Allison Bottke mit Cheryll Hutchings und Ellen Regan (Hrsg.) Wunder im Regen und andere wahre Geschichten
Über die Autorin Allison Bottke ist Autorin der „God Allows U-Turns“Serie. Sie und ihr Mann leben in Südminnesota.
Allison Bottke mit Cheryll Hutchings und Ellen Regan (Hrsg.)
Wunder im Regen und andere wahre Geschichten
Verlagsgruppe Random House FSC-DEU-0100 Das FSC-zertifizierte Papier Super Snowbright für dieses Buch liefert Hellefoss AS, Hokksund, Norwegen.
Die amerikanische Originalausgabe erschien im Verlag Bethany House Publisher, a division of Baker Book House, 6030 East Fulton Rd., Ada, MI 49301, USA unter dem Titel „God Allows U-Turns“. © 2001 by Allison Gappa Bottke (Hier ggf. Sondervereinbarungen mit GLINT oder Harlequin) © der deutschen Ausgabe 2010 by Gerth Medien GmbH, Asslar, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München. Aus dem Englischen übersetzt von Eva Weyandt. Die Bibelzitate wurden, sofern nicht anders angegeben, den folgenden Bibelübersetzungen entnommen: Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung, Neues Leben. Die Bibel. © Copyright der deutschen Ausgabe 2002 und 2006 by SCM Hänssler im SCM-Verlag GmbH & Co. KG Originaltitel: Holy Bible, New Living Translation © Copyright der amerikanischen Ausgabe 1996, 2004 und 2007 by Tyndale House Publishers Inc., Wheaton, Illinois, USA Auflage 2010 Bestell-Nr. 816 484 ISBN 978-3-86591-484-2 Umschlaggestaltung: Mediadesign Adelheid Beilharz, www.farbelebt.de Umschlagfoto: creative studio, www.fotolia.de Satz: Mirjam Kocherscheidt; Gerth Medien GmbH Druck und Verarbeitung: GGP Media, Pößneck Printed in Germany
Durch Jesus wollen wir Gott zu jeder Zeit danken, indem wir ihn loben und uns zu seinem Namen bekennen! Vergesst nicht, Gutes zu tun und mit den anderen zu teilen, denn über solche Opfer freut sich Gott. Hebräer 13,15–16 Für unsere Leser und Autoren Dieses Buch ist all denen gewidmet, die mit uns gemeinsam auf dem Weg der Nachfolge Christi unterwegs sind und uns ihre Erlebnisse aufgeschrieben und zugeschickt haben. Und unseren Lesern weltweit, die dieses Buch lesen und darin Ermutigung und Ansporn für ihren persönlichen Glaubensweg finden werden. Mögen die hier beschriebenen Erlebnisse Sie anrühren und Ihr Herz erwärmen. Mögen sie Ihnen helfen, Gottes Liebe zu uns Menschen besser zu begreifen. Gottes Friede und Schutz sei mit Ihnen Tag für Tag. Allison
Inhalt Einführung ..................................................................................................... 11 Kapitel 1 – Gottes Liebe .......................................................................... 21 Die Liebe eines Vaters ......................................................................... 22 Die wartenden Arme............................................................................. 24 Ein Fingerzeig von Gott ...................................................................... 28 Die Weihnachtskrippe zu Ostern............................................... 32 Freu dich, Gott liebt dich ................................................................... 35 Die Macht der Liebe............................................................................... 38 In Gottes Augen ......................................................................................... 42 Das Klopfen an der Herzenstür................................................... 49 Der zerbrochene Engel ....................................................................... 53 Kapitel 2 – Geschichten des Triumphs ......................................... 55 Die Hochzeit ................................................................................................. 56 Ein Schuss im Dunkeln........................................................................ 60 Wunder im Regen .................................................................................... 64 Der lange Weg nach Haus ................................................................. 68 Erlösung durch Tod................................................................................ 72 Eine Mom, die in einem Rollstuhl sitzt................................. 77 Kapitel 3 – Liebt einander .................................................................... 81 Der Wert einer Umarmung ............................................................. 82 Nicholas ............................................................................................................ 85 Die Brücke der Freundschaft ....................................................... 89 Das Kind eines anderen ..................................................................... 93 Rosen und Silberahorn ....................................................................... 96 Die verschwundene Kasserolle ................................................... 99
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Vaterhände..................................................................................................101 Der tätowierte Fremde ....................................................................104 Kinder sind ein Geschenk..............................................................107 Engel der Freundlichkeit ...............................................................113 Kapitel 4 – Engel unter uns ..............................................................115 Der Garten ...................................................................................................116 Die weiße Feder .....................................................................................121 Bestimmt singt sie es jetzt ..........................................................124 Grandma........................................................................................................126 Kapitel 5 – Gottes Plan .........................................................................129 Doppelt gesegnet ..................................................................................130 Daves Apfelbaum ..................................................................................132 Ich erinnere mich..................................................................................134 Michelle..........................................................................................................138 Lebensregeln ............................................................................................140 Manchmal gibt es kein Zurück ..................................................144 Gottes Plan, nicht meiner ..............................................................146 Zeit meines Lebens..............................................................................149 Mabels Wunder.......................................................................................154 Ein Gebet in einem harten Winter ........................................158 Alice ...................................................................................................................160 Kapitel 6 – Lektionen eines Lebens .............................................165 Geschichten aus der braunen Papiertüte........................166 Spuren in meinem Herzen ............................................................170 Ein junger Mann mit Namen Clinton ..................................174 Wäscheleinen und kaputte Wäscheklammern ..........177 Die Perspektive eines Stiefmütterchens ..........................181 Kapitel 7 – Gnade .....................................................................................185 Auf der Suche nach Gott am Flughafen Charles de Gaulle ......................................................186 Manchmal ist das Leben einfach nicht fair! ..................188
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Ein ungeplanter Segen .....................................................................190 Mit Gott lachen an einem schlechten Tag .......................194 Tribut an eine „Lebensheldin“ ..................................................199 Kapitel 8 – Glaube und Vergebung..............................................201 Ein einfacher Akt des Glaubens ...............................................202 Denk an das Kreuz ...............................................................................206 Die großen Dinge … zum Beispiel Legos .........................210 Wenn du dein Ziel kennst ..............................................................213 Der Feigenbaum .....................................................................................215 Lebenslektionen ....................................................................................218 Der freundliche Jesus und ein Schneesturm ................220 Ohne Frage ..................................................................................................222 Tribut an eine alte Frau ...................................................................224 Kapitel 9 – Gebet.......................................................................................229 Auf einem Berg in Norwegen .....................................................230 Wer ist jetzt die Mama? ...................................................................232 Eine Lektion zum Thema Gebet ..............................................234 Der falsche Weg ......................................................................................236 Ein einfaches Gebet .............................................................................239 Wenn der Glaube die Furcht besiegt ...................................242 Über das Wasser gehen ...................................................................246 In Gottes Hände ......................................................................................249 Zu seiner Zeit ............................................................................................251 Kapitel 10 – Kehrtwende ....................................................................255 Eine Dezembergeschichte.............................................................256 Flussfahrt .....................................................................................................260 Reich gesegnet .........................................................................................266 Mein Kumpel Jules ...............................................................................270 Aus der Tiefe .............................................................................................275 Ins Licht .........................................................................................................278
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Kapitel 11 – Dankbarkeit ...................................................................281 Ein schlechter Tag ................................................................................282 Toilettensegen .........................................................................................285 Seifenblasen im Winter ...................................................................286
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Einführung Manchmal, wenn es in unserem Leben drunter und drüber geht, ist es schwer, zu erkennen, dass Gott sich für uns interessiert. Wo ist er, wenn man ihn braucht? Das ist eine der häufigsten Fragen, die gestellt werden. Aussagen wie: „Gott ist groß“, „Gott ist gut“ und ähnliche kommen uns in unruhigen Zeiten oder angesichts einer Tragödie schwer über die Lippen. Für mich war Gott nicht „groß“, als mein Exmann mich an den Haaren die Treppe hinaufschleifte und an meinem Kopf kahle und blutige Stellen zurückblieben, wo er mir die Haare ausgerissen hatte. Gott war in meinen Augen nicht „gut“, als meine Knochen von den Faustschlägen und Tritten schmerzten, als meine Haut brannte von den Schnitten und Kratzern und meine Augen von den heißen Tränen der Verzweiflung und Furcht wehtaten. Gott erschien mir nicht so „wunderbar“, als ich in die hasserfüllten Augen meines Mannes blickte, als er mir ein Messer an die Kehle oder eine Pistole an den Kopf hielt und höhnte: „Noch ein einziger Schrei und ich bringe dich um.“ Ich hatte mich schon von Gott abgewandt, lange bevor ich im Alter von fünfzehn Jahren von zu Hause durchbrannte, um den achtzehnjährigen Jungen zu heiraten, der sich im Laufe von nur einem Jahr von der Liebe meines Lebens zu einem Mann entwickelte, der mich missbrauchte, gefangen hielt, entführte, vergewaltigte und zu ermorden versuchte. Nein, als ich „süße sechzehn“ war, gab es für mich keinen Zweifel: Wenn
