Antje Balters: Mut zum Neinsagen
Grenzen setzen ohne Schuldgefühle
Grenzüberschreitungen – der ganz normale Alltagswahnsinn
Stellen Sie sich vor, Sie sind eine mittelprächtige Hausfrau. Sie tun (meistens) Ihr Bestes, um das Haus möglichst ordentlich zu halten (sodass möglicher Besuch nicht beim Betreten des Flures kollabiert) und auch so sauber wie nötig (sodass möglicher Besuch sich nicht gezwungen sieht, das Gesundheitsamt zu informieren).Was Ihnen allerdings noch wichtiger ist: Sie möchten es gern gemütlich haben, einladend, sodass Ihr Besuch gerne kommt und auch bleibt und sich bei Ihnen wohlfühlt. Jetzt stellen Sie sich vor, eines Tages kommt eine Bekannte unangemeldet bei Ihnen vorbei, Sie kennen Sie nicht besonders gut, aber im Eingang kommen Sie irgendwie auf Ihre Wohnsituation zu sprechen. Ihre Bekannte ist interessiert und Sie fragen sie, ob sie sich das Haus gerne einmal ansehen würde. Zugegeben, Sie haben an diesem speziellen Tag eigentlich weder aufgeräumt noch sauber gemacht, und noch in demselben Augenblick, in dem Sie das Angebot machen, zucken Sie innerlich etwas zusammen und staunen über Ihren eigenen Mut. Die Führung geht los: “Das hier ist unser Wohnzimmer”, sagen Sie und dabei bleibt ihr Blick an der Bügelwäsche hängen – heute ein Riesenberg, denn wie gesagt, Hausarbeit war an diesem Tag nicht Ihre Priorität – und Sie registrieren diesen prüfenden Blick sofort. Deshalb meinen Sie auch sofort entschuldigend: “Ja – mir gefällt es auch nicht, dass die Wäscheverarbeitung hier stattfinden muss, aber ich weiß nicht wo sonst, wir haben keinen Hauswirtschaftsraum und außerdem sehe ich beim Bügeln gerne fern.” Darauf meint Ihre Bekannte: “Was, du bügelst im Wohnzimmer, und dann auch noch mehrmals in der Woche? Warum machst du das denn nicht im Keller? Ich befasse mich nur einen Tag in der Woche mit der Wäsche.” Sie kommen nun in Ihre super-gemütliche (so meinen Sie jedenfalls) Wohnküche. Sie erklären: “Hier halten wir uns eigentlich meistens auf. Hier pulsiert das Leben, hier wird unser Besuch bewirtet. Es kommt oft vor, dass wir hier noch lange mit unseren Gästen sitzen, selbst wenn das Essen längst vorbei ist, weil dann die Kinder im Wohnzimmer fernsehen (damit man überhaupt mal ein paar Sätze ohne Unterbrechung wechseln kann).” Ihre Bekannte hat jedoch gleich ein paar Änderungsvorschläge: “Ja, aber man könnte doch viel mehr Platz schaffen, wenn man hier eine Eckbank hinbauen würde, hier an die Stelle einen Tresen und dann könnte man auch da noch eine Lampe hinstellen, damit es gemütlicher wird.” Bei diesen Worten betrachtet sie kritisch die schönen bunten Vorhänge. Ein Gardinenring fehlt und die Gardine hängt dadurch nicht hundertprozentig gerade. Sie sieht den Makel (ich sehe ihn schon länger, habe mich aber bisher noch nicht dazu aufgerafft, im örtlichen Gardinengeschäft den peinlichen Einkauf eines einzelnen