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Vom natürlichen Behagen in der Kultur Textskizze1 für einen Vortrag im Rahmen des Ringseminars Wissenschaftstheorie und Philosophie der Biologie in der Universität Bonn zum Thema Evolution und Gesellschaft am Mittwoch 25. Juni 17.15-19 Uhr im Gartensaal des Instituts für Zoologie, Poppelsdorfer Schloss

Einleitung Die meisten Menschen, die heute leben, fühlen sich in den kulturellen Formen der modernen Gesellschaft wohler als in jeder anderen Form der Sozialität, die sie kennen. Schon ihre Vorfahren haben sich für das Leben in kulturell erweiterten Sozialformen entschieden, weil sie sich darin wohler gefühlt haben als in anderen sozialen Lebensformen. In diesem Vortrag soll die These vom natürlichen Behagen in der Kultur als evolutionstheoretisch begründete Antithese zur kulturalistischen These vom Unbehagen an der Moderne in 9 Schritten erläutert werden.

Dass die Menschen sich in der Kultur wohlfühlen, ist keine besonders riskante These.2 Wenn ich sie ihnen hier vortrage, besteht das Risiko wohl eher darin, dass Sie von einem Soziologen etwas Anderes (jedenfalls Kritischeres) erwartet haben. Ich werde im Folgenden versuchen, Ihnen darzulegen, warum die These nicht so trivial ist, wie sie zunächst klingen mag. Ich beziehe mich dabei auf die in den Kultur- und Sozialwissenschaften verbreitete These vom Unbehagen an der Moderne und stelle ihr die evolutionstheoretisch begründete These vom natürlichen Behagen in der Kultur gegenüber.3 Die Darwinsche Evolutionstheorie kann als hypothesengenerierende Maschine verwendet werden, die in den Kultur- und Sozialwissenschaften Perspektiven eröffnet, die sich weiter als üblich von gewohnten Betrachtungsweisen entfernen. Die kulturelle Evolution von Menschengesellschaften wird im Folgenden nicht im Gegensatz zur natürlichen Evolution, sondern als deren Fortsetzung mit anderen Mitteln betrachtet. Viele Formen der menschlichen Sozialität, die im sozialwissenschaftlichen Standard-Erklärungsmodell4 als emergente Erscheinungsformen der menschlichen Kultur oder gar als Erfindungen der Moderne dargestellt werden, lassen sich auf natürliche Ursachen zurückführen. Diese Formen, die in evolutionärer Perspektive Mittel der Reproduktion und Ausbreitung menschlicher Populationen sind, stellen sich innerhalb der Kultur allerdings als selbständige Zwecke (reflektiert als Werte) dar. Um die evolutionären Vorteile dieser Verselbständigung zu erklären, werden vier Mechanismen beschrieben: Der Mechanismus der Replikation durch Tradierung, der den take-off der kulturellen Evolution ermöglicht; der Mechanismus der Variation durch Technisierung, der die enorme Ausdehnung menschlicher Sozialsysteme ermöglicht; der Mechanismus der Selektion durch Wettbewerb, der die Binnendifferenzierung menschlicher Sozialsysteme ermöglicht; schließlich der Mechanismus der Restabilisierung durch Identifikation, der die Einbettung der kulturellen Sonderevolution in die natürliche Evolution ermöglicht. Die These vom natürlichen Behagen in der Kultur wird im Folgenden aus der Binnendifferenzierung kultureller Sozialsysteme abgeleitet und an Prozessen der Freisetzung genetisch ererbter Dispositionen auf der Mikroebene des Handelns und Erlebens menschlicher Individuen in der modernen Gesellschaft plausibilisiert. Ich halte es für eine unzulängliche Beschreibung, wenn ein verbreitetes Unbehagen vorrangig für die Moderne konstatiert wird und das Leben in den Strukturen älterer Sozialformen damit – implizit oder explizit – verklärt wird. Die Freiheitsgewinne der modernen Gesellschaft werden darin unterbelichtet bzw. als selbstverständlich

1 Ich bitte alle Leser dieser Version um Nachsicht wg. des exzessiven Gebrauchs von Fussnoten, die in Wirklichkeit eher redaktionelle Hinweise für Möglichkeiten der Ausarbeitung dieses Texts sind. 2 Das heisst natürlich: in ihrer jeweiligen Kultur, ganz besonders aber in der Kultur der Moderne. 3 Erste Anregungen zu dieser These habe ich bei G.Vowinckel, 1993 gefunden. Ausf. dazu in FN 67 (Abschn. 8): 4 Zum „SSSM“ s. Cosmides/Tooby, 1992


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hingenommen, obwohl gerade sie in evolutionärer Perspektive als höchst unwahrscheinliche und gefährdete Errungenschaften betrachtet werden müssen. 1. Probleme der Soziologie mit Evolutionstheorie „Das Beste in uns ist ... sozialen Ursprungs“ (Durkheim) Die Soziologie wollte ihren Beitrag zur Aufklärung ausschließlich auf soziale Tatsachen stützen – und hat doch einen Berg sozialer Tatsachen übersehen, der aus der natürlichen Evolution in die kulturellen Formen der menschlichen Sozialität hineinragt. Andauernde Gründe für dieses Defizit liegen in Problemen, die die Soziologie im Umgang mit der biologischen Evolutionstheorie hat: 1. dem legitimationsideogischen Missbrauch 2. den teleologischen Missverständnissen und 3. einer antinaturalistischen Definition des Sozialen

Als die Soziologie ihren Beitrag zur Aufklärung über Probleme der modernen Gesellschaft (in der Konkurrenz mit anderen kultur- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen) zum ersten Mal formulierte, wollte sie ihn ausschließlich auf soziale Tatsachen stützen. Paradoxer Weise hat sie dabei einen Berg sozialer Tatsachen übersehen: nämlich all jene Formen der Sozialität, die bereits in der natürlichen Evolution entstanden sind und die auch die Menschen der modernen Gesellschaft, als grundlegende Dispositionen ihres Sozialverhaltens in ihren Genen mittragen. Emile Durkheim begründet das emphatische Bekenntnis zum Studium der Soziologie im Hinblick auf die Verwendung pädagogisch angemessener Kulturtechniken: „Wenn man die vagen und ungewissen Neigungen abzieht, die vielleicht vererbt sind, dann bringt das Kind bei seiner Geburt nichts mit außer seiner Natur als Individuum. Die Gesellschaft muß mit jeder neuen Generation sozusagen wieder von vorn anfangen. Sie muß auf dem raschesten Weg dem eben geborenen egoistischen und asozialen Wesen ein anderes Wesen hinzufügen, das imstande ist, ein soziales und moralisches Leben zu führen.“(Durkheim, 1984, 46f) Denn: „Das Beste in uns ist ... sozialen Ursprungs. Man muß eben immer zum Studium der Gesellschaft zurückkehren.“(53)

Die Vorzüge des Durkheimschen Programms liegen zweifellos in der Aufklärung über soziale Bedingungen menschlicher Rationalität, die in der abendländischen Vernunftphilosophie primär als Eigenschaften des menschlichen Bewußtseins betrachtet worden sind. Andererseits hat die Soziologie mit dem exklusiven Bezug auf Soziales zugleich den Umstand vernachlässigt, dass viele soziale Errungenschaften bereits im genetischen Erbe der Menschheit und damit zumindest auch in Strukturen des menschlichen Bewußtseins schon verankert sind. Infolgedessen war sie lange Zeit auch blind gegenüber der Tatsache, dass wesentliche Erscheinungsformen der modernen Gesellschaft wie der Individualismus auf der Freisetzung sehr alter, in der menschlichen Natur verankerter Dispositionen beruhen. Andauernde Gründe für dieses Defizit sind in Problemen zu erkennen, die die Soziologie im Umgang mit der biologischen Evolutionstheorie hat.5 Zwei dieser Gründe will ich hier nur kurz benennen, einen Dritten dann ausführlicher betrachten, weil er direkt mit der eingangs skizzierten These zusammenhängt: 1. Die Belastung durch legitimationsideologischen Missbrauch (Sozialdarwinismus, Rassentheorien) und Unkenntnis des neueren Stands der biologischen Evolutionstheorie (neodarwinistische Synthese) die solche Folgerungen ausschließt. Ich möchte auf diese Probleme, die ja vor allem wegen ihrer politischen Implikationen schon viel diskutiert worden sind, hier nicht weiter eingehen. 6 2. Die Belastung durch Missverständnisse in Bezug auf den nichtteleologischen 5 Es handelt sich hier besonders um Probleme der deutschen Soziologie – in der Angelsächsischen sind Berührungsängste gegenüber der Biologie weniger ausgeprägt. 6 Die in dieser Hinsicht diskutierten Probleme betreffen primär soziologische Theorien sozialer Ungleichheit und auf seiten der Naturwissenschaften eher Ergebnisse der Verhaltensgenetik als die der Evolutions- und Soziobiologie. Im Folgenden interessieren weniger Fragen der genetischen Variation als Fragen des geteilten genetischen Erbes. Allerdings impliziert die im Folgenden skizzierte These der generell erhöhten Freisetzung natürlicher Dispositionen in der modernen Gesellschaft auch eine zunehmende Relevanz genetischer Variation.