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Gott tatsächlich existierte, dann bestimmt nicht in meiner Welt. Aber so hatte ich nicht immer gedacht. Als kleines Mädchen besuchte ich während der Sommerferien mit Begeisterung die täglichen Kinderstunden in der Baptistengemeinde in der Madison Avenue in Cleveland, Ohio. Meine Familie ging nicht regelmäßig zur Kirche. Ich hatte kein christliches Elternhaus in dem Sinne, dass Gott bei unserer Erziehung eine entscheidende Rolle spielte. Aber wir kannten die Zehn Gebote, und unsere Mutter war uns drei Kindern ein Vorbild darin, dass sie nach christlichen Wertmaßstäben lebte. Meine beiden Geschwister und ich waren durch die Scheidung unserer Eltern und durch die Probleme, die ein Leben als Sozialhilfeempfänger am Rande der Gesellschaft mit sich brachten, sehr verwirrt. Eine furchtbare Erfahrung bei Pflegeeltern, bei denen ich vorübergehend untergebracht war, als meine Mutter wegen einer schweren Krankheit im Krankenhaus behandelt wurde, führte bei mir zu einem katatonischen Zustand, der einige Monate andauerte, und ich entwickelte eine panische Angst vor Dunkelheit, die bis ins Erwachsenenalter andauerte. Ein Kindergebet half mir in den ersten Jahren über viele schlaflose Nächte hinweg, in denen ich versuchte, die verheerenden Auswirkungen jener Belästigung in meinen frühen Kindheitsjahren zu überwinden. Es war ein Trauma, das meine Entwicklung ebenso wie meine Beziehung zu anderen Menschen prägte. Als Teenager wollte ich anders sein als andere Mädchen in meinem Alter. Ich rebellierte gegen alles und vor allem gegen jede Autorität. Es war keine Überraschung, dass ich beschloss, durchzubrennen und zu heiraten, als ich meinen vermeintlichen „Mr Right“ kennenlernte. Aber leider war er nicht dieser „Mr Right“. Das entsetz-
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liche Jahr, in dem ich mit einem Mann verheiratet war, dessen körperlicher und emotionaler Missbrauch mich beinahe das Leben kostete, löschte die letzten Spuren meines Glaubens an eine höhere Macht, die eine Hand über mich hält, aus. Nach der Geburt meines Sohnes und meiner Scheidung – beides erlebte ich im zarten Alter von sechzehn Jahren –, gab es in meinem Leben nur noch Raum für das Hier und Jetzt. Der Alltag fraß mich auf – Schule, Arbeit, die Versorgung meines Kindes, der Haushalt, Rechnungen und außerdem die Herausforderung, die das Muttersein mit sich brachten. Ich schwor mir, die Beste in allem zu sein, und war entschlossen, dass mein Kopf, nicht mein Herz, mich durch dieses „Jahrzehnt der Zerstörung“ bringen sollte, wie ich es in der Rückschau nenne. Ich war so schrecklich verloren. Mein armer Sohn hatte nie die Gelegenheit, Kind zu sein. Dafür war keine Zeit. Er hatte auch nie eine normale Mutter. Das war ich nun wirklich nicht. Die alltäglichen Pflichten hielten mich auf Trab. Ich war immer unterwegs, immer in Hektik, hatte immer eine Liste abzuarbeiten. Meine Nächte füllte ich mit Alkohol, Drogen, sexueller Freizügigkeit und Selbstzerstörung. Meine Seele tröstete ich mit leeren Versprechen und nichtigen Bemühungen. Mit Ende zwanzig, in einem Alter, in dem viele gerade ihre Familien gründen und sich niederlassen, hatte ich einen Sohn im Teenageralter, der seinerseits außer Kontrolle geriet und mich noch tiefer in einen Abgrund aus Schuldgefühlen und Verzweiflung stieß. Die schnelle Abfolge einer weiteren Heirat und Scheidung, mehrerer gelöster Verlobungen, mehr als einer Abtreibung und häufiger extremer Gewichtszu- und -abnahmen machten mich zu einem emotionalen Krüppel. Warum nur konnte ich nicht glücklich werden? Warum nur schien alles, was ich tat, zu misslingen? Warum
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nur fühlte ich mich so wertlos? Die Gefühle der absoluten Hilflosigkeit und Verzweiflung überwältigten mich. Und so war ich eine gebrochene, zornige und einsame junge Frau, als mich ein Freund, der unangekündigt vorbeigekommen war, noch rechtzeitig fand, nachdem ich ein Dutzend Pillen geschluckt hatte, um mein Leben zu beenden. Wie wir schwere Zeiten überwinden, hängt oft davon ab, wie stark unser Glaube und unsere Hoffnung sind. Zu jener Zeit hatte ich weder das eine noch das andere. Ich glaubte nicht an Gott, und in meinem Leben war kein Raum für eine höhere Macht, die größer war als ich. Ich brauchte Jahre, um zu erkennen, dass ich, um die Leere in meiner Seele zu füllen, an den „falschen Orten nach Liebe suchte“, wie es in einem Lied heißt. Nicht in meinen kühnsten Träumen hätte ich damit gerechnet, sie in Jesus zu finden. Jetzt weiß ich, dass es eine Leere gibt, die nur Gott füllen kann. Doch diese Lektion muss jeder von uns selbst lernen, und zwar jeder zu seiner Zeit, oder zu Gottes Zeit, je nachdem. Gott wusste, dass nur ein Wunder meine Aufmerksamkeit würde erregen können. Er kannte meinen Eigensinn und wusste, dass ich auf meinem Weg in die Sackgasse weitergehen würde, wenn er nicht einschreiten und mir eine andere Richtung geben würde. Und das tat er. Es war der Sommer des Jahres 1989. Damals stellte ich meinen Glauben nicht bewusst infrage. Offen gesagt, hatte ich keine Vorstellung davon, wie groß die geistliche Leere in meinem Leben war, als ich einen Spaziergang durch meine Wohngegend machte und überlegte, wie es weitergehen sollte, nachdem nun eine weitere Beziehung gescheitert war. Ich musste aus unserer gemeinsamen Wohnung ausziehen. Außerdem dachte ich über meinen anstrengenden Job nach und überlegte,
