Die Wirtschaft_04/2020

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Wirtschaftstalk

E-Food-Handel boomt

Samenbomber

Wie steht es um die Innenstädte in der Region?

Zwei Geschäftsmodelle aus der Region sind auf Wachstumskurs.

Für die Nordhorner „Stadtgärtner“ ist grüne Quengelware ein Geschäft.

City & Handel – Seiten 16 und 17

Geld & Geschäft – Seite 9

Leben & Leidenschaft – Seite 21

K Z ACer da iss

www.maler-schulte.de DONNERSTAG, 27. AUGUST 2020 AUSGABE 04/20 | EINZELPREIS 1,90 €

OSNABRÜCK | EMSLAND | GRAFSCHAFT BENTHEIM

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Zukunftspläne neu geschmiedet

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Die Fußgängerzonen sind ein Aushängeschild der Innenstädte, doch sie müssen sich entwickeln

601901

20004

In dieser Ausgabe:

STANDORTPORTRÄTS GEMEINDE TWIST UND SAMTGEMEINDE NEUENHAUS

Bequemlichkeit ist für den Kunden ein entscheidender Faktor.

Vierte Generation führt Meyer & Meyer

Keine Denkverbote: Kitas und Schulen zurück in die Stadt? Nicht für jede City wird es ein Happy End geben. VON NINA KALLMEIER OSNABRÜCK Muss heute noch jemand zwangsläufig in die Innenstadt, wenn er dort nicht wohnt oder arbeitet? Die deprimierende Antwort insbesondere für die vielen Händler in den Fußgängerzonen quer durchs Land lautet: nein. Auf die Spitze getrieben, könnte jeglicher Einkauf vom Obstsalat bis zum neuen Business-Outfit online erledigt werden. Und viele Kunden nutzen diese bequeme Art des Einkaufens, die Zuwächse im Onlinehandel steigen seit Jahren. Und doch: Wenn wieder einmal ein „zu vermieten“-Schild in einem Schaufenster hängt oder ein Traditionsgeschäft sich aus dem Markt verabschiedet, kommt die emotionale Bindung vieler an „ihre“ Stadt durch, und es wird die etwas zwiegespaltene Verbindung zur Innenstadt deutlich: Auch wenn für den einen oder anderen Einkauf nicht der Laden um die Ecke genutzt wird, sollen die Zentren nicht sterben. Man will beides: den Kauf bequem vom Sofa und gleichzeitig die Möglichkeit, doch in die Stadt gehen zu können, wenn man wollte. Wochenlang geschlossene Geschäfte – und auch Restaurants – in der Corona-Pandemie haben einen Vorgeschmack darauf gegeben, wie geisterhafte Fußgängerzonen, eigentlich die Aushängeschilder der Städte, künftig aussehen könnten. Für manch einen war das ein Weckruf – nicht umsonst hat auch in der Region Umfragen zufolge das Interesse an Regionalität im Handel wie in der Gastronomie deutlich zugenommen. Nur müssen den Absichtsbekundungen auch Taten folgen, sonst nützt das alles nichts. Probleme mit der Qualität des Aufenthaltserlebnisses in den Innenstädten gibt es zwar nicht erst seit Corona, auch wenn die Pandemie diese Schwierigkeiten noch einmal im Zeitraffer vor Augen geführt hat, wie Thorsten Bullerdiek, Sprecher des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes, es formuliert. Die durch den Lockdown ausgelöste beziehungsweise verschärfte Krise im Handel und der Gastronomie hat die Situation der Innenstädte oben auf die Agenda gebracht. „Es ist wohl flächendeckend die schwerste Krise für unsere Innenstädte seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges“, sagt unter anderem Innenstadt-Experte Michael Reink vom Handelsverband Deutschland (HDE). Schon vor Corona hat der Verband einen Elf-Punkte-Plan zur Revitalisierung der City-

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Fotos: imagoimages/Ralph Peters, Colourbox.de;Montage: NOZ

Center vorgelegt. Einzelhandel, Gastromie, Kultur und Veranstaltungen jeglicher Art bereicherten sich gegenseitig, betont Reink nun erneut. „Wenn eine dieser die Innestadt tragenden Säulen wegbricht, wird das Gebäude insgesamt wackelig und reißt die anderen Säulen mit.“ Dabei ist es vor allem die Bequemlichkeit der Verbraucher, die die Säule „Handel“ seit Jahren bröckeln lässt – und über die die Konkurrenz den Innenstädten die Kunden abluchst. Das größte Warenlager haben Verbraucher mittlerweile immer bei sich, sagt Thorsten Bullerdiek: das Smartphone. Damit hat er recht. 24 Stunden, sieben Tage die Woche stehen jedem auf dem kleinen Gerät die

„Es gilt, einen attraktiven Raum zu bieten, der wesentlicher Bestandteil der Freizeitgestaltung ist.“ Thorsten Bullerdiek, Sprecher Städte- und Gemeindebund Niedersachsen

unendlichen Weiten des Handels offen. Shopping-Center und SB-Warenhäuser hingegen setzen beim „Malus der Innenstädte“ an, so Bullerdiek weiter: der Erreichbarkeit. Beziehungsweise der oftmals nervigen Suche nach einem Parkplatz, der noch dazu teuer werden kann. „Die Innenstadt muss mit der Attraktivität des Angebotes sowie einer guten Atmosphäre punkten – ein ungleicher Wettbewerb“, sagt der Sprecher des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes. Und dieser Wettbewerb wird – mit oder ohne Corona-Auswirkungen – nicht spurlos vorübergehen. Noch sind die 1-a-Lagen gut gefüllt, so HDE-Experte Reink. „Aber die Wirkungen kommen ja auch zeitversetzt. 2021 werden die Leerstände dann sichtbar“, ist er überzeugt. Und ob der Handel weiterhin bereit ist, die hohen Mieten der alten Verträge zu zahlen? Das ist zumindest fraglich. „Die Handelsmieten sind, wie auch die für Wohnraum, unangemessen explodiert und müssen dringend wieder auf ein deutlich niedrigeres Niveau zurück“, fordert Reink. Die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen, mit der Konkurrenz muss der Handel leben. Insofern ist die Frage, wie eine Innenstadt der Zukunft aussehen könnte. Für Bullerdiek wird es in etlichen Kommunen auch um die Konzentration von Handelsflächen gehen müssen. Und: „Um Urbanität auch in Zukunft zu garantieren, muss heute das Undenkbare wieder gedacht werden, zum Beispiel in Form von innerstädtischen Kinder-

gärten oder Schulen.“ Insbesondere bei den nachwachsenden Generationen würde das dafür sorgen, dass man die Innenstadt als Teil des eigenen Lebensumfeldes definiere, so Bullerdiek. Er nennt es „Wunschort“, das müsse die Innenstadt für die Bürger werden. „Es gilt, einen attraktiven Raum zu bieten, der wesentlicher Bestandteil der Freizeitgestaltung ist“, skizziert er. Der innerstädtische Einzelhandel ist da ein Teil der Inszenierung, aber nicht alles. Auch eine gemeinsame Vermarktung von Handel, Gastronomie, Museen und anderen öffentlichen Einrichtungen kann für Bullerdiek funktionieren, vorausgesetzt, es werde in kleineren Einheiten gedacht. Mit Blick auf den Handel bringt Michael Reink auch Kinderbetreuung und Erlebniswelten ins Spiel, ebenso wie einen Gepäckservice, um den Einkauf attraktiver zu machen. „Wir brauchen eine Servicekette, die genauso gut ist wie bei Amazon, Ebay oder Zalando. Am besten noch noch besser.“ Er sieht auch den Schulterschluss mit der Gastronomie, zum Beispiel in Form eines gemeinsamen Internetauftritts. Von der Politik wird die Digitalisierung des stationären Handels als ein Heilsbringer ins Feld geführt. „Die Schwierigkeit für den Handel besteht darin, die tatsächlich von den Kunden für einen langen Zeitraum nachgefragten Instrumente herauszufiltern“, sagt jedoch Thorsten Bullerdiek. Handelsverband wie Städte- und Gemeindebund fordern eine Unterstützung der Politik. „Mit

einem Digitalisierungsfonds von 100 Millionen Euro könnten Bedarfe ermittelt und sinnvolle Maßnahmen gefördert werden“, sagt Bullerdiek. Ein Happy End sieht er aber nicht für jede Innenstadt: „Teilweise auch heute noch funktionierende Mittelstädte werden zu reinen Versorgungszentren degradiert werden, wenn sie ihre Hausaufgaben heute nicht machen. Die Entwicklung vieler Grundzentren darf nicht zu einer bundesweiten Blaupause werden.“ Wie einige der Innenstädte in der Region aufgestellt sind, erfahren Sie in unserem Spezial ab Seite 13.

Keine offene Flamme!

OSNABRÜCK Die vierte Generation hat beim Osnabrücker Fashionlogistiker Meyer & Meyer die Führung übernommen: Nachdem bereits Ende 2015 der Generationenwechsel eingeleitet worden war, hat Maximilian Meyer, Urenkel des Firmengründers Adolf Maximilian Meyer, nun die Position des Chief Executive Officers (CEO) und Vorstandsvorsitzenden übernommen. Seit Juni 2019 ist der 32-Jährige bereits als Chief Sales Officer (CSO) Mitglied des Vorstands. Gemeinsam mit Chief Financial Officer (CFO) Peter Schnitzler, der seit Mai 2019 mit an Bord ist, leitet er seitdem die Geschäfte. Seine Schwester Theresa Meyer unterstützt das Vorstandsduo maßgeblich bei der strategischen Führung und Transformation des Familienunternehmens. „Es ehrt und freut mich sehr, dass ich nun – gemeinsam mit meiner Schwester Theresa und meinem Vorstandskollegen Peter Schnitzler – die Zukunft unseres Unternehmens mitgestalten kann“, sagt Wirtschaftswissenschaftler Maximilian Meyer, der vor vier Jahren als Key Account Manager und Vorstandsassistent seine Karriere im Familienunternehmen begann. nika

MaximilianMeyer

Foto:Meyer&Meyer

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DONNERSTAG, 27. AUGUST 2020

MACHER & MÄRKTE MACHER & MÄRKTE

2 E D I TO R I A L

GELD & GESCHÄFT

CORONA UND DIE ZUKUNFT VON INNENSTÄDTEN

3 | Branche boomt

9 | E-Commerce

Variomobil aus Bohmte baut Wohnmobile nach den Wünschen der Kunden.

Die Corona-Pandemie hat zwei Geschäftsmodellen aus der Region einen Schub verpasst.

4/5 | Freihandel mit Vietnam

10 | Börsenporträt

Auch Unternehmen aus der Region sehen bereits Chancen in dem südostasiatischen Land.

Der Leitindex Dax steht nach dem Wirecard-Skandal vor einem Wandel.

VON BERTHOLD HAMELMANN

6 | Familienunternehmen Bereits in vierter Generation wird die Fruchtsaftkelterei Lammersiek von Frauen geleitet.

7 | Neues Geschäftsfeld Stemmann-Technik sieht insbesondere in Ladevorrichtungen für Schiffe mit E-Antrieb Chancen.

Foto: dpa/Peter Kneffel

11 | Alkoholfreies Bier ohne Prozente ist zum Lifestyle-Getränk geworden, doch was ist mit Schnaps?

12 | Leerstand Foto: Jonas Schönrock

SPEZIAL

CITY & HANDEL

Mobiles Arbeiten könnte dafür sorgen, dass einige Büroflächen überflüssig werden.

LEBEN & LEIDENSCHAFT

13 | Osnabrück

20 | Grüne Quengelware

Ein Drittel der Einzelhändler insgesamt beleben die Innenstadt der Hasestadt.

Die „Stadtgärtner“ aus Nordhorn profitieren vom Trend zum Gärtnern im urbanen Raum.

15 | Meppen

21 | Bunte Steine

Erst gab die MEP der Stadt neue Impulse, jetzt kämpft sie mit Leerständen.

Meppener Wanja Schniederjans wagt mit Lego den Schritt vom digitalen zum stationären Geschäft.

16/17 | Wirtschaftstalk Mechthild Möllenkamp, Werner Heckmann und Mark Alexander Krack nehmen die City in den Fokus.

18 | Lingen Politik fördert in der Corona-Krise Handel und Gastronomie mit Aktion beim Einkaufsgutschein.

19 | Nordhorn Autos von der Hauptstraße auszusperren ist bis heute ein Meilenstein der Stadtentwicklung.

Foto: Harry de Winter

20 | Papenburg

22 | Drei Brüder

In der Fehnstadt verteilt sich der Handel nicht auf ein, sondern auf drei Zentren.

Wie aus Osnabrücker Imbissbesitzern erfolgreiche Spritzgussunternehmer wurden.

Viel mehr als nur ein Einkaufserlebnis Corona bleibt ein Weckruf. Die Auswirkungen auch auf die Wirtschaft sind angesichts täglich neuer Lagebewertungen und Vorgaben nicht absehbar. Lösungsansätze, die zu Beginn der Krise alternativlos waren, haben sich überholt. Dank milliardenschwerer Hilfsprogramme gewannen politisch Verantwortliche wertvolle Zeit, um sich auf die bis heute bedrohliche Lage halbwegs einzustellen und gesundheitliche Risiken zu minimieren. Wer will schon gerne sterben? Das Ergebnis für Deutschland ist bemerkenswert. Die Zahl der Corona-Toten ist im Vergleich zu Grippeepidemien früherer Zeiten überschaubar und verlangt nach einer Relativierung aller Maßnahmen. Denn der Erfolg ist teuer erkauft. Die öffentlichen Haushalte sind seit dem Frühjahr in eine Schieflage geraten, die auf lange Sicht Handlungsspielräume begrenzen. Also Steuererhöhungen? Die Wirtschaft kommt nach dem Lockdown nur mühsam wieder auf die Füße. So manche Hiobsbotschaft wird schon formuliert. Im Fokus steht einmal mehr die Zukunft der Innenstädte. Ein entscheidender Indikator bleibt hier der Einzelhandel. 450 000 Standorte zählt der Handelsverband Deutschland (HDE). Von 50 000 Standortschließungen gingen Experten vor Corona aus. Als direkte Folge wird jetzt mit weiteren 50 000 gerechnet. Allein in Niedersachsen erwarten Branchenkenner ein Minus von 5000 Innenstadthändlern. Kleinstädte profitieren davon, dass der tägliche Bedarf in der Regel vor Ort gedeckt werden kann. Gebeutelt sind nach Expertensicht besonders mittelgroße Städte. Denn Menschen fahren gerne in das nächste (Ober-)Zentrum zum Shoppen. Doch ein tolles Einkaufserlebnis ist nur die eine Seite der Medaille, der Kampf gegen die fortschreitende Innenstadt-Verödung die andere. Osnabrück ist in unserer Region ein trauriges Beispiel. Der Kassensturz 2020 treibt nur noch Tränen in die Augen. Die Auswirkungen eines 20-jährigen Zickzack-Kurses werden am grandios gescheiterten wichtigsten städtebaulichen Projekt „Neumarkt“ sichtbar. Schandfleck statt Visitenkarte am zentralen Verkehrsknotenpunkt – darunter leidet der agile Einzelhandel und eine attraktive Altstadt.

Es ist eine Platitüde: Den Kopf in den Sand zu stecken bildet keine Alternative. Aber für die Realisierung von Projekten reichen die wenigen Jahre eines gewählten Stadt- oder Gemeiderates längst nicht aus. Schritt für Schritt – nur so geht es im Rahmen einer Strategie. Und diese Abhängigkeiten sind einer an kurzfristigen Erfolgen interessierten Öffentlichkeit viel zu wenig vermittelt worden. Der Blick über den lokalen Tellerrand lohnt, weil Innenstädte überall mit ähnlichen Problemen kämpfen. Interessant etwa die Aussage von Katrin Habenschaden, Münchens neuer zweiten Bürgermeisterin. Mit Macht will sie ein neues Innenstadtkonzept umsetzen. Ihre Erkenntnis: Viele Jahre habe in München der internationale Tourismus Probleme kaschiert. Das coronabedingte Wegbleiben ausländischer Gäste mache das niedrige Interesse der Einheimischen an der Münchner Innenstadt deutlich. Ein Alarmsignal. Ihre Fragen gleichen einer allgemeinen Checkliste: Wie steht es um die gute Erreichbarkeit einer Innenstadt? Funktioniert der ÖPNV? Wie kommen Einkäufe wieder zum Auto oder schwere Dinge nach Hause? Wie ist die Wohnraumsituation? (Ab-)Warten ist tödlich. Corona schafft Neues. Der boomende Online-Handel, die kundenfreundliche (umweltschädliche) Zustellung durch Paketdienste ist Beleg genug. Eine Innenstadt ist mehr als nur Einkaufen, mehr als ein Abklappern von Filialisten. Wo gibt es Plätze zum Verweilen, Ausspannen, Genießen – und bitte nicht nur zum Konsumieren? Menschenleere Innenstädte, wo nach Geschäftsschluss die Straßenreinigung das einzig belebende Element ist, haben ihren Stresstest nicht bestanden. Vieles ist möglich – bedarf aber mutiger politischer Entscheidungen, die Schmerzen mit sich bringen. Denn so manch vertrauter Zopf muss noch fallen.

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DONNERSTAG, 27. AUGUST 2020

MACHER & MÄRKTE

„Wir haben unsere Nische gefunden“ Von der Corona-Pandemie kaum betroffen, könnte Variomobil aus Bohmte am Standort noch wachsen VON ANDRE POTTEBAUM BOHMTE Wohnmobilhersteller erle-

ben in diesem Jahr einen regelrechten Boom – trotz Corona. Doch gilt das für alle? Wer bei Variomobil in Bohmte bestellt, muss schon mal mehr Geld auf den Tisch legen. Ein Blick hinter die Kulissen des Wohnmobilherstellers. Ein Sportwagen in der Garage, eine Dusche mit Regenkopf und eine Einbauküche, von der jeder Hobbykoch nur träumen dürfte: Was auf den ersten Blick nach einem komfortablen Eigenheim in guter Vorstadtlage klingt, findet sich auf den zweiten Blick in einem Haus auf Rädern. Doch etwas Besonderes ist diese Ausstattung nicht unbedingt – bei Wohnwagen der Luxusklasse gehört das längst zum Standard. Das Bohmter Unternehmen Variomobil, das diese Premiummodelle in der hauseigenen Manufaktur per Hand produziert, zählt dabei zum elitären Kreis deutscher Markenhersteller. Ein gutes Dutzend Fahrzeuge – je nach Größe der Automobile – stellen die Wittlager jedes Jahr her, ganz nach den Wünschen der Kunden. Die müssen dafür zwischen 500 000 und 1,4 Millionen Euro auf den Tisch legen, um sich den Luxus auf vier Rädern leisten zu können. Von der Farbgebung über den Bodenbelag bis hin zur ChassisWahl und der technischen Ausstattung können die Kunden ihr Fahrzeug individuell gestalten – Spielereien wie Fahrassistenten oder zusätzlicher Platz durch ausfahrbare „Erker“ inbegriffen. Einige der Fahrzeuge können sogar bis zu 30 Sekunden autark fahren – teilautomatisch nennt sich das in der Fachwelt. Das hat nicht nur seinen Preis, sondern dauert mitunter auch bis zu 18 Monaten vom Auftrag bis zur Auslieferung. Dafür erhalten die Reisebegeisterten dann auch „ein Haus auf Rädern“, wie

TrotzCorona-Krise boomtder MarktfürWohnmobile.AuchbeiVariomobilin Bohmtegibtes keineGeschäftseinbrüche.

Variomobil-Geschäftsführer Frank Mix sagt. Doch wer kann sich die fahrende Premiumunterkunft denn überhaupt leisten? Überwiegend, sagt Mix, seien die Kunden über 50 Jahre alt, kinderlos, oder der Nachwuchs sei bereits aus dem Haus. „Der Kundenkreis, den wir bedienen, hat im Normalfall schon ein Wohnmobil gehabt“, so Mix. „Wir können die Fahrzeuge so bauen, dass sich jeder Kunde damit identifizieren kann.“ Viele Kunden würden aus Deutschland und den Niederlanden kommen, manche sogar aus der Schweiz und Belgien. Selbst

FürGeschäftsführer FrankMixistdasReisen aufvierRädernunschlagbar.

für die Reparaturen der Fahrzeuge – die das Bohmter Unternehmen im eigenen Haus durchführt – würden die Kunden durchaus mehrere Stunden Fahrtzeit auf sich nehmen. Für die Instandsetzung, aber auch für den individuellen Charakter der Fahrzeuge sorgen die rund 60 Mitarbeiter des Hauses, darunter Karosseriearbeiter, Elektroinstallateure und Lackierer. Bis zu 10 000 Arbeitsstunden investieren die schon mal, um die Fahrzeuge fertigzustellen. „Dieses Unternehmen lebt von seinen Mitarbeitern“, sagt Mix über die Angestellten, die mitunter schon seit 30 Jahren Teil der Firma sind. Die wurde wiederum 1981 gegründet und hatte ihren Sitz in den ersten Jahren im unweit entfernten Rieste. 1984 zog es den Fahrzeughersteller dann ins Wittlager Land, genauer gesagt nach Bohmte. Auch deshalb legt der Geschäftsführer nach eigener Aussage viel Wert darauf, dass seine Mitarbeiter möglichst aus der Umgebung kommen würden, um eine „Verbundenheit“ mit dem Unternehmen aufzubauen. Dass sich die Corona-Krise kaum negativ auf das Unternehmen und die Branche ausgewirkt hat, sieht der Geschäftsführer naturgemäß positiv. Im Gegensatz zu vielen anderen Wirtschaftszweigen und

Unternehmen lief die Produktion bei Variomobil weiter. „Wir mussten in den vergangenen Monaten nicht schließen. Wir achten hier sehr auf Abstand und haben in der Regel kleine Teams, die zusammenarbeiten“, sagt Mix. Auch das veränderte Reiseverhalten habe seinen Beitrag zu einer im Kern nur wenig beeinflussten Branchenbilanz geleistet. Fliegen,

„Der Kundenkreis, den wir bedienen, hat im Normalfall schon ein Wohnmobil gehabt.“ Frank Mix, Geschäftsführer Variomobil

Fotos:AndréHavergo

Fernreisen und Kreuzfahrten seien derzeit kaum gefragt. „Alle, die damit geliebäugelt haben, sich ein Wohnmobil zuzulegen, machen das jetzt. Die Flexibilität des Reisens ist unschlagbar“, sagt er. Den positiven Trend der Branche belegen auch die Zahlen. Der Industrieverband spricht gar vom „besten Halbjahr der Geschichte“. So stiegen die Neuzulassungen von Freizeitfahrzeugen im Vergleich zur ersten Hälfte des Vorjahres um 3,7 Prozent. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres wurden nach Verbandsangaben 54 439 Fahrzeuge neu zugelassen. „Das sind bereits zur Halbzeit so viele wie im gesamten Jahr 2016“, heißt es. Und auch das Bohmter Unternehmen Variomobil, das laut Mix einen Jahresumsatz von 8,5 Millionen Euro erwirtschaftet, dürfte vom Hoch der Branche profitieren. Neben Reisemobilen produziert der Mittelständler unter anderem auch gewerbliche Fahrzeuge wie mobile Banken. Doch nicht alle Fahrzeuge werden direkt verkauft. Einige werden auch produziert, um sie bei Ausstellungen oder Messen zu präsentieren. Etwa in Düsseldorf, wo sich jedes Jahr die Größen der Branche zur Messe Caravan Salon treffen. „Die Messe ist für uns extrem wichtig“, sagt Mix, „nicht nur, weil es die ein-

zige ist, die wir machen.“ Denn neben einigen Modellen die im Showroom des Bohmter Unternehmens zu sehen sind, ist die Messe die einzige Möglichkeit für Kunden, die Fahrzeuge näher zu begutachten – und die Luxusliner samt Ausstattung und technischen Finessen auf Herz und Nieren zu prüfen. Die kommenden Wohnmobileigentümer dürften dann auch feststellen, dass den rollenden Häusern durchaus gewisse Grenzen gesetzt sind. Denn die Alleskönner auf vier Rädern dürfen maximal vier Meter hoch, zwölf Meter lang und 2,55 Meter breit sein. Dazu erreichen die Luxusmobile ein Gesamtgewicht von bis zu 26 Tonnen. Dafür enthalten die Fahrzeuge dann auch nahezu alles, was das Kundenherz begehrt – um später dort halten zu können, wo es am schönsten ist. Platz genug, noch mehr Fahrzeuge zu produzieren, gebe es derweil auf dem rund 40 000 Quadratmeter großen Gelände. Bislang beansprucht die Produktion lediglich rund ein Fünftel der Fläche. Pläne, sich zu vergrößern, gab es bereits vor Jahren, wie Mix sagt. Doch unzufrieden mit der jetzigen Situation ist der Geschäftsführer keinesfalls. Im Gegenteil: „Wir haben unsere Nische gefunden“, sagt er. Daran konnte auch die Corona-Pandemie bislang nichts ändern.

