Voice 4/2014

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Die Zeitschrift der GfbV | Dezember 2014 | Nummer 4

FPIC – Free, Prior and Informed Consent

Gleiches Recht für alle Es ist schwül und heiss. Nervöse Vertreter der Goldfirma Belo Sun präsentieren in gleich 4 Reservaten der Kayapo-Indigenen im brasilianischen Amazonas ihre Pläne. Wegen grosser Goldvorkommen plant die Firma weitere Probebohrungen. Grosse Investitionen stehen auf dem Spiel, mit noch grösseren Gewinnaussichten. Die indigene Dorfgemeinschaft diskutiert lange und heftig. Während der Abstimmung müssen die Industrievertreter draussen bleiben. Endlich der Entscheid: 3 Reservate erteilen Belo Sun die Bohrgenehmigung, ein Reservat verweigert sie. Da aber gerade in diesem Reservat am meisten Gold vermutet wird, beginnt die Firma

Jubiläumsfeier 25 Jahre GfbV Nach Expertengesprächen, Podiumsdiskussionen, einer Versteigerung und Musik lassen wir im Nachklang unseres Jubiläums die Bilder sprechen. Und danken allen Sponsoren, die uns an unserer Feier unterstützt haben.

noch nicht mit den Probebohrungen und bereitet einen besseren Vorschlag vor. Alle Reservate bleiben vorerst frei von Goldgräbern.

Leider ist die Geschichte fiktiv. Wenn man hingegen die 4 Reservate mit den Gemeinden Medel, Trun, Sumvitg und Disentis in der bündnerischen Surselva ersetzt, dann stimmt sie doch: Im Sommer 2012 lehnte es die Gemeindeversammlung in Medel ab, der «Swissgold Exploration» weitere Genehmigungen für Probebohrungen zu erteilen, während Trun, Sumvitg und Disentis zusagten. Die Schweiz kennt das Mitentscheidungsrecht, für das Indigene in anderen Ländern

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noch kämpfen müssen, seit Langem. Doch Rohstofffirmen aus der ganzen Welt – häufig auch solche, die in der Schweiz beheimatet sind – weigern sich, dieses Recht den indigenen Bevölkerungen zuzusprechen. Dabei könnten gerade die Schweizer Firmen viel bewirken, da sie in ihrer Branche oftmals marktführend sind.

Dies gilt besonders für die Goldindustrie: denn 4 der 7 grössten Goldraffinierien liegen in der Schweiz.

Selbstbestimmung ist ein Menschenrecht Das freie, vorherige und informierte Einverständnis (engl. Free, Prior and Informed Consent oder FPIC) ist das wichtigste Instrument der indigenen Bevölkerung zur Durchsetzung ihres Selbstbestimmungsrechts gegenüber Staaten und Firmen. Es leitet sich aus völkerrechtlichen Abkommen wie der «Indigenenkonvention ILO 169» oder der «Erklärung der Rechte der indigenen Völker» ab. Diese Mitbestimmung bedeutet, dass die indigene oder traditionelle lokale Bevölkerung, die von einem wirtschaftlichen Projekt betroffen ist, zum Voraus informiert werden und in einem angemessenen Prozess ihr Einverständnis dazu geben muss. Zum Beispiel zum Bau einer Strasse, eines Staudamms, oder zu Rohstoff- oder Landwirtschaftsprojekten in einem indigenen Gebiet.

Das komplexe Konzept kann einfach auf den Punkt gebracht werden: Es beinhaltet das Recht, Nein zu sagen, aber auch das Recht, Ja zu sagen und insbesondere das Recht, zu sagen, wie das Projekt durchgeführt werden soll. Während in den letzten Jahrzehnten international völkerrechtlich grosse Fortschritte für die indigenen Völker erreicht wurden, ist die entsprechende Umsetzung in den einzelnen Ländern prekär.

