w w w . l y dia . n e t
Persönlich. Echt. Lebensnah. D 12013 ISSN 0939-138X
2/2014 sfr 5,60 3,20 (A)
3,10
Beziehungen
Mut zu gesunden Grenzen
M ag g i e G o b r a n
„Mutter Teresa von Kairo”
M o bb i n g
Nicht allein im dunklen Tal
Mentoring
Darf ich von dir lernen? Karin Schmid
Falsche
Erwartungen entlarven
Was sieht Gott, wenn er auf mich blickt? Ist es für ihn nicht viel entscheidender, ob es in meinem Inneren „aufgeräumt“ ist statt in meiner Wohnung? Sind die erledigten Hausaufgaben für ihn wichtiger oder die Haltung, mit der ich dabei meiner Tochter begegne? Statt wie ich auf die richtige Frisur zu achten, achtet er auf den Blick, den ich meinem Mann zuwerfe.
Aus: Ein Tr aum
w i r d wa h r
(G e r t h M e d i e n )
Saskia BarthelmeSS
Ganz persönlich Ellen Nieswiodek-Martin
Bilder im Kopf entstehen, ohne dass wir es merken. Schwierig wird es, wenn wir andere danach beurteilen.
Schönes kompliziertes Miteinander … In jedem Menschen steckt die Sehnsucht nach Gemeinschaft. Der tiefe Wunsch, gesehen, gehört, gemocht zu werden. Es hilft uns, wenn wir unsere Gedanken und Sorgen mit einem anderen Menschen teilen können. Auch die schönen Erlebnisse machen mehr Spaß, wenn wir sie mit anderen gemeinsam erleben dürfen. Aber das Miteinander ist nicht immer leicht. Je näher uns andere Menschen sind, desto komplizierter wird es oft. Das hat unterschiedliche Ursachen. Eine davon könnte sein, dass wir uns bewusst oder unbewusst ein Bild vom anderen machen. Das beeinflusst dann die Art, wie wir dieser Person begegnen. Die folgende Geschichte habe ich vor einiger Zeit gehört, sie bewegt mich immer wieder: Eine Frau hat ihren Einkaufsbummel beendet und betritt ein Schnellrestaurant. Dort kauft sie sich eine Gulaschsuppe. Sie trägt den dampfenden Teller an einen der Stehtische und hängt ihre Handtasche und ihre Tüten darunter. Dann geht sie noch einmal zur Theke, um einen Löffel zu holen. Als sie zurückkehrt, sieht sie am Tisch einen dunkelhaarigen Mann stehen, der ihre Suppe löffelt. ‚Typisch Ausländer, was fällt dem ein!‘, denkt sie empört. Sie drängt sich neben ihn, sieht ihn böse an und taucht ihren Löffel ebenfalls in die Suppe. Der Mann stutzt. Dann rückt er den Teller etwas weiter in ihre Richtung und lächelt sie freundlich an. Die beiden löffeln gemeinsam den Teller leer. Nach der gemeinsamen Mahlzeit verabschiedet er sich höflich. Als die Frau ebenfalls gehen will und nach ihren Taschen greift, sind diese fort. ‚Also doch ein hinterhältiger Betrüger. Das hätte ich mir gleich denken können!‘, geht es ihr durch den Kopf. Mit hochrotem Gesicht schaut sie sich um. Der Mann ist verschwunden. Doch
unter dem Nachbartisch sieht sie ihre Taschen hängen. Und obendrüber steht ein Teller Suppe. Sie ist inzwischen kalt geworden. Bilder im Kopf entstehen, ohne dass wir es merken. Schwierig wird es, wenn wir andere danach beurteilen. Auch meine Beziehung zu Gott wird beeinflusst durch das Bild, das ich von ihm habe. Und dieses hängt unter anderem von den Erfahrungen ab, die ich als Kind mit meinen Eltern und meinem Umfeld gemacht habe. Ein Grund mehr, genau hinzuschauen und wahrzunehmen, welche inneren Bilder meinen Glauben und mein Verhalten prägen. Denn unsere Beziehung zu Gott ist die Grundlage für alles andere. Manchmal kann es passieren, dass ich mein Bild von jemandem korrigieren muss. Das verändert meine Erwartungen – und mein Verhalten. Und dadurch auch meine Beziehungen. In dieser Ausgabe finden Sie etliche Artikel zum Thema Miteinander. Wir haben versucht, die unterschiedlichen Facetten und Beziehungen zu beleuchten. Welche Erfahrungen haben Sie mit den unterschiedlichen Beziehungen gemacht? Wie immer interessieren uns Ihre Geschichten und Ihre Meinung zum Thema. Ich wünsche Ihnen viel Gewinn beim Lesen, Ihre Ellen Nieswiodek-Martin Besuchen Sie uns doch mal auf Facebook: www.facebook.com/ Lydia.Frauenmagazin
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{persönlich} 3 Ganz persönlich Schönes kompliziertes Miteinander ... – Ellen Nieswiodek-Martin 12 Allerbeste Freundin fürs Leben? Warum mein Herz nicht nur einer, sondern vielen Frauen gehört Heike Malisic 22 Der zerrissene Schuldschein – Simone Bartels 32 Maggie Gobran, „Mutter Teresa von Kairo“: Stark sein für die Schwachen – Sonja Kilian 42 Das größte Geschenk Vom Kinderheim zum Familiennest: Die Adoption war mein größtes Wunder, doch Wunder sind nicht immer leicht! – Natalie Schröder 46 Diagnose Krebs – Anita Schieber 68 Unsere Geschichte „Wir lieben uns trotzdem!“ Cae und Eddie Gauntt
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Allerbeste Freundin fürs Leben?