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wie ich die immer größere Verantwortung und den größeren Zeitaufwand für meine Arbeit bewältigen sollte. Hinzu kam noch die Sorge um meinen Sohn, der wieder einmal im Jugendgefängnis saß. Ich wusste nicht, was ich tun oder was ich zuerst anpacken sollte. Drogen und Alkohol würden mich durch die Nacht bringen, die Gefühle des Verlustes und der Einsamkeit betäuben, und irgendwie würde ich überleben, das wusste ich. So war es immer, auch wenn die Leere in mir nach jeder Sünde größer wurde. Bald wird von meinem Herzen nichts mehr übrig sein, dachte ich traurig. Dann beobachtete ich, wie Menschen ihre Autos parkten, ausstiegen und vor mir die Straße überquerten. Es war Mittwochabend, etwa 18:45 Uhr. Diese Menschen waren auf dem Weg in die Kirche, das hübsche Gebäude aus rotem Stein mit dem eindrucksvollen Kirchturm. Immer wieder hatte ich in meiner Arbeit innegehalten und auf das Glockengeläut gelauscht, das mich an die Lieder der Kinderstunde aus meiner Kindheit erinnerte. Vermutlich war gerade eine Beerdigung oder so etwas. Ich erinnere mich noch, dass ich mir nicht vorstellen konnte, dass es in einer Kirche mitten in der Woche einen Gottesdienst geben könnte. Ich überquerte die Straße und las im Schaukasten: „Mittwochabend, 19:00 Uhr, Gottesdienst“. Durfte ich hineingehen, obwohl ich nicht dazugehörte? Würde man mich reinlassen? Die Kirche in Orange, Kalifornien, hieß St. John’s Lutheran. War das katholisch? Was bedeutete Lutheran, also lutherisch? Ich wusste so wenig darüber. Und als mein Verstand in Gang kam und mir alle Gründe nennen wollte, warum ich nicht hineingehen sollte, verselbstständigten sich meine Beine und trugen mich buchstäblich die Treppe hoch und durch die Türen ins Kirchenschiff. Ein Pfeil wies den Weg zur Empore. Als ich die Treppe hochstieg, fragte ich mich ängstlich: Wird
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jemand kommen und mich hinauswerfen? Wird er wissen, dass ich nicht hierher gehöre? Ich hatte keine Ahnung, was ich da tat, wo ich hinging oder was mich erwartete. Ich hatte buchstäblich keine Kontrolle über mein Handeln. Wenn man an einem heißen Sommertag aus einem klimatisierten Wagen aussteigt oder ein Gebäude verlässt, raubt einem die Hitze buchstäblich den Atem. Sie hüllt einen ein wie eine Glocke und man verliert ein wenig die Orientierung. So fühlte es sich für mich an, als ich durch die Bogentür in den Gottesdienstraum trat, der mich an ein Bild aus einem Bilderbuch erinnerte. Die Empore war leer, und so hatte ich einen wunderbaren Blick auf die gewölbte Decke, die mit Goldblättern eingerahmt war, auf die dunklen Holzarbeiten im Kirchenraum, auf die Bänke und die atemberaubend schöne Glasmalerei an den Fenstern. Dieses Gebäude war ein Kunstwerk, und ich war ergriffen von der Majestät, die es ausstrahlte. Da ich allein war, konnte ich mich auf eine der Bänke sinken lassen, und als ich zur Kanzel sah, fiel mein Blick auf eine Jesusstatue, die mir mit ausgebreieten Armen geradewegs in die Augen blickte. Heiße Tränen liefen mir über die Wangen, als Gefühle, die ich nicht erklären konnte, mein Herz und meine Seele durchströmten. Schluchzen schüttelte meinen Körper und raubte mir den Atem. Was war los? Was passierte hier mit mir? Warum saß ich in einer fremden Kirche und weinte wie ein Baby? Gott sei Dank bin ich allein hier oben, dachte ich, sonst würden die mich bestimmt in die Klapsmühle bringen. Und dann traf es mich. Ja, Gott sei Dank! Darum war ich hier. Darum hatte er mich die Treppe hochgeführt und auf die Empore, auf der ich ganz allein war: damit ich ihn erkannte! Damit ich ihm gestatten würde, meine Seele anzurühren und mir etwas zu schenken, das mir
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so lange gefehlt hatte: Hoffnung, Glaube, Dankbarkeit, Vergebung. Als der Pastor zu predigen begann, war es, als sei seine Botschaft allein für mich bestimmt. Eine Predigt über Verlorenheit, über die Menschen, die verirrt, orientierungslos, ohne Hoffnung und ohne Glaube sind – und darüber, dass das nicht so sein muss. Er wies darauf hin, dass wir den Herrn Jesus Christus nur bitten müssten, in unser Herz zu kommen, und er wäre da – einfach so. Ich konnte buchstäblich nichts sehen, denn meine Tränen flossen ungehemmt aus dem tiefsten Inneren meiner Seele, aber in anderer Hinsicht bekam ich endlich Durchblick. Ich sah nun nicht mehr durch die Augen eines Menschen, der in Angst, Sklaverei und Sünde lebte, sondern die Freiheit und Erlösung schenkten mir eine ganz andere Perspektive. Im Propheten Jesaja heißt es: „Doch wegen unserer Vergehen wurde er durchbohrt, wegen unserer Übertretungen zerschlagen. Er wurde gestraft, damit wir Frieden haben. Durch seine Wunden wurden wir geheilt! Wir alle gingen in die Irre wie Schafe. Jeder ging seinen eigenen Weg. Doch ihn ließ der Herr die Schuld von uns allen treffen“ (Jesaja 53,5–6). Mein Weg mit Gott begann an jenem Tag, einem Tag, der den Kurs meines Lebens für immer veränderte. Plötzlich wollte ich mehr über diese Beziehung zu Jesus erfahren, von der der Pastor erzählte. Ich fing an, in der Bibel zu lesen und mich mit den Glaubensgrundsätzen der unterschiedlichen Denominationen auseinanderzusetzen. Besonders interessierte ich mich für Bekehrungsgeschichten. Ich verschlang zeitgenössische Bücher christlicher Autoren wie Billy Graham, Phillip Yancey, Chuck Swindoll, Max Lucado, Gary Smalley und Robert Schuller. Ich konnte gar nicht genug bekommen und suchte in diesen Büchern nach Erkenntnissen, die wichtig waren für mein Leben. Ich besuchte einige