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richt 1 700 km² Land zu – und sie erhalten dort das volle Entscheidungsrecht. Die First Nations, wie die Indigenen in Kanada genannt werden, haben bereits eine Rohstoffpolitik erarbeitet, die nicht grundsätzlich gegen den Rohstoffabbau gerichtet ist, aber die Art der Nutzung klärt und das Einverständnis der betroffenen Indigenengruppe zwingend vorgibt. Interessant ist, dass die Regierung von Kanada Ende September noch betont hat, dass die Indigenen kein Vetorecht besitzten. Glücklicherweise sehen die Gerichte dies anders. Ebenfalls überraschend sistierte das Oberste Gericht in Chile Anfang Oktober das Goldprojekt von «Goldcorp», da keine seriöse Konsultation der betroffenen indigenen Bevölkerung stattgefunden hatte. Und in Kolumbien verbot ein Gericht im September 11 Goldfirmen, auf dem Gebiet der Embera Katio-Indigenen nach Gold zu schürfen. Diese Entscheide sind nicht endgültig und nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Doch geben sie Hoffnung, dass der jahrhundertalte Kampf für Selbstbestimmung langsam Früchte trägt.

Angst vor der Mitsprache Der Widerstand gegen den FPIC kann in drei Bereiche aufgeteilt werden: Die Zentralregierung fürchtet, Macht an die Regionen

Viele Länder weichen das Selbstbestimmungsrecht auf. So sollten in Brasilien zwar die traditionell genutzten Ländereien für die Indigenen unter Schutz gestellt werden, aber zur Zeit liegen Gesetzesänderungen vor, die den Rohstoffabbau sogar im Indigenenreservat zulassen würden. Und dies ohne Vetorecht der indigenen Bevölkerung! Peru interpretiert das Einverständnis (consent) zu einer Konsultation (consultation) um, welches das so wichtige Vetorecht ebenso aufhebt. Und die von den indigenen Vorfahren abstammenden Campesinos, welche durch Jahrhunderte der Unterdrückung ihre indigene Sprache verloren haben, werden zudem seit diesem Jahr nicht mehr als Indigene bezeichnet und damit von der Selbstbestimmung ausgeschlossen. Insgesamt sieht es düster aus. Wären da nicht die indigenen Gemeinschaften und die Gerichte. Im Juni überraschte der Oberste Gerichtshof in Kanada mit einem wegweisenden Urteil: Den noch teils nomadisch lebenden Tsilhqot‘in sprach das Ge-

Foto: Vicaría de Sicuani

Regierungen verwässern den Schutz

«Gerechtigkeit und Respekt für alle!» Indigene fordern ihr Grundrecht.

und die Bevölkerung zu verlieren, da sie nicht mehr alleine entscheiden darf. Die Firmen andererseits fürchten, dass sie ihre Projekte gar nicht oder nur noch mit grösseren Kosten durchsetzen können. Und etliche Naturschutzorganisationen fürchten, dass sie ihre eigenen Ziele nicht mehr einfach durchbringen können und selber ebenfalls mehr auf die betroffene Bevölkerung hören müssen. Idealerweise sollte die Durchsetzung des FPIC dazu führen, dass zwischen den Indigenen und der Firma oder dem Staat ernsthafte Verhandlungen stattfinden, in welchen die

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Editorial Nutzungsbedingungen z.B. einer Rohstoffnutzung ausgehandelt werden. In diesem Prozess sollen schadenmindernde Massnahmen sowie eine Kompensation für die negativen Auswirkungen festgelegt werden.

Zudem soll ein Teil des geschaffenen Mehrwerts auch der Bevölkerung zugute kommen (Stichwort «benefit sharing»). Damit die Lokalbevölkerung gleichviel Macht erhält wie die Firma und nicht wie früher einfach über den Tisch gezogen werden kann, ist das Vetorecht unverzichtbar.