72 Heilige heute Frauen wie wir • Auf dem Gang zum Traualtar Luisa Seider • Blumen von Gott Michaela Thiele • Die Sternschnuppe Lilly Enns • Abenteuer in Neuseeland Tabea Lesch • Kirche auf dem Spielplatz Daniela Merkert
Falsche Erwartungen entlarven 6
Anerkennung und Bestätigung bekommen wir von Gott – nicht durch unsere Beziehungen. Interview mit Karin Schmid
T i te l f o t o : A n tj e U h l i r s c h
{echt} 14 Meine Meinung Hatten Sie schon einmal einen schweren Konflikt? Wie konnten Sie ihn lösen? 16 Zäune der Freiheit Sinnvoll Grenzen setzen Roswitha Wurm 20 Girl Talk Mobbing: Das „dunkle Tal“ meiner Schulzeit Benita Walter 26 Darf ich von dir lernen? Viele junge Frauen sind auf der Suche nach Mentoring-Beziehungen – Anne Löwen 58 Der vergessene Bräutigam Warten auf Jesus – voller Liebe und Vorfreude – Ines Maynard 81 Sag mal, ... Fragen an Michal 82 Nachgedacht Das Unkraut in meinem Leben Sonja Kilian
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Das größte Geschenk
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Maggie Gobran „Mutter Teresa von Kairo“
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{inhalt}
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Cae & Eddie Gaunt:
Lieben, Streiten, versöhnen
{lebensnah} 18 Nachgefragt Ich gebe zu viel Geld aus! – Annemarie Pfeifer 29 Wut im Rapsfeld – Eva Ricarda John
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Pflegekinder sind Wundertüten!
30 Hebammen bangen um ihre Existenz Saskia Barthelmeß 36 Pflegekinder sind Wundertüten! – Marita Wohlgemuth 40 Das große Brüllen – Johanna Gottschalk 50 Unter uns Müttern Gottes Topmodels – Saskia Barthelmeß 52 Jona beschützen – Titus Müller 54 Hilfe, mein Mann wird Rentner! – Andreas Malessa 64 Ehe: Streng geheime Pläne – Jeff und Cheryl Scruggs
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Der vergessene Bräutigam
{service} 10 Für Sie gelesen 34 Liebe Leser 40 Schmunzeln mit LYDIA 62 LYDIA kreativ – Imke Johannson 76 Gut informiert, Neu inspiriert 80 Leserbriefe 81 Impressum
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L y dia
Interview mit Karin Schmid
Erwartunge Falsche Erwartungen entlarven
Karin Schmid begleitet junge Menschen, predigt, organisiert die jährliche „Ladies Conference“ und hat schon drei Bücher geschrieben. Zusammen mit ihrem Mann Dan leitet die Schweizerin das ICF (International Christian Fellowship) in Stuttgart, eine überkonfessionelle Freikirche. Wie schafft sie es, trotz wachsender Gemeinde und vielfältiger Aufgaben nicht auszubrennen? „Ich übergebe gerne Verantwortung an Jüngere“, sagt sie. „Ich muss nicht alles selbst machen.“ Im LYDIA-Interview erzählt sie, wie sie sich im Alltag von Gott führen lässt, und erklärt, warum es wichtig ist, Freundschaften von unrealistischen Erwartungen zu befreien.
