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„Am Anfang war die Differenz“ Evolutionstheoretische Aspekte der Ebenenunterscheidung in Luhmanns Theorie sozialer Systeme von Klaus Gilgenmann (Osnabrück) für ein Sonderheft der Zeitschrift für Soziologie Hrsg. Bettina Heintz und Hartmann Tyrell (2012) mit dem vorläufigen Titel INTERAKTION – ORGANISATION – GESELLSCHAFT Skriptentwurf (17. April 2012)

Zusammenfassung: Die von Luhmann in der Theorie sozialer Systeme verwendete Ebenenunterscheidung ist im Kontext seiner Evolutionstheorie zu verstehen. Es geht dabei nicht um methodologische Probleme wie in der Mikro-Makro-Diskussion, sondern um Ordnungsprobleme der Gesellschaft wie bei den Gründern der Soziologie. Differenzierung wird als Mechanismus der Restabilisierung sozialer Ordnung in der kulturellen Evolution und Ebenendifferenzierung als Freiheitsgewinn innerhalb dieser Ordnung beschrieben. Im Anschluss an Luhmann und neuere Theorien der kulturellen Evolution wird vorgeschlagen, bei der Untersuchung von Problemen der modernen Gesellschaft von einer Konkurrenz der Differenzierungsformen auszugehen. Am Anfang jeder guten Geschichte steht ein Problem und am Ende die Lösung. Differenzierung ist in der Theorie sozialer Systeme nicht das Problem, sondern die Lösung.1 Bei wissenschaftlichen Abhandlungen steht die Lösung oft schon am Anfang. Die erste Form sozialer Differenzierung ist die Bildung von sozialen Systemen selbst. Sie ist auch in Luhmanns Theorie jeder Binnen- und Ebenendifferenzierung schon vorausgesetzt. An die grundlegende (binäre) Unterscheidung zwischen System und Umwelt schließen sich dann mehrfach triadische Unterscheidungen an. Das ist nicht nur bei der Unterscheidung der Systemebenen Interaktion – Organisation – Gesellschaft der Fall, die im Focus dieses Bandes steht: „Man kann die soziokulturelle Evolution beschreiben als zunehmende Differenzierung der Ebenen, auf denen sich Interaktionssysteme, Organisationssysteme und Gesellschaftssysteme bilden.“ (Luhmann 1975a: 13) Zwei weitere Fälle sollen in diesem Beitrag zur Erläuterung der Ebenenunterscheidung herangezogen werden: Das ist erstens die Unterscheidung von segmentärer, stratifikatorischer und funktionaler Differenzierung, die an die ältere soziologische Theorietradition anschließt, von Luhmann aber auch ein Stück weit von der Beschreibung historischer Formationen abgelöst und i.S. gleichzeitig gegebener Differenzierungsformen der Gesellschaft interpretiert wird: „In der Richtung von segmentären zu stratifizierten und zu funktional differenzierten Gesellschaften wächst das Potential für Neuerungen in Teilsystemen und damit das Tempo evolutionär erzeugter Strukturveränderungen.“ (Luhmann 1 „Ähnlich wie Hegel und wie Marx ist auch Darwin Differenztheoretiker par excellence. Am Anfang war die Differenz - oder wenn man es genau will: die Einheit der Differenz - verschiedener evolutionärer Funktionen“ (Luhmann 1983: 196). Die hier im Titel zitierte Anfangsformel kann mit Bezug auf die Evolution sozialer Systeme sowohl symbolisch und konstruktivistisch wie auch material und naturalistisch aufgefasst werden. Anfangsformeln wie Diese sind aber auch ironisch gehandhabte Verweise auf die motivierende Funktion einfacher (zeitlicher) Kausalverknüpfungen, wie sie in allen Erzählungen vorkommen. So behauptet der Anthropologe M. Tomasello: „Am Anfang stand die Zusammenarbeit ...“ (Gespräch mit H. Mayer, FAZ 24.11.2011)

1981: 187) Das ist zweitens die Unterscheidung evolutionärer Mechanismen der Variation, Selektion und reproduktiven Stabilisierung, die an die evolutionstheoretische Tradition anschließt und von Luhmann für die Verhältnisse der kulturellen Evolution in spezifischer Weise bestimmt wird. „Wenn die Mechanismen für Variation, Selektion und Stabilisierung schärfer differenziert werden, wird Strukturänderung wahrscheinlicher, verändert sich die Gesellschaft also schneller.“ (Luhmann 1975b: 152.)2 In allen drei Fällen geht es um die Unterscheidung von Phänomenen, die selbst der Evolution ausgesetzt sind, deren Differenz also durch Evolution gesteigert wird. Und es handelt sich um verschiedene Unterscheidungen, die miteinander verknüpfbar, aber nicht aufeinander reduzierbar sind. Das ist offenkundig im Falle der Differenzierungsformen, die Luhmann der Ebene der Gesellschaft zuordnet (wobei er zugleich darauf hinweist, dass die Differenz zwischen Interaktion und Gesellschaft unter den historischen Bedingungen des Primats segmentärer Differenzierung geringer entwickelt ist als unter den Bedingungen der anderen Differenzierungsformen). Es gilt aber auch im Fall der evolutionären Mechanismen, von denen Luhmann sagt, dass sie erst im Verlauf der kulturellen Evolution durch Ebenendifferenzierung trennscharf werden und sie damit beschleunigen. Im Folgenden soll die in der Luhmanschen Theorie sozialer Systeme enthaltene Verknüpfung der Theorie sozialer Differenzierung mit Evolutionstheorie wieder 2 In dieser Hinsicht Luhmanns Theorieangebot zusammenfassend Stichweh: „Ob es zu Evolution im Sinne eines unwahrscheinlichen und zufallsabhängigen Strukturaufbaus tatsächlich kommt, hängt davon ab, ob und wie die drei evolutionären Mechanismen getrennt sind; bei Luhmann heißen sie Variation, Selektion, Stabilisierung. Diese Frage der Trennbarkeit und der als Resultat von Evolution sich verstärkenden Distanz zwischen den evolutionären Mechanismen bildet bei Luhmann sehr deutlich den Schwerpunkt der Theoriebildung. Das erleichtert die Vernetzung mit der auf Differenzierung zielenden dominanten Tradition der Soziologie, da die zunehmende Trennung evolutionärer Mechanismen im Verhältnis zueinander mit Umbauten in der Differenzierungsform der Gesellschaft zusammenhängt.“ (Stichweh 1999: 17 – kursive Hervorhebung kg)


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aufgenommen und im Blick auf den heutigen Forschungsstand der biologischen Evolutionstheorie weitergeführt werden. In Luhmanns Unterscheidung zwischen Interaktions-, Organisations- und Gesellschaftssystemen wird die evolutionstheoretische Unterscheidung verschiedener Ebenen der Selektion mit der soziologischen Unterscheidung verschiedener Ebenen der Sozialität kombiniert. Während die evolutionstheoretische Unterscheidung in sachlicher und zeitlicher Hinsicht einen weiten Horizont aufspannt, ist die Luhmannsche Unterscheidung auf die Binnendifferenzierung menschlicher Sozialität beschränkt und vorrangig auf die Analyse von Problemen der modernen Gesellschaft ausgerichtet. Die allgemeinere Fragstellung lautet, welche Funktion Formen sozialer Differenzierung und insbesondere solche der Ebenendifferenzierung für den Erhalt sozialer Systeme haben. Im Folgenden wird mit der Wiederaufnahme einer evolutionstheoretisch erweiterten Perspektive die These verbunden, dass durch Ebenendifferenzierung traditionelle Formen sozialer Konfliktverarbeitung ersetzt (und in zivilere Formen überführt) werden, die in der modernen Gesellschaft nicht mehr funktionieren. In dem programmatischen Aufsatz über „Interaktion, Organisation, Gesellschaft“ von 1975 hat Luhmann eine Passage der evolutionären Funktion von Ebenendifferenzierung als Erweiterung von Konfliktverarbeitungsmöglichkeiten gewidmet: „Die Bedeutung der zunehmenden Differenzierung von Systemebenen und Systemtypen läßt sich an einem Sonderproblem besonders gut vorführen, nämlich am Problem des Konflikts.“ (1975a 16). Wurden in der älteren Theorietradition Konflikte noch primär unter dem Aspekt der Gefährdung sozialer Ordnung betrachtet, so steht bei Luhmann die Lösung von Ordnungsproblemen, die gesteigerte Konflikttoleranz moderner Gesellschaften in Folge von Binnendifferenzierung – insbesondere in der Form ihrer Organisationen – im Vordergrund. Später verallgemeinert Luhmann diese Sichtweise auf alle Formen der menschlichen Sozialität: „Die Differenz von Gesellschaft und Interaktion transformiert Bindung in Freiheit“. (1984: 570). In dieser Aussage sind zwei evolutionstheoretische Prämissen enthalten, die im Folgenden entfaltet werden sollen: (1.) Alle Formen sozialer Differenzierung dienen der Verarbeitung von Konkurrenzkonflikten durch deren Externalisierung und (2.) die kulturelle Evolution sozialer Differenzierungsformen geht mit zunehmender Ebenendifferenzierung einher, die mehr Freiheiten für interne Konfliktverarbeitung eröffnet. Die folgende Argumentation ist aufgeteilt in sechs Abschnitte: 1. Auflösung des Zusammenhangs zwischen Differenzierungs- und Evolutionstheorie im mainstream der Soziologie 2. Luhmanns Festhalten an dieser Verbindung unter Einschränkung auf Sinnsysteme 3. Gründe für die Auflösung und Wiederherstellung dieser Verbindung auf seiten der Evolutionsbiologie und zur

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Wiederherstellung dieser Verbindung auf soziologischer Seite 4. Umrisse einer daran anschließenden Beschreibung historischer Differenzierungsformen, insbesondere 5. Ebenendifferenzierung als Errungenschaft der Moderne und 6. Konkurrenz der Differenzierungsformen in der Weltgesellschaft. 1. Ebenenunterscheidungen in der sozialwissenschaftlichen Theorietradition Die starke Verbreitung von Ebenenunterscheidungen in den Sozialwissenschaften und vielen anderen wissenschaftlichen Disziplinen korreliert auffällig mit fehlender theoretischer Explikation. Dieser Umstand verweist darauf, dass Ebenenunterscheidungen nicht nur einen festen Bestandteil unseres Alltagswissens darstellen, sondern schon in unserer phylogenetischen Erfahrung abgespeichert sein könnten. Sie müssten dann in ontogenetischen Interaktionen nur aktiviert werden, damit wir uns mit ihrer Hilfe in der menschlichen Sozialwelt – den verschiedenen Stockwerken des soziokulturellen Gehäuses – orientieren können. Der Bezug auf ontologische Gegebenheiten, die den Ebenenunterscheidungen vorausgehen (der phylo- und ontogenetischen Erfahrung zugrundeliegen), ist jedoch in den Sozialwissenschaften heute weitgehend gekappt zugunsten einer rein analytischen Verwendung, die besonders in der Debatte über das Mikro-MakroProblem in den Sozialwissenschaften hervortritt.3 Die in evolutionärer Perspektive höchst unwahrscheinliche Größe menschlicher Sozialsysteme wird wie selbstverständlich vorausgesetzt und nicht als Ursache sozialer Konflikte, sondern nur als methodologisches Problem der Beschreibung von Übergängen zwischen Mikround Makrophänomenen der menschlichen Sozialität reflektiert. Deutlich anders angelegt war der wissenschaftliche Umgang mit Ebenenunterscheidungen in den Anfängen der Soziologie. Hier ist noch erkennbar, dass Differenzierung eng mit Problemen sozialer Ordnung verknüpft ist. Soziale Systembildung wird als Ordnungsleistung wahrgenommen, die durch Wachstum (Bevölkerungsvermehrung, äußere Ausdehnung und innere Verdichtung der Sozialsysteme) gefährdet ist und zu (internen und externen) Anpassungsprozessen gezwungen wird. Entsprechende Beobachtungen waren lose an einer evolutionstheoretischen Sichtweise orientiert und konnten daher von den Fortschritten der Darwinschen Theorie in Bezug auf das Verständnis von sozialen Systembildungen und Differenzierungsprozessen in der natürlichen Evolution profitieren. 3 S. Alexander u.a. 1987, Heintz 2004 und Greve et al. 2008. Der methodologische Streit darüber, ob soziologische Erklärungen primär auf Mikrooder Makroebene ansetzen sollten, ist evolutionstheoretisch kaum nachvollziehbar, da hier stets das Zusammenwirken von Mechanismen zur Erklärung herangezogen wird, die kausal auf verschiedenen Ebenen angesiedelt sind. Sozialität ist evolutionstheoretisch als „selbsttragende Konstruktion“ zu betrachten – also weder aus der physischen Gegebenheit von Individuen noch aus der metaphysischen Gegebenheit von Göttern oder Sinnstrukturen abzuleiten. S. dazu Richerson & Boyd 2005: 246 f.


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Im Folgenden soll in Umrissen dargestellt werden, wie diese theoretisch fruchtbare Verbindung, die im mainstream der Soziologie weitgehend verloren gegangen ist, wiederhergestellt werden könnte.4 Wiederzuentdecken wäre dabei das bei Spencer, Simmel, Durkheim, Max Weber, Elias, Parsons u.a. noch präsente Größenwachstumsproblem menschlicher Sozialsysteme. Bei Luhmann ist dieser Aspekt aus der Verbindung von soziologischer Differenzierungstheorie und Evolutionstheorie noch präsent: „Differenzierung ist notwendig ... zur Erhaltung von Kohäsion unter der Bedingung von Wachstum“ – so resümiert Luhmann in einer einleitenden Passage zum Differenzierungskapitel seiner Gesellschaftstheorie die Argumentation der Theorietradition (1997: 596). Obwohl er es nicht für möglich hält, direkt daran anzuknüpfen, stellt soziale Differenzierung auch in seiner Auffassung eine Antwort auf Probleme dar, die durch quantitative Steigerung ausgelöst werden: „Eine weitere Annahme, für die wir empirische Evidenz in Anspruch nehmen, lautet, daß im Laufe der Evolution die auf dem Erdball zu findende Biomasse und ebenso, seitdem es Sprache gibt, die Menge der kommunikativen Ereignisse zugenommen hat. ... Will man den Befund erklären, führt das zu der Annahme, daß Mengensteigerungen dieser Art nur durch Differenzierungen möglich sind.“ (Luhmann 1997: 416). In der zitierten Eingangspassage verweist Luhmann darauf, dass das Konzept der Differenzierung bei den Gründern der Soziologie noch eng mit Problemen sozialer Ordnung in Folge von physischem Größenwachstum verknüpft war. Mit dem Autopoiesis-Konzept vollzieht Luhmann dann eine theoretische Wendung, die einerseits evolutionstheoretische Anschlußmöglichkeiten erweitert, andererseits aber durch Reduktion auf soziale Sinnkonstrukte erheblich beschränkt. Diese Umstellung lässt sich an zwei englisch-sprachigen Beiträgen Luhmanns demonstrieren. 1977 erwähnt Luhmann noch materielles und symbolisches Größenwachstum als Auslöser von Differenzierungsprozessen: “With respect to problems of increasing size, sociological theory has the choice between demographic and communication variables. Our framework tries to integrate both.” (44) “Stratification is a result of growth in size and complexity of the societal system.” (33). Dagegen geht es 1987 nur noch um die Zunahme systeminterner Komplexität: “The transition from one type of differentiation to another will increase the potential for social complexity and thereby will change the conditions to which the differentiation of society and interaction responds.” (116). 4 Bei der Wiederentdeckung von Traditionslinien zwischen der Darwinschen Evolutionstheorie und der soziologischen Theorie sozialer Differenzierung geht es auch darum, durch einen politischen Zivilisationsbruch gestörte Theorietraditionen wieder erkennbar zu machen. Die bis heute in den Sozialwissenschaften andauernden Denkblockaden gegenüber der Darwinschen Theorie sind durch ihren legitimationsideologischen Mißbrauch verstärkt worden. Zur Diskreditierung der Darwinschen Theorie durch Fortschrittsglauben und „Sozialdarwinismus“ Luhmann 1981: 182-185. Dazu schon Parsons 1967b: 43.