Transparenz als oberste Priorität Dank der Durchsetzung des FPIC können Umweltschäden und negative soziale Auswirkungen vermindert werden. Zudem kann der FPIC das Vertrauensverhältnis zwischen Staat, Firma und Lokalbevölkerung fördern, da alle Akteure am Projekt beteiligt sind und ihre Rechte einfordern können. Längerfristig soll die Nutzung dank «benefit sharing» zu einer Verbesserung der Lebenssituation der Lokalbevölkerung führen. Auch Konflikte innerhalb der Bevölkerung und Konflikte zwischen den diversen Parteien wie der Lokalbevölkerung, Firmen, staatlichen Institutionen und Nichtregierungsorganisationen sollen reduziert oder gar verhindert werden. Dasselbe gilt für illegale Aktivitäten wie Wilderei, illegale Rohstoffsuche oder Schmuggel. Damit die indigene Bevölkerung auch wirklich zu einem gleichberechtigten Verhandlungspartner wird, ist eine korrekte Umsetzung des FPIC entscheidend. Folgendes muss geklärt werden: Wie wird gewährleistet, dass die betroffene Bevölkerung ausgeglichen informiert wird und nicht einseitig durch die Firma nur von den Vorteilen hört? Wie wird gewährleistet, dass kein Druck auf die Bevölkerung ausgeübt wird, dass nicht einfach ein paar Meinungsträger, respektive Häuptlinge, geschmiert werden? Es wird daher in Zukunft immer wichtiger, dass Transparenz geschaffen und offen informiert wird, unter welchen Bedingungen die Nutzung stattfindet und was die Bevölkerung ausgehandelt hat. Und ebenso klar ist, dass eine freiwillige Absichtserklärung, den FPIC anzuwenden, nicht reicht. Es braucht gesetzliche Grundlagen, die das Mitbestimmungsrecht der Indigenen garantieren und wiederkehrende unabhängige Kontrollen, die dafür sorgen, dass diese Rechte eingehalten werden.

Text: Christoph Wiedmer

Es war ein rauschendes Jubiläum, das am 8. November im Hotel National über die Bühne ging. Julia Cuadros präsentierte eindrückliche Fakten zur Goldproduktion in Peru. Rund die Hälfte des peruanischen Goldes verarbeiten Schweizer Raffinerien. Äusserst bewegend war das Podium mit einem Tamilen der ersten und einer Tamilin der zweiten Generation. Mit grosser Ehrlichkeit, aber auch viel Humor, wurde über die Herausforderungen der tamilischen Diaspora in ihrem Leben zwischen der tamilischen und Schweizer Kultur und der schwierigen Verarbeitung des blutigen Bürgerkriegs in Sri Lanka diskutiert. Und sehr gerne erinnere ich mich an die rassigen Rhythmen und die eindrückliche Stimme von Esma Redžepova und ihrer Band. Sie setzte einen emotionalen musikalischen Akzent, der auch in die Beine ging. Sie finden in dieser Voice viele Fotos des Jubliläums.

Gleich nach der Feier hat uns die Arbeit wieder in Beschlag genommen. Wir setzen uns in dieser Voice ausführlich mit dem Mitbestimmungsrecht der indigenen Völker auseinander, dem Mitentscheidungsrecht – oder auf Englisch dem «Free, Prior and Informed Consent». Die GfbV ist zur Zeit in die Kommentierung und Prägung verschiedenster Initiativen und Zertifizierungsbestrebungen involviert, welche die Mitbestimmung der indigenen Bevölkerung regeln sollen. Dieses Instrument wird zum Beispiel in der Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker eingefordert. Aber die Umsetzung in den einzelnen Staaten wird nicht oder absolut ungenügend angegangen. So wird meist aus dem eindeutigen Begriff «consent» (Einverständnis) einfach «consultation» (Konsultation) gemacht, womit die ursprünglich angestrebte Selbstbestimmung zunichte gemacht wird. Und der Kreis der Menschengruppen, die sich als «indigen» bezeichnen dürfen, wird so sehr eingeschränkt, dass viele von indigenen abstammenden Gruppierungen keinen Anspruch mehr auf Selbstbestimmung haben. Unsere neu eingestellte Grafikerin Tania Brügger Marquez veranschaulichte diese Informationen in einer Infografik.

Auch finden Sie ein Interview mit unserem Jubiläumsgast aus Peru, Julia Cuadro, und Informationen zur beunruhigenden Situation der Roma in Ungarn.

Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre Christoph Wiedmer, Geschäftsleiter GfbV

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FPIC

- Free, Prior and Informed Consent - das freie, vorherige und informierte Einverständnis

= das wichtigste Instrument der indigenen

Bevölkerung und der traditionellen lokalen Bevölkerung zur Durchsetzung ihres Selbstbestimmungsrechts. Es entspricht dem demokratischen Mitentscheidungsrecht, das die Schweiz durch die Gemeindeautonomie seit Langem kennt.

Heisst, dass die indigene Bevölkerung,

bei einem wirtschaftlichen Projekt (z.B. bei der Rohstoffnutzung) oder Infrastrukturprojekt (z.B. ein Staudammbau), bevor irgendwelche Bauten begonnen werden, ausführlich informiert werden und in einem mit ihrer Kultur konformen Prozess ihr Einverständnis zum Projekt geben muss.

Probleme bei der Umsetzung Fast alle Länder haben der Erklärung der Rechte der Indigenen Völker zugestimmt, aber fast kein Land hat sie umgesetzt und in den wenigen Ländern, die Gesetze zur Umsetzung erarbeitet haben, wird das Selbstbestimmungsrecht beschnitten.

Beispiele

Ecuador hat den Schutz des YasuníNationalparks reduziert und lässt nun Erdgasförderung zu.

In Brasilien wurden zwar die traditionell genutzten Ländereien für die Indigenen demarkiert und unter Schutz gestellt. Wenn in den indigenen Reservaten jedoch Rohstoffe gefunden werden, kann der Kongress diesen Schutz aufheben. Damit wird die ursprünglich fortschrittliche Verfassung zur Farce.

In Peru wurde das Einverständnis (consent) in Konsultation (consultation) umgewandelt, welches das so wichtige Vetorecht aufhebt. Zusätzlich werden die traditionell lebenden Campesinos, die keine indigene Sprachen mehr sprechen, seit diesem Jahr nicht mehr als indigen bezeichnet und damit vom FPIC ausgeschlossen.

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FPIC beinhaltet das Recht NEIN

Was der FPIC soll

NO

zu sagen

JA

Konflikte mit der Firma und staatlichen Institutionen reduzieren

Umweltschäden und soziale negative Auswirkungen vermindern

Vertrauen zwischen Staat, Firma und der Lokalbevölkerung aufbauen

Projektbeteiligung der Lokalbevölkerung ermöglichen

Rechte der Lokalbevölkerung respektieren

Lebenssituation der Lokalbevölkerung dank Gewinnbeteiligung verbessern

Effizienz der Firma dank besserer Planung und konfliktarmen Handeln erhöhen

Illegale Aktivitäten wie Wilderei, illegale Rohstoffsuche, Schmuggel reduzieren/verhindern

SÍ

zu sagen zu sagen

WIE* COMO *das Projekt durchgeführt werden soll.

Die GfbV fordert Sämtliche Gesetze, welche Auswirkungen auf indigene Gemeinschaften haben, müssen durch ein Konsultationsverfahren mit den betroffenen Indigenen.

Rohstofffirmen und Landwirtschaftsbetriebe, welche auf dem Gelände von indigenen Völkern ihren wirtschaftlichen Aktivitäten nachgehen wollen, dürfen dies nur, nachdem sie das Einverständnis gemäss FPIC erhalten haben. Staatliche Projekte wie Staudamm-, Strassen- und Hafenbauten dürfen erst dann in Angriff genommen werden, wenn der FPIC mit der betroffenen lokalen Bevölkerung ausgehandelt worden ist.

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Rohstoffabbau in Peru

Mit Aufklärung gegen schmutzigen Goldabbau Welches sind die wichtigsten Arbeitsgebiete von CooperAcción?

Foto: Anna Rudin

Um die lokale Bevölkerung zu stärken und somit das ungleiche Kräfteverhältnis zwischen den Betroffenen und den Bergbaufirmen zu verringern, haben wir unterschiedliche Ansätze entwickelt: zum einen stärken wir die Organisationsstrukturen lokaler Organisationen und Lokalregierungen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Informieren der Bevölkerung. Denn oft erhalten die Betroffenen vor Ort als allerletzte Gruppe Informationen über ein geplantes Bergbaugebiet und werden über mögliche Umweltschäden im Unwissen gelassen. Zudem erarbeiten wir neue Gesetze, und sensibilisieren PolitikerInnen für Themen.