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Konfirmationskurse für Erwachsene und wurde am 8. April 1990 von dem Pastor, durch den Gott an jenem einsamen Abend viele Monate zuvor zu mir gesprochen hatte, in der lutherische Kirche St. John’s konfirmiert. Pastor Constein wählte als Konfirmationsspruch Psalm 27,1: „Der Herr ist mein Licht und mein Heil – vor wem sollte ich mich fürchten? Der Herr beschützt mich vor Gefahr – vor wem sollte ich erschrecken?“ Dieser Vers hat auch heute noch große Bedeutung für mich. Im Laufe des folgenden Jahrzehnts (das ich jetzt mein „Jahrzehnt der Entdeckung“ nenne) öffnete sich mir die Welt auf eine Weise, wie ich es mir nicht hätte vorstellen können. Scheinbar wie aus dem Nichts traten gute, gläubige Menschen in mein Leben, wo vorher niemand gewesen war. Erfahrungen und geistliche Erkenntnisse machten mein Leben nicht perfekt, aber ich war auf dem Weg der Heilung und Hoffnung. Es war ein Leben der Verheißung. In Psalm 71,20 heißt es: „Not und Leid hast du zwar zugelassen, doch du wirst mir das Leben neu schenken und mich auch aus der dunkelsten Tiefe wieder heraufholen.“ So war es tatsächlich. Ich empfand den Wunsch, meine Erlebnisse mit anderen zu teilen, die Gaben einzusetzen, die Gott mir gegeben hatte, um anderen Menschen die Botschaft des Friedens und der Freiheit zu bringen, die nur Gott schenken kann. Tief bewegt von den Bekehrungsgeschichten von Chuck Colson, C. S. Lewis, Stormie Omartian und anderen griff ich zum Stift und schrieb die Geschichte meines bewegten und verlorenen Lebens nieder, in dem die geistliche Richtung fehlte. Doch ich fand keinen Verleger für dieses Buch. Gott schenkte mir eine neue Idee. „Gib anderen die Möglichkeit, von ihren Erlebnissen in ihrem Leben mit mir zu berichten“, sagte er zu mir. Und so wurde meine Geschichte eine von vielen anderen, die zusammengetragen wurden, um Gottes
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Lob zu singen und auf seine Liebe und seinen Frieden aufmerksam zu machen. Die Liebe Gottes und sein Friede sind für jeden da, und es ist mir ein Anliegen, diese Botschaft von den höchsten Bergen und aus den tiefsten Tälern zu rufen. Ich weiß, dass durch ihn alles möglich ist. Auf dem Briefpapier unseres Geschichtenprojekts steht: „Das bedeutet aber, wer mit Christus lebt, wird ein neuer Mensch. Er ist nicht mehr derselbe, denn sein altes Leben ist vorbei. Ein neues Leben hat begonnen“ (2. Korinther 5,17). Dieser Vers beschreibt, was wir mit unserer Initiative bewirken wollen. Ich bete, dass aus diesem Buch ein weltweiter Dienst entsteht, der alle Grenzen überwindet und allen, die zuhören, sagt, dass es nie zu spät ist, die Umkehr zu wagen. Hoffnung, Heilung, Freude und Liebe kann jeder von uns finden. Jesus Christus nahm meinen zerbrochenen Geist und meine verlorene Seele und brachte mich auf einen neuen Kurs. Er füllte die Leere in meiner Seele, die ich so verzweifelt mit Drogen, Alkohol, Beziehungen, materiellen Gütern, Arbeit und vergeblichen Bemühungen zu füllen versuchte. Er vergab mir die Sünden, die schwer auf meinem Herzen lasteten, und zeigte mir, dass ich die Last nicht mehr länger allein zu tragen brauchte. Das kann er auch für Sie tun. Ich habe nicht „eine Religion angenommen“. Ich habe eine geistliche Verbindung geknüpft, die meinem Leben eine andere Richtung gab. „Ich bekam eine Beziehung geschenkt“ – die Beziehung zu Jesus Christus. Ich weiß ganz sicher, dass es nie zu spät ist, diese Leere in unseren Herzen und Seelen zu füllen, egal, was wir getan haben, egal, wo wir gewesen sind. Es ist nie zu spät, die Richtung zu ändern, weil Gott eine Umkehr möglich macht. Wir, die an dem Geschichtenprojekt mitarbeiten, fühlen uns reich beschenkt. Von Anfang an haben wir
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alle die unglaubliche Kraft des Heiligen Geistes gespürt, der jeden Schritt, den wir gegangen sind, von Gott her inspirierte. Gott hat uns mit hervorragenden Websitedesignerinnen beschenkt und mit Menschen, die bereit waren, unseren Aufruf zur Einsendung von Erlebnisberichten in ihre Internetpublikationen mit aufzunehmen. Er brachte uns mit Menschen zusammen, die unser Projekt voranbrachten. Er schenkte uns die passenden Bibelverse für jedes Kapitel. Und er beschenkte uns mit Menschen, die bereit sind, andere an ihren persönlichen Glaubenserfahrungen teilhaben zu lassen, und Menschen, die sich dafür interessieren. Die Erfahrungsberichte, die Sie gleich lesen werden, sind so unterschiedlich wie die Menschen, die sie aufgeschrieben haben. Einige sind wundervoll einfach in ihrer Glaubensaussage, während andere tiefer graben und uns zum Nachdenken über ihre Bedeutung anregen. Über einige werden Sie lachen, über andere weinen. Aber alle Beiträge werden Sie anregen, über Ihren Glauben nachzudenken. Wir beten, dass die hier beschriebenen Erlebnisse in Ihnen den tiefen Wunsch wecken, Gott ganz persönlich kennenzulernen und Ihr Leben Jesus Christus anzuvertrauen.
Orientiert euch nicht am Verhalten und an den Gewohnheiten dieser Welt, sondern lasst euch von Gott durch Veränderung eurer Denkweise in neue Menschen verwandeln. Dann werdet ihr wissen, was Gott von euch will: Es ist das, was gut ist und ihn freut und seinem Willen vollkommen entspricht. Römer 12,2
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Kapitel 1
Gottes Liebe  Wir wollen lieben, weil er uns zuerst geliebt hat. 1. Johannes 4,19
Die Liebe eines Vaters