Die Frage ist, wie ich Freundschaft definiere. Ich trenne nicht zwischen privaten und beruflichen Kontakten. Viele ehrenamtliche Mitarbeiterinnen in unserer Kirchengemeinde sind gute Freundinnen geworden. Wir arbeiten nicht nur zusammen, sondern tauschen uns aus und besuchen uns gegenseitig. Aber ich habe auch Freundinnen außerhalb der Gemeinde. Mit einer Freundin habe ich jeden Morgen ein kurzes Skype-Meeting*. Zusammen beten wir für unsere Familien und die Gemeinde. Tagsüber halten wir Kontakt per SMS. Dadurch sind
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wir sehr intensiv miteinander verbunden. Mit einer anderen Freundin telefoniere ich einmal in der Woche, und wir beten miteinander. Mit meiner Freundin Sibylle treffe ich mich einmal im Jahr. Dann verbringen wir eine ganze Woche zusammen, teilen uns das Zimmer und tauschen uns sehr intensiv aus. * Telefonieren übers Internet
Das hört sich sehr strukturiert an. Gibt es auch jemanden, der einmal im Monat dran ist?
(lacht) Nicht alles ist so durchorganisiert. Zwischendurch treffe ich auch spontan Freundinnen aus der Region, oder wir treffen uns als Familien. Dann gibt es natürlich noch unsere Verwandten.
F o t o : A n tj e U h l i r s c h
Karin, Sie haben vor Kurzem ein Buch über Beziehungen geschrieben. Haben Sie neben Ihren vielen Aufgaben überhaupt Zeit, um Freundschaften zu pflegen?
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Freundschaft
Heike Malisic
ABFFL
Allerbeste .. Freundin furs Leben? Warum mein Herz nicht nur einer, sondern vielen Frauen gehört
„Estella ist meine ABFFL“, erklärt mir meine Tochter mit glücklicher Miene. Natürlich weiß ich als Mutter einer Zwölfjährigen, was das ist. ABFFL: Allerbeste Freundin fürs Leben. Ihre ABFFL wechseln allerdings immer mal wieder, und eine Reihe anderer Freundinnen gesellen sich dazu. Ich bin froh darüber, ist es mir als Mutter doch fast ein bisschen wichtiger, wie meine Kinder die Pausen verbringen als den Unterricht. Ich selbst gehörte in jungen Jahren durchaus nicht zu den Mädchen, um die sich andere bemühten. Ich war nicht im Kreis der Beliebten, deren beste Freundin man unbedingt sein wollte. Es gab Zeiten, da stand ich in der Pause alleine auf dem Schulhof. Das hat sich nicht gerade positiv auf mein Selbstwertgefühl ausgewirkt, und ich war dankbar, wenn ich wenigstens eine Freundin hatte.
Besondere Wegbegleiter Schon als kleines Mädchen hatte ich den großen Wunsch, eine beste Freundin zu haben. Eine, der ich alles erzählen kann, die zu mir hält, mit der ich durch dick und dünn gehe, mit der ich in der Pause auf dem Schulhof stehe. Wenn ich schon nicht viele Freundinnen haben konnte, dann doch wenigstens diese eine, besondere. Und
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ich wollte jemandes ABFFL sein. Dieser innige Wunsch saß tief in meinem Herzen: von jemandem der liebste Freund zu sein, geliebt zu werden, ohne Konkurrenz. Ich hatte mehrere solcher Freundinnen, die ich ganz tief in mein Herz geschlossen hatte. Aber immer nur für eine begrenzte Zeit, denn als Kind musste ich oft den Wohnort wechseln. Das Abschiednehmen
von Freundinnen gehörte für mich zum Alltag. Das Finden einer neuen Freundin auch. Wenn das Kostbarste zerbricht Und dann, Jahre später, als erwachsene Frau, änderte sich die Situation. Nun war ich nicht mehr diejenige, die sich um Freundschaften bemühen musste. Ich war diejenige, deren Freundin andere sein wollten. Ob das nun an mir lag oder daran, dass ich die Frau des Pastors und Buchautorin war, kann ich nicht sagen. Ist mir auch ein bisschen egal. Aber jetzt befand ich mich in der Situation, Freundinnen wählen zu können. Eine völlig neue Perspektive, und ich genoss sie. So schloss ich mit einigen Frauen sehr intensive Freundschaften. Ich machte es zwar nicht öffentlich, aber ich gab in meinem Herzen jeder Freundschaft einen bestimmten Stellenwert. Und dann musste ich feststellen, dass selbst die engste, tiefste und vertrauteste Freundschaft zerbrechen kann. Durch ein