Die Peruanerin Julia Cuadros ist Gründerin und Leiterin der Nichtregierungsorganisation «CooperAcción». Seit 18 Jahren setzt sie sich für die Rechte der Lokalbevölkerung und für einen möglichst umweltschonenden Goldabbau in Peru ein. Sie informiert die betroffene Bevölkerung, lobbyiert bei Politikern und konfrontiert Goldabbaufirmen mit stichfesten Zahlen und Fakten.

Weshalb gründeten Sie 1997 die NGO CooperAcción?

Julia Cuadros: In den 1990er-Jahren fand in Peru die grosse Privatisierung statt: Präsident Fujimori führte das neoliberale Modell ein und machte das Land so für ausländische Investoren attraktiv. Durch diese Liberalisierung des Marktes traten neue Akteure aufs Parkett, was zu neuen Problemen führte. Früher kümmerte ich mich vor allem um gewerkschaftliche Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und -gebern, heute vermittle ich vor allem zwischen transnationalen Firmen und der lokalen Bevölkerung.

Wie sieht eine solche Zusammenarbeit mit der Lokalbevölkerung konkret aus?

Am Beispiel der ältesten Kupfermine in Peru, der Mine Tintaya, kurz illustriert: Auf Wunsch der anliegenden Gemeinden arrangierten wir ein Treffen zwischen der Lokalbevölkerung und der Bergbaufirma, um die Umwelt- und Sozialprobleme, die der Abbau von Kuper mit sich bringt, zu diskutieren. Nach sieben Jahren Verhandlungen konnten wir das Unternehmen dazu bringen, eine Vereinbarung zu unterzeichnen. Die Schweizer Firma Xstrata, der Tintaya angehört, hat sich jedoch nur teilweise an die Abmachungen gehalten: Sie überwiesen der Lokalbevölkerung zwar eine finanzielle Wiedergutmachung, die regelmässigen Umweltbelastungsprüfungen hingegen wurden nicht realisiert.

Worin sehen Sie die grösste Schwierigkeit Ihrer Arbeit?

Das Hauptproblem ist, dass die Leute glauben, unser wirtschaftliches System

sei die Lösung für alles! Der Fokus liegt einseitig auf dem Wirtschaftswachstum, Umweltzerstörungen und Menschenrechtsverletzungen werden ausgeblendet. Doch langsam kommt ein Veränderungsprozess in Gang.

Im Juli 2014 verabschiedete die Regierung das Gesetz «30230».

Was hatte dies zur Folge?

Das Gesetz «30230» begünstigt den Rohstoffabbau in Peru: Die Autorität der Steuerbehörde wurde eingeschränkt und die Anforderungen in Bezug auf den Umweltschutz sowie die Bussen für die Umweltschäden wurden verkleinert. Dieses Gesetz verkörpert eine von vielen Massnahmen, um die staatlichen Regulierungen zum Schutze der Umwelt zu schwächen und so ausländische Firmen anzulocken.

Wie kämpft CooperAcción gegen den illegalen Goldabbau?

Wir wollen fragile Ökosysteme – wie das Amazonasgebiet – schützen. Damit dies möglich ist, erstellen wir Landkarten, in denen wir so genannte «No-Go-Zones» definieren. Es reicht aber nicht, die Goldschürfer aus diesen Gebieten zu vertreiben, deshalb versuchen wir ihnen Alternativen zum illegalen Schürfen aufzuzeigen.

Unser Ansatz beschränkt sich jedoch nicht nur auf die illegalen Kleinschürfer, sondern wir identifizieren auch die Faktoren, welche diese Illegalität fördern. Dies bedeutet, dass sich unsere Strategien auch gegen «legale» Goldabbaufirmen richten.

Denn es sind solche Grossunternehmen, welche den illegalen Schürfern Sprengstoff und andere Materialien verkaufen.

Zudem gibt es Firmen, welche den Kleinschürfern illegales Gold abkaufen und dieses dann als legales Gold exportieren – in Länder wie zum Beispiel die Schweiz.