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DONNERSTAG, 27. AUGUST 2020

MACHER & MÄRKTE 50 Unternehmen aus der Region sind im Vietnam aktiv. Bültel war in den 1990er-Jahren einer der Pioniere.

MACHER & MÄRKTE

Vietnam rückt in den Fokus

Eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften

Freihandelsabkommen im Schatten der Corona-Pandemie / Nachfragen regionaler Unternehmen nehmen zu

Deutsche Unternehmen genießen in Vietnam einen guten Ruf

Emsland-Group sieht auch Non-Food-Bereich als Chance.

VON NINA KALLMEIER VON NINA KALLMEIER

Marko Walde ist Geschäftsführer der Außenhandelskammer Vietnam. Ein Gespräch über das neue Freihandelsabkommen und Chancen für Unternehmen auf beiden Seiten der Erde.

OSNABRÜCK

OSNABRÜCK/MEPPEN/LINGEN/

Nach langen Verhandlungen ist es – in der Corona-Krise fast unbeachtet – in Kraft getreten: das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Vietnam. Von den 27 Mitgliedsstaaten ist Deutschland der wichtigste Handelspartner des 100 Millionen Einwohner zählenden südostasiatischen Landes. „Das liegt sicherlich auch an den historisch guten Beziehungen zwischen beiden Staaten“, sagt Tilman Brunner, Außenwirtschaftsexperte der Industrie- und Handelskammern Niedersachsen. Immerhin 33 Prozent aller EU-Exporte nach Vietnam kommen aus Deutschland. Dass ein Interesse der Wirtschaft an dem südostasiatischen Land da ist, zeigen auch die gestiegenen Anfragen zum Wirtschaftsstandort bei der Industrie- und Handelskammer Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim. Für einige Unternehmen aus der Region ist Vietnam bereits ein Handelspartner. So wie für die Bültel International Fashion Group mit Sitz in Salzbergen. Die Emsländer sind eines von gut 50 Unternehmen aus der Region, die wirtschaftlich im Vietnam aktiv sind – und eines von nur dreien mit eigener Niederlassung. Seit den frühen 1990er-Jahren hat Bültel in der Stadt Biên Hòa, rund 30 Kilometer östlich von HoChi-Minh-Stadt, eine eigene Produktion für Herrenoberbekleidung, vor einigen Jahren ist auch Damenoberbekleidung hinzugekommen, erzählt Jürgen Int Veld. Er ist zuständig für den Bereich Transport und Zoll bei Bültel. „Wir waren eine der ersten Bekleidungsfirmen, die sich in dem Land niedergelassen haben.“ Ein Pionier, wenn man so will – dessen Produktionsstandort seither stetig gewachsen sei und mehrere Hundert der mittlerweile über 2000 Mitarbeiter weltweit beschäftigt. „Unsere Firmengründer Bernard und Hermann Bültel sind in der Anfangszeit viel vor Ort gewesen, um die Produktion aufzubauen“, so Int Veld. Heute kommen rund eine Million der insgesamt 3,5 Millionen Kleidungsstücke, die das Unternehmen pro Jahr produziert, aus Vietnam – gefertigt wird dabei nicht nur in der eigenen Produktion, sondern auch von Partnern. Auch für die Marken Calamar, hattric und Camel Active wird unter anderem in Vietnam produziert. EMLICHHEIM/SALZBERGEN

DieProduktionsstättevonBültelistnurrund 30Kilometervon Ho-Chi-Minh-Stadt entfernt.

Aus dem Grund für Bültel, in dem südostasiatischen Land wirtschaftlich aktiv zu werden, macht Jürgen Int Veld kein Geheimnis: Die Produktion von Textilien dort ist vergleichsweise günstig. Und ein Blick auf die Handelszahlen Niedersachsens mit Vietnam zeigt: Bekleidung ist auch heute eine der wichtigsten Exportwaren des südostasiatischen Landes. Allein im vergangenen Jahr wurden Waren im Wert von mehr als 148 Millionen Euro nach Niedersachsen eingeführt. Lediglich Leder und Lederware toppten diesen Wert mit einem Warenwert von mehr als 265 Millionen Euro. Das Lohnniveau in der Branche sei seit den 1990er-Jahren allerdings wie

„Die Entscheidung, eine eigene Fertigung aufzubauen, war für Bültel auch eine Investition in die Zukunft.“ Jürgen Int Veld, bei Bültel zuständig für Transport und Zoll

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ist sich In Veld sicher. Diese hänge jedoch auch von den verwendeten Materialien in der Fertigung ab. „Der Ursprung ist wichtig. Da wird man künftig noch stärker drauf achten müssen.“ Trotz allem werde Vietnam ein wichtiges Standbein bleiben. „Der eigene Betrieb bringt Sicherheit für die Produktion. Und die Kapazitäten, die wir haben, wollen wir auch füllen“, betont Int Veld. Für den Export der Waren aus Vietnam nutzt Bültel unter anderem die Seehäfen. Das macht auch die Emsland-Group, Deutschlands größter Produzenten von Kartoffelstärke – allerdings in umgekehrter Richtung. Sie exportiert aus Deutschland

in den Vietnam. „Es ist ja paradox: Es ist günstiger, einen Container in den Vietnam zu schicken als nach Spanien“, sagt Geschäftsführer Christian Kemper. Insgesamt rund zwei Millionen Tonnen Kartoffeln und mehr als 158 000 Tonnen Erbsen verarbeitet die in Emlichheim beheimatete Unternehmensgruppe pro Jahr – rund 50 Prozent der Umsätze, 2018/19 waren dies rund 600 Millionen Euro, generiere die EmslandGroup heute mit Drittländern außerhalb der EU wie Vietnam, so Kemper. Mit Blick auf das südostasiatische Land gehören Nahrungsmittel nach Maschinen zu den wichtigsten Exportgütern Niedersachsens. Waren im Wert von rund 36,7 Millionen

Euro wurden hier 2019 in den Vietnam exportiert. Um insbesondere Kartoffelstärke, aber auch Kartoffelflocken einzuführen, nutzt die Grafschafter Unternehmensgruppe vor allem die Häfen in Ho-Chi-Minh-Stadt im Süden und Haiphong, den wichtigsten Hafen in Nordvietnam. „Ein Transport über die eiserne Seidenstraße kommt für uns nicht infrage“, so Kemper. Zwar gehe das deutlich schneller, sei jedoch auch bedeutend teurer – und entsprechend bei einem Warenwert von rund 20 000 Euro pro Container nicht verhältnismäßig. Vor Ort produziert wird nicht – daran etwas zu ändern haben die Grafschafter, die insgesamt sieben Werke

So hat sich Niedersachsens Außenhandel mit Vietnam entwickelt g Angaben in Mio. Euro

Ausfuhr

624,4

574,4

120,9

2015

766,9

Einfuhr

110,3

2016

689,7

624,1

208,8

163,3

2017

164,7

2018

2019

Quelle: Statistisches Bundesamt · Grafik: Matthias Michel

Passat GTE Variant Hybrid y DSG ektro/Benzin)1 ktro/Benzin)1 (Ele

Brut to-För

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in anderen asiatischen Ländern gestiegen, sagt Int Veld. Qualität habe nun einmal ihren Preis. Dennoch gelte: „In unserer Branche müssen wir wie alle anderen auf die Produktionskosten schauen. Die Entscheidung, eine eigene Fertigung aufzubauen, war für Bültel jedoch auch eine Investition in die Zukunft“, so Int Veld. Das emsländische Unternehmen mit einem Jahresumsatz von rund 130 Millionen Euro sei insgesamt stark in Asien vertreten – von den Philippinen, wo bereits 1976 eine der ersten Produktionsstätten in Asien gegründet wurde, bis Myanmar. Viel spreche für Vietnam, dessen Hauptstadt Hanoi rund 8700 Kilometer Luftlinie von Salzbergen entfernt liegt – zwischen dem Unternehmenssitz und der Produktionsstätte in Biên Hòa sind es sogar gut 9600 Kilometer. „Die Mentalität der Menschen passt gut zu uns, die Qualität der Waren ist sehr gut“, fasst Jürgen Int Veld zusammen. Die politische Situation im Land sei stabil, die Infrastruktur habe sich seit den 1990ern stark verbessert. Der Emsländer kann sich noch an eine Zeit erinnern, als die Produktionsstätte noch „auf dem Land“ lag. Als Herausforderung bezeichnet Int Veld jedoch das Thema Zoll. „Im Vergleich zu anderen Ländern wie Bangladesch, Kambodscha oder Myanmar sind die Regelungen nachteilig.“ Daran ändere auch das aktuell in Kraft getretene Freihandelsabkommen nichts. „Bis wir in den Genuss der Zollfreiheit kommen, werden bestimmt noch fünf Jahre vergehen“,

Foto:AHKVietnam/Shutterstock

ung

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Als Herausforderung sieht der Emsland-Group-Geschäftsführer nach wie vor die Zahlungsabwicklung sowie die Dokumentation. „Das ist jedoch in anderen Ländern, in die wie liefern, nicht anders. Wir wissen also, wie das geht.“ Die Exportquote lag zuletzt bei rund 76 Prozent. Bringt das neue Freihandelsabkommen nun Vorteile für die Handelsbeziehungen? „Im Moment beeinflusst uns das Freihandelsabkommen wenig“, sagt Christian Kemper. Die Konkurrenz komme ebenfalls hauptsächlich aus der EU – insofern würden für alle die Rahmenbedingungen einfacher. Für Außenhandelsexperte Tilman Brunner bietet das am 1. August in

„In den Nuller-Jahren wurde es einfacher, dorthin zu exportieren.“ Christian Kemper, Geschäftsführer Emsland-Group

Kraft getretene Abkommen den Unternehmen in Niedersachsen viele Chancen, die engen Kontakte auszubauen. „Dies gilt insbesondere auch in die für Niedersachsen wichtigen Branchen Maschinen- und Anlagenbau sowie nach Übergangsfristen im Nahrungsmittelbereich.“ Mit einem Warenwert von knapp 55 Millionen Euro machen Maschinen aktuell den größten Posten im Export aus. Auch Marco Graf, Hauptgeschäftsführer der IHK Osnabrück-EmslandGrafschaft Bentheim, sieht das neue Abkommen positiv. „Weltweiter Freihandel bringt Wohlstand und Wachstum“, unterstreicht er. Freihandel sei auch die Grundlage des jahrzehntelangen wirtschaftlichen Erfolgs Deutschlands. Die weltweite Entwicklung in dieser Hinsicht sieht Graf allerdings mit Sorge: „Dabei ist das System der WTO in den vergangenen Jahren beständig geschwächt worden, der Protektionismus hat weltweit zugenommen.“ Bilaterale Abkommen, wie sie nun zwischen der Europäischen Union und dem Vietnam geschlossen wurden, seien unter diesen Umständen eine zweitbeste Lösung. „In diesem Sinne ist das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Vietnam ein Erfolg. Mit dem Abkommen sind 65 Prozent der vietnamesischen Zölle auf EU-Exporte sowie bedeutende nichttarifäre Handelshemmnisse entfallen.“ Den gut 50 Unternehmen aus dem IHK-Bezrik, die in Vietnam aktiv sind, bringe das deutliche Erleichterungen.

(auch h andere Farben/ Aussttattu ungen/... beste ellba ar)

Seit Kurzem ist das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Vietnam in Kraft. Welche Erwartungen verbinden Firmen damit? Das EU-Vietnam-Freihandelsabkommen ist ehrgeizig, ausgewogen, fortschrittlich und soll die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und Vietnam weiter stärken. Mit dem Inkrafttreten des Abkommens fallen 65 Prozent der Zölle auf EU-Exporte sofort weg und nach dem Auslaufen verschiedener Übergangsfristen (maximal 10 Jahren) bis zu 99 Prozent. Neue Chancen liegen insbesondere in den Bereichen Maschinen, Kraftfahrzeuge, Textilien, Pharma, Lebensmittel und Chemie. Durch die Abkommen

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sche Ausfuhr um 15 Prozent zugelegt. Vietnam ist neben Singapur das einzige Land in ASEAN, das bei allen relevanten Freihandelsinitiativen dabei ist. Mittlerweile ist das Land mit 24 Staaten der Welt durch aktive Handelsabkommen verbunden, dazu gehören insbesondere die ASEAN Economic Community AEC, das neue TPP-11 (CPTPP) und die Freihandelsabkommen zwischen der EU und Vietnam. Die Bevölkerung ist auf 95 Millionen Menschen gewachsen, und mit seiner jungen und konsumfreudigen Mittelschicht gilt Vietnam als Zukunftsmarkt. Deutschland und Vietnam unterhalten sehr gute wirtschaftliche Beziehungen, und Deutschland genießt einen ausgezeichneten Ruf, der im ASEAN-Raum einzigartig ist. Es gibt viele historische Bezüge, insbesondere zu den neuen Bundesländern. Mit gut 120 000 Menschen ist die vietnamesische Gemeinschaft in Deutschland relativ groß.

Welche Bedeutung hat Vietnam als Handelspartner für Firmen aus Deutschland bzw. Deutschland für Firmen aus Vietnam? Vietnam gehört weltweit zu den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften und ist mit einem Handelsvolumen von rund 14 Milliarden Euro im Jahr 2019 – vergleichbar mit Kanada – Deutschlands zweitwichtigster Handelspartner in der ASEAN-Region. Der deutsch-vietnamesische Handel verzeichnet in den letzten Jahren eine kontinuierliche Steigerung, sogar im zweistelligen Prozentbereich. 2019 stieg die Ausfuhr von Textilien aus Vietnam nach Deutschland um 21 Prozent. Im gleichen Jahr hat die deut-

Laufzeit: 36 Monate (andere Laufzeit möglich) Fahrleistung pro Jahr: 10.000 km (andere Fahrleistung möglich) ohne Eigen-Sonderzahlung3

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Was waren bislang die größten Handelshemmnisse? Bürokratie, insbesondere im Zollbereich, sowie die unterschiedliche Zertifizierung sind die größten Herausforderungen in Vietnam. Auch die Finanzierung sowie Fachkräftemangel im Aftersales-Bereich sind die Gefahr für die Entwicklung der Wirtschaft.

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Welche anderen Branchen machen heute einen Großteil der Handelsbeziehung aus? Deutsche Produkte haben hier einen guten Ruf in Vietnam. Im Jahr 2019 finden Fahrzeuge, Maschinen, chemische Erzeugnisse, Datenverarbeitungsgeräte sowie elektrische Ausrüstungen steigende Nachfrage in Vietnam. Vietnam exportiert vorwiegend Datenverarbeitungsgeräte, Leder und Lederwaren, Bekleidung, Nahrungsmittel und Futtermittel 2019 nach Deutschland.

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in Deutschland betreiben, auch nicht vor. „Das kommt für uns nicht infrage“, sagt Christian Kemper. Der Grund, auch Vietnam als Markt zu sehen, ist für den Geschäftsführer einfach erklärt: „In den Nuller-Jahren wurde es einfacher, dorthin zu exportieren.“ Mittlerweile liegt der Umsatz, den die EmslandStärke GmbH und die Emsland Food GmbH gemeinsam in Vietnam generierten, bei 3,6 Millionen Euro – fast ein Drittel mehr als noch im Geschäftsjahr 2018/19. Geschäftspartner sind vor allem Lebensmittelhersteller, aber auch an Distributeure liefert die Emsland Group. So werden Kartoffelflocken aus Deutschland unter anderem zu Kartoffelsnacks weiterverarbeitet. Hier sieht Kemper auch noch Potenzial, der Markt solcher Produkte wachse. „Vietnam hat eine junge Bevölkerung und eine stetig wachsende Mittelschicht. Das ist für die Produkte, in denen unsere Erzeugnisse verwendet werden, wichtig.“ Zumal man alle großen Snackhersteller in Vietnam beliefere, wie Kemper betont. Auch für den Non-Food-Bereich, zum Beispiel die Textilindustrie, liefere die Emsland-Group. Allerdings längst nicht in dem Umfang wie für die Nahrungsmittelindustrie. Dennoch sieht Christian Kemper abseits der Lebensmittelherstellung noch Potenzial für das Grafschafter Unternehmen. „Eine Möglichkeit ist zum Beispiel der Bereich Baustoffe. Auch dort können unsere Produkte eingesetzt werden.“

Eine der ersten Branchen, die beim Stichwort Vietnam in den Sinn kommen, ist die Textilindustrie. Ist das ein Klischee oder ist sie – mit Blick auf den Import nach Deutschland – heute noch der wichtigste Wirtschaftsfaktor? Vietnams Textil- und Bekleidungssektor spielt noch eine wichtige Rolle in Vietnam, bei den Ausfuhrgütern gehört diese Industrie nicht mehr zu den wichtigsten. Wichtigste sind Mobiltelefone und sonstige Datenverarbeitungsgeräte. Diese Industrie wird aus Sicht der deutschen Maschinen- und Anlagenbauer immer interessanter. Im Jahr 2019 sind die Exporte von Textilien nach Deutschland um 21 Prozent gestiegen. Damit die Firmen des Landes von Vorteilen der Freihandelsabkommen profitieren und die Warenströme fallen, müssen bestimmte Verarbeitungsanforderungen in Vietnam selbst erfüllt werden. Das führt dazu, dass die Textilhersteller in Vietnam in neue Maschinenanlagen investieren müssen. Und hier sind deutsche Anbieter in einer guten Position.

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werden zudem 169 geografische Herkunftsbezeichnungen der EU wie etwa Bayerisches Bier, Moselwein und Lübecker Marzipan geschützt. Das EUVietnam-Investitionsschutzabkommen beinhaltet ein reformiertes Streitbeilegungsverfahren und soll bilaterale Investitionsschutzabkommen der EU-Mitgliedstaaten ersetzen. Weitere Vorteile sind Anerkennung von Zertifizierung und vor allem Erleichterung des Marktzugangs durch die Möglichkeit, sich an national-vietnamesischen Ausschreibungen gleichberechtigt beteiligen zu können. Z.B. im öffentlichen Beschaffungswesen bei staatlichen Krankenhäusern. Mehr als 4000 deutsche Betriebe exportieren bereits nach Vietnam, davon sind 69 Prozent kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Im Bereich der nicht-tarifären Handelshemmnisse konnten entscheidende Ergebnisse erzielt werden, insbesondere für Kraftfahrzeuge, Arzneimittel und erneuerbare Energien. Im Rahmen von WTOAbkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) hat Vietnam circa 105 von 155 Dienstleistungssektoren liberalisiert. Im Dienstleistungsbereich geht das EVFTA weit über die derzeitigen WTO-Verpflichtungen hinaus. Seit Inkrafttreten des Freihandelsabkommens steigen bei der IHK in Osnabrück die Nachfragen stetig. Gibt es auch im Vietnam einen erhöhten Informationsbedarf zum Wirtschaftsstandort Deutschland? Wir sehen ein deutlich gestiegenes Interesse vietnamesischer Firmen. Insbesondere sehen wir einen starken Trend in der Erweiterung der bestehenden Exportaktivitäten lokaler Firmen nach Deutschland sowie in der Suche nach zuverlässigen geeigneten Handelspartnern bzw. Lieferanten in Deutschland. Welche Chancen sehen Sie für eine Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen und vor allem in welchen Branchen? Es gibt in allen Bereichen noch großes Potenzial. Ziel ist beispielsweise, dass Produkte verstärkt vor Ort weiterverarbeitet werden. Wir verspüren hier ein großes Interesse von zahlreichen deutschen Unternehmen. Insbesondere Firmen, die bereits vor mehreren Jahren zunächst in China investiert haben, sind aus Diversifikationsgründen auf der Suche nach einem zweiten Markt in Asien. Und dafür ist das Land sicher ein prädestinierter Standort. Hier geht es um eventuell zusätzliche Investitionen, denn in der Regel wird das Engagement in China weiterbetrieben, wir bezeichnen das als „China+1-Strategie“.

