Kg 1994 kommunikationneuemedien

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KOMMUNIKATION MIT NEU EN M EDIEN Der Medienumbruch als soziologisches Theorieproblem1

1. REFERENZPROBLEME

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2. CODIERUNGSPROBLEME 5 3. KOPPELUNGSPROBLEME 7 4. VERKNÜPFUNGSPROBLEME

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- LITERATUR - Summary

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Veränderungen der Kommunikationsmittel der Gesellschaft lösen vielfältige Hoffnungen und Ängste aus. Gegenwärtig ist zu beobachten, wie Telefon, Radio, Television und Computer auf der Grundlage binär-digitaler Datenverarbei­ tung zu weltweiten Kommunikationsnetzen zusammenge­ schlossen werden. Beschreibungen dieser Entwicklung schwanken dramatisch zwischen technischen Paradiesvo r­ stellungen und kulturellen Untergangsbeschwörungen. Für eine distanziertere Betrachtung bietet sich der Vergleich mit Beschreibungen jenes Umbruchs an, der mit dem Buch­ druck in der frühen Neuzeit eingetreten ist. Die gegenwärti­ ge Bedeutung des Medienumbruchs wird - mit bemer­ kenswertem Echo in dem auf Öffentlichkeitswirkung spe­ zialisierten Teil der Medien selbst - v.a. in zwei Bereichen des Wissenschaftssystems unter ve rschiedenen Aspekten programmatisch beschrieben: in technischer Hinsicht von den Computerwissenschaften Kybernetik, Informatik, KIForschung und in kultureller Hinsicht von den Medienwi s­ senschaften Linguistik, Literaturwissenschaft, Publizistik u.a. Die Computerwissenschaften bezeichnen ihr an­ spruchsvollstes Projekt als Künstliche Intelligenz. In der KIForschung wird die Leistung von Rechenmaschinen mit der des menschlichen Gehirns oder - sofern da ein Unterschied gemacht wird - mit der des menschlichen Bewußtseins ve r­ glichen. Dabei wird weder künstliche noch natürliche Intel­ ligenz auf Leistungen der menschlichen Kommunikation rückbezogen. Da Kommunikation als etwas aufgefaßt wird, das sich irgendwie zwischen Menschen mit Hirn und Be­ wußtsein abspielt, müßte sich durch Einsatz von künstlicher Intelligenz dann so etwas wie künstliche Kommunikation ergeben. Die Gesellschaft kommt aber nur unter dem Ge­ sichtspunkt positiv oder negativ bewerteter Folgen der KIProjekte in den Blick. Die visionäre Seite, das große Versprechen der KIForschung und ihre bedrohliche Seite liegen eng zusammen. Abwehrreaktionen gegen die Einführung des Computers werden mit der Reaktion auf die Entdeckungen Galileis, Darwins oder Freuds verglichen. Nach den Kränkungen in Folge der Einsicht in die räumliche, organische, psychische Relativierung der Stellung des Menschen in der Welt folge nun die Relativierung seiner intellektuellen Leistungsfähig­ 1

Dieser Aufsatz wurde veröffentlicht in Sociologia Internationalis Heft 1, 1994

keit. In den Medienwissenschaften wird diese Ansicht häu­ fig im Gegensatz zum Technik-Optimismus der KITheorien mit kulturpessimistischer Tendenz formuliert. Die These vom Wirklichkeitsverlust in der neuen Medienkon­ stellation erinnert an ältere Thesen vom "Sinnve rlust". Die Beschreibung der neuen Medien in den Medien­ wissenschaften unterliegt zumindest zwei Beschränkungen, die in eine soziologische Beschreibung nicht zu überneh­ men sind. Erstens beziehen sich die meisten Untersuchun­ gen auf Mediengebrauch in der sogenannten Massenkom­ munikation und klammern damit den größeren Teil des Medienwandels aus. Zweitens besteht in den Medienwi s­ senschaften die Neigung, als Kommunikation nur zu be­ zeichnen, was dem face-to-face-Modell unserer Primärer­ fahrung ähnelt. Auch unsere Alltagserfahrung scheint ja einen zweistelligen Kommunikationsbegriff zu begünstigen: das Ausgangsmodell vom Sprecher & Hörer läßt sich so übersetzen in die - immer größere Distanzen überbrücken­ den - Modelle vom Schreiber & Leser und vom Sender & Empfänger. Probleme bei dieser Übersetzung bereitet al­ lerdings die eindeutige Zurechnung der Kommunikation auf Personen, denn schließlich ist schon bei der schriftlichen Kommunikation (selbst beim Briefverkehr) mehr als nur ein Anderer beteiligt. Schon für den Buchdruck ist konstatiert worden, daß die Kommunikation ein quasi körperloses Alter Ego konstruiert, weil Anwesenheit verzichtbar wurde.2 In der neuen Medienkonstellation scheint sich die Ko nstrukti­ on eines Alter Ego überhaupt aufzulösen. Am Umgang mit dem Computer als (dezentralem) Bestandteil der neuen Medienkonstellation wird immer deutlicher, daß die Situation nicht mehr angemessen be­ schrieben werden kann mit einem Kommunikationsbegriff, in dem die Beteiligung von mindestens zwei Menschen unterstellt wird. Die technische Entwicklung macht tradierte Bewußtseinsunterstellungen der Kommunikation problema­ tisch. Ob man als wissenschaftlicher Beobachter den Um­ gang mit Computern noch als Kommunikation oder als etwas Anderes bezeichnet, ist selbstverständlich von Theo­ rieentscheidungen abhängig. Ich schlage hier - im Anschluß an Niklas Luhmanns Theorieangebot - vor, einen Kommu­ nikationsbegriff zu verwenden, in dem Kommunikation als operative Einheit aus drei Selektione n verstanden wird: Information, Mitteilung und Verstehen. In dieser Perspekti­ ve reproduzieren sich Sozialsysteme operativ geschlossen gegenüber ihrer Umwelt - einschließlich menschlichem Bewußtsein und Leben. Die in vieler Hinsicht anstößige Theorieentscheidung Luhmanns, Menschen nicht als Be­ standteile der Gesellschaft aufzufassen, soll hier als Ergeb­ nis von Medienevolution plausibilisiert und als angemesse­ ne Voraussetzung zur Beschreibung der gegenwärtigen Medienkonstellation verwendet werden.3 Die einseitige Projektion auf das menschliche Gehirn oder Bewußtsein mag einer der Gründe dafür sein, daß innerhalb der Soziologie nicht nur die ganze Debatte son­ dern auch ihr Gegenstand nicht ernst genommen wurde. Als Soziologe mag man es begrüßen, daß die Soziologie sich an der Dramatisierung der Folgen des Medienwechsels nicht beteiligt hat. Andererseits fanden bisher aber auch nur we­ nige Versuche statt, dem Selbstverständnis der KI­ 2 3

S. H.U.Gumbrecht, 1988, S.15-50 An dieser Stelle ist schon anzumerken, daß meine Ausführungen bezüg­ lich des Verhältnisses von Kommunikation und Bewußtsein und der Personenbeteiligung nicht in jeder Hinsicht den Vorgaben bei Luhmann entsprechen. Dies gilt v.a. für die Ausführungen zu Koppelungsproble­ men im 3. Abschnitt.


K.G.: Kommunikation mit neuen Medien Forschung eine soziologische Beschreibung ihres Gegen­ standes entgegenzusetzen.4 In der folgenden Darstellung geht es nicht um eine neue oder bessere Diagnose des schon vielfältig beschriebenen Medienwandels. Es geht zunächst darum, die soziologischen Begriffe für diese Diagnose zu überprüfen. Durch eine Verschiebung des Blickwinkels soll der blinde Fleck im soziologischen Begriff der Kommuni­ kation sichtbar gemacht werden: seine Abhängigkeit von der typographischen Medienkonstellation. Viele Diagnosen des vor sich gehenden Medienwandels mögen soziologisch unzulänglich sein, da sie den Wandel nur als äußere Bedin­ gung der Gesellschaft beschreiben und nicht: wie er in ihr erzeugt wird. Andererseits ist ihr protosoziologischer Gehalt in der Beschreibung von Bedingungen der Möglichkeit des­ sen zu erkennen, was die Soziologie seit Durkheim als ihren Gegenstand bezeichnet: der Emergenz einer eigentümlichen Sphäre der Gesellschaftlichkeit. Wenn im Folgenden von Problemen der Kommunika­ tion mit neuen Medien die Rede ist, dann ist das nicht in dem alltagssprachlichen Sinne gemeint, in dem nach Lö­ sungen für praktisch noch nicht gelöste Probleme gesucht wird, sondern in dem theoretisch distanzierteren Sinne, in dem - gewissermaßen umgekehrt zur Alltagspragmatik aber mit dem Vorteil, daß der Blick frei wird für andere Lösun­ gen - das Problem zu rekonstruieren versucht wird, für das eine sich evolutionär herausbildende Form die Lösung dar­ stellt. Die evolutionstheoretische Betrachtungsweise impli­ ziert in zeitlicher Hinsicht, daß die Form schon entwickelt sein kann vor dem Problem, für das sie die Lösung darstellt. Mit dem Hinweis auf Referenzprobleme verbinde ich die Abgrenzung gegenüber den Beschreibungen in den Computerwissenschaften, die das Problem im wesentlichen in der Konkurrenz des Computers mit dem menschlichen Bewußtsein sehen. Mit dem Hinweis auf Codierprobleme verbinde ich die Abgrenzung gegenüber Beschreibungen in den Medienwissenschaften, die das Problem im wesentli­ chen in Veränderungen der menschlichen Wahrnehmung sehen. Mit dem Hinweis auf Koppelungsprobleme verbinde ich die Abgrenzung gegenüber tradierten Personbezügen im Kommunikationsbegriff der Soziologie (auch noch der Systemtheorie). Die Soziologie sieht das Problem - soweit sie nicht bloß Beschreibungen der Computer- und Medien­ wissenschaften importiert - im Verlust an Eigenkontrolle der Kommunikation. Mit dem Hinweis auf Verknüpfungs­ probleme, auf die hier nur noch skizzenhaft hingewiesen werden kann, verbinde ich die entgegengesetzte Position, wonach die Kommunikation in der neuen Medienkonstella­ tion ihre operative Geschlossenheit noch einmal steigert und gravierende Folgen im Hinblick auf die dafür erforderliche Differenzierungsstruktur der Gesellschaft riskiert.

2 seits, die wechselseitig Systeme in ihrer Umwelt bilden.5 Um Referenzprobleme handelt es sich insofern, als diese Unterscheidung selbst eine irreversible Folge der Medien­ evolution der menschlichen Gesellschaft markiert, deren Nachvollzug in der Wahrnehmung ebenso wie in der Kom­ munikation immer wieder - und mit jedem weiteren Schritt der Medienevolution neue - Probleme aufwirft.6 Als Indiz für Referenzprobleme in der Kommunikati­ on mit neuen Medien nehme ich die Verselbständigung des Informationsbegriffs in den mit der neuen Medienkonstella­ tion befaßten Wissenschaften.7 Bezeichnungen wie "Infor­ matik" für die Teildisziplin, die die Entwicklung der Co m­ putertechnik im Wissenschaftssystem betreut, bringen die Auffassung zum Ausdruck, daß die wesentliche Innovation der neuen Technik sich auf die Verarbeitung von Informa­ tionen bezieht und erst sekundär dann Folgen für die Kom­ munikation in Betracht kommen. In der Folgenbetrachtung wird dann die Gesellschaft als Informationsgesellschaft bezeichnet. Dahinter steckt eine nie zuvor gekannte Ve r­ selbständigung des Informations aspekts innerhalb der Kommunikation. Die Engführung des Verständnisses der neuen Technik als Technisierung von Information zeigt sich in einer Terminologie, die längst in die Alltagssprache vor­ gedrungen ist: der Digitalisierung. Wie in vielen anderen Fällen der Technik-Semantik auch steht die Bezeichnung heute weitgehend synonym für ihre fortgeschrittenste Form - nämlich Digitalisierung mit einem Zeichenvorrat von nur zwei Zeichen! - die Binarisierung, die sich mit der elektro­ nischen Datenverarbeitung durchgesetzt hat. Andererseits läßt sich der Begriff des Digitalen rückblickend schon auf jede Technisierung von Mitteilungsoperationen anwenden. 8 Information ist immer eine negative, gewissermaßen gegen die Trägheit der Materie gerichtete, sie (als Medium) in eine bestimmte Form bringende Operation.9 Sie läßt sich ohne Hilfe Anderer und ohne Bezug auf Andere, gewisser­ maßen nur für die eigene Wahrnehmung gewinnen und ist an keine andere Technik als die der Unterscheidung (also 5 6

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1. REFERENZPROBLEME Es geht zunächst um die Unterscheidung zwischen Wahr­ nehmung und Kommunikation. Um Referenzprobleme han­ delt es sich insofern, als diese Unterscheidung Operationen verschiedenartiger Systeme unterscheidet, nämlich psychi­ sche und organische einerseits und soziale Systeme anderer­ 4

Eine Deutung mit vergleichbarem Anspruch ist stattdessen aus der Philo­ sophie in dem durch den Medienumbruch inspirierten Diskurs über die Postmoderne gekommen. S. Lyotard, 1979, zu dessen soziologischer Rezeption s. zB. Fuchs, 1992 - Die me isten soziologischen Unters u­ chungen konzentrieren sich auf den Einsatz des Computers in der Ar­ beitswelt. Als Ausnahme s. Rammert u.a.1991