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Kern der Darwinschen Theorie und Orientierung an einem Organismus-Modell der Entwicklung soziokultureller Systeme. Ich möchte auch auf diese Probleme, die auf ideengeschichtliche Zusammenhänge mit dem Fortschrittsdenken des 18. und 19. Jahrhunderts verweisen, hier nicht weiter eingehen.7 3. Die Belastung durch ein antinaturalistisches Vorurteil, wonach Alles, was den Menschen und seine Sozialität ausmacht, im Gegensatz zu und in Abgrenzung von den natürlichen Bedingungen des Lebens zu erklären wäre. Ich möchte im Folgenden v.a. auf die hiermit verbundenen Probleme des Zugangs zu evolutionstheoretischen Erklärungen kultureller Phänomene eingehen. Sie sind ja auch nicht nur in der Soziologie sondern generell in den Kultur- und Sozialwissenschaften anzutreffen.8

2. Unbehagen „an der Moderne“ oder „in der Kultur“? Konkurrierende Auffassungen vom Ordnungsproblem der modernen Gesellschaft: Problem durch entfesselten Individualismus und Lösung durch kollektive Bindekräfte (Durkheim) Problem durch organisierten Kollektivismus und Lösung durch Freisetzung individueller Antriebskräfte (A.Smith) Ansätze zu einer Synthese in Freuds Auffassung vom Unbehagen in der Kultur

Das Ausgangsproblem der Analysen Durkheims ist ein Ordnungsproblem, das er durch Differenzierungsprozesse der modernen Gesellschaft und einen damit zusammenhängenden Individualisierungsschub ausgelöst sah.9 Diese Problemsicht war nicht nur für Durkheim und seine Zeitgenossen in der Gründungsphase der Soziologie bestimmend, sondern ist es bis heute im Mainstream der soziologischen Theorietradition (und darüberhinaus) geblieben.10 Diese Sicht kristallisiert in Beschreibungen eines „Unbehagens an der Moderne“11 als Folge der Bedrohung sozialer Ordnung durch einen entfesselten Individualismus. 12 Die Frage, wie soziale Ordnung überhaupt möglich ist, wird als verbindendes methodologisches Grundproblem der modernen Sozialwissenschaften angesehen.13 Paradigmatisch konkurrierende Theorien lassen sich entlang der Frage sortieren, ob sie (wie Durkheim und der Mainstream der soziologischen Theorietradition) die Ordnung der Gesellschaft durch den modernen Individualismus gefährdet ansehen oder ob sie (wie A.Smith und der Mainstream der ökonomischen Theorietradition14) in dieser Entwicklung selbst neue Bindungskräfte schon angelegt sehen. Der 7 Sie wären eher für ein soziologisches Fachpublikum interessant, zumal sich zeigen lässt, dass viele soziologische Erklärungsansätze für Phänomene sozalen Wandels implizit immer noch teleologisch von einem OrganismusModell ausgehen. 8 Besonders anschlussfähig für kulturalistische Auffassungen erscheint die anthropologische Denkfigur des Menschen als Defizitwesen, das zur Kompensation seiner vermeintlichen Verluste an natürlichen Instinkten Kultur und Technik entwickelt. Ausführlicher dazu in Abschnitt 5 9 Für Durkheim schloss das Studium der Gesellschaft zwar auch das Studium primitiver Formen der Gesellschaft ein (Durkheim, 1984b). Jedoch diente ihm dies in erster Linie dem Ziel, grundlegende soziale Bindekräfte zu identifizieren, die er in der modernen Gesellschaft bedroht sah. 10 Auch wenn heute niemand mehr die Hoffnung hegt, diese Probleme mit den Mitteln einer soziologisch aufgeklärten Moralerziehung lösen zu können. 11 So der programmatische Titel eines Buches des amerikanischen Sozialphilosophen Charles Taylor (deutsch 1995) der den sog. Kommunitaristen (Bellah u.a.) zugerechnet wird. Er benennt als Quellen des Unbehagens in der Moderne: 1. den Individualismus, 2. die Technikdominanz („instrumentelle Vernunft“) und folgert daraus 3. Freiheitsverluste durch einen „milden“ (wohlfahrtsstaatlichen) Despotismus. Gravierende Freiheitsverluste lassen sich jedoch auch umgekehrt aus der Reaktion auf Auffassungen ableiten, die tradierte soziale Ordnungsmuster durch den modernen Individualismus bedroht sehen. Hier liegt ja die Quelle fundamentalistischer Bewegungen in der Moderne. – Zur Ideengeschichte des Begriffs Unbehagen Konersmann, HWPh Bd. 11, S. 118119 12 Der programmatische Titel ist von Z. Bauman, 1999 noch einmal aufgenommen und in die sog. Postmoderne verlängert worden. Ausf. zu dieser normativ aufgeladenen Diskussion s. Schelkshorn u.a. 2003 13 Die Bezeichnung eines solchen Grundproblems hat primär Bedeutung für die Selbstbeschreibung des Fachs in Abgrenzung zu Nachbardisziplinen. Es ist jedoch ersichtlich, dass an die Frage, wie das Problem methodologisch angegangen wird, auch diagnostische und prognostische Leistungserwartungen hinsichtlich des Wandels von Ordnungsstrukturen der Gesellschaft sich anschließen. 14 Zu einer evolutionstheoretischen Fundierung i.S. der hier skizzierten Freisetzungsthese s. Schwartz, 2006


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sozialwissenschaftliche Methodenstreit ist insofern immer schon lose verbunden mit einem politischen Werturteilsstreit. S. Freud hat sich der (schon zu seiner Zeit) festgefahrenenen Kontroverse zwischen sozialen Fortschrittsanhängern und Kulturkonservativen dadurch entzogen, dass er die These vom Unbehagen auf alle kulturellen Sozialformen ausdehnte. Für Freud wird „mit dem Wort ‚Kultur’ die ganze Summe der Leistungen und Einrichtungen bezeichnet, in denen sich unser Leben von dem unserer tierischen Ahnen entfernt und die zwei Zwekken dienen: dem Schutz des Menschen gegen die Natur und der Regelung der Beziehungen der Menschen untereinander." (Freud, ... 449)

Mit dieser Ausdehnung erhält die Beschreibung des Unbehagens eine völlig andere Deutung. Nicht die Bedrohung sozialer Ordnung ist jetzt die primäre Quelle des Unbehagens sondern die Unterdrückung der natürlichen Triebkräfte der Individuen. Dass er Letztere durch Verallgemeinerung auf alle Kulturen als unvermeidlich hinstellt, passt noch in eine konservative Beschreibung und zu einer funktionalistischen Methode. Dass er die natürlichen Antriebe der Individuen in den Blickpunkt rückt, passt eher zu liberalen und methodologisch-individualistischen Auffassungen. Freud konstatiert aber, dass individuelle Freiheit in traditionellen Gemeinschaften kein Kulturgut ist: „Sie war am größten vor jeder Kultur, allerdings damals meist ohne Wert, weil das Individuum kaum imstande war, sie zu verteidigen. Durch die Kulturentwicklung erfährt sie Einschränkungen und die Gerechtigkeit fordert, daß keinem diese Einschränkungen erspart werden.“ (455)

In dieser Perspektive können die biologischen Erkenntnisse über die menschliche Natur als Konstanten, die Formen der menschlichen Sozialität hingegen als Variablen in Betracht gezogen und vergleichend daraufhin untersucht werden, welche von ihnen den menschlichen Individuen mehr oder weniger Sicherheit und Freiheit ermöglichten.15 Der in der abendländischen Ideengeschichte dominierende Antagonismus von Natur und Kultur (bzw. Vernunft) kann ersetzt werden durch eine Betrachtung der Kultur als Fortsetzung der natürlichen Evolution mit anderen Mitteln.16 In evolutionstheoretischer Perspektive ist es gleichgültig, ob man das Problem (das Unbehagen verursacht) in der Entfesselung der Individualität oder in der Überregulierung der Gesellschaft sieht: „Ein gut Teil des Ringens der Menschheit staut sich um die eine Aufgabe, einen zweckmäßigen, d. h. beglückenden Ausgleich zwischen diesen individuellen und den kulturellen Massenansprüchen zu finden, es ist eines ihrer Schicksalsprobleme, ob dieser Ausgleich durch eine bestimmte Gestaltung der Kultur erreichbar oder ob der Konflikt unversöhnlich ist.“ (Freud 1948, 455)

15 In gemäßigten Versionen der kulturalistischen Argumentation wird durchaus anerkannt, dass biogenetische Faktoren für die Erklärung menschlichen Verhaltens eine Rolle spielen. Bestritten wird jedoch, dass die Berücksichtigung dieser Faktoren relevant wäre für die Erklärung kultureller Phänomene. Das Standard-Argument lautet: Da es sich bei der natürlichen Ausstattung der Menschen um Konstanten handelt, könnten die verschiedenartigen Formen der Kultur damit nicht erklärt werden. Der Irrtum steckt jedoch schon in der Prämisse einer von den Umweltbedingungen unabhängigen kognitiven Ausstattung der Menschen. Stattdessen lehrt die Evolutionsbiologie, dass die biogenetischen Dispositionen nur in dem Maße zur Entfaltung kommen, wie die natürlichen und sozialen Umweltbedingungen dies zulassen. Die tatsächliche kognitive Ausstattung der Individuen variiert nicht nur mit dieser Umwelt – die Menschen suchen auch aktiv nach Umweltbedingungen, die zu ihren natürlichen Bedürfnissen passen. Dieser Einfluss der natürlichen Dispositionen auf die Gestaltung der kulturellen Umwelt verschwindet jedoch hinter der kulturalistischen Nullhypothese einer konstanten natürlichen Ausstattung. Die Konstanzannahme läuft auf dieselbe Wirkungslosigkeit hinaus wie die heute nicht mehr vertretene Annahme vollständiger Plastizität (tabula rasa). Die Frage, ob und inwieweit bestimmte natürliche Antriebe von der Gesellschaft beschränkt oder freigesetzt werden, wird gar nicht gestellt. Warum bestimmte Formen der Sozialität – in Abhängigkeit von Größe und Leistungskraft für die jeweilige Population - bevorzugt werden und andere nicht, kann so nicht mehr erklärt werden. 16 Auch der in methodologischer Absicht hochgespielte Streit über einen Primat der Individuen oder der Gesellschaft bei der Erklärung sozialer Probleme verliert an Überzeugungskraft, weil es in evolutionstheoretischer Perspektive das Eine nicht ohne das Andere geben kann. - Zu einem Versuch, die Dichotomie von individualistischer und kollektivistischer Methode unter Verzicht auf eine evolutionstheoretische Fundierung aufzulösen s. die Theorie der Strukturierung von A.Giddens. Dieser Verzicht beruht allerdings auf einem teleologischen Missverständnis der Evolutionstheorie.