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DONNERSTAG, 27. AUGUST 2020

MACHER & MÄRKTE

Regionale Frauen-Power Die Fruchtsaftkelterei Lammersiek produziert Säfte mit Obst aus der Region VON CHRISTOPH LÜTZENKIRCHEN BAD ESSEN In diesem Laden haben Frauen das Sagen. Claudia Himmelstoß führt aktuell das Bad Essener Familienunternehmen Fruchtsaftkelterei Lammersiek in vierter Generation. Bis 2018 hielt ihre Mutter Renate die Zügel in der Hand; zuvor war es bis 1996 und seit 1953 die Großmutter Erna Hinrichsmeyer, die das Familienunternehmen leitete. Deren Vater Wilhelm Lammersiek hatte das Unternehmen 1919 als Obstgroßhandel gegründet. Wer den Betrieb an der Bad Essener Gartenstraße besucht, staunt über die räumliche Enge, in der gearbeitet wird. Der vor 100 Jahren gewählte Standort bringt Einschränkungen mit sich, wie eine vergleichsweise schmale Zufahrt und geringe Stellflächen für das Leergut. Doch der Umzug in ein Gewerbegebiet am Ortsrand kommt für Claudia Himmelstoß nicht infrage. Sie improvisiert und investiert. Nur vier Jahre nachdem sie in den Betrieb eingestiegen war, wurde für 100000 Euro eine neue Bandpresse angeschafft. Vorher musste deutlich mehr Handarbeit geleistet werden. In den Jahren 2011 und 2012 folgten Investitionen von rund 180000 Euro in die Produktion. Die Geschäftsführerin nutzte die Gelegenheit, von einem

Kollegen, der seinen Betrieb aufgab, gut gewartete, gebrauchte Maschinen zu kaufen. Durch die Modernisierung der Produktion wuchs die Stundenleistung in der Abfüllung von 1500 bis 2000 auf 4000 bis 5000 Flaschen. Seit 1936 werden in Bad Essen Fruchtsäfte gepresst. Himmelstoß ist stolz darauf, regionale Obstsorten zu verarbeiten. „Besonders aromatisch ist das Streuobst, das wirklich erst dann zu Saft wird, wenn es den absoluten Reifegrad erreicht hat. Eine bessere Qualität gibt es nicht“, so die Geschäftsführerin der Fruchtsaftkelterei. Gepresst wird in drei Kampagnen: in den Monaten Mai, Juni und Juli verarbeitet das Unternehmen 15 bis 20 Tonnen Rhabarber. Im Juli liegt der Schwerpunkt bei Johannisbeeren, Stachelbeeren und Jostabeeren, zusammen bringen die etwa eine Tonne auf die Waage. Ab Mitte September bis Ende November dreht sich dann alles um Äpfel und Birnen. Hier schwankt die jährlich verarbeitete Menge beträchtlich. In einem sehr guten Jahr sind es bis zu 400 Tonnen, in einem schlechten Jahr lediglich ein Viertel davon. Der Anteil der Birne liegt bei acht Prozent. Der Saft wird ausschließlich in Glasflaschen abgefüllt, die bis zu 50 Mal wiederbefüllt werden können. In einem guten Erntejahr könne man mit dem Obst aus der Region

HoltdasBesteausÄpfeln,BirnenundCo.:ClaudiaHimmelstoßinder MostereiLammersiek.

circa 75 Prozent der Produktionsmenge abdecken, sagt Himmelstoß. Das Einzugsgebiet der Saftkelterei erstreckt sich bis Haselünne im Westen, Melle im Süden,

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Diepholz im Norden und Lübbecke im Osten. Zu den Sorten, die die Kunden besonders viel anliefern, gehören die Birne „Köstliche von Charneux“, sowie die Apfelsorten Jakob Lebel, Boskop, Ontario, Schafsnase und Krügers Dickstiel. Die Planung der Saison ist nicht einfach. Beispielsweise kann es durchaus sein, dass die Obstbäume in der Region im Frühjahr gut ansetzen. Es winkt dann also eine reiche Ernte. Die kann in der Folge aber durch massenhaften Wurmbefall deutlich eingeschränkt werden. „Das unmittelbare Naturgeschehen spielt eine wesentliche Rolle“, so Himmelstoß: „Trockenheit zum falschen Zeitpunkt begünstigt beispielsweise die Entwicklung des Obstschädlings Apfelwickler.“ Das Interesse an Saft von Streuobstwiesen sei in den letzten Jahren gewachsen, berichtet die Geschäftsführerin der Fruchtsaftkelterei, die sich bereits seit den 1980er-Jahren in der Verarbeitung von Streuobst engagiert. „Die Einstellung der Verbraucher hat sich geändert. Über viele Jahre lang dominierte vorher ,Geiz ist geil’. Die Kunden sagten uns ganz unverblümt, dass sie ihren Apfelsaft ja günstiger beim Discounter kaufen könnten.“ Jetzt profitieren die Bad Essener von der aktuellen Entwicklung. Nachdem in der Vergangenheit größere Mengen über den Großhandel abgesetzt wurden, verkauft das Unternehmen seine Produkte heute vor allem regional. Neben dem Direktabsatz sind die Säfte im regionalen Naturkosthandel erhältlich, bei ausgewählten Edeka- und Rewe-Filialen sowie einigen Getränkehändlern. „Rückblickend haben uns die Landesgartenschau 2010 und die Teilnahme an mehreren Gartenfestivals auf der Ippenburg deutlich vorangebracht“, sagt Himmelstoß, „wir sind in der Region bekannter geworden. Unser Rhabarbersaft und unsere Rhabarberschorle waren ein großer Erfolg.“ Lammersiek produziert vor allem Säfte mit 100 Prozent Fruchtsaftgehalt ohne Zuckerzusatz und Konservierungsstoffe. Wachsender Beliebtheit erfreuen sich aber auch alkoholische Getränke wie Cidre aus Äpfeln oder Glühwein aus Obst-und Beerenfrüchten. Die Kelterei hat das Recht, Fruchtsäfte zu vergären. Den hauseigenen Cidre bietet Lammersiek seit inzwischen 15 Jahren an. Aktuell tragen die al-

koholischen Getränke etwa zehn Prozent zum Gesamtumsatz des Unternehmens bei. Die Umsätze sind in den letzten Jahren kontinuierlich leicht gestiegen. „Der Betrieb ist für mich auch eine emotionale Sache“, sagt Himmelstoß. „Ich bin damit groß geworden.“ Seit drei Jahren arbeitet ihr Mann Willi Waldmann Vollzeit in Betrieb mit, er ist Metallbaumeister. Die Chefin selbst ist Diplomingenieurin Getränketechnik. Insgesamt beschäftigt Lammersiek neben Geschäftsführerin Claudia Himmelstoß drei feste

„Der Betrieb ist für mich auch eine emotionale Sache.“ Geschäftsführerin Claudia Himmelstoß

Mitarbeiter. Hinzu kommen fünf Aushilfskräfte. In der Saison sind es noch einmal zwei bis vier zusätzliche Kräfte. Das sind Schüler, Rentner, Studenten oder Teilzeitkräfte. Aktuell beschäftigt Claudia Himmelstoß zudem einen Praktikanten. „Es ist ganz wichtig, dass unsere Mitarbeiter eine gewisse Lockerheit im Umgang mit den Kunden mitbringen“, sagt die Chefin, „außerdem sollten sie ein Gefühl für Lebensmittel und ein gutes technisches Verständnis haben. Einer unserer Mitarbeiter ist gelernter Brauer. Alle festen Mitarbeiter sind grundsätzlich an allen Positionen im Betrieb einsetzbar.“ Die Chefin sieht sich mit dem Unternehmen in der Naturschutzund Umweltbewegung verankert. 1999 wurde die Kelterei nach EURichtlinien biozertifiziert. Sie verarbeitet das Obst der Bioland- und Demeterbetriebe im Osnabrücker Land. Der Anteil an Bio-Äpfeln und Birnen steigt, in 2019 lag er bei elf Prozent. Ihre Arbeit habe auch unter dem Aspekt des Klimawandels und der wachsenden Bedeutung von Regionalität eine Zukunft, sagt Himmelstoß. Immer mehr Menschen würden sich für diese Ziele und Ideen interessieren. „Damit haben wir realistische Chancen, in Zukunft auch wirtschaftlich zu überleben“, so die Geschäftsführerin der Fruchtsaftkelterei. Sie will weiter investieren. Die nächsten Projekte sind die Erweiterung des Tanklagers und die Anschaffung eines „Flascheninspektors“ für die automatische Flaschenreinigung.

Heimische Obstsorten, wie sie Pomologe Wilfried Fischer hier zeigt, sind widerstandsfähig und aromatisch.Siekennzeichnendenguten GeschmackvonLammersieksSäften. Archivfotos:Gertrud Premke


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Stemmann-Gruppe mit Energie auf Wachstumskurs Das Schüttorfer Unternehmen liefert erstmals im November ein neues Ladesystem für Fähren aus VON JONAS SCHÖNROCK Schüttorfer Unternehmen Stemmann-Technik steckt mitten im Wandel. Vormals ein reines mittelständisches Maschinenbauunternehmen, ist man heute Teil eines Konzerns, und die Themen Elektro-, Automatisierungsund Sensortechnik rücken mehr und mehr in den Mittelpunkt – insbesondere Ladevorrichtungen für Schiffe mit E-Antrieb. Hauptverantwortlich für den Aufbau der neuen Strukturen ist Andreas Berger, der seit Februar 2019 als Managing Director die Geschicke der Stemmann-Gruppe leitet. Stemmann-Technik gehört zu den weltweit führenden Herstellern von Komponenten und Systemen für den Energie- und Datentransfer, insbesondere für die Verkehrstechnik der Bahn. Dazu zählen zum Beispiel Dachstromabnehmer, sogenannte Dritte-Stromabnehmer-Schienen, die bei U- und SBahnen die Stromversorgung vom Boden sicherstellen, große Leitungstrommeln und andere Systeme. 1912 wurde das Unternehmen in Luxemburg durch den Ingenieur August Stemmann als Hersteller von Stromzuführungen für Krane in Stahl und Hüttenwerken gegründet, seit 1950 ist Stemmann in Schüttorf ansässig und seit 2014 Teil der Wabtec-Corporation, die laut Andreas Berger rund 50 Prozent des weltweiten Marktes für Stromabnehmer bedient. Nach seiner Ankunft in Schüttorf habe er damit begonnen, die Konzernstrukturen im Unternehmen zu entwickeln, berichtet Andreas Berger, der aus Thüringen stammt und zuvor bei SMA in Kassel, einem Anbieter von Fotovoltaik-Technik, tätig war. Dazu zählten unter anderem die Einführung neuer Sicherheitsstandards, die komplette Neustrukturierung der Organisation mit zahlreichen neuen Abteilungsleitern, die Stärkung der Entwicklungsabteilung und grundsätzlich die Ausrichtung auf Wachstum. „Die Entwicklung zum Konzern ist inzwischen abgeschlossen“, sagt er. Auf Wachstumskurs steuern will Stemmann-Technik dabei insbesondere mit Ladesystemen für Elektro-Verkehrsmittel wie E-Busse oder E-Schiffe. In der Produktionshalle steht der Prototyp der neuesten Generation des sogenannten „Ferry-Charger“, eines Ladesystems für Fähren. Die neueste Version soll erstmals im November ausgeliefert werden: an einen niederländischen Kunden. Andreas Berger spricht von der Schiffsenergieversorgung der Zukunft. „Das ist nur ein Teil unseres Portfolios, aber ein sehr stark wachsender Teil“, unterstreicht Entwicklungsleiter Ludger Bünker. Laut Managing Director

ZUM UNTERNEHMEN

SCHÜTTORF Das

Corona-Effekt?

StemmannsiehtPotenzialbeimThemaLandstrom:EinenKabelwagenhat dasUnternehmen amKieler Hafen ausgeliefert.

Berger wächst Stemmann im Bereich der Industrieanwendungen, insbesondere mit den Ladetechniken, um zehn bis 15 Prozent. „Wir sehen dort eine enorme Nachfrage“, unterstreicht er. Norwegen etwa habe ein Regierungsprogramm aufgelegt, um kleine Fähren auf Elektroantrieb umzustellen. Der Seehafen Kiel möchte künftig 60 bis 70 Prozent des Ener-

„Die Entwicklung zum Konzern ist inzwischen abgeschlossen.“ Andreas Berger, Managing Director Stemmann-Gruppe

VordemPrototypdesneuen„FerryCharger“:EntwicklungsleiterLudgerBünker(v.l.),EntwicklungsingenieurJulianElskampund ManagingDirectorAndreasBerger. Foto:Jonas Schönrock

giebedarfs der dort anlaufenden Schiffe emissionsfrei und klimaneutral mit Ökostrom decken und dadurch eine Vorreiterrolle unter den europäischen Häfen einnehmen. Kürzlich hat Stemmann dort einen batteriebetriebenen Kabelwagen ausgeliefert, der die Anschlussboxen der Kaianlage über Stecker mit dem Schiff verbindet – die letzte noch fehlende elektrische Komponente für die Ladestromanlage. Beim „Ferry Charger“ dockt der Teleskoparm der Ladevorrichtung, nachdem das Schiff angelegt hat, an und versorgt den Akku mit Energie. „Voll automatisiert, das ist das Know-how des Unternehmens“, sagt Berger. Geladen wird mit 6000 Ampere. Die Ladevorrichtung ist dabei kein Energiespeicher, sondern eine elektromechanische Energieübertragungseinheit. Der Strom wird von der Infrastruktur des Hafenbetreibers gestellt. Ein Schiff mit Strom zu laden statt mit fossilem Brennstoff sorgt laut Andreas Berger für eine Kostenersparnis von etwa 40 Prozent. Vergleichbare Ladesysteme stellt Stemmann auch für größere Schiffe bis hin zu Kreuzfahrtschiffen her. „Solche hoch automatisierten Energiezuführungseinrichtungen für Schiffe, alles, was mit Bewegung zu tun hat – wir sind in der Lage, von oben einen Bus zu laden –, das bauen wir ganz stark aus. Alles, was sich bewegt, versorgen wir mit elektrischer Energie.“ Nicht als einziger Hersteller, aber doch als der deutlich erfolgreichere, wie der Unternehmenschef nicht ohne Stolz betont. Denn es kommt nicht nur die Technologie, sondern auch das Servicenetzwerk an. Dabei spielt die Unterstützung des Konzerns eine wichtige Rolle. „Wir nutzen zum Beispiel für den Aufbau des Servicenetzwerks in Skandinavien die Infrastruktur von Wabtec Schweden“, erklärt Andreas Berger. Unter Strom gesetzt werden von Stemmann sogar Lkw für den Bergbau. „Es gibt derzeit mehrere Projekte, bei denen Bergbaufahrzeuge elektrifiziert werden sollen, um Umwelt und Mitarbeiter vor den Emissionen zu schützen“, berichtet Andreas Berger. So möchte ein amerikanischer Kunde auf seinen Fahrzeugen jeweils zwei Stromabnehmer befestigen. „Ähnlich wie bei einem Zug, doch die Anforderungen sind anders, die Stromabnehmer müssen viel größer und viel robuster sein“, erklärt er.

Im Gegensatz zu den ebenen Bahnstrecken, wo der Anpressdruck immer gleich ist, sind die Wege in einer Bergbaumine uneben, was für die Produktion der Strom-

Foto: Stemmann

abnehmer eine große Herausforderung ist. „Dieses Produkt werden wir auch in diesem Jahr noch zur Auslieferung bringen“, kündigt Andreas Berger an.

Stemmann-Technik gehört seit 2014 zum US-amerikanischen Konzern Wabtec-Corporation, Produzent und Dienstleister im Bereich Eisenbahn- und Industrietechnik. 2016 kam Faiveley Transport hinzu, wodurch Stemmann Teil eines der größten öffentlichen Eisenbahnunternehmen der Welt mit mehr als 27000 Beschäftigten ist. Zur Stemmann-Gruppe innerhalb des Konzerns gehören Stemmann-Polska und die Pantrac GmbH in Berlin. Am Hauptsitz der Gruppe in Schüttorf sind 520 Mitarbeiter tätig, in Polen 110 und in Berlin 91. Die gesamte Stemmann-Gruppe erwartet für 2020 einen Umsatz von 130 Millionen Euro – laut Andreas Berger, der für alle Standorte verantwortlich ist, eine Steigerung um bis zu vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Corona-Krise hat Stemmann weitgehend unbeschadet überstanden. Im zweiten Quartal befindet man sich nur rund zehn Prozent hinter dem Ziel, hält aber das Vorjahresniveau.

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E-Food-Handel boomt dank Corona Lieferservice aus Bramsche und Bielefeld setzen auf regionales Gemüse und mehr / „Power to the Bauer“ RenéBelker istseit2017 GeschäftsführerderGemüsegärtnerinKalkriese. InderCorona-Krisebeliefertedas Unternehmenbislang3500 PrivathaushalteundFirmen.

Bestellung von Lebensmitteln immer beliebter.

neue ein, die Gurken, Äpfel, Brot und in Corona-Zeiten vermehrt Toilettenpapier in Kisten packten und diese dann an die rund 3500 Privathaushalte und Firmen in der Region auslieferten. Produkte wie Mehl, Brot oder Klopapier seien deutlich mehr bestellt worden. „Viele haben gemerkt, dass die Gemüsegärtner nicht nur Gemüse, sondern den ganzen Wocheneinkauf liefern können“, sagt René Belker, einer von zwei Geschäftsführern. Allein in den ersten Monaten der Corona-Krise mit den verbundenen Einschränkungen und Abstandsregeln haben die Gemüsegärtner nach eigener Aussage rund 700 neue Kunden dazugewonnen. Doch sie konnten nicht alle auf einmal aufnehmen und mussten sogar einen Neukundenstopp verhängen. „Wir hatten die Leute nicht, und die Waren waren nicht in der Menge verfügbar“, sagt Geschäftsführer Udo Engelke. Doch mittlerweile hätten sich die neuen Prozesse eingespielt, die Partner lieferten entsprechende Mengen ins Lager, und die 85 Mitarbeiter packen diese in die verschiedenen Kisten mit Bio-Ware. Über die gestiegene Nachfrage nach einem Lieferservice freuen sich die Geschäftsführer. Dabei ist die Idee nicht neu: Seit über 30 Jahren, also lange bevor Amazon den Markt entdeckte, liefern die Gemüsegärtner Gemüse aus der Region an Kunden in und um Kalkriese im Landkreis Osnabrück. In den Anfangszeiten war die Bestellung noch auf Papier. Heute können Kunden über das Internet vordefinierte Kisten wie

Neue Mitarbeiter für die Gemüsegärtner in der Corona-Krise. 3500 Privathaushalte und Firmen in der Region werden beliefert. VON JANA DERKSEN OSNABRÜCK Gemüse, Wurst oder Brot online bestellen und nach Hause bringen lassen. Diesen Lieferservice fragten in Corona-Zeiten plötzlich viel mehr Kunden nach als sonst üblich. „Unser Umsatz hat sich verdoppelt“, sagt Eike-Claudius Kramer, Vorstand von Wochenmarkt24, der mit seiner Plattform einen weiteren Vertriebsweg für Direktvermarkter bietet. Rund 500 Haushalte pro Nacht wurden im März zu Beginn der Corona-Pandemie beliefert. Die Kühlhauskapazität sei zwischenzeitlich ausgeschöpft gewesen. Zudem musste Kramer innerhalb weniger Wochen neue Fahrer finden, die die Lebensmittel bis zur Haustür der Kunden bringen. Auch bei den Gemüsegärtnern im Landkreis Osnabrück, die Lebensmittel nicht nur auf Wochenmärkten verkaufen, sondern auch nach Hause liefern, reichten die 75 Mitarbeiter nicht mehr aus. Sie stellten zehn

die Gemüse-, Obst- oder Alles-drinKiste auswählen. Einzelne Produkte können dazubestellt oder abbestellt werden – je nach Geschmack. Die Firma versteht sich heute jedoch nicht nur als Lieferant von regionalem Biogemüse. „Es war der Wunsch der Kunden, auch andere Produkte als Gemüse anzubieten“, sagt Belker. So biete der Liefer-Pionier heute ein Vollsortiment, zu dem unter anderem Schokolade, Schlagsahne, Windeln oder Zahnpasta zählen. Deshalb baut das Unternehmen nicht nur selbst Gemüse an, sondern arbeitet auch mit rund 35 Partnern aus der Region zusammen. Von Großhändlern beziehen die Gemüsegärtner beispielsweise Bananen oder andere Früchte. Geschäftsführer Belker ist wichtig, transparent zu sein, und bei den BioBananen dazuzuschreiben, aus welchem Land sie kommen. Im Sommer komme nahezu alles aus der Region. Saisonal beziehen sie den Brokkoli aber auch mal aus Italien oder die Tomaten aus Spanien. Dort sei er extra vorbeigefahren und habe sich ein Bild vor Ort gemacht, so der Geschäftsführer. „Unser Konzept ist ganz einfach: regional und saisonal“, sagt Udo Engelke, der mit Belker 2018 die Geschäftsführung übernommen hat.

Noch viel Potenzial in Deutschland Onlinehandel mit Lebensmitteln im Vergleich Marktanteil am Lebensmittelhandel in Prozent 2018 2023 (Prognose)

14,2

11,2 9,9 7,1 3,8

7,9

4,5

3,5

USA

6,0

6,0

3,7 2,1

1,6 China

8,3

0,5 Japan

Großbrit.

1,2

Südkorea Frankreich Australien Deutschl.