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S. zu dieser Unterscheidung s. N.Luhmann, 1990, Kap.1 S.11-67 Als Referenzprobleme bezeichnet Luhmann Probleme der Unterschei­ dung zwischen System und Umwelt. Im Falle der Gesellschaft handelt es sich v.a. um Probleme der Unterscheidung zwischen Kommunikation und Bewußtsein, die auftauchen können, weil beide im Medium Sinn operieren. In dieser Hinsicht sind Referenzprobleme mit Codierproble ­ men verknüpft, die im folgenden Abschnitt behandelt werden. Während Systeme zwischen Selbst- und Fremdreferenz unterscheiden müssen, können Probleme der Codierung sowohl als Teil ihres fremd - wie ihres selbstreferentiellen Operierens vorkommen. Es handelt sich um zwei Probleme, die nicht aufeinander reduzierbar sind. Vgl. als einen anderen Versuch, die Darstellung von Referenzproblemen auf die moderne Gesellschaft zu beziehen: Fuchs, 1992, S. 244-251. Auch Fuchs nimmt dabei (in als spekulativ bezeichneter Weise) auf die neuen Medien bezug (s. insbes.S.250f). Allerdings nicht (wie hier ange­ setzt) als konstitutiv für das Problem sondern schon als Teil seiner Lö­ sung. Eine Form der Digitalisierung bildet schon das dezimale Zahlensystem mit den Ziffern 0-9 ebenso aber auch unsere Schrift mit dem Zeichen­ vorrat des Alphabets. Bei digitaler Darstellung wird stets auf einen be­ grenzten Zeichenvorrat zugegriffen. Analoge Darstellung unterliegt kei­ ner solchen Beschränkung und gerade dies schränkt ihre Verwendung für technische Zwecke ein. In der Grundeinheit der Operationen digitaler Comp uter, dem "bit of information" steht das "bit" für binary digit und bezeichnet die Einheit des zweistelligen Zeichensatzes. Mit der Seman ­ tik der Digitalisierung wird eine eigentümliche Verbindung von sehr alter (Handrechnen!) und neuester Medientechnik hergestellt. Vgl. Isfah 1991, S.83 Vgl. Luhmanns allgemeine Fassung des Informationsbegriffs nahe am Sinnbegriff, 1984, 102ff


K.G.: Kommunikation mit neuen Medien nicht an Apparate) gebunden. Unterscheidungen sind keine Eigenschaften von Objekten sondern von Beobachtungsope­ rationen.10 Zwar kann schon die einfache (präsoziale) Wahrnehmung des Menschen Gedächtnisfunktionen ent­ wickeln, jedoch sind solche Wahrnehmungen ohne überein­ stimmenden Zeichengebrauch nicht kommunizierbar. Damit Informationen mitgeteilt werden können, müssen diskrete, von einmalig-ganzheitlichen Eindrücken unterscheidbare Zeichen zur Verfügung stehen. Nur wenn die in der Opera­ tion der Mitteilung verwendeten Zeichen bekannt, unter­ scheidbar und wiederverwendbar sind, kann damit etwas für die Wahrnehmung Anderer als Information bezeichnet und herausgelesen werden. Erst durch die Zerlegung der Mitteilungszeichen in diskrete Einheiten (z.B. Worte) wird die Externalisierung von Information in technischen Speichermedien möglich. Die Zerlegung der Mitteilung im Medium der Sprache wird zur Bedingung ihrer Rekombination auf anderer Ebene: die Schrift kann rückblickend als erste Zusammenführung der im Auditiven entwickelten Sprache mit den besonderen Möglichkeiten des Visuellen (bzw. des optischen Gedächt­ nisspeichers) beschrieben werden. Weitere Steigerungsmög­ lichkeiten schließen sich in großen evolutionären Sprüngen an: Alphabetschrift, Druck, Rotationsdruck und schließlich die elektronischen Medien. Was unter dem Stichwort "Digi­ talisierung" als hervorragendes Merkmal des gegenwärtigen Medienwechsels beobachtet wird, ist eine Technisierung des Zeichengebrauchs, die das einzelne Zeichenelement in eine noch höhere Auflösungsstufe gegenüber der gespro­ chenen Sprache treibt, als dies etwa beim Alphabet der Fall war. Dies wird deutlich, wenn, mit dem binär-digitalen Zeichensystem nicht nur Text (verschriftlichte Sprache) sondern auch gesprochene Sprache (Töne) und bildhaft Wahrnehmbares aufgezeichnet und mitgeteilt werden kann. Dadurch können Wahrnehmungen, die bisher gar nicht mitteilbar waren, in Kommunikation eingehen. Andererseits scheint diese Evolution des Zeichengebrauchs gewohnte (ontogenetisch verankerte) Unterstellungen bezüglich der Identität von Zeichen und Bezeichnetem aufzulösen. Angesichts des gegenwärtigen Medienumbruchs ist schon bemerkt worden, daß der epochale Wechsel von der skriptographischen zur typographischen Medienkonstellati­ on in der Geschichtsschreibung der Medien noch gar nicht angemessen verarbeitet worden ist.11 Rückblickend wird der Buchdruck gewöhnlich als eine technische Steigerung der Schriftverwendung gedeutet, zumal die Schrift im Druck ja wieder vorkommt. Die vormoderne Schriftverwendung erscheint so gewissermaßen nur als defizienter Modus der entwickelteren Form. In der Perspektive vormoderner Schriftkulturen wird aber eine ganz andere Wertung er­ kennbar: Die Schrift war fast gleichbedeutend mit Religion, denn im Aufgeschriebenen wurde das Wissen vom Ur­ sprung bewahrt und damit zugleich die Ungewißheit der Zukunft eingeschränkt. Mit dem Buchdruck tritt die kulturelle Bede utung der Schrift zurück. Sie wird relativiert durch die Information, den Inhalt der Mitteilung, der selbst gar nicht mehr aus der Schrift, d.h. den tradierten Schriften, sondern aus der prakti­ 10 11

S. die von Luhmann häufig zitierten Definition G.Batesons vom "Unter­ schied, der einen Unterschied macht". Darauf hat im Anschluß an M.McLuhans Vorarbeiten v.a. M.Giesecke mit seiner großen Monographie über den Buchdruck in der frühen Neu­ zeit hingewiesen.

3 schen Erfahrung stammt. Die Revolution des Buchdrucks besteht gerade darin, von der Traditionslast der Schriften zu befreien. Jeder Text zählt nur insoweit, als seine Informa­ tionen (noch) stimmen. Viele Bücher kommen auf den Markt - nicht nur das eine (von Gott diktierte) - deshalb wird es wichtig zu wissen, wer sie verfaßt hat. Die empi­ risch-experimentelle Orientierung der modernen Naturwi s­ senschaft ist primär eine Abkehr von der Schriftgelehrsam­ keit, wie sehr auch immer dann Publikationen wichtig wer­ den. Mit dem Aufkommen des Buchdrucks entsteht die gegen alle Schriftgelehrsamkeit gerichtete Metapher vom "Buch der Natur". Die Welt wird "lesbar", d.h. einerseits: es bedarf keiner Texte, um sie zu verstehen, und andererseits: sie wird selbst zum Objekt der Auslegung und ihr Leser zum Subjekt.12 Vieles deutet daraufhin, daß im Zeitalter der neuen Medien die Objektivität der Welt - und ihr Gegenstück die Subjektivität des Menschen - als Metaphern veralten wer­ den, so wie das "Buch der Natur" im Zeitalter des Buch­ drucks zu einer veralteten Metapher geworden ist, als mit der Durchsetzung der naturwissenschaftlichen Weltan­ schauung auch die Referenz auf den biblischen Schöp­ fungsglauben fragwürdig wurde. Die Welt ist nicht mehr lesbar - als eine Mitteilung Gottes, die immer schon da ist ­ sondern nur noch beobachtbar und beschreibbar - als Lei­ stung eines Beobachters, der sich selbst der Welt gegenüber nicht als Subjekt sondern nur als Teil derselben ve rstehen kann. Ein solcher Beobachter kann Beschreibungen von der Welt für Andere anfertigen, die als Mitteilungen verstanden werden können, sofern sie auch Angaben über den Beob­ achter enthalten, der die Beschreibung angefertigt hat. Nur: die Position des unbeobachtbaren Beobachters steht nicht mehr zur Verfügung. An die Stelle der Buch-Metapher kann nun die Com­ puter-Metapher treten: die Welt ist nicht mehr lesbar, son­ dern muß konstruiert werden. Allerdings kann man die Konstruktionsweisen Anderer studieren, um zum gleichen Ergebnis zu kommen.13 Der Computer ist - anders als die Maschinen des industriellen Zeitalters - unbeschränkt pro­ grammierbar. Man muß nur das jeweilige Programm ken­ nen, um seine kognitiven Fähigkeiten nutzen zu können. Gewohnte Vorstellungen von Maschinen kehren sich um: Der Computer erscheint als Medium auf der Ebene der Hardware und der hardwarenahen Programmierung, die alles in Bits und Bytes umrechnet, als Maschine auf der Ebene der Programme, der Software, mit deren Hilfe Ein­ gaben (als Daten) "verarbeitet" werden.14 Die Umformung hat Informationswert, weil sie die Mö glichkeiten übersteigt, die dem menschlichen Bewußtsein in der Interaktion mit dem Hirnspeicher zur Ve rfügung stehen. Die Computerwi s­ senschaftler sehen deshalb ihr Vorhaben der technischen Erzeugung von Intelligenz in der direkten Konkurrenz mit

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"Die Lesbarkeitsmetapher ist in der Aufklärung Leitfaden für die Ge­ schichte der ständigen Unterwanderung einer sich als unbestechlich be­ findenden Vernunft durch die heimlichen Wünsche, die Welt möge mehr Bedeutung für den Menschen habe und ihm mehr zeigen, als vernünfti­ gerweise von ihr erwartet werden darf." S. Blumenberg, 1983, S. 199 Ein Maschinenmodell der Erkenntnis hatte schon Descartes vorgeschla­ gen. S. Blumenberg, 1983, S.93 Vgl. zu dieser Unterscheidung Esposito, 1993 S.15f und meine Ausfüh­ rungen dazu im folgenden Abschnitt


K.G.: Kommunikation mit neuen Medien dem menschlichen Gehirn oder Bewußtsein.15 Von dieser Vorstellung ausgehend müßte man annehmen, daß es sich beim Umgang mit Computern (zumindest mit solchen der künftigen Generation) um künstliche Kommunikation han­ delt: nämlich Kommunikation mit Computern anstatt mit Menschen! So faszinierend und bedrohlich diese Vorstel­ lung auch erscheinen mag - sie verliert an Dramatik, wenn man sich vergegenwär tigt, daß Künstlichkeit doch eigent­ lich auch schon der Kommunikation mit Büchern nachge­ sagt werden konnte.16 Nach Minsky liegt die Stärke der neuen Medien in der Konkurrenz mit bisherigen Strukturen menschlicher Intelligenz gerade dort, wo wir herkömmlich das ranghöch­ ste Wissen ansiedeln: bei dem (wissenschaftlich definierten) Expertenwissen. Seine Schwäche liegt eher dort, wo wir herkömmlich rangniedriges Wissen ansiedeln: beim All­ tagswissen (einschließlich des Wissens, das wir aus der Wahrnehmung bewegter Bilder gewinnen).17 Damit sind die Theoretiker der KI-Forschung näher an einer Beschreibung menschlicher Intelligenz als kommunikativer Leistung als es die Idee, das menschliche Gehirn nachzubauen, sugge­ riert.18 Vermutlich hat die KI-Forschung eine ähnliche Zwi­ schenstellung wie die Physik in der frühen Neuzeit: einer­ seits stammt sie noch aus dem Geist der vergangenen Epo­ che - hier dem naturwissenschaftlich-technischen Weltbild ­ andererseits operiert sie schon jenseits von dessen Grenzen, rücksichtslos alte Überzeugungen zersetzend, ohne schon Neue gefunden zu haben. Manchmal schwankt sie noch wie die alte Physik zwischen Astronomie und Astrologie. Die Entthronung des Subjekts durch die KI-Projekte erscheint 15

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Wenn KI-Forscher versuchen, die Leistungen des Bewußtseins zu beschreiben, geht es meist um die sprachliche oder visuelle Formulie ­ rung von Gedanken. Damit ist aber nicht angemessen bezeichnet, was das Bewußtsein in der Form seiner Teilnahme an Kommunikation von einer Maschine (oder einem bewußtloser Organismus) unterscheidet: nämlich diese als Handlung (intentional vorwegnehmend) und/oder als Erleben (emotional nachvollziehend) zu vollziehen. Vgl. meine Ausf. im 3. Abschnitt So räumt auch V.Flusser (1989, S.95) ein: "... das Buch ist auch schon ein Stück künstlicher Intelligenz, denn es ist eine künstliche Gedächt­ nisstütze und enthält aus Bits (Buchstaben) komputierte Informatio nen." Man kann noch weiter zurückgehen und die Artifizialisierung der menschlichen Kommunikation schon in den Höhlenbildern der Steinzeit erkennen. In einem Vergleich der Leistungsfähigkeit von sog. Expertensystemen mit der Intelligenz von Kindern bei der Lösung alltäglicher Probleme formuliert Minsky: "Was folgt aus der Tatsache, daß der Bereich des gesunden Menschenverstands so enorm vielfältig und ungeordnet ist? Ein Problem besteht einfach darin, soviel Wissen anzusammeln. Doch die KI-Forschung ist auf ein zweites, tiefer liegendes Problem gestoßen. Wir mußten uns mit der unumstößlichen Tatsache auseinandersetzen, daß eine Maschine, die sich verhalten soll, als 'wüßte' sie etwas, irgend­ eine Struktur enthalten muß, die diese Struktur verkörpert oder 'repräsentiert'. ... Jeder Teil des Geistes enthält nur wenige Hinweise darauf, was die anderen Teile tun, und egal, wie sehr sich der Geist anstrengen mag, er versteht doch niemals sehr viel von sich selbst." aus: Raymond Kurzweil, KI. Das Zeitalter der Künstlichen Intelligenz, München, Wien, 1993, S. 218 Das gilt bei genauerer Betrachtung schon für die berühmte Ausgangs­ frage der KI-Forschung von Allen Turing (1950). Wenn der Test sich auf bewußtseinsförmige Intelligenz bezöge, hätte einer der in der Psy­ chologie üblichen Intelligenz-Tests verwendet werden können. Aber ein solcher Test würde von einer darauf spezialisierten Maschine ohnehin bestanden. Turing konstruiert deshalb eine Interaktionssituation, in der ein Mensch mit codierter Information konfrontiert wird, ohne über die maschinelle Quelle informiert zu sein. Die Messung bezieht sich also auf die Unterscheidung von Information und Mitteilung. Der Test wäre bestanden, wenn von einer natürlichen Person aus der codierten Infor­ mation regelmäßig auch auf eine Mitteilung geschlossen würde.