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3. Organisation und die Beschränkung natürlicher Dispositionen „Der kleine Leviathan“ (Claessens) Evolutionäre Vor- und Nachteile kultureller Sozialsysteme Die Schutzfunktion der sozialen Gruppenbildung Die Verlagerung des Selektionsdrucks nach Innen Die besonderen symbolisch-technischen Mittel der Gruppenbildung beim Menschen

Um die Ordnung menschlicher Gesellschaften zu verstehen, ist es erforderlich, sie als Sonderfall innerhalb der natürlichen Evolution von Sozialitäten - also gewissermaßen von Außen - zu betrachten.17 Die Frage nach den evolutionären Vorteilen kultureller Sozialsysteme lässt sich relativ leicht beantworten, wenn man den globalen Ausbreitungserfolg menschlicher Populationen auf Kosten fast aller anderen Populationen lebender Organismen in Betracht zieht.18 Der Mechanismus, der diesen Erfolg ermöglicht hat, muss bereits in der natürlichen Evolution angelegt sein. Es ist der schon bei vielen höheren Tierarten19 angelegte Mechanismus der sozialen Gruppenbildung20. Jede Form der Gruppenbildung stellt für das einzelne Individuum Bedingungen her, die den Selektionsdruck der natürlichen Umwelt verringern und durch interne Selektionsmechanismen ersetzen. Da die Formen der Gruppenbildung bei den meisten Tierarten bereits in ihren genetischen Programmen verfestigt sind, hat man diese evolutionäre Errungenschaft pauschal der Umweltselektion zugerechnet oder einfach als emergentes Phänomen behandelt.21 Die Verlagerung von Selektionsdruck von Aussen nach Innen tritt in Primaten- und Menschengesellschaften nur deshalb deutlicher zu Tage, weil hier bei der Gruppenbildung die elaborierteren Mittel der Organisation zur Verfügung stehen: mit einem symbolischen Zeichenvorrat, der sich von der 1:1 Beziehung auf wahrnehmbare Ereignisse ablösen kann.22 Die Sprachgemeinschaft kann sich von der Blutsgemeinschaft ablösen.23 Die Nutzung der evolutionären Vorteile des Mechanismus der sozialen Gruppen17 In diesem Sinne Brock, 2006, S.17: „Die Situation der üblichen soziologischen Beobachter ... gleicht der von Zootieren, die nichts anderes kennen als das wohlbehütete Leben hinter Gittern. Dessen Spezifik wird aber erst sichtbar, wenn man auch das risikoreiche Leben in Freiheit kennt. Dann wird die Unterscheidung zwischen Zoo und Freiheit für die Tiere selbst wie auch für mögliche Beobachter wichtig. Genau aus diesem Grund sollte sich die Soziologie für nichtmenschliches Sozialverhalten wie auch für Sozialverhalten jenseits eines gesellschaftlichen Ordnungsrahmens interessieren. Nur wenn man von außen auf die Gesellschaft blickt, können die Gitterstäbe erkennbar werden, die diese spezifisch menschliche Form des Sozialverhaltens von anderen unterscheidet.“ 18 Während die Soziologie sich von aktuellen Globalisierungsdiskursen mit dem Hinweis distanziert, dass die moderne Weltgesellschaft sich schon im 18. Jahrhundert konstituiert habe, erinnert uns die Paläoontologie daran, dass die globale Ausbreitung der Menschheit durch Migration bereits seit 2 Millionen Jahre stattfindet. 19 Mit Bezug auf das verbreitete Unbehagen in der Kultur fragt Freud:„Warum zeigen unsere Verwandten, die Tiere, keinen solchen Kulturkampf? Oh wir wissen es nicht. Sehr wahrscheinlich haben einige unter ihnen, die Bienen, Ameisen, Termiten durch Jahrhunderttausende gerungen, bis sie jene staatlichen Institutionen, jene Verteilung der Funktionen, jene Einschränkung der Individuen gefunden haben, die wir heute bei ihnen bewundern. Kennzeichnend für unseren gegenwärtigen Zustand ist es, dass unsere Empfindungen uns sagen, in keinem dieser Tierstaat und in keiner der dort den Einzelwesen zugeteilten Rollen würden wir uns glücklich schätzen.“ (S. 482) - Zur Soziologie der Wirbeltiere s. auch Earl W. Count (1969). 20 Claessens (1980, S. 60ff) bezeichnet den Primärvorgang (im Anschluss an H. Miller, 1964) als „Insulation“ und betont damit die Grenzziehung nach Aussen. Im Hinblick auf soziologische Anschlüsse bevorzuge ich hier den Begriff der Organisation, der ebenfalls die Grenze zur Umwelt markiert, zugleich aber auch die veränderten Anforderungen an die Individuen, die daran teilnehmen. 21 Letzteres v.a. in der strukturfunktionalistischen Theorietradition. Wenn z.B. Luhmann (1995, S. 128) behauptet: „Kommunikation hat keinen Zweck“, dann dementiert er damit auch jeden Versuch, Formen der menschlichen Sozialität durch ihre evolutionären Vorteile zu erklären. 22 Dunbar (1998, 2003) u.a. haben darauf hingewiesen, dass die Dichte der Sozialität bei den Hominiden selbst zu einem starken Selektionsfaktor wurde, also Individuen begünstigte, die über altruistische Motive und Intelligenz zum Erkennen von Betrug verfügten. – „Am Anfang dieser förderlichen sozialen Netze steht die Paarbindung und am Ende das komplexe Gefüge menschlicher Kulturen, in dem nicht nur tradiertes Verhalten weitergegeben und lose Kooperationen eingegangen werden. Vielmehr steht ein ganzer Bauchladen an Symbolen, kulturellen Erfindungen und Kooperationsmöglichkeiten offen, der nur noch erlernt, genutzt und im Gehirn funktionell angelegt werden will.“ (J.Müller-Jung: Soziale Köpfe im Tierreich, FAZ, 12. 9. 2007) 23 Auch hier kann darauf hingewiesen werden, dass die Anfänge nicht erst mit der für Menschengesellschaften exklusiven Sprachentwicklung sondern bereits in der Kommunikation mit Gesten und vielleicht schon in der Evolution der sogenannten Spiegelneuronen anzusetzen ist.


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bildung für die Reproduktion und Ausbreitung menschlicher Populationen hat jedoch einen Preis, der sich in der Beschränkung des Auslebens natürlicher Triebkräfte der Individuen durch die Gruppe erweist. Der Milderung des Selektionsdrucks der natürlichen Umwelt entspricht eine Steigerung des Selektionsdrucks der kulturellen Binnenumwelt. Ordnung entsteht als Folge der Bestrafung unerwünschten Verhaltens in der Gruppe. In einfachen Formen wird die Internalisierung aggressiver Antriebe in der Form von Dominanz- und Unterordnungsstrukturen (z.B. in der Wahl der Geschlechtspartner und bei der Verteilung der Nahrungsmittel) beobachtet. Komplexere Formen der Sozialität werden durch den Ausbau positiver und negativer Sanktionen unterstützt. Die Organisation der schützenden Gruppe kann deshalb auch als Zwangssystem – als „kleiner Leviathan“- erlebt werden.24 Die kulturelle Evolution hat eine enorme Vielfalt an organisierten Sozialformen hervorgebracht, die in der modernen Welt zunehmend unter dem Gesichtspunkt konkurrieren und beobachtet werden, wieviel Sicherheit einerseits und wieviel Freiheit andererseits sie für die einzelnen Individuen ermöglichen.

4. Tradierung als kultureller Replikationsmechanismus Probleme der Übertragbarkeit der Darwinschen Theorie auf kulturellen Wandel Wie sind (replikationsfähige) kulturelle Elementareinheiten zu bestimmen? Ein Vorschlag zur Beschränkung auf Tradierung im Generationswechsel Die evolutionäre Bedeutung der primären Sozialisation

In der Perspektive einer Gesellschaft, die ihre dominanten Wertorientierungen von Tradition auf Moderne – i.S. ständiger Erneuerung – umgestellt hat, ist es nicht leicht zu verstehen, dass in Formen und Prozessen der Tradierung ein grundlegender Mechanismus zur Wirkung kommt, der auch in der modernen Gesellschaft nicht an Bedeutung verliert. Es genügt jedoch, auf die Geschwindigkeitsvorteile in der Übertragung kultureller Informationen durch symbolvermittelte Kommunikation im Vergleich zu der Übertragung genetischer Informationen durch natürliche Fortpflanzung hinzuweisen, um das erhöhte Tempo der Variation und die damit verbundenen Anpassungsvorteile der kulturellen Evolution plausibel zu machen. Wenn man in diesem Sinne versucht, die Erkenntnismittel der Darwinschen Evolutionstheorie auf die Phänomene der kulturellen Evolution des Menschen anzuwenden, hat man allerdings zunächst das Problem, basale Einheiten zu bestimmen, die ähnlich wie die genetischen Einheiten einer Population sich über die Fortpflanzung der Individuen replizieren und ausbreiten können. Die Frage, ob es solche funktional äquivalenten Einheiten gibt, ist in den Theorien der soziokulturellen Evolution umstritten.25 Sie lässt sich jedoch m.E. klären, wenn man den Mechanismus der Übertragung innerhalb der kulturellen Evolution genauer betrachtet. Manche Autoren halten es für eine Besonderheit der kulturellen Evolution, dass diese Übertragung – in Medien der Kommunikation – nicht nur in vertikaler Linie von Generation zu Generation, sondern auch in horizontaler Linie zwischen den Mitgliedern einer Population stattfindet.26 Diese Definition erscheint mir jedoch nicht zweckmäßig, da man es so mit einer unbeschränkten Menge von Elementen des Wissens-

24 Claessens hat die primordiale Gruppe in Anspielung an Hobbes als „kleinen Leviathan“ bezeichnet. (1993, S. 88) Diese Assoziation ist auch deshalb instruktiv, weil bei Hobbes (wie auch später bei Freud) die besondere Bedeutung der aggressiven Antriebe (homo hominem lupus) bei der kulturellen Beschränkung natürlicher Dispositionen hervorgehoben werden. 25 S. Dawkins, Blackmore, Dennett auf der einen Seite, auf der anderen Sperber, Richerson/Boyd u.a. - zusammenfassend Stichweh, 1999 26 Während die Einen damit das beschleunigte Tempo der kulturellen Evolution erklären, ziehen Andere daraus den Schluss, dass eine Übertragung der Darwinschen Theorie auf die kulturelle Evolution in einem strengeren Sinne nicht möglich sei.


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vorrats einer Population zu tun hat.27 Wenn man den Mechanismus der Replikation auf die vertikale Linie beschränkt, hat man es nur noch mit besonderen Elementen zu tun, die durch ihre erfolgreiche Übertragung im Generationswechsel eine der Funktion von genetischen Einheiten vergleichbare operative Geschlossenheit (einen Latenzschutz als selbstverständliches Hintergrundwissen) aufweisen.28 Zu näheren Bestimmung ist zunächst zwischen primären und sekundären Sozialisationsprozessen zu unterscheiden. (Auf die Bedeutung der sekundären Prozesse und die damit verbundene Ausdehnung von Kindheit und Jugend in Menschengesellschaften gehe ich im folgenden Abschnitt ein.) Die evolutionäre Bedeutung der primären Sozialisation liegt darin, dass sie zu einem Zeitpunkt der kognitiven Entwicklung stattfindet, in dem die Fähigkeit noch nicht entwickelt ist, das Gelernte reflexiv zu verarbeiten: Zeichen stehen wie selbstverständlich für die Dinge. Damit entsteht eine Ebene der fraglos hingenommenen Gegebenheiten, die zwar in späteren Lernprozessen in Frage gestellt, jedoch nicht mehr durch vergleichbar stabile Hintergrundüberzeugungen ersetzt werden kann. Als basale Replikationseinheiten der menschlichen Kultur können daher insbesondere solche Sinngebilde gelten, die den kognitiven Engpass der Primärsozialisation passiert haben und anschließend nicht mehr grundlegend in Frage gestellt werden. Wenn man die basalen Einheiten kultureller Evolution in der skizzierten Weise bestimmt, wird auch erkennbar, in welcher Weise hier Umweltselektion zum Zuge kommen kann. Da alle Prozesse im Medium des kulturell tradierten Wissens verlaufen, kann es sich nur darum handeln, ob und inwieweit innerhalb der Population auftauchende Variationen des Wissens zu den latenzgeschützten Ordnungen des Wissens passen. Da es sich jedoch bei dieser Passung um eine Sonderevolution kultureller Systeme handelt, muss über die innerkulturelle Selektion hinaus auch die Frage behandelt werden, wie und wodurch diese Systeme sich unter den Bedingungen der natürlichen Evolution stabilisieren („wiedereinbetten“) können. Hierauf komme ich abschließend zurück unter Bezug auf die besondere Stellung der menschlichen Individuen zwischen natürlicher und kultureller Evolution. Zuvor sind jedoch (in der hier gebotenen Kürze) die primären Wirkungsmechanismen innerhalb der Kultur zu umreißen: 1. wie Variation in dem Pool der operativ geschlossenen Elementareinheiten und 2. wie Selektion in kulturellen Umwelten zustande kommt.