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In der folgenden Darstellung versuche ich an Luhmanns Verknüpfung von System- und Evolutionstheorie anzuschließen – allerdings mit der gravierenden Abweichung, die Abkoppelung von den natürlichen Bedingungen kultureller Prozesse nicht nachzuvollziehen und materiell-organische Aspekte in die Erklärung wieder einzubeziehen. 2. Luhmanns Verknüpfung von Ebenenunterscheidungen mit einer Systemtypologie Tyrell hat die (für diesen Band konstitutive) Frage aufgeworfen, ob in dem Luhmannschen Konzept der Ebenendifferenzierung noch unausgeschöpfte Erkenntnismöglichkeiten enthalten sind.5 Diese Frage kann auf vielfältig verschiedene Weise beantwortet werden. Eine positive Antwort setzt m.E. voraus, daß die evolutionstheoretischen Implikationen der Differenzierungstheorie einbezogen werden. In einer kontrastiven Gegenüberstellung der Binnendifferenzierung (durch Funktionssysteme) und der Ebenendifferenzierung (durch die Systemtypen Interaktion, Organisation und Gesellschaft) werden diese evolutionären Aspekte eher ausgeblendet. Nur im Blick auf die moderne Gesellschaft kann überhaupt die Frage aufkommen, ob es sich hierbei um zwei kausal verschiedene – und deshalb auch theoretisch gesondert zu betrachtende – Arten der Differenzierung handelt. Der Zusammenhang beider Formen erschließt sich, sobald die Beschränkung der Fragestellung auf die moderne Gesellschaft aufgelöst und die Binnendifferenzierung anderer und historisch älterer Formationen der Sozialität einbezogen wird. Luhmanns Theorievorschlag weicht von der (oben) skizzierten Tendenz soziologischen Denkens in zweierlei Hinsicht ab: zum Einen, indem er Ebenenunterscheidungen mit einer Systemtypologie verknüpft, zum Anderen, indem er an einer evolutionstheoretischen Perspektive festhält. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als sei der Vorschlag, zwischen drei Arten sozialer Systeme – Interaktion, Organisation, Gesellschaft – zu unterscheiden (1975) ohne Bezug auf die Theorietradition formuliert. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass dieser Vorschlag, indem er Interaktions-, Organisations- und Gesellschaftstheorie als drei gleichermaßen notwendige und komplementäre Beschreibungen des Sozialen nebeneinander stellt, nicht nur auf die zeitgenössische Theoriediskussion sondern auch auf die Theorietradition bezogen ist. Offensichtlich geht es Luhmann darum, die methodologische Frontstellung zwischen (handlungstheoretischer) Mikrofundierung und (systemtheoretischer) Makrosteuerung aufzulösen. Weniger offensichtlich, aber folgenreich für die weitere 5 In einer werkgeschichtlich orientierten Untersuchung hat Tyrell (2006) zunächst darauf hingewiesen, dass in Luhmanns frühen Arbeiten funktionale Differenzierung und Ebenendifferenzierung als Konzepte der Untersuchung der modernen Gesellschaft in einem nicht ganz geklärten Verhältnis nebeneinander stehen und das Konzept der Ebenendifferenzierung in der Weiterentwicklung der Luhmannschen Systemtheorie eher vernachlässigt würde.


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Theorieentwicklung ist, dass Luhmann durch eine evolutionstheoretische Interpretation6 seiner Systemtypologie an wesentlichen Bestandteilen der älteren Theorietradition festhält. Aus diesem Grund ist es auch nicht möglich, in der Debatte über reduktionistische oder emergentistische Theorien des Sozialen die Luhmannsche Systemtheorie einfach Letzteren zuzuordnen.7 Luhmanns Doppelstrategie wird noch deutlicher in der Einleitung zu seiner allgemeinen Theorie sozialer Systeme. Hier trägt er zunächst der fachspezifischen Tendenz Rechnung, Ebenenunterscheidungen nur analytisch zu verwenden und operiert mit einem DreiEbenen-Schema, das als analytisches Instrument nicht zwingend auf reale Zusammenhänge zwischen den darin aufgelisteten Gegenständen verweist (1984: 16f). Die sozialen Systeme der Interaktion, Organisation und Gesellschaft sind hier nicht in einer Ebenenhierarchie sondern auf einer Ebene nebeneinander angesiedelt. Die folgenden Ausführungen Luhmanns zielen aber darauf, soziale Systeme als „Selbstabstraktionen“ im Gegenstandsbereich der Soziologie zu beschreiben. Im zehnten Kapitel werden dafür Ebenenunterscheidungen mit evolutionstheoretischen Mitteln wieder eingeführt.8 Die Differenzierung zwischen Interaktion und Gesellschaft wird einerseits als allgemeines Merkmal aller Formen menschlicher Sozialität bezeichnet und andererseits historisiert durch den Hinweis auf ein Auseinanderdriften der Ebenen, auf denen irreduzibel verschiedene Systemtypen sich ausdifferenzieren. „Im Lauf der Evo6 S. dazu schon das Eingangszitat (Luhmann 1975a, 13ff.). Dazu erneut Luhmann 1997: 413: „Wie immer unbefriedigend evolutionstheoretische Erklärungen, gemessen an logischen, wissenschaftstheoretischen und methodologischen Standards kausaler Erklärung und Prognose, ausfallen mögen: es gibt heute keine andere Theorie, die den Aufbau und die Reproduktion der Strukturen des Sozialsystems der Gesellschaft erklären könnte.“ 7 Im Anschluß an die Darwinsche Evolutionstheorie kann die Theorie sozialer Systeme keine „reine“ Emergenztheorie sein. Vgl. die Kritik an Luhmanns Emergenzkonzept bei Greve 2007; Heintz 2004; Lohse 2011. Die Alternative ist m.E. jedoch nicht im methodologischen Individualismus zu sehen, sondern in der Methode der Evolutionstheorie, die im Bezug auf die Verankerung evolutionärer Mechanismen von vornherein mikro- und makrofundierte Erklärungen verbindet. In diesem Sinne auch Stichweh (2007: 8): „If one distinguishes selection and isolation as two evolutionary mechanisms always running parallel towards and independent from one another this allows to get an interesting perspective on the distinction of micro- and macro-processes in systems. They are not reducible towards one another, and macro does not mean a kind of summation or aggregation of many micro events. Instead micro and macro are somehow independent levels of systemic reality which are interconnected and autonomous at the same time. Speciation events take place in an environment of continuous and ongoing adaptive processes. On the other hand one will never be able to say that speciation events result from adaptive processes as they are based in macro-mechanisms specific to the macro level on which speciation occurs. It seems to be a useful analytic strategy to transfer this kind of relation of interconnectedness and autonomy of micro-and macro-levels to the analysis of social systems.“ 8 An dieser Stelle (1984: 531) bezieht sich Luhmann nur in einer Fussnote auf Organisation als drittem Systemtyp, weil dieser nicht im Focus einer allgemeinen Theorie sozialer Systeme stehen könne. Das kann m.E. so verstanden werden, dass Luhmann nicht ausschließen würde, dass neben dem modernen Typ formaler Organisation auch noch viele andere Formen zwischen Interaktion und Gesellschaft vorkommen. Problematisch scheint mir aber, dass innerhalb dieser Theoriekonstruktion prinzipiell nur Systeme in Betracht kommen – also Systembildungen im System – obwohl Luhmann mit Bezug auf Märkte auch von inneren Umwelten spricht.

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lution zu höherer Komplexität verändert sich der Stellenwert der Gesamtgesellschaft im Gefüge sozialer Systeme, ändert sich vor allem durch Innendifferenzierung und Ebenendifferenzierung der Bedarf für Selektionsleistungen ...“ (Luhmann 1999: 79). Luhmanns Rekurs auf Ebenendifferenzen mit evolutionstheoretischen Mitteln ist nicht nur an dieser theoriestrategisch wichtigen Stelle zu beobachten, sondern bekanntlich auch in jeweils gesonderten Kapiteln seiner Gesellschaftstheorie und der einzelnen Funktionssysteme. Ich zitiere eine Passage aus der Gesellschaftstheorie: „Angesichts der Systemgrundlagen aller Evolution, angesichts des unauflösbaren Zusammenhangs von elementaren Operationen, Strukturbildungen und operativer Schließung des nach außen sich abgrenzenden Systems kann Differenzierung der evolutionären Funktionen nicht heißen, daß es zu einer kausalen Separierung käme. Gemeint ist allerdings, daß die Funktionen der Variation, der Selektion und der Restabilisierung durch das evoluierende System nicht koordiniert, nicht aufeinander abgestimmt werden können; denn das würde ja heißen, daß von vornherein nur so viel variiert wird, wie als Beitrag zur ‚Systemerhaltung‘ seligiert werden kann. Verzicht auf diese Art zweckmäßiger Koordination besagt, daß es vom System aus gesehen Zufall ist, wenn Variationen zu positiven bzw. negativen Selektionen führen, und daß es weiterhin Zufall ist, ob und wie diese Selektionen, die sich eigener Kriterien bedienen, im System stabilisiert werden können. Mit ‚Zufall‘ ist dann auch gesagt, daß das evoluierende System an diesen inneren Grenzen unkontrolliert umweltempfindlich ist. Hier können zufällig vorhandene, eventuell vorübergehende Umweltbedingungen einwirken, und auf diese Weise kann das System, ohne dies zu planen, Gelegenheiten nutzen, um Strukturänderungen kommunikativ plausibel durchführen zu können, die in anderen historischen Situationen unmöglich wären. So gibt die Einführung von Schrift der schon bestehenden Differenz von kompetenten und inkompetenten Rollen im Umgang mit heiligen Dingen neue Möglichkeiten und neue Probleme auf — etwa die der Festigung einer für heilig gehaltenen Tradition. ... Diese Überlegungen sprengen auch die klassische Theorienunterscheidung von endogen bzw. exogen induzierter Evolution, die sich systemtheoretisch ohnehin nicht halten läßt. Sie muß ersetzt werden durch eine komplexere Theorie, nämlich durch die Hypothese, daß ein evoluierendes System bei Differenzierung der evolutionären Funktionen mehr Außeneinflüsse aufnehmen, mehr auf historische Lagen reagieren und deshalb schneller (aber immer: rein intern) evoluieren wird.“ (Luhmann 1997: 501f.)

Ich möchte im Folgenden zeigen, dass diese Überlegungen Luhmanns (anders als von ihm selbst wiederholt herausgestellt) nicht unvereinbar sind mit der Darwinschen Evolutionstheorie, sofern die in der neueren Literatur rehabilitierte Gruppenselektionstheorie in das Konzept einbezogen wird. Die Ausdifferenzierung verschiedener Ebenen der menschlichen Sozialität ist in der auf kulturelle Evolution beschränkten Theorie Luhmanns zugleich Voraussetzung der Evolution evolutionärer Mechanismen. Ebenendifferenzierung garantiert die kausal unabhängige Wirkungsweise der evolutionären Mechanismen. Allerdings kann die für die


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Beschreibung evolutionärer Mechanismen verwendete Ebenenunterscheidung nicht mit der Unterscheidung der drei Systemtypen zusammenfallen. Wenn Luhmann den Variationsmechanismus der kulturellen Evolution auf der Ebene der elementaren Operationen der Kommunikation verortet9, so ist dies nicht gleichbedeutend mit der Verortung in Interaktionssystemen - im Luhmannschen Sinne der Grenzziehung durch Anwesenheit. Wenn er den Selektionsmechanismus auf der Ebene der symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien verortet, die die Annahmewahrscheinlichkeit von Kommunikation regulieren, so ist dies nicht gleichbedeutend mit der Verortung in Organisationssystemen insbesondere nicht dem modernen Typ formaler Organisation. Und wenn Luhmann für die kulturelle Evolution einen gesonderten Restabilisierungmechanismus behauptet, der durch Systemdifferenzierung zustande kommt, so bezieht er sich damit auf eine Metaebene der Gesellschaft, die im globalen Netzwerk der Kommunikation keine Adresse hat.10 Vor dem Hintergrund neuerer Theoriedebatten, die durch die Erfolge der „life sciences“ (der neueren Evolutionsbiologie, Gehirnforschung etc.) und ihrer Verarbeitung in den Nachbardisziplinen der Soziologie, insbesondere der Psychologie, den Wirtschafts- und Technikwissenschaften und in der Philosophie, stattgefunden haben, wird nun aber auch deutlich, dass die Luhmannsche Theoriestrategie unter den Folgen der selbstgewählten Beschränkung auf soziale Sinnsysteme und der Ausklammerung materialer Entitäten leidet. Natürliche Organismen (einschließlich ihrer psychischen Ausstattung für Sozialisationsprozesse) und technische Artefakte (einschließlich ihrer Verwendung für erweiterte Formen menschlicher Sozialsysteme) kommen darin nur als Objekte der Beobachtung und Beschreibung, nicht aber als kausal wirksame Elemente der menschlichen Sozialität vor.11 Stattdessen werden Sozialsystemen eigendynamische Steuerungsfähigkeiten zugeschrieben, die herkömmlich lebendigen Individuen (oder Göttern) vorbehalten waren. Die natürliche und dingliche Umwelt kommt als Ursache von Wirkungen nur vor, soweit sie in der Kommunikation wahrgenom9 Auch Luhmanns primäre Verortung des kulturellen Variationsmechanismus in der Ja-Nein-Codierung sprachlicher Kommunikation ist eine Konsequenz seiner systemtheoretischen Prämissen, mit denen der Beitrag lebendiger Individuen ausgeklammert wird. Evolutionstheoretisch liegt es näher, das Negationspotential der menschlichen Sprache als ein grundlegendes Instrument zu betrachten, mit dem das Variationspotential menschlicher Individuen kulturell gesteigert wird. In dieser Perspektive wird dann auch besser verständlich, warum epochale Umbrüche der Differenzierungsform durch technische Innovationen der Kommunikation markiert werden. 10 Das Nichtzusammenfallen der Ebenenunterscheidungen bezüglich der Systemtypen und der evolutionären Mechanismen wird im nächsten Abschnitt mit der Unterscheidung zwischen System- und Umweltdifferenzierung im System erklärt. 11 Für die im Begriffschema der allgemeinen Systemtheorie neben den sozialen Systemen eingeordneten psychischen Systeme, Organismen und Maschinen hält Luhmann es nicht für nötig (oder auch nicht für möglich?) vergleichbare „Selbstabstraktionen“ (1984: 17) also reale historische Zusammenhänge zu rekonstruieren wie für die Systeme der Interaktion, Organisation und Gesellschaft.