Von Michael T. Powers, Janesville, Wisconsin Sein Name war Brian. Er war ein Schüler mit besonderen Bedürfnissen an der kleinen Highschool, die ich besuchte. Ständig war er auf der Suche nach Liebe und Aufmerksamkeit. Letzeres bekam er häufig aus den falschen Motiven – von Schülern, die nur ein wenig „Spaß“ haben wollten. Er war die Witzfigur der Schule und „Unterhaltung“ für diejenigen, die zusahen. Brian, der sich nach Akzeptanz sehnte, merkte nicht, dass die anderen nicht mit ihm lachten, sondern ihn auslachten. Eines Tages konnte ich das nicht mehr länger ertragen. Ich hatte genug von dem Spiel der anderen und sagte, sie sollten endlich damit aufhören. „Ach, komm schon, Mike! Wir wollen doch nur ein wenig Spaß haben. Wofür hältst du dich eigentlich?“ Die Neckereien hörten lange nicht auf, aber seit jenem Tag in meinem Abschlussjahr klebte Brian an mir wie eine Klette. Ich hatte mich für ihn eingesetzt und jetzt war er mein Kumpel. Was werden die Leute von dir denken, wenn du mit Brian befreundet bist? Gedanken wie dieser wirbelten mir durch den Kopf, aber ich verdrängte sie immer wieder, denn mir wurde klar, Gott erwartete von mir, dass ich diesem Jungen so begegnete, wie andere mir begegnen sollten. Am Ende jener Woche lud ich ihn nach der Schule zu mir nach Hause zum Videospielen ein. Wir spielten Intellivision (das waren die 80er!) und tranken Limonade. Schon bald fing er an, mir Fragen zu stellen. „Hey, Mike, warum gehst du eigentlich zur Kirche?“ Ich beantwor-
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tete höflich seine Frage und konzentrierte mich wieder auf das Spiel. Aber er fragte immer weiter nach Gott und wollte wissen, warum ich so anders war als die anderen in der Schule. Schließlich nahm mich meine aufmerksame Freundin Kristi beiseite und sagte: „Michael, er will reden. Geht doch in dein Zimmer, dort seid ihr ungestört.“ Sie hatte seine Hinweise viel besser verstanden als ich. Sobald wir uns in mein Zimmer zurückgezogen hatten, fragte Brian erneut: „Hey, Mike, wie kommt es, dass du nicht so bist wie die anderen Kinder in der Schule?“ Mir war sofort klar, dass ich ihm erklären musste, was Gott mir bedeutete und was er in meinem Leben bewirkt hatte. Ich holte meine Bibel und las mit ihm Johannes 3,16 und einige Verse aus dem Römerbrief. Ich erklärte ihm, dass Gott ihn so liebte, wie er sei, und dass er Jesus auf die Erde gesandt habe, damit er am Kreuz für ihn, Brian, und alle anderen Menschen starb. Ich wusste zwar nicht, ob er begriff, was ich ihm erklärte, aber als wir durch waren, fragte ich Brian, ob er mit mir beten wolle. Er war bereit dazu. Wir beteten gemeinsam: „Gott, ich weiß, ich bin ein Sünder, und selbst wenn ich der einzige Mensch auf der Erde gewesen wäre, hättest du deinen Sohn gesandt, um am Kreuz für mich zu sterben und meine Stelle einzunehmen. Ich nehme das Geschenk der Erlösung an, das du mir anbietest, und bitte dich, in mein Herz zu kommen und mein Leben in deine Hände zu nehmen. Danke, Herr. Amen.“ Ich blickte ihn an und fragte: „Brian, wenn du das, was du gerade gebetet hast, ernst gemeint hast, wo ist Jesus dann jetzt?“ Er deutete auf sein Herz und erwiderte: „Hier drin.“ Und dann tat er etwas, das ich, solange ich lebe, nie vergessen werde. Brian drückte die Bibel an die Brust,
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legte sich auf das Bett und ließ seinen Tränen freien Lauf. Als der Tränenstrom endlich versiegte, war Brian ungewöhnlich still. Dann sagte er zu mir: „Mike, die Liebe Gottes für mich lässt sich vergleichen mit der Liebe eines Mannes zu seiner Frau.“ Das haute mich um. Da war jemand, der dem Unterricht in der Schule nur mühsam folgen konnte, doch er hatte jetzt die große Wahrheit begriffen. Er hatte verstanden, was ich ihm erklärt hatte. Etwa eine Woche später kam für mich die große Erleuchtung. Erst da öffnete sich Brian mir. Er erklärte, sein Dad hätte ihn und seine Mutter verlassen, als er fünf Jahre alt gewesen sei. An dem Tag, als sein Vater wegging, hatte Brian auf der Veranda gestanden. Der Vater hatte Brian gesagt, er würde einfach nicht damit fertig, einen Sohn wie ihn zu haben. Mit diesen Worten verschwand er aus Brians Leben und kam nie mehr zurück. Brian erzählte mir, seither sei er auf der Suche nach ihm. Jetzt wusste ich, warum an jenem Tag in meinem Zimmer die Tränen geflossen waren. Seine Suche war vorbei. Er hatte gefunden, wonach er seit seinem fünften Lebensjahr gesucht hatte. Die Liebe eines Vaters. Von nun an war er nie mehr allein.
Die wartenden Arme
Von Michelle Matt, Sanford, Maine An dem Tag, an dem mein Vater starb, dachte ich, mein Leben sei vorbei. Mit vierzehn war ich einfach nicht auf den Tod eines Elternteils vorbereitet. Ich brauchte lange, um den Schock seines Todes zu überwinden.
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Ich hatte einen wundervollen Vater. Er war mit Leib und Seele Vater. Das zeigte sich in der offenen Zuneigung und Liebe, mit der er seine Familie überschüttete. Häufig holte er uns nach der Schule an der Bushaltestelle ab, er lehrte mich, ohne Stützräder Fahrrad zu fahren, und riss alte Pflaster von meinen aufgeschürften Knien ab, wenn ich zu viel Angst hatte, es selbst zu tun. Er schmuggelte Vierteldollarstücke in unsere Taschen, wenn die Zahnfee es vergessen hatte, erfand lustige Geschichten und besuchte unsere Schulvorführungen, auch wenn sie mitten in seiner Arbeitszeit lagen. An seinen freien Tagen spielte er häufig mit uns Verstecken und er fand immer originelle Verstecke für meine jüngere Schwester. In seinen Armen konnte mir nichts geschehen, dort war ich sicher. Und seine Umarmungen vertrieben alle meine Ängste. Dad arbeitete hart. Oft hatte er zwei Jobs gleichzeitig. Nachts arbeitete er als Elektriker und nicht selten nahm er auch tagsüber noch eine Stelle an. An unseren schulfreien Tagen begleiteten meine Schwester und ich unseren Vater häufig zu seinen unterschiedlichen Arbeitsstellen. Viele Nachmittage verbrachten wir in muffigen Kellerräumen und richteten den Strahl der Taschenlampe auf einen Sicherungskasten. Immer war er bemüht, uns zu unterhalten, während er gleichzeitig die Kabel in einem Haus verlegte. Keine leichte Aufgabe. Alles in allem machte Dad vieles richtig: Er lobte uns und baute uns bei jeder Gelegenheit auf. Er schrieb auf meine Kunstarbeiten oder Schulprojekte Sätze wie: „Ich liebe dich mehr, als du ahnen kannst“, oder: „Ich bin so stolz auf dich.“ Eines Tages jedoch tat er etwas, das völlig untypisch für ihn war. Er kaufte sich ein Motorrad und erfüllte sich damit seinen lebenslangen Traum.
