Eine Fülle konkreter Anregungen für den Klassenunterricht
ebenso wie für die begleitende Förderung
mit vielen hilfreichen Abbildungen
und Kopiervorlagen
Michael Gaidoschik
Kinder lernen Mathematik von unterschiedlichen Voraussetzungen ausgehend, auf unterschiedlichen Wegen und unterschiedlich schnell: Dass manche von ihnen „rechenschwach“ werden, lässt sich in vielen Fällen – vielleicht sogar in den meisten – mit Hilfe dieses Buches vermeiden. Wie Kinder ein tragfähiges Zahlverständnis entwickeln und womit die Lehrerin/der Lehrer sie in der 1. Klasse dabei aktiv unterstützen kann, zeigt dieses neue Handbuch anschaulich, übersichtlich gegliedert und mit vielen praktischen Beispielen:
Rechenschwäche vorbeugen
Michael Gaidoschik
Der Autor Michael Gaidoschik lernt mit und von „rechenschwachen“ Kindern seit 1995. Er leitet die Rechenschwäche Institute Wien und Graz, ist als Dozent in der Aus- und Fortbildung von GrundschullehrerInnen tätig und Herausgeber der Internet-Ratgeberseiten www.rechenschwaeche.at.
Rechenschwäche vorbeugen
Das Handbuch für LehrerInnen und Eltern ISBN: 978-3-7074-0628-3 www.ggverlag.at € 19,99
1. Schuljahr: Vom Zählen zum Rechnen
Name:
Michael Gaidoschik
Rechenschw채che vorbeugen Das Handbuch f체r LehrerInnen und Eltern 1. Schuljahr: Vom Z채hlen zum Rechnen
www.ggverlag.at
ISBN 978-3-7074-0628-3 In der neuen Rechtschreibung 2006 1. Auflage 2007, Nachdruck 2013 (1,03) Illustrationen: Monika Legenstein Satz: Simone Vockner
Printed by Brüder Glöckler, Wöllersdorf © 2007 G&G Verlagsgesellschaft mbH, Wien Alle Rechte vorbehalten. Jede Art der Vervielfältigung, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe sowie der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme, gesetzlich verboten. Aus Umweltschutzgründen wurde dieses Buch auf chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt.
Inhalt
Inhalt Vorbemerkung......................................................................................................................
9
Gebrauchsanleitung.............................................................................................................
12
Kapitel I: Zählen....................................................................................................................
14
A Worum geht es?..........................................................................................................................
14
B Was könnte Kinder in diesem Bereich schwerfallen und warum?.................................
15
C Anregungen für Unterricht und Förderung.........................................................................
16
1. Ziehen Sie beim Zählen keine künstlichen Grenzen!.....................................................
16
2. Lassen Sie Kinder Zählen als etwas Bedeutungsvolles erleben!.................................
18
3. Lenken Sie die Aufmerksamkeit der Kinder auf die Anzahl!.......................................
18
4. Zählen mit den Fingern.........................................................................................................
19
5. Zählen in die „Zählschachtel“..............................................................................................
19
6. Anzahl und Anordnung........................................................................................................
19
7. „Wie viele?“ und „Der wievielte?“.......................................................................................
20
8. Zählstrategien.........................................................................................................................
20
D Differenzieren und Verknüpfen..............................................................................................
21
Kapitel II: Vergleichen..........................................................................................................
22
A Worum geht es?..........................................................................................................................
22
B Was könnte Kindern in diesem Bereich schwerfallen und warum?..............................
22
C Anregungen für Unterricht und Förderung.........................................................................
25
1. Schon wieder: Ziehen Sie keine künstlichen Zahlenraumgrenzen!............................
25
2. Anzahlvergleiche in Alltagssituationen anstellen.........................................................
25
3. Anzahlen „mit den Augen“ vergleichen............................................................................
26
4. Vergleichen, verschieben und wieder vergleichen........................................................
27
5. „Gleichmachen“ ohne Zählen............................................................................................
28
6. Zählen und Gleichmachen...................................................................................................
28
7. Vorher-nachher-Vergleiche...................................................................................................
30
D Differenzieren und Verknüpfen..............................................................................................
30
Kapitel III: Um eins mehr – um eins weniger.......................................................................
32
A Worum geht es?..........................................................................................................................
32
B Was könnte Kindern in diesem Bereich schwerfallen und warum?..............................
32
C Anregungen für Unterricht und Förderung.........................................................................
33
1. Klären Sie die Lernausgangslage!.......................................................................................
33
2. Behandeln Sie den Zahlenraum bis zehn als Einheit!...................................................
34 3
Inhalt
4
3. „Um eins mehr“ als Prinzip der aufsteigenden Zahlwortreihe...................................
35
4. Lassen Sie die Zahlenreihe mit den Fingern aufbauen!...............................................
35
5. „Um eins weniger“ als Prinzip der absteigenden Zahlwortreihe...............................
36
6. Lassen Sie die Zahlenreihe mit den Fingern abbauen!.................................................
36
7. Beziehen Sie die Null ein, wo sie verstehbar wird!.........................................................
37
8. Training der Beziehung „um eins mehr“..........................................................................
37
9. Training der Beziehung „um eins weniger“.....................................................................
38
10. „Umschalten“ zwischen „eins mehr“ und „eins weniger“.........................................
38
D Differenzieren und Verknüpfen.............................................................................................
38
Kapitel IV: Zahlen in ihrer Beziehung zu fünf und zehn.....................................................
40
A Worum geht es?..........................................................................................................................
40
B Was könnte Kindern in diesem Bereich schwerfallen und warum?..............................
41
C Anregungen für Unterricht und Förderung.........................................................................
44
1. Finger-Anzahlen „auf einen Sitz“ zeigen...........................................................................
44
2. „Inneres Fingerbild“...............................................................................................................
47
3. Nutzen Sie die Hände für nicht-zählendes Rechnen!....................................................
48
4. Zahldarstellungen im Zehnerfeld......................................................................................
53
D Differenzieren und Verknüpfen..............................................................................................
56
1. Beim Erarbeiten des „inneren Fingerbildes“.....................................................................
56
2. Beim „Rechnen mit Fingerpaketen“...................................................................................
57
3. Beim Arbeiten mit Punktdarstellungen............................................................................
58
Kapitel V: Ziffern...................................................................................................................
61
A Worum geht es?..........................................................................................................................
61
B Was könnte Kindern in diesem Bereich schwerfallen und warum?..............................
63
C Anregungen für Unterricht und Förderung.........................................................................
64
1. Ermitteln Sie die Vorkenntnisse der Kinder!.....................................................................
64
2. Bringen Sie Ziffern erst ins Spiel, wenn Kinder wissen, was Zahlen sind!................
64
3. Ziffern-Lernen mit möglichst vielen Sinnen....................................................................
65
4. Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Ziffern herausarbeiten!....... ...................
65
5. Regen Sie beim Ziffern-Üben das Zahlen-Denken an!..................................................
67
D Differenzieren und Verknüpfen..............................................................................................
68
Kapitel VI: Rechnungen verstehen......................................................................................
69
A Worum geht es?..........................................................................................................................
69
B Was könnte Kindern in diesem Bereich schwerfallen und warum?..............................
70
Inhalt
C Anregungen für Unterricht und Förderung.........................................................................
72
1. Bringen Sie Vorkenntnisse der Kinder in Erfahrung und bauen Sie darauf auf!.....
72
2. Entwickeln Sie mit den Kindern eine für sie nachvollziehbare Schreibweise für das „Zerlegen“ von Zahlen!.........................................................................................................
72
3. Entwickeln Sie mit den Kindern eine Schreib- und Sprechweise für das Ergänzen!
73
4. Lassen Sie Kinder von Kindern lernen!..............................................................................
73
5. Zuerst handeln, dann aufschreiben!..................................................................................
74
6. „Übersetzungen“ von der Handlung in die Schrift und wieder zurück....................
74
7. Versprachlichung als „Zuerst … – Dann …“........................................................................
75
8. Drängen Sie nicht zu früh auf eine vereinheitlichte Kurz-Sprechweise!..................
76
9. Handeln um der Handlung willen.....................................................................................
77
10. Lassen Sie Kinder selbst Aufgaben stellen!....................................................................
77
11. Schärfen Sie das Bewusstsein fürs Wegnehmen durch „Unsinnsaufgaben“!.......
78
12. Einbeziehung der Null, wo sie sinnvoll ist......................................................................
78
13. Lassen Sie Kinder Abbildungen selbst deuten!.............................................................
79
14. Lassen Sie Kinder Abbildungen selbst anfertigen!......................................................
80
15. Lassen Sie Zeichnungen nicht zu Zählhilfen verkommen!.........................................
81
16. Regen Sie vorgestellte Anzahl-Handlungen an strukturierten Abbildungen an!
81
D Differenzieren und Verknüpfen..............................................................................................
82
Kapitel VII: Zahlwissen erweitern: Zerlegen mit System...................................................
83
A Worum geht es?..........................................................................................................................
83
B Was könnte Kindern in diesem Bereich schwerfallen und warum?...............................
83
C Anregungen für Unterricht und Förderung.........................................................................
84
1. Zahlenzerlegen durch freies Experimentieren.................................................................
84
2. Zahlenzerlegen mit System.................................................................................................
86
3. „Schöne“ und bewusst „gestörte“ Aufgabenreihen......................................................
87
4. „Verdeckter“ Materialeinsatz..............................................................................................
88
5. Systematisches Zerlegen in der Vorstellung....................................................................
90
D Differenzieren und Verknüpfen..............................................................................................
90
Kapitel VIII: Erstes Automatisieren.....................................................................................
93
A Worum geht es?..........................................................................................................................
93
B Was könnte Kindern in diesem Bereich schwerfallen und warum?..............................
93
C Anregungen für Unterricht und Förderung.........................................................................
94
1. Verständnis als Grundlage für das Automatisieren.......................................................
94
5
Inhalt
6
2. Zwei Grundsätze: Sichere Stützpunkte schaffen, systematisch darauf aufbauen!
95
3. Automatisieren mit „Lernkartei“........................................................................................
96
4. Falls noch nötig: Zunächst die „Handzerlegungen“ automatisieren!.......................
96
5. Der nächste Schritt: Automatisieren von Nachbar-Zerlegungen...............................
98
6. Die neu gelernten Zerlegungen in Gebrauch nehmen................................................. 7. Paralleles Automatisieren von Zerlegungen
100
und davon abgeleiteten Subtraktionen............................................................................
101
8. Frühes Automatisieren der „Hand-Additionen“.............................................................
102
9. „Zerlegungen mit 1“ und zugehörige Subtraktionen....................................................
102
10. „Zerlegungen mit 2“ und zugehörige Subtraktionen..................................................
104
11. Noch fehlende Zerlegungen der Zahl zehn.....................................................................
106
D Differenzieren und Verknüpfen..............................................................................................
107
Kapitel IX: Verdoppeln und Halbieren.................................................................................
108
A Worum geht es?..........................................................................................................................
108
B Was könnte Kindern in diesem Bereich schwerfallen und warum?...............................
108
C Anregungen für Unterricht und Förderung.........................................................................