4 als Begleitsemantik für eine in der neuen Medienkonstella­ tion sich ohnehin vollziehende Veränderung.19 Die Medienkonstellation der frühen Neuzeit, die die Metapher von der Welt als Mitteilung Gottes hervorge­ bracht hat, hatte auch die Tendenz erzeugt, Mitteilungen schon für Kommunikation zu halten. Daß Mitteilungen (von anderen als dem Verfasser) gelesen, ihre Informationen auch verstanden werden, erscheint so selbstverständlich, daß normalerweise davon abstrahiert werden kann. Das läßt sich als Ausdruck der Medienkonstellation verstehen: die Leser sind ja für die Verfasser von Mitteilungen prinzipiell nicht verfügbar. Sie sind nicht nur körperlich nicht anwe­ send sondern auch für gewöhnlich unbekannt, nämlich nur durch einen anonymen Marktmechanismus angeschlossen. Man kann sie nur als gegeben voraussetzen.20 In der digita­ len Medienkonstellation geht die Verselbständigung der personabhängigen Beiträge zum Zustandekommen der Kommunikation weiter. Hier wird nicht nur von der Opera­ tion des Verstehens abstrahiert sondern auch vom Mittei­ lungsverhalten. Information ist nun alles. Auch dies ein Ausdruck der Medienkonstellation: In den digitalen Netzen sind Absender und Empfänger von Mitteilungen nicht mehr klar zu unterscheiden (z.B. bei einer elektronischen Zeitung, die sich der Leser aus einer laufend aktualisierten Daten­ bank selbst zusammenstellt).21 Ob eine Person sich in erle­ bender oder handelnder Einstellung an Kommunikation beteiligt, begründet keine Rollendifferenz mehr wie in der typographischen Konstellation die zwischen Leser und Autor. Die Welt erscheint als Konstrukt des sich informie­ renden Bewußtseins. Anfänge der Verselbständigung von Information las­ sen sich in der typographischen Medienkonstellation, der Objektivierung der Welt und Subjektivierung des Menschen in der naturwissenschaftlich-technischen Einstellung zur Welt rekonstruieren. Die Computerwissenschaften setzen die aus der naturwi ssenschaftlichen Objektivitätseinstellung entstandene Technisierung der Welt fort und markieren zugleich das Ende - das Paradoxwerden - dieser Einstellung. Der naturwissenschaftlich-technische Informationsbegriff hatte normalerweise nur die Fremdreferenz dieser Operation zum Ausdruck gebracht: Information über etwas in der Welt (einschließlich dessen, der sich informiert) i.S. der ständig gesteigerten Vorstellung eines objektiven Wissensbestan­ des. Es könnte sein, daß diese Evolutionslinie mit den ex­ plosionsartig gesteigerten Speichermöglichkeiten der neuen Medien abbricht und gewissermaßen den Blick freigibt auf die selbstreferentielle Seite der Information, die sich als 19

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In merkwürdigem Kontrast zur Subjekt-Semantik der KI-Forscher bezüglich der Computer stehen Alltagsbeschreibungen, die das Befriedi­ gende an der Arbeit mit dem Computer eher darin erkennen lassen, daß er alle Subjekt-Eigenschaften entbehrt. Das Schöne an der Maschine ist doch, daß sie zur Sklavenarbeit gezwungen werden kann, ohne daß man Angst haben muß vor Rebellion und Aggression, ohne daß man ein schlechtes Gewissen haben muß wegen der Verletzung ihrer Würde! Auch die Pädagogik kann ihre Vorteile daraus ziehen, wie das von Greenfield (1987) referierte Schülerlob zeigt: "Der Computer schreit mich nicht an!" Diese Konstellation erscheint besonders ausgeprägt in der Wissenschaft, für die allein die Publikationen zählen. Ob sie auch gelesen werden, kann vielleicht noch mithilfe eines Zitationsindex festgestellt werden. Ansonsten aber wird das Problem des Verstehens, das mögliche Mißver­ stehen oder Nichtverstehen zur Behandlung an die Pädagogik delegiert. Vgl. die ähnliche Beschreibung von Datenbank-Nutzung bei Esposito, 1993 S.10. Sie zieht daraus aber nicht die Konsequenz, die MehrPersonen-Prämisse für Kommunikation aufzugeben.


K.G.: Kommunikation mit neuen Medien Zeichen für Mitteilungszwe cke entpuppt. Ein Zeiche nsatz, der nur Nullen und Einsen enthält, unterscheidet nichts in der Welt. Die Paradoxie einer Unterscheidung, die sich nur von sich selbst unterscheidet, kann nur aufgelöst werden, wenn zwischen Selbst- und Fremdreferenz unterschieden wird und wenn die Voraussetzung der Steigerung der Fremdreferenz in den Blick kommt: das kommunikative Netzwerk der Gesellschaft selbst. Die unendliche Vermeh­ rung und prinzipielle Unabgeschlossenheit der "Wissensbe­ stände" in den digitalen Netzwerken verweist auf die selek­ tive Aktualisierung des Wissens in Strukturen der Kommu­ nikation. 2. CODIERUNGSPROBLEME Der gegenwärtige Medienwechsel kann durchaus als bloße Steigerung von Entwicklungslinien beschrieben werden, die durch den Buchdruck schon eingeleitet wurden: Die Verbreitung von Mitteilungen wird schneller - was u.a. dazu führt, daß alle Informationen schneller veralten. Das Bild wird aus seiner illustrativen Funktion im Text befreit - was u.a. zu einer Diversifikation der Mitteilungsquellen führt. Die Verwendung von bewegten Bildern als eigenständige Mitteilungsquelle wird jedoch als Angriff auf die gewohnte Gegenüberstellung von Text und Wirklichkeit wahrgenom­ men. Wenn die sichtbare Wirklichkeit - oft in optisch über­ zeugenderer Qualität als ohne technische Hilfsmittel - zum Bestandteil von Mitteilungen wird, dann zersetzt dies die in der typographischen Medienkonstellation entwickelte Vo r­ stellung empirischer Kontrolle für kommunikativ verwend­ bare Informationen. Bilder nennen die Dinge nicht mehr bei ihren Namen sondern bilden sie einfach ab. Immer weniger scheint da noch gewährleistet, daß Mitteilungen an einer primären (objektiven) Wirklichkeitskonstruktion kon­ trolliert werden können. Wie bei den alten Schriften scheint sich alles darauf zu reduzieren, ob und wie die verschieden­ artigen Mitteilungen zueinander passen. Ohne technische Hilfsmittel bliebe die menschliche Kommunikation beschränkt auf Interaktion unter Anwesen­ den und die Reichweite ihrer sensorischen Wahrnehmung. Für größere räumliche Distanzen, als sie mit Stimme und Gehör überbrückt werden können, haben sich - gattungsge­ schichtlich gesondert - im Prinzip zwei Techniken heraus­ gebildet, deren Kombination die besondere Steigerung der Reichweite und Geschwindigkeit der neuen Medien aus­ macht. Es handelt sich - in der Terminologie der fortge­ schrittenen Technik - einerseits um Techniken der Speiche­ rung - mit den für Informationsoperationen wichtigen Kon­ notationen des Gedächtnisses und der "Erinnerung" - und andererseits um Techniken der Übertragung22 - mit den für Mitteilungsoperationen wichtigen Konnotationen der Ver­ mittlung und "Bindung". In dieser technischen Perspektive erscheint das Buch v.a. als Erweiterung der Informations­ möglichkeiten we gen der heranziehbaren Vergleichsdaten (externer Gedächtnisspeicher), der Telegraf hingegen als 22

Von Übertragung kann in der Kommunikation nur in einem metaphori­ schen Sinne die Rede sein, denn hier wird ja nichts hin und her gescho­ ben, und kommunikativ artikulierter Sinn, der von einem Adressaten verstanden wird, ist offenkundig nicht beim Absender abgängig. Vgl. Luhmann, SoSy 193ff. Die Distanzierung von der Übertragungsmeta­ pher handelt sich jedoch das Problem ein, daß sie "das Fundament tiefer legen" (Fuchs, 1991, S.8) und die Form der strukturellen Koppelung be­ schreiben muß, die in Mitteilungsoperationen zum Tragen kommt. S. Ausf. im 3. Abschnitt.

5 Erweiterung der Mitteilungsmöglichkeiten wegen der be­ schleunigten Verbreitung von Daten. Seit Beginn der technischen Erweiterung der mensch­ lichen Kommunikationsmittel besteht die Medienkonstella­ tion nicht nur aus einem Medium, etwa dem gesprochenen Wort, sondern aus verschiedenen Medien der Wirklich­ keitswahrnehmung, die zu einer bestimmten historischen Konstellation kristallisieren, in dem jeweils ein Medium dominiert. Die Medienkonstellation des späten Mittelalters ist gekennzeichnet durch eine unklare Konkurrenz zwi schen gesprochenem Wort, Manuskript und göttlichem Zeichen (z.B. Eingebung im Traum).23 Die Reformation beendet somit eine lange Zeit des Suchens nach einem Medium, das die konkurrierenden Quellen des Wissens integriert: die Gutenbergsche Bibel. Mit dem Buchdruck wird keineswegs alle Kommunikation auf ein Medium reduziert. Aber alle anderen Medien bestimmen jetzt ihren Ort durch Unter­ scheidung vom Buch. Das Auffälligste an diesem Wandel: das gesprochene Wort wird zu einer Variante der (lexika­ lisch kodierten) Schriftsprache. Diese Situation scheint sich heute zu wiederholen. Nach einer Periode der Konkurrenz (z.B. Buch/TV) wird ein neues Referenzmedium erkennbar: es ist der Computer bzw. die elektronische Datenverarbei­ tung. 24 Auch das Buch erhält nun seine kulturelle Rangstel­ lung in Abhängigkeit und im Unterschied zur EDV. Und hier sieht es nun so aus, als ob die Texte der Schriftsprache dominiert würden von den technisch erzeugten Bildern. In der Geschichte der Technisierung der Kommunika­ tionsmittel läßt sich eine variierende Prämiierung verschie­ dener Sinne bzw. verschiedenartiger Kombinationen von Sinneswahrnehmungen, beobachten und entsprechend se­ lektive Rückwirkungen auf die kommunikative Wirklich­ keitskonstruktion. Wenn man davon ausgeht, daß die onto­ genetisch primäre Wirklichkeitskonstruktion noch stets durch eine Kombination von oraler Kommunikation und vi­ sueller Wahrnehmung in Interaktionssituationen geprägt ist, dann erscheinen alle anderen, durch technische Erweiterung der Kommunikationsmöglichkeiten geprägten Konstruktio­ nen als sekundär abgestuft, einerseits als minder wirklich, andererseits in selektiv gesteigerter We ise wirklich. Dem­ entsprechend wird auch bei den neuen Medien eine Auf­ und Abwertung der Primärerfahrung beobachtet und disku­ tiert, ob sich darin eher eine Umwertung (wie bei den Printmedien) oder ein genereller Verlust an Wirklichkeit zeigt.25 In vielen neuen Medientheorien wird das Vordrin­ gen technischer Bilder als Wirklichkeitsersatz gedeutet. Die Autoren sehen eine Gefahr für erreichte kulturelle Standards und warnen insbesondere vor den Wirkungen auf die Be­ wußtseinsentwicklung von Kindern.

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Nach Giesecke, 1992, S. 262, 291 "Die vorgeschichtliche Bewußtseinsebene artikuliert sich in Bilderco­ des, die geschichtliche alphabetisch, die neue digital." formuliert Flusser großzügig, 1989, S.157 - Es ist aber noch nicht klar, ob sich eher die maschinorientierte Bezeichnung Computer oder die medienorientierte Bezeichnung digital für das neue Leitmedium durchsetzen wird. Beide Bezeichnungen enthalten semantische Assoziationen an ältere Medien­ konstellationen. In soziologischer Perspektive müßte eigentlich die Ver­ netzung im Vordergrund stehen. Aber auch die beim Buchdruck zur Be ­ zeichnung gewordene Voka bel greift in technischer Hinsicht nur einen Teilprozeß heraus und bringt damit z.B. nicht die Bedeutung des Buch­ und Zeitungsmarkts zum Ausdruck. Ein Fall von grotesker Zuspitzung am Beispiel des Golfkriegs etwa: Jean Baudrillard, Der Feind ist verschwunden, in: Der Spiegel, 6, 1991, S.220