5. Technisierung als kultureller Variationsmechanismus „Der Mensch ist ... eine Art Prothesengott geworden“ Freud Die Quellen des Variationspotentials bei den menschlichen Individuen Steigerung durch Technisierung von Handlungs- und Erlebenskomponenten der Kommunikation - nach Aussen durch Werkzeuggebrauch - nach Innen durch Organisation - nach Innen und Außen durch Kommunikationsmittel Die adaptative Bedeutung der sekundären Sozialisation im Generationswechsel Warum Technisierung zwar beabsichtigt, aber doch ein Zufallsgenerator ist

In Abgrenzung von den im kulturalistischen mainstream der Soziologie verwende-

27 Diesen Mangel weist m.E. auch die vielbeachtete Mem-Theorie von Dawkins auf. Dem Konzept kann einerseits vorgehalten werden, dass Meme in der von Dawkins beschriebenen Form nicht die operative Geschlossenheit aufweisen, die für die basalen Einheiten in der biologischen Theorie bestimmend ist, und zum anderen, dass es als Analogiekonstruktion keine zureichenden Aussagen über die Einbettung der kulturellen in die natürliche Evolution enthält. 28 In der Diskussion über verschiedene Bestandteile des kulturellen Wissensvorrats schlagen Cosmides/Tooby (1992, S.114ff ) vor, zu unterscheiden zwischen metaculture, evoked culture, epidemiological culture. Das hier skizzierte Konzept basaler Replikationseinheiten würde sich weitgehend auf Phänomene der metaculture beschränken.


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ten Plastizitätsannahmen29 kann die kulturelle Evolution von Menschengesellschaften als eine Variante innerhalb der natürlichen Evolution sozial lebender Organismen beschrieben werden, die gerade durch die besonderen natürlichen Fähigkeiten menschlicher Individuen zur sozialen Gruppenbildung ermöglicht werden, die u.a. in den Gedächtnisleistungen des Neocortex und den Symbolisierungsleistungen der Sprechorgane verankert sind. Da sich Veränderungen hier ungleich rascher und dramatischer vollziehen als in der natürlichen Evolution, ist zu fragen, wie Variation innerhalb der kulturellen Sonderevolution überhaupt zustandekommt. Mit dem sozialwissenschaftlichen Standardmodell der Erklärung durch kulturelle Sozialisation („Tu es, wie es deine Eltern getan haben“) lässt sich das Ausmaß der Variation kaum erklären.30 Stattdessen ist davon auszugehen, dass der Mechanismus bereits an natürlichen Voraussetzungen menschlicher Individuen - ihrer Wissbegierde, ihrem Drang nach Erfolg in der Konkurrenz etc. – anknüpft und sie dazu befähigt (und motiviert), die in den basalen Replikationseinheiten symbolisch verankerten Strukturen sozialer Gruppenbildung zu variieren. 31 Wenn man die verdichtete Kommunikationsgemeinschaft von Hominidengruppen als Ausgangspunkt nimmt, dann lässt sich die Genese des kulturellen Variationsmechanismus als Aufspaltung (primordial latenzgeschützter) Kommunikationsformen in Erlebens- und Handlungsanteile rekonstruieren32: Situationen, in denen die in den basalen Replikationseinheiten vorprogrammierten Handlungsmöglichkeiten verstellt sind und die Individuen zur situativen Reflexion ihrer Möglichkeiten gezwungen werden.33 Reflexion und die einseitige Steigerung des Erlebens ist die eine Seite dieses Spaltvorgangs, die von Reflexion entlastete (weil vorab geplante) Verknüpfung von Handlungen die andere Seite.34 Der gesamte Vorgang kann als intentionale Rückwirkung der Individuen auf ihre ökologische Nische i.S. einer technischen Intervention beschrieben werden. Dabei sind drei Wirkungsarten zu unterscheiden: 1. Technisierung nach Aussen: durch Werkzeuge, die den Wirkungsbereich von Handlungen in die natürliche Umwelt hinein erweitern.35 2. Technisierung nach Innen: durch Organisation i.S. von eng (z.B. hierarchisch) gekoppelten Handlungsverknüpfungen.36 3. Technisierung der Kommunikation durch besondere Werkzeuge, die zugleich nach Innen und Außen wirken: nach Innen i.S. der Verdichtung der kommunikativen Netze und nach Außen i.S. der räumlichen und zeitlichen Ausdehnung der Reichweite der Kommunikation und damit der Grenzen der Sozialsysteme.37 Steigerung der Variationen innerhalb kultureller Sozialsysteme bedeutet zugleich 29 Ein beliebtes Fundament für die tabula rasa Vorstellungen der kulturalistischen Theorietradition bildete die Instinktreduktionsthese der philosophischen Anthropologe von A.Gehlen. Vgl. dazu schon die Kritik bei Plessner (1985, S. XIV-XVIII) und Elias, s. neuerlich dazu Promp, 1990, S. 15. Gehlens Defizithypothese ist von der neueren Evolutionsbiologie widerlegt durch den Nachweis der vielen Sonderbegabungen, die homo sapiens aus dem Erbe der Steinzeitgesellschaften mit sich trägt: das große Gehirn, der aufrechte Gang, die Sprechwerkzeuge, die enorme sexuelle Aktivität etc. Weitergehende Argumente gegen die pauschale Auffassung von der Plastizität der menschlichen Natur liefern die Evolutionspsychologen Tooby und Cosmides (Barkow, 1992) mit Bezug auf die adaptativen Vorteile domainspezifischer Bausteine in der Evolution des menschlichen Gehirns. 30 Parsons hat deshalb das Zustandekommen von Variation aus mißlingenden Sozialisationsprozesse zu erklären versucht. 31 Hier evtl. nochmal das Popper-Zitat (1974: 124): wonach „der menschliche Faktor das letztlich Ungewisse und unberechenbare Element im gesellschaftlichen Leben und in allen sozialen Institutionen ist. In ihm haben wir wirklich das Element vor uns, das letztlich von den Institutionen nicht vollkommen beherrscht werden kann.“ Allerdings hat Popper dies nicht zur Erklärung des Variationsmechanismus in der kulturellen Evolution angeführt, sondern als Argument dafür, dass es nicht ausreiche, soziologische Überlegungen auf eine Psychologie der menschlichen Natur zu stützen. 32 Hier im Sinne der Unterscheidung von Selbst- und Fremdreferenz der Kommunikation bei Luhmann… 33 Vgl. Blumenbergs anthropologische Rekonstruktion der Genese von Reflexion (2006, Kap. VII) 34 Technisierung des Handelns ist (nicht nur als Entlastung von Reflexion sondern) auch als Entlastung von Kommunikation zu verstehen. Im Blick auf normative Theorien des verständigungsorientierten Handelns ist zu bemerken, dass der evolutionäre Vorteil sich auch in der Einsparung von Kosten der Verständigung zeigt. 35 Für eine Beschreibung der konstitutiven Bedeutung dieser Art von Technisierung für menschliche Sozialität: s. Popitz, 1995 – noch grundlegender neuerdings Latour. 36 So der schon im vorigen Abschnitt skizzierte Primärvorgang. Hier evtl. noch ein verweisender Kommentar, der es rechtfertigt, Organisation als Technisierung zu betrachten. 37 S. u.a. Lübbe zur globalen Netzverdichtung, Castell zur Diagnose der Netzwerkgesellschaft, Gieseckes instruktiven Vergleich der Umbruchsituation heute mit der des Buchdrucks – Ong, Goody etc.


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die Steigerung der Anpassungsmöglichkeiten für sich ändernde Umweltbedingungen. Aufwändige Techniken des Auswendiglernens, strenge Neugierverbote u.a. zeugen jedoch davon, dass einfache Gesellschaften zunächst viel Energie darauf verwendet haben, sicherzustellen, dass der grundlegende Mechanismus der Kultur die Tradierung kultureller Errungenschaften - möglichst fehlerfrei gelingt. Erst auf der Grundlage von Schrift und anderen technisch erweiterten Kommunikationsmitteln war es möglich, mehr Freiheiten der Abweichung zu tolerieren, weil das Traditionswürdige schon gesichert erschien. Kopiertreue und Abweichung konnten nun gleichzeitig gesteigert werden. An dieser Stelle ist zu erkennen, worin die evolutionäre Funktion der sekundären (im Vergleich zu allen Tiergesellschaften enorm verlängerten) Sozialisationsprozesse beim Menschen besteht: 1. in der Überwindung der Differenz zwischen biogenetischer Ausstattung und den Anforderungen komplexerer Formen der Sozialität – erstens durch Techniken der Nachahmung (im Medium der symbolischen Kommunikation) und zweitens in der Erzeugung von Variationspotential für die Anpassung an veränderte Umweltbedingungen. Letzteres wird zum Bestandteil des Tradierungsvorgangs in breitem Umfang erst in der modernen Gesellschaft - als Variation im Medium schulisch organisierter Bildungsprozesse.38 Dass gravierende Veränderungen menschlicher Sozialsysteme durch den Gebrauch neuer Kommunikationstechniken ausgelöst werden können, erscheint in Zeiten des Internet fast schon trivial.39 In evolutionstheoretischer Perspektive ist es allerdings notwendig zu begründen, warum gerade in Prozessen der Technisierung der zentrale Variationsmechanismus zu erkennen ist. Im Vergleich mit den Zufallsprozessen, die im Genpool natürlicher Populationen zur Variation beitragen, erscheinen Prozesse der Technisierung auf den ersten Blick zu sehr durch Absichten und Pläne bestimmt.40 In evolutionstheoretischer Perspektive ist es jedoch entscheidend zu sehen, dass es hier nicht auf die Intentionen sondern auf die Wirkungen ankommt, die in der Regel nicht voraussehbar sind.41 Der springende Punkt ist der Variationsdruck, der von technischen Innovationen auf die latenten Erwartungsstrukturen der Gesellschaft, ihren Institutionenpool, ausgeübt wird. Die Wirkungen werden gewöhnlich erst in Folge kultureller Umweltselektionen sichtbar. Daher nun ein kurzer Blick auf die Mechanismen der Selektion, ihre Wirkung auf die Binnenstrukturen menschlicher Gesellschaften und die Entfaltungsspielräume der Individuen darin.