109
1. Bringen Sie die Vorkenntnisse in Erfahrung, um daran anzuschließen!...................
109
2. Verdoppeln als „noch einmal so viele Hinlegen“............................................................
110
3. Verdoppeln mit den Fingern................................................................................................
110
4. Verdoppeln im Zehnerfeld...................................................................................................
111
5. Verdoppeln mit dem Spiegel...............................................................................................
111
6. „Verdoppeln“ und „doppelt so viel“...................................................................................
112
7. „Halbieren“ und „die Mitte finden“....................................................................................
112
8. Halbieren als „gerecht auf zwei Verteilen“......................................................................
113
9. Zusammenhang von Halbieren und Verdoppeln...........................................................
114
10. Halbieren und „halb so viel“..............................................................................................
115
11. Hilfe beim Automatisieren der Verdoppelungen und Halbierungen.......................
115
D Differenzieren und Verknüpfen..............................................................................................
117
Kapitel X: Weitere nicht-zählende Rechenstrategien........................................................
119
A Worum geht es?..........................................................................................................................
119
B Was könnte Kindern in diesem Bereich schwerfallen und warum?..............................
121
C Anregungen für Unterricht und Förderung.........................................................................
122
1. Vermitteln Sie Freude am geschickten Rechnen!............................................................
122
2. Lösungsstrategien als solche bewusst machen..............................................................
123
Inhalt
3. Strategie „Tauschaufgabe“...................................................................................................
126
4. Automatisieren der Plusaufgaben mit 1 und 2...............................................................
127
5. Strategie „Verdoppeln + 1“....................................................................................................
128
6. Automatisieren der „Verdoppelungen + 1“......................................................................
131
7. Strategien für die restlichen Additionen bis 10...............................................................
131
8. Zusätzliche Strategien für Subtraktionen........................................................................
132
D Differenzieren und Verknüpfen..............................................................................................
137
Kapitel XI: Üben und Anwenden.........................................................................................
138
A Worum geht es?..........................................................................................................................
138
B Was könnte Kindern in diesem Bereich schwerfallen und warum?..............................
139
C Anregungen für Unterricht und Förderung.........................................................................
139
1. Schöne Päckchen und Päckchen mit Störung..................................................................
139
2. Zahlenmauern.........................................................................................................................
140
3. Zahlenketten............................................................................................................................
143
4. Rechendreiecke.......................................................................................................................
145
5. Messen und Schätzen............................................................................................................
147
6. Geld............................................................................................................................................
149
7. Sachaufgaben..........................................................................................................................
150
8. „Knobel- “ und „Problemaufgaben“...................................................................................
152
D Differenzieren und Verknüpfen..............................................................................................
153
Kapitel XII: Gleichungen......................................................................................................
154
A Worum geht es?..........................................................................................................................
154
B Was könnte Kindern in diesem Bereich schwerfallen und warum?..............................
154
C Anregungen für Unterricht und Förderung.........................................................................
155
1. Gleichheitszeichen und Waage...........................................................................................
155
2. Ungleiches ausgleichen........................................................................................................
157
3. Seiten tauschen......................................................................................................................
158
4. Platzhalter................................................................................................................................
159
5. Zahlenrätsel.............................................................................................................................
160
D Differenzieren und Verknüpfen..............................................................................................
160
Kapitel XIII: Zehner und Einer..............................................................................................
162
A Worum geht es?..........................................................................................................................
162
B Was könnte Kindern in diesem Bereich schwerfallen und warum?..............................
164
C Anregungen für Unterricht und Förderung.........................................................................
165
7
Inhalt
1. Was müssen Kinder verstanden haben, um auch zweistellige Zahlen verstehen zu können?................................................................................................................................
165
2. Erheben Sie die Vorkenntnisse der Kinder mit zweistelligen Zahlen und schließen Sie daran an!.................................................................................................
165
3. Die Grundfrage für den Einstieg: Wie schreibt man das auf?.....................................
166
4. Zwischenbemerkung zum Material...................................................................................
168
5. Die Bedeutung des stellengerechten Schreibens vermitteln......................................
169
6. Die Rolle der Null im Zehner-Einer-System......................................................................
171
7. Lassen Sie den Kindern Zeit für das Erlernen der Einer-Zehner-Sprechweise!........
171
8. Zahlenschreiben nach Diktat erst bei Sicherheit im Zahlenlesen!............................
173
9. Lassen Sie Kinder eigene Wege für das Rechnen mit zweistelligen Zahlen finden! 173
8
10. Auch beim Zehnerüberschreiten helfen keine Rezepte!.............................................
175
Schlusswort...........................................................................................................................
178
Literatur.................................................................................................................................
180
Anhang (Kopiervorlagen)....................................................................................................
182
Anhang I: Zehnerfeld-Darstellungen der Zahlen bis 10........................................................
182
A „Kraft der Fünf“.......................................................................................................................
182
B Verdoppelungen/Verdoppelungen – 1...............................................................................
183
C Würfelbild-Darstellungen: „Kraft der Fünf“.....................................................................
184
D Verdoppelungen/Verdoppelungen – 1..............................................................................
185
Anhang II: Eins-plus-eins-Tafel...................................................................................................
186
Anhang III: Kopiervorlage für Zahlenmauern (2-lagig)........................................................
187
Kopiervorlage für Zahlenmauern (3-lagig)........................................................
188
Anhang IV: Kopiervorlage für Rechendreiecke.......................................................................
189
Anmerkungen.......................................................................................................................
190
Inhalt
3. Strategie „Tauschaufgabe“...................................................................................................
126
4. Automatisieren der Plusaufgaben mit 1 und 2...............................................................
127
5. Strategie „Verdoppeln + 1“....................................................................................................
128
6. Automatisieren der „Verdoppelungen + 1“......................................................................
131
7. Strategien für die restlichen Additionen bis 10...............................................................
131
8. Zusätzliche Strategien für Subtraktionen........................................................................
132
D Differenzieren und Verknüpfen..............................................................................................
137
Kapitel XI: Üben und Anwenden.........................................................................................
138
A Worum geht es?..........................................................................................................................
138
B Was könnte Kindern in diesem Bereich schwerfallen und warum?..............................
139
C Anregungen für Unterricht und Förderung.........................................................................
139
1. Schöne Päckchen und Päckchen mit Störung..................................................................
139
2. Zahlenmauern.........................................................................................................................
140
3. Zahlenketten............................................................................................................................
143
4. Rechendreiecke.......................................................................................................................
145
5. Messen und Schätzen............................................................................................................
147
6. Geld............................................................................................................................................
149
7. Sachaufgaben..........................................................................................................................
150
8. „Knobel- “ und „Problemaufgaben“...................................................................................
152
D Differenzieren und Verknüpfen..............................................................................................
153
Kapitel XII: Gleichungen......................................................................................................
154
A Worum geht es?..........................................................................................................................
154
B Was könnte Kindern in diesem Bereich schwerfallen und warum?..............................
154
C Anregungen für Unterricht und Förderung.........................................................................
155
1. Gleichheitszeichen und Waage...........................................................................................
155
2. Ungleiches ausgleichen........................................................................................................
157
3. Seiten tauschen......................................................................................................................
158
4. Platzhalter................................................................................................................................
159
5. Zahlenrätsel.............................................................................................................................
160
D Differenzieren und Verknüpfen..............................................................................................
160
Kapitel XIII: Zehner und Einer..............................................................................................
162
A Worum geht es?..........................................................................................................................
162
B Was könnte Kindern in diesem Bereich schwerfallen und warum?..............................
164
C Anregungen für Unterricht und Förderung.........................................................................
165
7
Inhalt
1. Was müssen Kinder verstanden haben, um auch zweistellige Zahlen verstehen zu können?................................................................................................................................
165
2. Erheben Sie die Vorkenntnisse der Kinder mit zweistelligen Zahlen und schließen Sie daran an!.................................................................................................
165
3. Die Grundfrage für den Einstieg: Wie schreibt man das auf?.....................................
166
4. Zwischenbemerkung zum Material...................................................................................
168
5. Die Bedeutung des stellengerechten Schreibens vermitteln......................................
169
6. Die Rolle der Null im Zehner-Einer-System......................................................................
171
7. Lassen Sie den Kindern Zeit für das Erlernen der Einer-Zehner-Sprechweise!........
171
8. Zahlenschreiben nach Diktat erst bei Sicherheit im Zahlenlesen!............................
173
9. Lassen Sie Kinder eigene Wege für das Rechnen mit zweistelligen Zahlen finden! 173
8
10. Auch beim Zehnerüberschreiten helfen keine Rezepte!.............................................
175
Schlusswort...........................................................................................................................
178
Literatur.................................................................................................................................
180
Anhang (Kopiervorlagen)....................................................................................................
182
Anhang I: Zehnerfeld-Darstellungen der Zahlen bis 10........................................................
182
A „Kraft der Fünf“.......................................................................................................................
182
B Verdoppelungen/Verdoppelungen – 1...............................................................................
183
C Würfelbild-Darstellungen: „Kraft der Fünf“.....................................................................
184
D Verdoppelungen/Verdoppelungen – 1..............................................................................
185
Anhang II: Eins-plus-eins-Tafel...................................................................................................
186
Anhang III: Kopiervorlage für Zahlenmauern (2-lagig)........................................................
187
Kopiervorlage für Zahlenmauern (3-lagig)........................................................
188
Anhang IV: Kopiervorlage für Rechendreiecke.......................................................................
189
Anmerkungen.......................................................................................................................
190
Vorbemerkung
Wie die Dinge (wenigstens in Österreich) derzeit liegen, widerspricht vieles, was ich empfehle, gängigen Schulbüchern. Das spricht gegen diese Schulbücher und nicht gegen meine Empfehlungen: Davon hoffe ich an den jeweiligen Stellen überzeugen zu können. Warum ich dann nicht gleich ein alternatives Schulbuch vorlege? Unter anderem deshalb, weil auch gute Schulbücher Gutes nur dann bewirken, wenn sie von engagierten LehrerInnen auf Basis eines umfassenden Fachwissens eigenverantwortlich eingesetzt werden. Dieses Handbuch will dabei helfen, sich solches Fachwissen zu erwerben.
Widerspruch zu gängigen Schulbüchern
Die hier gegebenen Anregungen entsprechen meinen eigenen Erfahrungen und Überlegungen auf der Grundlage langjähriger Förderarbeit mit sogenannt „rechenschwachen“ Kindern, aber sie beanspruchen keineswegs Originalität. Das mag schon alleine daraus deutlich werden, dass ich mit Vergnügen an mehreren Stellen den „Neubau des Mathematikunterrichts“ von Johannes Kühnel zitiert habe; und dieser „Neubau“ stammt aus dem Jahre 1916! Soweit ich Anregungen einzelner AutorInnen wissentlich übernommen habe, wird die Quelle selbstverständlich genannt. Andererseits gibt es mit vielen KollegInnen Übereinstimmungen in grundsätzlichen Überlegungen, wo ich im Detail dann doch wieder zu ganz anderen Schlüssen gelange; und diese Auseinandersetzung mit der mathematikdidaktischen Fachliteratur an jeder Stelle auszuführen, wäre der Lesbarkeit eines für die Schulpraxis gedachten Handbuches einigermaßen abträglich gewesen. So sind denn viele Werke, die mir Ideen und Denkanstöße geliefert haben, nur pauschal angeführt – in den abschließenden Tipps zum Weiterlesen, die unter „Literatur“ angeführt sind.