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men wird. Als kausal wirksam gilt primär die Differenz zwischen System und Umwelt. „Geht man von diesen Grundlagen einer am Systembegriff orientierten Gesellschaftstheorie aus, kann soziokulturelle Evolution nicht auf dem Kontinuum der organischen Evolution angesiedelt werden.“ Mit dieser methodologischen Beschränkung geht eine Verschiebung der für soziale Systembildung grundlegenden Probleme von Konkurrenz auf Kontingenz einher. Damit wird nicht nur die Anschlussfähigkeit der Luhmannschen Theorie für Forschungsergebnisse aus den Nachbardiszplinen, sondern auch die Umsetzung des erkenntnisleitenden Anspruchs einer Synthese von Systemdifferenzierungs-, Kommunikations- und Evolutionstheorie behindert.12 Das in evolutionstheoretischer Perspektive gravierendste Folgeproblem dieser Beschränkung ist der Umstand, dass Konkurrenzkonflikte mit physischer Gewalt als auslösende Ursachen sozialer Ordnungsbildung nicht angemessen thematisiert werden können. Luhmann erklärt die Emergenz sozialer Systeme in konstruktivistischer Perspektive (und in Abgrenzung zu Parsons) durch doppelte Kontingenz: „Wir können anschließen an den »order from noise principle« der allgemeinen Systemtheorie. Es braucht gar nicht schon festliegender Wertkonsens zu sein, das Problem doppelter Kontingenz ... saugt geradezu Zufälle an, sie macht zufallsempfindlich, und wenn es keinen Wertkonsens gäbe, würde man ihn erfinden. Das System entsteht, etsi non daretur Deus.“ (1984: 150f). Deutlicher kann man sich kaum von der Auffassung des Problems sozialer Ordnung in der Tradition von Hobbes und Durkheim absetzen. Die Auffassung, wonach das allen Sozialsystemen zugrundeliegende Problem doppelte Kontingenz sei, erscheint als Überverallgemeinerung eines kognitiven Problems, das so nur in Organisationssystemen modernen Typs auftreten kann. Das Problem sozialer Ordnung, das in Konkurrenzkonflikten zum Ausdruck kommt, wird zu einem Entscheidungsproblem verdünnt. In evolutionstheoretischer Perspektive wäre jedoch nicht doppelte Kontingenz als Auslöser von Systembildung zu betrachten, sondern gewissermaßen doppelte Konkurrenz: nämlich auf der Ebene der Individuen und auf der Ebene ihrer Sozialsysteme.13 12 In einem neueren Beitrag bemerkt Stichweh, dass Luhmann im Hinblick auf die Erklärung sozialen Wandels eher wenig Gebrauch mache von Evolutionstheorie: “There is not much use of evolutionary concepts for problems of historical explanation in Niklas Luhmann. The task of understanding historical change in social structures is mainly relegated to differentiation theory in Luhmann's writings. And from this explanatory uselessness of evolutionary theory results a very restrictive - nonetheless very interesting - version of evolutionary theory.” Er plädiert deshalb unter Bezugnahme auf (die Mehrebenenselektionstheorie von) E.Mayr für eine engere Verbindung zwischen Differenzierungs- und Evolutionstheorie. „Differentiation theory then has to be understood as a theoretical technique for describing and explaining social structures in the evolution of world society. This means differentiation theory will somehow be integrated into evolutionary theory, as a part of it.” (Stichweh 2007: 528f) Der von E.Mayr entdeckte Mechanismus der Isolation ist eine Präzisierung des Selektionsmechanismus auf der Ebene von Populationen. S. Mayr 1997. 13 Dies impliziert keineswegs eine einseitige Festlegung auf Konflikt als historische Ausgangslage (i.S. eines Hobbesianischen Modells). Evoluti-


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3. Biologische Evolutionstheorie und soziologische Differenzierungstheorie „In ihrer abstrakten Form genommen, sind Mehrebenen-Erklärungen evolutionärer Prozesse nichts Neues. Sie haben generell die Ein-Faktor-Erklärungen abgelöst“ schreibt Luhmann und bezieht sich dabei auf Marx und Weber (1975b, 157) Er verwendet die Ebenenunterscheidung, um die kausale Unabhängigkeit der Mechanismen der Variation, Selektion und Restabilisierung innerhalb der kulturellen Evolution plausibel zu machen. Jeder Mechanismus wirkt auf einer anderen Systemebene und gerade durch die Nichtabgestimmtheit der Operationen verschiedenartiger Systeme kann sich Evolution ergeben. Dagegen geht es in der Evolutionsbiologie darum zu zeigen, dass der Mechanismus der Selektion auf verschiedenen Ebenen und damit auf ganz verschiedene Einheiten, also auch auf kulturelle Objekte zugreifen kann. Biologische und soziologische Verwendungen von Differenzierungsbegriffen bezeichnen auf den ersten Blick völlig verschiedene Sachverhalte. Mit der Differenzierung der Arten in der natürlichen Evolution wird zugleich eine Anpassung der Phänotypik der Individuen an den Selektionsdruck der natürlichen Umwelt beschrieben, während Differenzierung in der kulturellen Evolution zwar auch als Anpassung an den Selektionsdruck der Umwelt zu beschreiben ist, sich aber nicht mehr in der Anpassung der organischen Anatomie der Individuen sondern in der Anpassung der Anatomie ihrer Sozialsysteme zeigt. Der Zusammenhang beider Verwendungen wird erst mit dem evolutionstheoretischen Konzept der Mehrebenenselektion erkennbar. In evolutionstheoretischer Perspektive sind zwei Arten von Ebenenunterscheidungen zusammenzuführen, die auf den ersten Blick unvereinbar erscheinen: Ebenen verschiedenartiger Systeme und verschiedenartige Ebenen im System. Zu diesem Zweck muss die Beschränkung der evolutionstheoretischen Perspektive auf die Binnendifferenzierung menschlicher Sozialsysteme ein Stück weit zurückgenommen und die Verwendung von Ebenenunterscheidungen in der neueren Evolutionsbiologie einbezogen werden. Die im Titel dieses Beitrags (und in der ersten Fussnote) zitierte Formulierung von der anfänglichen Differenz kann auf verschiedene Weise ausgelegt werden. Bei Luhmann ist die Anfangsformel auf soziale Sinnkonstruktion bezogen. Die allen Sinnoperationen anhaftende Kontingenz zwingt zu Entscheidungen. Jede sinnhafte Bezeichnung setzt eine Unterscheidung schon voraus, die durch einen Beobachter vollzogen wird. Deshalb steht Differenz am Anfang jeder Beobachtung. Bezogen auf reale Vorgänge im Gegenstandsbereich der onstheoretisch sind Konflikt und Kooperation als gleichursprünglich zu betrachten. In einem erweiterten Sinn kann von Kooperation bereits auf der Ebene der Moleküle gesprochen werden (Nowak 2011: 115ff, vgl. dazu schon Tarde 1890 (2009 ).

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Beobachtung entsteht hier allerdings ein Problem, das nach einer theoretischen Auflösung verlangt. Der Vorgang der Differenzierung kann nur dann am Anfang stehen, wenn eine operationsfähige Einheit gegeben (also entweder vorausgesetzt oder im Akt der Unterscheidung selbst erzeugt) ist, die eine Differenz erzeugt, indem sie sich von Anderem - z.B. ein System von seiner Umwelt - abgrenzt. In evolutionstheoretischer Perspektive kann die Formel von der anfänglichen Differenz ganz realistisch verstanden werden. Auch hier ist mit dem Anfang nicht irgendein Ur-Anfang gemeint, der sich wissenschaftlicher Beobachtung entzieht, sondern die evolutionäre Errungenschaft von Sozialsystemen in der Evolution natürlicher Lebewesen. Die „Einheit der Differenz“ ist das Sozialsystem selbst, das sich von seiner Umwelt unterscheidet. Differenz kann also auch in einem ontologisch-substantiellen Sinn verstanden werden, nämlich als Gegebenheit von sozialen Systemen, die sich durch Zeichen, die ihre Teilnehmer wahrnehmen, von ihrer Umwelt unterscheiden. Auch diese Differenz setzt Beobachter voraus, die sie wahrnehmen. Aber diese Wahrnehmung ist nicht an die Verfügung über sprachliche Symbole gebunden, sondern nur an ein Sensorium, über das alle sozial lebenden Tierarten bereits verfügen. Die primäre Differenz kommt demnach nicht erst in menschlichen Sozialsystemen vor, die auf der Grundlage von symbolischem Unterscheidungspotential operieren. Soziale Systeme gibt es nicht nur bei Menschen14, sondern bei vielen Tierarten in verschiedenartigsten Ausprägungen.15 Umstritten ist in der Biologie nicht die Frage der natürlichen Gegebenheit sozialer Systeme, sondern nur die Frage, auf welcher Ebene natürlicher Phänomene der Selektionsdruck der jeweiligen Umwelt zur Wirkung gelangt.16 Während Darwin17 und Spencer 14 So heisst es noch bei Parsons: „In the most general sense, sociology should be relevant to all living organisms in so far as they interact ...“ (Parsons & Bales 1961: 33). Dagegen wird im Konstruktionsschema der Luhmannschen Systemtheorie (1984: 16) der Begriff des Sozialen mit der Auflistung sozialer Systeme neben Maschinen und Organismen von vornherein auf die kulturellen Systeme beim Menschen beschränkt. In dieser Hinsicht unterscheidet sich Luhmann nicht vom mainstream der neueren deutschen Soziologie. Auch der Begriff der sozialen Evolution wird in vielen Beiträgen so verwendet, als ob das Soziale eine Besonderheit des Menschen wäre. So schon bei Habermas (1976, 129): „Soweit mir bekannt ist, liegen Theorien, die soziale Evolution erklären oder auch nur angemessen konzeptualisieren, bisher nicht vor.“ Neuerdings wieder bei Stephan Müller 2010 und Wortmann 2011. Dagegen hatte schon H.v.Foerster die kulturalistische Reduktion beklagt: „ ... die Existenz der sogenannten Sozialwissenschaften verweist auf die Weigerung, anderen Wissenschaften zu gestatten sozial zu sein.“ (1974: 28 zit. aus der dt. Übersetzung in Morin 2010: 22). Anders Stichweh 2007, der auch nach Globilisierungsprozessen in den Sozialsystemen anderer Spezies fragt. 15 S. die schon von Spencer erwähnten Formen der Sozialität bei Insekten und Wirbeltieren. Der Umstand, dass Sozialsysteme bereits in der natürlichen Evolution zu beobachten sind, spricht natürlich nicht nur gegen ihre Emergenz aus doppelt kontingenten Sinnoperationen, sondern auch gegen reduktionistische Erklärungsversuche i.S. des methodologischen Individualismus. 16 Im Hinblick auf Formen sozialer Differenzierung in der kulturellen Evolution sind einfache Analogien mit Bezug auf die Differenzierung der Arten in der natürlichen Evolution nicht hilfreich. Hier ist zunächst der grundlegende Unterschied zu beachten: Die Differenzierung der natürli-


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noch davon ausgingen, dass dies auf mehreren Ebenen (hier v.a. Individuen und Gruppen) möglich sei, hat sich im Neodarwinismus auf der Grundlage der Entdeckungen der Molekulargenetik zunächst die Ansicht durchgesetzt, dass natürliche Selektion im wesentlichen auf der Ebene der Gene stattfinde und andere Ebenen (aufgrund von Implikationen des genetischen Reproduktionsmechanismus oder aus empirischen Gründen) vernachlässigbar seien. Weder die Individuen noch ihre sozialen Systeme, sondern ihre Gene sollten als die entscheidenden Objekte der natürlichen Selektion betrachtet werden. In dieser Verengung der neodarwinistischen Theorie sind weitere Gründe18 für die Auflösung der traditionellen Verbindung zwischen soziologischer Differenzierungstheorie und biologischer Evolutionstheorie und für Luhmanns Revision zu erkennen.19 In Opposition zu dieser dogmatischen Lehrmeinung sind in der neueren Evolutionsbiologie Theorien der Mehrebenenselektion entstanden, in denen die kausale Wirkungsweise des Selektionsmechanismus wieder stärker von der genetisch basierten Wirkungsweise des Replikationsmechanismus der natürlichen Evolution abgegrenzt wird.20 Damit ist es möglich, die Besonderheit der kulturellen Evolution des Menschen zu beschreiben und sie zugleich als eingebetteten Teil der natürlichen Evolution chen Arten setzt immer am Organismus der einzelnen Individuen an – die Differenzierung der menschlichen Kultur hingegen an ihren Sozialsystemen. Das vermittelnde Glied ist Gruppenselektion. Im Unterschied zu den vielfältigen Beiträgen aus Psychologie und Gehirnforschung ist hier der genuin soziologische Beitrag zur Theorie der kulturellen Evolution verankert. - Zur Geschichte der Kontroverse um Gruppenselektion in der Evolutionsbiologie zusammenfassend Sober & Wilson 1998: 50ff – dazu erneut Nowak 2011: 83f. Für eine knappe Übersicht s. auch Kappelhoff 2011. 17 Eine diesbezügliche Passage bei Darwin (2008: 801) vielzitiert aber noch immer nicht zureichend verstanden. 18 Hier abgesehen von den politisch-moralischen Gründen, die sich aus dem historischen Zivilisationsbruch ergeben, in dem die Darwinsche Theorie zur Legitimation rassistischer Politik mißbraucht wurde. 19 Bei genauerer Betrachtung sind auf Seiten der Soziologie mindestens drei Reaktionen auf die dogmatische Verengung der Darwinschen Evolutionstheorie zu unterscheiden. Im mainstream wurde nur die (z.T. moralisch unterlegte) Ignoranz gegenüber evolutionsbiologischen Argumenten verstärkt. In der Luhmannschen Systemtheorie wurde eine allgemeine Evolutionstheorie postuliert, in der dann natürliche und kulturelle Evolution nicht nur theorietechnisch sondern auch der Sache nach als voneinander unabhängig zu betrachtende Anwendungsfälle gelten. Nur für Rational Choice Theorien schien es möglich, an den gendeterminierten Individualismus bruchlos anzuschließen, wenngleich mit wenig Gewinn für die Erklärung sozialer Phänomene. 20 Die genzentrierten Theorieansätze im Neodarwinismus hatten in dieser Hinsicht eine Denkblockade errichtet, die sich u.a. auch durch den Verweis auf den legitimationsideologischen Missbrauch von Gruppenselektionstheorien in der Vergangenheit legitimierte. Neue Theorien der Mehrebenenselektion haben diese Blockade durchbrochen. (Sober & Wilson 1998, Richerson & Boyd 2005 u.a.) Evolutionstheoretischen Ansprüchen genügt es allerdings nicht, die Möglichkeit einzuräumen, dass Selektion auf mehreren Ebenen stattfinden kann, und die entsprechenden Wirkungen zu beschreiben. Es muss auch erklärt werden, wie es dazu kommen konnte: welche evolutionären Vorteile aus dem Wechsel der Ebenen entspringen. In dieser Hinsicht ist daran zu erinnern, dass die Erstbesiedlung von Lebensräumen durch einzellige Lebewesen erfolgt, und dass Alles, was danach kommt, komplizierter gebaut sein muss, um sich eine ökologische Nische erschließen zu können. Demnach handelt es sich bei der Ausdifferenzierung neuer Ebenen der Selektion um einen Mechanismus, der die Evolution zu immer höherstufigen Gebilden / Organismen veranlasst – also eine Richtung oder einen Pfad festlegt, ohne ausschließen zu können, dass es sich dabei um eine Sackgasse handelt.