6. Wettbewerb als kultureller Selektionsmechanismus Die Fortsetzung des Musters der Gruppenbildung nach Innen: Binnendifferenzierung der Sozialsysteme als kulturelle Konkurrenzbeschränkung Historische Formen der Differenzierung (segmentär, stratifikatorisch-zentralisiert, funktional) Zur Komplementarität von Differenzierung und Individualisierung in der Moderne - Differenzierung auf der Ebene materiell verselbständigter Handlungsketten (Organisationen) - Differenzierung auf der Ebene symbolisch verselbständigter Erlebensformen (Öffentlichkeiten)

Wettbewerb als Selektionsmechanismus zu bezeichnen, erscheint auf den ersten Blick trivial. Die scheinbar problemlose Übereinstimmung mit Alltagsperspektiven

38 An dieser Stelle wäre ausführlicher auf die evolutionäre Funktion und Vielfalt von Lernvorgängen einzugehen, die in der kulturalistischen Tradition pauschal als Erklärungansatz dienen, in evolutionstheoretischer Perspektive aber ihrerseits erklärungsbedürftig sind – vgl. Cosmides/Tooby, 1992, S.123f. 39 Das vollständige Zitat (Freud 1984, 451): „Der Mensch ist sozusagen eine Art Prothesengott geworden, recht großartig, wenn er alle seine Hilfsorgane anlegt, aber sie sind nicht mit ihm verwachsen und machen ihm gelegentlich noch viel zu schaffen.“ 40 Auch die Intentionalität technischer Entwicklungen ist ein Grund, warum manche Autoren (wie zB. S.J. Gould) die Übertragbarkeit der Darwinschen Prämissen auf kulturelle Evolution verneinen. 41 S. nur die Unzahl von Fehlurteilen von Beobachtern technischer Erfindungen (einschl. der Erfinder selbst) über deren Wirkungen. Zur Evolution der Technik Basalla, 1988, Popitz, 1995.


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verliert sich jedoch, wenn man diese Bezeichnung nicht nur auf Phänomene der modernen Gesellschaft sondern auf alle Formen der menschlichen Sozialität zurückbezieht. Auch in dieser evolutiontheoretisch erweiterten Perspektive geht es nicht um einen Naturzustand der Konkurrenz lebender Individuen42 sondern immer schon um Formen der Konkurrenz, die normativ eingebunden sind in die jeweiligen historischen Formen der Organisation des Sozialsystems.43 In diesen Formen setzt sich eine Fortsetzung des Musters der sozialen Gruppenbildung nach Innen durch. So wie der Selektionsdruck der äußeren Natur gemildert wird durch Gruppenbildung, wird der Selektionsdruck innerhalb der Gruppe (bzw. Population) gemildert durch Binnendifferenzierung.44 Für die bereits im basalen Replikationsmechanismus angelegte Ausbreitungstendenz soziokultureller Einheiten gibt es (bei stark typisierter Beschreibung) nur drei (oder vier) tragfähige Formen, die nicht nur in historischer Abfolge sondern auch als gleichzeitig existierende Formen zu betrachten sind: a. Teilung der Population und Wanderung mit mehr oder weniger gleichbleibenden Strukturen des Sozialsystems. b. Differenzierung des Sozialsystems der Population durch soziale Schichtung mit schichtspezifischen Lebenswelten und / oder räumliche Differenzierungen i.S. von Zentrum/Peripherie-Differenzen. c. Differenzierung des Sozialsystems auf der Ebene von Organisation, Wettbewerb und Öffentlichkeit mit einer demgegenüber als Privatsphäre der Individuen ausgegrenzten Lebenswelt. Bereits in einfachen Stammesgesellschaften ist die Konkurrenz der Individuen stark eingeschränkt. Der Preis dafür liegt in der Etablierung von Dominanz- und Unterordnungsstrukturen.45 In stratifikatorisch differenzierten Gesellschaften konkurriert nicht Jeder mit Jedem sondern nur innerhalb der jeweiligen Schicht bzw. Herkunftsgruppe. In der modernen Gesellschaft werden diese Formen der Konkurrenzbeschränkung delegitimiert. Mikro- und Makroebene der Konkurrenz werden stärker auseinandergezogen. Auf der Makroebene der Organisationen entsteht eine (tendenziell) globale Ausdehnung der Konkurrenz im Rahmen funktionsspezifisch ausdifferenzierter Märkte. Auf der Mikroebene treten anstelle der traditionellen Konkurrenzbeschränkungen Bildungsdiplome46, die sich auf die funktionsspezifischen Leistungsprofile konkurrierender Organisationseinheiten beziehen. Um die Binnendifferenzierung menschlicher Sozialformen als Resultat evolutionärer Selektionen zu erklären, genügt es allerdings nicht, die Effekte auf der Ebene des Wettbewerbs der Akteure zu beobachten. Es ist in dieser Hinsicht zweckmäßig, zwei Mechanismen zu unterscheiden, die komplementär – aber zunehmend kausal voneinander unabhängig - zusammenwirken:47 1. Differenzierung als Effekt der Verselbständigung von Handlungsketten i.S der Erzeugung einer Makroebene der Organisationen, die sich von den (in der Handlungsreichweite beschränkten) Lebensformen auf der Mikroebene absetzt und 42 Auf den ersten Blick könnte man das Staats- und Gesellschaftsmodell von Hobbes in die kulturalistische Tradition einreihen, da es mit einer scharfen Dichotomie zwischen Natur- und Kulturzustand arbeitet. Diese Gegenüberstellung ist zeitbedingt. Was bei Hobbes noch fehlt und durch eine mythologisierende Beschreibung des Naturzustands ersetzt wird, ist eine Reflexion darüber, dass es die Ausdehnung der Gesellschaft selbst ist, die die Probleme schafft, auf die mit dem Staat als Schutzmacht reagiert wird. Die Betonung der zivilisierenden Wirkung des Staates passt jedoch durchaus schon zu der hier formulierten Kulturbehagensthese. 43 Bei allen Formen des Wettbewerbs geht es um die Entdeckung erfolgreicher Techniken der Organisation des jeweiligen Sozialsystems in seiner ökologischen Nische – s. v.Hayek. 44 Soziale Differenzierung ist eines der meistbehandelten Themen der sozialwissenschaftlichen Theorietradition, das viele – und z.T. verdrängte – Bezüge zur biologischen Evolutionstheorie aufweist. Darauf kann hier nicht eingegangen werden. S. nur G.H. Spencer und sein Einfluss auf die Formulierung der Darwinschen Theorie. 45 S. schon den Hinweis oben auf Rangbildung bei der Wahl der Geschlechtspartner und der Nahrungsaufnahme bereits in Tiergesellschaften. 46 Dh. die Konkurrenz verlagert sich hier erneut nach Innen: Sie wird gemildert durch die besonderen Anforderungen des Bildungssystems. 47 Evtl. Hinweis, dass diese Unterscheidung in Theorien sozialer Differenzierung häufig fehlt. Ohnehin wird die Binnendifferenzierung sozialer Systeme gewöhnlich nicht erklärt, sondern deskriptiv eingeführt (in älteren Versionen als Organismus-Analogie).


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2. Differenzierung als Effekt der Verselbständigung von Erlebensformen i.S. der Erzeugung einer symbolisch generalisierten Metaebene (in mediengestützten Formen der Öffentlichkeit), die auf die Motivlagen der Individuen auf der Mikroebene zurückwirkt. Letzteres wird relevant für die Beschreibung eines zweiten Selektionsmechanismus, des Mechanismus der sozialen Gruppen-Identifikation, der der Restabilisierung der kulturellen Strukturen in ihrer natürlichen Umwelt dient.

7. Identifikation als kultureller Restabilisationsmechanismus Die restabilisierende Selektionsfunktion der organisch beschränkten kognitiven Ausstattung der Individuen in ihrer Sonderstellung zwischen natürlicher und kultureller Evolution Die kulturelle Ausdehnung des Mechanismus der Identifikation von der primordialen Verwandtschaftsgruppe zu abstrakten Ordnungsprinzipien in Medien der Öffentlichkeit

In der kulturellen Evolution menschlicher Populationen sind mindestens zwei verschiedene Mechanismen der Selektion zu beobachten: Zum Einen der in der kulturellen Binnenumwelt verankerte Mechanismus des Wettbewerbs (der geregelten Konkurrenz), zum Anderen aber auch ein in der natürlichen Umwelt verankerter Mechanismus der Identifikation mit der jeweiligen sozialen Einheit, dessen Funktion in der Restabilisierung der kulturellen Ordnung durch Wiedereinbettung in ihre natürlichen Voraussetzungen besteht.48 Die relevanten Voraussetzungen für die Funktionsweise eines Mechanismus der Restabilisation sind in der spezifischen Stellung menschlicher Individuen zwischen natürlicher und kultureller Evolution zu erkennen. Im Unterschied zu den institutionellen Elementareinheiten der Kultur, auf die Variations- und Selektionsmechanismen der kulturellen Evolution einwirken, gehören die menschlichen Individuen der natürlichen und der kulturellen Welt gleichermaßen an. Menschen sind es demnach auch, die den Mechanismus der restabilisierenden Selektion aufgrund ihrer natürlich beschränkten organischen Ausstattung vollziehen.49 Der Mechanismus der Identifikation ist bereits in dem genetischen Erbe der Steinzeitgesellschaften verankert, aufgrund der Plastizität der kognitiven Anlagen jedoch prinzipiell auch auf komplexere Sozialformen erweiterbar. Im Hinblick auf Grenzen der Erweiterbarkeit ist allerdings zu bedenken, dass der evolutionär zugrundeliegende Mechanismus immer zwei Seiten markiert: die Identifikation mit den anderen Mitgliedern der eigenen Population und die Abgrenzung gegenüber Anderen. Die nach der Freudschen Diagnose immer nur beschränkt zivilisierbaren Aggressionstriebe, die nach Innen in der Konkurrenz um Rangordnungsplätze fortwirken, wirken nach Aussen fort in der Diskriminierung der Anderen als Fremde, Feinde oder Nichtmenschen. Die Soziologen Richerson und Boyd gehen davon aus, dass sich der primordiale Mechanismus der Gruppenidentifikation bereits im Pleistozän von der genetisch verankerten Bindung abgelöst und auf ethno-linguale Großgruppen ausgedehnt hat. Damit wäre nicht nur die enorme Ausdehnungsfähigkeit kultureller Sozialsysteme zu erklären, sondern auch deren andauerndes Konfliktpotential mit Bezug auf die Konkurrenz von Identifikationsmustern aus verschiedenen Epochen der kulturellen Evolution.50 In scharfem Kontrast zu den kognitiven Spezialisierungsanforderungen, die durch den Mechanismus des Wettbewerbs ausgelöst werden, ist hinsichtlich der restabilisierenden Identifikation ein gegenläufiger Prozess zu beobachten: eine Entgren48 Die Bezeichnung eines evolutionären Mechanismus der Restabilisierung findet sich auch in der Kulturevolutionstheorie von Luhmann (1997, Kap. 3) Sie wird dort aber anders als hier nicht auf die Einbettung der Kultur in ihre natürlichen Voraussetzungen sondern auf die Binnendifferenzierung des Sozialsystems bezogen. 49 Hierzu evtl. Beispiele für das Fehlschlagen von Identifikationsprozessen durch Überdehnung. 50 S. Richerson/Boyd, Ultrasociality; Dies.: Not by Genes Alone ....