K.G.: Kommunikation mit neuen Medien Die pauschale These vom Wirklichkeitsverlust durch neue Medien basiert allerdings häufig bloß auf einer man­ gelhaften Unterscheidung von Kommunikation und Wahr­ nehmung. So läuft die Klage über Realitätsverlust auf die Wiederentdeckung des Umstands hinaus, daß die Kommu­ nikation keine Gewißheiten bietet. Anders als das menschli­ che Bewußtsein verfügt die Kommunikation nicht über einen sensorischen Zugang zu Ereignissen in der physischen Welt, also jener Realitätsebene, die wir ontogenetisch als primäre Wirklichkeit wahrnehmen. Während das Bewußt­ sein als Medium der Operation und Beobachtung über das Sensorium des menschlichen Organismus verfügt, hat die Kommunikation als Medium der Operation und Beobach­ tung nur Symbole wie Worte und Bilder. Nicht unsere Wahrnehmung löst sich auf, sondern nur die gewohnte Si­ cherheit, mit der wir Information und Mitteilung innerhalb der Kommunikation unterscheiden. Niemand verwechselt seine Primärwahrnehmungen (z.B. den Anblick der Straße durch die Frontscheibe des fahrenden Automobils) mit einer entsprechenden Darstellung auf der Leinwand oder im Si­ mulator. Die Rede vom Wirklichkeitsverlust durch neue Medien zeigt, in welch hohem Maße unsere gewohnte Wirklichkeitswahrnehmung medienabhängig - und zwar in erster Linie von Printmedien, von kommunikativen Reali­ tätsgarantien durch Drucktexte - war und ist.26 Die Reali­ tätskonstruktion der Printmedienkonstellation ist so gut an unsere Primärwahrnehmungsweise angepaßt (und diese umgekehrt entsprechend für Printmedien sozialisiert) daß wir sie mit der Wirklichkeitswahrnehmung verwechseln, die uns durch unser Sensorium direkt zugänglich ist. Da eine entsprechende Naturalisierung und Sozialisation in der neuen Medienkonstellation noch nicht gegeben ist, erscheint sie als Auflösung von Wirklichkeitswahrnehmung schlecht­ hin. Dieselbe Verlustrechnung, die für die Wirklichkeits­ wahrnehmung in der neuen Medienkonstellation aufge­ macht wird, könnte aber schon für einfache Schriftkulturen und sogar für Sprache vor jeder Zweitcodierung durch Schrift aufgemacht werden. Denn nichts garantiert, daß die Wörter, die wir in der Ko mmunikation gebrauchen, mit den Dingen übereinstimmen, die sie bezeichnen. Gerade in die­ sem Verlust einer 1:1 Beziehung zwischen Ereignissen der Wahrnehmung und Ereignissen der Kommunikation liegt der Freiheitsgewinn der Kommunikation, der durch Medi­ enevolution gesteigert wird. Der Realitätsbezug der Kom­ munikation ist damit konstitutiv durch Unsicherheit bela­ stet. Diese Unsicherheit wird evolutionär dadurch kompen­ siert, daß die Möglichkeit bereitgestellt wird, Mitteilungen als Sinnzumutungen zu verstehen und sie anzunehmen oder abzulehnen. 27 Die Frage muß also respezifiziert werden: Es geht nicht darum, ob unsere Wirklichkeitswahrnehmung generell, sondern ob die Selbstbindungskraft der Kommuni­ kation bedroht ist durch die zunehmende Einbeziehung von Bildern und anderen nichtsprachlichen Ze ichen in Mittei­ lungsoperationen. Wie sieht es aus mit der Negierbarkeit 26

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Und dies gerade, weil der sensorischen Wahrnehmung in der typogra­ phischen Medienkonstellation (insbesondere im Empirie-Konzept der Naturwissenschaften) der Rang einer fundamentalen Letztinstanz zuge­ sprochen wird. "Das System reagiert also auf konstitutive Unsicherheit mit Bifurkation der weiteren Kommunikation. Mangels sozial wirksamer Garantien kommt es so zu einem historischen Prozeß der Selbstbindung der Kom­ munikation." Luhmann, 1992, Skript S. 9

6 von Mitteilungen in der neuen Medienkonstellation? Ver­ liert die Kommunikation dadurch ihre distinkte Qualität, die Unterscheidbarkeit vo n Information und Mitteilungen? Geht hier die für die semantische Kultur der Moderne prägende "Prämisse einer Aussageeinheit verloren, in bezug auf die man die Wahl hat, Konsens oder Dissens zu äußern"? 28 Ich werde im Folgenden Hinweise für die Annahme sammeln, daß in der neuen Medienkonstellation weiterhin zwischen Information und Mitteilung unterschieden und negationsfä­ hige Sinneinheiten innerhalb der Kommunikation erzeugt werden können. In der Beschreibung des Computers als Maschine wird als das, was ihn von allen anderen Maschinen des Industriezeitalters unterscheidet, gewöhnlich seine unbe­ schränkte Programmierbarkeit hervorgehoben. Genauer betrachtet handelt es sich um mindestens drei ver­ schiedenartig operierenden Maschinen, deren Effektivität gerade auf der losen Koppelung der Teile besteht: 1. der physikalischen Maschine (Transistoren, Kabel, Magnetplat­ ten u.a.) 2. der logischen Maschine (binärcodierte Operatio­ nen) 3. der Programm-Maschine (Software). Vermutlich ist es gerade diese lose Koppelung der Teilmaschinen, die den Computer zum Medium macht. Die Beschreibung der phy­ sikalischen Ebene kann hier vernachlässigt werden. Was den Computer auf der Ebene der logischen Maschine aus­ zeichnet, ist die immense Offenheit für jedwede Datenver­ arbeitung, die ihn auch zum Integrationsmechanismus der neuen Medienkonstellation macht. Damit daraus ein Medi­ um der Kommunikation werden kann, muß die Offenheit oder Kontingenz, die auf der Ebene der Bits und Bytes ge­ wonnen wird, auf der Ebene der Programme wieder einge­ holt werden.29 Die Probleme der KI-Forschung bei der Entwicklung wissensbasierter Programme für die Kommunikation mit Computern ähneln in auffälliger Weise den Problemen, mit denen sich die Protagonisten des Buchdrucks und der Lese­ kultur in der frühen Neuzeit herumschlagen mußten. Giesecke hat gezeigt, daß es hier ja keineswegs bloß darum ging, die Semantik der gesprochenen Sprachen (d.h. der lokalen Dialekte) wortweise in eine weiträumiger gültige Schriftsprache zu übersetzen.30 Die Aufgabenstellung ähnel­ te der Quadratur des Kreises: Einerseits mußte (im Gegen­ satz zu den alten Hochsprachen Latein und Französisch) "dem Volk aufs Maul geschaut" werden, um dem Buch­ druck den ihm gemäßen Markt zu erschließen. Andererseits mußte gerade die Sprache des Vo lkes auf eine bis dato un­ bekannte Weise fixiert, in ihrem Variationsspielraum einge­ grenzt werden, damit dieselben Mitteilungen in dem ve r­ größerten Radius überhaupt verstanden werden konnten. Vor allem aber mußten viele außersprachlich fixierte Be­ deutungen der Kommunikation, die in den Interaktions­ strukturen der Lebenswelt zur Verfügung standen (z.B. handwerkliches Wissen) zuallererst versprachlicht werden, bevor sie in die Schriftsprache Eingang finden konnten. Für den Buchdruck und sein Publikum konnte also nicht einfach nur vorhandenes Wissen übersetzt werden sondern mußte in 28

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So reformuliert Luhmann in kommunikationstheoretischer Perspektive die Frage, die in vielen gängigen Medientheorien schon negativ beant­ wortet erscheint. Luhmann 1992a, Skript S. 13 Daß es daran noch hapert, liegt natürlich nicht nur an den Programmen sondern auch am Lerntempo der Teilnehmer - und an einem Bildungssy­ stem, das sich noch kaum auf die neuen Medien umgestellt hat. Vgl. Giesecke, 1990, 1991


K.G.: Kommunikation mit neuen Medien gewissem Umfang eine neue Sprache geschaffen werden und das Publikum in dieser Sprache sozialisiert we rden.31 Vor einer ähnlichen Herausforderung befindet sich heute die Semantikentwicklung unter den Bedingungen der computergestützten Telekommmunikation. Auch hier ge­ nügt es nicht, Wissensbestände, die schriftsprachlich zur Verfügung stehen, in EDV zu überführen. Interessanterwe i­ se hat die KI-Forschung ja ihre schnellsten Erfolge mit der Überführung hochtechnisierten Wissens, das in eng um­ grenzten Fachgebieten schriftlich angesammelt wurde, in sogenannte Expertensysteme erzielen können.32 Die Über­ setzung lexikalisch formulierten Wissens in eine elek­ tronische Datenbank gehört noch zu den leichtesten Übun­ gen der neuen Technik. Durch die Verringerung des physi­ kalischen Speicherbedarfs, die Steigerung der Datenmenge und der Zugriffsgeschwindigkeit lassen sich hier verblüf­ fende Erfolge erzielen. Die Grenzen der Expertensysteme liegen jedoch in der mangelnden Abgrenzbarkeit der Wis­ sensgebiete, auf der Ebene der Kommunikation (der Interaktion und der kollektiven Akteure) auf der es für die Lösung praktischer Probleme herangezogen wird. Die Probleme der neuen Technologie beginnen gerade bei jenen Wissensformen, die nicht in Lexika verzeichnet sind, sondern beim Leser lexikalisch verzeichneter Daten vorausgesetzt werden, etwa die Kompetenz zur raschen Unterscheidung der Wissensgebiete, die bei Bedarf kombiniert werden können. Jede Person, die funktionssystermische Kommunikation an ihren Codes unterscheiden kann, kann auch das dazugehörige Wissen in Situationen oder in Organisationen mit mehr als einer Funktionssystemr eferenz angemessen ve rwenden. Hier zeigen sich - ähnlich wie bei der lexikalischen Standardisierung der Schriftsprache in der frühen Neuzeit ­ historische Schranken der Verallgemeine rbarkeit der neuen Technologie. Um zu sehen, was sich ändert, wenn mittels Compu­ tern statt mit Büchern und anderen Schriftstücken kommu­ niziert wird, ist es informativ, den Unterschied zwischen dem Schreiben von Büchern und dem Schreiben von Com­ puter-Programmen zu beobachten. Computerprogramme sind Codierungen der Kommunikation, die zugleich mehr und weniger festlegen als wir es von Büchern (Schrift, Satzbau, Stil, Thema, lineare Gliederung) gewohnt sind. Eine generelle Festlegung ist zu erkennen an der "Oberflä­ che" des Programms, die der Nutzer kennen muß, um über­ haupt Informationen auswählen zu können. "Unter" dieser Oberfläche steckt - für den Nutzer verborgen - die eigentli­ che Steigerung: die Selektivität des Programms selbst. Programme sind im wörtlichen Sinne "Vo rschriften" zur Festlegung eines bestimmten Verhaltens. Solche Festle­ gungen hat es in der menschlichen Kommunikation schon immer gegeben. Solange sie sich ausschließlich auf mensch­ liches Verhalten richteten, war ihr Erfolg abhängig vom Einsatz zusätzlicher Mittel - Gewaltandrohung, Heilsve r­ sprechen, Überredung etc. - die das menschliche Verhal­ tensspektrum in Richtung auf die vorgeschriebenen Alterna­ tiven einengten. Im Unterschied zu dieser Tradition der Vorschriften beziehen sich Computerprogramme nicht auf das Verhalten von Menschen sondern von Maschinen. Pro­ gramme schreiben dem im Hinblick auf bestimmte Verfah­ 31 32

Hier liegt dann die Standardsicherungsfunktion des allgemeinbildenden Schulsystems. S. Minsky in: Raymond Kurzweil, 1993, S. 218

7 ren nicht festge legten Computer vor, wie er mit Informatio­ nen verfahren soll. Die Selektivität der Mitteilung ist hier also delegiert an den Computer, der dem Nutzer einge­ schränkte Wahlmöglichkeiten eröffnen. Diese sind dennoch weit größer, als wir es bei Schriftsachen gewohnt sind. Wir können deshalb in gesteigertem Maße - aber wir müssen es auch - selbst entscheiden, welche Information wir Mittei­ lungen in den digitalen Medien entnehmen. Dadurch, daß sich die Kommunikation medientech­ nisch ausdifferenziert, daß als Zeichen nicht mehr bloß Mimik, Gestik und Sprache, nicht mehr bloß Alphabet und Schriftsprache (und daneben Musik und bildende Kunst) sondern jetzt potentiell alles Sichtbare und Hörbare auf digitaler Grundlage zur Verfügung steht, verschwindet die für die Sinnevolution konstitutive Differenz zwischen Kommunikation und Wahrnehmung nicht. Das Problem ist nicht das Verschwi nden dieser Differenz sondern eher deren Steigerung - und dann das Fehlen von Einrichtungen, die das Risiko der gesteigerten Kontingenzen für die Gesell­ schaft kompensieren. Bevor dieses Problem genauer beschrieben we rden kann,33 ist jedoch der bisher vorausgesetzte Begriff der Kommunikation im Hinblick auf versteckte Prämissen zu prüfen, die nicht (oder nicht mehr) zutreffen. Die neue Me­ dienkonstellation erzeugt ja nicht nur Probleme, die als „Technikfolgeprobleme“ beschrieben werden können, son­ dern verändert schon die Mittel ihrer Beschreibung selbst. In Frage stehen hier die Bezüge der Kommunikation zu den vorausgesetzten Operationen der Information, der Mittei­ lung und des Verstehens und damit zu den Systemen in der Umwelt menschlicher Sozialsysteme (einschließlich Be­ wußtsein und Körperorganen), deren Elemente als Medien der Kommunikation in Anspruch genommen werden. 3. KOPPELUNGSPROBLEME Die Formulierung "Kommunikation mit Computern" sugge­ riert, daß es sich um Personen handele, die Kommunikation vollziehen, und daß man nur zu klären habe, ob Computern eine vergleichbare Kompetenz zugeschrieben werden kön­ ne. Der Vergleich mit der Funktion vo n Büchern in der Kommunikation sollte jedoch deutlich machen, daß Compu­ ter als Medien betrachtet werden können wie jedes andere Element in der Umwelt von Sozialsystemen, das für das Zustandekommen von Kommunikation spezifische Funk­ tionen erfüllen kann. Wie jedes Andere - das heißt nun aber auch, daß der Computer in dieser Hinsicht gleichgestellt wird menschlichem Bewußtsein, Gehirnen, Körpern und anderen Voraussetzungen der Kommunikation. Es geht hier um Probleme der Koppelung verschiedenartig operierender Systeme, die in ökologischer Weise aufeinander angewiesen sind.34 Unter der Voraussetzung, daß die Systemreferenzen angemessen beschrieben werden, können dann auch Unter­ schiede zwischen den verschiedenen Umweltvoraussetzun­ 33 34

Ich werde im 4. Abschnitt unter dem Aspekt der Verknüpfungsprobleme einige Möglichkeiten anreißen. Es geht um "strukturelle Koppelungen" i.S. der Theorieanleihen Luh­ manns in der biologischen Systemtheorie von H.Maturana. S. z.B. Luh­ mann, 1990 S.31 Medium-Form-Beziehungen der Kommunikation set­ zen die Koppelung verschiedenartig operierender Systeme voraus. Inso­ fern stellen Koppelungsprobleme gewissermaßen die andere (externe) Seite zu den im nächsten Abschnitt (auf der Formseite) behandelten Verknüpfungsproblemen der Kommunikation dar. Koppelungs- und Verknüpfungsprobleme stehen in ähnlicher Weise "orthogonal" zuein­ ander wie Referenz- und Codierungsprobleme.