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aufzufassen. Und vor allem ist es damit auch wieder möglich, das eingangs mit Bezug auf die soziologische Theorietradition erwähnte Problem der enormen Ausdehnung und Verdichtung menschlicher Sozialsysteme wieder aufzugreifen und für die Analyse der modernen Gesellschaft fruchtbar zu machen. Sobald ein Sozialsystem sich gegenüber seiner Umwelt ausdifferenziert hat, verlagert und verteilt sich der Selektionsdruck auf zwei Ebenen: Zum einen auf die Makroebene der Konkurrenz verschiedener Sozialsysteme um dieselben Ressourcen innerhalb einer gegebenen, aber auch aktiv veränderbaren Umwelt (betweengroup-selection); zum anderen auf die Mikroebene der Konkurrenz zwischen den Individuen innerhalb ihres Sozialsystems (within-group-selection). Letztere ist in der natürlichen Evolution der Lebewesen primär durch Formen der sexuellen Selektion (die Konkurrenz um Fortpflanzungschancen) bestimmt.21 Die evolutionäre Errungenschaft der sexuellen Fortpflanzung hat auch die natürlichen Formen der Individualität mit beschränkter Lebenszeit hervorgebracht.22 Insofern sind auch die Ebenenunterscheidungen der biologischen Evolutionstheorie historisch zu verstehen. In evolutionsbiologischer Perspektive steht also an dem durch soziale Systembildung bezeichneten Anfang nicht nur die Differenz zwischen System und Umwelt, sondern auch die zwischen systeminterner Selektion und Umweltselektion. Mit der Verlagerung erheblicher Teile des Selektionsdrucks der natürlichen Umwelt auf die Makroebene entsteht ein Spielraum für vielfältig verschiedene Formen der Selektion im Innenbereich der Sozialsysteme. Dieser Spielraum ist allerdings nicht beliebig groß, denn er muß ja dahingehend genutzt werden, dass die Systeme nicht nur sich selbst (als sozialer Schutzraum gegenüber dem Selektionsdruck der Außenwelt) sondern auch in der Konkurrrenz mit anderen Sozialsystemen auf der Makroebene erhalten können. Daher bleibt auch auf der Mikroebene der Individuen ein erheblicher Druck erhalten, der in Formen der Beschränkung der Konkurrenz im Inneren der Sozialsysteme zum Ausdruck kommt. Auch Luhmann sieht in der Bildung sozialer Systeme nicht den Anfangspunkt, sondern eine spezifische Errungenschaft der Evolution: „Die Unwahrscheinlichkeit des Überlebens isolierter Individuen oder auch isolierter Familien wird transformiert in die (geringere) Unwahrscheinlichkeit ihrer strukturellen Koordination, und damit beginnt die soziokulturelle Evolution.“ (1979b, 414).23 Die auf den ersten Blick mit der Darwinschen 21 S. dazu G.Miller 2001 und Zahavi 1998, denen das Verdienst der Wiederentdeckung und Weiterentwicklung der Darwinschen Theorie der sexuellen Selektion zukommt. Allerdings fehlt bei diesen Autoren noch eine angemessene Einbettung in eine Theorie der Gruppenselektion. 22 S. dazu vorzüglich Wieser 1998. 23 In einer Fußnote zum obigen Zitat verweist Luhmann auf entsprechende Ausführungen bei Spencer und fährt fort: „Diese Zeit einbeziehende, auf Dynamik abstellende Problemstellung schließt es aus, Evolution lediglich an ihren strukturellen Resultaten abzulesen, zum Beispiel an ihren Auswirkungen auf die Verteilung von Energie und Macht oder auf die Koordination von


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Evolutionstheorie (als Umweltselektionstheorie) unvereinbare Prämisse der operativen Geschlossenheit und Eigenselektivität sozialer Systeme kann im Rekurs auf Theorien der Mehrebenenselektion aufgenommen und spezifiziert werden. Theorien der Mehrebenenselektion ermöglichen eine Wiederherstellung der weitgehend unterbrochenen Verbindung zwischen soziologischer Differenzierungstheorie und biologischer Evolutionstheorie auf einer erneuerten Grundlage. Hier liegen nicht nur die wichtigsten Anschlusspunkte für eine soziologische Theorie der kulturellen Evolution, sondern auch für die Wiederentdeckung des in der soziologischen Differenzierungstheorie weitgehend verdrängten Konfliktpotentials24 kultureller Sozialsysteme. Der mainstream soziologischen Denkens ist – ungeachtet der Divergenz zwischen methodologischen Individualismen und Kollektivismen – voreingenommen für friedliche und kooperative Lösungen sozialer Probleme. Das große schmutzige Geheimnis, dass alle historisch vorgefundenen Formen friedlicher Kooperation auf der Externalisierung des Konfliktpotentials beruhen (oder zumindest damit einhergehen), wird aus dem kulturellen Gedächtnis verdrängt. Man kann nicht mehr verstehen, wie jemals der „Krieg als Vater aller Dinge“ bezeichnet werden konnte.25 Der soziologisch interessante Punkt an Ebenenunterscheidungen der Evolutionsbiologie ist also darin zu sehen, dass es sich stets um Formen der Konfliktverarbeitung – der Einschränkung von Konkurrenzkonflikten auf der unteren Ebene und der Steigerung von Konfliktpotenzial auf der höheren (sozial höher aggregierten) Ebene – handelt. Auch in der kulturellen Evolution ist eine Verlagerung des Selektionsdrucks durch eine Systembildung mit Binnendifferenzierung zu beobachten, Integrationsebenen der Gesellschaft. Zwar ist es wichtig, solche Resultate mitzuerfassen, etwa in der Form von Verteilungen der Handlungspotentiale auf "Ebenen" oder "Subsysteme". Aber diese Resultate sind das, was die Evolutionstheorie erklären müßte. Die Beschreibung der entstandenen Differenzen ist selbst noch keine Evolutionstheorie, und dies auch dann nicht, wenn das Material in ein historisches Nacheinander eingeordnet, also als Sukzession dargestellt wird. Deshalb sehen wir das Problem in der Morphogenese von Komplexität.“ (Luhmann 1997: 415) 24 Auch im Hinblick auf die Bedeutung von Konflikten ist festzuhalten, dass das Luhmannsche Theorieangebot vom mainstream der Soziologie abweicht. Allerdings kommt das evolutionäre Risikopotenzial sozialer Konflikte unter den Prämissen der Reduktion auf Sinnsysteme nicht angemessen zum Ausdruck. Wenn Luhmann (im Anschluss an Simmel) Konflikt als sozialen Integrationsmechanismus beschreibt, überbetreibt er die Abstraktion von historischen Konfliktlagen. Konflikte sind nur unter zwei Bedingungen integrativ: wenn sie aus der Innenwelt der Systeme in die Außenwelt verlagert werden, oder wenn sie in Wettbewerbsformen zivilisatorisch eingehegt werden. 25 In den Kultur- und Sozialwissenschaften wird dagegen die Auffassung vertreten: „dass die Menschen und Tiere eine starke Hemmung haben, Artgenossen zu töten, dass Krieg eine Erfindung der jüngeren Zeit ist und dass Kämpfe zwischen indigenen Völkern harmlose Rituale waren, bis sie mit den europäischen Kolonisatoren zusammentrafen.“ (Pinker 2011: 73). Die grundlegende Bedeutung von Konkurrenzkonflikten zwischen Sozialsystemen wird nicht mehr in der soziologischen Differenzierungstheorie, sondern – vor dem Hintergrund globaler Konflikte (Huntington 1998) – eher in Kultur- und Religionssoziologie thematisiert. Zum Wiederanknüpfen an die Tradition sozialwissenschaftlicher Konflikttheorie Bonacker 2006 und mit Bezug auf globale Konflikte Bonacker & Weller 2008.

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die den Selektionsdruck für die Individuen vermindert. Dieser Vorgang kann im weitesten Sinne als Organisation bezeichnet werden. Im Sinne jenes Organisationskonzepts, das der älteren Differenzierungstheorie zugrundeliegt, ist der Begriff des Organismus weder auf lebende Individuen in der natürlichen Evolution noch auf bestimmte soziale Formen in der kulturellen Evolution beschränkt. Er kann vielmehr auf alle Einheiten angewandt werden, die durch interne Differenzierung Konkurrenz unter Individuen beschränken und sie auf die Ebene der Sozialsysteme verlagern. Nicht nur die Objekte der Organisationssoziologie sondern auch Individuen und Gesellschaften lassen sich in diesem Sinne als Organismen beschreiben. Der ältere Gebrauch des Organismusbegriffs, an den Spencer, Durkheim u.a. noch anschließen, und an den auch die Rede vom Superorganismus in der neueren Evolutionssoziologie (Wilson & Sober 1989) wieder anknüpft, war nur lose mit der körperlichen Organisation von Lebewesen assoziiert. Organisation meint hier nichts anderes als funktionale Differenzierung, die sich einerseits als materiale Arbeitsteilung von der Interaktionsebene auf die Ebene größerer Einheiten und andererseits als symbolische Orientierung auf eine Metaebene verlagert. Die Einführung der Organismus-Metapher in die Soziologie ist häufig kritisiert und zurückgewiesen worden. Dabei ist jedoch zu wenig unterschieden worden zwischen zwei Versionen der damit konstruierten Analogie. Biologische Beobachtung hat gezeigt, dass sich in der Ontogenese (einschließlich der Embryogenese) gewisse Elementarformen vergangener Stadien der Phylogenese wiederholen. Mißverständnisse sind durch die Umkehrung dieser Beobachtung entstanden, worin die Menschheitsgeschichte nach dem Modell ontogenetischer Entwicklung modelliert wird. Hier ist also zu unterscheiden zwischen einem entwicklungstheoretischen und einem selektionstheoretischen Gebrauch der Organismus-Analogie: (1.) In der entwicklungstheoretischen Version, die sich auf die Entfaltung des Organismus aus einem schon vorprogrammierten Keim (Embryo) bezieht, wird eine Teleologie erzeugt, die mit der Darwinschen Theorie nicht vereinbar ist. Eine solche Argumentation ist z.B. in Comtes Drei-Stadien-Gesetz zu erkennen. Sie kehrt wieder in Stufentheorien, die den Verlauf der kulturellen Evolution analog zu den genetisch vorbestimmten Phasen ontogenetischer Entwicklung (als Fortschritt i.S. eines vorgegebenen Plans) rekonstruieren. (2.) In der selektionstheoretischen Version, die sich auf den sozialen Organismus als Schutzschirm gegenüber dem Selektionsdruck der Umwelt bezieht, ist keinerlei Teleologie enthalten. Die schützende Organisation kann durch Ausbau der ökologischen Nische und Binnendifferenzierung gesteigert werden – sie kann daran aber auch scheitern. Nur diese Version ist kompatibel mit der Darwinschen Theorie der Gruppenselektion.


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Ausgangspunkt für die Beschreibung kultureller Formen sozialer Differenzierung ist die evolutionäre Errungenschaft eines Replikationsmechanismus menschlicher Sozialsysteme, der nicht mehr auf der Weitergabe genetischer sondern symbolischer Merkmale basiert und damit erheblich raschere Anpassungsvorgänge ermöglicht. Als primordiale Form sozialer Differenzierung ist auch unter diesem Aspekt die Systembildung selbst zu betrachten, die zu einer durch symbolische Markierungen26 befestigten Differenz zwischen Innenund Außenwelt führt. Historisch geht Systemdifferenzierung jeder Ebenendifferenzierung voraus und reproduziert sich in entsprechenden Formen der Ebenendifferenzierung. Diese Formen sind als Mittel der internen Verarbeitung von Konkurrenzkonflikten in Verbindung mit der Ausdehnung und Verdichtung menschlicher Sozialsysteme zu betrachten. Sobald sich aber ein Sozialsystem in seiner Umwelt ausdifferenziert hat, gibt es immer zwei Möglichkeiten, intern weiter zu prozedieren. Ebenendifferenzierung vollzieht sich nicht nur als Fortsetzung der Systemdifferenzierung im Inneren der Sozialsysteme (also in kommunikativ gegenüber dem individuellen Erleben verselbständigten und dadurch operativ geschlossenen Sinnstrukturen), sondern immer auch in (physisch-organisch gestützten) Interaktionsketten kooperierender und konkurrierender Akteure, die nicht operativ geschlossen sind. Es handelt sich um einen Wiedereintritt beider Seiten der System/UmweltUnterscheidung im Inneren der Sozialsysteme:27 Systeme im System werden gebildet durch Binnendifferenzierung. So entstehen Einheiten, die gegen den Selektionsdruck der Umwelt geschlossen erscheinen. Als 26 Symbolische Markierungen (Richerson & Boyd 2005: 211-224) dienen der Unterscheidung zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern nicht nur von Organisationen (worauf Luhmann verweist 1991: 202), sondern auch schon bei Familien und Verwandtschaftsgruppen, sozialen Bewegungen und anderen erweiterten Formen der menschlichen Sozialität zwischen der Mikroebene der Interaktion und der Metaebene der Gesellschaft. 27 Diese Verbindung zwischen Differenzierungstheorie und Systemtheorie ist bei Luhmann zuerst 1977 formuliert und i.S. von SystemDifferenzierung ausgebaut worden. Der Wiedereintritt der Umweltseite im System ist jedoch in der Folgezeit theoretisch unterbelichtet geblieben. Zunächst hat Luhmann selbst darauf hingewiesen, dass es einer evolutionären Systemtheorie nicht nur um System-im-System- oder System-zuSystem-, sondern auch um systeminterne System-Umwelt-Beziehungen gehen muß: “We must apply a system/environment theory and analyze the internal environments of functionally differentiated societies carefully to see the crucial point: the relation of each single functional subsystem to the society is not identical with the relation of each subsystem to its social environment; nor is this relation to the internal environment simply a set of inter-system relations.” (1977: 36) In diesem Sinne wären auf der Umweltseite nicht nur die jeweils anderen Funktionssysteme oder die Gesellschaft als Ganze zu betrachten, sondern auch die funktionsspezifischen Öffentlichkeiten, Märkte und Wettbewerbsformen ihrer Organisationen. Der Wiedereintritt der Umweltseite im System ist von Luhmann in der Folgezeit mit eher formalen Argumenten aus der systemtheoretischen Untersuchung ausgeschlossen worden: „Der Formenkatalog [der Differenzierungsformen segmentär, zentral/peripher, stratifikatorisch und funktional] ist mit Hilfe der Unterscheidung von gleich und ungleich gewonnen. Diese Unterscheidung paßt nur auf Vergleichbares, also nur auf Systeme, nicht aber auf System/Umwelt-Beziehungen (denn es hat keinen Sinn, die Umwelt im Verhältnis zum System als "ungleich" zu bezeichnen). Eben deshalb mußten wir die Theorie der Differenzierungsformen auf System-zu-System-Beziehungen beschränken.“ (1997: 613f.)