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NEWS Ja, vor 6 Jahren klagten mich zwei mir nicht bekannte Personen wegen Terrorismus an. Im Nachhinein erfuhr ich, dass diese Leute von einer Rohstofffirma geschmiert wurden. Obwohl ich wusste, dass der Terrorismusvorwurf eine Lüge war und jegliche Beweise fehlten, war es doch eine sehr schwere Anschuldigung. Die Taktik der Rohstofffirma klappte: Ich war 2 Jahre lang «ruhiggestellt», ein Gerichtstermin jagte den anderen. Schlussendlich wurde der Prozess wegen mangelnder Beweise ad acta gelegt. Das Schlimme daran war, dass ich meiner ganzen Familie erklären musste, dass sie niemandem die Türe öffnen durften, weil man probierte, falsche Beweismittel ins Haus zu schleusen.

Eine unglaubliche Belastung für uns alle!

Ihre Motivation jeden Tag weiterzumachen?

Was mich enorm motiviert, ist die Solidarität, die ich immer wieder in der Zusammenarbeit mit anderen Organisationen erfahre.

Das Spüren dieser globalen Solidarität, dass es auch Leute in der Schweiz gibt, welche nicht direkt vom schmutzigen Gold betroffen sind, und trotzdem dieses globale Bewusstsein haben. Meine Motivation widerspiegelt sich in der Idee, dass eine bessere Welt möglich ist. Eine Welt, in der jede und jeder über sein Schicksal bestimmen kann und in welcher der respektvolle und verantwortungsbewusste Umgang mit Mensch und Umwelt möglich ist.

Interview: Anna Rudin

Richtungsweisende Präsidentschaftswahlen in Sri Lanka Am 8. Januar 2015 wählt Sri Lanka ein neues Staatsoberhaupt. Der jetzige Präsident Mahinda Rajapaksa stellt sich zum dritten Mal zur Wahl. Möglich ist eine dritte Amtszeit nur, weil Rajapaksa die Verfassung dahingehend veränderte. Eine Allianz von verschiedenen Oppositionsparteien schickt nun Maithripala Sirisena als gemeinsamen Gegenkandidaten ins Rennen. Er hat versprochen, innert 100 Tagen das momentane Präsidialsystem, welches dem Staatsoberhaupt eine enorme Macht gibt, abzuschaffen und dem Parlament wieder mehr Einfluss zu geben. Sirisena war unter dem Rajapaksa-Regime Gesundheitsminister und wechselte erst vor kurzem zur Opposition.

Das gute Abschneiden der Opposition bei den Provinzratswahlen im September dieses Jahres schürt die Hoffnung, dass der autoritär regierende Rajapaksa abgewählt wird. Da es jedoch schon bei den Provinzratswahlen in Uva Gewalt und Wahlgesetzverletzungen gab, ist nicht mit einer fairen Wahl zu rechnen.

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Impressum: VOICE 4-2014, Dezember 2014 Herausgeberin: Gesellschaft für bedrohte Völker, Schermenweg 154, 3072 Ostermundigen, 031 939 00 00, info@gfbv.ch, www.gfbv.ch Redaktion: Nicole Huwyler Layout: Tania Brügger Marquez Mitarbeit an dieser Nummer: Christoph Wiedmer, Nicole Huwyler, Angela Mattli, Anna Rudin Erscheinungsweise: vierteljährlich Auflage: 8 000 Exemplare Druck: gdz AG, Zürich; gedruckt auf Plano Speed («FSC Mix») Abonnement: CHF 30.–/ Jahr Mitgliederbeitrag: mindestens CHF 60.–/ Jahr Titelbildfoto: Amazon Watch, Häuptling Raoni im Einsatz gegen den Staudamm Belo Monte

Fotos: Nicole Philipp

Gab es Situationen in denen Sie wegen Ihrer Arbeit bedroht wurden?

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Diskriminierung in Ungarn

Roma: An den Rand gedrängt 2 Fragen an Nikolett Suha. Sie arbeitet als Menschenrechtsanwältin für das Kinderhilfswerk «A Chance for Children» in Budapest. Niklett Suha ist selber Romni und besuchte auf Einladung der GfbV Mitte November die Schweiz, um über die aktuelle Situation der Roma in Ungarn zu sprechen.