einschneidendes Erlebnis erfuhr ich, dass beste Freundschaften von heute auf morgen vorbei sein können. Dass die ganze Vertrautheit plötzlich nur noch eine Angriffsmöglichkeit für das eigene Herz bedeutet. Für mich war in diesem Moment klar: „Ich will nie wieder so eine enge Freundschaft in meinem Leben zulassen.“ Das alles habe ich natürlich ganz cool und heilig verpackt. Ich habe behauptet, alles vergeben zu haben, und mit einem Schulterzucken das Geschehene abgetan, so, als wäre es nie passiert. Mein Kopf wollte es so sehen, aber meinem Herzen konnte ich nichts vormachen. Immer wieder hat mich dieses Erlebnis eingeholt, und Jahre später wurde mir klar, dass diese Narbe noch tief in meinem Herzen saß. Versöhnende Worte und neue Hoffnung Ich wollte diese zerbrochene Freundschaft nicht wieder aufnehmen, aber auch nicht so tun, als hätte es sie nie gegeben. Es waren schöne Jahre mit meiner damaligen
ABFFL. Wir haben viel gemeinsam unternommen, gelacht, geweint, gebetet und so einige Abenteuer miteinander erlebt. Sie war für mich da, und ich für sie. Fünf Jahre nach unserem Zerbruch habe ich ihr eine Karte zu ihrem 50. Geburtstag geschrieben. Ich wollte ihr gratulieren und ihr vermitteln, dass ich jedes Jahr und immer mal wieder an sie denke. Prompt kam eine E-Mail zurück. Damit konnte ich diese Episode ohne wehmütigen Beigeschmack in meinem Herzen abschließen. Platz für viele Ich fing an, mein Herz wieder zu öffnen, wollte aber, dass mehrere Freundinnen gleichzeitig darin Platz finden. Ich wollte keiner den Vorrang geben und auch für niemanden mehr eine ABFFL sein. Eine Ausnahme bildet vielleicht meine Freundin Karin. Mit ihr verbindet mich mehr als nur Freundschaft. Durch sie habe ich zum Glauben gefunden – das ist ein Band, das uns sehr stark zusammenhält. Sie wohnt
mittlerweile 700 Kilometer von mir entfernt, doch unsere Freundschaft ist oft nur einen Telefonanruf weit weg. Wieder war es dann mein Töchterchen, das mir die Regeln der Frauenfreundschaften erklärte: „Ich habe zwar eine ABFFL, aber auch viele Freundinnen für unterschiedliche Bedürfnisse. Lena ist eine Redefreundin, Michele eine Lustig-seinFreundin, Jenny eine Shoppingfreundin und Anna eine Kuschelfreundin. Jede ist in ihrem Ding gut, aber mit keiner kann ich alles machen.“ So erlebe ich es seit einigen Jahren auch. Es gibt Freundinnen, mit denen ich beten und tiefgehende Gespräche über den Glauben führen kann. Mit anderen Freundinnen gehe ich auf Konzerte oder ins Kino. Es gibt Redefreundinnen und Zuhörfreundinnen. Mit manchen gehe ich aufs Volksfest, mit anderen sitze ich in der Gebetsstunde. Es gibt Arbeitsfreundinnen wie Beate und Frisörinnenfreundinnen wie Liana. Fortsetzung auf Seite 15
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Beziehungen
Roswitha Wurm
Zäune der Freiheit Sinnvoll Grenzen setzen
Meine beiden Söhne waren in Kindergarten und Schule, das Baby schlief und ich kochte unser Mittagessen. Während ich die Gemüsesoße für das Nudelgericht umrührte, lauschte ich den sanften Klängen von Panflötenmusik. Erst wenige Wochen zuvor waren wir von einer kleinen Stadtwohnung in eine geräumige Gartenwohnung umgezogen. Obwohl unser Vorgarten noch einem Acker glich, genoss ich es, durch die Terrassentür die milde Frühlingsluft in unser neues Zuhause strömen zu lassen.