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solche kommen in der kulturellen Evolution nur Gesellschaften, ihre im Medium der Kommunikation (segmentär, stratifikatorisch, funktional) ausdifferenzierten Teilsysteme und ihre symbolisch generalisierten Elementareinheiten in Betracht. Die operative Geschlossenheit dieser Systeme wird auf der Metaebene der symbolisch generalisierten Formen erzeugt und in den Orientierungen der individuellen und kollektiven Akteure (auf Mikro- und Makroebene) verankert, mit denen sie die innergesellschaftlichen Umwelten voneinander abgrenzen, in denen sie miteinander konkurrieren. Umwelten im System werden gebildet durch die Publikumsbeziehungen der individuellen und kollektiven Akteure. In diesen Beziehungen kommt der durch kulturelle Gruppenevolution ins Innere der Gesellschaft verlagerte Selektionsdruck der Umwelt zur Wirkung, demgegenüber die miteinander kooperierenden und konkurrierenden Akteure keine operative Geschlossenheit besitzen. Wenn Luhmann in den symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien (im Anschluss an eine von Parsons eingeführte Terminologie, 1997:473ff.) den Selektionsmechanismus der kulturellen Evolution sieht, dann rekurriert er auf die inneren Umwelten kultureller Sozialsysteme, in denen ein Publikum als unbeteiligter Dritter die konkurrierenden Akteure selbst handlungsentlastet erlebt, beobachtet und über ihren Erfolg entscheidet. Der in den Publikumsbeziehungen der Akteure (Öffentlichkeiten, Märkte) wirksame Selektionsdruck wird einerseits gesteigert (ausgedehnt und höher aggregiert) durch technisch erweiterte Mittel der Kommunikation und andererseits eingeschränkt durch die Binnendifferenzierung der innergesellschaftlichen Umwelt. Für die aus der Evolutionsbiologie stammende Unterscheidung von vier Objektbereichen – Gene, Organismen, Populationen, Arten – lassen sich parallele Unterscheidungen mit Bezug auf Phänomene der kulturellen Evolution bezeichnen. Die entsprechenden Objekte der Selektion sind Symbole, Individuen, Organisationsformen und Gesellschaften. Diese Parallelität ist nicht nur als formale Analogie zu betrachtet, sondern als Folge realer Differenzierungsprozesse, die auf die Einbettung der kulturellen Evolution in die grundlegenden Mechanismen der natürlichen Evolution verweisen. Um kulturelle Evolution zu verstehen, ist es wichtig, den Dualismus der Replikation symbolischer und materieller Faktoren als Einheit zu fassen, deren evolutionäres Potential gerade auch davon abhängt, dass sie zur Seite der natürlichen Welt niemals völlig geschlossen ist. Die Kombination aus Offenheit und Geschlossenheit ist als materiell-geistiger Doppelcharakter in kulturelle Sozialsysteme eingebaut, weil sie sich einerseits zwar mittels symbolischer Markierungen von der Umwelt abgrenzen, mit diesen Markierungen aber niemals nur (selbstreferenziell) auf Symbolisches, sondern immer auch auf materielle Entitäten (Individuen, Gruppen, Popula-


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tionen) beziehen. Die an Größenunterschieden (raumzeitliche Ausdehnung) festgemachte Unterscheidung lässt sich nicht ohne weiteres übertragen auf symbolische Repräsentationen – weder auf die summarische Bezeichnung von Gesellschaften noch auf die singulären Erkennungsmerkmale der Zugehörigkeit von Individuen.28 Dies ändert aber nichts daran, dass es evolutionstheoretisch einen Unterschied macht, ob wir es mit der face-to-face-Interaktion von Individuen zu tun haben oder mit global agierenden Organisationen. Selektion im Darwinschen Sinne vollzieht sich nicht auf der Ebene der (wahrgenommenen) Arten, sondern auf der Ebene der (lebendigen) Populationen. Übertragen auf kulturelle Evolution heisst das: sie findet nicht auf der Ebene der Gesellschaften, sondern auf der Ebene der Populationen29 sozialer Akteure statt. Es ist also zu unterscheiden zwischen zweierlei Objekten der Selektion: nämlich (1.) den sinnlich wahrnehmbaren Objekten, die als variantenreiche Träger von Merkmalen des Genpools und des kulturellen Wissensvorrats zu Angriffspunkten der Selektion werden und (2.) den latenzgeschützten, dem direkten Zugriff der Umwelt entzogenen Objekten, den Replikationseinheiten, die als Buchhalter vergangener Selektionen fungieren, zugleich (mittels kulturell implementierter Regeln) aber auch zu „stabilisierenden“ Orientierungsmitteln für den Vollzug von Selektion werden. In den folgenden Abschnitten ist zu zeigen, wie das hier entwickelte Instrumentarium eingesetzt werden kann, um in der kulturellen Evolution angelegte reale historische Differenzierungsprozesse zu beschreiben. 4. Formen sozialer Differenzierung als Medien der Konfliktverarbeitung Wenn „am Anfang ... die Differenz“ war, dann gibt es auch kein Ziel, das in der kulturellen Evolution angelegt wäre. So folgert Luhmann (1997: 451f.): „Die Unterscheidungen der Evolutionstheorie bezeichnen mithin Differenzen, die Differenzen prozessieren. Und es ist diese Struktur, die es unnötig werden läßt, von einem Endziel oder einem Gesetz der geschichtlichen Bewegung zu sprechen.“ Es gibt allerdings historische Pfade, die 28 Die Frage, ob es unabhängig von der kulturellen Evolution menschlicher Populationen oder in loser Koppelung auch eine Evolution kultureller Sinngehalte (Ideenevolution) gibt, lasse ich hier beiseite. Jedenfalls ist davon abzuraten, menschliche Sozialsysteme nicht nur als Reflexionsformen kultureller Selektion auf der Metaebene, sondern auch als selbst evoluierende Einheiten zu bezeichnen. Es würde wieder auf ein teleologisches Organismus-Konzept hinauslaufen. 29 Mit dem Begriff der Population sind soziale Makroeinheiten mit klar umrissenen Umweltgrenzen und organisierter Binnendifferenzierung bezeichnet. In dieser Hinsicht kommen zunächst Staaten, in der Moderne aber eben auch andere organisierte Supersysteme in Betracht. (Deshalb hat sich Luhmann immer wieder gegen die theorietraditionelle Gegenüberstellung oder auch Gleichsetzung von Staat und Gesellschaft gewandt.) Dagegen bezeichnet der Gesellschaftsbegriff ähnlich wie der der Arten in der Biologie operativ geschlossene Einheiten, die nicht direkt der Umweltselektion ausgesetzt, aber durch einen geteilten Genpool (bzw. Wissensvorrat) definiert sind. In diesem Sinne ähnelt der Gesellschaftsbegriff dem Begriff der Kultur – mit der Spezifikation, dass sich in der Moderne eine Weltkultur ausbildet und deshalb die Verwendung des Begriffs im Plural immer schon auf Konflikte verweist.

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durch evolutionäre Errungenschaften (mit sogenanntem Sperrklinkeneffekt) festgelegt sind. Diese Pfadstrukturen lassen sich mit den Mitteln einer evolutionstheoretisch angeleiteten Differenzierungstheorie beschreiben. Die allgemeine Beschreibung evolutionärer Funktionen – Replikation, Variation, Selektion und Restabilisierung – ist zu unterscheiden von der Beschreibung konkreter Mechanismen, die in bestimmten historischen Formen zur Wirkung kommen. Dementsprechend ist auch die allgemeine Beschreibung sozialer Systemdifferenzierung zu unterscheiden von der Beschreibung historischer Formationen sozialer Differenzierung: „... segmentäre Gesellschaften, stratifizierte Gesellschaften und funktional differenzierte Gesellschaften ... unterscheiden sich durch das für die Primärstrukturierung benutze Differenzierungsprinzip und sodann durch die Komplexität gesellschaftsinterner und –externer Umwelten, die ermöglicht und mit Systembildung kompatibel gemacht wird.“ (Luhmann 1981: 187). Gegen Luhmanns Beschreibung der kulturellen Evolution entlang des historischen Primats sozialer Differenzierungsformen sind zwei Einwände erhoben worden, die m.E. nur teilweise zutreffen und durch evolutionstheoretische Reformulierung ausgeräumt werden können. Ein Einwand richtet sich gegen die Rigidität des Schemas – segmentär, stratifikatorisch, funktional – das nicht genügend Raum für die Beschreibung anderer Differenzierungsformen und ihrer Kombinationen ließe und zudem – trotz gegenteiliger Behauptungen Luhmanns – als teleologische Konstruktion erscheint.30 Gegen diesen Einwand ist darauf zu verweisen, dass sozialwissenschaftliche Darstellungen, die sich überhaupt auf allgemeine Aussagen über die Menschheitsgeschichte einlassen, implizit oder explizit (um nicht zu sagen: unvermeidbar) mit einer ähnlichen Dreiteilung operieren.31 Viele Autoren unterscheiden zwischen der Kultur der Moderne, traditionellen Hochkulturen und den kulturellen Formen von Stammesgesellschaften. Unterschiede zur Luhmannschen Dreiteilung sind eher terminologisch: Die meisten Autoren machen die erste 30 In diesem Sinne u.a. Blute 2002. Ich habe diesen Einwand schon oben mit Bezug auf zweierlei Verwendungen der Organismus-Analogie relativiert. Dazu gehört auch der Hinweis auf den „Sperrklinkeneffekt“ evolutionärer Errungenschaften. 31 Luhmann selbst ist auf den Einwand einer typologisch vergröberten Epocheneinteilung i.S. einer teleologischen Dreistufenlehre bereits eingegangen (1997: 515f.) Dazu auch Stichweh (1994:41) „Beim jetzigen Stand der Diskussion scheint es hier einen natürlich nicht unbestrittenen Minimalkonsens zu geben, der von einer primär segmentären Differenzierung einfacher Gesellschaften, einer hierarchischen Differenzierung in traditionalen Hochkulturen und einer funktionalen Differenzierung der modernen Gesellschaft ausgeht. Das würde unter anderem implizieren, daß beispielsweise Zentrum/Peripherie nie als primäre Differenzierungsform vorgekommen ist, ihr vielleicht eher Überleitungsfunktionen beim Übergang von einem Primat zu einem andern zuwuchsen oder sie neben Stratifikation als weitere Form asymmetrischer Strukturierung traditionaler Hochkulturen tritt.“ – Starke Einwände, allerdings weniger gegen die Typologie der Formen, sondern gegen die These vom historischen Primat einer Differenzierungsform bei Hondrich 1987. Vgl. zur historischen Gesellschaftstypologie auch schon Tenbruck 1972. Zur Verwendung einer groben Dreiteilung der Gesellschaftsgeschichte s. neuerdings Bellah 2011, North et al. 2011, Pinker 2011.


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Epochenschwelle an dem Aufkommen staatlicher Herrschaftsformen fest, während Luhmann den Begriff des Staats für die moderne Gesellschaft reserviert. Die Unterscheidung zwischen staatlichen und vorstaatlichen Gesellschaften hat den Vorteil, mit dem Gewaltmonopol eine für die Evolution kultureller Sozialsysteme grundlegende Form der Konfliktverarbeitung herauszustellen. Ein anderer Einwand bezieht sich darauf, dass in Luhmanns Darstellung eine zureichende Erklärung für den Wechsel im historischen Primat der Differenzierungsformen – also für den Übergang von segmentär zu stratifikatorisch differenzierten Gesellschaften und von diesen zur funktional differenzierten Gesellschaft – fehle. Auch dieser Einwand ist nur zum Teil berechtigt (und soweit berechtigt durch evolutionstheoretische Reflexion zu entkräften).32 Als wichtige Auslöser von historischen Umbrüchen in den Differenzierungsformen führt Luhmann technische Innovationen an. In dieser Hinsicht hat er den Werkzeugcharakter der menschlichen Sprache und ihrer technischen Erweiterungen als Variationsmechanismus herausgestellt: „Deshalb verändern die großen Schwellen in der Entwicklung der Kommunikationstechnik, nämlich der Übergang von mündlicher zu schriftlicher und der Übergang von mündlich/schriftlicher zu zusätzlicher technisch verbreiteter Kommunikation (Massenkommunikation) auch die Bedingungen der Evolution: Die Kapazitätserweiterung des Variationsmechanismus erfordert andere Formen der Selektion und andere Formen der Stabilisierung.“ (Luhmann 1981: 185). In dieser Hinsicht ist allerdings nicht nur die Technisierung der Kommunikationsmittel im Inneren sondern auch die Technisierung der Mittel in der Auseinandersetzung mit anderen Sozialystemen sowie mit der äußeren Natur einzubeziehen. Der Anschein der „Härte“ der technischen Artefakte und der Zielgerichtetheit von Technisierungen ist nur der Widerschein der Konkurrenzkämpfe, in denen die Technik als Mittel zum Einsatz kommt: als Beherrschungstechnik gegenüber der äußeren Natur, als Waffentechnik gegenüber konkurrierenden Sozialsystemen und als Kommunikationstechnik in der Vernetzung des Sozialsystems selbst. Das Ziel der Technisierung liegt also gar nicht in der Sache (dem „stählernen“ Gehäuse der Sozialität) selbst, sondern in den Konkurrenzvorteilen, die ihre jeweiligen Betreiber aus der Anwendung ziehen. Das macht Technisierung 32 Dieser Einwand ist m.W zuerst von Kuchler (2003) vorgetragen worden. (Allerdings hatte schon Tyrell 1978: 180 angefragt, ob Luhmanns Differenzierungstheorie historisch unterbestimmt sei.) Einschränkend ist aber darauf hinzuweisen, dass Luhmann für die Innenseite der Sozialsysteme mit Bezug auf die Entwicklung der technischen Kommunikationsmittel von Sprache über Schrift zum Buchdruck und neuen Medien ein mächtiges Instrument der Ausdehnung und Verdichtung bezeichnet hat, das durchaus geeignet ist, den Zusammenbruch älterer und die Suche nach neuen Differenzierungsformen zu erklären. Was (in der Konsequenz des Autopoiesis-Konzepts) bei Luhmann fehlt, ist der Bezug auf Mittel der Kriegsführung und der Naturbearbeitung, mit dem auch die Ausdehnung auf Kosten konkurrierender Sozialsysteme und Veränderungen ihrer ökologischen Nische in die Erklärung einbezogen werden können.