Kein Anspruch auf Originalität!
Mein besonderer Dank geht an Hans-Dieter Gerster für einen nun schon über Jahre anhaltenden und ( jedenfalls für mich!) stets anregenden Austausch von Gedanken; an Eva, meine Frau – für alles; und an die vielen Kinder, mit denen und von denen ich in den vergangenen Jahren lernen durfte. Michael Gaidoschik Wien, Juni 2006
11
Gebrauchsanleitung
Es erscheint mir darum nicht ratsam, diejenigen Gedanken, denen man ohne weiteres zustimmen zu können meint, sofort in die Praxis umsetzen zu wollen; ich bitte sehr, auch solche Gedanken
erst innerlich völlig zu verarbeiten. Noch mehr gilt dies natürlich von solchen, denen man nicht glaubt zustimmen zu können. Bei solcher Stellungnahme wäre ein „Erproben an der Praxis“
nicht beweiskräftig. Es liegt mir selbstverständlich völlig fern, statt alter Glaubenssätze nun neue aufnötigen zu wollen, ich will nur anregen zu eigenem Vertiefen in die Sache und zu eigenem inneren Erwerb.
Johannes Kühnel (1916), S. VI
Gebrauchsanleitung Dieses Buch ist als Handbuch angelegt: Etwas, das man (hoffentlich gerne) immer wieder einmal zur Hand nimmt, wenn man zu einem bestimmten Thema Anregungen sucht; nichts, das man von Anfang bis Ende in einem Zug durchliest. Zweierlei sollte die Chancen erhöhen, dass Sie das, was Sie suchen, auch finden: •
das ausführliche Inhaltsverzeichnis
•
Randbemerkungen auf jeder Seite, die das Wichtigste des fortlaufenden Textes jeweils zusammenfassen
Die Kapitel selbst sind weitgehend gleich aufgebaut; der Aufbau sei im Folgenden kurz erläutert.
A Worum geht es? Was ist mathematisch Sache?
12
Hier finden Sie möglichst knapp gefasste Erläuterungen zum Stellenwert des jeweiligen Kapitels im Gesamtbau der Grundschulmathematik. Es soll Ihnen dabei helfen, die verschiedenen Inhalte so zu gewichten, wie es den besonderen Bedürfnissen Ihrer Klasse bzw. des von Ihnen geförderten Kindes am besten gerecht wird.
Gebrauchsanleitung
B Was könnte Kindern in diesem Bereich schwerfallen und warum? Dieser Abschnitt liefert das theoretische Rüstzeug dafür, Kinder in der Unterrichtsund Förderpraxis dort abholen zu können, wo sie stehen. Der Schwerpunkt liegt dabei, dem Titel des Buches gemäß, auf möglicherweise fehlenden Voraussetzungen, auf (bei „lernschwachen“ Kindern) häufigen Missverständnissen und Verständnisschwierigkeiten. Beobachten und Nachfragen gehören zu den wichtigsten Tätigkeiten beim Unterrichten und Fördern; in diesem Abschnitt jedes Kapitels soll deutlich gemacht werden, worauf beim Beobachten und Nachfragen geachtet werden muss und warum.
Wo stehen die Kinder?
C Anregungen für Unterricht und Förderung Sie machen den Hauptteil jedes Kapitels aus. Die einzelnen Anregungen sind durchnummeriert, was nicht immer heißt, dass sie in dieser Reihenfolge (und nur in dieser Reihenfolge) umgesetzt werden sollten; zuweilen ergibt sich aus dem Inhalt, dass manches parallel, manches auch in anderer Reihenfolge durchgeführt werden, anderes wieder – je nach Kind und Klasse – auch gänzlich gestrichen werden kann. Es handelt sich eben nicht um eine Sammlung von Rezepten (schon gar nicht mit dem Versprechen garantierter Wirksamkeit), sondern um theoretisch begründete, praktisch erprobte Empfehlungen, für die Johannes Kühnels eingangs zitierter Rat gilt: Setzen Sie nichts in die Praxis um, was Ihnen nicht völlig einleuchtet; und zwar einleuchtet gerade in Ihrer besonderen Unterrichtsbzw. Fördersituation (die letztlich nur Sie selbst kennen und beurteilen können). Selbst wenn Sie mir in allem zustimmen sollten (womit ich nicht rechne), kommen Sie also um Abänderungen und Anpassungen meiner Anregungen je nach Klassensituation nicht herum. Und auch dafür habe ich mich um Hilfestellungen bemüht: Sie finden diese jeweils zusammengefasst im abschließenden Abschnitt:
Was tun?
D Differenzieren und Verknüpfen Hier geht es auch darum, welche Kapitel oder Teile von Kapiteln sich für eine parallele Erarbeitung (etwa in verschiedenen Abschnitten derselben Unterrichtseinheit) eignen. Eine Bemerkung noch zur Sprache: Ich habe mich bemüht, so weit wie möglich ohne im Alltag unübliche Fremdwörter und Fachausdrücke auszukommen; zuweilen erschien mir ein Fachausdruck dann aber doch verständlicher als eine umständliche Umschreibung.
Wie variieren?
13
Kapitel I
Eine wichtige Frage ist noch zu erörtern, die nämlich, wie weit wir auf dieser Stufe
(der „Erwerbung der Zahlenreihe“, Anm. M. G.) zählen dürfen. Aus langjähriger Erfahrung
und aus herzlichem Mitgefühl wie auch aus psychologischer Beobachtung der Kindesnatur
schlagen wir vor: ohne jede Grenze. … Unsere Erfahrung ist die, dass eine solche Begrenzung
deutlich die Wirkung hat, das Interesse des Kindes am Rechnen und seine Lust am Fortschritt stark abzuschwächen.
Johannes Kühnel (1916), S. 159
Kapitel I: Zählen A Worum geht es? Das Zählen ist für Kinder der Einstieg in die Welt der Zahlen: Sie lernen Zahlen kennen, indem sie diese beim Zählen gebrauchen. Freilich kann man etwas auch gebrauchen, ohne es durchschaut zu haben (ich tue das jedes Mal, wenn ich den Computer einschalte). Viele Kinder können perfekt zählen, plagen sich aber beim Rechnen (und bei mathematischeren Tätigkeiten wie dem Erkennen von quantitativen Gesetzmäßigkeiten) eben deshalb, weil sie Zahlen zu wenig durchschaut haben – dazu später im Detail. Warum mit dem Zählen beginnen?
Zählen können ist also keine Garantie dafür, Zahlen ausreichend zu verstehen. Dennoch gibt es gute Gründe dafür, sich gleich zu Beginn des Mathematikunterrichts ausführlich mit dem Zählen zu beschäftigen. Alle Kinder bringen Vorkenntnisse auf diesem Gebiet mit, an die im Unterricht angeschlossen werden kann; sie sind in der Regel stolz auf diese Vorkenntnisse und stellen sie gerne unter Beweis (in den Kindern liegender Grund). Richtiges Zählen garantiert zwar nicht schon ein tragfähiges Verständnis von Zahlen, es liefert aber Material, an dem Kinder ein solches Verständnis erlangen können (in der Mathematik liegender Grund). Die in diesem Kapitel vorgeschlagenen Aktivitäten bereiten in dieser Hinsicht vieles vor, was in den folgenden Kapiteln weiter verwertet wird (Überlegungen zum Messen, zur Frage, wodurch eine Anzahl verändert wird und wodurch nicht …). Ganz abgesehen von Fragen der weiteren mathematischen Entwicklung ist es natürlich ganz einfach nützlich und wichtig, Anzahlen zählend exakt ermitteln zu können und auch über Zähl-Strategien für unübersichtliche, ungeordnete Mengen zu verfügen (in der Lebenspraxis liegender Grund)!
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Kapitel I
B Was könnte Kindern in diesem Bereich schwerfallen und warum? Manche SchulanfängerInnen beginnen zwar sofort zu zählen, wenn man sie nach dem „Wie viel?“ einer bestimmten Menge fragt. Sie tippen die einzelnen Elemente an, sprechen der Reihe nach die Zahlwörter aus und hören damit auf, sobald sie beim letzten Element angelangt sind. Bittet man sie aber, abschließend die Anzahl zu nennen („Wie viele sind es denn jetzt?“), so geben sie nicht einfach die beim Zählen erreichte Zahl an, sondern wiederholen das Spiel: „Eins, zwei, drei, …“ Wie wird da gedacht? Jedes Kind kann sich (wie Sie und ich) auch ver-zählen, indem es etwa ein Element einer Menge beim Zählen auslässt. Manche Kinder scheinen aber beim Zählen gar nicht darauf zu achten, jedes Element der Menge genau einmal zu erfassen. Sie sagen die Reihe der Zahlwörter auf und tippen dabei auf einzelne Gegenstände, aber das Aufsagen der Zahlwörter und das Antippen sind nicht aufeinander abgestimmt. Warum nicht? Zur Klärung dieser Fragen müssen wir das scheinbar selbstverständliche Zählen etwas näher betrachten: Zählen heißt ja nicht einfach: die Zahlwortreihe (bis zu einer bestimmten Zahl) korrekt aufsagen. Zählen heißt: eine Anzahl ermitteln, und das erfordert eine Einszu-Eins-Zuordnung: Jedem Element der zu zählenden Menge wird genau ein Zahlwort der aufsteigend aufgesagten Reihe zugeordnet. Wenn dabei kein Element ausgelassen, keines doppelt oder mehrfach erfasst wird, dann und nur dann bezeichnet das zuletzt genannte Zahlwort die Anzahl der gesamten Menge.
„eins“
„zwei“
„drei“
„vier“
„fünf“
„sechs“ „sieben“
Mögliche Auffälligkeiten beim Zählen
Zählen als Bestimmung der Anzahl
„acht“
acht Abbildung 1: Beim Zählen wird das Wort „acht“ beim Tippen auf einen Gegenstand (den achten) ausgesprochen. Die Anzahl acht umfasst aber alle (bis einschließlich den achten) angetippten Gegenstände!
Eine Selbstverständlichkeit? Für uns Erwachsene natürlich, und schon recht früh auch für die meisten Kinder. Wer aber Kleinkinder bei ihren ersten Zählversuchen beobachtet, wird rasch merken, dass hier gar nichts selbstverständlich ist. Schon die Verwendung von Zahlwörtern an sich ist ja im Grunde ein Mirakel. Mama ist Mama, Papa ist Papa, Ball ist Ball (freilich einmal rot, dann blau, einmal groß, dann klein: schon da ist einiges an Abstraktion verlangt!). Aber „eins“ ist alles – ich muss es nur zählen! Und „zwei“ sage ich, wenn ich einen Bauklotz antippe ( jenen Klotz, der neben dem ersten liegt), dann wieder aber beim Tippen auf ein Spielzeugauto, dann wieder bei einer Puppe … Wir müssen das hier nicht weiter verfolgen, denn diese Schwierigkeiten lösen bewundernswerter Weise tatsächlich so gut wie alle Kinder mehr oder weniger von selbst, lange bevor sie in die Schule kommen. SchulanfängerInnen beherrschen auch so gut wie immer die Abfolge der Zahlwörter wenigstens bis zehn und wissen, dass sie beim Abzählen deren Reihenfolge einhalten müssen3.