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lötzlich legte sich von hinten eine kalte Hand auf meine Augen und zog mich vom Herd weg. „Hallo!“, sagte eine schrille Frauenstimme. Ich wirbelte herum und blickte in die Augen einer etwa gleichaltrigen Nachbarin, die ich am Vortag auf dem Spielplatz unserer Wohnanlage kennengelernt hatte. Vor Schreck zitternd, fragte ich: „Wie bist du hereingekommen?“ – „Natürlich durch die Terrassentür!“, erklärte sie. „Es ist praktisch, dass eure Hecke noch so niedrig ist.“ Begeistert von ihrem Einfall, plauderte sie munter drauflos und schmiedete Pläne für die gemeinsame Nachmittagsgestaltung mit unseren Kindern. So sehr ich mir Freundschaften in der neuen Umgebung wünschte – ich fühlte mich überrumpelt! Bevor ich meine Söhne von Schule und Kindergarten abholte, trat ich in unseren Garten. Zu meinem Erstaunen entdeckte ich dort eine halbverwelkte Pflanze in meinem frisch angelegten Beet, die ich dort nicht eingesetzt hatte. Als ich mich suchend umsah, winkte mir eine andere Nachbarin vom Spielplatz zu und rief: „Im Supermarkt wollte eine Angestellte diese Pflanze gerade in den Abfalleimer werfen. Da dachte ich,
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das ist doch schade. Die könntest du doch in dein Beet setzen. Weil du vorhin nicht zu Hause warst, habe ich die Pflanze gleich für dich eingepflanzt. Das ist dir doch recht?“ Am Nachmittag stillte ich gerade unser Baby, als es energisch ans Wohnzimmerfenster klopfte. Der Briefträger winkte mit einem Päckchen und bedeutete mir, das Fenster zu öffnen. Hastig stand ich mit dem Baby im Arm auf und nahm verlegen das Päckchen entgegen. Ich bemühte mich, die aufdringlichen Blicke des Postbeamten zu übersehen. Als ich auf das Sofa zurücksank, wusste ich: Es gibt nur eine Lösung. Ein Zaun muss her! Störende Zäune? Mittlerweile leben wir schon viele Jahre in dieser Wohnung. Ein Zaun umgibt unsere beiden Gärten; eine mannshohe Hecke schützt uns vor den Blicken neugieriger Nachbarn. Der Briefträger muss sich bequemen, an der Tür zu klingeln. Manche Bewohner unseres Hauses stoßen sich an der Hecke und empfinden sie als Störung. Andere wiederum sagen uns, dass sie ein schöner grüner Farbfleck in der Landschaft sei.
Wir lieben es, als Familie Gäste zu haben. So mancher klingelt spontan bei uns und bleibt für eine Weile. Da ist es von großem Vorteil, wenn man nicht plötzlich von hinten auf die Schulter getippt wird, sondern die Besucher durch die Wohnungstür in unser Zuhause treten. Dann haben wir die Chance, ihnen freiwillig die Tür zu öffnen und sie als unsere Gäste willkommen zu heißen. Passt es gerade nicht so gut, können wir die Tür geschlossen lassen. Notwendige Zäune Unser Garten, der nun durch einen Zaun geschützt ist, stellt für mich ein Bild meines Lebens dar. Viele Jahre hatte ich – ohne auf meine Kräfte und tatsächlichen Fähigkeiten zu achten – stets auf die Wünsche und Anfragen anderer mit „Ja“ geantwortet. Denn es war doch offensichtlich: Die anderen brauchten mich, wie sie mir immer wieder versicherten. Außerdem war es schön, gebraucht zu werden. Doch ich merkte nicht, dass ich mich selbst nach und nach aufgab und nur noch nach den Wünschen anderer lebte. So füllte sich mein Garten buchstäblich mit den verwelkten Pflanzen anderer Leute. Ihre Lebensmühe wurde zu meiner Not, ihre Sorgen lasteten auf mir und ihre Zeitvorstellungen wurden mein Tagesplan. Irgendwann war es geschehen: Meine Lebensfreude war dahin. Und obwohl alle beteuerten, wie sehr sie mich dafür mochten, dass ich für ihre Anliegen stets ein offenes Ohr hatte, fühlte ich mich ungeliebt. Fortsetzung auf Seite 19
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Fotos: Hilfsak tion Mär t yrerkirche
Maggie Gobran
Stark sein für
„Mutter Teresa von Kairo“
die Schwachen Maggie Gobran führte ein bequemes und behütetes Leben. Als Informatikprofessorin unterrichtete sie Studenten an der amerikanischen Universität in Kairo. Dann besuchte die koptische Christin die Elendsviertel am Rande der ägyptischen Hauptstadt. Das Leid, das sie dort erlebte, ließ ihr keine Ruhe und veränderte ihr ganzes Leben. Die zweifache Mutter kehrte dem Wohlstand den Rücken, um in den Slums von Kairo verarmten Familien zu helfen. Vor allem die Kinder liegen der Ägypterin am Herzen. 1989 gründete sie die Hilfsorganisation „Stephen’s Children“, die die 65-Jährige bis heute leitet. Das Hilfswerk unterhält zahlreiche Bildungszentren in ganz Ägypten und beschäftigt etwa 1.500 Mitarbeiter. Mama Maggie, wie die Kinder sie rufen, wurde bereits fünfmal für den Friedensnobelpreis nominiert.