0,8

1,8

Kanada

0,7

1,4

Spanien

Quelle: Institute of Grocery Distribution (IGD) · Grafik: Matthias Michel

Der 57-jährige gelernte Informatiker hat die Branche aus Überzeugung gewechselt. Seit über 20 Jahren sei er selbst Kunde der Gemüsegärtner. Nun kümmere er sich um Personal, Marketing und die Soft- und Hardware der Webseite. Durch das Internet ist der Lieferservice für Lebensmittel insgesamt in den vergangenen Jahren gewachsen. Lebensmittelkonzerne wie Rewe oder Aldi, aber auch neu gegründete Firmen wie HelloFresh oder Flaschenpost sowie der OnlineVersandhändler Amazon sind in den Markt eingestiegen. Im Unterschied zu den Großen setzen die Gemüsegärtner auf regionale Erzeuger – genau wie die digitale Plattform Wochenmarkt24 aus Bielefeld. „Wir sind quasi der Postbote zwischen regionalen Erzeugern und Konsumenten“, erklärt Wochenmarkt24Chef Kramer sein Geschäftsmodell. Anders als die Gemüsegärtner hat Wochenmarkt24 keinen eigenen Anbau, sondern besteht aus fünf Mitarbeitern, die die Plattform programmieren und die Logistik organisieren. Hinzu kommen 26 Fahrer, die die Ware zu den Kunden bringen. Hinter der Plattform steht eine Genossenschaft. 25 regionale Familienund Handwerksbetriebe wie Hofläden, Metzgereien oder Bäckereien haben sich zusammengeschlossen. „Die sind alle mein Chef“, sagt Kramer. Und: „Man kennt sich hier.“ Der studierte Agrarökonom hatte als Assistent von Robert Tönnies gearbeitet und mit ihm die Idee für die Plattform entwickelt. 2018 wurde diese dann gegründet. „Power to the Bauer“ sei der Kern der Idee gewesen, so der 33-Jährige. Deshalb habe jeder Produzent einen Zugang zur Plattform und könne dort den Preis sowie die Menge seiner Ware verändern. Das Backend, also die Informationstechnik hinter der Webseite, sei kinderleicht zu bedienen, sagt Kramer. An dem Preis für ein Produkt verdient er 20 Prozent für die Plattform und die Logistik. Die anderen 80 Prozent gingen an den Erzeuger.

Archivfoto:AlexanderWinkler

Kramer ist überzeugt von seinem Konzept, ein digitaler Vertriebsweg für Direktvermarkter zu sein. Während sich der Umsatz 2019 auf „einige Hunderttausend Euro“ belief, erwartet er für 2020 eine Höhe von fünf Millionen Euro. Die Firma sei in allen Bereichen gewachsen und habe mehr Erzeuger, Kunden sowie ein größeres Liefergebiet. Das nächste Ziel ist, in weitere Städte zu expandieren. Wochenmarkt24-Töchter sollen in Frankfurt, Köln und München gegründet werden. „Was in OWL (Ostwestfalen) funktioniert, kann auch woanders gehen“, sagt Kramer. Ab Herbst sollen die ersten Kisten in Frankfurt ausgeliefert werden. Ein Regionalmanager sei bereits eingestellt worden, der mindestens zehn regionale Erzeuger finden soll, die sich dem Genossenschaftsprinzip anschließen. „Wir sind ein Gegenentwurf zu Amazon, weil die Direktvermarkter selbst die Plattform betreiben können. Sie sind nicht einem großen Konzern ausgeliefert“, sagt Kramer. Der Agrarökonom möchte den E-Commerce bei Lebensmitteln etablieren. „Wir wollen eine Einkaufsrevolution starten“, sagt er. Bisher haben nur wenige Deutsche Lieferservices für Lebensmittel genutzt. Der Marktanteil von E-Food am gesamten Lebensmittelumsatz lag in Deutschland 2018 bei nur einem Prozent, so eine Erhebung des Institute

„Wir sind quasi der Postbote zwischen regionalen Erzeugern und Konsumenten.“ Eike-Claudius Kramer, Vorstand Wochenmarkt24

of Grocery Distribution (IGD). Wochenmarkt24 will in Städten expandieren, weil dort mehr Menschen leben und damit mehr potenzielle Kunden sind. Zudem habe ein Städter weitere Wege bis zum nächsten Hofladen. Durch den Lieferservice müsse ein Kunde nicht mehr zu einzelnen Hofläden oder zur Metzgerei fahren, sondern könne bequem von zu Hause aus 2500 Produkten wählen, die dann über Nacht bis sechs Uhr morgens vor die Haustür geliefert würden. Ein anderes Konzept verfolgen die Gemüsegärtner. In einem Radius von 70 Kilometern um Kalkriese herum liefern sie: Von Bünde bis Lingen und von Halle (Westfalen) bis Cloppenburg. „Unsere Kunden müssen bereit sein, einmal die Woche beliefert zu werden“, sagt Engelke. Die Fahrer steuern an verschiedenen Wochentagen unterschiedliche Regionen an. Mal gehe es Richtung Ibbenbüren, mal in den Osnabrücker Südkreis oder Richtung Bad Essen bis Espelkamp. Im Schnitt habe man kurze Wege von einem Kilometer zwischen den Kunden. In Osnabrück gebe es mehr Touren. Zudem verkaufen die Gemüsegärtner auf Wochenmärkten in Stadt und Landkreis Osnabrück. Das Liefergebiet der Gemüsegärtner und von Wochenmarkt24 überschneidet sich nur am Rande wie in Halle oder Bünde. Als direkte Konkurrenten sehen sich die Firmen nicht. In ihren Regionen wollen sie die örtlichen Erzeuger stärken. Die vielen Neu-Kunden aus der CoronaZeit sollen bleiben. Mehr noch: Die Firmen wollen weiter wachsen. Ob der Trend zum E-Food langfristig hält? Das hoffen die beiden Lieferservices. Doch Kramer von Wochenmarkt24 weiß auch: „Der Boom lässt nach.“ Das Sicherheitsgefühl verändere sich, und viele gingen wieder in die Läden. Im Sommer werde wegen Urlaub oft weniger bestellt. Doch das Geschäftsmodell an sich ist bekannter geworden. Laut einer Bitkom-Umfrage haben in der Corona-Krise deutlich mehr Verbraucher ihre Lebensmittel im Internet bestellt. Der Digitalverband teilte mit: „Waren es vormals noch 16 Prozent, geben nun 30 Prozent an, ihre Lebensmittel häufig beziehungsweise hin und wieder im Netz zu bestellen.“ Die Gemüsegärtner haben das Ziel, in gesundem Maße langsam weiter zu wachsen.


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GELD & GESCHÄFT

Bildet ein Dax 50 die Unternehmenslandschaft besser ab? Der Leitindex steht vor einem Wandel / Wer die Kontrolleure kontrolliert, ist nicht erst seit dem Fall Wirecard ein Thema VON STEFAN WOLFF OSNABRÜCK/MEPPEN/LINGEN Einige Wochen schon ist Wirecard zahlungsunfähig. Der Kurs des DaxWerts liegt am Boden. Das ZombiePapier ist zum Spielball von Zockern verkommen, die auf einen schnellen, kurzfristigen Gewinn hoffen. Mit den Ansprüchen an den Deutschen Aktienindex (Dax) als Leitindex des deutschen Wertpapierhandels und Spiegelbild der deutschen Wirtschaft hat das wenig zu tun. Das alles hätte auch Grund genug sein müssen, Wirecard hochkant aus dem Dax zu werfen. Doch das Regelwerk der Deutschen Börse sah einen solchen Rausschmiss nicht vor. Lange hat sich die Börse auf dieses Regelwerk zurückgezogen. Doch der Druck wurde zu groß. Widerstand kam von Aktionärsschützern, Fondsmanagern und vor allem von den anderen DaxMitgliedern, denen die „schmuddelige Nachbarschaft“ unangenehm wurde. Jetzt ist Wirecard schon am 24. August aus dem Dax entfernt worden. Eine „Lex Wirecard“ genannte Änderung des Regelwerks macht das möglich. Ein überfälliger Schritt, sagt Klaus Nieding, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW): „Es ist gar nicht einzusehen, dass bei nahezu jedem normalen Schuldverhältnis eine Kündigungsklausel für den Fall der Insolvenz einer der beiden Ver-

tragsparteien standardmäßig vorgesehen wird, dies aber bei der BörsenBundesliga nicht der Fall ist.“ Bislang ist es so, dass nur harte Kriterien über eine Index-Mitgliedschaft entscheiden. Zu den Dickschiffen der Börse gehört man nur, wenn der Wert der gehandelten Aktien und der Umsatz damit stimmen. „Weiche“ Kriterien wie die Branchenzugehörigkeit zählen nicht. Aussortiert werden Unternehmen, die eines der harten Kriterien nicht erfüllen oder pleitegehen, bislang aber nur zu festen Terminen. Für Klaus Nieding ist dieses Regelwerk nicht mehr zeitgemäß. „Vielmehr sollten auch Bereiche der Corporate Governance und der Compliance als qualifizierte Parameter in der Auswahlentscheidung berücksichtigt werden“, fordert der Anleger-Anwalt. „Diese Parameter stellen für Investoren heutzutage einen wesentlichen Faktor für ihre Anlageentscheidung dar.“ Widerspruch kommt in dieser Frage vom Deutschen Aktieninstitut (DAI). Deren Geschäftsführende Vorständin Christine Bortenlänger bezweifelt, dass Kriterien wie gute Unternehmensführung klar zu fassen sind. „Ich bezweifele, dass qualitative Kriterien Fälle wie beispielsweise Wirecard verhindert hätten“, so Bortenlänger. Auch Profi-Anleger sprechen sich gegen den Einsatz „weicher“ Kriterien aus. „Eine Index-Mitgliedschaft sollte klaren, transparenten

Bleiben Sie Kurz notiert immer informiert Neu im Vorstand: Zum 1. SeptemÜber unseren Wirtschaftsnewsletter erhalten Sie auch zwischen den Ausgaben von „Die Wirtschaft“ dreimal die Woche einen Einblick in die regionale Wirtschaft sowie Wissenswertes zu allgemeinen Wirtschaftstrends direkt per Mail. Die Anmeldung ist kostenfrei über www.noz.de/newsletter. Die nächste „Die Wirtschaft“ erscheint am Donnerstag, 29. Oktober 2020. Anzeigenschluss für diese Ausgabe ist Freitag, 9. Oktober 2020. Weitere Informationen finden Sie im Internet unter der Adresse www.noz.de/wirtschaft.

GESCHÄFTSFÜHRER: Axel Gleie und Jens Wegmann CHEFREDAKTION: Ralf Geisenhanslüke (Chefredakteur), Dr. Berthold Hamelmann (Vertreter des Chefredakteurs), Burkhard Ewert (Stellvertretender Chefredakteur) KOORDINATION: Nina Kallmeier AUTOREN DIESER AUSGABE: Marcus Alwes, Christian Belling, Jana Derksen, Sebastian Hamel, Bertold Hamelmann, Daniel Hopkins, Nina Kallmeier, Christoph Lützenkirchen, Hermann Josef Mammes, Thomas Pertz, Andre Pottebaum, Elke Schröder, Jonas Schrönrock, Jürgen Wallenhorst, Harry de Winter, Stefan Wolff REDAKTION V.i.S.d.P.: Ralf Geisenhanslüke FOTOGRAFEN: Christian Belling, Sebastian Hamel, André Havergo, Hermann Josef Mammes, Jörn Martens, Mirco Moormann, Gertrud Premke, Robert Schlossnickel, Jonas Schönrock, Lars Schröer, Holger Schulz, Alexander Winkler, Harry de Winter VERLAG: Neue Osnabrücker Zeitung GmbH & Co. KG, Postfach 42 60, 49032 Osnabrück; Breiter Gang 10–16, Große Straße 17–19, 49074 Osnabrück, Telefon 0541 310-330, Telefax 0541 310-266; Internet: www.diewirtschaft.noz.de; E-Mail: diewirtschaft@ noz.de ANZEIGEN-/WERBEVERKAUF: MSO Medien-Service GmbH & Co. KG, Große Straße 17–19, 49074 Osnabrück, Postfach 29 80, 49019 Osnabrück, Telefon 0541 310-500, Geschäftsführer: Sven Balzer, Anzeigen-/ Werbeverkauf: Sven Balzer, Ansgar Hulsmeier, Dirk Riedesel, Marvin Waldrich ANZEIGENANNAHME: Geschäftskunden: Telefon 0541 310-510, Telefax 0541 310-790; E-Mail: auftragsservice@mso-medien.de ANZEIGEN-/WERBEVERKAUF für Ausgabe Grafschaft Bentheim: Grafschafter Nachrichten GmbH & Co. KG, Coesfelder Hof 2, 48527 Nordhorn, Telefon 05921 707410, Verlagsleiter: Matthias Richter (V.i.S.d.P.) ANZEIGENANNAHME für Ausgabe Grafschaft Bentheim: Grafschafter Nachrichten GmbH & Co. KG, Telefon 05921 707-410; E-Mail: gn.media@gn-online.de, Leitung Mediaverkauf: Jens Hartert TECHNISCHE HERSTELLUNG: Druckzentrum Osnabrück, Weiße Breite 4, Osnabrück (Ausgabe Osnabrück/Emsland); Grafschafter Nachrichten, Coesfelder Hof 2, Nordhorn (Ausgabe Grafschaft Bentheim)

ber 2020 übernimmt Martin Schulteis die Position des Finanzvorstandes beim Maschinenbauer Windmöller & Hölscher in Lengerich. Er komplettiert damit den Vorstand, bestehend aus Dr. Jürgen Vutz (Vorstandsvorsitzender), Peter Steinbeck (Vertriebs- und Servicevorstand) und Dr. Falco Paepenmüller (Technologievorstand). Auszeichnung: Das Werk Damme der Boge Rubber & Plastics Group ist jetzt für das Jahr 2019 mit dem „Supplier Quality Excellence Award“ des Automobilkonzerns General Motors ausgezeichnet worden. Der Award wird nur besonderen und sehr leistungsstarken Zulieferern verliehen. Lieferanten, die diese Auszeichnung erhalten, haben sehr strenge Qualitätsleistungskriterien erfüllt oder übertroffen. Wechsel: Markus von Kölln ist seit 1. Juni 2020 neuer Commerzbank-Niederlassungsleiter für das Firmenkundengeschäft in der Region Osnabrück, Münster, Rheine und dem Emsland und folgt damit auf Rita Herbers. Gemeinsam mit einem starken Team möchte der Diplom-Kaufmann als Partner des Mittelstands die Unternehmen der Region weiterhin aktiv und kompetent begleiten.

Rezertifizierung: Die Deutsche Gütegemeinschaft Möbel (DGM) hat Häcker Küchen als „Klimaneutralen Hersteller“ rezertifiziert. Im vergangenen Herbst hatte sich das Rödinghauser Unternehmen dem DGM-Klimapakt für die Möbelindustrie angeschlossen. Im Rahmen der neuen Zertifizierung wurde Häcker auch für das Jahr 2020 von der DGM als klimaneutrales Unternehmen ausgezeichnet. Wie im vergangenen Jahr hat es eine detaillierte CO2-Bilanz aufgestellt. Neben diesem Prädikat besitzt Häcker noch weitere Auszeichnungen wie das RAL Gütezeichen „Goldenes M“ oder das „Emissionslabel“.

DasUnternehmen Wirecard istvorzeitigausdem Daxgeflogen.Ersetzt wird esdurch denEssenslieferanten DeliveryHero. Foto:dpa/ PeterKneffel

und einheitlichen Regeln unterliegen “, urteilt Jürgen Hackenberg, Portfoliomanager bei der Fondsgesellschaft Union Investment. Würde die Börse solche Kriterien einführen, hätte sie gleich das nächste Problem. Für Wirecard soll nämlich der Lieferdienst Delivery Hero in den Dax aufsteigen. Das Unternehmen macht so gut wie keinen Umsatz in Deutschland und steckt anhaltend in den roten Zahlen. Bei den aktuellen Überlegungen geht es aber nicht nur um die Kriterien zur Aufnahme in die Indizes der Börse. Bis Ende September könnte die Börse noch umfassendere Reformen beschließen. Theodor Weimer, der Vorstandschef der Deutschen Börse, hatte schon eine Vergrößerung des aus 30 Mitgliedern bestehenden Dax ins Spiel gebracht. Er rennt damit offene Türen ein. „Aus unserer Sicht ist es sinnvoll, den DAX von 30 auf 50 Werte zu erweitern“, sagt Christine Bortenlänger. „Auf diese Weise kann besser verhindert wer-

den, dass einzelne Branchen ein zu großes Gewicht bekommen.“ Aktionärsschützer Klaus Nieding sieht den aktuellen Dax als zu industrielastig an. „Würde man den Leitindex für eine breitere Masse von Unternehmen moderat öffnen, könnten auch neue, aufstrebende Unternehmen berücksichtigt werden, was auch zur Stabilität des Index beitragen könnte.“ Für Fondsmanager Hackenberg hätte der Ausbau des Dax ganz praktische Vorteile. Sich auf 30 Werte beschränken zu müssen sei mitunter schwierig. „Es kann vorkommen, dass ich an meine Grenzen stoße“, so Hackenberg. „Das Investmentgesetz erlaubt, nur höchstens zehn Prozent in einem Einzeltitel zu halten, zudem dürfen alle Positionen über fünf Prozent in Summe nicht mehr als 40 Prozent ausmachen.“ Eine Vergrößerung würde dieses Problem abmildern und das Gewicht der Dickschiffe im Dax etwas verwässern. „Davon würden auch Anleger,

die auf aktiv gemanagte Fonds setzen, profitieren.“ Allerdings würde ein größerer DAX auch eine Menge Bewegung bringen, da sich mehr Unternehmen die Klinke in die Hand geben dürften. Diversität kostet Kontinuität, denn angesichts immer stärkerer Kursschwankungen verändern sich Unternehmenswerte auch schneller als früher. Vielen Unternehmen liege vor allem eine Reform der Berichtspflichten am Herzen. Sie wünschen sich, dass die Quartalsberichte abgeschafft werden sollen. Bislang müssen Firmen, die einem sogenannten PrimeIndex der Börse angehören wollen, viermal im Jahr ihre Zahlen vorlegen. Auch Analysten und Marktteilnehmer halten Jahres- und Halbjahreszahlen für ausreichend, um sich ein Bild von einem Unternehmen machen zu können. Allzu oft haben sich Konzerne als zahlengetrieben erwiesen, das heißt: Langfristige strategische Ziele wurden auf dem Altar des schnellen Erfolgs geopfert. Ob das der Grund für zahlreiche Unternehmenspleiten ist, lässt sich nicht belegen. Wirecard ist das erste Dax-Unternehmen, das in die Insolvenz gerutscht ist. Aber auch ohne diese „Premiere“ blickt die Börse auf viele spektakuläre Firmenzusammenbrüche zurück. So mussten infolge der Finanzkrise die Commerzbank und das Skandalhaus Hypo Real Estate mit Staatsgeldern gerettet werden.

Das war nicht die erste Bankenkrise, die die Börse erschütterte. Der Zusammenbruch der Herstatt-Bank im Jahr 1974 galt damals als größte Bankpleite der deutschen Nachkriegsgeschichte. Den ersten große Firmenkollaps der jungen Bundesrepublik erlitt 1971 der Automobilhersteller Borgward. Die Pleiten der Handelskette Co-op und der Wohnbaugesellschaft Neue Heimat sorgten zwar für Schlagzeilen, nicht aber für Börsenturbulenzen. Spätestens aber beim Zusammenbruch des Werften-Verbunds Bremer Vulkan im Jahr 1996 erlitten auch viele Privatanleger Schiffbruch mit ihren Aktien. Sehr viele Anleger griffen im Jahr 2002 zu, als die damalige rot-grüne Bundesregierung auf dem Balkon der Frankfurter Holzmann-Zentrale die Rettung des in Schieflage geratenen Baukonzerns verkündete. Doch die an Bundeskanzler Schröder gerichteten „Gerhard, Gerhard“Rufe verhallten schnell. Holzmann war nicht mehr zu retten, was auch an Finanzlöchern lag, die die zuständigen Prüfungsunternehmen schlicht übersehen hatten. Die Frage, wer denn die Kontrolleure kontrolliert, bewegt also nicht erst seit dem Fall Wirecard die Gemüter. Klaus Nieding fordert deshalb zumindest eine weitere Regeländerung. „Jeder Dax-Wert sollte verpflichtend einen Prüfungsausschuss haben müssen“, so der Anlegeranwalt.

United Labels AG: Gute Auftragslage Veränderung: Zum 1. Juli 2020 traten Veränderungen im Vorstand der VGH Versicherungen in Kraft. Dr. Ulrich Knemeyer übernimmt den Vorstandsvorsitz von Hermann Kasten, der nach acht Jahren in dieser Funktion in den Ruhestand geht. Zeitgleich erfolgt die Ernennung von Annika Rust zum neuen Vorstandsmitglied. Sie folgt Thomas Vorholt nach, der ebenfalls aus Altersgründen ausscheidet. Neu aufgenommen in den Vorstand werden zudem Jürgen Müllender und Dr. Detlef Swieter. Die VGH ist der größte öffentlich-rechtliche Versicherer in Niedersachsen. Dienstjubiläum: Der 1. August 2020 war ein besonderes Datum für Axel Busch, Hauptgeschäftsführer des Industriellen Arbeitgeberverbands OsnabrückEmsland-Grafschaft Bentheim (IAV) und Geschäftsführer der regionalen Bezirksgruppe von NiedersachsenMetall: An diesem Tag feierte der studierte Jurist sein 40. Dienstjubiläum im Haus der Industrie in Osnabrück. Neues Mitglied: Die Gerry Weber International AG stellt ihr neues zukünftiges Vorstandsmitglied vor: Angelika SchindlerObenhaus wird den Vorstand in Kürze ergänzen. Sie wird zunächst die Rolle der Chief Operating Officer (COO) bekleiden und damit die Bereiche Design, Produktion, Beschaffung und Marketing verantworten. Voraussichtlich Anfang September 2020 immt sie ihre Tätigkeit auf. Vorsitzender: Niedersachsens Umwelt- und Energieminister Olaf Lies ist neuer Vorsitzender des Beirates bei der Bundesnetzagentur. Zugleich hat der Beirat, der laut Lies ein wichtiges Scharnier zwischen Politik und Verwaltung sei, den bisherigen Vorsitzenden Dr. Joachim Pfeiffer, der Mitglied des Deutschen Bundestages ist, zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt.

Kann die Ahlers AG doch noch das Ruder herumreißen?