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„Früher, als ich in der Navy war, besaß ich ein Motorrad“, erklärte er. „Ich habe Jahre darauf gewartet, mir diesen Wunsch zu erfüllen. Das ist alles, was ich will!“ Mein Vater fuhr mit seinem Motorrad, wann immer es ihm möglich war, und häufig durften auch meine Schwester oder ich ihn begleiten. Er kaufte uns Helme und nahm sich Zeit, uns die Verkehrsregeln zu erklären. Ich spürte, dass dies nicht nur eine vorübergehende Leidenschaft meines Vaters war. Er hatte so viel Freude an seinem Motorrad. Das Motorrad und er passten perfekt zueinander. Als wir eines Tages unterwegs waren, vertraute er mir an, er hoffe, wenn er einmal sterben müsse, wäre er auf seinem Motorrad unterwegs. Eines Tages im Frühling putzte mein Dad den Winterstaub von seinem Motorrad und brauste los. Das war das letzte Mal, dass ich ihn lebend sah. Ein betrunkener Autofahrer raste in ihn hinein. Diesen Unfall überlebte er nicht. Die folgenden Tage vergingen wie im Nebel. Oft wachte ich nachts auf und stellte fest, dass mein Kissen nass von Tränen war. Ich hatte im Schlaf geweint. Ich war untröstlich. In meinem Herz war eine unbeschreibliche Leere. Ich war davon überzeugt, nie mehr Freude empfinden zu können. Die Zeit der Trauer erschien meiner Familie und mir endlos. Mechanisch gestalteten wir unseren Alltag und hielten uns irgendwie über Wasser. An einem besonders schwierigen Abend erzählte meine Mutter mir von einer Vision, mit der sie sich tröstete. „Ich sah deinen Vater auf seiner letzten Fahrt auf einer wunderschönen Landstraße, die geradewegs in den Himmel führte. Er hat gar nicht gemerkt, was geschehen ist.“ Dieses Bild war wie heilender Balsam für mein verwundetes Herz. Ich behielt diesen tröstenden Gedan-
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ken in Erinnerung und holte ihn hervor, wann immer der Schmerz über meinen Verlust zu groß zu werden drohte. Ich war Ende zwanzig, als ich John kennenlernte. Er war Anfang vierzig, im selben Alter wie mein Vater, als er starb. John hatte warme Augen, einen Pferdeschwanz, eine Lederjacke und, Sie ahnen es vermutlich, er besaß ein Motorrad, für das er genauso viel Begeisterung entwickelte wie mein Vater. John und ich wurden gute Freunde durch unseren gemeinsamen Glauben an Gott. Vom Tod meines Vaters erzählte ich ihm nichts. Insgeheim betete ich um Bewahrung für John, wann immer ich ihn auf seinem Motorrad sah. Nachdem er einmal mehrere Monate unterwegs gewesen war, traf ich John bei einer Veranstaltung unserer Gemeinde wieder. Voller Begeisterung berichtete er von seiner letzten Motorradfahrt. Er sprühte vor Lebensfreude und seine Augen funkelten. „Komm mit. Ich muss dir etwas zeigen“, sagte er. Er nahm mich an der Hand und führte mich nach draußen. Ich hatte keine Ahnung, was er vorhatte. Wir gingen an den geparkten Autos vorbei und um das Gebäude herum. Da stand sein großes, glänzendes Motorrad. Trauer und Entsetzen überfielen mich. „Komm her und sieh dir das an.“ John spürte nicht, dass ich gegen meine Gefühle ankämpfte. Ich atmete tief durch und trat an das Motorrad heran. Der Ledersitz, das Instrumentenbord und das glänzende Chrom erinnerten mich an eine schöne Vergangenheit. Mein Herz begann in meiner Brust wild zu pochen. Vergrabene Erinnerungen an eine herrliche Kindheit brachen in einem bittersüßen Schwall auf. Ich erinnerte mich an die Fahrten auf dem Motorrad, die Arme fest um die Taille meines Vaters geschlungen und den Kopf an seinen Rücken gedrückt, während der Fahrtwind uns
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entgegenschlug. Auf Johns Drängen hin trat ich näher an das Motorrad heran. Dann blieb ich abrupt stehen. Ich traute meinen Augen nicht. „Das hat mein Sohn gemalt“, erklärte er mit einem strahlenden Lächeln. Ich sah eine hübsche Szene, die gekonnt auf den Tank des Motorrads gemalt worden war. Sie zeigte einen Mann, der auf einem Motorrad über eine wunderschöne Landstraße fuhr, die geradewegs in den Himmel führte. In den Wolken war Jesus zu sehen, der mit ausgebreiteten Armen auf den Fahrer wartete. Das war eine Darstellung der Vision, die meine Mutter mir vor über einem Jahrzehnt anvertraut hatte. „Es ist wunderschön“, murmelte ich. Ich nahm das Bild in mich auf, wollte nicht mehr weggehen. Danke, Gott, betete ich, als die Tränen zu fließen begannen. Danke, Gott. Die alte Trauer verschwand, als ich meinen Vater in die wartenden Arme Jesu fahren ließ. In seiner Gnade linderte Gott einen tiefen Schmerz und schenkte mir die Fähigkeit, das Geschehene zu akzeptieren und ruhig darüber zu werden.
Ein Fingerzeig von Gott Von Sara Jordan, Canton, Ohio
Erstveröffentlichung dieser Geschichte in der Zeitschrift Connection im September 2000
Das Plakat war schwarz, und darauf stand in großen weißen Buchstaben: „Wir müssen miteinander reden. – Gott.“ Ich musste zweimal hinschauen, um mich davon
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zu überzeugen, dass ich richtig gelesen hatte. Es war einer jener besonders frustrierenden Tage. Ich steckte im Verkehr fest, hob meine Augen zum Himmel und fragte zum millionsten Mal: „Warum, Herr, warum?“, als mein Blick auf dieses Plakat fiel. Normalerweise achte ich nicht auf die zahllosen Werbetafeln in der Stadt, aber diese hier war offensichtlich anders. Eine Werbetafel von Gott? Das kam genau zum richtigen Zeitpunkt. Ich habe mich mein Leben lang um die Geduld Hiobs bemüht, um die Weisheit Salomos und den Glauben Abrahams, aber immer wieder versage ich und zweifle wie Thomas. Und als ich in dieser Situation das Plakat anstarrte, dachte ich mit einem Anflug von Bitterkeit: Ja, Herr, du hast recht. Wir müssen miteinander reden. Wir müssen darüber reden, warum du uns, obwohl ich so viel und lange gebetet habe, unsere beiden Babys durch Fehlgeburten genommen hast. Es gibt so viele ungewollte, missbrauchte und vernachlässigte Kinder auf der Welt – warum haben meine nicht die Chance bekommen zu leben? Warum habe ich mit zweiundzwanzig die Basedow‘sche Krankheit bekommen? Warum kämpfen wir selbst jetzt noch darum, Kinder zu bekommen? Warum, warum, warum? Ich hatte einen Tiefpunkt in meinem Leben erreicht. Mein Glaube war bis ins Mark erschüttert. Ich musste wieder neu mit Gott in Verbindung treten, und diese Werbetafel regte mich an, meine Beziehung zu meinem Schöpfer wieder neu zu beleben. Wir „redeten“ eine ganze Weile miteinander. Während der restlichen Woche verschwendete ich kaum einen Gedanken an dieses Plakat. Es stand immer noch da mit seiner einfachen, ungeschminkten Botschaft. Ich fragte mich, wer es wohl aufgestellt hatte und was derjenige damit bezweckte. An keiner Stelle waren