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zung gegenüber den ursprünglich partikularistischen Orientierungsangeboten der Verwandtschaftsgruppe zugunsten immer größerer (und symbolisch abstrahierter) Einheiten. Den beiden Mechanismen der Selektion, die in der kulturellen Evolution zur Wirkung kommen, liegen gleichzeitig (komplementär) wirkende – hinsichtlich der kognitiven Anforderungen jedoch in entgegengesetzter Richtung wirkende - Tendenzen der Kultur zugrunde: Der Eine folgt einem Trend zur Spezialisierung i.S. der fortschreitenden Differenzierung der Binnenumwelt, der Andere einem Trend zur Generalisierung i.S. der raum-zeitlichen Ausdehnung der Grenzen des kulturellen Binnenraums. Der Mechanismus der Identifikation vollzieht sich in der modernen Gesellschaft überwiegend in den medientechnisch erweiterten Formen der Öffentlichkeit. Deren Funktionsweise setzt in erweitertem Maße generalisierte kognitive Fähigkeiten auf Seiten des Publikums voraus.51 Es ist noch keineswegs zureichend erforscht, wie eine solche Erweiterung der kognitiven Anforderungen möglich ist und wo ihre Schranken liegen.52 Wichtige Hinweise müssten sich m.E. aus der Beobachtung ergeben, dass in der Kultur eine Transformation von Mitteln in Zwecke stattfindet. „Proximate“ Faktoren wie Liebe, Freundschaft, wechselseitige Anerkennung etc. die den „ultimaten“ Zielen der Fortpflanzung und Ausbreitung der Population dienen,53 verselbständigen sich zu Eigenwerten, auf die sich der Mechanismus der Identifikation in symbolisch generalisierter Weise beziehen kann.54

Die (tendenziell globale) Ausdehnung des Wettbewerbs in der Moderne ist eine Quelle der Innovation für die sozialen Systeme. Sie ist aber zugleich auch eine Quelle der Bedrohung der sozialen Sicherheit und des Selbstwertgefühls der Individuen. Soweit nun der Wettbewerbsdruck eingeschränkt wird durch funktionsspezifische Leistungsrollen, erzeugt ebendiese Beschränkung ihrerseits gesteigerte Anforderungen an das Selbstverständnis der Individuen. In der modernen Gesellschaft wird die Identifikation mit der sozialen Einheit erschwert durch eine funktionale Binnendifferenzierung, die eine Vollinklusion der Individuen in bestimmte Teilsysteme ausschließt und stattdessen reflexive Formen der Identifikation mit sich selbst - als Manager ihrer konkurrierenden Funktions- und Publikumsrollen erzwingt.55

8. Individualisierung und die Freisetzung natürlicher Dispositionen

51 S. die Hinweise in 5. auf die adaptativen Funktionen sekundärer Sozialisation 52 S. die diesbez. Untersuchungen der evolutionären Psychologie und ihre Anwendung in der pädagogischen Organisation von Bildungsprozessen – Treml u.a. 53 Im Sinne der Unterscheidung von Tinbergen, die Cosmides und Tooby in die evolutionäre Psychologie übernommen haben: “In evolutionary biology, explanations that appeal to the structure of a device are sometimes called "proximate" explanations. When applied to psychology, these would include explanations that focus on genetic, biochemical, physiological, developmental, cognitive, social, and all other immediate causes of behavior. Explanations that appeal to the adaptive function of a device are sometimes called "distal" or "ultimate" explanations, because they refer to causes that operated over evolutionary time.” (ep-primer, 1998) 54 Eine erste Formulierung des kulturellen Vorgangs der Verwandlung von Mitteln in Selbstzwecke findet sich in Georg Simmels Fragment über die Liebe (S.26, 1923) „ ... All jenen transvitalen Reichen ist es gewissermaßen Siegel und Königswort, dass sie von der ganzen ZweckMittel-Verknüpfung frei bleiben. Wie Schopenhauers Ausdruck, dass die Kunst »überall am Ziele ist« nichts andres besagt, so gilt dies auch für die Liebe. Mag sie auch etwas wünschen oder begehren, sie fängt dies, solange sie rein in sich ist, nie in die Technik von Zweck und Mittel ein, der alle nur sich selbst nachgehende Sinnlichkeit verhaftet bleibt. Dagegen scheint es durchaus - und die physiologischen Dokumente sprechen dafür -, dass die Sinnlichkeit wie alle andern, ursprünglich dem bloßen Leben verwurzelten Elemente, über die Schwelle der echten Liebe mit hinübergenommen werde; oder, von der zuvor berührten Seite her gesehen, dass in der Breite der einheitlichen erotischen Strömung auch diese Ader mitfließe, von den andern nur nachträglich durch die vereinzelnde Begrifflichkeit aber nicht in der Lebenswirklichkeit selbst gesondert. ... Was sie aber freilich gänzlich von sich ablehnt, ist das Gattungsinteresse an der Fortpflanzung. Wie der liebende Mensch als liebender sich von aller eigentlichen Zweckbeziehung gelöst hat, von der hedonistischen und egoistischen, ja wie auch die moralische und altruistische sich nur an seinen Zustand heften kann, der schlechthin ein seiender, kein handelnder ist - so ist ihm auch die gattungsmäßige Zweckbeziehung fremd. Er ist kein Durchgangspunkt, sondern ein Endpunkt, oder richtiger, sein Sein und Sich-Fühlen steht überhaupt jenseits von Weg und Endpunkt, von Mittel-Sein und Zum-Mittel-Machen, wie der religiöse Glaubensgehalt und das Kunstwerk; nur dass bei diesen die Geformtheit zum Dauergebilde den Abstand von der Lebensteleologie deutlicher macht als er es für die Liebe ist.“ 55 Evtl. Hinweis auf Luhmann, Individualisierung ... Evtl. Hinweis auf Auflösung der Paradoxie der Identifikation mit dem eigenen Selbst durch Kopiervorgänge: Formen der Identifikation mit prominenten Individuen als Spiegelform des eigenen Selbst – auch dies eine riskante Spätform des Restabilisierungsmechanismus.


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Die kulturalistische Fehldeutung von Individualisierungsphänomenen: Romantische Liebe, Kindheit, lebenslanges Lernen etc. als „Erfindungen“ der modernen Gesellschaft Ihre Erklärung als „Entdeckung“ in Folge der Differenzierung der Handlungsebenen und der Freisetzung natürlicher Dispositionen auf der Mikroebene

Im kulturalistischen mainstream der Soziologie wird Individualisierung als eine Erfindung der modernen Gesellschaft betrachtet, ein Nebenprodukt der für diese Gesellschaftsformation typischen Formen sozialer Differenzierung.56 In kaum einem anderen Punkt weicht die kulturalistische Auffassung so sehr von einer evolutionstheoretisch fundierten Auffassung ab.57 In der Darwinschen Theorie ist der Bezug auf Individuen ein wesentlicher Bestandteil der Erklärung evolutionärer Veränderungen.58 Individualität wird selbst als eine wesentliche Errungenschaft der natürlichen Evolution betrachtet, die (ähnlich wie die Zweigeschlechtlichkeit) durch ihre Vorteile für die Fortpflanzung der Populationen zu erklären ist. 59 Gegen die Vorstellung, dass Individualität eine Erfindung der Moderne sei, spricht aber schon der leicht zu beobachtende Aufwand, der in traditionellen und einfachen Gesellschaften getrieben wird, um abweichendes Verhalten unter Kontrolle zu halten. Auch von Sozialwissenschaftlern, die für eine Verankerung menschlicher Sozialformen in der natürlichen Evolution aufgeschlossen sind, wird die Annahme eines abstrakt-allgemeinen Grundmusters menschlichen Sozialverhaltens methodologisch bevorzugt. Im Zusammenhang mit der Erklärung von Handlungsentscheidung nach dem Prinzip der Nutzenmaximierung wird das Spektrum menschlichen Lernens auf die Formel vom „Imitieren der Erfolgreichen“ (Esser, 1993, 223) reduziert und die Dynamik der Variation einseitig der Kultur zugerechnet. 60 Dagegen zeigt schon die Beobachtung frühkindlicher Entwicklung , dass die Variationsbreite individueller Wahrnehmungen und Verhaltensweisen viel größer ist als die soziale Ordnung normaler Weise zulässt. Die Beschränkung auf Nachahmung bereits erfolgreicher Muster muss also bereits in Steinzeitgesellschaften als ein sozialer Imperativ betrachtet werden, der die natürliche Wissbegierde und Variationsbreite beschränkt zugunsten des Erhalts der sozialen Ordnung. Viele Hinweise deuten darauf hin, dass die besondere Entwicklung des menschlichen Gehirns aus einem Wechselwirkungszusammenhang mit der dichten Sozialität zu erklären ist, die schon bei allen Primaten beobachtet wird.61 Wenn man die