VON JÜRGEN WALLENHORST Zwei Unternehmen, deren Erfolg bzw. Misserfolg auchinCorona-Zeitenstarkverknüpft ist mit aktuellen Trends, modischen Einflüssen und angesagten Outfits, stehen nachfolgend im Fokus. Der börsennotierteMännermode-Hersteller Ahlers mit Unternehmenshauptsitz in Herford-Elverdissen konnte auch im zweiten Quartal 2019/2020 nicht entscheidend das Ruder herumreißen. Der Münsteraner Spezialist für Markenartikel aus dem Bereich Media/Entertainment United Labels konstatiert in seinem Sechsmonatsbericht Ende Juli eine weiterhin gute Auftragslage im zweiten Quartal. Harry Potter, Playmobil, Peanuts, Hello Kitty und andere Lizenzprodukte bescherten im ersten Halbjahr 2020 dem Unternehmen trotz Pandemie einen Anstieg im Auftragsbestand um 16 Prozent auf 8,2 Millionen Euro. Die United Labels AG erzielte in den ersten sechs Monaten 2020 einen Konzernumsatz von 5,6 Millionen Euro (2019: 7,0 Millionen Euro). Grund für den Umsatzrückgang gegenüber dem Vorjahr waren laut United Labels die planmäßige Terminierung von Großkundenlieferungen nach dem Stichtag sowie vereinzelte Lieferverschiebungen auf Folgequartale aufgrund der Corona-Pandemie. Auftragsstornierungen seien nicht erfolgt. Das Konzernergebnis vor Abschreibungen undZinsen(Ebitda)betrage0,7Millionen Euro (2019: 1,1 Millionen Euro), das Ebit 0,6 Millionen Euro (2019: 1,0 Mio. Euro) und der Konzernjahresüberschuss 0,4 Millionen Euro (2019: 0,6 Millionen Euro). Nach aktueller vorsichtiger Einschätzung geht die Gesellschaft für das laufende Geschäftsjahr 2020 weiterhin von einem Wachstum in Umsatz und Ertrag aus. Allerdings könne aufgrund der anhaltenden gravierenden Unsicherheiten auf Beschaffungs- und Vertriebsseite derzeit keine genauere Prognose er-

United Labels AG

Angaben in Euro

MÜNSTER/HERFORD

1,8

1,4 1,2 1,0 0,8

Mai

Juni

Juli

Ahlers AG

August Angaben in Euro

1,9 1,8 1,7 1,6 1,5

1,3 1,2

Mai

Juni

stellt werden. Die United-Labels-Aktie befindet sich seit dem 23.06.2020 im langfristigen Aufwärtstrend und hat in diesem Zeitraum 21 Prozent an Wert gewonnen. Die Geschäftsentwicklung im zweiten Quartal 2019/20 sei leicht besser als zu Beginn des Lockdowns erwartet – so eine Mitteilung der Ahlers AG Anfang Juli. Coronabedingte Belastungen führten im ersten Halbjahr 2019/20 zu einem Umsatzrückgang von 33 Prozent auf 70,7 Millionen Euro (2019: 105,3 Millionen Euro). Trotz erheblicher Einsparungen bei betrieblichen Aufwendungen (–10,4 Millionen Euro bzw. –19,7 Prozent) fällt das Halb-

Juli

August

jahres-Konzernergebnis um7,6Millionen Euro auf –9,3 Millionen Euro (2019: –1,7 Millionen Euro). Für die zweite Geschäftsjahreshälfte erwartet der Ahlers-Vorstand trotz der sukzessiven Wiedereröffnung weiter rückläufige Umsätze, weil die Eindämmungsmaßnahmen der Pandemie und die geringe Reisetätigkeit den Mode-Einkauf weiter behindern. Im Gesamtgeschäftsjahr 2019/20 sollte die Umsatzentwicklung damit etwa bei –25 Prozent bis höchstens –33 Prozent liegen, vorausgesetzt, es gibt keinen erneuten Lockdown – eine umfängliche Prognose für das Geschäftsjahr 2019/20 sei zurzeit unmöglich.


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DONNERSTAG, 27. AUGUST 2020

GELD & GESCHÄFT

Prozentfrei im Geschäft Alkoholfreie Biere liegen im Trend – kommt auch der Schnaps bald ohne Prozente aus der Region?

VON NINA KALLMEIER OSNABRÜCK/BIELEFELD/HERFORD

Optisch sieht es nicht anders aus, und doch war es jahrelang verpönt: das alkoholfreie Bier. Es war ein „Aubi“, ein Autofahrerbier – ganz wie es der Name des ersten, 1972 auf der Leipziger Messe vorgestellten alkoholfreien Biers nahelegte. Also nur etwas für jene, die aus Gründen kein „normales“ Bier trinken durften. Geschmacklich überzeugten viele Marken wenig. Heute ist das anders und der Markt wächst rasant. Mit einem ersten Produkt ist die Privatbrauerei Ernst Barre aus Lübbecke vor zehn Jahren gestartet – heute sind es sechs und sowohl sortenbezogen als auch gemessen am Gesamtausstoß der alkoholfreien Produkte hat die Range dieser Produktgruppe zwischen 6 und 10 Prozent zugelegt, sagt eine BarreSprecherin. Unter anderem das gestiegene Gesundheitsbewusstsein und die gesunkene Promille-Grenze für Autofahrer würden zu einer erhöhten Nachfrage führen. Das zeigt sich auch in den Zahlen: Bundesweit wurde 2014 erstmals die Marke von fünf Millionen Hektolitern überschritten. Seither ist der Absatz alkoholfreier Biere laut den Zahlen des Deutschen Brauer-Bundes langsam, doch kontinuierlich auf zuletzt gut 5,3 Millionen Hektoliter gestiegen. Auch Niedersachsen partizipiert an diesem Trend: Noch 2009 haben hier lediglich zwei Brauereien Alkoholfreies gebraut – heute sind es fünf der neun, die vom Landesamt für Statistik erfasst werden. In den zehn Jahren zwischen 2009

und 2019 hat sich die produzierte Menge auf gut 512 000 Hektoliter mehr als verdoppelt. Bundesweit gibt es mittlerweile mehr als 500 Marken alkoholfreier Biere und das Hopfen-Getränk ist zum Lifestyle geworden. „In keinem anderen Land ist die Vielfalt alkoholfreier Biere so groß wie in Deutschland“, sagt eine Sprecherin der Warsteiner-Gruppe, zu der unter anderem die Herforder Brauerei gehört. „Der oftmals isotonische Durstlöscher wird immer häufiger als Alternative zu Softdrinks getrunken“, heißt es vom Deutschen Brauer-Bund wie Brauereien übereinstimmend. „Wir rechnen damit, dass sich der

Marktanteil alkoholfreier Biere binnen weniger Jahre von gut sieben Prozent auf künftig zehn Prozent erhöhen wird, gemessen an einer Gesamtmarktgröße von rund 92 Millionen Hektolitern“, sagt Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes. Von dieser Entwicklung profitieren neben Barre auch andere Unternehmen aus der Region. Dazu zählt die zum Bielefelder Familienunternehmen Dr. Oetker gehörende Radeberger-Gruppe. Konkrete Absatzmengen für die zugehörigen Brauereien nennt man hier mit Verweis auf den Wettbewerb zwar nicht. Aber: „Wir haben im ersten Halbjahr deutliche Zuwächse bei unseren alkoholfreien Bieren erzielt“, heißt es auf Nachfrage. 39 strategische Marken gehören zu Radeberger, neben dem gleichnamigen Bier unter anderem auch Jever, Schöfferhofer, Berliner Kindl oder Guinness. Bei Clausthaler steht das „Alkoholfrei“ sogar im Namen. Diese Marke habe sich als Pionier und Wegbereiter der alkoholfreien Biere in Deutschland ordentlich entwickelt, heißt es von Radeberger. Ein anderes Unternehmen in der Region profitiert dagegen nur indirekt: die Herforder Brauerei.

„Wir haben im ersten Halbjahr deutliche Zuwächse bei unseren alkoholfreien Bieren erzielt.“ Radeberger-Gruppe

So viel Alkoholfreies wird in Deutschland produziert Angaben in Mio. Hektoliter

4,84

3,30

3,76

2010

2011

5,03

5,24

5,50

5,46

2016

2017

5,23

5,30

2018

2019*

4,14

2012

2013

2014

2015

* vorläufig

Quelle: Stat. Bundesamt, eigene Berechnungen · Grafik: Matthias Michel

Foto:Colourbox.de

Im vergangenen Jahr hat die Warsteiner-Gruppe, zu der der Standort seit 2007 gehört, die alkoholfreie Pils-Variante aus dem Sortiment genommen – um zu optimieren, wie es damals hieß. „Die Herforder Brauerei hat ihren Fokus im vergangenen Jahr erfolgreich auf Produkte mit regionaler Herkunft gelegt, mit denen sie ihre traditionell starke Präsenz im heimischen Gastronomiegeschäft sowie bei großen Veranstaltungen und Festen ausspielen kann“, erklärt eine WarsteinerSprecherin. Die Gruppe insgesamt biete zahlreiche Alternativen. Laut Geschäftsbericht 2019 hat zum Beispiel Warsteiner bei alkoholfreiem Pils einen Marktanteil von 5,9 Prozent. Zu den Angeboten zählen jedoch neben drei Warsteiner-Sorten ebenso das im April eingeführte Pilger Alkoholfrei 0,0 Prozent.

Verkauf von 48 Hotelzimmern, Juniorsuiten und Suiten in der Hotelanlage „TOM BROK“

THEMA

ERSCHEINUNGSTERMIN

ANZEIGENSCHLUSS

Rechnungswesen, Finanzen & Controlling

26. September 2020

23. September 2020

Medizinische Berufe & Pflege

24. Oktober 2020

21. Oktober 2020

Beratung und Buchung: GN-Mediateam 05921 707-410 gn.media@gn-online.de

25. November 2020

r Ideal fü er! g le n Kapitala

Im Herzen von Langeoog wird die Hotelanlage „Feuerschiff “ in der Friesenstraße 1-5 umfassend renoviert und an Kapitalanleger verkauft. 48 Hotelzimmer, Juniorsuiten und Suiten stehen zum Verkauf. Die Hotelanlage mit Erlebnisbereich, Sauna, Wellness, Pool und Frühstücksrestaurant steht den Gästen ab September 2020 unter dem neuen Namen „Upstalsboom HOTEL TOM BROK“ wieder zur Verfügung. In dem Ensemble aus mehreren Häusern entstehen neue, ansprechend umgestaltete und hochwertig ausgestattete Doppelzimmer, Juniorsuiten und Suiten mit Terrassen und Balkonen. Unterschiedliche Größen von 22 m² bis 90 m² lassen keine Wünsche offen. Zudem bieten wir Ihnen das Rundum-Sorglos-Paket inkl. Verwaltung. Somit müssen Sie sich als Eigentümer um nichts kümmern.

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28. November 2020

bereits. Bei Berentzen in Haselünne ist man da, was die eigenen Produkte angeht, jedoch noch skeptisch – auch wenn die Idee durchaus spannend sei, wie Geschäftsführer Oliver Schwegmann sagt. „In der Tat beobachten wir diese Themen nicht nur, sondern setzen uns damit auch intensiv – vor allem in der Produktentwicklung – auseinander.“ In Haselünne hat das aber bislang nicht in konkrete Produkte gemündet. Der Grund ist für Schwegman ein ganz einfacher: „Wir haben auf dem Markt noch keine alkoholfreien Spirituosen gesehen, deren Geschmacksprofil so überzeugend war, dass wir an einen echten Erfolg glauben würden.“ Denn das sei nun einmal oberstes Gebot: Dem Konsumenten muss es schmecken. Statt ganz auf Alkohol zu verzichten, kann man sich bei Berentzen einen anderen Weg vorstellen: alkoholreduzierte Spirituosen. „In dieser Richtung experimentieren wir auch mit verschiedenen Rezepturen.“ Spruchreif ist aber noch nichts.

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Unter der Marke König Ludwig gibt es zudem ein alkoholfreies Weißbier. Auch wenn der Absatz alkoholfreier Biere in den vergangenen Jahres stetig gestiegen ist, den Zenit hat der prozentfreie Genuss noch nicht erreicht, da ist sich die Radeberger-Gruppe sicher. „Alkoholfreies Bier ist inzwischen eine feste Größe auf dem deutschen Biermarkt.“ Auffällig ist laut Deutschem Brauer-Bund: Seit einigen Jahren würden immer mehr Craftbiere in alkoholfreien Varianten auf den Markt kommen, vor allem India Pale Ales. „Diese meist hopfen- beziehungsweise malzbetonten, aromaintensiven Biere helfen den Brauern, völlig neue Kundenkreise zu erschließen“, so Hauptgeschäftsführer Holger Eichele. Alkoholfreies Bier ist das eine – muss der designierte Fahrer am Ende einer Grill-Feier künftig auch nicht mehr auf den Absacker verzichten? Einige Angebote gibt es

Besichtigungen können nur nach telefonischer Vereinbarung erfolgen. € ab 204.170 . Inventar . kl St in w e M is . kl re in Kaufp rcourtage le ak M % zzgl. 5, 80

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DONNERSTAG, 27. AUGUST 2020

GELD & GESCHÄFT

Wird das Büro zur verderblichen Ware? Verstärktes mobiles Arbeiten würde Bedarf an Büro-Arbeitsplätzen sinken lassen / So ist die Situation in der Region VON NINA KALLMEIER OSNABRÜCK/MEPPEN/LINGEN/

NORDHORN Die Corona-Pandemie hat eines gezeigt: Das mobile Arbeiten ist gekommen, um zu bleiben – und die ersten großen Unternehmen von Facebook, SAP und Siemens bis zu Hugo Boss haben bereits angekündigt, verstärkt Mitarbeiter von zuhause arbeiten zu lassen. Das jedoch hat Konsequenzen: Der Bedarf an Büroarbeitsplätzen sinkt, was zu vielen leeren Büros in den Städten führen könnte. Und das, wo sich laut Studie der Bundesbank der Leerstand bei Büroimmobilien in den vergangenen zehn Jahren deutlich auf 3,5 Prozent verringert hatte. Doch der Reihe nach: Im Jahr 2020 gibt es laut Daten des Maklerhauses JLL in Deutschland insgesamt rund 390 Millionen Quadratmeter Bürofläche. Experten gehen davon aus, dass langfristig 20 Prozent weniger benötigt werden – das ist so viel wie die gesamte Bürofläche Bayerns. Werden die Gewerbeimmobilien also zur verderblichen Ware – auch in der Region? Oder wird der Büroarbeitsplatz gar zur mobilen Dienstleistung? Hotels sind während der Zeit der Corona-Schließung aus der Not heraus schon einmal einen Schritt in letztere Richtung gegangen und boten Zimmer für mobil Arbeitende an. In Anspruch genommen wurde dies in der Region aber nur wenig, sagt Dieter Westerkamp,

Geschäftsführer des Dehoga-Bezirksverbands Osnabrück. Eine Nachfrage bei der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Osnabrücker Land (Wigos) zeigt: Grundsätzlich sind sie noch da, die Nachfragen nach zusätzlichen Büroflächen. Aber wie lange noch? Dass durchaus zur Diskussion steht, wie viel Fläche gebraucht wird, zeigt das jüngst auf Eis gelegte Megaprojekt der zwei.7 Real Estate Holding am Stadtrand von Osnabrück. Bis zu 10 000 Quadratmeter groß und maßgeschneidert für künftige Mieter sollte der Komplex im Stadtteil Hellern sein – daraus wird jedoch erst einmal nichts. „Aufgrund der derzeitigen Situation gehen Neuvermie-

Demnächst Büroplanung über eine App?

tungen im Gewerbebereich recht schleppend voran“, heißt es seitens des Osnabrücker Unternehmens. Kaum ein Interessent könne und wolle sich auf Dauer festlegen. Für das Neubauprojekt in Hellern würden jedoch langfristige Mietverträge benötigt. „Daher haben wir die aktive Vermarktung erst mal ,on hold‘ und kümmern uns um unseren Bestand“, so Portfolio-Managerin Anja Brors. Wie viel Büroflächen in der Region Osnabrück derzeit leer stehen, kann man seitens der Wigos nicht sagen. Der Gewerbeimmobilienmarkt sei insgesamt sehr dynamisch, heißt es auf Anfrage. Das stellte auch schon der „Gewerbliche Immobilienmarktbericht“ fest, den die Industrie- und Handelskammer zuletzt 2018 herausgab. Darin heißt es auch: „Die Nachfrage nach Büround Praxisflächen ist gleichbleibend hoch.“ In den Städten Osnabrück, Melle und Lingen seien in den Jahren 2016 und 2017 im Vergleich zu den Jahren 2014 und 2015 Anstiege von 6 bis 8 Prozent verzeichnet worden. Wie sich dieser Bedarf in Zukunft entwickelt, hängt für die Wigos stark von der wirtschaftlichen Entwicklung und dem weiteren Verlauf und den Folgen der Pandemie ab. Zum jetzigen Zeitpunkt lasse es sich nicht abschätzen. Diesen künftigen Bedarf loten viele Unternehmen aktuell für sich aus – wie die Sparkasse Osnabrück. Die

BaldleereSchreibtische,wohin man schaut?Viele Firmen beschäftigen sichmitderFrage, wie vieleBüroarbeitsplätzenoch gebrauchtwerden, wennmehr Mitarbeitermobil arbeiten. Foto: imagoimages/ PhotoAlto

Zahl der mobil arbeitenden Mitarbeiter hat das Geldinstitut während der Pandemie deutlich erhöht, heißt es auf Anfrage. „Selbstverständlich werden wir auch nach der Corona-Pandemie noch mobiles Arbeiten anbieten. In welchem Umfang dies sein wird und wie sich dies konkret auf unsere interne Arbeitsorganisation, die genutzten Büroflächen und den technischen Bedarf auswirkt, können wir aktuell noch nicht sagen. Mit dieser Frage beschäftigen wir uns derzeit.“ Während das vielen Unternehmen aktuell so gehen wird, haben

andere die Vermittlung von Büroplätzen bereits als Geschäftsmodell entdeckt. Dazu gehört das Berliner Start-up Independesk, das per Buchung über eine App ab Mitte September Arbeitende und Schreibtische zusammenbringen will – zunächst im Großraum Berlin. Auch beim Chemiekonzern BASF geht man diesen Schritt und hat das Start-up „1000 Satellites“ gegründet. Dieses soll dezentrale Co-WorkingFlächen anbieten – nicht nur für BASF-Mitarbeiter, sondern auch für andere Unternehmen. Eine erste Pilotfläche in Ludwigshafen wird be-

reits seit September 2019 getestet. Auf das Management von Arbeitsplätzen im eigenen Unternehmen setzt die App des Osnabrücker Softwaredienstleisters basecom. Um planen zu können, wer wann wo arbeitet, hat das Unternehmen ein Buchungssystem entwickelt, das die Möglichkeit eröffnen soll, die verfügbare Bürofläche unter der Maßgabe geltender Corona-Sicherheitsbestimmungen und Abstandsregeln effektiv zu nutzen. Mittlerweile steht das System „1.50 Office“ der breiten Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung.

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DONNERSTAG, 27. AUGUST 2020

SPEZIAL CITY & HANDEL

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„Auf einem guten Weg“ Mehr als 100 000 Quadratmeter Verkaufsfläche für Einzelhandel im Stadtzentrum / Illenseer: Konzept für jeden Teilbereich Ein Drittel der Einzelhändler ist in der Innenstadt. Bis zu 100 Euro pro Quadratmeter Miete sind zu zahlen. Große Straße steht im Zentrum der Passantenfrequenz. VON NINA KALLMEIER Wer in Osnabrück die gesamte Innenstadt durchlaufen will, muss etwas Zeit mitbringen. Rund 1,3 Kilometer sind es vom Filmtheater Hasetor in der Osnabrücker Altstadt über die Hasestraße bis zum Domhof, vorbei am Osnabrücker Dom und dem Theater auf der linken Seite, weiter entlang der Großen Straße, über den Neumarkt und die Johannisstraße entlang bis zur Caritas-Beratungsstelle. Und da sind der Nikolaiort, der Kamp, die Kamp-Promenade und die Redlingerstraße noch nicht einmal mit eingerechnet. All das gehört laut Märkte- und Zentrenkonzept zur Innenstadt Osnabrücks, des drittgrößten Oberzentrums in Niedersachsen. Das ist eine ziemlich weite Strecke, selbst für eine Stadt wie die Hasestadt, sagt Alexander Illenseer, Geschäftsleiter Marketing Osnabrück. In Konkurrenz stehe Osnabrück insbesondere zu den Oberzentren Münster, Bielefeld und Oldenburg – und der Handelsmonitor 2019 zeigt, dass die Umsatzentwicklung in den vergangenen drei Jahren hier weniger dynamisch war als bei der Konkurrenz. Dabei betont Illenseer jedoch vor allem mit Blick auf das westfälische Münster: „Auch dort wird nur mit Wasser gekocht. Wir müssen uns nicht verstecken.“ Wenn man von der Schönheit Münsters spreche, meine man auch nur den Prinzipalmarkt – aber selten die Einkaufsstraßen drum herum, sagt der Geschäftsleiter Marketing Osnabrück und gibt zu: „Der Bereich ist in der Tat gut gelungen und ein Pfund. Aber auch Osnabrück hat viel zu bieten.“ Das wird von den Zahlen unterstützt: Der Einzelhandelszentralitätsindex für die Stadt lag im jüngsten Handelsmonitor bei 143 – Osnabrück hat also eine Sogkraft auf die Menschen aus dem Umland. Insbesondere, wenn es um den Bereich Bekleidung und Wäsche geht, wie das Märkte- und Zentrenkonzept zeigt. Aber auch alle anderen WaOSNABRÜCK

Während dercoronabedingtenSchließungvonHandel undGastronomiezogesnur wenigeindieInnenstadt.InsgesamtsiehtAlexander IllenseerdieCityvon OsnabrückaberaufeinemgutenWeg.