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Mama Maggie, vor über 20 Jahren gründeten Sie die Organisation „Stephen’s Children“. Wie kamen Sie auf die Idee?
Ich komme aus einer wohlhabenden Familie. Aber als ich begann die armen Gebiete zu besuchen, merkte ich sehr schnell, dass dies meine Berufung ist. Ich brachte nicht nur Geschenke dorthin, sondern ich ließ mein Herz dort. „Wenn du uns helfen willst, dann hilf unseren Kindern!“, sagte damals eine Mutter zu mir. Mir war klar, dass meine Studenten an der Uni in Kairo andere gute Dozenten finden würden. Diese Kinder aber brauchten jemanden, der sich wirklich um sie kümmerte. Niemand füllte diese Lücke aus. Gott hat einen Plan für jeden Einzelnen von uns. Das ist der Grund, warum ich hier bin. Ich kann nicht entscheiden, wo ich geboren werde und wer meine Eltern sind. Aber ich kann entscheiden, was ich mit meinem Leben mache. Jesus selbst ist ein Vorbild für uns: Er kam in sehr ärmliche Bedingungen hinein. Er hätte im Himmel bleiben können, aber er entschied sich für das Niedrigste. Sie sind eine verheiratete Frau und Mutter zweier erwachsener Kinder. Dennoch tragen Sie immer weiße Kleidung, fast wie eine Ordensfrau. Wie kommt das?
Ich war früher sehr modebewusst. Die schlichte weiße Kleidung trage ich, um Unabhängigkeit von Wohlstand und Mode zu zeigen. Es kommt mehr auf die innere als auf die äußere Schönheit an. Was tut „Stephen’s Children“ genau?
Wir unterhalten Zentren, in denen Kinder lesen und schreiben lernen. Junge Menschen erlernen einen Beruf. Manchmal bringen wir die Kinder für ein paar Tage aus ihrem Alltag heraus auf eine Freizeit. Wir essen, schlafen, beten und spielen zusammen. Sie sind wie meine eigenen Kinder. Auch für Erwachsene haben wir Angebote. Beispielsweise ermutigen und schulen wir Mütter. „Stephen’s Children“ arbeitet mit verschiedenen regierungsunabhängigen Organisationen zusammen. Sie sind bekennende orthodoxe Christin und leiten eine große Arbeit. Wie ist das möglich in einem muslimisch geprägten Land?
Eigentlich ist es unmöglich! Das meine ich wirklich. Wenn man hier schon lange
gelebt hat, weiß man, wie unmöglich das ist. Viele Geschäftsleute sagten mir, dass sie meine Idee fantastisch fänden, aber es sei unmöglich, sie umzusetzen. Die Regierung würde das nicht erlauben. Doch „Stephen’s Children“ existiert. Weil Gott dahintersteht. Er hat das Unmögliche möglich gemacht. Danach gratulierten mir viele. Gratulieren Ihnen auch Muslime?
Besonders nachdem ich für den Friedensnobelpreis nominiert wurde, sind auch die Muslime begeistert. Besonders viele Journalisten sind glücklich, weil sie das Gefühl haben: „Das ist gut für unser Land, für die ganze Welt, weil wir etwas für die Armen tun.“ Wir geben denjenigen eine Stimme, die keine eigene Stimme haben.
Ich kann nicht entscheiden, wo ich geboren werde und wer meine Eltern sind. Aber ich kann entscheiden, was ich mit meinem Leben mache. Können Sie denn den christlichen Glauben auch an Muslime weitergeben?