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Kapitel I
Aber manche von ihnen fallen dadurch auf, dass sie die beim Zählen geforderte Eins-zuEins-Zuordnung nicht einhalten. Die Erklärung dafür kann freilich simpel sein: mangelnde Aufmerksamkeit, „nicht aufgepasst“. Vielleicht war das Kind abgelenkt. Vielleicht hat es nicht aus eigenem Interesse gezählt, sondern nur, weil es von ihm verlangt wurde, aber ohne innere Beteiligung, ohne eigenes Interesse am Zählergebnis, daher nicht konzentriert genug. Vielleicht mangelte es auch einfach am Know-how: Wenn eine Menge ungeordnet daliegt, bedarf es einer Strategie, um jedes Element beim Zählen genau einmal zu erfassen; solche Strategien sind keine Selbstverständlichkeit und werden daher weiter unten gesondert behandelt. Aber auch in diesem Fall liegt das Problem nicht im grundsätzlichen Verständnis des Zählens: ist die Menge geordnet, wird demselben Kind das Abzählen gelingen, und Strategien für das sichere Zählen ungeordneter Mengen wird es unschwer erwerben können (siehe unten). Zählen ohne AnzahlBewusstsein
Zuweilen aber sitzt das Problem tiefer: Manchen Kindern ist noch bei Schuleintritt tatsächlich nicht bewusst, dass und warum es darauf ankommt, jedes Element einer Menge beim Zählen genau einmal zu erfassen. Das, was andere Kinder in der Regel ohne jede schulische Unterweisung durchschauen, ist ihnen bislang nicht aufgegangen: „Zählen“ heißt für sie nicht mehr, als die gelernte Reihe von Zahlwörtern aufzusagen – und meist auch: begleitend dazu auf Gegenstände (oder Tiere oder Personen) zu tippen oder zu zeigen (schließlich wurde ihnen das Zählen zumeist in dieser Weise vorgemacht). Ihrem Bewusstsein nach bestimmen diese Kinder beim Zählen also gar keine Anzahl, sondern leisten schlicht einer Aufforderung Folge: „Sage die Zahlwortreihe auf!“ Sofern dabei kein Fehler passiert (sofern also die Abfolge der einzelnen Zahlwörter richtig ist), ist für das Kind alles in Ordnung. Wenn es beim Zählen ein und derselben Menge wegen Missachtung der Eins-zu-Eins-Zuordnung zu gänzlich unterschiedlichen Zahlen kommt, so ist dies deshalb kein Problem (wenn es überhaupt auffällt): Die Zahl existiert für das Kind nicht getrennt von der Handlung des Zählens. So erklärt sich wohl auch das Verhalten jener Kinder, die – scheinbar! – gerade eine Anzahl ermittelt haben, auf die nachgesetzte Frage „Und wie viele sind es jetzt?“ aber sofort wieder mit ihrem „eins, zwei, drei …“ beginnen: Sie haben gelernt, dass auf die Frage „Wie viele?“ das Aufsagen der Zahlwortreihe erwartet wird. Die korrekte Antwort besteht für das Kind in der gesamten Reihe, von eins beginnend bis zum letztgenannten Zahlwort. Das Bewusstsein, damit eine Anzahl ermittelt zu haben (die mit diesem Zahlwort sprachlich festgehalten wird), fehlt.
C Anregungen für Unterricht und Förderung 1. Ziehen Sie beim Zählen keine künstlichen Grenzen! Fast alle Kinder kennen die Zahlwortreihe bis weit über 10 hinaus, bevor sie in die Schule kommen. Fast alle mir bekannten Schulbücher, die in Österreich für den Unterricht zugelassen sind, bieten auf den ersten Seiten Zählvorlagen, auf denen bis vier, fünf, maximal sechs gezählt werden soll.
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Kapitel II
Manche SchulanfängerInnen haben kein Problem damit, etwa die Frage „Wie viel ist fünf und noch eins?“ zu beantworten. Die Frage „Was ist um eins mehr als fünf?“ hingegen macht sie ratlos: Sie wissen einfach nicht, was gemeint ist. Eine Anordnung wie diese
Abbildung 4
und die dazu gestellte Frage „Um wie viel sind die Grauen mehr?“ führt bei manchen SchulanfängerInnen entweder zu bloßer Ratlosigkeit – oder aber (nach Abzählen der Grauen) zur Antwort „Um fünf!“ (Das Kind weiß also mit dem „um wie viel mehr“ nichts anzufangen und gibt das zur Antwort, was „mehr“ ist.) Was steckt hinter solchen Auffälligkeiten? Wenden wir uns für die Beantwortung dieser Frage zunächst etwas Unauffälligem zu: Wenn SchulanfängerInnen herausfinden sollen, welche von zwei Mengen „mehr“ Elemente aufweist, dann tun sie dies zumeist durch Zählen: Sie zählen die eine Menge ab, dann die andere und geben oft genug die korrekte Antwort. Wissen wir deshalb, wie diese Kinder den Begriff „mehr“ verstanden haben, und dass dieses Verständnis tragfähig ist für weitere mathematische Schritte?
Anzahlvergleich durch Zählen
Zunächst spricht alles dafür. Schließlich tun auch wir Erwachsene nichts anderes, wenn wir zwei unüberschaubare Mengen der Größe (oder „Mächtigkeit“) nach vergleichen. Aber nehmen Sie die folgende Anordnung: Wie gehen Sie beim Mächtigkeits-Vergleich dieser beiden Reihen vor?
Abbildung 5
Ich vermute, Sie haben nicht erst gezählt um zu entscheiden, dass hier gleich viele weiße wie graue Punkte zu sehen sind. Schließlich stehen die Begriffe „mehr“, „weniger“, „gleich viel“ bei Anzahlvergleichen für nichts anderes als die drei denkbaren Resultate einer Einszu-Eins-Zuordnung: •
„Gleich viel“ ist es dann, wenn jedem Element der einen Menge ein und nur ein Element der anderen Menge zugeordnet werden kann.
•
Ist eine Menge „mehr“, dann enthält sie ein oder mehrere Elemente, denen in der anderen Menge nichts entspricht.
•
Diese andere Menge ist dann „weniger“.
Anzahlvergleich durch Zuordnen
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Kapitel II
Weil uns allen das selbstverständlich ist, brauchen wir bei einer Anordnung wie der obigen nicht erst zählen: Es ist auf einen Blick zu sehen, dass hier eine vollständige Eins-zu-EinsZuordnung durchführbar ist – gleich viele graue wie weiße Kreise! Ist das auch für SchulanfängerInnen selbstverständlich? Probieren Sie es aus! Vermutlich beobachten Sie, dass einige Kinder auch in solchen Anordnungen erst einmal loszählen. Warum? Das Zählen auch bei paralleler Anordnung (Abb. 5) kann verschiedene Gründe haben: Unsicherheit („Schaut gleich viel aus, aber wer weiß, besser gehe ich auf Nummer sicher und zähle!“), Es-recht-machen-Wollen („Wenn ich so etwas gefragt werde, dann soll ich wohl zählen.“), Nicht-genau-Hinschauen (weshalb die Eins-zu-Eins-Anordnung gar nicht bemerkt wird) … Zumindest bei manchen Kindern liegt aber der Verdacht nahe, dass sie tatsächlich, trotz genauesten Hinschauens auf die besondere Anordnung, trotz freundlicher Ermutigung, die Frage ohne Zählen zu entscheiden, einfach nicht wissen, wie das möglich sein soll. Ihr Verständnis der Begriffe „mehr“, „weniger“ und „gleich viel“ macht das Zählen tatsächlich auch bei solchen Anordnungen unumgänglich. Für sie bedeutet offenbar „mehr“ nichts anderes als „das, wo man beim Zählen weiter kommt“. Wir treffen (zum Teil bei denselben Kindern in unterschiedlichen Situationen) also auf mindestens zwei Verständnis-Varianten von „gleich viel“, die sich bei Anzahl-Vergleichen als unzureichend herausstellen:
Unzureichendes Verständnis von „gleich viel“
•
einerseits „gleich viel“ als „schaut gleich aus“;
•
andererseits „gleich viel“ als „da muss ich zählen, und wenn ich gleich weit komme, muss ich ‚gleich viel‘ sagen“.
Beide Varianten sind deshalb unzureichend, weil die dem Anzahlvergleich zu Grunde liegende Eins-zu-Eins-Zuordnung für Kinder, die so denken, keine Rolle spielt. Daher wird es für sie klarerweise auch schwer, den nächsten Schritt zu machen: Wenn eine Menge mehr ist als die andere, um wie viel ist sie dann mehr? Auf Grundlage eines Eins-zu-Eins-Vergleiches ist diese Frage leicht zu verstehen:
In diesem Bereich ist eine Eins-zu-Eins-Zuordnung möglich. Abbildung 6
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Um so viel sind die Grauen mehr.
Kapitel II
Abbildung 10
Bei der folgenden Anordnung braucht es vielleicht einen zweiten Blick, aber sicher kein mühsames Abzählen – jedenfalls dann nicht, wenn der Eins-zu-Eins-Gedanke klar ist:
Abbildung 11
4. Vergleichen, verschieben und wieder vergleichen Die letzte Anordnung könnte manchen Kindern Schwierigkeiten bereiten. Für diese empfiehlt es sich, ähnliche Anordnungen mit beweglichem Material zu legen, etwa Wendeplättchen. Bei Unsicherheiten oder Irrtümern kann die Eins-zu-Eins-Zuordnung (wie in Alltagssituationen) handelnd hergestellt werden: Aus
Zuordnen „handgreiflich“
Abbildung 12
wird durch Verschieben von nur einem Plättchen
Abbildung 13
Bei weiteren Anordnungen sollten die Kinder ermutigt werden, dieses Verschieben „im Kopf“ (also in der Vorstellung) zu versuchen.