Fotos: Attila Varga

Worunter leiden Roma in Ungarn gegenwärtig am meisten?

«Ich bin arm, aber nicht kriminell.» Roma demonstrieren gegen ihre Vertreibung aus Miskolc.

Ende Oktober stellten 65 Roma aus der ungarischen Stadt Miskolc in der Schweiz ein Asylgesuch. Was bewegte diese Familien Ungarn zu verlassen und eine bessere Zukunftsperspektive in Westeuropa zu suchen? Die Antwort ist klar: fehlende Grundrechte und Diskriminierung.

Miskolc ist eine Stadt mit rund 170 000 Einwohnern, davon gehören 25 000 der Roma-Minderheit an. Im Juni 2014 hat die Stadtregierung beschlossen, eine Roma-Siedlung zu räumen, um so Platz für ein neues Fussballstadion zu schaffen.

Die betroffenen Roma sollten zwar eine Kompensationszahlung erhalten, diese ist jedoch an strikte Auflagen geknüpft: Sie müssen sich bereit erklären, sich ausserhalb der Stadt anzusiedeln und dort für mindestens fünf Jahre zu bleiben. Mit dieser Taktik will die Stadt Miskloc seine ungeliebte Minderheit auf elegante Weise loswerden.

Die Vertreibung der Roma aus der Stadt ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs.

Seit 2009 betreibt die städtische Regierung eine diskriminierende und stigmatisierende Politik gegenüber den Roma. So geisselten die Polizeibehörden mehrmals öffentlich die «Zigeunerkriminalität», und der Bürgermeister, ein Repräsentant der konservativen Regierungspartei «Fidesz», bezeichnete die gesamte Roma-Minderheit als «asozial».

Zudem wurde der städtischen Regierung das Recht eingeräumt, Wohnungen von Roma ungefragt zu inspizieren.

Von Baggern vertrieben Als dann die Stadt die Roma-Siedlungen mit Bulldozern räumte und die ehemaligen Bewohner keine Perspektiven mehr sahen, suchten 65 von ihnen ihr Glück in der Schweiz und fuhren mit einem Car in die Westschweiz, ins Empfangszentrum Vallorbe. Da die Familien aus einem sicheren EU-Land stammen, konnten sie jedoch keine Asylgründe geltend machen und kehrten wieder nach Miskolc zurück.

Pikant: Im Rahmen der Kohäsionsmilliarden finanzieren die DEZA und das SECO Hochwasser- und Sanitätsprojekte in Miskolc. Ob die Roma in ihren neuen Häusern auch von der Schweiz finanzierten Infrastruktur profitieren, ist fraglich.

Text: Angela Mattli

Unter dem momentanen Schulsystem: Der ungarische Staat benutzt getrennte Schulen mit reinen Roma-Klassen dazu, Roma-Kinder so weit wie möglich von der Gesellschaft fern zuhalten. Dadurch haben die Kinder keine Chance, den Armutskreislauf zu durchbrechen, an die Uni zu gehen, einen Beruf zu erlernen und ihren Platz in der Gesellschaft zu finden.

Wie sieht Diskriminierung im Alltag aus?

Diskriminierung fängt oftmals mit ganz kleinen Aussagen an. Ich habe dies selber schon erlebt. In der Schule demütigten mich meine Mitschüler, an der Uni meine Professoren. Die Leute denken, wegen meiner «kultivierten» Art und meiner Ausbildung nicht, dass ich Romni bin. So höre ich, wie sie hinter vorgehaltener Hand tuscheln: «Krass, sie ist sogar Anwältin!» Immer wieder muss ich den Leuten begreiflich machen, dass Roma nicht eine homogene Gruppe von schmutzigen und unmoralischen Menschen sind. Stets bin ich diejenige, welche sich erklären muss, nur weil ich nicht in die Schublade passe, in die mich die Leute gerne stecken möchten!

Interview: Anna Rudin

@ Das ausführliche Interview mit Nikolett Suha unter www.gfbv.ch/suha