K.G.: Kommunikation mit neuen Medien gen bzw. Medien beobachtet werden, die einer Gleichset­ zung von Bewußtsein und Computer entgegenstehen. Auch in der Soziologie reproduzieren sich alltags­ weltliche Auffassungen von Kommunikation als einem Ereignis, das zwischen Personen stattfindet.35 Nur auf die­ sem Hintergrund kann die Theoriefrage auftauchen, ob als Kommunikation auch zu bezeichnen sei, was sich neuer­ dings zwischen Personen und Computern abspielt.36 In der systemtheoretischen Tr adition ist - zumindest seit der Luh­ mannschen Umstellung auf autopoietisch geschlossen ope­ rierende Sozialsysteme - ein Konzept von Kommunikation gegeben, nach dem in diesem Sinne weder mit Personen noch mit Maschinen kommuniziert wird. Mit Computern soll also immer heißen: mittels derselben. Diese Auffassung der autopoietischen Geschlossenheit und systemischen Ve r­ selbständigung kommuni kativer Operationen ist vermutlich an bestimmte historische Vo raussetzungen gebunden, die sich erst in der gegenwärtigen Medienkonstellation voll entfalten. In theoretischer Perspektive kann jedoch gesagt werden, daß die mittelbare Voraussetzung von mehr als einer Person mit Bewußtsein und Organismus bereits ent­ fällt, sobald sich eine eigenständige Sphäre der Gesell­ schaftlichkeit jenseits der Interaktion unter Anwesenden herausgebildet hat, d.h. schon mit der Schrift, spätestens aber mit dem Buchdruck. Die übliche Mehr-Personen-Prämisse im Begriff der Kommunikation stützt sich implizit oder explizit auf Merk­ male der typographischen Medienkonstellation, worin die Operationen der Mitteilung und des Ve rstehens raum­ zeitlich auseinandergezogen werden. In dieser Beschreibung wird die emergente Ebene der Kommunikation - in der Information, Mitteilung und Verstehen immer nur als Ein­ heit gegeben ist - verlassen und auf leibhaftige Personen Bezug genommen, die an verschiedenen Orten und zu ver­ schiedenen Ze iten existieren.37 Solange der Bezug zwischen 35

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Der innersoziologische Paradigmenstreit über Handlungs- vs. System­ theorie läßt sich aus der Perspektive des vor sich gehenden Medien­ wechsels auch beschreiben als Streit darüber, ob Sozialität im Medium der oral-gestischen Interaktion unter Anwesenden definiert (bzw. gegen fortgeschrittene Emergenzebenen auf diese Ebene reduziert) oder im Medium der druck-schriftlichen Kommunikationsketten definiert (und die Interaktionsebene durch diese zugleich als relativiert und freigesetzt betrachtet) werden soll. Die Projektion sozialer Probleme auf die (onto­ genetisch vertraute) Bühne der face-to-face-Kommunikation hat natür­ lich immer viel Plausibilität für sich. Die sachlichen und sozialen, räum­ lichen und zeitlichen Dimensionen der Gegenwartsgesellschaft sind aber weder damit noch mit den linearen Kausalprojektionen der typo­ graphischen Medienkonstellation angemessen zu beschreiben. Vgl. Geser, 1989, S. 230-243. Gesers Probleme mit der am Begriff des sozialen Handelns (i.A. an M.Weber) transportierten Vo raussetzung ei­ nes im Vollsinne handlungs- und erlebnisfähigen Alter Ego lassen sich zweifellos umgehen durch Reformulierung in Begriffen der Luhmann­ schen Kommunikationstheorie, die ohne derartige Symmetrie ­ unterstellungen auskommt. - Aufgrund dieser Prämissen kommt Fuchs, 1991, zu dem Schluß, "daß Kommunikation, wenn sie es mit Menschen und Computern zu tun bekommt, von einseitiger Bewußtheit in ihrer Umwelt ausgehen muß". (S.20) Wie mir scheint, läßt sich auch Fuchs hier noch von der Suggestion der KI-Forscher leiten, wonach der Co m­ puter an die Stelle von Menschen trete (und nicht bloß an die Stelle mündlicher oder schriftlicher Kommunikationsmittel). In diesem Sinne auch seine Bemerkung zur Selbstreferenz-Unterstellung beim Computer wegen seines "humanoid" sprachförmigen Operierens. (S.15ff ) Es geht bei der hier vorgeschlagenen Auflösung der Mehr-PersonenPrämisse im Kommunikationsbegriff innerhalb der Systemtheorie kei­ neswegs um eine grundlegende Theorierevision sondern eher um eine Klarstellung. M.E. wird die empirische Plausibilität des Autopoiesis Konzepts dadurch eher erhöht. Im Modell mit mindestens zwei Bewußt­ seinssystemen (wie auch im Parsonschen Modell der doppelten Kontin-

8 Sprechern und Hörern nur am Modell der Interaktion unter Anwesenden beobachtet werden konnte - also in einer diffu­ sen Koppelung von Kommunikation, Bewußtsein und Kör­ pern - konnte und mußte Kommunikation noch nicht als etwas von psychisch und organisch bedingten Ereignissen Unterschiedenes wahrgenommen werden: als emergente Einheit eines Sozialsystems. Die Unterscheidung von In­ formation und Mitteilung kann (auch heute noch) in der Perspektive der Interaktion als eine abstrakte Konstruktion erscheinen, die nur aus der verselbständigten Perspektive schriftlicher Kommunikation nachvollzogen werden kann. 38 In Abgrenzung zu allen zweistelligen Kommunikati­ onskonzepten, die sich auf die Vorstellung raum-zeitlich auseinandergezogener Personenbeteiligung stützen, wird Kommunikation hier aufgefaßt als Synthese aus drei Selek­ tionen: Information, Mitteilung und Verstehen.39 Diese Selektionen sind Bestandteil jeder kommunikativen Opera­ tion. Erst durch ihre Synthese in der "abschließenden" Se­ lektion des Verstehens ist Kommunikation als emergente Einheit gegeben und kann sich das jeweilige Sozialsystem als operativ geschlossenes System von seiner Umwelt unter­ scheiden. Für Beobachter des gegenwärtigen Medienwan­ dels kann es sich so darstellen, daß nur eine Ko mponente kommunikativer Operationen betroffen sei, nämlich die Mitteilungsselektion. Wenn man aber Kommunikation als Einheit aller drei Selektionen auffaßt, muß man zu dem Schluß kommen, daß Kommunikation in allen ihren Kom­ ponenten - im Hinblick auf Information, Mitteilung und Verstehen - vom Medienwandel der Gesellschaft betroffen ist. Bevor auf diese Folgen weiter eingegangen we rden kann, muß ein mögliches Mißverständnis innerhalb der skizzierten Theoriekonstruktion ausgeschlossen werden. Wenn die Grundoperation der Gesellschaft aus einer Einheit aus drei Selektionen besteht, dann kann die Einheit selbst nicht aus den Operationen bestehen, auf die sich die Selek­ tion bezieht. Diese müssen m.E. als Operationen von Sy­ stemen in der Umwelt der Gesellschaft aufgefaßt werden.40 Die Theorie operativ geschlossener Systeme bietet für sol­ che Beziehungen den Begriff der strukturellen Koppelung an. Die Beschreibung von Kommunikation als Grundopera­ tion sozialer Systeme bezieht sich auf die Ebene der rekur­ siven Verknüpfung jedes Ereignisses oder Elements mit anderen Elementen des jeweiligen Systems. Dies schließt nicht aus, daß bestimmte Ereignisse in mehreren Systemen

genz) kann man eher subjekttheoretische Vorstellungen einer Urzeugung der Kommunikation aus dem Bewußtsein einschmuggeln. 38

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Dagegen betont Luhmann (1984, S. 224) daß Schrift und Buchdruck "kommunikativere Formen der Kommunikation" hervorbringen als die mündliche Wechselrede. Für die folgenden Ausführungen - i.S. der Auffassung von Kommunika­ tion als "koordinierter Selektivität" - grundlegend s. Luhmann, 1984, S.191-241. Diesbezüglich anders argumentiert P.Fuchs (1992, S. 28): "Das Verste­ hen des Adressaten findet genau nicht im Informationen mitteilenden System statt, und das heißt: Es gibt immer eine Mehrheit von Prozesso­ ren, die an Kommunikationen beteiligt sind, aber niemals einen Prozes­ sor, der alle drei Selektionen schlagartig und bei sich selbst realisiert. Die Selektionen Information, Mitteilung und Verstehen realisieren sich räumlich und zeitlich verteilt in der Welt, ..." Auch wenn man den Raum als vierte Sinndimension einbezieht (s. Schema in FN 47) scheint mir unklar, wie die Selektionen in der Welt verteilt und gleichzeitig Be ­ standteil einer kommunikativen Operation sein können.


K.G.: Kommunikation mit neuen Medien vorkommen.41 Im Falle der strukturellen Koppelung opera­ tiv verschiedenartiger Systeme - wie hier im Falle von menschlichem Leben, Bewußtsein und Kommunikation - ist sogar von einer regelmäßigen Wiederkehr solcher ereignis­ bezogenen Übereinstimmungen auszugehen. Beiträge von Menschen zur Kommunikation können ungeachtet ihrer Systemzugehörigkeit beobachtet werden: Sinneswahrnehmungen und Hirnspeicher, um etwas als Information zu unterscheiden; Körperorgane, um in der Welt zu handeln und etwas mitzuteilen; und Bewußtsein, um etwas zu verstehen. Es handelt sich offenbar um Beiträ­ ge, ohne die Kommunikation nicht zustande kommen kann in dem Sinne von Ressourcen (wie Sauerstoff für lebende Organe, der jedoch nicht das Leben selbst ist). Die Auto­ poiesis der Kommunikation basiert auf keiner Umweltvor­ aussetzung sondern nur auf der operativen Verknüpfung der Kommunikation selbst. Das Bewußtsein versteht diese Ve r­ knüpfung, indem es symbolisch generalisierte Formen, ver­ schiedene Codierungen der Kommunikation etc. zu unter­ scheiden lernt. Wer Kommunikation im Hinblick darauf beobachtet, wie sie selbst operiert, muß zumindest für ent­ wic??kelte Strukturen der Gesellschaft erkennen, daß jede der genannten Operationen von Bewußtseins- und Organsy­ stemen nur punktuell mit Kommunikation gekoppelt ist. Innerhalb und außerhalb der Kommunikation ergeben sich jeweils verschiedene Anschlußoperationen für dasselbe Ereignis. Die Wahrnehmung einer Information kann im Bewußtsein etwas in Gang setzen, das nicht mitteilbar ist. Die Mitteilungshandlung kann durch Versagen der Stimme unterbrochen werden. Das Verstehen des Bewußtseins kann auf Probleme mangelnder Hintergrundkenntnisse stoßen. Jedes dieser Probleme kann auch zum Thema der Kommu­ nikation werden. Die Emergenz von Kommunikation setzt aber immer schon eine Lösung dieser Probleme voraus, da sie Information, Mitteilung und Verstehen nur als Einheit verwenden kann. Die strukturelle Koppelung von Kommunikation und Bewußtsein läuft über die punktuelle Übereinstimmung der Verstehensselektionen der Kommunikation und der Verste­ hensleistungen des Bewußtseins. Die Verstehensselektion läßt sich als eine Beobachtungsleistung der Kommunikation beschreiben, in der die Mitteilungsselektion als Unterschei­ dung und die Informationsselektion als Bezeichnung fun­ giert.42 Sie ist als Beobachtung strikt rekursiv angelegt, sie beobachtet ("versteht") also nicht andere Systeme in ihrer Umwelt sondern nur sich selbst im Netzwerk kommunikati­ ver Operationen.43 Das schließt nicht aus sondern gerade 41

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Eine solche Annahme widerspricht nicht der Ausgangsannahme strikter Überschneidungsfreiheit operativ geschlossener Systeme, da die Syn­ chronisierung der Systeme auf Ereignisbasis nichts über die rekursive Verknüpfung der Ereignisse in den Systemoperationen besagt. Vgl. Luh mann, 1990, S.32 Die Definition von Beobachtung als Differenz von Unterscheidung und Bezeichnung ist von Luhmann im Anschluß an die Verwendung in den Kognitionswissenschaften in die Kommunikationstheorie eingeführt worden. S. zB. Luhmann, 1990, 2. Kap. Auf dem Hintergrund der evolu­ tionären Differenzierung von Wahrnehmung und Kommunikation läßt sich die Unterscheidung von Information und Mitteilung auch beschrei­ ben als Anwendung der Differenz von Unterscheidung und Bezeichnung in kommunikativen Beobachtungsoperationen. Ich vermag an dieser Stelle nicht Luhmanns weitergehendem Theorie­ vorschlag folgen und Verstehen - über die Beschreibung als in die Ope­ rativität von Kommunikation eingebaute dritte Selektion hinausgehend ­ als eine eigenständige Operationsweise von Sozialsystemen zB. in bezug auf psychische Systeme auffassen. S. dazu v.a. Luhmann 1986, S.72­