rengruppen liegen bei einem Wert von über 100. Der Einzugsbereich der Stadt liege normalerweise bei bis zu 200 Kilometern, sagt Alexander Illenseer. „Unter anderem Ostwestfalen und die Niederlande sind wichtig für uns.“ Jetzt, in der Corona-Krise, ist das anders. Der Radius ist deutlich kleiner geworden. Das merken auch die 458 der mehr als 1000 Osnabrücker Einzelhändler, die in der Innenstadt ansässig sind – auch wenn die Passantenfrequenz zuletzt im Juli nur noch rund 6 Prozent unter dem Vorjahreswert lag. „Im Mai zum Beispiel fehlen jedoch die Frequenzen der zehntägigen Maiwoche“, so Illenseer. Der Monat gehöre zu den frequenzstärksten des Jahres. Mehr als 40 Prozent der Passanten kamen dieses Mal jedoch nicht. Dennoch: Für Illenseer war die Osnabrücker Innenstadt vor der Corona-Krise, die den Einzelhandel jenseits des Lebensmittelgeschäfts stark getroffen hat, auf einem guten Weg, den Unkenrufen zu trotzen, die ein Sterben der In-

nenstädte in Deutschland voraussagen. „Wir haben einen guten Mix im Handel und in direkter City-Lage keine Ein-Euro-Shops.“ Zu den Ankerpunkten und Kundenmagneten gehört für Illenseer unter anderem L&T in der Großen Straße und dessen Welle, die derzeit geschlossen ist. Aber auch das Traditionsgeschäft Schäffer am Nikolaiort sowie dort gegenüberliegend P&C zählt er dazu. Insgesamt kommt die Hasestadt mit ihren gut 164 000 Einwohnern laut Märkte- und Zentrenkonzept auf eine Verkaufsfläche im Einzelhandel von fast 397 000 Quadratmetern. Mit 125 935 Quadratmetern liegt knapp ein Drittel der Fläche in der Innenstadt – auf 112 610 Quadratmetern davon finden Kunden alles, was nicht zum täglichen Bedarf gehört wie Mode & Co. Im Vergleich zu 2009 haben sich sowohl die Anzahl der Betriebe, die Verkaufsfläche sowie der Umsatz leicht erhöht bzw. sind nahezu konstant geblieben, heißt es im Märkte- und Zent-

Einzelhandel in Osnabrück macht weniger Umsatz Angaben in Millionen Euro Kaufkraft

1495

Umsatz

1319

1354

1386

1429

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1026

1071

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2018

2019*

873 2014 * Prognose

2015

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2017

Quelle: Handelsmonitor 2019 · Foto: Michael Gründel · Grafik: Matthias Michel

renkonzept. Allerdings ist es nicht gerade günstig, sich in der City anzusiedeln. In 1-a-Lage liegt der Quadratmeterpreis zwischen 75 und 100 Euro. Und dennoch: Leerstände gebe es in diesem Bereich kaum, sagt Illenseer nicht ohne Stolz. Wenn doch mal ein Geschäft schließt, werde schnell ein Nachmieter gefunden – wie für die ehemalige Weltbild-Filiale. Trotzdem sieht Illenseer Handlungsbedarf, nicht nur in der Corona-Krise – und appelliert an die Vermieter, sich ihrer Verantwortung gegenüber einer vitalen Innenstadt bewusst zu werden. Insgesamt wies der Handelsmonitor zuletzt im Schnitt eine Leerstandsquote von 8 Prozent aus – wobei die 17 untersuchten Quartiere sehr unterschiedlich abschnitten. Laut Illenseer sind es insbesondere die Randlagen, die Sorge bereiten – die Ausfallstraßen der einzelnen Quartiere. Hier werde es deutlich schwieriger, Nachmieter zu finden. Mittlerweile würde man in die Offensive gehen und Vermieter direkt ansprechen, damit diese bei Leerstand einen Makler einschalten oder sich an das Citymanagement wenden. Und was fehlt Osnabrück aktuell? Ein zusätzliches Angebot von Haushaltswaren täte der Innenstadt gut, findet Alexander Illenseer. Und die eine oder andere kleine Boutique, mit der sich Osnabrück von anderen Städten abheben könnte. „Solche Nischenangebote machen auch den Reiz einer Innenstadt aus und geben ihr einen individuellen Charakter.“ Ansonsten ist er jedoch zufrieden. Chancen für diese individuellen Läden abseits der Norm sieht der Geschäftsleiter insbesondere in der Altstadt. Auch kurzfristige Angebote oder Standorte mit wechselnden Konzepten hätten dort eine Chance. „In der Großen Straße würden sie überlagert. Die Menschen bekommen jedoch wieder ein Bewusstsein für Regionalität, und diesen Effekt könnten wir hier nutzen.“ Trotz all des Lobes sieht Alexander Illenseer für die Innenstadt Os-

nabrück auch viele Baustellen – angefangen mit der Entwicklung des Neumarkts. Hinzu kommt die Frage: Was wird aus dem Standort von Galeria Karstadt Kaufhof, der Ende Oktober schließt? Hier habe Osnabrück noch Glück im Unglück, so Illenseer. „Wenn wir einen solchen Leerstand am Nikolaiort hätten, wäre das Problem größer.“ Zumindest hat die Immobilie mit der Hamburger Imvest Projekt GmbH einen neuen Eigentürmer, der das 20 000 Quadratmeter große Gebäude wieder mit neuem Leben füllen will. Wie die Corona-Krise die Innenstadt insgesamt beeinflussen wird, ist für Illenseer Glaskugelleserei. „Ein wichtiger Katalysator wird das Weihnachtsgeschäft sein“, ist er überzeugt. Osabrück sei solide aufgestellt, den ganz großen Kahl-

„Wir müssen uns nicht verstecken.“ Alexander Illenseer, Geschäftsleiter Marketing Osnabrück

Archivfoto:Jörn Martens

schlag befürchtet er nicht. Er sieht jedoch Potenzial, um Handel und Gastronomie zu unterstützen. Dazu zählt, im Herbst bessere Rahmenbedingungen für Außengastronomie zu schaffen. Auch bei der Sauberkeit der Innenstadt sieht Illenseer Verbesserungspotenzial. Mit Blick auf das Thema verkaufsoffene Sonntage stehe man in Kontakt mit der Gewerkschaft Verdi, um künftig ein entsprechendes Angebot machen zu können. „Wir haben das Thema jedoch weiter gefasst als rein die Öffnung am Sonntag. Wir sprechen auch über Mobilität, faire Bezahlung etc.“ Er ist optimistisch, dass in Absprache mit Verdi noch in diesem Jahr ein verkaufsoffener Sonntag stattfinden könne. Mit Blick in die Zukunft wird laut Illenseer auch das Thema City-Logistik immer wichtiger. „Wie können Menschen künftig einkaufen, ohne die ganze Zeit Taschen durch die Gegend tragen zu müssen?“ Schäffer sei in dieser Hinsicht schon sehr weit und hat sein Konzept auch für andere geöffnet. „Es braucht eine solche Plattform, die für alle Händler zugängig ist“, sagt Illenseer. Das will er zusammen mit der Kaufmannschaft in Osnabrück angehen. „Wir müssen als Citymarketing hier sicherlich vorangehen. Letztlich wird eine solche Plattform jedoch von jedem Partner getragen.“ Chancen sieht Illenseer auch in einer noch besseren Verzahnung aller Angebote, die Osnabrück zu bieten hat. Warum nicht nach einem Zoobesuch – und der Tierpark habe ein noch weiteres Einzugsgebiet als die Einkaufsstadt Osnabrück – noch einen Abstecher in die Innenstadt machen? Oder nach dem Besuch des Nettebads? Hier sieht der Citymanager Perspektiven. Und dann ist da noch das Sorgenkind, die Johannisstraße. „Es braucht eine politische Entscheidung, welche Funktion die Straße haben soll“, sagt Illenseer. Und das Ergebnis muss für ihn nicht heißen: „Einkaufsstraße“. „Davon sollten wir uns strategisch verabschieden.“


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DONNERSTAG, 27. AUGUST 2020

SPEZIAL CITY & HANDEL

Leerstände sind noch kein großes Thema Wie die Stadt Bramsche um eine attraktive Fußgängerzone kämpft / Wohnen und Gastronomie werden wichtiger VON MARCUS ALWES BRAMSCHE „Wir bewegen uns in der Passantenfrequenz in Richtung Normalität“, sagt der städtische Wirtschaftsförderer Klaus Sandhaus, „wir stellen aber fest, dass das Kaufverhalten gerade bei den BummelEinkäufern noch nicht wieder auf dem ursprünglichen Niveau ist.“ Die Corona-Krise wirkt sich also auch in Bramsche aus. In der 31 000-Einwohner-Stadt stecken sie trotzdem den Kopf nicht in den Sand. Beispielsweise sei, so Sandhaus, „der hohe Anteil inhabergeführter Einzelhandelsgeschäfte“ aktuell ein Vorteil im Vergleich mit anderen Kommunen. In Corona-Zeiten wirke es sich zudem positiv aus, dass unlängst erst eine City-Offensive auf den Weg gebracht worden sei, ein Masterplan Innenstadt sehe zudem neue Beleuchtungen, aber auch eine Neugestaltung des Marktplatzes im Zentrum vor. „Ein weiterer Vorteil ist sicher auch, dass die Mittelzentren im Allgemeinen besser mit dem Thema Abstand zurechtkommen. Im Gegensatz zu den großen Städten funktioniert das Geschäftsmodell auch mit geringeren Frequenzen“, stellt der Wirtschaftsförderer fest.

700 Meter ist die Fußgängerzone in der Bramscher Innenstadt lang, rund 60 Händler gibt es im innerstädtischen Bereich. Die Gewerbemieten liegen zwischen sieben und 15 Euro pro Quadratmeter. Leerstände gibt es seltener zu beklagen. Die gesamte Verkaufsfläche in der unmittelbaren City liegt um 15 000 Quadratmeter herum. Nimmt man das große Möbelhaus Hardeck – ehemals Staas – hinzu, kommen noch einmal circa 40000 Quadratmeter obendrauf. Als erfreulich bewertet Klaus Sandhaus, dass in den vergangenen Jahren nicht nur mit Hardeck ein Staas-Nachfolger gefunden wurde, sondern auch das Modehaus Böckmann seine Verkaufsfläche ausgebaut hat und der Elektrofachmarkt Euronics Mösker die früheren Telepoint-Räume an der Maschstraße übernommen habe. Der Sortimentsmix stimme. Das alles sorge für Kunden aus dem gesamten Bramscher Stadtgebiet, aber auch aus den Umlandkommunen. Mittel- und langfristig erwartet der Wirtschaftsförderer aber auch Veränderungen. Die Corona-Krise beispielsweise befördere eine stärkere Nutzung von Online-Kanälen durch Kunden bei deren

MitVeranstaltungen wie dem verkaufsoffenen Sonntag unter dem Motto „Bramscher Rot“ zieht der Bramscher Einzelhandel viele Menschen an.

Bestellungen bzw. Einkäufen. „Spannend wird es sein zu sehen, ob dieser Trend auch nach Corona anhält. Dann wäre mit einer Zunahme von Leerständen zu rechnen“, zeigt Sandhaus auf. „Nach wie vor gibt aber eine deutliche Mehrheit von Befragten an, weiter im stationären Einzelhandel einkaufen zu wollen.“ Der hat zur Zeit des Lockdowns auch eine eigene Online-Initiative gestar-

Archivfoto: Holger Schulze

tet: Unter dem Titel „Bramsche bringt’s“ konnten Kunden online Waren bei Bramscher Händlern bestellen, die dann ausgeliefert wurden. Für viele Händler waren das erste Erfahrungen mit dem OnlineGeschäft. Sandhaus hofft, dass diese Ansätze weiter ausgebaut werden. Es darf also munter darüber spekuliert werden, welche Entwicklung sich durchsetzen wird.

Unstrittig ist dagegen, dass der Zuzug von Menschen in die Innenstädte anhalten wird. Auch im Mittelzentrum Bramsche, nicht ganz 20 Kilometer nördlich von Osnabrück. Die Marktplatzrandbebauung ist hier ein Beispiel. „Wohnen, Dienstleistung und Gastronomie werden in ihrer Bedeutung steigen“, sagt Sandhaus voraus. Der Einzelhandel werde in den Zentren weiterhin eine

wichtige Rolle spielen, aber er nicht mehr so dominant sein wie bislang. Ein Meilenstein auf diesem Weg dürfte das Projekt der Volksbank Bramgau-Wittlage sein. Die investiert im großen Stil in ein Apartmenthaus mit 44 Wohnungen am Marktplatz. Das ehrgeizige Millionenprojekt verleiht dem Bemühen um eine Belebung des Marktplatzes ganz neuen Schwung. Ein weiteres privates Bauvorhaben einen Steinwurf entfernt zeigt, dass Wohnen in der City in Bramsche angesagt ist. Dennoch würde der Wirtschaftsförderer sich wünschen, wenn in der Tuchmacherstadt „das Leitsortiment Mode“ und das gastronomische Angebot „noch breiter aufgestellt sein“ würden. „Wenn gute Gastronomie nachrückt, würde ich das als Gewinn für die Innenstadt sehen, weil es die Aufenthaltsqualität steigert“, sagt Sandhaus. Doch gerade die Gastronomie ist durch die Corona-Krise besonders gebeutelt. Mut machen findige Ansätze wie etwa die Sommerterrasse auf der Insel im Hasesee: Am Rande der Innenstadt hat die Stadt hier ortsansässigen Schaustellern die Möglichkeit eröffnet, ein gastronomisches Angebot zu unterbreiten. Auch hier ist Sandhaus involviert, um einerseits den Unternehmen in schweren Zeiten zu helfen und andererseits das Angebot in der Bramscher Innenstadt für den Kunden noch ein bisschen attraktiver zu machen.

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SPEZIAL CITY & HANDEL

Kein Todesstoß durch Corona Innenstadt in Meppen: Einkaufspassage gab erst neue Impulse und ist heute Sorgenkind

VON HERMANN JOSEF MAMMES MEPPEN „Wir müssen für Leben in der Stadt sorgen.“ Für den Ersten Stadtrat Bernd Ostermann heißt das für Meppen: „Wir brauchen einen Mix aus Geschäften, Wohnungen und Gastronomie.“ Wichtig sei unterm Strich, dass die Menschen weiterhin in die Innenstadt pilgern. In Meppen umfasst dies einen Bereich von 17 Hektar, der von der Propsteikirche bis zur Bahnhofstraße reicht und mit dem historischen Marktplatz auf der einen Emsseite und der Meppener Einkaufspassage auf der anderen Kanalseite zwei große Anlaufstellen besitzt. Hauptankerpunkt ist allerdings der alte Markt mit der Silhouette des historischen Rathauses aus dem Jahr 1408 bzw. 1605, eingefasst vom 260 Jahre alten historischen Stadtwall. Meppen mit seinen rund 35000 Einwohnern ist Mittelzentrum und Einzugsgebiet für 130000 Menschen von Twist bis Sögel. Zu diesem Ergebnis kommt das Einzelhandelskonzept der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (GMA). Zwei große Maßnahmen haben das Gesicht der Stadt enorm verändert. 2013 wurde in der Bahnhofstraße die Meppener Einkaufspassage (MEP) eröffnet. Bis zu diesem Zeitpunkt darbte die „kleine Meppener Fußgän-

gerzone“ vor sich hin. Es gab fast gar keinen Einzelhandel mehr. Das 55Millionen-Euro-Projekt mit einer Verkaufsfläche von über 13000 Quadratmetern lief anfangs vielversprechend an. Gerade in jüngster Zeit mehren sich jedoch die Leerstände. Ende September verlässt nach Edeka mit MediaMarkt ein weiterer Ankermieter die MEP. „Wir bedauern die Entwicklung sehr“, sagt Ostermann. Dabei habe die Stadt ihre Hausaufgaben erledigt und „alle notwendigen städtebaulichen Rahmenbedingungen geschaffen“. Hierzu zähle auch die Möglichkeit einer Gastronomie am Wasser. Doch selbst das dortige Eiscafé musste schließen. Inzwischen gibt es erste Überlegungen, ob man das Obergeschoss der MEP nicht anderweitig nutzen kann, zum Beispiel als Büros für Existenzgründer. Ein Jahr nach der MEP-Eröffnung erstrahlte 2014 auf der anderen Kanalseite der alte Markt in neuem Glanz. Die Stadt investierte 4,5 Millionen Euro in den Umbau rund um den alten Markt. „Wir kommen heute viel familienfreundlicher daher“, sagt Ostermann. So fehlt weder ein Springbrunnen mit Planschmöglichkeit noch ein Trampolin zum Toben. Für

die Events ist Geschäftsführer Ansgar Limbeck vom Stadtmarketingverein WiM (Wir in Meppen) zuständig. Seine Ideen fruchten und beleben die Innenstadt. Der Weihnachtsmarkt wächst weiter und zieht Jahr für Jahr mehr Besucher an. Die eigens eingerichtete Zählstelle in der Innenstadt registrierte im Dezember 2019 die Rekordzahl von mehr als 370000 Gästen. „Davon profitiert die Kaufmannschaft enorm“, sagt Limbeck. Früher habe sich der eine oder andere Einzelhändler noch gegen die Bude des Weihnachtsmarktes vor seinem Geschäft gewehrt. Heute sei diese als Publikumsmagnet längst willkommen. Damit noch nicht genug, holte der WiM-Geschäftsführer vor einigen Jahren die immer weniger frequentierte Kirmes direkt in die Innenstadt. Und siehe da: Dieselben großen Karussells lockten plötzlich wieder an nur vier Tagen rund 70000 Menschen an. Gewinner sind vor allen Dingen die 255 Händler, die in der Innenstadt eine Verkaufsfläche von 125000 Quadratmetern bespielen. Dabei gibt Erster Stadtrat Ostermann durchaus zu, dass sich das Stadtbild gewandelt hat. „Leerstän-

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Das55-Millionen-Euro-ProjektMEPliefanfangsvielversprechendan.Jetzthäufensichdie Leerstände.

de werden durch Cafés und Restaurants, aber auch Friseure gefüllt.“ Und gerade in den Obergeschossen entstehen immer häufiger Wohnungen. Corona habe der Meppener Innenstadt keinesfalls den Todesstoß versetzt. So gab es sogar drei Neueröffnungen in dieser Zeit: „Weitere drei werden in Kürze folgen“, verrät Citymanagerin Janine Wester, die seit Mai 2019 Fürsprecherin, Kümmerin und Moderatorin für den Einzelhandel ist. Darunter ein „lukratives Restaurant“, wie sie sagt. Westers Stelle ist Teil des bereits 2015 entwickelten Masterplans 2030. Nach ihrer Einschätzung gibt es trotz Corona-Pandemie im Meppener Einzelhandel sogar „eine verhalten optimistische Stimmung“. Und abgesehen von den Problemen mit der MEP sei die Kaufkraft der emsländi-

schen Kreisstadt sogar gestiegen. Ein Erfolgsmodell seien die vielen inhabergeführten Geschäfte. Gerade diese Einzelhändler garantierten einen bunten Mix an Angeboten. Namentlich führt sie Mode Böckmann oder das alteingesessene Spielwarengeschäft Wöbker an. Auch mit Blick auf den dritten großen Gewerbestandort „Meppen-Nödike“ drei Kilometer außerhalb der Fußgängerzone sagt Bernd Ostermann: „In Meppen fehlt nichts.“ Das ganze Einzelhandelsspektrum werde abgedeckt. Für ein Mittelzentrum stehe Meppen gut da. Allerdings sieht sich die Stadt weiter in der Pflicht. Sie unterstützt finanziell junge Menschen, die ein Geschäft in der Innenstadt eröffnen wollen, mit bis zu 5000 Euro. Auch dies verhindert im besten Fall weitere Leerstände. „Die gibt es, aber in jüngs-

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ter Zeit gelingt es immer öfter, Nachfolgemieter zu finden“, sagt Wester. Die Industrie- und Handelskammer Osnabrück – Emsland – Grafschaft Bentheim sieht dies ähnlich, bescheinigt aber zugleich der Kreisstadt „verhältnismäßig viele Leerstände“ in der Meppener Einkaufspassage. Dabei schwanken die Mieten zwischen sieben und 20 Euro pro Quadratmeter. Insgesamt gehen die Verantwortlichen in Meppen nicht davon aus, dass sich die Zahl der Leerstände durch Corona in der Innenstadt erhöhen werden. Die Zählstelle in der Innenstadt zeige nach einem drastischen Rückgang der Besucherzahlen im Mai 2020 von 30 Prozent zum Vorjahresmonat, dass sich die Situation entschärft. Im Juli betrug der Rückgang zum Vorjahr laut Zählkamera in der Fußgängerzone nur noch 7,5 Prozent.