56 In diesem Sinne Luhmann, Beck u.a. s. zusammenfassend Schroer ... 57 Als Ausnahme unter den Klassikern der Soziologie ist immer Simmel zu nennen, der nicht nur Differenzierung und Individualisierung als zwei Seiten eines zusammenhängenden evolutionären Prozesses beschrieben hat, sondern auch die menschliche Individualität nicht vollständig der kulturellen Form subsumiert sondern als eigenständige Quelle der Variation und Selektion betrachtet hat. 58 „Seit Darwin haben die meisten Forscher das Individuum als die eigentliche Münze der Selektion angesehen. Das Individuum wird ausgemerzt oder es überlebt. Es pflanzt sich fort oder auch nicht. Und es ist das Individuum als Ganzes. Jedes Ontogenese-Stadium ist für das Überleben eines Individuums von Wichtigkeit.“ (E. Mayr 1994, S. 206) 59 Die Frage, wieviel eigenständige Operationsfähigkeit den individuellen Organismen zuzuschreiben ist, ist auch in der biologischen Evolutionstheorie umstritten. Der Streit verläuft hier zwischen Theoretikern, die der genetischen Veranlagung die entscheidende Funktion zusprechen (Dawkins 1982, 1996 ) und Solchen, die der Verarbeitung von Umweltwahrnehmungen eine eigenständige Funktion zurechnen (E.Mayr 1961, 2003, Wieser 1998). In seiner Monographie über „Die Erfindung der Individualität“ stellt Wieser die eigenständige Bedeutung des phänotypischen Individuums als evolutionäre Errungenschaft der biologischen Evolution und Möglichkeitsbedingung der kulturellen Evolution des Menschen heraus. Popitz (2006) sieht in der Individualisierung der Mutter-Kind-Beziehung, einer Beziehung über die Generationenschwelle hinweg, die Schlüsselerfahrung des menschlichen Vermögens, im Anderen - und in sich selbst - eine Existenz in einem Fall begreifen zu können. 60 Gegen die Behauptung eines allgemeinen (nomologischen) Verhaltensmusters der individuellen Nutzenmaximierung s. die Arg. von Cosmides/Tooby,1992, S. 102ff „The weakness of Content-Independent Architectures“. Die Darwinsche Evolutionstheorie unterstellt als allgemein geltendes Verhaltensmuster nur die Maximierung der Fortpflanzungschancen, dem sich eine Vielzahl kontextabhängig entwickelter und genetisch verankerter Verhaltensmuster der Individuen einordnen lassen. – In neueren Publikationen hat Esser (u.a. 2005) die Annahme eines allgemeinen Rationalitätskalküls modifiziert durch das Modell der Frame-Selektion, in dem auch biologisch-genetische Programme als „Basisregeln“ eines jeden Handelns vorkommen. Freilich stellt auch das „reframing“ eine Operation dar, deren biogeenetische Voraussetzungen geklärt werden müssten. 61 S. u.a. Ploog 1997: 235, Dunbar, 1998, 2003


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Verdichtung der Sozialität als Ausgangspunkt betrachtet, könnte daraus ein Primat der sozialen Organisation (vor dem Handeln und Erleben der Indivduen) abgeleitet werden. Solche Anfangskonstruktionen machen jedoch in evolutionstheoretischer Perspektive keinen Sinn, weil es das Eine (Individuen) nicht ohne das Andere (Populationen) geben kann. Viele Formen der Primatenkommunikation setzen die Individualität der Gruppenmitglieder bereits voraus und haben ihrerseits die evolutionäre Funktion, Probleme zu verarbeiten, die aus der (kognitiv-organisch) gesteigerten Individualität der Mitglieder resultieren.62 Ein prominentes Beipiel für kulturalistische Fehlinterpretationen stellt die bildungspolitische Forderung vom lebenslangen Lernen dar.63 Mit ihr wird suggeriert, dass natürlicher Weise träge (oder zumindest kognitiv neutrale) Individuen durch Bildungsorganisation mobilisiert werden müssten. Stattdessen hat die neuere Gehirnforschung längst gezeigt, dass das Potential zum lebenslanges Lernen seit jeher in unserem Gehirn verankert ist. Aber die Gesellschaft musste sich ändern, um es zu entdecken und mehr von der natürlichen Wissbegierde der Menschen tolerieren und nutzen zu können. Typisch für andere kulturalistische Deutungen ist die These von der „Erfindung“ der Kindheit oder der romantischen Liebe in literarischen Diskursen des 18. Jahrhunderts in Europa. Dazu passend erscheint dann, dass diese Beziehungen in vorhergehenden Gesellschaftsepochen als frei von Gefühlsbindungen und dominiert durch Nützlichkeitserwägungen dargestellt werden.64 Durch diese Art der Deutung muss das Aufkommen von Liebe zwischen den Geschlechtern oder die Entdeckung der Empfindlichkeit von Kindern als Artefakt von literarischen Diskursen behandelt werden, gewissermaßen als eine Erfindung aus dem Nichts – jedenfalls ohne biologische Dispositionen.65 Stattdessen ist die (unbestreitbare) Beschränkung von Gefühlsentfaltung in traditionellen Gesellschaftsformen aus ihrer kulturellen Ordnung abzuleiten, die sich die Entfaltung der natürlichen Dispositionen nicht leisten kann.66

Die in der kulturellen Evolution zu beobachtende Freisetzung der Individuen von natürlichen Umweltzwängen setzt eine Tendenz der natürlichen Evolution fort und bleibt auch in den Formen des modernen Individualismus an diese natürlichen Voraussetzungen gebunden.67 Was in kulturalistischer Perspektive als Erfindung 62 Hierzu das häufig zitierte Beispiel einer genetisch verankerten Kompetenz zur Entdeckung von Betrug / Defektion. - Hinzuweisen wäre auch auf Wechselwirkungen zwischen der sprachlichen Ausdifferenzierung der Kommunikation in der Gruppe und der lang andauernden Sozialisation (Neotonie) und der Relevanz der Primärsozialisation (einschl. Sprachentwicklung erster Ordnung) für die Tradierung kultureller Institutionen – s. oben in 4. 63 Vgl. dazu die diversen Programme der EU – zusammenfassend: Dewe/Weber 2007. Die Auszeichnung des Lernens durch Reflexivformeln (Lernen des Lernens) und Entkoppelung von Lebensphasen ist nicht geeignet darüber hinwegzutäuschen, dass es sich bei den Phänomen des Lernens, die im Standarderklärungsmodell immer schon vorausgesetzt werden, selbst um aufklärungsbedürftige Tatbestände handelt. “’Learning’ is a name given to the unknown agent imagined to cause a large and heterogeneous set of functional outcomes. This name was (and is) then used as an explanation for results that remained in genuine need of explanation. We expect that the concept of learning will eventually disappear as cognitive psychologists and other researchers make progress in determining the actual causal sequences by which the functional business of the mind is transacted. Under closer inspection, "learning" is turning out to be a diverse set of processes caused by a series of incredibly intricate, functionally organized cognitive adaptations, implemented in neurobiological machinery.” (Cosmides/Tooby, 1992, S. 123) 64 Dies gilt übrigens unabhängig von der Bewertung dieses Wandels als Gewinn oder Verlust – s. etwa Ariés vs. DeMause 65 Tatsächlich sind nicht nur die Ursachen sondern auch die Folgen der Freisetzung natürlicher Dispositionen in der modernen Gesellschaft noch wenig erforscht: Was folgt zB. daraus, dass elementare Kränkungen wie das Fremdgehen des Partners in Intimbeziehungen nicht mehr vom Staat verfolgt werden? Verstärken sich dadurch Sanktionsmechanismen auf der Ebene der reziproken Interaktionen oder schwächen sie sich ebenfalls ab? 66 Ein weiteres Beispiel für die Freisetzung ursprünglich genetisch verankerter Dispositionen stellt die gestiegene Bedeutung körperlicher Sexualsignale (Behaarung und Muskeln beim Mann, Verteilung des Körperfetts auf Brüste und Becken bei der Frau) im Konkurrenzkampf um den besten Sexualpartner dar. In traditionellen Gesellschaften ist diese Konkurrenz weitgehend stillgestellt durch von den Familienclans arrangierte Ehen. Symptomatisch allerdings auch die einseitige Monopolisierung der Werbungsstrategien: Verschleierung aller Sexualsígnale bei der Frau, Demonstration der sexuellen Potenz durch Bartwuchs beim Mann. – Während soziologische Theorien die kulturelle Ausformung der Geschlechtsunterschiede einseitig hervorheben, ist z.B. der Faktor körperlicher Attraktivität in Theorien sozialer Ungleichheit völlig unterbelichtet. 67 Ich habe diese These eingangs als Antithese zur kulturalistischen These vom Unbehagen in der Moderne platziert und darauf hingewiesen, dass die Antithese schon in der Freudschen These vom Unbehagen in der Kultur angelegt ist. Vowinckel, bei dem ich die Antithese zuerst gefunden habe, bezieht sie dementsprechend – i.S. bilanzieller Vorteile für die Individuen – auch auf alle Formen kultureller Sozialität und nicht erst auf die besonderen Freiheitsspielräume der modernen Gesellschaft. (1993, S. 216f):


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der Moderne erscheint, ist in evolutionstheoretischer Perspektive als Freisetzungsprozess natürlicher Dispositionen zu beschreiben, der durch die Ebenendifferenzierung der modernen Gesellschaft (die strikten Formen der Organisation auf der Makroebene) als Freiheitsspielraum auf der Mikroebene menschlichen Handelns und Erlebens ermöglicht (und durch Grenzziehung zwischen öffentlicher und privater Sphäre gesichert) wird. 68 Unter evolutionstheoretisch erweiterten Voraussetzungen bietet die Beobachtung der Komplementarität von funktionaler Differenzierung der Sozialsysteme69 und gesteigerten Formen der Individualisierung70 eine Grundlage für die Erklärung von Problemen der modernen Gesellschaft. 9. Die Verletzlichkeit der modernen Gesellschaft Die Menschen geniessen die Errungenschaften der Kultur - es fällt ihnen aber schwer, sie zu verstehen Die Unwahrscheinlichkeit gelingender Identifikation mit den Ordnungsprinzipien der modernen Gesellschaft Die Diskrepanz zwischen primordial verfügbaren Orientierungsmustern und der Komplexität moderner Gesellschaften Herrschaft der Experten als andere Seite der Freisetzung Die kulturelle Relevanz der Organisation von Bildungsprozessen

Die Menschen geniessen die Errungenschaften der Kultur – und ganz besonders die Freiheitsspielräume der Moderne - es fällt ihnen aber in kognitiver Hinsicht schwer, ein angemessenes Verhältnis dazu zu gewinnen. Die bisherigen Ausführungen zur These vom natürlichen Unbehagen in der Kultur sollten zeigen, dass es mit evolutionstheoretischen Mitteln möglich ist, der kulturalistischen These vom Unbehagen an der Moderne zu widersprechen. Die evolutionstheoretische Perspektive zeigt aber auch, warum sich kulturpessimistische Auffassungen in der modernen Gesellschaft so hartnäckig halten können. Das wichtigste Argument dafür hat die Beschreibung der Evolution des kulturellen Restabilisierungsmechanismus geliefert: Bei der zunehmenden Orientierung des Mechanismus an abstrakten Ordnungsprinzipien71 anstelle von konkreten Bezugsgruppen handelt es sich um eine höchst unwahrscheinliche und mit Risiken des Scheiterns behaftete kulturelle Errungenschaft. Dies zeigt sich an den Problemen der Identifikation mit immer grö-