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zu einem Zufallsgenerator in der Evolution kultureller Sozialsysteme. Der damit ermöglichte „Fortschritt“ im Ausbau des soziokulturellen Gehäuses kommt erst unter den Bedingungen der Differenzierung zum Vorschein, die die innergesellschaftliche Konkurrenz regulieren und stabilisieren. Charakteristisch für die einfachsten kulturellen Formen33 ist die Bildung gleichartiger Subsysteme, die durch strenge Regulierung der Generations- und Geschlechtsbeziehungen (Inzestverbote) bestimmt sind. Vorschriften zum Frauen- und Gabentausch dienen der Vermeidung von Konkurrenzkonflikten zwischen den sozialen Subsystemen (Verwandtschaftsgruppen, Clans) und sichern die Bildung größerer (segmentär differenzierter) Systeme. Das grundlegende Problem einfacher Sozialsysteme, das durch segmentäre Differenzierung im Rahmen einer Gabenökonomie gelöst wird, bilden die auf der Basis reziproker Reaktionen ansonsten unbeendbaren Racheketten in Folge von Konflikten. Das Nullsummenspiel der Gabenökonomie ist jedoch nicht vereinbar mit den erweiterten Verteilungsmöglichkeiten, die aus den technischen Errungenschaften der Landwirtschaft erwachsen. Das Wiederaufbrechen der Konkurrenzkonflikte zwischen den beteiligten Herkunftsgruppen kann nur beendet werden durch die Herausbildung staatlicher Herrschaftsformen mit Gewaltmonopol. Auch in den kulturell weiter ausdifferenzierten Agrargesellschaften und den auf schriftlicher Überlieferung basierenden Hochkulturen bleibt die Verwandtschaftsgruppe der primäre Bezugspunkt auf der Mikroebene. Sie sind jedoch nicht mehr nur segmentär sondern auch hierarchisch (nach Schichten) eingeordnet. Damit steigen die Freiheitsgrade für die Entwicklung vielfältig verschiedener Lebensformen, aber auch die sozialen Ungleichheiten im Inneren der Sozialsysteme. Gegen die aus moderner Sicht übliche Lesart der Strukturen traditioneller Hochkulturen hat Luhmann deutlich gemacht, dass es auch bei stratifikatorischer Systembildung primär um die Kommunikation unter Gleichen geht: „equality becomes a norm for internal communication and inequality becomes a norm for communication with the environment." (Luhmann 1977: 33). Die durch Stratifikation erzeugte Ungleichheit kann somit als ein Sekundäreffekt – i.S. der Externalisierung von Konkurrenzkonflikten – betrachtet werden.34 Das 33 Obwohl die Datenlage dazu in vieler Hinsicht nur spekulative Aussagen erlaubt, ist in evolutionstheoretischer Perspektive noch einmal zu unterscheiden zwischen primordialen Formen der Sozialität in dem langen Prozess der Hominisation und den primären Formen der Jäger- und SammlerKulturen – s. Turner & Maryanski 2008: 129ff., die in dieser Hinsicht v.a. den Vergleich mit der Sozialität von Menschenaffen (insbesondere Schimpansen) heranziehen. 34 Zu den evolutionären Vorteilen hierarchischer Formen der Mehrstufigkeit schreibt Luhmann bereits in seiner frühen Politischen Soziologie: „Gesellschaften, die über eine permanente, nicht nur in Notfällen zu improvisierende und nicht an Verwandtschaft gebundene Herrschaftsstruktur verfügen, erweisen sich als anderen normalerweise überlegen. Ihre Struktur bleibt, von vollständigen Katastrophen abgesehen, erhalten, auch wenn sie besiegt und unterjocht werden, weil sich andere soziale Mechanismen, vor


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grundlegende Problem stratifikatorisch differenzierter Gesellschaften bleibt die Legitimation der sozialen Ungleichheit, einschließlich der der Repräsentanten staatlicher Gewalt, die auf eine göttliche Macht verlagert wird, somit unsichtbar und für die Akteure auf direktem Wege nicht erreichbar wirkt. Diese Form der Legitimation staatlicher Herrschaft wird jedoch zunehmend prekär mit der Ausdehnung und Verdichtung der menschlichen Sozialität, die durch technisch erweiterte Kommunikationsmittel (inesbesondere den Buchdruck) in der Neuzeit erreicht wird. Sie wird daher in der modernen Gesellschaft abgelöst durch die innerweltliche Form der Legitimation durch das Volk (Demokratie). Alle Formen der Binnendifferenzierung sozialer Systeme sind als Beschränkungen der Konkurrenz zugunsten der Aufrechterhaltung des sozialen Schutzschirms gegenüber dem Selektionsdruck der Umwelt zu erklären. Zugleich ist als ein durchgängiges Muster der kulturellen Evolution die Verlagerung der verhaltenssteuernden Unterschiede von material fixierten zu symbolisch generalisierten Formen zu beobachten. In allen Formen sozialer Differenzierung ist das andauernde Ordnungsproblem zu identifizieren, das in der dreifachen Externalisierung von Konflikten (1.) durch Exklusion Abweichender, (2.) durch Verlagerung auf die Systemebene in Kriegen und (3.) durch transzendentale Legitimation der diesbezüglichen Gewaltmittel zum Ausdruck kommt. Dieses tradierte Modell der Konfliktverarbeitung gerät durch die globale Ausdehnung und Vernetzung der Kommunikation in der modernen Gesellschaft in Schwierigkeiten. Das ist der Grund, warum Formen der Binnendifferenzierung, die in der Theorietradition stets als Lösung von Ordnungsproblemen erschienen, in der modernen Kulturkritik eher als Teil des Problems beschrieben werden.35 Sowohl für Stammesgesellschaften wie auch für alle traditionalen Gesellschaftsformen gilt, dass Konflikte im Inneren durch Formen sozialer Differenzierung (der Ein- und Ausgrenzung) unterdrückt und Konflikte (mit konkurrierenden Sozialsystemen) im Äußeren mit großer Härte und Opferbereitschaft ausgetragen werden. Im Hinblick auf die moderne Gesellschaft ist nun zu erkennen, dass die traditionelle Form kultureller Doppelmoral – friedlich nach Innen, kriegerisch nach Außen – zunehmend problematisch wird, weil in Folge der allem Religion, militärische Organisation und Wirtschaft auf Herrschaft eingestellt haben und sie stabilisieren dadurch, daß sie sie voraussetzen. Angesichts der Bedeutung des Hierarchiegedankens und angesichts seiner Nachwirkungen bis in heutige Auffassungen von Staat und Gesellschaft hinein lohnt es sich, diesen Erfolg systemtheoretisch etwas genauer zu analysieren. Dabei stößt man auf zwei zusammenhängende Momente, die wir als Mehrstufigkeit und als strukturelle Unbestimmtheit systeminterner Prozesse bezeichnen können. ... Eine solche Spezialisierung ist nur erreichbar, wenn die Spezialrollen im System generelle Unterstützung erfahren, das heißt ohne Rücksicht auf das Ergebnis einzelner Entscheidungsprozesse mit Mitteln und Legitimität ausgestattet werden.“ (Luhmann 2010: 61) 35 Ich beziehe mich auf die diversen Theorien über das Unbehagen an der Moderne, die (mehr oder weniger romantisch verklärt) eine Entdifferenzierungsprogrammatik vertreten. S. nur Taylor 1995.

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globalen Ausdehnung und internen Verdichtung der Gesellschaft keine konkurrierenden Sozialsysteme mehr zur Verfügung stehen. Alle Konkurrenzkonflikte müssen in dem global erweiterten Innenraum ausgetragen werden und entweder durch neue Formen sozialer Binnendifferenzierung gezähmt oder zum Sprengsatz für die soziale Ordnung werden. 5. Ebenendifferenzierung als zivilisatorische Errungenschaft der Moderne In sozialwissenschaftlichen Theorien der Modernisierung ist der wichtigste Unterschied zwischen traditionellen und modernen Gesellschaften an den Freiheitsund Gleichheitsrechten der Individuen festgemacht worden. Daher erscheint es nur schwer verständlich, dass Luhmann Ebenendifferenzierung generell als Freiheitsgewinn interpretiert hat, obwohl es sich doch – zumindest in den hierarchischen Formen, die in den letzten drei- bis sechstausend Jahren die Sozialsysteme der Menschheit dominierten – eher um Institutionen sozialer Ungleichheit und der Beschränkung individueller Freiheiten handelte. Die (paradoxe) Provokation des Luhmannschen Arguments besteht wohl darin, dass all diese Beschränkungen dazu gedient haben, den Freiheitsspielraum im Inneren der soziokulturellen Gehäuse gegenüber dem Selektionsdruck der äußeren Umwelt erhöht haben. Allerdings hat erst die moderne Gesellschaft Formen der Ebenendifferenzierung hervorgebracht, in denen auch die Freiheitsspielräume der Individuen gegenüber dem Selektionsdruck im Inneren der soziokulturellen Systeme gewachsen sind. Binnendifferenzierung kann als Folge der technischen Ausdehnung und Verdichtung menschlicher Sozialsysteme – also als Reaktion auf intern gesteigerten Selektionsdruck – erklärt werden. Dies gilt auch für die Wahrnehmung verschiedener Ebenen menschlicher Sozialität, die mit jeder neuen Form der Binnendifferenzierung einhergeht. Die in allen Formen menschlicher Sozialität zu beobachtende Differenz zwischen der körperbasierten Interaktion unter Anwesenden und den symbolisch markierten Grenzen der Gesellschaft wird durch Ausdehnung der Sozialsysteme mit technischen Mitteln, die historische Umbrüche in der dominanten Differenzierungsform auslösen, immer weiter auseinandergezogen. Im Anschluss an die theorietraditionelle Unterscheidung historischer Großformationen sozialer Binnendifferenzierung ist zu erkennen, dass es sich nicht nur bei den Formen stratifikatorischer Differenzierung sondern auch bei segmentärer und funktionaler Differenzierung immer auch um Formen der Ebenendifferenzierung handelt. Bei segmentärer Differenzierung gilt dies nur in dem elementaren Sinne der übergeordneten Regeln für den Frauen- und Gabentausch. Bei funktionaler Differenzierung gilt dies in einem spezifisch gesteigerten Sinne: (a) durch Auseinanderziehen der Ebenen der


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Interaktion auf der Mikroebene als Privatsphäre36 gegenüber einer Makroebene der Interaktion als öffentliche Sphäre37 und (b) durch Auseinanderziehen der Ebenen der Organisation auf der Mikroebene als disziplinierender Austausch durch Mitgliedschaft gegenüber der Makroebene der Organisationen als Austauschbarkeit der Individuen durch Funktionsstellen.38 Die moderne Gesellschaft kann in den verschiedenen Stockwerken ihres Gehäuses soziale Gleichheit (konkurrenzsteigernd) und Ungleichheit (konkurrenzvermeidend) zugleich unterbringen. Die extreme Ausdifferenzierung der Ebenen, auf denen diese Prozesse verlaufen, wird zum Merkmal der modernen Gesellschaft. Hier wird augenfällig, was Luhmann zu der verallgemeinernden Aussage veranlasst hat: „Die Differenz von Gesellschaft und Interaktion transformiert Bindung in Freiheit" (1984: 570). In dieser Form der Ebenendifferenzierung ist das Zusammenwirken evolutionärer Errungenschaften mit einem langen historischen Vorlauf zu beobachten. Die Form der Organisation durchbricht das Muster der Koordination über geteilte Handlungsmotive (Zwecke). Man muß sich für das Produkt nicht interessieren, um sich auf Kooperation einzulassen. Die Form der Öffentlichkeit durchbricht das Muster der interaktiven Reziprozität („Tit for Tat“.) Man kann sich am Publikum nicht rächen, wenn es schlechte Leistungen bestraft.39 Als eine Form der Technisierung der Kommunikation in (gegenüber dem individuellen Erleben) verselbständigten Handlungsketten wird die moderne Mitgliedschaftsorganisation zu einem dauerhaften Moment des 36 Das tradierte Konzept der Privatheit, das aus einer frühen Entwicklungsstufe der modernen Gesellschaft stammt und die Privatsphäre primär als Schutzraum vor Übergriffen der Staatsmacht definierte, erscheint heute zunehmend obsolet in Folge der enormen Ausdehnung der Sphäre der Interaktion unter Individuen durch neue Medien. So wird erkennbar, dass das entscheidende Merkmal der Ebenendifferenz zwischen Privatheit und Öffentlichkeit nicht in der Unbeobachtbarkeit sondern in der Unkontrolliertheit des privaten Verhaltens – also nicht im Datenschutz sondern in den Freiheitsrechten – liegt. 37 So heißt es dann bei Luhmann 1997: 825f: „In den Funktionssystemen können nun die für sie spezifischen Rollenasymmetrien [Leistungs- und Publikumsrollen - kg] verstärkt werden, weil sie andere Rollen nicht mehr mitzuberücksichtigen haben. ... Was man von der Gesellschaft weiß, weiß man aus den Massenmedien.“ Ausführlicher dazu 1997: 1096ff. 38 Der evolutionäre Zusammenhang zwischen der Bildung formaler Organisationen und funktionaler Differenzierung wird in der typologischen Betrachtung der Systemebenen eher verdeckt. Eine in dieser Hinsicht deutliche Formulierung findet sich in einem erziehungswissenschaftlichen Handbuch-Artikel von Luhmann (1969: 399ff ): „eine komplexe funktional-differenzierte Gesellschaftsstruktur“ ist „nur durch Organisation möglich, und zwar deshalb, weil die primären Teilbereiche der Gesellschaft, etwa Politik und Verwaltung, Wirtschaft, Religion, Kultur, Freizeitvertreib, Krankenpflege usw. nur durch Organisation entsprechender Teilsysteme getrennt und an spezifischen Funktionen ausgerichtet werden können. In dem Maße, als die Gesellschaft durch funktionale Differenzierung hohe Komplexität erreicht, wird Organisation als Systembildungsprinzip in all ihren Teilbereichen unentbehrlich“. 39 Zur Beschreibung des langen historischen Vorlaufs der modernen Formen der Öffentlichkeit gehört, dass ihr Selektionseffekt auf der „indirekten Reziprozität“ beruht, die sich in Reputation niederschlägt (Nowak 2011: 51ff.) wie auch die Projektion auf ein überirdisches Wesen, das Alles sieht und soziales Fehlverhalten mit Reputationsverlust und Höllenfeuer bestraft. Dem entspricht die für moderne Formen der Öffentlichkeit konstitutive (aber auch unter irdischen Bedingungen letztlich unerfüllbare) Forderung nach Transparenz.