Unser Ziel war zunächst, traditionellen Christen von Jesus zu erzählen. Laut Gesetz dürfen wir nämlich nur Christen etwas vom Glauben weitersagen – Muslimen nicht. Aber wir eröffnen jetzt auch Schulen und Bildungszentren, die jedem zugänglich sind. Dort werden christliche Werte gelebt. Wir respektieren einander in Liebe. Meistens werden diejenigen beschenkt, die etwas geben. Wenn Menschen dieses Prinzip begreifen, wird die gesamte Gesellschaft davon profitieren. Das gilt auch für die ganze Welt. Egal, was wir geben – es wird zu uns zurückkommen. In Ägypten wurden zahlreiche Kirchen und christliche Einrichtungen angegriffen und niedergebrannt. Konnten Sie Ihre Arbeit bisher immer ungehindert tun?
Es gab auch bei uns Bedrohungen. Wer einen solchen Dienst tun will, muss mit Herausforderungen rechnen. Wenn du
dazu bereit bist, wirst du Erfolg haben. Wenn du nicht bereit bist für Herausforderungen, dann weiß ich nicht, ob etwas daraus wird. Haben Sie deshalb Ihrer Organisation den Namen „Stephen’s Children“ gegeben?
Ja. Stephanus war der erste Märtyrer. Als er wegen seines Glaubens gesteinigt wurde, sah er den Himmel offen stehen. Jeden Tag finden wir unseren Namen passender – wegen der vielen Herausforderungen, denen die Kinder begegnen, zum Beispiel in der Schule. Ich glaube, dass in solchen Momenten der Himmel offen steht. Wir müssen nur nach oben sehen. Aber manchmal sind wir zu beschäftigt, um aufzuschauen. Was erleben die Kinder in der Schule?
Es gibt Schüler, die vom Lehrer benachteiligt werden, nur weil sie Mary oder Peter oder John heißen – also einen Namen haben, der offensichtlich christlich ist. Sie fragen sich, was sie falsch gemacht haben. Ist es etwa nicht richtig, an Christus zu
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.. Das groSSte n ata l i e s c h r ö d e r
Geschenk Vom Kinderheim zum Familiennest: Die Adoption war mein größtes Wunder, doch Wunder sind nicht immer leicht!
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Kinder
„Gott“, betete ich, als ich ungefähr zehn Jahre alt war, „bitte schick mir Eltern, die mir ein Zuhause geben!“ Ich lebte in einem Kinderheim in Kasachstan. Leider hatte ich den Ruf, das anstrengendste und frechste Kind im ganzen Heim zu sein. Dabei sehnte ich mich so sehr nach einer Familie, nach Menschen, die mich lieb hatten! Einmal stibitzte ich von einer Hilfsgütersammlung ein Kleidungsstück und erzählte den anderen Kindern, meine Oma hätte es mir geschenkt. Natürlich kam es heraus und ich wurde bestraft. Doch ich wollte so gerne jemanden haben, dem ich wichtig war. Noch ahnte ich nicht, dass Gott mein Gebet erhören und mir genau diesen Herzenswunsch erfüllen würde …
I
ch kam in einer kleinen Stadt in Kasachstan zur Welt. Meinen Vater habe ich nie kennengelernt. Er muss unsere Familie schon früh verlassen haben, denn ich kann mich an keine Zeit erinnern, in der er bei meiner Mutter wohnte. Meine Mutter war Alkoholikerin, genauso wie mein 17 Jahre älterer Halbbruder. Beide waren arbeitslos und meistens betrunken. Um das Geld für den Alkohol zu beschaffen, verkauften sie nach und nach alle Möbel und Gegenstände aus unserer Wohnung. Noch bevor ich zur Schule ging, musste ich bereits meine Familie mit Essen versorgen. Das tat ich, indem ich betteln ging. Außerdem durchsuchte ich die Mülltonnen in den Innenhöfen der Hochhäuser oder die Mülldeponie außerhalb der Stadt. Da es dort jedoch selten Lebensmittel gab, aß ich auch Reste von Zahnpasta und ähnliches. Manchmal brachte ich einen Hund mit nach Hause, den meine Mutter dann schlachtete, damit wir Fleisch zu essen hatten. Verwildert und verlaust Keiner kümmerte sich um mich. Ich konnte tun und lassen, was ich wollte. Es interessierte niemanden, wo ich meine Tage und Nächte verbrachte, und so wuchs ich ziemlich verwildert auf. Nachts schlief ich öfter in den Fluren der Häuser, in denen ich bettelte, oder fand draußen im Gebüsch einen Platz zum Schlafen. Meine Kleider