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SPEZIAL CITY & HANDEL

SPEZIAL CITY & HANDEL

Krise auch als Chance verstehen? Beim Wirtschaftstalk diskutierten Mechthild Möllenkamp, Werner Heckmann und Mark Alexander Krack über die Lage und Zukunft der Innenstädte Hoffnung, dass Prognosen für die Citys nicht eintreten, bleibt. Digitalkompetenz mithilfe von Fördergeldern ausbauen. Innenstadtlagen dürfen nicht nur für Filialisten bezahlbar sein. VON NINA KALLMEIER UND BERTHOLD HAMELMANN OSNABRÜCK/MEPPEN/LINGEN/

5000 Innenstadthändler weniger in Niedersachsen und City Center, die vom Aushängeschild einer ganzen Stadt zu Geisterzonen werden? Das Bild, das derzeit von der Zukunft der Innenstädte gemalt wird, ist düster. Beim Wirtschaftstalk haben die Präsidentin des Handelsverbands Osnabrück-Emsland, Mechthild Möllenkamp, und Werner Heckmann, Geschäftsführer vom Modehaus Schröder in Haselünne sowie Vorsitzender des Werbekreises, zusammen mit Mark Alexander Krack, Hauptgeschäftsführer des Handeslverbands Niedersachsen-Bremen, über die Lage der Innenstädte, Digitalisierung und Maßnahmen der Politik diskutiert. Wie eine leer gefegte Innenstadt aussieht, darauf hat die Corona-Pandemie gerade über Wochen eindrucksvoll einen Vorgeschmack gegeben. Bislang bleibt das eine Momentaufnahme. Vier Monate nach dem Lockdown des Einzelhandels sagt Mechthild Möllenkamp: „Die Frequenzen sind wieder auf Vorjahresniveau.“ Ähnliches sieht es Werner Heckmann in Haselünne. „Viele Emsländer sind jetzt im Urlaub zu Hause geblieben, und gleichzeitig hat es doch viele aus Nordrhein-Westfalen ins Emsland gezogen“, sagt er. Die Ferienhäuser und Campingplätze seien gut gebucht. Doch eines sei auch klar, da sind sich Möllenkamp und Heckmann einig: Die Umsätze sind längst nicht wieder auf Vor-Krisen-Niveau, und wettmachen lässt sich der Umsatzausfall des Lockdowns ebenfalls nicht – auch wenn der Durchschnittsbon derzeit höher liege als sonst, wie Heckmann meint. „Die Lage ist aber nicht mehr beängstigend schlimm in Osnabrück“, ist Mechthild Möllenkamp vorsichtig optimistisch. Auch wenn die Kunden die Läden schneller wieder verließen. Vor bis zu 50000 Insolvenzen im innenstädtischen Einzelhandel hat der Handelsverband Deutschland (HDE) bundesweit gewarnt. Rund zehn Prozent – also etwa 5000 – von ihnen könnten auf Niedersachsen fallen, sagt der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Niedersachsen-Bremen, Mark Alexander Krack. „Stand heute zeichnet sich das aber so nicht ab.“ Aber auch er betont: Frequenz und Umsatz NORDHORN

„Nehmt den Digitalbonus in Anspruch.“ Mechthild Möllenkamp, Präsidentin Handelsverband Osnabrück-Emsland

in Niedersachsen seien oftmals noch nicht auf dem Vorjahresniveau angekommen. „Und viele Betriebe profitieren aktuell noch von coronabedingten finanziellen Hilfen und Kurzarbeit“, gibt Krack zu bedenken. „Die ganze Wahrheit sieht man erst, wenn diese Hilfen ausgelaufen sind. Ich hoffe aber, dass die Zahl an Betriebsschließungen sich für Niedersachsen nicht bewahrheitet.“ Also doch ein Tod der Innenstädte auf Raten? Künstlich am Leben gehalten durch Finanzspritzen? Attraktiv sei die Osnabrücker Innenstadt, findet Mechthild Möllenkamp. „Osnabrück bekommt von mir eine 1. Ich nehme allerdings den Bereich rund um den Neumarkt ausdrücklich raus“, schränkt die Unternehmerin ein und schließt eine Forderung an die Stadtpolitik an: „Es ist wichtig, wieder die Entscheidungshoheit zu bekommen, indem die Stadt das Gelände kauft.“ Vom NeumarktAreal abgesehen, seien Gäste, die sie durch die Stadt führe, jedoch immer wieder positiv von der Hasestadt überrascht. „Osnabrück ist vielleicht die meistunterschätzte Stadt mit wunderschönen Ecken. Wir müssen uns nicht verstecken. Das zeigt auch die hohe Frequenz aus dem Umland.“ Verstecken muss sich auch die Stadt Haselünne nicht, zumal auch sie Kunden aus dem Umland anzieht. „Wir liegen verkehrsgünstig“, erklärt Werner Heckmann. Sowohl die B213 aus den Niederlanden als auch die B402 aus dem Lingener Raum führten nach Haselünne und dann weiter in Richtung Bremen und Hamburg. Außerdem gebe es einen guten Dialog mit der Politik, sagt Heckmann. „Es wird gesprochen und dann auch gemacht. Ich sage immer: Wichtig ist nicht das Pflaster, auf dem gelaufen wird, sondern wie dieses mit Inhalten gefüllt wird. Die Spielgeräte, die Verweilzonen, die barrierefreien Übergänge über die Straße, das braucht eine Einkaufsstadt“, betont der Vorsitzende des Werbekreises. Dieser Dialog sei in einer kleinen Stadt durchaus einfacher, so die Erfahrung von Mark Alexander Krack. Für Osnabrück sieht Mechthild Möllenkamp hier den Fokus auch auf den kleineren Einheiten, die sich um ihre jeweiligen Straßenzüge kümmern würden. „Die Werbegemeinschaft der Krahnstraße zum Beispiel ist hier sehr aktiv, unter anderem wenn es um die Weihnachtsbeleuchtung geht.“ Mark Alexander Krack ergänzt: „Die Attraktivität einer Stadt hängt aber auch davon ab, was sie insgesamt zu bieten hat.“ Historische Impulse, Kulturgeschichte, wirtschaftliche Anziehungspunkte – all das könne eine Stadt in den Ring werfen, um Menschen anzuziehen. Doch was wird aus dem Handel, der lange Zeit die Innenstädte geprägt hat? Konkurrenz von der „grünen Wiese“ war und ist das eine, auch wenn die Shoppingzentren ebenso schwächeln wie die City Center. Die Angebote im Netz sind das andere. „Das wird aber auch nicht weggehen“, ist Krack pragmatisch. „Es kommt die Generation – und damit die nächste Generation Kunde – die mit dem Smartphone aufgewachsen ist. Für sie ist es ganz selbstverständlich, das Mobiltelefon auch zum Einkaufen zu nutzen. Hier kommt es darauf an, dem stationären Handel wieder ein Gesicht zu geben, zu beraten, denn auf Emotionen reagieren kann Alexa noch nicht.“ Den Handel in Osnabrück sieht Möllenkamp gut aufgestellt, wenn es um das Thema Digitalisierung geht. „Der eine ist schon weiter, der andere weniger, aber insgesamt sind wir auf einem guten Weg“, betont die Chefin des Handelsverbands. Erstere habe die CoronaKrise auf ihrem Weg bestätigt, den anderen die Notwendigkeit gezeigt, die Digitalisierung zu beschleunigen. „Ich selbst betreibe seit vier Jahren einen Onlineshop mit zwischen 7000 und

STECKBRIEF

Werner Heckmann, Geschäftsführer Schröder Mode und Vorsitzender des Werbekreises Haselünne

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ehr als 150 Jahre gibt es das Modehaus Schröder bereits, dessen Leitung Werner Heckmann heute innehat. Bereits in fünfter Generation wird das Unternehmen in Familienhand geführt. Vor rund 14 Jahren reichte Hubert Schröder die Geschäftsführung an Christina Heckmann, geborene Schröder, und Werner Heckmann weiter. Als Textilgeschäft mit Gemischtwarenabteilung von Theodor Flerlage gegründet, beschäftigt das

Foto:IHK

Modehaus Schröder heute rund 100 Mitarbeiter. Werner Heckmann ist jedoch nicht nur Unternehmer, sondern auch seit vielen Jahren im Werbekreis Haselünne aktiv. Erst Anfang dieses Jahres ist er erneut als Vorsitzender bestätigt worden. Mehr als 50 Mitglieder aus den Bereichen Handel, Gastronomie und Dienstleistung haben sich im Werbekreis der Korn- und Hansestadt zusammengeschlossen.

STECKBRIEF

Mechthild Möllenkamp, Präsidentin Handelsverband Osnabrück-Emsland

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ereits seit 1997 ist Mechthild Möllenkamp Mitglied des erweiterten Präsidiums des Handelsverbandes Osnabrück-Emsland. Seit 15 Jahren steht die gebürtige Georgsmarienhütterin dem Verband auch als Präsidentin vor. 2015 übernahm sie dieses Amt auch im Handelsverband Niedersachsen-Bremen, dessen Vizepräsidentin sie seit 2005 war. Möllenkamp ist gelernte Einzelhandels-

Foto:Möllenkamp

kauffrau und staatlich geprüfte Handelsbetriebswirtin. Ihre Ausbildung absolvierte sie im elterlichen Betrieb, den sie im Januar 1999 übernahm. Zu den beiden Aktivmärkten Rehmstraße und Sutthausen sind heute zwei weitere AktivMärkte sowie das E-Center Wulfter Turm hinzugekommen. Auch im Verkehrsverein Osnabrück ist die Unternehmerin seit 2005 Mitglied des Vorstands.

STECKBRIEF

Mark Alexander Krack, Hauptgeschäftsführer Handelsverband Niedersachsen-Bremen

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eit rund zwei Jahren ist Mark Alexander Krack neuer Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Niedersachsen-Bremen (HNB). Damals vertrat der Verband die Interessen von 31000 Einzelhandelsunternehmen mit mehr als 300 000 Mitarbeitern im Verbandsgebiet, die einen jährlichen Umsatz von 51 Milliarden Euro erwirtschafteten. Der gebürtige Bonner war bereits zwischen 2001 und 2005 für den

8000 Artikeln im Lebensmittelbereich“, so Möllenkamp. Das sei allerdings nicht das klassische Sortiment, das Kunden online bestellen. „Wahrscheinlich auch, weil der Bedarf in der Nähe gut gedeckt werden kann und die Öffnungszeiten – häufig zwischen 7 und 22 Uhr – sehr gut sind.“ In anderen Bereichen jedoch sei das anders. Hier verweist die Handelsexpertin auch auf den Digitalbonus der Landesregie-

rung, der die Digitalisierung kleiner und mittlerer Unternehmen fördert. „Nehmt das in Anspruch“, so Möllenkamp mit Blick auf den Einzelhandel. Gerade die Corona-Krise habe gezeigt, wie wichtig es ist, dass der Handel sich dem Thema Digitalisierung widmet, sagt auch Krack. Er sieht auch den niedersächsischen Handel auf einem guten Weg – auch wenn der eine oder andere selbst noch keinen Eintrag auf

Foto:Krack

HNB tätig und anschließend Geschäftsführer des Handelsverbands Harz-Heide. Dort ist der Volljurist insbesondere für die juristische und wirtschaftspolitische Interessenvertretung von Handelsunternehmen jeder Art und Größe zuständig und leitet die Verbandsgeschäftsstelle in Braunschweig. Die Tätigkeit als Hauptgeschäftsführer des Landesverbandes hat Krack zusätzlich zu seinen bestehenden Aufgaben übernommen.

Google-Maps habe. „Manche wissen gar nicht, dass das kostenlos ist.“ In Haselünne habe man auch mit dem Thema – und hier insbesondere Social Media – früh angefangen, sagt Werner Heckmann. „Wir haben seitens der Werbegemeinschaft für unsere Mitglieder vor drei Jahren die ersten Facebook-Schulungen angeboten“, blickt der Vorsitzende zurück. Dabei habe er jedoch auch Überzeugungsarbeit leis-

ten müssen. Heute ist Instagram als Plattform hinzugekommen. Dabei gehe es nicht vorrangig darum zu verkaufen. „Das ist zu kurz gesprungen“, so Heckmann. Es gehe vor allem um die Kommunikation, darum, Kontakt mit Kunden zu halten – auch wenn Heckmann selbst während des Lockdowns Social Media dazu genutzt hat, einen Taxi-Service anzubieten. „Gerechnet hat sich das nicht,

„Man muss genau auswählen, wo man präsent sein will.“ Mark Alexander Krack, Hauptgeschäftsführer Handelsverband Niedersachsen-Bremen

aber darum ging es auch nicht.“ Gesicht zu zeigen, das ist es, was auch für Mark Alexander Krack die Social-Media-Präsenz des Handels ausmacht. „Man muss jedoch auch genau auswählen, wo man sein muss. Ist das Facebook, Instagram oder gar TikTok? Das hängt ganz von der Zielgruppe ab.“ Vom Landtag seien jüngst zehn Millionen Euro im Nachtragshaushalt eingestellt worden, die den Einzelhandel bei Beratungen genau in diese Richtung unterstützen sollen, so Krack – das sei auch ein Erfolg der Handelsverbände. Um diese Social-Media-Kanäle zu bespielen, setzt der Verbandschef auf die junge Generation. Gleiches gilt für Mechthild Möllenkamp. „Es braucht keine neuen Mitarbeiter. Bei uns betreuen ein Auszubildender und eine junge Kollegin gemeinsam mit mir die Facebook-Seite.“ Kommentare beantworten, Posts einstellen und planen, all das gehöre dazu. „Das ist kostenlose Werbung. Wenn wir ein Gewinnspiel machen, haben wir bis zu 3000 Klicks. Bei einem Flugblatt erreiche ich nicht, dass sich so viele Menschen damit beschäftigen“, ist sich die Unternehmerin sicher. Doch wie profitieren davon nun die Innenstädte? Die Kundenkommunkation und Social Media als Schaufenster bringen die Menschen noch nicht in die Stadt. Hier zählen für Möllenkamp auch zusätzliche Faktoren – wie die Erreichbarkeit. „Die Politik darf nicht aus den Augen verlieren, dass immer noch viele Kunden mit dem Auto aus dem Umland in die Stadt kommen. Das dürfen wir nicht verdammen“, warnt sie. Auch Verkehrsteilnehmer wie Autofahrer und Fahrradfahrer gegeneinander auszuspielen helfe nicht weiter. Mit Blick auf die Autofahrer würden große Baustellen, unzählige Blitzer und teure Parkhäuser jedoch nicht dazu beitragen, die Attraktivität einer Innenstadt zu steigern. Und gerade mit Blick auf die Parksituation könnten kleinere Städte punkten. Das kann Werner Heckmann nur bestätigen. „Parken ist bei uns ganz entspannt“, sagt er. „Wir haben ein gutes Angebot.“ Es wird viel über die negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Innenstädte gesprochen, die Krise als Beschleuniger des Wandels. Doch gibt es auch Chancen? Für Werner Heckmann heißt diese Antwort: ja. „Corona hat die Innenstädte wieder vorne auf die Tagesordnung gebracht“, ist er überzeugt. „Die Krise hat gezeigt: Wir verlieren auch ein Stück Lebensgefühl, wenn die Innenstädte sterben.“ Für Mechthild Möllenkamp kommt hier das leidige Thema „Sonntagsöffnung“ ins Spiel. „Die Gewerkschaft macht uns hier – auch schon vor Corona – immer wieder einen Strich durch die Rechnung.“ Die strikte Haltung Verdis setzt für Möllenkamp auch Arbeitsplätze aufs Spiel. „Bei der Sonntagsöffnung geht es nicht um Umsatz, sondern um Sichtbarkeit, um Menschen künftig wieder in die Städte zu bringen, weil sie die Vielfalt schätzen lernen.“ Der Sonntag sei immer nur eine Ergänzung, betont Möllenkamp. Einge-

bettet in andere Maßnahmen zur Förderung der Innenstädte – und eingebettet in ein Event, was allerdings derzeit unter Corona-Bedingungen schwer möglich sei. Das betont auch Werner Heckmann und verweist unter anderem auf die „größte Sandkiste im Emsland“, die Menschen aus nah und fern nach Haselünne zog. „Sonst lohnt sich eine Sonntagsöffnung auch nicht.“ Auch Mark Alexander Krack betont: „Der Handel will keine Sonntagsöffnung an 52 Wochen im Jahr. Das ist absoluter Quatsch.“ Das ließe sich überhaupt nicht darstellen. Und auch jetzt, in der Corona-Krise, gehe es bei einer Sonntagsöffnung darum, in den Köpfen der Menschen wieder eine Rolle zu spielen. Kann die Corona-Krise auch etwas Gutes bringen? Im Bereich der Handelsmieten hofft Mechthild Möllenkamp darauf. Osnabrück ist ein teures Pflaster – auch im niedersächsischen Vergleich. „Für die Krise haben viele mit ihrem Vermieter eine Einigung über Mietstundungen oder Ähnliches treffen können“, sagt Möllenkamp. „Die Krise bietet jedoch hoffentlich die Chance, die Handelsmieten wieder auf ein vernünftiges Niveau zu senken, sodass sich auch kleine Einzelhändler wieder ansiedeln.“ Aktuell seien die Mieten so unbezahlbar, dass sich meist nur Filialisten sie leisten könnten. „Auch Vermieter sollten ein Interesse daran haben, dass der Standort attraktiv bleibt, und das bleibt er nur, wenn das Gesamtbild aus Gastronomie, individuellem Handel und filialisierenden Unternehmen passt.“ Mit Blick auf die Politik würde sich Mechthild Möllenkamp mehr Weitsicht in den Entscheidungen wünschen. „Sie denkt in Wahlperioden, ich als Unternehmerin habe einen deutlich längeren Zeithorizont.“ Entscheidungen würden nicht von heute auf morgen getroffen – das zeige sich an der Johannisstraße und dem langen Sterben des Einzelhandels dort. „Mit der Schließung des Neumarkttunnels hat der Tod der Johannisstraße begonnen“, blickt Möllenkamp zurück. Einmal weg, komme er jedoch selten wieder. „Die große Herausforderung wird sein, auch in Zukunft attraktive Rahmenbedingungen zu schaffen“, ergänzt Mark Alexander Krack. Hier sieht Werner Heckmann jedoch – auch wenn er für die Innenstädte optimistisch ist – noch viel Luft nach oben. „Die Politik hat uns in den letzten Jahren viele Steine in den Weg gelegt.“ Als Beispiele nennt er die unsichere Lage zur Sonntagsöffnung, den Verzicht des Handels auf kostenfreie Tragetaschen und das Handling von Kundendaten nach dem neuen Datenschutzgesetz ebenso wie die Pflicht zu elektronischen Kassen – eine Investition, die zumindest in Niedersachsen nicht bis Ende September umgesetzt sein muss. Gleichzeitig, so kritisiert Heckmann, gebe es ähnliche Restriktionen für den Onlinehandel nicht. Die Pakete würden weiter viel Verpackungsmüll verursachen, mit Plastik würde aufgefüllt, und auch elektronische Kassen tangieren die Online-Konkurrenz nicht. „Diese Nostalgie, wieder kleine Geschäfte in der Innenstadt haben zu wollen, funktioniert nur, wenn dereguliert wird.“ Hier sieht auch Mark Alexander Krack die Aufgabe des Handelsverbands, für den stationären Handel einzustehen und die Stimme zu erheben. Und was braucht nun eine Innenstadt der Zukunft? Für Mechthild Möllenkamp ist das ein Mix zwischen Gastronomie, Handel und Event. „Ich glaube an den stationären Einzelhandel“, sagt sie und erntet Zustimmung von Heckmann und Krack. „Ein schönes Kleid zu kaufen, eine Verkäuferin, die einem dazu noch ein nettes Kompliment macht, vom dem jede Frau zu wenig bekommt, das lässt sich nicht ersetzen.“

Illustration:Colourbox.de


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DONNERSTAG, 27. AUGUST 2020

SPEZIAL CITY & HANDEL

Lingens Innenstadt als Gemeinschaftsprojekt Einkaufsgutschein mit Bonus erweist sich in der Corona-Krise als gutes Förderinstrument für Handel und Gastronomie VON THOMAS PERTZ LINGEN Sommer 2020 in Lingen: Eine Menge los ist in der Innenstadt, vor allem an den Wochenenden. Die Parkhäuser sind voll, viele Kennzeichen verweisen auf Kunden aus den Niederlanden. Die Besucherfrequenz war im Juli an den Samstagen mit 157 260 höher als im Vorjahresmonat (146 266), verlautet aus dem Rathaus. Auch auf den ganzen Juli bezogen, ergab die Passantenfrequenzmessung in der Innenstadt mit 908 097 Menschen einen ähnlich hohen Wert wie im Juli letzten Jahres (939 007). Ist Corona in Lingen ausgefallen? Leider nein. Natürlich hat die Pandemie auch die mit über 57 500 Einwohnern größte Stadt im Emsland erwischt. Geschlossene Geschäfte gab es während des wochenlangen Lockdowns und eine verzweifelte Kaufmannschaft, die sich schließlich Anfang Juni mit einem Hilferuf an die Stadt wandte. Die reagierte. Innerhalb weniger Tage beschlossen der Stadtrat und die Verwaltung parteiübergreifend ein Bündel von Maßnahmen mit der Überschrift „Lingener Einkaufssommer“. Unter dem Motto „Wir schenken unseren Kunden die Mehrwertsteuer“ startete die Stadt ein „einzigartiges lokales Konjunkturpaket für den Lingener Einzelhandel und die Gastronomie“, wie Oberbürgermeister Dieter Krone unterstreicht. Wer ab dem 1. Juli einen Einkaufsgutschein über 100 Euro kaufte, bekam 16 Euro geschenkt. 160 000 Euro bewilligte der Rat für die Aktion. Der Verkauf sollte bis August laufen. Tatsächlich waren die so „veredelten“ Gutscheine bereits Ende Juli ausverkauft. „Sie haben den Einzelhandel innerhalb von drei Wochen mit zusätzlichen 1,5 Millionen Euro unterstützt“, zieht Krone eine überaus positive Bilanz. Die Gutscheine können ausschließlich in 130 Lingener Geschäften und Gastronomiebetrieben eingelöst werden. Flankiert wird der „Einkaufssommer“ bis Ende August von zwei weiteren Maßnahmen kostenlosem Parken und Busfahren an Samstagen, eingerahmt von einem Kultur- und Familienprogramm. Insgesamt hatte sich die Kommune die Unterstützung des

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Handels und der Gastronomie 350 000 Euro kosten lassen. „Wir wollten für mehr Liquidität sorgen in der Corona-Krise“, sagt Krone. Der „Lingener Einkaufssommer“ ist aber auch deshalb ein Erfolg geworden, weil die Rahmenbedingungen für den Einzelhandelsstandort in der Stadt insgesamt stimmen. Das machen Zahlen deutlich. Im IHK-Bezirk nimmt Lingen nach eigenen Angaben mit einer einzelhandelsrelevanten Kaufkraft von über 310 Millionen Euro einen vorderen Platz ein, ebenso beim einzelhandelsrelevanten Umsatz (336 Millionen Euro). Im Umkreis von 20 Kilometern wohnen 200 000 Einwohner; im Umkreis von 30 sind es 450 000 und im Umkreis von 60 Kilometern 2,3 Millionen Einwohner. Die 16,6 Hektar große Innenstadt verfügt über rund 35 500 Quadratmeter Verkaufsfläche. Etwa 230 Einzelhändler bieten in der Stadt ihre Produkte an. Der Marktplatz, ebenso wie die Fußgängerzone in den vergangenen Jahren mit großem finanziellen Aufwand saniert, ist nicht nur optischer Mittelpunkt. Er ist auch das Kommunikationszentrum der Stadt, wie an den Wochenmarkttagen mittwochs und samstags deutlich wird. „Wir haben aktuell eine relativ geringe Leerstandsquote“, erklärt Wirtschaftsförderer Ludger Tieke. Er spricht von unter zehn Geschäften – und dies in einer Phase, die „keine Gründerzeit für den Einzel-

Ein Blick in dieLookenstraßein derLingenerInnenstadt.