9 ein, daß die Kommunikation sich selektiv auf Bewußtseins­ leistungen bezieht. Die Wahrnehmung der Beteiligten ihrer­ seits sucht in der Form der Kommunikation nach Anhalts­ punkten für die Entsche idung, wie ein Beitrag zur Kommu­ nikation "gemeint" ist (zB. als Unterhaltung oder als Ar­ beitsanweisung). Diese Form wird im Rekurs auf die vor­ gängigen Selektionen der Information und Mitteilung her­ gestellt. Die Selektion der Information bezieht sich auf ko n­ tingente Weltsachverhalte. Das innerhalb der Kommunika­ tion repräsentierte Wissen steht (zumindest seit Beginn der Neuzeit) nicht abschließend fest. Die Informationskompo­ nente bezieht sich damit selektiv auf Wahrnehmungsopera­ tionen des Bewußtseins, die die infrastrukturellen Voraus­ setzungen dafür bieten, Neues über die Welt in die Ko m­ munikation einzubringen. Die Selektivität besteht darin, daß überhaupt nur diejenigen Wahrnehmungen zählen, also zu Themen der Kommunikation gemacht werden können, die sich auf kommunikativ schon repräsentierte Wahrnehmun­ gen rückbeziehen lassen. Die Selektion der Mitteilung bezieht sich auf die Ze i­ chen, die symbolisch generalisierten Formen, die Codierun­ gen der Gesten, der Sprache und Bilder, die für Mitteilungs­ zwecke in Anspruch ge nommen werden. Die Mitteilungs­ komponente bezieht sich selektiv auf Operationen der Mit­ teilung, die von Personen - in handelnder oder erlebender Einstellung - durch Körperverhalten oder Inanspruchnahme technisch erwe iterter Kommunikationsmittel realisiert we r­ den. Die Selektivität in bezug auf das Mitteilungsverhalten von Personen besteht darin, daß innerhalb der Kommunika­ tion für die Personenbeteiligung bestimmte Erwartungs­ strukturen (Ego-Alter-Konstellationen und Rollen) verfesti­ gen. Auch die innerhalb der Kommunikation verwendeten Zeichen werden in ihren Kombinationsmöglichkeiten nie­ mals ausgeschöpft, s ind also stets nur als Selektion gegeben. Die Selektion des Verstehens bezieht sich auf die Frage, wie ein Beitrag zur Kommunikation mit anderer Kommunikation verknüpft ist. Die Verstehenskomponente bezieht sich selektiv auf Bewußtseinsleistungen, die sich ihrerseits darauf richten, Operationen der Kommunikation in ihrem Kontext zu verstehen. In dieser Bezugnahme kommt es nicht darauf an, sich auf den inneren Horizont des beteiligten Bewußtseins einzulassen sondern nur, die Wahr­ nehmungsüberschüsse der Beteiligten im Hinblick auf die Unterscheidung von Information und Mitteilung zu ordnen. Die Selektivität besteht darin, daß die Kommunikation sich in der Verstehensselektion rekursiv auf die Informations­ und Mitteilungsselektion bezieht. Sie bietet entsprechende Verstehensmöglichkeiten in der Form der Unterscheidung von Information und Mitteilung, die sich vom beteiligten Bewußtsein an jeder Form der Kommunikation punktuell nachvollziehen läßt. Die Unterscheidung von Information und Mitteilung kommt schon unter den Bedingungen des Buchdrucks mit einer sehr reduzierten Vorstellung über den oder die Akteu­ re aus, die die Information mitteilen. So wird normalerweise nicht die ganze Kette der Beteiligten von Verlegern, Über­ 117. Eine solche Verdoppelung der Verstehenskompetenz führt m.E. zu unendlichen Komplikationen wie z.T. auch schon in den Ausführungen bei Fuchs zu erkennen (1993, S.76) Ich ziehe es in dieser Hinsicht vor, Verstehen als eine besondere Leistung des Bewußtseins aufzufassen, die an Intentionalität - i.S. Searles, 1987 - gebunden ist, über die weder Computer noch die Kommunikation selbst verfügen. Vgl. zur bei Ko m­ munikation fehlenden Intentionalität Luhmann, 1984, S.209


K.G.: Kommunikation mit neuen Medien setzern, Lektoren, Setzern, Korrektoren, Bindern, Händlern beachtet. Der Bruch deutet sich an im Verschwinden des Autors. Die typographische Medienkonstellation konnte nicht ohne die Konstruktion des Autors auskommen. Die Entpersonalisierung der Mitteilungsoperationen - die beim Buchdruck noch über verschiedene Mechanismen der öf­ fentlichen Identifikation des Autors aufgefangen wird ­ vollendet sich in den neuen Medien. Die neue Medienkon­ stellation vermittelt uns die Einsicht, daß die Unterstellung eines handlungs- und erlebnisfähigen Alter Ego keine zwin­ gende Voraussetzung der Kommunikation darstellt.44 Schon beim Fernsehen können wir lernen, daß der Nachrichten­ sprecher, der uns Guten Abend wünscht, nicht Derjenige ist, den wir kennen müssen, um die mitgeteilten Informationen verstehen (z.B. auf ihren Wahrheitsgehalt hin prüfen) zu können. Noch aussichtsloser wird der Versuch, ein lebendi­ ges Alter Ego der Kommunikation zu rekonstruieren, wenn wir uns an Kommunikation mit Computern beteiligen. Wer soll es denn sein: Der die Daten gesammelt hat, die ich mir aus einer Datenbank heraushole? Oder der SoftwareIngenieur, der die Datenbank erfunden hat (und mich bei jedem Aufruf mit einer kleinen Animation begrüßt)? Oder der Hardware-Ingenieur? Es sind zu Viele. Diese Einsicht wird sich im Umgang mit den neuen Medien, mit der da­ durch erreichten Verselbständigung der Verstehensoperati­ on, auch im Alltagsverständnis durchsetzen. Man könnte meinen, daß bei einer DatenbankRecherche das Sender-Empfänger-Modell der Kommunika­ tion noch zu retten wäre. Für die Beschreibung der Verste­ hensoperation macht es aber keinen Unterschied, ob wir einen Ein-Platz-Computer oder ein ganzes Netzwerk be­ trachten.45 Formen der Kommunikation, die einen raschen Wechsel zwischen Sprecher- und Hörerrolle ermöglichen, waren lange Zeit auf die Interaktion unter Anwesenden beschränkt. Formen darüberhinauswirkender Kommunikati­ on zeichneten sich gerade durch das Fehlen der Interaktivi­ tät aus. In der neuen Medienkonstellation löst sich sich diese Beschränkung auf. In den digitalen Netzen wird nicht nur interaktive Beteiligung jenseits der Interaktion unter Anwesenden möglich (wie schon mit dem Telefon). So werden auch Formen der Kommunikation möglich, die ohne ein konkretes Alter Ego auskommen. Wie in einfachen Interaktionssystemen mit mehreren Personen läßt sich eine klare Rollentrennung zwi schen Mitteilungshandeln und Mitteilungserleben nicht mehr aufrechterhalten. Es handelt sich aber nicht um ein Oszillieren zwi schen Sprecher- und Hörer-Rolle wie in der einfachen Interaktion. Die Unter­ scheidung von Mitteilung und Verstehen selbst scheint hier zu oszillieren, denn die Eingabe-Mitteilung verändert schon die Information, die aus der Mitteilung gelesen werden kann.46 Sprecher- und Hörer-Rolle verschmelzen in dersel­ ben Person, die sich an der Kommunikation beteiligt. 44

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Das gilt selbstverständlich auch schon für "Zettelkästen"! s. Luhmann, hg. Kieserling, 1993 - Dazu schon Walter Benjamin 1928: "Und heute schon ist das Buch, wie die aktuelle wissenschaftliche Produktionsweise lehrt, eine veraltete Vermittlung zwischen zwei verschiedenen Kar­ tothekssystemen. Denn alles Wesentliche findet sich im Zettelkasten des Forschers, der's verfaßte, und der Gelehrte, der darin studiert, assimiliert es seiner eigenen Kartothek." W. Benjamin, Einbahnstrasse, Frankf.M. 1962, S. 42 Im Gegensatz dazu unterscheidet E.Esposito, 1993, zwischen individuel­ lem und kommunikativen Gebrauch des Computers. Die im Vergleich etwa zum Film gesteigerte Erlebnis -Qualität der Virtual-Reality-Programme beruht offenkundig auf dieser technischen

10 Die Selbstverständlichkeit der Mehrpersonenprämisse beruht auf der für die typographische Medienkonstellation typischen Rollendifferenzierung. Obwohl niemand bestrei­ ten würde, daß jede Mitteilungsoperation schon eine Ve r­ stehensleistung voraussetzt, wird argumentiert, daß Ko m­ munikation mindestens zwei Personen voraussetzt, weil der Verstehende ein Anderer sein müsse. Daß schon bei Mittei­ lungsoperationen nicht nur Körperorgane in Anspruch ge­ nommen werden sondern auch ein Bewußtsein, das über die Kompetenz zur Unterscheidung zwischen Information und Mitteilung verfügt, konnte in der Printmedienkonstellation noch als Trivialität vernachlässigt werden. In der neuen Medienkonstellation wird es zum Problem, dessen Beobachtung eine differenziertere Beschreibung der Dimensionen voraussetzt, in denen es zur strukturellen Koppelung von Kommunikation und Bewußtsein kommt.47 In der typographischen Medienkonstellation werden räumliche Aspekte zur Unterscheidung von Information und Mitteilung noch metaphorisch gebraucht: hier der Empfän­ ger, dort der Absender. 48 Die Sachdimension erscheint einseitig als Information über etwas in der Welt. Auch die Sozialdimension kommt nur einseitig unter dem Aspekt des Mitteilungshandelns in den Blick: der Autor hat mitgeteilt, was der Leser erlebt. Die Zeit schließlich kommt als Di­ mension der operativen Verknüpfung von Kommunikation nur insoweit in den Blick, als in jeder Information das Neue gegenüber dem Alten bevorzugt wird. In der digitalen Me­ dienkonstellation scheint dieses Schema so nicht mehr zu passen. In sachlicher Hinsicht muß zwischen Zeichen und Gegenstand unterschieden werden, damit keine Referenz­ probleme auftreten (damit das System sich nicht mit seiner Umwelt verwechselt). In sozialer Hinsicht muß zwar eine Mehrheit zeichenverwendender Systeme vorausgesetzt werden, damit (von Beobachtern) ein irgendwie überein­ stimmender Zeichengebrauch festgestellt werden kann.49 Interaktivität: Der wahrnehmbare Raum verändert sich infolge von Ope­ rationen, die der Beobachter sich selbst als Handeln zuschreiben kann. In der "virtuellen Realität" einer Bibliotheksdatenbank können Bücher unter indexikalischen Aspekten "aufgestellt" werden - wobei diese (sinn­ lich wahrnehmbare) Aufstellung gewissermaßen erst durch den Such­ prozeß ausgelöst wird. 47

Schema zur Form der Unterscheidung von Information und Mitteilung in verschiedenen Sinndimensionen SachSozialRaumZeit­ dimension dimension dimension dimension Mitteilung Zeichen Mitteilungs­ Absender Rekursion (System) handeln (Alter) (Dort) (Vorher) Information Welt Mitteilungs­ Empfänger Prokursion (Umwelt) erleben (Ego) (Hier) (Nachher) > Annahme/ Ablehnung 48

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Warum haben soziale Systeme bei Luhmann eine Zeit- aber keine Raum-Dimension? Raum und Zeit sind gleichermaßen Referenzen von Sinn, die sich auf Ereignisse in anderen Systemen beziehen, an die das Sozialsystem strukturell gekoppelt ist. Das Argument, daß Sinn keine physikalische Dimension aufweist, müßte sich auch gegen die Zeitdi­ mension richten. Der Grund liegt vermutlich darín, daß die rekursive Verknüpfung entwickelter Sozialsysteme Schrift als Zeitspeicher (sowie menschliche Gehirne und Bewußtsein zur Codierung/Decodierung) vor­ aussetzen und nur Interaktionssysteme in ihrer rekursiven Verknüpfung auch den Raum verwenden (s.bes.Tanz). "Kommunikation setzt immer eine Mehrheit psychischer Systeme voraus." heißt es bei Luhmann, 1990, S.23 Dabei geht es aber nicht um die Frage, wieviele Personen an Kommunikation beteiligt sind, sondern um die wechselseitige Geschlossenheit und Intransparenz von Bewußt­ seinssystemen, die durch Kommunikation transzendiert wird. Wenn Luhmann fragt, wie Bewußtsein an Kommunikation beteiligt ist, findet sich kein Hinweis auf die Pluralität der Beteiligten i.S. der Mehrperso-


K.G.: Kommunikation mit neuen Medien (Dies können Personen aber auch kollektive Akteure sein.) In zeitlicher Hinsicht entfällt aber die Voraussetzung mehr­ facher Personenbeteiligung bereits jenseits einfacher Inter­ aktionssysteme. Das Bewußtsein des Autors und seines Lesers ist nicht gleichzeitig an derselben kommunikativen Operation beteiligt. Da alles, was sinnhaft operiert, gleich­ zeitig operiert (d.h. nur in der Gegenwart und nur als tempo­ rales Ereignis), muß für die strukturelle Kopppelung der Kommunikation an Bewußtsein auch nur ein Bewußtsein vorausgesetzt werden. Dies genügt auch, um emergente Strukturen der Kommunikation mit allen notwendigen Res­ sourcen zu versorgen, die sich durch die gleichzeitige struk­ turelle Koppelung des Bewußtseins an den menschlichen Organismus und über dessen Sensorium an die physische Welt erschließen.50 4. VERKNÜPFUNGSPROBLEME Mit der Technisierung der Kommunikationsmittel und der Abkoppelung von situativ-personalen Vo raussetzungen wachsen die Möglichkeiten der Kommunikation, wächst aber auch die evolutionäre Unwahrscheinlichkeit erfolgrei­ cher Kommunikation i.S. der Realisierung ihrer Verknüp­ fungen.51 Die Soziologie fragt deshalb nach Einrichtungen der Gesellschaft, die die Risiken der gesteigerten Möglich­ keiten der Ko mmunikation kompensieren, indem sie be­ stimmte Verknüpfungen normalisieren und diese unwahr­ scheinlichen Selektionen an entsprechende Motive der Wahrnehmung rückkoppeln. 52 Zur Beantwortung dieser Frage benötigt sie entsprechend auflösefähige Begriffe. Die Aufgabe der Mehrpersonenprämisse kann m.E. den Begriff der Kommunikation von irreführenden Konnotationen der Interaktion entlasten und Möglichkeiten eröffnen, die ge­ steigerte Rekursivität und Simultaneität, Komplexität und Heterogenität der Kommunikation in der neuen Medienkon­ stellation angemessen zu beschreiben.53 Die These, daß eine Person genügt, um Kommunika­ tion mit den notwendigen Ressourcen zu versorgen, ist kompatibel mit der Beobachtung der ereignismäßigen Gleichzeitigkeit von Kommunikation und Bewußtsein in der Unterscheidung von Information und Mitteilung. Dieses Ereignis steht zeitlich weder am Ende einer kommunikati­ nen-Prämisse. Es geht um das Wie - die Frage nach der Struktur der Koppelung - und nicht um ein Wieviel. 50

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In diesem an Intentionalität gekoppelten Beitrag des Bewußtseins zur Kommunikation sehe ich auch den wichtigsten Unterschied zwischen dem Bewußtsein und anderen Voraussetzungen der Kommunikation. Wie immer man die Intelligenz von Büchern oder Computern beschrei­ ben mag: sie trägt nichts zum Verstehen im Sinne der hier skizzierten strukturellen Koppelungen bei. "Mit all diesen Entwicklungen von Sprach- und Verbreitungstechnik wird erst recht zweifelhaft, welche Kommu nikation überhaupt Erfolg haben, das heißt zur Annahme motivieren kann." Luhmann, 1984, 221 Da diese Einrichtungen von Luhmann (im Anschluß an Parsons) abwei­ chend vom Alltagssprachgebrauch auch als Medien bezeichnet werden, ist in der Theoriekonstruktion hervorzuheben, daß beide Medienarten in der Evolution der Gesellschaft verschiedene Funktionen besetzen: Spra ­ che und andere Mitteilungsmedien den Mechanismus der Variation, die funktionssystemischen Kommunikationsmedien den der Selektion. Im Unterschied zu strukturellen Koppelungen, die sich zeitlich immer nur ereignisbezogen zeigen, geht es jetzt um operative Verknüpfungen der Kommunikation, die sich zeitlich durch Rekursion und Prokursion (Vergangenheits- und Zukunftshorizont) ausweisen. Die These, daß Kommunikation sich von der phylogenetischen und ontogenetischen Ausgangslage der mehrfachen Personenbeteilung ablöst, sobald sie sich technischer Externalisierungen des Zeichensystems bedient, läßt sich als Konsequenz dieser Unterscheidung formulieren.