waren schmutzig. Ich trug im Winter keine Mütze, und meine Haare waren voller Läuse. Aus diesem Grund wollten andere Kinder, denen es besser ging als mir, nichts mit mir zu tun haben. In der Schule wurden wir Straßenkinder ausgelacht, und man ging uns aus dem Weg. Als ich acht Jahre alt war, erkrankte meine Mutter an Krebs. Eine Kirchengemeinde spendete uns ein Bett, auf dem sie liegen konnte. Eine Zeit lang wohnte sie bei meiner Halbschwester, die bereits verheiratet war. In dieser Zeit fand sie zu Gott und vertraute ihm ihr Leben an. Da niemand sie pflegte und wir kein Geld für einen Arzt hatten, fing sie von den Füßen an zu faulen. Ich verbrachte immer wieder Zeit mit ihr, egal, wie ihr Zustand war, da ich sie wirklich liebte. Es dauerte nicht lange, bis sie starb. Ich war zu klein, um sofort zu begreifen, was dies bedeutete. Mein Bruder trauerte nicht. Stattdessen begann er gleich nach ihrem Tod, die Bodendielen unserer Wohnung herauszureißen, um auch diese zu verkaufen, damit er sich weiter Alkohol beschaffen konnte. Bevor meine Mutter starb, bat sie, dass man mich in ein christliches Kinderheim bringen sollte. Menschen aus der Kirchengemeinde erfüllten ihr diesen Wunsch. So kam ich in ein Kinderheim in der Stadt Saran, das erst vor Kurzem eröffnet worden war und von deutschen Spendern getragen wurde.
Kinderchor und neue Hoffnung Ich wurde liebevoll aufgenommen. Alles war neu für mich, vor allem das soziale Umfeld. Da ich nie gelernt hatte, mich an Regeln zu halten, fiel mir das Einleben sehr schwer. Ich lief immer wieder weg und wurde oft bestraft, da ich mich gegen viele Dinge wehrte. Es fiel mir schwer, Verantwortung zu übernehmen und etwas regelmäßig zu machen, zum Beispiel ein Zimmer zu reinigen oder den Abwasch in der Küche zu erledigen. Die Mitarbeiter, die mir das beibrachten, brauchten viel Geduld mit mir. Im Kinderheim lernte ich mehr über Gott. Wir gingen regelmäßig in den Gottesdienst und hörten auch unter der Woche Geschichten aus der Bibel. Ich sang im Kinderchor und lernte Klavierspielen. Wir feierten gemeinsam Weihnachten und Ostern – Feste, die wir in unserer Familie nie gefeiert hatten. All das war so neu und wunderbar für mich und kam mir vor wie ein Traum. Kampf um Aufmerksamkeit Auch wenn es viele schöne Erlebnisse gab, war das Leben im Heim für mich hart. Oft sah ich, wie andere Kinder Besuch von ihren Verwandten bekamen. Zu mir kam keiner. Ich hatte nur ein Foto meiner Mutter, das ich hütete wie einen Schatz. Es gab mir das Gefühl, auch jemanden zu haben, dem ich wichtig gewesen war. Da die Mitarbeiter sehr viel zu tun hatten, konnten sie sich nicht immer so viel Zeit für jeden Einzelnen von uns nehmen. Aber ich wollte doch so gerne, dass sich jemand um mich kümmerte – um mich ganz allein! Um dies zu erreichen, war ich oft frech und ungehorsam. Das hatte zur Folge, dass die Mitarbeiter sich Zeit nahmen, um mit mir zu reden. Damit hatte ich zwar mein Ziel erreicht, machte mich im Heim jedoch noch unbeliebter.
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D 1 2 0 1 3 / Post ver triebsstück/Gebühr bezahlt/Lydia Verlag/Ger th Medien GmbH/Dillerberg 1/D -35614 Asslar-Berghausen
Das wahre Problem des Lebens ist nie die fehlende Zeit. Das wahre Problem des Lebens – meines Lebens – ist die fehlende Dankbarkeit. Ann Voskamp
A u s : „T a u s e n d G e s c h e n k e “ (G e r t h M e d i e n )