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Kapitel II
5. „Gleichmachen“ ohne Zählen In der Klasse wird eine verschließbare Kiste aufgestellt. Jedes Kind der Klasse soll nacheinander in diese Kiste genau einen roten und einen weißen Würfel legen (oder wovon auch immer genügend Material in zwei Farben vorhanden ist). Die Kiste verschließen, Frage: Sind in der Kiste nun mehr rote, mehr weiße Würfel – oder gleich viele von beiden Farben? Und woher wisst ihr das so genau? Ein Kind nimmt einen (später auch zwei) rote Würfel aus der Kiste. Zuvor waren es gleich viele, wie ist es jetzt? Mehr rote, mehr weiße, immer noch gleich viel? Muss man zählen, um das zu wissen? Ausgleichen durch Dazugeben und/oder Wegnehmen
Weiter: Zwei rote Würfel wurden herausgenommen, es sind also mehr weiße in der Kiste. Was lässt sich tun, damit es wieder gleich viele rote wie weiße werden? Spornen Sie die Kinder an, sich nicht mit der einen, vielleicht näher liegenden Lösung zufrieden zu geben, nämlich die beiden roten Würfel wieder hineinzugeben: Ebenso gut lässt sich die Anzahl der Würfel in der Kiste dadurch ausgleichen, dass ich auch zwei weiße Würfel herausnehme. Vielleicht kommen Kinder (mit Anregung?) auch auf folgende, mathematisch anspruchsvolle Lösung: Ein roter wieder hinein, ein weißer heraus, dann müssen in der Kiste gleich viele sein! Worum es bei all dem also geht: Durch geeignete Arbeitsaufträge und Diskussionen mit den Kindern den Zusammenhang zwischen „gleich viel“, „mehr“ und „weniger“ herauszuarbeiten! Eine einfachere Variante für Partnerarbeit: Ein Kind legt einen roten Stein auf den Tisch, ein anderes einen weißen daneben, dann wieder das erste Kind einen roten, das zweite einen weißen daneben, usw. Auf diese Weise entstehen – ohne dass gezählt wird! – zwei Reihen mit Würfeln, rot und weiß, jeweils eins-zu-eins nebeneinander angeordnet. Nun dieselben Fragen wie oben ausgeführt: Sind es gleich viele rote und weiße? Woher wisst ihr das?, usw.
6. Zählen und Gleichmachen Bei den folgenden Aufgaben geht es um die Verknüpfung der beiden bislang behandelten, wesentlichen Gedanken – Zählen zwecks Anzahlermittlung einerseits, Vergleichen von Anzahlen mit und ohne Zählen andererseits: 6.1. Bereiten Sie Aufgabenkärtchen mit geordneten Punkte-Anordnungen vor; die Anzahlen wählen Sie entsprechend den Zählfertigkeiten der Kinder, also differenziert.
Abbildung 14: Zwei Beispiele für Punkte-Kärtchen
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Kapitel III
Viele SchulanfängerInnen beherrschen die Zahlenreihe rückwärts (von zehn absteigend bis eins oder null) weit weniger gut als vorwärts, manche so gut wie gar nicht. Entsprechend häufiger fällt das Rückwärtszählen von einer beliebigen Zahl 10 aus schwerer, die Antwort auf „Was ist um eins weniger?“ gelingt entsprechend seltener ohne Zuhilfenahme von Zählmaterial. Was könnte dahinterstecken? Klarerweise ist es für Kinder zunächst schwerer, von einer beliebigen Zahl aus weiterzuzählen, als die Zahlwortreihe von eins an aufzusagen. In ähnlicher Weise fällt es ja auch Erwachsenen mitunter gar nicht leicht, spontan den auf einen beliebigen Buchstaben folgenden zu nennen (es sei denn, sie sind in ihrem Beruf stets mit dieser Aufgabe konfrontiert). Wir haben das ABC eben als Gesamtreihe gelernt und automatisiert; als solche ist es spontan verfügbar. Beliebige Paare (Buchstabe – Nachfolger) aus dieser Gesamtreihe herauszulösen, gelingt aber oft erst mit einigem Nachdenken. Zuweilen müssen wir einige Buchstaben vor dem gefragten in die Gesamtreihe einsteigen, um den Nachfolgebuchstaben nennen zu können – eine Strategie, wie sie auch Kinder wählen, die bei „eins“ zu zählen beginnen, um die Zahl „nach acht“ zu finden. Ähnliches gilt, verstärkt, für die Anforderung, die „Zahl davor“ zu nennen. Wie erläutert, lernen Kinder die Zahlwortreihe bis zehn in der Regel vor Schuleintritt. Das Einüben der Zahlwörter (zuhause, im Kindergarten) erfolgt aber oft nur (oder bei weitem überwiegend) in der aufsteigenden Ordnung (so werden die Zahlwörter ja schließlich auch beim Zählen verwendet). Wieder hilft beim Verständnis der kindlichen Schwierigkeiten mit Zahlen der Vergleich mit ABC-Schwierigkeiten Erwachsener: Das Buchstabieren von Z bis A geht auch uns (trotz lebenslanger Vertrautheit mit der Buchstabenreihe!) in der Regel weit weniger leicht von den Lippen; und sagen Sie doch schnell einmal, wie der Buchstabe vor dem R lautet!
Gesamtreihe ist leichter als Teile daraus!
„Reihe rückwärts“ muss für sich trainiert werden!
Für den „beliebigen Einstieg“ in eine Reihe muss diese Reihe also in einem höheren Grad beherrscht werden; das sichere Verfügen über die umgekehrte Reihe erfordert eigenständige Übung. Beim Alphabet ist beides (außer in manchen Berufen) von untergeordneter Bedeutung. Für den sicheren Umgang mit Zahlen und die Entwicklung von Rechenfertigkeit ist dieser Grad an Sicherheit in der Zahlwortreihe bis zehn in beiden Richtungen (aufsteigend und absteigend) unerlässlich. (Damit ist zugleich eine wesentliche Grundlage für die Beherrschung der Zahlwortreihe im beliebigstelligen Bereich gelegt. Was später noch hinzukommen muss, ist Wissen um die Systematik des Stellenwertsystems und um die Zahlwortbildung zwei- und mehrstelliger Zahlen).
C Anregungen für Unterricht und Förderung 1. Klären Sie die Lernausgangslage! Die Kinder geben auf Aufforderung eine bestimmte Anzahl (Würfel, Plättchen …) in ihre Zählschachtel (siehe Kapitel I) und verschließen diese. Kontrollfrage: „Wie viele sind jetzt drin?“ Dann: „Jetzt noch eins dazu. Wie viele sind jetzt drin?“ Beobachten Sie (so gut das in der Klasse möglich ist), wie einzelne Kinder diese Aufgabe lösen:
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Kapitel III
Unterschiedliche Lösungswege bei „eins dazu!“
Unterschiedliche Sicherheit beim „Countdown“
Unterschiede beim Umgang mit „eins weniger“
•
Bei Kindern, die keine Lösung finden oder den Deckel heben, um alle Würfel abzuzählen, sollten Sie zunächst überprüfen, ob diese Kinder sagen können, welche Zahl „beim Zählen als nächstes kommt“. Wenn sie dies nicht können (auch nicht durch Hochzählen von eins weg), bedürfen Sie weiterer Förderung im Zählen (siehe Kapitel I). Wenn aber doch (und sei es durch Hochzählen von eins weg), dann verfügen sie zwar über die Zahlwortreihe, haben diese aber noch nicht mit dem Gedanken „wird immer um eins mehr“ verknüpft und benötigen daher Förderung in diesem Bereich (siehe unten).
•
Kinder, die für das Finden der Zahl „um 1 mehr“ lange brauchen, eventuell angestrengt blicken und im Takt nicken, zählen dabei vermutlich die ganze Reihe hoch, um zur nächstfolgenden Zahl zu gelangen. Sie benötigen Training in dieser speziellen Verfügung über die Zahlwortreihe.
•
Kinder, die bei jeder Anzahl bis zehn (und vielleicht auch zwanzig) die Antwort sofort (innerhalb einer Sekunde) wissen, haben auf diesem Gebiet keinen Lernbedarf – und schon wieder tut Differenzierung not (siehe Abschnitt D)!
Überprüfen Sie frühzeitig, wie weit die einzelnen Kinder über die absteigende Zahlwortreihe (von zehn bis eins oder null) verfügen; zunächst auch nur als reine Wortreihe, noch ohne Bezug zu Anzahlen und zur Beziehung „um eins weniger“. Kennen zumindest einige Kinder den „Countdown“, das „Einzählen“ eines Starts (von Raketen, Wettläufen …)? Erzählen Sie allen Kindern davon, lassen Sie „Countdowns“ durchführen – und trainieren Sie diesen gesondert mit jenen Kindern, die sich dabei noch schwertun (siehe unten). Wenn Sie wissen, wie weit die Kinder die „um eins mehr“-Beziehung verstanden haben und rasch abrufen können, dann überprüfen Sie analog dazu die „um eins weniger“Beziehung: Eine beliebige Anzahl bis zehn in die Zählschachtel geben lassen. Wie viele sind in der Schachtel? Nehmt eins raus! Wie viele sind jetzt in der Schachtel?
2. Behandeln Sie den Zahlenraum bis zehn als Einheit! Auch in diesem Bereich sollten Sie keine künstlichen Zahlenraumgrenzen aufstellen. Kinder mit entsprechenden Vorkenntnissen können und sollen die „um eins mehr / um eins weniger“-Beziehung ruhig auch in höheren Zahlräumen erforschen (siehe unten unter D). Wenn Kinder bis zehn zählen können: Zahlenraum bis zehn als Einheit erarbeiten!
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Es liegt aber im Aufbauprinzip unseres Zahlensystems, dass dem Zahlenbereich bis einschließlich zehn für alles Weitere eine entscheidende Bedeutung zukommt (mehr dazu später). Dieser sollte daher bei Ihren Überlegungen für Ihre Klasse den Ausgangspunkt bilden, vom dem aus Sie über Differenzierungsmaßnahmen nachdenken können und sollen. Eine weitere Einschränkung (zunächst nur bis 5 oder 6 oder …) ist nicht zielführend, eher Verständnis hemmend. Voraussetzung für die in diesem Kapitel beschriebenen Schritte ist, dass ein Kind die Zahlwörter von eins bis zehn aufsagen kann; diese Voraussetzung ist so gut wie immer schon vor Schulbeginn gegeben. Dann aber kann und soll dieses Wissen um die Abfolge der Zahlen (sofern das noch notwendig ist) auch mit dem Gedanken „um 1 mehr“ verknüpft werden. Und es erleichtert das Verständnis, wenn dieser Gedanke innerhalb der sinnvollen Einheit „Zahlenraum zehn“ als durchgehend gültig entdeckt werden kann.
Kapitel IV
B Was könnte Kindern in diesem Bereich schwerfallen und warum? Manche Kinder scheinen sich nicht und nicht merken zu können, dass sie fünf Finger an einer, zehn Finger an beiden Händen haben. Wenn sie fünf mit den Fingern zeigen sollen, strecken sie einen Finger nach dem anderen einzeln aus, von eins an hochzählend. Werden sie gefragt, wie viele Finger zwei volle Hände seien, müssen sie einzeln von eins an hochzählen; verzählen sie sich dabei, dann können dabei auch „elf“ oder „neun“ Finger herauskommen; und zwar von einer Minute auf die andere einmal elf, dann wieder neun. Wirklich eine Frage des Merkens?
