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Ich bin davon überzeugt, dass ich dank dieser Konferenzen und der „Colour Sisterhood“-Bewegung eine bessere Ehefrau, Mutter, Freundin, Tochter und Leiterin bin, denn sie sind eine Quelle der Inspiration und Weisheit für mich und bringen mich immer wieder näher an Jesu Herz. Gott kennt den Anfang und das Ende. Er wird mich niemals verlassen und mich nie im Stich lassen (Hebräer 13,5), und meine Zukunft liegt in seiner Hand. Egal, was für Schwierigkeiten ich durchlebe – am Ende wird es gut sein. Wenn ich Gottes Leitung folge, kann ich sicher sein, dass er mich an einen guten Ort führen wird. Manchmal führt Gott uns anders, als wir es uns vorstellen. Niemals hätte ich gedacht, dass ich eines Tages mit meinem Mann nach Deutschland ziehen würde, um eine Gemeinde zu gründen! Doch als ich Freimut kennenlernte und wir eine Beziehung miteinander begannen, sagte er mir klipp und klar: „Wenn du mich heiratest, wirst du mit mir nach Deutschland gehen und eine Gemeinde gründen.“ Ich wusste nicht, welche Pläne Gott für mich hatte. Ich wusste nur, dass ich mein Leben mit Freimut verbringen wollte, und es war mir relativ egal, wo. Also sagte ich Ja. 2004 kamen wir nach Deutschland und heute leiten wir die „Hillsong Church“ in Konstanz, Düsseldorf, Zürich und bald in München. Manchmal fragen Frauen mich: „Wie kann ich Gottes Plan für mein Leben herausfinden?“ Dann antworte ich: Das Wichtigste ist eine persönliche Beziehung zu Jesus Christus. Wir müssen wissen, wer wir in ihm sind. Nur dann können wir entdecken, wie wir uns für ihn einbringen können. Der zweite Schritt ist, sich einer gesunden Gemeinde anzuschließen und einfach verschiedene Aufgaben auszuprobieren – sich herausfordern zu lassen und Zeit mit inspirierenden Menschen zu verbringen, die sich bereits für Gottes Königreich einsetzen. Ich denke, Gott zeigt uns seinen Plan Stück für Stück. Unsere Verantwortung ist es, ihn zu lieben und ihm gehorsam zu sein in den Aufgaben, die er uns anvertraut. Gottes Plan zu entdecken ist eine wunderbare Reise, die unser Leben lang andauert. Joanna Haverkamp leitet mit ihrem Mann die „Hillsong Church“ im deutschsprachigen Raum mit den Standorten Konstanz, Düsseldorf, Zürich und München und engagiert sich besonders in der Frauenbewegung „Sisterhood“. Gemeinsam haben sie drei Töchter. www.hillsong.de
Meine Lydia. Mein Abo. Bestellen und gewinnen: Eine Kreuzfahrt für 2 Personen!
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Gnade Für die Gnade des Lebens,
für die Gnade des Genusses, für die Gnade Gottes
in unserem Leben,
in unserem Leib,
an unserem Tisch,
dafür danken wir. NICOLA SLEE Aus: Irisches Gebetbuch (adeo Verlag)