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Variationsmechanismus der kulturellen Evolution. Als eine Form der Technisierung der Kommunikation in (gegenüber dem individuellen Handeln) verselbständigten Erlebensformen (Publikumsrollen) wird Öffentlichkeit in der Moderne zu einem ebenso dauerhaften Moment innergesellschaftlicher Umweltselektion. Variation Technisierung

Selektion Wettbewerb

Makroebene

Organisation

Öffentlichkeit

Mikroeebene

Interaktion

Privatheit

Handeln

Erleben

Das mit älteren Formen der Binnendifferenzierung menschlicher Sozialsysteme durchgesetzte Muster der Vermeidung von Konkurrenzkonflikten im Inneren und ihrer Verlagerung auf die Ebene der Konkurrenz zwischen den Systemen ist in der globalisierten Gesellschaft der Moderne nicht mehr fortsetzbar. Die Ausdifferenzierung verschiedener Ebenen der Sozialität ermöglicht hier die Wiedereinführung von Konkurrenz in sozial geregelten Formen. Nur auf der Metaebene ist Konkurrenz noch ausgeschlossen – und dies auch nur soweit der Primat funktionaler Differenzierung durchgesetzt ist.40 Funktionssysteme stehen in einem Verhältnis zueinander, in dem sie sich wechselseitig nicht ersetzen, also auch nicht konkurrieren können. Auf der Makroebene der Organisationen findet Konkurrenz – nach dem Muster der Überlebenskonkurrenz, jedoch politisch reguliert als Wettbewerb – in historisch nie zuvor für möglich gehaltenem Maße statt.41 Auf der Mikroebene der Individuen findet mehr als je zuvor Konkurrenz nach dem Muster der immer schon internalisierten Fortpflanzungskonkurrenz statt. Menschliche Individuen sind immer schon in zweifacher Weise an den Formen sozialer Systembildung durch Gruppenselektion beteiligt: als natürliche Organismen und als Träger kultureller Replikationseinheiten. Steigerungsformen der menschlichen Individualität entstehen in der Moderne gerade dadurch, dass die Individuen (in ihren kulturellen Orientierungen) nicht mehr bestimmten Teilsystemen (Strata) angehören. Interaktionssysteme bilden von Gruppenzwängen freigesetzte Spielräume (Freisetzung natürlicher Dispostionen im Rahmen eher loser Bindungen). Darüber entwickeln sich Organisationen als soziale Makroebene, die 40 Dass dies aber nicht generell schon der Fall ist, zeigt sich an dem Umstand, dass der Zugang zu den Leistungs- und Publikumsrollen der meisten Funktionssysteme an die im Rahmen der Weltgesellschaft noch segmentär ausdifferenzierte Staatsbürgerschaft gebunden ist. 41 Diese Aussage bezieht sich keineswegs nur auf die – in den Diskursen über Globalisierung meist zuerst genannte – Regulierung der Konkurrenz unter Akteuren der Wirtschaft (insbesondere der Finanzwirtschaft) sondern auch auf die Konkurrenz in anderen Funktionssystemen. Hier ist sogar die Regulierung der Konkurrenz unter den Akteuren der Politik an erster Stelle zu nennen. Denn die Aufteilung der politischen Macht im geregelten Wechsel und parlamentarischen Zusammenspiel zwischen Regierung und Opposition ist gewissermaßen der Paradefall für die zivilisatorischen Errungenschaften der Reinternalisierung von Konkurrenzkonflikten auf der Makroebene.


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in scharfem Kontrast dazu gerade durch strenge Regulierungen sich auszeichnet. Von einer gesonderten Ebene der Gesellschaft kann hier nicht mehr in einem ontologisch-substanziellen Sinn – also eines sozialen Netzwerks mit ungeregelten Between-Group-Konkurrenzen – sondern nur noch i.S. einer Metaebene gesprochen werden, die die von den Individuen (auf der Mikroebene) internalisierten Orientierungen mit Bezug auf alte und neue Differenzierungsformen der Gesellschaft enthält.42 Die zunehmende Differenzierung zwischen einer Mikroebene der Interaktion mit ihren enorm gesteigerten Freiheitsgraden für die Entfaltung der natürlichen Dispositionen der Individuen43 und einer Makroebene mit ihren durch hochspezialisierte Organisationen und Wettbewerb disziplinierten Verhaltensmustern kann einerseits als Lösung (für die Probleme einer global ausgedehnten Gesellschaft) und andererseits als Problem (für die gesteigerten Anforderungen an die Bildungsprozesse) der Individuen beschrieben werden.44 Virulente Konflikte entwickeln sich auf der Makroebene typischerweise in den Zwischenräumen staatlicher Regulierungsmacht in mißlingenden Formen funktionaler Differenzierung (failed states, Korruptionsnetzen, neuen Kriegen, fundamentalistischen Bewegungen etc.) und auf der Mikroebene typischerweise in mißlingen42 So ist auch der innerfachliche Streit darüber, ob die Soziologie – entgegen der landläufigen Redeweise – für analytische Zwecke überhaupt einen Gesellschaftsbegriff benötige (und wenn ja, einen starken oder schwachen) darauf zurückzuführen, dass traditionell starke Gesellschaftsbegriffe immer von der (identitätssichernden) Voraussetzung konkurrierender Gesellschaften gezehrt haben. 43 Zu den Freiheitsgraden der Interaktion, die es in dieser Form aber erst in der Moderne gibt (Luhmann 1997: 478): „Die Interaktion kann mit allen möglichen Absonderlichkeiten experimentieren, weil sie sicher sein kann, daß die Gesellschaft ohnehin fortbesteht. Die Gesellschaft vollzieht aber nicht nur Interaktionen, sie ist zugleich immer auch gesellschaftliche Umwelt von Interaktionen. Diese innergesellschaftliche Differenz verhindert, daß alles, was in Interaktionen einfällt, gefällt, mißfällt, sich auf die Strukturen des Gesellschaftssystems auswirkt.“ 44 Eine Pointe der Luhmannschen Systemdifferenzierungstheorie besteht darin, dass die Problemdiagnose der soziologischen Theorietradition in gewisser Weise umgekehrt wird: „Während vom Klassikerbegriff der Integration her die moderne Gesellschaft als desintegriert beschrieben werden müßte, weil sie sich intern nicht mehr auf irgendein inhaltliches Einheitskonzept verständigen kann, führt die hier vorgeschlagene Begriffsbildung zur gegenteiligen Diagnose. Die moderne Gesellschaft ist überintegriert und dadurch gefährdet“ Diese Diagnose wird von Luhmann weitergeführt bis zu der Konsequenz der ökologischen Selbstgefährdung der Menscheit. Sie bleibt jedoch aufgrund der systemtheoretischen Prämissen (die den Selektionsdruck der Umwelt ausschließen) in kausaler Hinsicht eigentümlich unbestimmt: Die moderne Gesellschaft „hat in der Autopoiesis ihrer Funktionssysteme zwar eine Stabilität ohne gleichen; denn alles geht, was mit dieser Autopoiesis verträglich ist. Zugleich ist sie aber auch in einem Maße durch sich selbst irritierbar wie keine Gesellschaft zuvor. Eine Vielzahl struktureller und operativer Kopplungen sorgen für wechselseitige Irritation der Teilsysteme, und das Gesamtsystem hat, das liegt in der Form funktionaler Differenzierung begründet, darauf verzichtet, regulierend in dieses Geschehen einzugreifen.“ (Luhmann 1997: 618) Die Rede vom Verzicht suggeriert eine subjekthafte Eigendynamik der Gesellschaft als System. Von Selbstirritation hätten auch die soziologischen Klassiker sprechen können, wenn sie mit dem Systembegriff gearbeitet hätten. Die Befürchtung des Zerfalls sozialer Ordnung wegen Entfremdung oder Ungleichheit stellt jedenfalls auch schon Selbstirritation dar. Die Rede von der zunehmenden Selbstirritation des Systems kollidiert aber mit der Beobachtung, dass die moderne Gesellschaft auch mehr als jede Andere (mit wissenschaftlichen Mitteln) auf Probleme reagiert, die sie selbst in ihrer ökologischen Nische produziert hat.

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den Bildungsprozessen von Individuen, denen schon in ihren primären Sozialisationsprozessen Voraussetzungen für die Entfaltung des unter den Bedingungen funktionaler Differenzierung erforderlichen Grades an Individualisierung fehlten. Individualisierung ist seit Beginn der Moderne als Gefahr für den inneren Zusammenhalt der Gesellschaft gedeutet worden. Sie ist besser zu verstehen, wenn man sie als eine letzte Steigerungsform sozialer Differenzierung, als evolutionär unwahrscheinliche Form der Konfliktinternalisierung betrachtet.45 Erst wenn man auch die dunkle Seite der soziokulturellen Evolution, die mörderischen Gruppenkonflikte, die Realität der Völkermorde in der Konkurrenz der Sozialsysteme zur Kenntnis genommen hat, kann man ermessen, welche evolutionäre Errungenschaft die Freisetzung von Individualität auf der Mikroebene der modernen Gesellschaft und die Regulierung von Konkurrenzkonflikten durch Recht und friedlichen Wettbewerb darstellt. In evolutionstheoretischer Perspektive ist zu erkennen, dass die gesteigerten Formen der Individualisierung in der Moderne durchaus wirkungsvolle, aber niemals irreversible Errungenschaften gegen den Rückfall in tradierte (ethnisch-national-religiös-zentrierte) Formen der Konfliktaustragung bilden.46 6. Konkurrenz der Differenzierungsformen in der Weltgesellschaft Der Beginn der Moderne läßt sich auch dadurch charakterisieren, dass die traditionelle Unterscheidung zwischen Innen- und Außenwelt der Gesellschaft kollabiert. Die Ausdehnung der Menschheit vollzieht sich nicht mehr nur durch wandernde Gruppen und kriegführende Einheiten mit entsprechenden Sozialsystemen, sondern durch ein globales Netzwerk der Gesellschaft, das keine anderen Gesellschaften mehr neben sich

45 Die Annahme, dass Individualisierung mit einer für die psychische Gesundheit riskanten Internalisierung von Konfliktpotential einhergeht, gehört schon zum Selbstverständnis der Moderne. Die auffällige Ähnlichkeit der Ebenenunterscheidungen für psychische Systeme (s. Freuds Es-IchÜberich-Triade) ist unter dem Aspekt der Koevolution psychischer und sozialer Systeme - als Möglichkeitsbedingung kultureller Errungenschaften - noch nicht zureichend reflektiert. S. dazu auch schon Hondrich 1987: 298. Wenn zeitdiagnostisch von einer Destabilisierung der Individualität durch wechselnde Moden die Rede ist, könnte man auch umgekehrt fragen, ob der lockere Austausch der Selbstkonzepte im Gebrauch neuer Medien nicht auch Hinweise auf eine „Superstabilität“ des modernen Individualismus enthält. (Als superstabil hat Luhmann die Differenzierungsstruktur der modernen Gesellschaft bezeichnet, weil sie Variation immer schon einschließt.) 46 In dieser Hinsicht grundlegend die Umstellung von Gruppenrechten auf individualisierte Menschenrechte. Darüberhinaus aber auch alles, was zum Schutz und zur Steigerung der menschlichen Individualität als einer Sozialform der Moderne gesagt wurde - s. schon Durkheim (1984, 1986). Die gelegentlich im Umkreis der Luhmannschen Systemtheorie gepflegten Diskurse über die „Dividualität“ des Menschen sind wohl eher der romantischen Gegenströmung zuzurechnen. Biologisch gesehen endet die Dividualität (und beginnt die Individualität) mit der Einnistung der befruchteten Eizelle – worauf kürzlich im Kontext der moralisch überreizten PIDDebatte hingewiesen wurde.


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kennt.47 Seitdem ist von der Metaebene der menschlichen Sozialität als „Weltgesellschaft“ die Rede. Die Luhmannsche Gesellschaftstheorie hat in erheblichem Maße dazu beigetragen, den soziologischen Begriff der Gesellschaft allgemeiner zu fassen, von der Assoziation mit älteren Differenzierungsformen (die den Begriff der Gesellschaft im Plural plausibler erscheinen lässt) abzulösen und in Übereinstimmung mit der Beobachtung der epochalen Ausdehnung und internen Verdichtung der menschlichen Sozialität auf dem Planeten zu bringen (Heintz et al. 2005). Die symbolische Schließung auf der Ebene der Weltgesellschaft fällt zusammen mit einer materialen Schließung auf der Makroebene global konkurrierender Akteure durch globale Netzverdichtung. In zeitdiagnostischer Perspektive geht es um die Beobachtung einer neuen Weltlage als Folge der Nichtfortsetzbarkeit traditioneller Formen der Konfliktverarbeitung. Der Diagnose dient ein evolutionstheoretisch geschärfter Blick auf die Geschichte menschlicher Sozialsysteme, mit dem die Verlagerung von Konkurrenzkonflikten auf die Makroebene der Konkurrenz zwischen Sozialsystemen als ein grundlegender Mechanismus sozialer Ordnungsbildung (Voraussetzung der internen Steigerung von Kooperationsbereitschaft) wieder aufgedeckt wird. Die Ebenendifferenzierung der Sozialsysteme in der modernen Gesellschaft war in dieser Tradition als zivilisatorische Errungenschaft zu betrachten. In Luhmanns Gesellschaftstheorie sind es allerdings nicht die Konflikte konkurrierender Kollektivakteure, die den Selektionsdruck für neue Differenzierungsformen entstehen lassen, vielmehr erscheint umgekehrt der Primat funktionaler Differenzierung wie ein heimlicher Regent, der die Bildung von Organisationen „nahelegt“.48 47 Dazu Stichweh: “In a long-term historical perspective migration and the establishment of local cultures following migration events may have been the major mechanism of isolation (cf. Stichweh 2005, 145-159). If one looks at the migration history of mankind this is especially true in periods in which migration meant the occupation of geographical spaces which were not inhabited before and which were settled by a group coming from elsewhere. Especially if migration was a onetime event and the contact between geographical spaces was not continued after the migration event this resulted in the establishment of local cultures closed off towards one another. These conditions are no longer given in present-day world society. This is still a system in which the transfer of informations and the transfer of institutions is sometimes furthered by the short-time or long-time migration of persons. But primarily world society is based in communicative interrelations which can be continued via telecommunication and organizations and networks without necessarily being dependent on the migration of persons. Isolation, separation and boundaries then arise in social, communicative spaces. Concepts such as autopoiesis and the operational closure of autopoietic systems are meant to describe and to analyze these new realities in which one can no longer say that systems are separated by boundaries in space (Maturana 1985). Instead social spaces are constituted by the emergence of systems and these social spaces do not penetrate one another. Social boundaries are not in space but between spaces.“ (Stichweh 2007: 10) Dies erklärt das Ende der Konfliktexternalisierungsmöglichkeiten auf der Makroebene konkurrierender Sozialsysteme. Auf der Mikroebene individuellen Handelns und Erlebens bleiben räumliche Beschränkungen allerdings durchaus wirksam. 48 Luhmann 1997: 607f: „Wie bereits mehrfach betont, kann das Gesellschaftssystem Kommunikationen nur als systeminterne Operationen verwenden, also nicht mit der gesellschaftsexternen Umwelt kommunizieren.