Mögliche Auffälligkeiten beim Darstellen von Zahlen mit Fingern
Andere Kinder können vielleicht fünf oder auch zehn Finger „auf einen Sitz“ zeigen. Andere Anzahlen, vor allem die Anzahlen von sechs bis neun, müssen sie immer wieder von eins an hochzählen. Andere Kinder haben gelernt, die Zahlen bis zehn mehr oder weniger spontan mit den Fingern zu zeigen: „Acht“ wird als „fünf und drei“ gezeigt, ohne dass dafür noch gezählt werden muss. Bittet man Sie aber, schon vor dem Zeigen zu beschreiben, welche Finger und wie viele an den einzelnen Händen sie ausstrecken müssen, um acht zu erhalten, so sind sie dazu nicht in der Lage. Es ist ihnen offenbar nicht ausreichend bewusst, was sie da immer wieder machen, wenn sie acht zeigen. Bitten Sie Kinder, Ihnen Aufgaben wie „acht weniger fünf!“ mit den Fingern zu zeigen. Beobachten Sie: Nimmt das Kind fünf als „eine ganze Hand“ weg – oder klappt es, vom achten Finger beginnend, fünf Finger einzeln zählend um? Sofern es nicht einfach die ganze Hand wegnimmt, sondern die Aufgabe zählend löst: Warum so umständlich? Das Erkennen, Nutzen und Automatisieren von Zahlbeziehungen im Allgemeinen, von Beziehungen der Zahlen zu fünf und zehn im Besonderen ist alles andere als selbstverständlich. Bestimmte Varianten von Zahlverständnis, die Kinder bis zur Einschulung gewonnen haben können, stehen dem Erkennen solcher Beziehungen erst einmal im Weg. Und bestimmte Formen des Unterrichts tragen wenig dazu bei, dieses Hindernis für das weitere mathematische Lernen aus dem Weg zu räumen. Die hinderlichen Varianten von Zahlverständnis könnten vereinfacht etwa so beschrieben werden: Zahlen fallen für manche Kinder (mehr oder weniger) mit ihrer Verwendung beim Zählen zusammen. Im Vordergrund ihres Bewusstseins steht der stets bei eins beginnende Zählvorgang – und nicht die Anzahl, die durch das Zählen ermittelt wird5. AnzahlBeziehungen wie Teil-Ganzes (acht das Ganze, fünf und drei seine Teile) oder Mehr-Weniger (acht ist um zwei weniger als zehn) haben in dieser Denkweise keinen Platz.
Unzureichendes Zahlverständnis
Zur Erläuterung: Beim Zählen sage ich die Zahlwortreihe auf und tippe dabei (wenn ich richtig zähle) jeweils auf einen Gegenstand. Zähle ich die Finger, indem ich sie einzeln hochklappe, dann sage ich üblicherweise beim Hochklappen des Mittelfingers der zweiten Hand „acht“. Zähle ich Würfel in einer Reihe, dann spreche ich beim Antippen des achten Würfels das Zahlwort „acht“ aus.
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Kapitel IV
Ein tragfähiges Verständnis von „acht“ müsste nun vor allem zwei Einsichten beinhalten: Zwei wesentliche Einsichten
•
Einsicht Nummer eins: Mit „acht“ ist die Gesamtheit aller acht gemeint – auch wenn ich beim Aussprechen dieses Wortes auf nur einen Würfel getippt, nur einen Finger ausgestreckt habe.
•
Einsicht Nummer zwei: Diese Gesamtheit steht in (vielfältigen) Beziehungen zu anderen Gesamtheiten (etwa: acht ist um zwei weniger als zehn) und kann in sich gegliedert, aus anderen Zahlen/Gesamtheiten zusammengesetzt werden (etwa: acht kann aus fünf und drei Würfeln oder Fingern zusammengesetzt werden).
Beide Einsichten sind nicht selbstverständlich! Einsicht Nummer eins bildet für alle Kinder eine wichtige Stufe beim Erlernen des Zählens; die meisten erreichen diese Stufe lange, bevor sie in die Schule kommen: Wenn man sie einlädt, sich acht Zuckerl aus einer Dose zu nehmen, dann zählen sie acht Zuckerl ab und nehmen diese in ihrer Gesamtheit (und nicht nur eines, das achte).6 Auftrag für den Unterricht!
Einsicht Nummer zwei muss ein zentrales Ziel im Mathematikunterricht der ersten Schulstufe sein. Andernfalls ist zu befürchten, dass gar nicht wenige Kinder diese Einsicht gar nie oder erst verspätet erlangen – zum Schaden ihrer weiteren mathematischen Entwicklung. Aus der Verwendung von Zahlen beim Abzählen heraus ergibt sich diese Einsicht keineswegs von selbst: Beim Abzählen ist „acht“ ja tatsächlich einfach das, was „gleich nach sieben“ kommt – aber nie und nimmer „fünf“ und „drei“.
Zahlen als Zusammensetzung gedacht
Kinder, die lernen, „acht“ als „fünf“ und „drei“ zu denken, können die Aufgabe „acht weniger fünf“ unschwer verstehen und lösen, ohne zu zählen: Das sind acht, zusammengesetzt aus fünf und drei.
Fünf davon nehme ich weg.
Dann bleiben drei übrig.
Abbildung 17
Zahlen als „Stationen in einer Reihe“ gedacht
Kinder, die bei „acht“ vorrangig an „gleich nach sieben“ und bei „fünf“ dementsprechend an „gleich nach vier“ denken, müssen sich zunächst einen Reim darauf machen, was mit „acht weniger fünf“ überhaupt gemeint ist:
„Hier ist fünf.“
„Hier ist acht.“
Aber was soll „acht weniger fünf“ bedeuten? Abbildung 18
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Kapitel IV
Tatsächlich bleibt dies für manche Kinder dunkel (siehe Kapitel VI). Was aber die meisten (in der Regel mit Unterweisung) lernen, ist, was sie bei „acht weniger fünf“ tun müssen. Und das verträgt sich bestens mit ihrer Sichtweise von Zahlen: 5
Das ist drei. Hier „lande“ ich, das ist mein Ergebnis!
4
3
2
1
Das ist acht. Von hier aus muss ich 5 zurück!
Abbildung 19
An diesem einen, kleinen Beispiel kann vieles verdeutlicht werden, was für Unterricht und Förderung von entscheidender Bedeutung ist: Richtige Lösungen erlauben nicht den Rückschluss auf ausreichendes Verständnis. Wenn das Kind in obigem Beispiel die „Zahl“, bei der es beim „Zurückhüpfen“ „landet“, als Lösung von „acht weniger fünf“ nennt, dann hat es zwar die Aufgabe richtig gelöst – aber weder Zahlen noch das „Weniger-Rechnen“ (Subtrahieren) ausreichend verstanden. Das Verständnis von Zahlen und von Rechenoperationen (hier: Subtrahieren) bedingen einander. Wenn ein Kind Zahlen nicht als Ganze versteht, die aus Teilen zusammengesetzt sind (acht zum Beispiel aus fünf und drei), dann kann es auch Subtrahieren nicht als Wegnehmen solcher Teile von einem Ganzen verstehen.
Unzureichendes Zahlverständnis führt zu unzureichendem Operationsverständnis
Ein in dieser Weise unzureichendes Verständnis von Zahlen und Rechenoperationen legt das Kind auf zählende Lösungsverfahren fest. Eine Alternative bietet allenfalls das Auswendigmerken eines Rechensatzes. Warum dies keine sinnvolle Alternative darstellt, wird noch erläutert (siehe Kapitel VIII). Zahlen ebenso wie Rechenoperationen sind nichts, was „gesehen“ oder „angegriffen“ werden kann: Sie müssen gedacht und verstanden werden. Was Kinder sehen und angreifen können, sind immer nur einzelne Finger oder Kugeln oder Würfel oder sonstiges Material, nie „die Zahl acht“. Wesentlich ist, was ein Kind beim Sehen und Angreifen von Material denkt. Es kann acht Finger sehen und denken: „Diese fünf und diese drei bilden zusammen acht“ – aber eben auch: „Acht ist da, und von da muss ich fünf zurückgehen“.
Zahlen müssen gedacht werden!
Die folgenden Anregungen sollen dabei helfen, diese Erkenntnisse umzusetzen.
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Kapitel IV
C Anregungen für Unterricht und Förderung 1. Finger-Anzahlen „auf einen Sitz“ zeigen Die eigenen Finger sind das nächstliegende „Material“ zum Sammeln von Erfahrungen im Zahlenraum zehn. Sie bieten durch ihre Struktur (zehn Finger verteilt auf zwei Hände zu jeweils fünf) beste Voraussetzungen dafür, um mit ihrer Hilfe zu wichtigen Erkenntnissen über Zahlen (und Rechenoperationen) zu gelangen. Freilich hängt alles davon ab, welche „Fingerhandlungen“ und „Fingergedanken“ Kinder haben: Viele werden die Finger von sich aus nur zum Zählen und zählenden Lösen von Rechenaufgaben verwenden und auf diese Weise – siehe oben! – gerade nicht zu einem besseren Zahlverständnis gelangen. Finger können Zahlenverständnis befördern – aber nur bei richtigem Einsatz!
Nicht für alle Kinder selbstverständlich: eine Hand = fünf Finger
Vermitteln Sie also, wie Finger beim Umgang mit Zahlen anders und besser helfen können! Regen Sie ganz bestimmte, nicht-zählende Fingerhandlungen an und bringen Sie die Kinder dazu, darüber entlang gezielter Fragen nachzudenken! Im Einzelnen: Grundlegend für alles Weitere ist das sichere Wissen, dass wir fünf Finger an einer, zehn Finger an beiden Händen haben. Nicht jedes Kind bringt dieses Wissen in die Schule mit. Aber jedes Kind, das zählen kann (siehe Kapitel I), kann die Anzahl seiner Finger zählend feststellen. Stellen Sie dazu weitere Fragen, und Sie helfen Kindern, die dies bislang nicht getan haben, die Anzahl ihrer Finger festzuhalten und als stets abrufbares Wissen zu speichern: „Du hast also fünf Finger an einer Hand gezählt. Wenn du noch einmal zählst, wird es wieder so sein? Wenn du nicht sicher bist: Zähle nach! Jetzt schüttle deine Finger gut durch – sind es immer noch fünf? Zähle nach, wenn du unsicher bist! Habe ich auch fünf Finger an einer Hand? Zähl nach, wenn du unsicher bist! Sind es an beiden Händen gleich viele Finger? Könnte es sein, dass du an einem Morgen aufwachst und plötzlich elf Finger hast? Was müsste passieren, dass du weniger Finger hast? (Also Vorsicht mit scharfen Messern und Werkzeugen!)“ Nächstes Ziel: Alle Kinder sollen lernen, die Zahlen bis zehn „auf einen Sitz“ mit ihren Fingern zu zeigen, also durch eine gleichzeitige Ausstreckbewegung. Auch das ist keine Frage des Immer-wieder-Tuns, sondern der Bewusstwerdung. Anregungen zum Erreichen dieses Zieles:
Drei als „zwei und noch eins“
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•
Fünf und zehn kann ein Kind dann „auf einen Sitz“ zeigen, wenn es weiß, dass eine Hand fünf Finger, zwei Hände zusammen zehn Finger sind, siehe oben!