„Ohne Frage hat moderne Kultur ihren Preis. Wenn wir aber im Auge behalten, daß Kulturformen menschlichen Sozialverhaltens nach den oben aufgestellten Grundsätzen immer auch eine Erklärung auf der biologischen Betrachtungsebene haben, dann werden wir diesen Preis nicht überschätzen. Soziale Bedürfnisse, die großenteils vielleicht noch an das Jäger- und Sammlerleben mit den dazugehörenden Gruppengrößen und Sozialstrukluren angepaßt sind, werden in Subsystemen moderner Gesellschaften in ihren Ausdrucksmöglichkeiten eingeschränkt und frustriert. Das bedeutet aber keineswegs, daß das Leben unter Bedingungen moderner Gesellschaften insgesamt frustrierender wäre. Menschliche Bedürfnisse sind vielfältig, widersprüchlich und keineswegs beschränkt auf die sozialen. Die weitaus meisten dieser Bedürfnisse werden vermutlich unter modernen Bedingungen sehr viel besser befriedigt als in Jäger- und Sammlergesellschaften oder in noch früheren Stadien der Evolution des Homo sapiens. Das gilt sicherlich für sämtliche materiellen Bedürfnisse, und es ist noch sehr die Frage, ob es nicht trotz der genannten Einschränkungen aufs ganze gesehen auch für soziale Bedürfnisse gilt. Auch vormoderne Kulturen haben ihren Preis in der „Währung menschlichen Glücks", und daß er im Durchschnitt geringer sein soll als in modernen Kulturen, wage ich zu bezweifeln. Ich behaupte einmal, daß das Unbehagen in der Kultur sehr viel geringer ist als das Unbehagen in einer wie auch immer beschaffenen Natur. Sicher ist aber, daß die Antriebe menschlichen Verhaltens auch in modernen Gesellschaften zwar institutionell geregelte und psychisch nach kulturellen Mustern organisierte, aber nichtsdestoweniger natürliche Antriebe sind.“ 68 Als ein Nebeneffekt der kulturalistischen Auffassung ist zu beobachten, dass die Freisetzung natürlicher Dispositionen in der Moderne vor dem Hintergrund der strikten Organisation der Gesellschaft auf der Makroebene als eine besonders raffinierte Form ihrer Unterdrückung (weg-)interpretiert wird. 69 Ein Prozess der in der modernen Gesellschaft auch innerhalb der jeweiligen Teilsysteme immer weiter getrieben wird: Wirtschaftsbranchen, Politikbeteiligungsformen, Wissenschaftsdisziplinen, Sportarten, etc. 70 Diese Beobachtung ist von Beginn an ein grundlegender Topos der Soziologie. Unter den Gründungsvätern der Soziologie hat jedoch nur Georg Simmel die entsprechenden Beobachtungen in eine evolutionstheoretisch anschlussfähige Form gebracht. (s. auch FN 45 Abschn.7) 71 Vgl. dazu auch die Diskussion über Verfassungspatriotismus, Habermas, Sternberger


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ßeren sozialen Einheiten.72 Auch die organisierten Formen der Tradierung im Bildungssystem der modernen Gesellschaft müssen in diesem Sinne als riskante Steigerungsformen betrachtet werden.73 Eine wichtige Einschränkung oder Spezifikation der These vom Behagen in der Kultur durch Freisetzung der Individuen auf der Mikroebene besteht deshalb im Hinweis auf die evolutionäre Riskiertheit der Differenzierungsstrukturen.74 Der „Rückfall“ in prädifferentielle Strukturen kann niemals ausschlossen werden. In Wirklichkeit gibt es natürlich kein „Zurück“ sondern nur regressive Mutationen der Ordnungsstruktur – wie im Falle totalitärer Herrschaftsformen, in denen staatliche Organisationen bis auf die Ebene persönlichen Beziehungen auf der Mikroebene durchzugreifen versuchen. Der Grund für diese Verletzlichkeit der Strukturen der modernen Gesellschaft ist darin zu erkennen, dass die primordial-steinzeitlichen Kognitionsmuster nicht zu den komplexer gewordenen Strukturen der Sozialität passen. Der einzige Mechanismus, der in dieser Situation zur Verfügung steht, ist der Mechanismus des Vertrauens (bzw. Misstrauens) gegenüber Experten. Experten sind Menschen, die in aufwendigen Bildungsprozessen eine Anpassung ihrer kognitiven Systeme an die komplexen Herausforderungen der menschlichen Sozialität erworben haben.75 Die Herrschaft der Experten (bzw. Funktionseliten) auf der Ebene der Organisationen erweist sich somit als die andere Seite der Freisetzung der natürlichen Dispositionen der Individuen auf der Mikroebene. In den vielfältigen Beschreibungen des „Unbehagens an der Moderne“ kommt auch zum Ausdruck, dass die entsprechenden Errungenschaften der kulturellen Evolution kognitive Kosten verursachen, die nicht jeder Mensch aufzubringen bereit und in der Lage ist, und dass auch deshalb die Strukturen sozialer Ordnung, die die Freiheitsspielräume der Individuen ermöglichen, verletzlich und gefährdet bleiben. In dieser Hinsicht ist ein (auf den ersten Blick) paradoxes Phänomen zu beobachten: Je mehr Spielräume der individuellen Entfaltung natürlicher Dispositionen die Gesellschaft zulässt und zur Steigerung ihrer eigenen Anpassungsfähigkeit nutzt, desto mehr Gewicht erhalten auch Faktoren sozialer Ungleichheit, die auf natürliche Unterschiede (genetische Variation) innerhalb der Population zurückzuführen sind.76 Ein prominentes Beispiel für die Unangepasstheit der spontan verfügbaren Auffassungen von der menschlichen Sozialwelt stellt die populäre Auffassung vom Wirtschaftssystem als Nullsummenspiel - mit Umverteilung als naheliegender Problemlösung - dar. Die Leistungen der modernen dynamischen Wirtschaftsordnung werden zwar genossen - niemand wünscht sich steinzeitliche Ökonomie zurück - aber kognitiv nicht verstanden. Von daher ergeben sich dann häufig unerfüllbare Erwartungen an die Politik.77 Ähnliches lässt sich auch für alle anderen organisationsbasierten Funktionssysteme der modernen Gesellschaft (Politik, Recht, Bildung, Wissenschaft etc.78) zeigen. Überall sind wir auf die Kompetenzen von speziell geschulten Experten angewiesen.79 Als Ausweg aus dieser – häufig ambivalent (also 72 mit Beispielen dafür, wie die Ausdehnung funktioniert - Nation als Verwandtschaftstopos - oder wg. Überdehnung nicht funktioniert – Europäische Union, Weltgemeinschaft 73 S. hierzu evtl. auch T. Luckmann (1990) mit Bezug auf die Herausbildung von „Identitätsmärkten“ inkl. der dazugehörigen Bildungsangebote. - Hier evtl. auch Bezug auf die aktuelle Debatte über Integration und Assimilation 74 Typisch für die Umstellung der Ordnungsprinzipen auf der Grundlage funktionaler Differenzierung ist die Orientierung an Differenz statt Einheit - vgl. Luhmann, 1997. 75 Vgl. M. Webers Beschreibung des „Fachmenschentums“ als Bestandteil der modernen Bürokratie (1972) 76 Evtl. Hinweis auf demnächst in ZfS erscheinenden Beitrag diesbezüglich … 77 Hier evtl. der Hinweis, dass die Dynamik der Wirtschaft gerade aus der Freisetzung natürlicher Dispositionen auf der Mikroebene entspringt. Da ein typisches Merkmal dieser natürlichen Dispositionen die Orientierung am kurzfristigen Vorteil ist, lässt sich gerade an der Wirtschaft zeigen, dass die Freisetzung sozialverträglich funktioniert, weil und soweit sie im Rahmen einer umfassenden Ordnung schon reguliert ist. 78 Ein faszinierendes Beispiel für adapative und maladaptative Effekte der spontan verfügbaren kognitiven Muster bilden die religiösen Orientierungen. Das gemeinsame Moment ihrer vielfältigen Erscheinungsformen besteht darin, außerordentlich wichtige Phänomene auf außerweltliche Macht („intelligent design“) zurückzuführen. In diesem kognitiven Muster ist natürlich kein Platz für evolutionstheoretische Erklärungen. 79 Im Anschluss an Konzepte und Beobachtungen in den Wirtschaftswissenschaften zu der Tendenz, Kosten für Organisationsleistungen dadurch einzusparen, dass die Kunden oder Klienten an der Erstellung der Leistungen


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auch mit Unbehagen) wahrgenommenen – Situation erscheint die allgemeine Organisation von Bildungsprozessen im Sinne einer reflexiven Anpassung der kognitiven Strukturen der Individuen an die komplexeren Strukturen der Sozialwelt. In dieser Stabilisierungsaufgabe liegt eine weithin unterschätzte evolutionäre Funktion des modernen Bildungswesens. 80

Anhang Ein Modell der Ausbreitung und Regeneration soziokultureller Institutionen mit zwei Ebenen und vier evolutionären Mechanismen

Umwelten Makroebene Restabilisation ↓ Mikroebene

Gesellschaften emergente kulturelle Makroeinheiten Identifikation downward causation reembedding Situationen kulturell vorgeprägte Mikrokonstellationen Erleben

Selektion ← Wettbewerb Ausdehnung und Differenzierung Institutionen (latente, operativ geschlossene kulturelle Elementareinheiten) Tradierung Take-off kultureller Evolution → Replikation

Systeme Organisationen operativ offene kollektive Akteurseinheiten Technisierung upward causation disembedding Individuen operativ offene Träger kultureller Prozesse Handeln

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stärker beteiligt werden, wäre zu prüfen, ob es sich hier um eine allgemeine Tendenz handelt, die die Asymmetrie zwischen Experten und Laien bricht und mit der Steigerung von Individualisierung und den Freiheitsspielräumen auf der Interaktionsebene zu tun hat – oder ob es sich um eine Tendenz handelt, die nur in bestimmten Funktionssystemen zum Tragen kommt, die spezifische Leistungen für Individuen erbringen (Professionsleistungen), deren Wirkung immer schon (wengleich bisher in verborgener Weise) auf der Beteiligung der Betroffenen beruht: also primär Bildung, Medizin, vielleicht auch Sport – teilweise die Politik, nur im Dienstleistungsbereich die Wirtschaft - nicht aber Wissenschaft, Recht etc. 80 Hier evtl. eine kritische Bemerkung zu der gegenwärtig starken Tendenz, das Bildungswesen, insbesondere die Hochschulausbildung, nach dem Muster von Wirtschaftsunternehmen zu organisieren und die zivilisatorische Funktion zu vernachlässigen.

Makroebene ↑ Variation Mikroebene


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