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Luhmann hat in der globalen Ausdehnung und Verdichtung kultureller Sozialsysteme zur „Weltgesellschaft“ Probleme für die Fortsetzung der kulturellen Evolution gesehen. Er hat diese Probleme allerdings nicht primär auf die Muster der Konfliktverarbeitung (also das Potenzial zur Restabilisierung) bezogen, sondern auf fehlende Wahlmöglichkeiten (also auf das Potenzial zur Variation): „Wenn der hier skizzierte Theorieansatz einer genaueren Überprüfung standhält, hätte man als Ergebnis der soziokulturellen Evolution einen in vielen Hinsichten bedenklichen Zustand zu akzeptieren. Das Gesellschaftssystem ist, ausgehend von Europa, Weltgesellschaft geworden. Es gibt nur noch ein Gesellschaftssystem, nur noch eine evolutionsfähige Gesellschaft, und das kann bei funktionaler Differenzierung trotz aller regionalen Unterschiede auch nicht anders sein. Ist auf dieser Grundlage aber weitere Evolution hinreichend wahrscheinlich? Selbst wenn man im Evolutionsbegriff jeden Fortschrittsglauben eliminiert, selbst wenn man Evolution im günstigen Falle als hinausgeschobene Destruktion begreift, bleibt die Frage: Ist Evolution an einem einzigen Fall ohne jeden Spielraum für Zerstörung und Regeneration überhaupt möglich?“ (Luhmann 1983: 200)

Funktionale Differenzierung ermöglicht die interne Vermeidung von Konkurrenzkonflikten, ohne dafür auf soziale Rangunterschiede (Schichtungshierarchien) zurückgreifen zu müssen. Aber kann die moderne Gesellschaft auch auf die Externalisierung von Konflikten (Kriege) verzichten? Zur Diagnose von Problemen der modernen Gesellschaft muss die Frage gestellt werden, was mit dem inhärenten Konfliktpotential aller Formen menschlicher Sozialität passiert, wenn die größtmögliche Aggregationsebene – das global ausgedehnte und kommunikativ verdichtete Netz der Weltgesellschaft – erreicht ist und somit auf dieser Ebene keine betweengroup selection mehr stattfinden kann. Hier bieten sich (grob vereinfacht) zwei Möglichkeiten: (1.) Die Integration auf der globalen Ebene und die Reinternalisierung von Konkurrenzkonflikten in zivilisatorisch geregelten Wettbewerbsformen auf den darunterliegenden Ebenen (primär der Organisationen und der Individuen); (2.) Dies gilt aber nicht für die durch Differenzierung geprägten gesellschaftsinternen Verhältnisse. Es gibt also durchaus Kommunikationen, die systeminterne Systemgrenzen überschreiten. Daraus ergibt sich ein im Laufe der gesellschaftlichen Evolution zunehmender Bedarf für Organisation. Denn nur als Organisation, das heißt nur in der Form der Repräsentation seiner eigenen Einheit, kann ein System mit seiner Umwelt kommunizieren. Dieser Prozeß des Nahelegens von Organisationsbildung setzt sich unter den Bedingungen funktionaler Differenzierung innerhalb der Funktionssysteme fort, etwa für Firmen, die ihre Produkte am Markt anbieten bzw. sich die dafür notwendigen Ressourcen am Markt beschaffen müssen; oder für alle möglichen gesellschaftlichen Gruppierungen, die, wenn der Staat einmal organisiert ist, ihm gegenüber spezifische Interesse zu vertreten suchen. Ähnlich wie im Verhältnis Gesellschaft/Interaktion gibt es also auch im Verhältnis Gesellschaft/Organisation einen langfristigen und schwer reversiblen Effekt der Evolution gesellschaftlicher Differenzierungsformen. Wir finden uns hier an der Stelle, an der die soziologische Klassik (Michels, Weber) ‚Bürokratie‘ als Bedingung moderner Gesellschaftsordnung analysiert hatte.“ In historisch-genetischer Perspektive wäre aber auch umgekehrt (bottomup) zu fragen: ob nicht die zunehmende Durchdringung der Gesellschaft mit Organisationssystemen die Umstellung symbolischer Erwartungsstrukturen auf funktionsspezifische Organisation-Publikums-Beziehungen mit dem entsprechenden Selektionsdruck „nahegelegt“ hat.


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das Mißlingen funktionaler Differenzierung auf der globalen Ebene und die Regression auf between-groupKonkurrenzkonflikte auf diversen darunterliegenden Ebenen, die ältere Organisationsformen bezeichnen (Kulturen, Nationen, Ethnien). In der modernen Gesellschaft ist beides zugleich zu beobachten: einerseits die Entwicklung neuer Formen sozialer Differenzierung, die mehr Freiheitsgrade auf der Mikroebene mit stärker regulierten Formen der Austragung von Konkurrenz auf der Makroebene verbinden, und andererseits die zunehmende Virulenz ungeregelter Formen der Konfliktaustragung, deren Akteure in fundamentalistischer Einstellung auf ältere Formen sozialer Differenzierung rekurrieren.49 In seinem Frühwerk „Grundrechte als Institution“ hat Luhmann diese Tendenzen (noch eher normativ) als Entdifferenzierung charakterisiert: „Die Gefahr der Entdifferenzierung, der Politisierung des gesamten Kommunikationswesens, ist in der gesellschaftlichen Emanzipation und Autonomsetzung des politischen Systems angelegt, ist mithin Merkmal des Differenzierungsprozesses selbst. (...) Die Erhaltung der sozialen Differenzierung erfordert (...) korrigierende und blockierende Institutionen, die dieser Gefahr entgegenwirken. Die Gewaltentrennung ist eine der bekanntesten; die Trennung von Politik und Verwaltung (...) eine der wirksamsten. Allen voran ist jedoch die Institution der Grundrechte zu nennen, die von der neueren deutschen Verfassungslehre mit Recht in den Mittelpunkt ihrer Staatskonzeption gestellt wird.“ (1965: 24) Im Spätwerk der Gesellschaftstheorie spricht Luhmann dann von Differenzierungsproblemen in einem abstrakteren Sinn: „Die Entstehung distinkter Formen innergesellschaftlicher Systemdifferenzierung ist also einerseits ein Resultat von Evolution. Die Differenzierungsformen selbst sind evolutionäre Errungenschaften. Andererseits wirken sie auf die Evolution selbst zurück, indem sie jeweils spezifische Schwierigkeiten haben, eine Trennung der evolutionären Mechanismen einzurichten.“ (1997: 498). Einmal evoluierte Formen sozialer Differenzierung verschwinden nicht aus der menschlichen Gesellschaft, 49 Probleme traditioneller Konfliktexternalisierungsmechanismen in der Moderne sind von Luhmann wie folgt beschrieben worden: „Solange Solidarität benötigt wird und gefragt ist, orientiert man sich an absoluten Kriterien, deren soziale Bedingtheit nicht thematisiert wird. Das sind Kriterien mit religiösem, moralischem oder tribalem (ethnischen) Gehalt. Auch sie wirken sozial diskriminierend, aber so, daß nach konform und abweichend unterschieden wird und Abweichende als ungläubig, als Barbaren, als Heiden, als "saraceni" oder später dann als unvernünftig ausgeschlossen und ausgestoßen werden können. Ihnen gegenüber gibt es weder Solidarität noch moralische Verpflichtungen. Die Umstellung auf Risikoperspektiven ändert diese Form der Diskriminierung radikal. Jetzt liegen die Perspektivendivergenzen in der Gesellschaft. Sie spalten im Hinblick auf die Zukunft die Gesellschaft mit jeweils wechselnden Besetzungen in Entscheider und Betroffene; und was für die einen rational ist, ist für die anderen ein überzeugender Grund für Protest und Widerstand. Auch jetzt gibt es noch neu sich bildende Solidaritäten, aber sie nehmen fundamentalistische Züge an. Sie entstehen im Bewußtsein des eigenen religiösen oder ethnischen Anderssein; aber dies in einer Weltgesellschaft, von der man sich, was Kommunikation, Versorgung und eben auch Technik angeht, abhängig weiß.“ Luhmann 1997: 534.

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wenn sich der Primat bestimmter Formen historisch und geographisch unter internem und externem Selektionsdruck ändert. Ihre typischen Grundformen – segmentär, stratifikatorisch, funktional – bleiben nicht nur im symbolischen Wissensvorrat der Gesellschaft erhalten, sondern sie können auch selbst auf der Metaebene der Gesellschaft in Konkurrenz zueinander geraten. Alle Formen sozialer Differenzierung dienen der Verarbeitung von Konkurrenzkonflikten – in ihrer traditionellen Form überwiegend durch Externalisierung und Verlagerung auf eine höhere Ebene. Da dies in der modernen Gesellschaft durch ihre globale Ausdehnung und interne Verdichtung ausgeschlossen ist, tritt an die Stelle der Konkurrenz geschlossener Sozialsysteme die Konkurrenz der symbolischen Orientierungen mit Bezug auf alte und neue Differenzierungsformen auf der Metaebene.50 Dieser „Kampf der Kulturen“ wirkt auf die Spielräume des Verhaltens auf der Makro- und Mikroebene zurück. Unter den Bedingungen der Konkurrenz symbolisch generalisierter Orientierungen erweist sich Ebenendifferenzierung als ambivalente Form der Reinternalisierung sozialer Konflikte und der Dynamisierung sozialer Strukturen. Die moderne Gesellschaft lässt – wie die Vielzahl der Konflikte zeigt – einen historischen Primat für die mit ihr evoluierte funktionale Differenzierungsform nur in einem sehr eingeschränkten Sinne zu.51 Die Entwicklung der modernen Weltgesellschaft ist primär nicht durch funktionale Differenzierung, sondern durch die Konkurrenz der historisch evoluierten Differenzierungsformen bestimmt. Ebenendifferenzierung steigert die Freiheitsgrade des Verhaltens im Binnenraum der Sozialsysteme und kompensiert damit Beschränkungen, die den Individuen zum Schutz vor dem Selektionsdruck der Umwelt in ihren Sozialsystemen auferlegt werden. Dieser Kompensationsmechanismus wird mit der Evolution funktionaler Differenzierung einerseits immens gesteigert – wirkt andererseits aber auch konfliktverschärfend in der Konkurrenz der historisch evoluierten 50 In vielen Beiträgen, die an die Luhmannsche Gesellschaftstheorie anschließen, wird die Zunahme von Konfliktkonstellationen in der modernen Weltgesellschaft auf den Primat funktionaler Differenzierung zurückgeführt. Stichweh (2010) vertritt die Auffassung, dass ein Mangel an expliziter Theoriebildung zu der Frage bestehe, „was eine Krise in einem spezifischen Funktionssystem für alle anderen Funktionssysteme innerhalb einer funktional differenzierten Weltgesellschaft bedeutet. Gäbe es nur politische und wirtschaftliche Krisen, würde dies in gewisser Weise mit der Vorstellung einer horizontalen sozialen Ordnung konfligieren, in der keine klare Überlegenheit einzelner Funktionssysteme angenommen werden kann. Wenn nämlich eine Krise u.a. darin besteht, dass sie auch die Operationen anderer Funktionssysteme stört, würde das Übergewicht politischer und wirtschaftlicher Krisen zugleich ein ungleich höheres Vermögen dieser Systeme bedeuten, Hemmungen und Irritationen in anderen Funktionssystemen hervorzurufen. Eine solche Vorrangstellung in der Produktion negativer Effekte würde die Annahme einer horizontalen Ordnung funktionaler Verschiedenheiten in Frage stellen.“ 51 Luhmann selbst hat die These vom historischen Primat einer Differenzierungsform in seinen späteren Ausführungen über Exklusion und Inklusion eingeschränkt: Es sei „wichtig, daß man die Theorie sozialer Differenzierung mit einer entsprechenden Begrifflichkeit anreichert und die Erwartung aufgibt, die Gesellschaft könne aus der Perspektive der vorherrschenden Typik stratifikatorischer bzw. funktionaler Differenzierung ausreichend beschrieben werden.“ (Luhmann 1995: 264).


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Differenzierungsformen unter den Bedingungen ihrer globalen Ausdehnung und lokalen Verdichtung. In der neuen Konfliktkonstellation der Weltgesellschaft, die von der ökologischen Selbstgefährdung der Menschheit bestimmt ist52, können die alten Formen der Konfliktverarbeitung wiederkehren. Das zivilisatorische Projekt der Moderne ist in der Reflexion und Reinternalisierung des gattungsgeschichtlich ererbten Konfliktpotentials zu erkennen. Literatur Alexander, Jeffrey C., Bernhard Giesen, Richard Münch und Neil J. Smelser (Hrsg.), 1987: The Micro-Macro-Link. Berkeley: University of California Press. Bellah, R.N., 2011: Religion in Human Evolution. From the Paleolithic to the Axial Age. Harvard University Press: Cambridge, Mass. / London, England Bonacker, Th. & Ch. Weller (Hrsg.), 2006: Konflikte der Weltgesellschaft. Akteure-Strukturen-Dynamiken, Frankf.M.: Campus. Bonacker, Th., 2008: Die Konflikttheorie der autopoietischen Systemtheorie, S. 267-292 in: Bonacker, Th. (Hrsg.) 2008: Sozialwissenschaftliche Konflikttheorien. Eine Einführung. Wiesbaden: VS. Darwin, Ch., 1874: The Descent of Man and Selection in Relation to Sex. 2nd ed. 2 vols. New York: American Home Library. Deutsche Ausgabe 2008: Die Abstammung des Menschen. Gesammelte Werke, Frankf.M. Dawkins, R., 1996: Das egoistische Gen. Reinbek bei Hamburg. Durkheim, É., 1984: Erziehung, Moral und Gesellschaft. Vorlesung an der Sorbonne, 1902/1903. Frankfurt.M.: Suhrkamp. Durkheim, É., 1986: Der Individualismus und die Intellektuellen. S. 54-70 in: Bertram, H. (Hrsg.), Gesellschaftlicher Zwang und moralische Autonomie. Frankfurt.M.: Suhrkamp. Foerster, H.v., 1974: Cybernetics of cybernetics, or the control of control and the communication of communication. Biological computer Laboratory, University of Illinois, Urbana. Greve, J., A. Schnabel & R. Schützeichel, (Hrsg.), 2008: Das MikroMakro-Modell der soziologischen Erklärung. Zur Ontologie, Methodologie und Metatheorie eines Forschungsprogramms. Wiesbaden: VS Habermas, J., 1976: Zum Theorienvergleich in der Soziologie: am Beispiel der Evolutionstheorie S. 129-143 in: Habermas, J. 1976, Zur Rekonstruktion des Historischen Materialismus, Frankf.M.: Suhrkamp Heintz, B., 2004: Emergenz und Reduktion. Neue Perspektiven auf das Mikro-Makro-Problem, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Jg. 56, Heft I: 1-31. Heintz, B., R. Münch, & H.Tyrell (Hrsg.), 2005: Weltgesellschaft. Theoretische Zugänge und empirische Problemlagen. Zeitschrift für Soziologie. Sonderheft. Hondrich, K. O., 1987: Die andere Seite sozialer Differenzie¬rung, S.275-303 in: H. Haferkamp & M. Schmid (Hrsg.), Sinn, Kommunikation und soziale Differenzierung, Beiträge zu Luhmanns Theorie sozialer Systeme, Frankfurt a.M. 1987. Huntington, S.P., 1998: Kampf der Kulturen: Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert, München. Kuchler, B.; 2003: Das Problem des Übergangs in Luhmanns Evolutionstheorie. Soziale Systeme 9: 27-53. Lohse, S., 2011: Zur Emergenz des Sozialen bei Niklas Luhmann – in: ZfS Jg. 40 Heft 3: 190-207. 52 Das Supersozialsystem der Menschheit bleibt abhängig von seinen natürlichen Voraussetzungen und der Tragfähigkeit seiner ökologischen Nische. Unter den Bedingungen der globalen Ausdehnung und internen Verdichtung wird erkennbar, dass es immer noch andere (konkurrierende) Sozialsysteme auf dem Planeten gibt - und seien es bisher unbesiegte Bakterienstämme. Selektion kann eben auch auf der Ebene der Arten stattfinden. Auch die Auslöschung der Menschheit wäre ein Fall von Mehrebenenselektion.

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