•
Ein Schulkind, das mit dem gleichzeitigen Ausstrecken von zwei Fingern ein Problem hätte, habe ich in mehr als zehn Jahren Arbeit mit sogenannt „rechenschwachen“ Kindern nicht erlebt, wohl aber Kinder, die schon bei drei Fingern „eins, zwei, drei“ einzeln zählen mussten. Bitten Sie ein Kind, das so vorgeht, seine drei durch Zählen ermittelten Finger eine Zeitlang ausgestreckt zu halten! Fordern Sie es auf, zu beschreiben, was denn nun zu sehen ist. Welche Finger sind ausgestreckt? Braucht man dafür zwei Hände, oder genügt eine? Kann man „drei“ auch mit anderen Fingern zeigen? Und weiter: Das Kind soll die drei Finger in ausgestreckter Haltung gleichzeitig bewegen (damit „winken“). Es soll die Fingerspitzen aneinanderführen.
Kapitel VIII
Zur Erläuterung: Jedes dieser Kärtchen kombiniert eine der bereits automatisierten Handzerlegungen mit einer „Nachbaraufgabe“ nach dem Prinzip der gegensinnigen Veränderung. Die bereits automatisierte Handzerlegung wird damit zur „Hilfsaufgabe“ für die noch nicht automatisierte Nachbarzerlegung. Wenn das Prinzip der gegensinnigen Veränderung bereits verinnerlicht wurde (siehe Kapitel VII!), dann sollte ein Kind bei Anblick dieser Kärtchen zu folgender Überlegung imstande sein (am Beispiel des ersten Kärtchens): „Sechs ist fünf und eins. (Ich verschiebe eins/eine Kugel). Dann ist sechs auch vier und zwei.“ (Ist diese Überlegung dem Kind nicht möglich, dann kommt der Versuch des Automatisierens für dieses Kind zu früh!) Alle diese Kärtchen sind also nach demselben Grundgedanken zu lösen (und bilden insofern ein „schönes Päckchen“). Diese Einheitlichkeit erhöht die Chancen, dass •
auch schwächere SchülerInnen die Kraft dieser Lösungsstrategie erkennen und nutzen; und
•
durch das wiederholte Abarbeiten genau dieser Kärtchen (im Sinne einer „Trainingseinheit“) das Weiterdenken der bereits vertrauten Handzerlegung hin zur Nachbarzerlegung sich gewohnheitsmäßig einschleift: So wie das Kind schon bisher bei „neun“ gewohnheitsmäßig „fünf und vier“ mitgedacht haben sollte, lernt es nun zu denken: „Neun ist fünf und vier, und auch sechs und drei.“
Automatisieren setzt die Erarbeitung voraus! „Schöne Päckchen“ im wörtlichen Sinn!
Denken in Zusammenhängen soll zur Gewohnheit werden
Wieder sollten Sie den Kindern ermöglichen, in ihrem eigenen Tempo vorzugehen. Dazu gehört auch, dass keineswegs alle 13 Kärtchen dieser Einheit auf einmal trainiert werden müssen. Denkbar wäre für lernschwächere Kinder folgende Unterteilung: Zunächst Beschränkung auf alle Zerlegungen mit „sechs und …“, bis sich hier das Denken im Zusammenhang mit der Handzerlegung eingeschliffen hat; dann alle Zerlegungen mit „vier und …“. Das vorläufige Ziel ist erreicht, wenn ein Kind ohne längeres Nachdenken (innerhalb von 1 bis 2 Sekunden) bei Anblick der neuen Kärtchen beide Zerlegungen hintereinander nennen kann. Dieses Ziel ist deshalb nur vorläufig, weil damit die Nachbarzerlegungen möglicherweise noch nicht für sich genommen automatisiert sind; trainiert wurden sie ja bislang nur in vorgegebener Verknüpfung mit einer Handzerlegung. Die Kinder sollten die weiteren Zerlegungen aber letztlich auch unmittelbar parat haben. Das bedarf (zumindest bei manchen Kindern) eines weiterführenden gezielten Trainings. Ein wichtiger Teil dieses Trainings besteht einfach darin, dass die neu zu automatisierenden Zerlegungen auch in Gebrauch genommen werden; siehe dazu Punkt 6! Ein anderer Teil besteht darin, dass die Kinder lernen, die zu einer Aufgabe passende „Hilfsaufgabe“ selbst zu finden. Dafür sind anders gestaltete Aufgabenkärtchen von Vorteil, ein Beispiel: vorne: hinten:
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7 4
+
Der nächste Schritt: Kind stellt Zusammenhang aktiv her
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5
+
__
Abbildung 63: Vorder- und Rückseite eines weiterführenden Lernkärtchens für die Zerlegung 7 = 4 + 3
99
Kapitel VIII
Die beste Hilfe: Hilfe zur Selbsthilfe!
Die Koppelung an die Hilfsaufgabe ist bei diesem Kärtchen auf der „Frageseite“ nicht mehr vorgegeben. Die Kinder selbst sollten (sofern sie die gefragte Zerlegung noch nicht automatisiert haben) überlegen: Welche andere Zerlegung kann mir helfen? Wenn sie Hilfe benötigen, bietet zwar die Rückseite einen „Tipp“ (die vertraute „Handzerlegung“ als „Hilfsaufgabe“). Diesen Tipp sollten Kinder aber im Idealfall erst erhalten, wenn sie zuerst versucht haben, „sich selbst zu helfen“. Beim Arbeiten mit einer Betreuungsperson sollte diese auf Schwierigkeiten also zunächst nur mit einem Denkanstoß reagieren: „Kennst du eine Zerlegung, die dir weiterhilft?“
6. Die neu gelernten Zerlegungen in Gebrauch nehmen Jede gewusste (aber vielleicht noch nicht automatisierte) Zerlegung ermöglicht einem Kind, eine ganze Reihe von miteinander zusammenhängenden Aufgaben nicht-zählend zu lösen. Umgekehrt trägt das beständige Anwenden einer Zerlegung beim nicht-zählenden Rechnen entscheidend zum Automatisieren bei. Zerlegungen anwenden
Ein beliebiges Beispiel: Die folgenden Rechnungen sind nichts anderes als andere Sichtweisen der Zerlegung von „sieben“ in „fünf und zwei“:
7 5
+
2
5 + 2 = ___
2 + 5 = ___
7 – 5 = ___
7 – 2 = ___
Abbildung 64: Eine Zerlegung, vier davon abgeleitete Rechnungen
Darüber hinaus ist auch das „Ergänzen“ nichts anderes als eine andere Betrachtungsweise der jeweiligen Zerlegungsaufgabe:
7 5
+
__
Abbildung 65: Als Zerlegung betrachtet: Wenn ich 7 zerlege, ist ein Teil 5, der andere ...? Als Ergänzung betrachtet: Wenn ich 5 habe, wie viel fehlt noch, damit es insgesamt 7 sind?
Erste Konsequenz daraus: Wenn Kinder Zerlegungen zu automatisieren versuchen, dann sollten diese Zerlegungen parallel dazu im Mittelpunkt von Aufgaben und Übungen stehen, in denen es um ihre Anwendung in Additionen, Subtraktionen, Ergänzungen geht.
100
Kapitel IX
vorne:
hinten:
6 6 – 3
3
+
__
Abbildung 81: Beispiel für ein Subtraktionskärtchen zum Halbieren
D Differenzieren und Verknüpfen Differenzierungen ergeben sich von selbst, wenn manche Kinder auch die Zahlen 6, 7, 8, 9, 10 (und vielleicht noch mehr) verdoppeln wollen. Bremsen Sie diese Kinder nur nicht ein! Die Handlung des Verdoppelns wird (als einfache Eins-zu-Eins-Zuordnung) ohnedies mit beliebig großen Zahlen keine Probleme schaffen; wie aber erfolgt die Ergebnisermittlung? Regen Sie an, dass die Kinder beim Verdoppeln auch größerer Anzahlen Rechenschiffchen verwenden (wodurch das Zehnerfeld zum Zwanzigerfeld wird). Beim Verdoppeln der 8 entsteht dann beispielsweise:
Verdoppeln im Zwanzigerfeld
Abbildung 82: Verdoppeln von 8 mit Rechenschiffchen
Vielleicht noch eingängiger lässt sich das Verdoppeln von 6, 7, 8, 9 mit den Händen erarbeiten: Zwei nebeneinandersitzende Kinder sollen zum Beispiel 8 + 8 mit ihren Händen darstellen ( jedes Kind bildet 8 als 5 + 3 Finger) und sich überlegen, wie viele Finger sie zusammen ausgestreckt haben.
Verdoppeln mit vier Händen
Abbildung 83: Verdoppeln mit Händen
117
Kapitel IX
10 + 6 = 16: Nur scheinbar „kinderleicht“
Wie aber lässt sich nun jeweils die Gesamtanzahl ermitteln? Kinder werden unschwer von selbst erkennen, dass sie 5 + 5 (die beiden vollen Rechenschiffchen bzw. die beiden vollen Hände) nicht zählen müssen. Bleibt noch 3 + 3 = 6. Wie viel aber ist 10 + 6? Manchen Kindern wird, auch ohne dass dies im Unterricht behandelt worden wäre, klar sein, dass „zehn und sechs“ zusammen „sechzehn“ sind und vielleicht auch, dass man „sechzehn“ als 16 schreibt; aber beides ist natürlich keinesfalls selbstverständlich und setzt bereits ein (zumindest „intuitives“) Verständnis unseres Stellenwertsystems voraus. Kinder, die dieses Verständnis bereits vor- und außerschulisch erworben haben, sollten keinesfalls im Zahlenraum 10 eingeengt werden. Andere Kinder werden 10 + 6 vorerst nur zählend ermitteln können. Nun sollte Ihr Ziel aber gerade darin bestehen, den Kindern nicht-zählende Strategien näherzubringen. Das erfordert für diesen Aufgabentyp das Erarbeiten zusätzlicher Voraussetzungen (Zehner-Einer-Verständnis, Stellenschrift). Hier steht für Sie also eine Entscheidung an: Wenn Sie alle Kinder schon frühzeitig im zweistelligen Bereich arbeiten lassen wollen, dann müssen Sie sich darum bemühen, dass auch wirklich alle Kinder diese zusätzlichen Voraussetzungen erwerben (Anregungen dafür finden Sie in Kapitel XIII). Andernfalls werden viele Kinder gezwungenermaßen im zweistelligen Bereich genau jene zählenden Strategien anwenden (und bei längerer Verwendung möglicherweise verfestigen), deren Überwindung eine Hauptaufgabe des mathematischen Erstunterrichts darstellt.
Differenzierung beim Zahlenraum! (Siehe Kapitel XIII)
Die Alternative dazu kann aber meines Erachtens nicht heißen, alle Kinder monatelang im Zahlenraum bis 10 einzuengen, sondern besteht in differenziertem Unterricht auch bezüglich der Zahlenräume, in denen Kinder mit unterschiedlichen Voraussetzungen arbeiten dürfen und sollen.