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Namen oder Sponsoren aufgeführt. Trotzdem suchte ich nach eigennützigen Motiven und nahm an, dass es von irgendeiner Kirche aufgestellt worden war, die auf „Seelenfang“ aus war. Erst an jenem Wochenende, als ich mit meinem Mann David mit dem Auto unterwegs war, änderte sich meine Einstellung. Wir fuhren in recht hohem Tempo über die Autobahn, als ich es entdeckte. Wieder war es ein schwarzes Plakat mit einfacher weißer Schrift. „Brauchst du Führung? – Gott“, stand da. Ich schrie beinahe: „Dave, sieh nur. Wieder ein Zeichen von Gott!“ Mein Mann erschrak so sehr, dass er fast die Kontrolle über den Wagen verlor. „Um Himmels willen“, fuhr er mich an, „mach das nicht noch einmal!“ Er verrenkte den Hals, um zu sehen, was ich meinte. „Oh ja, ich sehe es. Als du sagtest, es sei ein Hinweis von Gott, hatte ich erwartet, dass sich der Himmel öffnet und Engel erscheinen!“ Wir lachten über seinen Witz, überlegten, wer diese Plakate wohl aufgestellt hatte, und hingen dann wieder unseren Gedanken nach. Ich dachte: Vielleicht gibt Gott uns tatsächlich Hinweisschilder auf unserem Weg. Vielleicht sogar in Form von Werbetafeln. Wer weiß? Das war vielleicht ein Stoß in die richtige Richtung. Und, dachte ich, ich brauche tatsächlich Hilfestellung, Herr. Führe mich. Von da an begann ich, ganz bewusst auf diese Hinweisschilder Gottes zu achten. Ich fand insgesamt siebzehn unterschiedliche Plakate. Sie waren überall aufgestellt, auf dem Land und an viel befahrenen Schnellstraßen. „Erinnerst du dich noch an diese Sache mit der Nächstenliebe? Ich habe das ernst gemeint.“ Oder: „Wenn du meinen Namen weiterhin missbrauchst, werde ich die Rushhour verlängern.“ Alle trugen dieselbe Unterschrift: Gott.
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Wohin ich auch fuhr, diese Werbeplakate sprachen zu mir, wenn ich Antworten oder Ermutigung besonders dringend brauchte. Vielleicht hat doch Gott seine Hand dabei im Spiel, dachte ich, und er versucht mir etwas zu sagen. Das wurde mir in einer hitzigen Diskussion zwischen Dave und mir klar. Meine Fehlgeburten, der emotionale Stress der Fruchtbarkeitsbehandlung und die daraus entstandenen finanziellen Schwierigkeiten belasteten unsere Beziehung. Ich war desillusioniert – von der Liebe und vom Glauben. Wir stritten gerade sehr heftig, als wir mit dem Wagen an einer Werbetafel vorbeifuhren, deren Botschaft ganz bestimmt uns galt: „Die Hochzeit hat mir gefallen. Jetzt ladet mich in eure Ehe ein. – Gott.“ Wir erstarrten. Diese Botschaft rief uns in Erinnerung, von wem wir die Kraft und den Glauben zum Weitermachen bekommen konnten. Gott hatte uns zusammengeführt und aus irgendeinem Grund hatte er diesen Schmerz in unserem Leben zugelassen. Er würde uns helfen, ihn zu überwinden, wenn wir uns an ihn wendeten. Das war ein ganz wichtiger Augenblick für uns. Diese einfache Erinnerung rückte unseren Blick wieder zurecht. Es fällt schwer, loszulassen und Gott machen zu lassen, wenn man sich etwas sehnlichst wünscht. Die schwierigste Lektion, die ich lernen musste, war, dass Gottes Wille nicht immer mein Wille ist. Selbst jetzt noch wehre ich mich gegen Dinge, die ich nicht verstehe und die in meiner Welt keinen Sinn zu ergeben scheinen. Ich weiß jedoch, ich kann ruhig sein in dem Wissen, dass Gott einen Plan für mich hat. Ich brauche ihn nicht immer sofort zu verstehen. Zu seiner Zeit wird alles offenbar werden. Ich habe nie erfahren, wer diese Werbetafeln aufgestellt hat oder welchem Zweck sie dienten, aber ich bin
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sicher, der Grund dafür war kein persönliches Gewinnstreben. Nach und nach verschwanden diese Werbetafeln und die übliche Werbung für Radiosender, Restaurants und andere Handelswaren trat an ihre Stelle. Ich bin traurig, dass sie nicht mehr da sind. Ich hoffe, dass diese Botschaften auch anderen so viel bedeutet haben wie mir. Vielleicht wurden dadurch auch andere Menschen für immer verändert, so wie es bei mir der Fall war. Wenn ich jetzt entmutigt oder verärgert bin, erinnere ich mich ganz besonders an ein Plakat: „Ich liebe dich … Ich liebe dich … Ich liebe dich …“ Gott.
Die Weihnachtskrippe zu Ostern Von Cindy Appel, Crestwood, Missouri
Sie war einfach zu schön, um sie einzupacken, deshalb ließ ich sie stehen, gut sichtbar auf dem obersten Regalbrett unseres Bücherregals im Wohnzimmer. Mitte Januar fiel sie meinem Mann ins Auge. „Warum hast du die Weihnachtskrippe nicht zusammen mit der restlichen Weihnachtsdekoration eingepackt?“, fragte er. „Na ja, das wollte ich eigentlich“, erwiderte ich, „aber ich habe es einfach nicht übers Herz gebracht, diese zarten Porzellanfiguren in muffiges Zeitungspapier zu wickeln und in einer alten Schuhschachtel zu verstauen.“ „Ja, sie sind wirklich hübsch … Ach, na gut, dort oben werden sie keinem auffallen. Sonst würden wir sicher für verrückt erklärt“, murmelte er, als er den Raum verließ.
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