11 ven Sequenz - wenn also Ego versteht, was Alter mitgeteilt hat - noch an deren Anfang. Wenn Alter etwas mitteilt, so versteht er bereits (unterscheidet Information und Mittei­ lung) und nur dies ermöglicht ihm (als Person mit Bewußt­ sein und einem Organismus, der Laute erzeugen oder eine Schreibmaschine bedienen kann) den Anschluß an Kommu­ nikation. Anfang und Ende einer kommunikativen Squenz stellen ja niemals Anfang oder Ende der Kommunikation sondern nur verschiedene Zeitpunkte in der Wahrnehmung der Beteiligten dar. Als kommunikative Sequenz erscheint das, was im Handeln und Erleben von Personen markiert, von den Beteiligten als unit act (aus dem Netzwerk der Kommunikation) herausgegriffen wird. Bezogen auf Perso­ nen - also Ereignisse in der Umwelt des Sozialsystems, auf die das Sozialsystem durch Ausdifferenzierung passender Rollen reagiert - heißt dies, daß es anstelle der Unterschei­ dung zwischen Personen in mitteilender und verstehender Rolle nur noch eine Rolle gibt, die in Mitteilungshandeln und Mitteilungserleben (Aktualisierung und Rezeption54) jeweils komplementäre Verstehenskompetenzen aktuali­ siert. Mitteilungen bleiben in dieser Beschreibung weiterhin zurechenbar auf Akteure - allerdings eben nicht bloß auf natürliche Personen sondern auch auf kollektive Akteure wie Unternehmen, Sendeanstalten, Parteien, Netzanbieter. An die Stelle der personbezogenen Unterscheidung zwi ­ schen Mitteilungs- und Verstehensrolle muß in der Sozial­ dimension die Unterscheidung zwi schen Mitteilungshandeln und Mitteilungserleben treten. Verstehen ist in jedem Falle am Zustandekommen der Kommunikation beteiligt: sowohl in der Selbstzurechnung der Mitteilungshandlung wie in der fremdreferentiellen Perspektive des Mitteilungserlebens. Die Möglichkeit des Verstehens ist noch in der typo­ graphischen Medienkonstellation vorrangig an der Beob­ achtung und Zuschreibung von Mitteilungsabsichten von Personen - durch publikatorische Reputationsverfahren erweitert auf Autoren von Texten - festgemacht worden. Wie ist aber Verstehen möglich in einer Medienkonstellati­ on, in der die Kontrolle von Informationen sich nicht mehr auf Personenkenntnis stützen kann und in der jede Konnota­ tion an ein Mitteilungsverhalten, das einer konkreten Person mit Körper und Bewußtsein zugerechnet werden kann, auf­ gegeben werden muß? Die Lösung des Problems könnte in einer deutlicheren Ausformung der Unterscheidung von Information und Mitteilung in die Zeitdimension liegen. Die strukturelle Koppelung von Kommunikation und Bewußt­ sein basiert auf der zeitlichen Synchronizität von psychi­ schen und sozialen Ereignissen. Die operative Geschlossen­ heit psychischer und sozialer Systeme basiert hingegen auf der zeitlich asynchronen Verknüpfung aller systemspezifi­ schen Operationen. Die Operation des Verstehens stellt ein Bewußtseinsereignis dar, dessen Besonderheit gerade darin besteht, sich auf die Asynchronizität der Kommunikation zu beziehen, d.h. am jeweiligen kommunikativen Ereignis durch Unterscheidung von Information und Mitteilung die operative Verknüpfung zu identifizieren. Wie ist es mög­ lich, an einem immer nur zeitgleich erscheinenden Ereignis eine Vorher/Nachher-Differenz zu rekonstrieren? Verstehen von Kommunikation war immer schon Verstehen ihrer ope­ rativen Verknüpfung. Diesbezüglich tritt jetzt die Zeitdi­ mension stärker in den Wahrnehmungsbereich des Bewußt­ 54

Um die Konnotation der Begriffe mit natürlichen Personen aufzulösen, sollte es statt Mitteilungserleben besser heißen Rezeption und statt Mit­ teilungshandeln Aktualisierung von Mitteilungen.


K.G.: Kommunikation mit neuen Medien seins. Die Operation des Verstehens muß Zeichen der Re­ kursivität und Prokursivität der kommunikativen Operation unterscheiden. Jede Mitteilung von Informationen greift auf Informationen aus vergangener Kommunikation zurück (Rekursion). Sie zielt auf das Erleben der Neu-Formierung des Wissens, das ein Hintergrundwissen schon voraussetzt. Andererseits greift jede Mitteilungshandlung schon auf mögliche Kommunikation in der Zukunft vor (Prokursion). Sie zielt auf Annahme - sei es der Information im Erleben oder der Mitteilungsabsicht im Handeln.55 Erst das mögli­ che Anschlußverhalten, das als solches außerhalb der Kommunikation stattfindet (wie z.B. das Schießen nach einem Schießbefehl) zeigt die operative Verknüpfung der Kommunikation vollständig an.56 Die Operation des Verste­ hens, die Information und Mitteilung in kommunikativen Operationen unterscheidet, stellt die Verknüpfungen der Information mit vergangener Kommunikation und die Ve r­ knüpfungen der Mitteilung mit möglicher Anschlußko m­ munikation nur im Bewußtsein her. Das Bewußtsein kann selbst keine Verknüpfungen innerhalb von Sozialsystemen herstellen. Es kann - aufgrund der gattungsspezifischen Primärkoppelung, irritabel durch Sozialisation - Organe des Körpers zu passendem Anschlußverhalten (z.B. Mittei­ lungsäußerungen) veranlassen und diese Ereignisse dem Sozialsystem zur Verfügung stellen. Aber nur das Sozialsy­ stem selbst kann entscheiden, ob es sich dabei um einen Beitrag zur Kommunikation handelt.57 Für die Koppelung des Bewußtseins an Kommunika­ tion mittels Verstehen ist es zwar operativ gleichgültig, ob sie in handelnder oder erlebender Einstellung vorgenommen wird. Für das Verstehen kann dies keinen Unterschied ma­ chen - sonst ist es keines. Für die Kommunikation hängt aber vieles davon ab, daß die Rezipienten von Mitteilungen die darin enthaltenen Erwartungen zur Prämisse ihres An­ schlußverhaltens machen. Und auch dies muß (vorgreifend) verstanden werden. Ob etwas, das vom Bewußtsein als Mitteilung verstanden wird, im Sinne der Autopoiesis der Kommunikation auch als Kommunikation gelten kann, entscheidet sich immer erst in der operativen Verknüpfung, dh. vermittels der entsprechenden Codierungen, die in die Formen der Kommunikation eingelagert sind, und ohne deren Kenntnis das Bewußtsein wiederum nichts verstehen könnte. Diese Codierungen variieren bekanntlich auf ve r­ schiedenen Ebenen - in der Form von Geselligkeit gelten andere als in Organisationen - und entlang verschiedener Funktionssysteme der Gesellschaft. Sie stehen unter Varia­ tionsdruck durch den Wandel der Kommunikationsmittel. Die Steigerung der Differenz zwischen Primärwahr­ nehmung und Kommunikation hatte schon die Umstellung 55

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Im Sinne von Luhmanns Beschreibung (1984, S.203ff) geht es bei dieser Prokursivität um die "vierte Selektion", die sich erst jenseits der drei Se­ lektionen ereignet, die die operative Einheit der Kommunikation bilden. - Zur Verwendung der Unterscheidung prokursiv-rekursiv bei Luhmann s. 1985 (Die Autopoiesisis des Bewußtseins) S....? Als Zeichen können Anschlußhandlungen nur bezeichnet werden, wenn sie wiederum als Mitteilungen gemeint sind. Ansonsten sind es bloß An­ zeichen für den Erfolg. Die kommunikative Kette endet an dieser Stelle und es bleibt nur eine abschließende Information. In diesem Sinne sagt Luhmann (1984, S. 205): "Kommunikation trans­ formiere die Differenz von Information und Mitteilung in die Differenz von Annahme oder Ablehnung der Mitteilung ... Es handelt sich nicht um einen sozialen Stellungsunterschied sondern um eine zeitliche Trans­ formation." (Unterstreichung K.G.)

12 der Gesellschaft auf Printmedien zu einem riskanten und folgenreichen Unternehmen werden lassen. Zwischen der Interaktion unter Anwesenden und der Gesellschaft als Summe alles kommunikativ Erreichbaren entstand eine Ebene mit enorm verlängerten Kommunikationsketten. Und die Frage war schon hier, mit welchen Mitteln die Gesell­ schaft diese Zumutungen der Kommunikation für die Teil­ nehmer erträglich machen und als Strukturen normalisieren konnte. Die moderne Gesellschaft hat (aus historisch vor­ hergehenden Formen) spezifische Medien entwickelt, deren Funktion darin besteht, die Unwahrscheinlichkeitsschwelle für eine erfolgreiche Verknüpfung von Kommunikation überwinden, also neue Formen zu ermöglichen, die bishe­ rige Raum-Zeit-Schranken der Verknüpfung von Kommu­ nikation überschreiten. Der gegenwärtige Medienumbruch läßt sich als eine erneute Steigerung der Ebenendifferenzie­ rung der Gesellschaft mit noch einmal gesteigerten Teil­ nahmezumutungen und Verknüpfungsproblemen beschrei­ ben. Für die Verknüpfung der Kommunikation hat die moderne Gesellschaft spezifische Einrichtungen entwickelt, die in der Soziologie als symbolisch generalisierte Kommu­ nikationsmedien bezeichnet werden.58 Diese Medien fungie­ ren als latente Hintergrundstruktur jeder Kommunikation größerer Reichweite. Sie ermöglichen zugleich universelle und hochselektive Steuerung der kommunikativen An­ schlußmöglichkeiten, universell in der Inklusion von Perso­ nen, selektiv im Bezug auf Funktionen. Bezugspunkte bil­ den z.B. Geld für das Wirtschaftssystem, Macht für das politische System, Wahrheit für das Wissenschaftssystem etc. Unter den hier skizzierten Aspekten wären die Folgen des Medienumbruchs in der Gesellschaft v.a. unter zwei Aspekten genauer zu untersuchen: 1. in der Frage der tech­ nischen Verfügbarkeit von Codes und Programmen, die neue Standards für Anschlußkommunikation setzen und 2. in der Frage der sozialen Verfügbarkeit von Selbstbeschrei­ bungen der Kommunikation, die neue Zurechnungen auf Aktion und Rezeption der Beteiligten ermöglichen. Die sachliche (oder technische) Seite dieser Medien läßt sich beobachten an den Binärcodierungen der funkti­ onssystemischen Kommunikation, die die Zuordung der kommunikativen Ereignisse zu Systemen ve reinfachen. Die Unterscheidungen der Binärcodes der Funktionssysteme sind zwar als Formen beobachtbar, funktionieren aber nur, wenn sie gewissermaßen reflexionsfrei gehandhabt werden können. Jeder Schritt zu weitergehender Technisierung der Kommunikation setzt andererseits zu seiner Verwirklichung zunächst eine weitergehende semantische Explikation zwecks Standardisierung voraus. Bei der Einführung des Buchdrucks hieß das, daß auf außersprachlicher Wahrneh­ mungsgrundlage präsente Voraussetzungen der Kommuni­ kation zu lexikalisch verzeichneten Formen der Kommuni­ kation werden müssen. Vor dem Buchdruck waren diese Formen der Kommunikation ja keineswegs Monopol der Sprache (weder mündlich noch schriftlich) sondern immer eine Kombination aus Sprache und Körperkommunikation ("demonstratio ad oculos"). Das Problem der Übersetzung etwa der oral-visuellen Anweisungen des Meisters an seinen Schüler in die neue Standard-Hochsprache ging weit über 58

S. Luhmann, 1984, S. 222 ausgeführt z:B.am Medium für Wissenschaft: Luhmann, 1990,S. 167-270 Zur Rückführung der funktionssystemischen Kommunikationsmedien auf die durch die Evolu tion der Schrift ermö g ­ lichte Diversifikation der Kommunikation s. S. 178f.