Verdoppelungen als Hilfsaufgaben
Verknüpfen lässt sich das Arbeiten an den Verdoppelungen mit dem weiterführenden Gedanken der „Verdoppelung + 1“ (siehe Kapitel X). Kinder, die sich beim Verdoppeln leicht tun, die das Verdoppeln vielleicht schon von Anfang an automatisiert hatten, sollten das „Verdoppeln + 1“ frühzeitig als wirkungsvolle Strategie entdecken können. Aber auch jene Kinder, die zwar bereits ein Verständnis vom Verdoppeln als Handlung haben, aber noch nicht alle Verdoppelungen vollständig automatisiert haben, werden davon profitieren, wenn das „Verdoppeln + 1“ zum Thema gemacht wird: Zum einen wird ja beim Bearbeiten entsprechender Aufgabenpaare (zuerst 3 + 3, dann 3 + 4) immer auch das Verdoppeln selbst neuerlich trainiert; zum anderen erhält das Verdoppeln damit zusätzliche Bedeutung als Hilfsaufgabe für das Lösen weiterer Aufgaben. Und das erhöht die Motivation, sich diese Hilfsaufgaben auch wirklich zu merken!
118
Kapitel X
2. Lösungsstrategien als solche bewusst machen Strategien für geschicktes, nicht-zählendes Rechnen wurden in den voranstehenden Kapiteln bereits angeregt, weitere folgen in diesem Kapitel. Sie erhöhen die Lernchancen der Kinder, wenn Sie solche Strategien mit den Kindern nicht einfach nur in den verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten erarbeiten (und die Kinder dann anwenden lassen). Den Kindern sollte dabei auch jeweils deutlich bewusst werden, dass sie eine neue Strategie, einen neuen Weg des geschickten Rechnens gelernt haben. Ein Beispiel: Sie haben mit den Kindern erarbeitet, dass aus der üblichen Fingerdarstellung von 6 / 7 / 8 / 9 / 10 heraus viele „Wegnehmaufgaben“ ganz leicht gelöst werden können: Eine der beiden Hände wird weggenommen / weggedacht (9 – 5 / 9 – 4; 8 – 5 / 8 – 3 etc). In der Besprechung im Sitzkreis ergibt sich in der Regel von selbst der Vergleich mit dem Weg des „Runterzählens“ (andernfalls sollten Sie ihn anregen). Gerade bei einer Aufgabe wie 6 – 5 wird der Unterschied zwischen dem mühsamen zählenden Verfahren und der geschickten Strategie (Wegnehmen der vollen Hand) besonders deutlich werden. Dieselbe Strategie kommt aber auch in 9 – 4, 8 – 3 etc. zur Anwendung; durch Zusammenstellen solcher Aufgaben in Form „schöner Päckchen“ und das Besprechen dieser Päckchen („Erkennt ihr, was diese Aufgaben gemeinsam haben?“) können Sie feststellen, ob Kinder eine Strategie auch bewusst als solche erleben, und dieses bewusste Erleben zugleich fördern. Wenn eine Strategie als immer wieder wirksam erkannt wird, dann soll sie auch mit einem Namen benannt werden. Im Beispielsfall bietet sich ein Name wie „Eine Hand weg!“ an. Aber vielleicht fallen Ihren Kindern ja bessere Bezeichnungen ein! Sie sollten sich freilich in der Klasse auf jeweils einen Namen für eine Strategie einigen, unter welchem die Kinder und Sie künftig über diese Strategie reden können.
Über Strategien reden
Für Strategien Namen finden lassen
Machen Sie den Zuwachs an Strategien auf einer Eins-plus-eins-Tafel deutlich! Auch das Anwachsen ihrer Möglichkeiten zu „geschicktem Rechnen“ durch das Erlernen zusätzlicher Strategien sollte von den Kindern jeweils bewusst wahrgenommen werden. Das festigt die bereits erlernten Strategien und steigert die Motivation, neue dazuzulernen. Für ein solches Bewusstmachen eignet sich eine Tafel, auf der alle Additionen im Zahlenraum bis 10 (später bis 20) festgehalten werden können. Nach Erarbeitung des Zahlenraums 10 könnte diese Eins-plus-eins-Tafel35 folgendermaßen aussehen:
123
Tausch
2 + 2
doppelt
3 + 2
doppelt + 1
4 + 2
2 + 1
eins mehr
3 + 1
eins mehr
4 + 1
1 + 2
doppelt
1 +1
9 + 1
eins mehr
zwei mehr
8 + 2
8 + 1
eins mehr
zwei mehr
eins mehr
7 + 2
6 + 2
6 + 1
7 + 1
Hände
Hände
zwei mehr
5 + 2
5 + 1
eins mehr
zwei mehr
eins mehr
124
zusammen 10
7 + 3
5 + 3!
6 + 3
Hände
5 + 3
doppelt + 1
4 + 3
doppelt
3 + 3
doppelt + 1
2 + 3
Tausch
1 + 3
zusammen 10
6 + 4
Hände
5 + 4
doppelt
4 + 4
doppelt + 1
3 + 4
Tausch
2 + 4
Tausch
1 + 4
Hände
5 + 5
Hände
4 + 5
Hände
3 + 5
Hände
2 + 5
Hände
1 + 5
zusammen 10
4 + 6
3 + 5!
3 + 6
Tausch
2 + 6
Tausch
1 + 6
zusammen 10
3 + 7
Tausch
2 + 7
Tausch
1 + 7
Tausch
2 + 8
Tausch
1 + 8
Abbildung 84: Eins-plus-eins Tabelle nach Erarbeitung des Zahlenraums bis 10. (Die freien Felder werden im Zug der Erarbeitung des Addierens im ZR 20 gefüllt; s. Kap. XIII)
Tausch
1 + 9
Kapitel X
Streiche diese Aufgabe durch! Schreibe die passende daneben!
Kapitel X
7 – 5 =
7 – 6 =
8 – 3 =
8 – 4 =
10 – 5 = 7 – 2 = Immer zwei Rechnungen gehören zusammen. Auf welche Weise? Finde selbst die fehlenden Rechnungen! Abbildung 97: Beispiele für „schöne Päckchen“ zur Verfestigung des Nachbargedankens bei Subtraktionen
Die hier vorgestellten Arbeitsaufträge und Übungen zu Subtraktions-Päckchen sind für alle Kinder lohnend; es geht dabei um das Erkennen von Mustern, das Denken in Zusammenhängen: um Mathematik eben. Nur für manche Kinder wird aber der Gedanke an die Nachbaraufgabe auch als Abrufstrategie für das Automatisieren einzelner Subtraktionen zielführend sein (für andere liegt es näher, an die jeweils passende Zahlzerlegung zu denken). Welche Strategie für ein Kind letztlich die bessere ist, können Sie durch einen (wiederum für alle lohnenden) Arbeitsauftrag herausfinden: Stellen Sie Kindern nach Erarbeitung beider Strategien (Zerlegung / Nachbaraufgabe) Aufgaben wie die folgende: Hier sind Minus-Aufgaben. Schreibe zu jeder Aufgabe eine passende Hilfsaufgabe! Hilfsaufgabe:
9 – 6
7 – 4
9 – 3 Abbildung 98: Was hilfreich ist, entscheidet das Kind selbst!
Wenn nun ein Kind etwa bei 7 – 4 für sich selbst 7 – 5 als passende Hilfsaufgabe empfindet, dann sollte es auch genau mit dieser Hilfsaufgabe am Automatisieren von 7 – 4 arbeiten. Kinder, denen bei 7 – 4 die Zerlegung von 7 in 4 + 3 einfällt, werden dagegen besser genau diese Zerlegung auf der Rückseite ihres Automatisierungskärtchens vermerken. Und jene Kinder, die weder die eine, noch die andere Strategie selbst finden, werden durch die Besprechung im Sitzkreis erneut mit beiden Strategien konfrontiert. Welche finden Sie „geschickter“?
Welche Strategie für welches Kind? Das entscheiden am besten die Kinder!
135
Kapitel X
Wegnehmen als Umkehrung des Dazugebens Nur zwei verschiedene Sichtweisen desselben Zusammenhangs
Dazugeben ist die Umkehrung des Wegnehmens, das Wegnehmen die Umkehrung des Dazugebens: Dieser Zusammenhang war bereits mehrfach Thema. Als Strategie für das Lösen von Subtraktionen kommt die Umkehraufgabe vor allem dann in Betracht, wenn das Ergebnis 1 oder 2 beträgt: 8 – 7 ist leicht zu lösen, wenn dabei an 7 + 1 = 8 gedacht wird und klar ist, dass beim Wegnehmen die Addition „umgekehrt“ wird. Der Unterschied zur Strategie „Zerlegung“ besteht nur im Blickwinkel: Bei 8 – 7 kann ich (statt an die Addition 7 + 1) auch an die Zerlegung der 8 in 7 + 1 denken, um dann den einen Teil (die 7) im Geiste wegzunehmen. Wiederum ist denkbar, dass dem einen Kind der eine, dem anderen Kind der andere Blickwinkel leichter fällt. Und wiederum kann man die Wahl dem Kind selbst überlassen, nachdem beide Blickwinkel durch entsprechende Aktivitäten in der Kasse ermöglicht worden sind. Anregungen zur Erarbeitung des Umkehrgedankens finden Sie in Kapitel VI. Um den Gedanken zu festigen, sollten Sie die Kinder wieder entsprechende Aufgabenpaare bearbeiten lassen und im Sitzkreis gemeinsam auswerten; ein Beispiel: Was fällt dir auf? Kannst du auf dieselbe Weise weitermachen?
8 + 1 =
9 – 8 =
6 + 1 =
7 – 6 =
9 + 1 =
10 – 9 =
7 + 1 = 5 + 1 = Abbildung 99: Beispiel für ein „schönes Päckchen“ zum Zusammenhang von Addieren und Subtrahieren
Aufschluss über die Strategie-Vorlieben der einzelnen Kinder geben Aufgaben wie die folgende: Hier sind Minus-Aufgaben. Schreibe zu jeder Aufgabe eine passende Hilfsaufgabe! Hilfsaufgabe:
9 – 8 7 – 6 10 – 8 Abbildung 100: Und wieder: Was hilfreich ist, entscheidet das Kind selbst!
136
Eine Fülle konkreter Anregungen für den Klassenunterricht
ebenso wie für die begleitende Förderung
mit vielen hilfreichen Abbildungen
und Kopiervorlagen
Michael Gaidoschik
Kinder lernen Mathematik von unterschiedlichen Voraussetzungen ausgehend, auf unterschiedlichen Wegen und unterschiedlich schnell: Dass manche von ihnen „rechenschwach“ werden, lässt sich in vielen Fällen – vielleicht sogar in den meisten – mit Hilfe dieses Buches vermeiden. Wie Kinder ein tragfähiges Zahlverständnis entwickeln und womit die Lehrerin/der Lehrer sie in der 1. Klasse dabei aktiv unterstützen kann, zeigt dieses neue Handbuch anschaulich, übersichtlich gegliedert und mit vielen praktischen Beispielen:
Rechenschwäche vorbeugen
Michael Gaidoschik
Der Autor Michael Gaidoschik lernt mit und von „rechenschwachen“ Kindern seit 1995. Er leitet die Rechenschwäche Institute Wien und Graz, ist als Dozent in der Aus- und Fortbildung von GrundschullehrerInnen tätig und Herausgeber der Internet-Ratgeberseiten www.rechenschwaeche.at.
Rechenschwäche vorbeugen
Das Handbuch für LehrerInnen und Eltern ISBN: 978-3-7074-0628-3 www.ggverlag.at € 19,99
1. Schuljahr: Vom Zählen zum Rechnen
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