K.G.: Kommunikation mit neuen Medien eine 1:1 Übersetzung von oralen Dialekten hinaus. Die passende Semantik mußte allererst erfunden we rden.59 Die Implementation der neuen Medien in die Struktu­ ren der Gesellschaft - das reflexionsfreie Funktionieren als Technik - setzt voraus, daß die Computerprogramme auch für diese Strukturen bestimmte Standards "kennen". Wis­ senstrukturen, die unter den Bedingungen der typographi­ schen Medienkonstellation als latente Strukturen funktionie­ ren, müssen dafür zunächst einmal reflexiv zugänglich ge­ macht werden. Andererseits verschwindet der Bedarf an Latenzschutz für das Funktionieren unwahrscheinlicher Kommunikation nicht, wenn Teile der alten Kommunikati­ onsmedien symbolisch expliziert (also aus Medium zu Form) werden. Sie müssen beobachtet und beschrieben werden, damit sie als neue Standards einer technischen (Re-)Implementation in die Lebenswelt fähig werden, also erneut zu latenten Strukturen werden können.60 Weder Codes noch Programme der funktionssystemi­ schen Medien lassen sich einfach in die Sprache der digita­ len Netze übertragen. Die "Ergonomie" der computerge­ stützten Kommunikation verlangt nicht nur die Übersetzung schriftsprachlich schon codierten Wissens in Datenbanken sondern auch die symbolische Explikation jener latenten Strukturen der Kommunikation, die als Kommunikations­ medien funktionieren. Diese Medien haben in der Form, in der sie ihr selektives Potential in der typographischen Medi­ enkonstellation erfüllten, stets auf nicht(schrift)sprachliche Formen der Kommunikation zurückgegriffen („Zeichen der Liebe“, Machtembleme u.ä.). In der neuen Medienkonstella­ tion könnten schriftsprachliche Formen zu Medien für neue Formbildungen werden, wie sich das schon in der Textver­ wendung in TV-Sendungen andeutet. Vielleicht nimmt die Koppelung in der neuen Medienkonstellation die Form von Hypertexten (Kombinationen von Text, Ton und bewegten Bildern) an.61 Ob die alten Formen in der neuen Konstella­ tion eine ähnliche mediale Funktion erreichen, wie die au­ ßersprachlichen Kontextbezüge in den funktionssy­ stemischen Kommunikationsmedien der typographischen Konstellation kann hier nur spekulativ gefragt werden. Jedenfalls ist davon auszugehen, daß nur funktionssy­ stemspezifische Errungenschaften selektionswirksam wer­ den können - gerade wegen des tendenziell funktionsunspe­ zifischen Charakters der neuen Ne tze.62 59 60 61

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13 Die soziale Seite der funktionssystemischen Medien läßt sich beobachten an vereinfachenden Selbstbeschrei­ bungen der Kommunikation im Hinblick auf das Verhalten der Beteiligten. Die Kommunikation wird primär auf das Handeln und Erleben von Personen zugerechnet und da­ durch für Anschlußkommunikation asymmetrisiert.63 Die Dimension von Handeln und Erleben kommt in der Ver­ knüpfung der Kommunikation zwe imal vor: rekursiv im Hinblick darauf, ob jemand im Hinblick auf Kommunikati­ on überhaupt gehandelt (anderen etwas mitgeteilt) oder nur erlebt (sich als von Handlungen anderer betroffen erfahren) hat, prokursiv im Hinblick darauf, ob ein Beitrag zur Kom­ munikation darauf zielt, zu bestimmtem Handeln zu moti­ vieren oder ein bestimmtes Erleben zu evozieren. Das ein­ fache Schema der Zurechnung auf Erleben oder Handeln genügt nicht mehr jenseits der Ebene interaktiv beteiligter Personen. In den funktionssystemischen Kommunikations­ medien werden die Zurechnungsmuster als feste Ego/AlterKonstellationen auskristallisiert. Die Kommunikation ve r­ schafft sich damit auf der Ebene (durch Schrift, Buchdruck und neue Medien) ve rlängerter kommunikativer Ketten erweiterte Formen der Selbstauslegung als aktions - und rezeptionsfähige Einheit.64 Da jede Kommunikation zu ihrem Fortgang auf eine Selbstbeschreibung angewiesen ist, in der das, was in ihr prozessiert, auf externe Einheiten (Menschen) zurückge­ führt wird, handelt es sich auch hier darum, komplexere Strukturen der Kommunikation in die (ontogenetisch ve r­ traute) Symbolik der Interaktion unter Anwesenden rückzu­ übersetzen. Daß eine solche Übersetzung nicht problemlos (nicht ohne Hilfskonstruktionen, die neue Probleme erzeu­ gen) funktioniert, läßt sich schon in der typographischen Medienkonstellation beobachten. Die Zurechnung auf Per­ sonen wird schwierig durch die Verlängerung der kommu­ nikativen Ketten und die Ausdifferenzierung einer Mesoe­ bene kollektiver Akteurssysteme. Für jeden Akteurstyp müssen besondere Zurechnungsregeln gefunden werden. So z.B. die hierarchische Zurechnung von Verantwortung in Organisationen oder die Autorenschaft bei wissenschaftli­ cher und künstlerischer Kommunikation. Entsprechende Schemata - generalisierte Optionen auf das erwartbare An­ schlußverhalten, die in jeder Mitteilungsselektion enthalten sind - müssen für die digitale Medienkonstellation erst ent­ wickelt werden.65 Inwieweit die multimediale Symbolik der

S.schon Ausf. zu Codierungsproblemen im 2.Abschnitt Betracht gezogen werden, daß ein zufällig bereits entwickelter Mecha­ nismus nicht schon existiert (wie z.B. im Bildungssystem, das sich schwer tut mit der Verarbeitung des Medienwechsels). Die Frage bleibt also, wie in solchen Fällen mit der durch den Medienwechsel erzeugten Varianz umgegangen wird.

Ich knüpfe mit der Beschreibung von Technisierungsprozessen an bei Blumenberg,1963. Vgl. Coy, in: Rammert 1989 - Diese Überlegung würde auch pauschale Thesen rela tivieren wie die, wonach als Folge des Medienumbruchs ein Verschwinden der Literalität zu erwarten sei. Eine genauere Folgenanalyse müßte für jedes Funktionssystem geson­ dert erfolgen. Aus der Nahsicht des vor sich gehenden Mediumbruchs läßt sich noch nicht viel darüber sagen, was für alle oder auch nur die Mehrheit der Funktionssysteme gleicherma ßen Geltung beanspruchen könnte. Einige Funktionssysteme haben ersichtlich nur darauf "gewar­ tet" - während andere sich schwer tun mit der Adaption. Kommunikati­ onsmedien sind in diesem Sinne preadaptive advances. Sie waren es auch schon vor dem Buchdruck und funktionaler Differenzierung als symbolisch generalisierte Konstruktionen. In diesem Sinne gibt es auch jetzt Strukturen der Kommunikation, die auf die technisch erweiterten Möglichkeiten gewissermaßen schon "vorbereitet" waren, um sie selek­ tiv für sich zu nutzen. Ein Beispiel dafür könnte das Buchgeld im Wirt ­ schaftssystem sein, das vor der elektronischen Datenverarbeitung schon da war, aber mit dieser Möglichkeit sofort expandierte und neue Struktu­ ren (internationale Märkte) ausbildete. Da solche Selektionspotentiale evolutionär nicht an den Variationsmechanismus gekoppelt sind (also keineswegs damit automa tisch erzeugt werden) muß auch der Fall in

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Vgl. Luhmann, 1984, 225-236 Die Selbstbeschreibungen sozialer (wie psychischer) Systeme rekurrie­ ren immer auf eine Einheit (ein Selbst) und benötigen dafür eine Unter­ scheidung, die ihrerseits latent, der Beobachtung entzogen sein muß. Hier liegt m.E. der Ansatz für eine unpolemische Verwendung von Iden­ titäts- und Gemeinschaftsbegriffen in der Soziologie - aber auch eine Erklärungsmöglichkeit für die Wiederkehr fundamentalis tischer Ge ­ meinschaftssemantik in der Gegenwart. Als ein Indiz dafür, daß die Kommunikationsmedien in der veränderten Medienkonstellation nur noch unzureichend ihre Funktion erfüllen, funktionsspezifische Kommunikation und Teilnahmemotivation zu ver­ knüpfen, kann der steigende Bedarf an Dienstleistungen gewertet wer­ den, der heute zwischen Organisationen und den von Organisationsent­ scheidungen Betroffenen aufgebracht werden muß: in sachlicher Hin ­ sicht in der Aufklärung über die divergenten System-Umwelt Referenzen von Organisationen und natürlichen Personen, in sozia ler Hinsicht in der Übersetzung der divergenten Bedeutungen von Ego und


K.G.: Kommunikation mit neuen Medien Interaktion sich für diese Zwecke technisch reproduzieren läßt, ist noch kaum abzusehen.66 Jedenfalls ist davon auszu­ gehen, daß auch die Kommunikation mit neuen Medien auf der Alltagsebene nicht ohne die Mehrpersonenprämisse auskommt, die hier für die Zwecke wi ssenschaftlicher Be­ obachtung probeweise aufgegeben wurde.

- LITERATUR Blumenberg, Hans, 1963, Lebenswelt und Technisierung unter Aspekten der Phaenomenologie, edizioni di filosofia, Torino. Blumenberg, Hans, 1983, Die Lesbarkeit der Welt, Frankf.M. Espos ito, Elena, 1993, Der Computer als Medium und Maschine, Zeitschrift für Soziologie, S.338-354 Flusser, Vilém, 1989, Die Schrift: Hat Schreiben Zukunft?, Göt­ tingen Fuchs, Peter, 1991, Kommunikation mit Computern? Zur Korrek­ tur einer Fragestellung, Sociologia in ternationalis, 1991, S. 1­ 30 Fuchs , Peter, 1992, Die Erreichbarkeit der Gesellschaft. Zur Kon­ struktion und Imagination gesellschaftlicher Einheit, Frankf.M Fuchs , Peter, 1993, Moderne Kommunikation. Zur Theorie des operativen Displacements, Frankf. M. Geser, Hans, 1989, Der PC als Interaktionspartner, Zeitschrift für Soziologie, S. 230-243 Giesecke, Michael, 1991, Der Buchdruck in der frühen Neuzeit . Eine historische Fallstudie über die Durchsetzung neuer In­ formations- und Kommunikationstechnologien, Frankf.M. Giesecke, Michael, 1992, Sinneswandel, Sprachwandel, Kultur­ wandel. Studien zur Vorgeschichte der Informationsgesell­ schaft. Frankf.M. Gumbrecht, Hans Ulrich, 1988, Beginn von 'Literatur' / Abschied vom Körper? in: Smolka-Koerdt, Gisela; Spangenberg, Peter M.; Tillmann-Bartylla, Dagmar (Hrsg.) 1988, Der Ursprung von Literatur. Medien, Rollen, Kommunikationssituationen zwischen 1450 und 1650. München, S.15-50 Isfah, George, 1991, Universalgeschichte der Zahlen, Frankf.M. NY Kurzweil, Raymond, 1993, KI. Das Zeitalter der Künstlichen Intelligenz, München, Wien, Leroi-Gourhan, André, 1988, Hand und Wort. Die Evolution von Technik, Sprache und Kunst, Frankf.M. Luhmann, Niklas, 1981, Veränderungen im System gesellschaftli­ cher Kommunikation und die Massenmedien, in: Ders. Sozio­ logische Aufklärung, Bd. 3, S.309-320 Luhmann, Niklas, 1984, Soziale Systeme. Grundriß einer allge­ meinen Theorie, Frankf.M. Luhmann, Niklas, 1986, Systeme verstehen Systeme, in: Luh­ mann/Schorr (Hg.), 1986, Zwischen Intransparenz und Verste­ hen. Fragen an die Pädagogik, S.72-117, Frankf.M Luhmann, Niklas, 1989, Kommunikationsweisen und Gesellschaft, in: Technik und Gesellschaft, Jahrbuch 5: Computer, Medien und Gesellschaft, Frankf.M. / New York Luhmann, Niklas, 1990, Die Wissenschaft der Gesellschaft, Frankf. M. Luhmann, Niklas, 1992, Schranken der Kommunikation als Be­ dingung für Evolution, Typoskript, 16 S. Bielefeld Lyotard, Jean-Francois, 1993, Das postmoderne Wissen. Ein Be­ richt, Hg. P. Enge lmann (Ed. Passagen) Wien (Paris, 1979)

Alter, in zeitlicher Hinsicht in der Synchonisation der divergenten Zeit­ horizonte, in räumlicher Hinsicht in der Reorientierung über die Bedeu­ tung von Nähe und Ferne. 66

In der einschlägigen Science Fiction Literatur wird freilich schon von „virtuellen Gemeinschaften“ in den digitalen Netzen gesprochen. S. Howard Rheingold, Virtuelle Gemeinschaft, Addison Wesley, Bonn, 1994

14 Rammert, Werner und G.Bechmann, 1989, Hg. Technik und Ge­ sellschaft, Jahrbuch 5: Computer, Medien, Gesellschaft, Frankf.M. Rammert, Werner u.a., 1991, Vom Umgang mit Computern im Alltag. Fallstudien zur Kultivierung einer neuen Technik, Op­ laden Searle , John R., 1987, Intentionalität. Eine Abhandlung zur Philo­ sophie des Geistes, Frankf.M. (Cambridge, 1983) Turing, Allen M., 1950, Computing Machinery and Intelligence, Mind, Bd. LIX, Nr. 236


K.G.: Kommunikation mit neuen Medien

- Summary Working with computers as decentralized components of the new media constellation it seems likely, that it is no longer possible to describe contemporary society with a concept of communication, in which the involve ment of at least two persons (acting and ex足 periencing in different pos itions) is insinuated. The author of this contribution proposes to use a concept of communication - follow足 ing the theoretical offer of Niklas Luhmann - in which communi足 cation is understood as operating unit of three selections: in足 formation, notification and understanding. In this perspective social systems reproduce operatively closed in relation to their environment. The presupposed concept of communication is to be reconstructed as a result of media evolution. Up to now sociology has put the problem of communication with the new media - as far as not only importing descriptions from the computer and media sciences - as a diminishing difference between communication and observation and thereby in a loss of social autonomy. Here on the contrary the thesis is presented, that communication in the new media constellation will increase its operative autonomy in relation to human consciousness and life, which is expected to have severe consequences in the structure of differentiation of the society.

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