handel ist“. Nicht die einzige, aber doch eine gewichtige Erklärung für die hohe Einkaufsqualität in der Innenstadt – trotz des Drucks von außen wie der Konkurrenz aus dem Onlinehandel – ist am oberen Ende der Lookenstraße zu finden. Dort befindet sich das Einkaufszentrum „Lookentor“. Im Jahr 2007 eröffnet, hat das vom Lingener Projektentwickler Hermann Klaas errichtete Lookentor mit seinen 50 Geschäften der Innenstadtentwicklung insgesamt gutgetan. Leerstände hat es dort seit der Eröffnung vor 13 Jahren zu keinem Zeitpunkt gegeben, allenfalls kurzfristige Schließungen wegen Umbauarbeiten bei Mieterwechseln. „4,5 Millionen Besucher hatten wir im vergangenen Jahr“, berichtet Centermanager Patrick Stürmer. Die Zahl sei in den vergangenen Jahren konstant geblieben. 2017 habe sie im Zusammenhang mit Sonderaktionen zum zehnten Geburtstag sogar noch etwas höher gelegen. Das große Plus des Lookentors ist seine räumliche Integration in die

„Wir wollten für mehr Liquidität in der Corona-Krise sorgen.“ Dieter Krone, Oberbürgermeister

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Foto: LarsSchröer

Innenstadt. Die Einkaufspassage ist kein Fremdkörper, der abgeschottet vom übrigen Handelsgeschehen seine eigenen Geschäfte macht, sondern Bestandteil der City. Sie verbindet die Lookenstraße und Marienstraße miteinander, die beide wiederrum auf den Markt einmünden. Für Lookentor-Geschäftsführerin Anne Klaas ist klar: „Wir sind ein Teil der Innenstadt, aber wir funktionieren nur, wenn auch die Innenstadt funktioniert.“ Damit beschreibt sie aus ihrer Sicht gleichzeitig das Aufgabenfeld in der Zukunft: Dazu zählt sie unter anderem vor allem eine Chancengleichheit gegenüber Fachmarktzentren außerhalb des Zentrums. Diese müsse ähnliche Vorteile haben wie Fachmarktzentren, was das Parken und die Erreichbarkeit anbelange. Eine Teilöffnung der Burgstraße für Autos zählt für sie

ebenfalls nicht zu den Gedankenverboten. Dem Online-Handel, der an Sonntagen seine größten Umsätze macht, mit lediglich vier verkaufsoffenen Sonntagen für den stationären Handel zu begegnen kann nach ihrer Auffassung auch nicht das letzte Wort sein. Die insgesamt positive Wirkung des Lookentors als Impulsgeber für den innerstädtischen Einzelhandel darf aber nicht außer Acht lassen, dass es auch andere Stimmen in der Kaufmannschaft gibt. Solche zum Beispiel, die von einer zu starken Verschiebung der Einkaufsaktivitäten Richtung Looken- und Marienstraße sprechen. Dagegen fallen die Burg- und Große Straße ab. Dem Marktplatz als Drehscheibe für Kunden und Besucher der Stadt kommt deshalb auch in den nächsten Jahren eine besondere Bedeutung zu. Was wird aus dem

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Sparkassengebäude, wenn die Sparkasse nach dem Ende 2020/Anfang 2021 startenden Komplettumbau ihrer zweiten Immobilie im Zentrum umgezogen ist? Noch ist wegen der langen Zeitspanne bis zum Umzug nichts spruchreif, was die Art und Weise der Nachnutzung des Gebäudes auf dem Markt anbelangt. Aktuell wird in Lingen ein Masterplan entwickelt, an dem verschiedene Akteure aus der Kommunalpolitik, Verwaltung, Kaufmannschaft etc. mitwirken, um ein Bild von der künftigen Innenstadt zu skizzieren. Eine große Chance, Fehlentwicklungen zu korrigieren und den Sanierungsstau im privaten und öffentlichen Sektor zu beheben, bieten Städtebaufördermittel des Landes. Rund drei Millionen Euro stehen für die zentral gelegene Große Straße und Schlachterstraße zur Verfügung. Hier komme es nun auch auf die privaten Eigentümer an, sich einzubringen, so Krone und Tieke. Lingens Innenstadt als Gemeinschaftsprojekt: Da schließt sich der Kreis zum „Einkaufssommer 2020“.

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Als „Wasserstadt“ punkten Corona-Folgen für Einzelhandel in Nordhorn noch nicht absehbar VON SEBASTIAN HAMEL NORDHORN Die Hauptstraße in Nordhorn trägt ihren Namen nicht umsonst: Heute ist sie als Teil der Fußgängerzone die bedeutsamste Flaniermeile im Stadtzentrum – doch bis 1986 rollte hier der Auto- und Lastwagenverkehr durch die City. Gleich zwei Bundesstraßen – die B213 und die B403 – verliefen auf der Trasse zwischen Bentheimer-Tor-Brücke und Lingener-Tor-Brücke und machten die Einkaufstour mitunter zur gefährlichen Angelegenheit. Die Sperrung der Hauptstraße für Kraftfahrzeuge vor 34 Jahren stellt bis heute einen der wichtigsten Meilensteine in der Innenstadtentwicklung dar. Die 55000 Einwohner zählende Kreisstadt des Landkreises Grafschaft Bentheim liegt in direkter Nachbarschaft zu den Niederlanden: Die südwestliche Stadtgrenze ist auch Staatsgrenze. Kein Wunder also, dass auf den Parkplätzen im Zentrum regelmäßig ebenso viele gelbe wie weiße Kennzeichen zu sehen sind. Das 2012 erstellte Einzelhandels- und Zentrenkonzept für die Stadt weist eine Gesamtverkaufsfläche von knapp 160000 Quadratmetern aus, die sich auf gut 400 Händler verteilt. Die Gewerbemie-

ten in der Nordhorner 1-a-Lage bewegen sich laut Industrie- und Handelskammer (IHK) zwischen 20 und 30 Euro pro Quadratmeter. Seit dem Niedergang der Textilindustrie, als Nordhorn noch den Beinamen „Textilstadt im Grünen“ trug, wurde mehr und mehr der „Wasserstadt“-Charakter betont und für Marketingzwecke genutzt. Das Wasser prägt insbesondere die Innenstadt, deren Insellage ein Herausstellungsmerkmal ist: Die Vechte, welche die Grafschaft von Südosten nach Nordwesten durchquert, teilt sich vor dem Stadtzentrum in zwei Arme auf, die den Kernbereich der City umschließen – was mithin eine Umrundung per Ausflugs- oder Tretboot ermöglicht. Zwei zentrale Ankerpunkte der City sind das 2006 eröffnete Einkaufszentrum „Rawe-Ring-Center“ nordwestlich der Innenstadt sowie die „Vechte-Arkaden“, die 2002 am Standort des ehemaligen Warenhauses „Kaufring“ entstanden. Die Fäden der „VechteArkaden“ laufen seit einem Jahr bei Center-Manager Thomas Eggert zusammen, der die zweistöckige Shopping-Passage in voll vermietetem Zustand übernahm. Auf 7000 Quadratmetern Fläche sind unter anderem Ge-

Blickin die Hauptstraße,die wichtigsteFlaniermeileNordhorns, die seit1986 als Fußgängerzone ausgebautist. Foto:Sebastian Hamel

schäfte wie „H&M“, „Esprit“ oder „Jack&Jones“ angesiedelt. Eggert sieht die Arkaden in gutem Zustand, stellt aber auch fest, selbst an guten Tagen etwas abgeschnitten zu sein vom wesentlichen Passantenstrom, der sich durch die Hauptstraße bewegt. Als eines seiner Ziele nennt er, den Platz vor den „Vechte-Arkaden“ wieder mehr zu beleben. Das „Ring-Center“ wurde auf dem großflächigen Areal der früheren Textilfabrik „Rawe“ angelegt. Neben einem „toom“-Baumarkt sowie dem „Marktkauf Manfred Kutsche“ finden sich dort unter anderem Bekleidungsgeschäfte, eine Drogerie und ein Fitness-Studio unter einem Dach. Die

Eröffnung wurde seinerzeit nicht unkritisch gesehen, und manch einer befürchtete gar den „Untergang der Innenstadt“ durch das neue Center. „Aber das Gegenteil ist eingetreten“, sagt Karsten Müller, Leiter der Wirtschaftsförderung der Stadt Nordhorn. „Es befruchtet sich gegenseitig.“ In der Nordhorner Einzelhandelslandschaft finden sich noch mehrere inhabergeführte Geschäfte. Udo und Heike Matenaar etwa betreiben seit 30 Jahren ihrSporthaus„IntersportMatenaar“: „Wir stecken viel Herzblut hinein, arbeiten sieben Tage in der Woche und sind auch immer im Laden präsent“, sagen sie. Seit rund drei Jahren bekleidet Heike Matenaar zudem das

Amt der Sprecherin der Innenstadtkaufleute im Verkehrs- und Veranstaltungsverein (VVV) Nordhorn. Ein Thema, das bei den Versammlungen immer wieder auf der Tagesordnung steht, ist die Parksituation. Viele Händler wünschen sich kostenfreie Parkflächen, um mehr Besucher in die Innenstadt zu locken. Seitens der Stadt werden die Gebühren, die zum Beispiel auf dem NeumarktParkplatz anfallen und bei 50 Cent pro halbe Stunde und maximal 4 Euro am Tag liegen, für vertretbar gehalten. Auf dem privat bewirtschafteten Parkplatz am „Ring-Center“ sind die ersten zwei Stunden kostenlos, was in der Vergangenheit bereits von politi-

schen Vertretern als „Schieflage“ betrachtet wurde. Der jüngste Handelsmonitor für Mittelzentren der IHK aus dem Jahr 2018 bescheinigt Nordhorn insgesamt eine „gute Entwicklung in einem dynamischen Wettbewerbsumfeld“. Die einzelhandelsrelevante Zentralität bewegt sich seit Jahren um einen überdurchschnittlichen Wert 149. Der Rückgang der Passantenfrequenz von 10 Prozent zwischen 2015 und 2018 entspricht dem Durchschnitt der Mittelzentren. Hinsichtlich der Leerstände weist der Handelsmonitor eine Quote von 6 Prozent auft. Hier ist allerdings anzumerken, dass in der Hauptstraße kein Leerstandsproblem besteht, sondern eher die Nebenstraßen davon betroffen sind. Wie sich die Corona-Krise in diesem Zusammenhang auswirkt, mag niemand recht beurteilen. Ab dem 11. September wollen das VVV Stadt- und Citymarketing zusammen mit der Stadt Nordhorn und der Kaufmannschaft einen zweimonatigen Aktionsplan zur Befeuerung des Einzelhandels umsetzen, der in Verbindung steht mit Events wie dem „Heimat shoppen“ der IHK sowie dem in Nordhorn schon lange etablierten „Moonlight Shopping“ im November. Übrigens: Auf die Frage, welches Angebot in der City wirklich fehlt, antworteten gleich mehrere Gesprächspartner unabhängig voneinander: „Ein Fischrestaurant“. Wasserstadt eben.

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SPEZIAL CITY & HANDEL

Eine Stadt, drei Zentren So steht es um den Einzelhandel in Papenburg / Kaufmannschaften heben ihre Besonderheiten hervor VON CHRISTIAN BELLING PAPENBURG Papenburg und sein Einzelhandel – es ist eine spezielle Beziehung, allein schon deshalb, weil die in die Länge gezogene Fehnstadt mit ihren knapp 40 000 Einwohnern drei Zentren aufweist. Welche Vor- und Nachteile bringt dies mit sich – und wie sieht die aktuelle Situation aus?

Die Ausgangslage: „Eigentlich haben wir drei Innenstädte“, sagt Rathauschef Jan Peter Bechtluft. Außer der Stadtmitte am Hauptkanal als Schwerpunkt gehören dazu die Stadtteilzentren in Aschendorf sowie am Obenende. Während das Hauptzentrum links und rechts des Hauptkanals eine Verkaufsfläche von insgesamt 53000 Quadratmetern und knapp über 100 Händler aufweist, sind es am Obenende knapp 40 Händler, die sich auf einer Verkaufsfläche von 13000 Quadratmetern bewegen. In Aschendorf haben sich derweil 20 Händler auf insgesamt 6000 Quadratmetern niedergelassen. „Die Vielfalt der Stadt ist eine Bereicherung“, sagt der Bürgermeister. „Neben den Vorteilen bringt sie aber auch Nachteile mit sich.“ Bestimmte Formate und größere Events seien aufgrund der genannten Differenziertheit nicht möglich, ergänzt Erster Stadtrat Hermann Wessels. „Dafür können wir aber in den Stadtteilen mit unterschiedlichen Angeboten punkten.“ Die nach Angaben von Bechtluft „selbstbewussten Stadtteilzentren“ seien historisch gewachsen. „Die jeweiligen Kaufmannschaften vor Ort machen das gut und heben ihre Besonderheiten hervor. Das ist schon weitaus mehr als die reine Nahversorgung.“ Dennoch sei allen Papenburgern klar, dass sich die Stadtmitte am Hauptkanal befinde. Das Einzugsgebiet: Der sogenannte Zentralitätswert belege nach Auskunft von Citymanagerin Sabine Pinkernell, dass viele Auswärtige ihren Einkauf in Papenburg erledigen würden. Als Einzugsgebiet bezeichnet sie das nördliche Emsland, den südlichen Landkreis Leer sowie den angrenzenden Teil der Niederlande. Nicht selten gehe auch der Blick einiger Papenburger ins 20 Kilometer entfernte Leer. Die stark frequentierte Innenstadt der ostfriesischen Kreisstadt lockt so manchen zum Einkaufsbummel. „Natürlich ist Leer ein gewichtiger Mitbewerber. Der Drang, dort einkaufen zu wollen, hat sich aber abgeschwächt“, teilt Erster Stadtrat Wessels mit.

Bechtluft, dass die Fehnstadt „schwach auf der Brust“ sei, wenn es um den Einzelhandel gehe. „Wer das sagt, hat nur den Hauptkanal als Schwerpunkt im Blick. Unser Angebot reicht aber weit in die einzelnen Stadtteile hinein.“ Dies wolle man auch so beibehalten. Für Citymanagerin Pinkernell, die Anfang August ihren Dienst im Rathaus angetreten hat, ist es die Mischung, die darüber entscheidet, wie der Einzelhandel in seiner Gesamtheit beim Kunden ankomme. „Der Mix zwischen Filialisten und inhabergeführten Geschäften muss stimmen.“ Bechtluft pflichtet dieser Einschätzung bei und ergänzt: „Die Filialisten werden erwartet und gehören zum Standardprogramm. Viele Käufer suchen aber das Besondere, was den Reiz ausmacht, und das häufig nur inhabergeführte Läden bieten.“ Und davon gebe es in Papenburg einige. „In diesem Bereich sind wir mit unserem speziellen Umfeld echt gut aufgestellt. Das ist spezifisch für unsere Stadt, und damit können wir punkten“, erklärt Bechtluft. Die Situation der ShoppingCenter: Nach einem jahrelangen Warten ist das Schicksal des EmsCenters unweit des Hauptkanals besiegelt. Voraussichtlich 2021 werden die Abrissbagger anrollen und den Gebäudekomplex samt Parkhaus und Tankstelle dem Erdboden gleichmachen. Zwei Jahre später soll ein Neubau stehen, der vielleicht noch denselben Namen trägt, ansonsten aber kaum noch an das Bisherige erinnert. „Wir sind froh, dass diese Hängepartie endlich ein Ende hat“, so der Bürgermeister.

„Unser Angebot reicht weit in die Stadtteile hinein.“ Bürgermeister Jan Peter Bechtluft

Die Stimmung in der Stadt: Oft höre Bürgermeister Jan Peter

Geschäftean beidenSeiten desHauptkanalsladenin derPapenburgerStadtmittezumEinkaufenein.

Der von der Hamburger Projektentwicklungsgesellschaft Procom Invest angekündigte Abriss und der Neubau stellen Bechtluft zufolge einen Befreiungsschlag für die Stadtmitte dar. Das Gesamtinvestitionsvolumen ist mit 35 Millionen Euro veranschlagt. Procom ist seit 2014 Eigentümer des Gebäudekomplexes, der bei seiner Eröffnung Ende März 1980 als hochmodern galt, längst aber aus der Zeit gefallen scheint. Der Neubau soll überwiegend nur noch einstöckig sein. Ebenerdig und gleichzeitig Kern des Konzeptes ist ein SB-Warenhaus auf einer Verkaufsfläche von 4600 Quadratmetern. Auch zukünftig soll es einen Getränkemarkt (700 Quadratmeter) geben. Zwei weitere größere Mieteinheiten sind für Fachmärkte vorgesehen. Welche Geschäfte sich im Einzelnen ansiedeln werden, ist noch unklar. Auch die Fassadengestaltung ist dem Investor zufolge noch nicht fix. Fest stehe aber, dass es sich bei dem Neubau um kein klassisches Shopping-Center handeln werde.

Für die Verantwortlichen im Rathaus stellt der Neubau eine Ergänzung und keine Konkurrenz zum klassischen Innenstadthandel dar. Nach Angaben von Stadtbaurat Jürgen Rautenberg werde überlegt, in welcher Form eine Anbindung des neuen Ems-Centers an den Hauptkanal im Rahmen der Umsetzung des Integrierten städtebaulichen Gesamtkonzeptes (Isek) erfolgen könne. Auch am DeverPark, dem zweiten Einkaufscenter in der Stadt, wird sich Bechtluft zufolge etwas tun. „Kein Abriss. Aber die Notwendigkeit wird gesehen, etwas zu machen.“ Die Verwaltung steht diesbezüglich mit dem Centermanagement in Kontakt. Zuletzt war im Frühjahr 2015 die Fassade des Einkaufszentrums, in dem sich bis Ende der 1990er-Jahre die Gartenbauzentrale befand, saniert worden. Seitdem bestimmen Schiffsmotive und angedeutete Wellen die Op-

Foto: Christian Belling

tik. Kaufland, auf rund 5000 Quadratmetern der größte Mieter des Dever-Parks, erneuerte im März 2018 die Inneneinrichtung und die Beleuchtung. Für Einkaufscenter allgemein gelte nach Worten von Pinkernell, „die Sachen zeitgemäß zu halten“. Die Citymanagerin spricht in diesem Zusammenhang von „refreshen“. Was fehlt?: Erster Stadtrat Wessels wünscht sich mehr regionale Produkte in der Innenstadt. „Der rege besuchte Wochenmarkt am Hauptkanal an den Freitagen zeigt, dass Regionalität angenommen wird.“ Bürgermeister Bechtluft sieht derweil Aufholbedarf bei der „Jungen Mode“. Für Citymanagerin Pinkernell ist der Branchenmix gesund und ausgewogen. „Da droht nichts zu kippen.“ Hinsichtlich der noch nicht absehbaren Auswirkungen der Co-

rona-Krise zeigt sich Bechtluft optimistisch, dass der Einzelhandel in Papenburg stark genug sei und nach der Pandemie wieder Fahrt aufnehmen werde. „Corona ist ein Beschleuniger und trifft besonders die Unternehmen, denen es auch vor der Krise schon nicht gut ging.“ Die Zukunft: „Die reine Präsentation der Ware wird nicht mehr reichen“, sagt Pinkernell. Showrooms, Pop-up-Shops und neue Konzepte, wie ein Frisör und Café unter einem Dach, gehören der Citymanagerin zufolge die Zukunft. Es gehe nach ihren Worten darum, für Aufenthaltsqualität und Erlebnisgefühl zu sorgen sowie Begegnungsorte zu schaffen. „Ich habe das Gefühl, dass unser Einzelhandel offen für so etwas ist“, erklärt Wessels. Viele Konzepte, wie das Einzelhandelsgutachten für die gesamte Stadt, sowie weitere Überlegungen für die einzelnen Ortsteile seien in Arbeit. Pinkernell: „Wir reden dabei aber über keinen Sprint, sondern über einen Langstreckenlauf.“

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LEBEN & LEIDENSCHAFT

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Grüne Quengelware für Erwachsene Saatgut zum Verschenken: Wie „Die Stadtgärtner“ aus Nordhorn vom Trend zum Gärtnern im urbanen Raum profitieren Vom Guerillagärtnern zum blühenden Geschäftsmodell. Gut zehn Millionen „Samenbomben“ in den Handel gebracht. Produkte entstehen in Handarbeit nun in eigener neuer Halle. VON ELKE SCHRÖDER NORDHORN „Das will ich auch noch haben!“ Wenn Kinder im Supermarkt kurz vor dem Bezahlen noch griffbereit im Regel Süßigkeiten sehen und sie massiv einfordern, brauchen Eltern starke Nerven. Die Diskussion über diese „Quengelware“ verlieren sie meist. Umgekehrt brauchen Kinder viel Geduld, wenn ihre Eltern beim Anstehen an der Kasse beispielsweise im Buchladen plötzlich ihr „Must-have“ – wie kleine Geschenkartikel zum Gärtnern, die sie beim Stöbern ins Grübeln bringen – entdecken: Würden die „Seedbombs“ im Mini-Jutebeutel nicht gut zum ausgewählten Bildband über englische Gärten als Geschenk passen? Oder wäre die Pusteblume im Glas als persönlicher Wunscherfüller nicht gut, um die Verpackung zu verzieren? Oder vielleicht die „Streuwiesen“-Dose mit Samen als Versprechen auf eine bunte Blumenpracht? Wer würde sich heutzutage nicht über ein Stück Natur und wertvolle Zeit für sich auch beim Buddeln im Blumenkasten freuen? Diese (Vor-)Freude ist ihr Geschäft: Für die kleine grüne Verführung im Kassenbereich sind „Die Stadtgärtner“ mit Sitz in Nordhorn und Lübeck verantwortlich, die seit 2012 ihre „wachsenden Geschenkartikel“ produzieren. Dahinter stecken drei Jungunternehmer, die einst in unterschiedlichen Großstädten studierten, aber auf dem Land aufgewachsen sind: Derk und Jan Niemeijer sowie Torge Kahl. „Wir verkaufen grüne Geschenke, die ein gutes Gefühl geben sollen. Der emotionale Part unseres Produkts, das Marketing spielt deshalb eine große Rolle“, sagt Derk Niemeijer, der kreative Kopf der Firma. Die Samenkugel verkaufe zunächst einmal nur die Vorstellung einer blühenden Blumenwiese, bevor sie dann zu einer werde. „Unsere Produkte sollen nicht nur Freude machen, sondern sie müssen auch nachhaltig sein“, betont der 36-Jährige. Ein wichtiger

Entwickelnund produzieren Geschenkideen zumGärtnern fürStädter –auch ohnegrünenDaumen:r„Die Stadtgärtner“Firmengründer (vonlinks):Jan Niemejer,Torge Kahl undDerk Neimeijer Foto:Robert Schlossnickel

Handarbeit mit Herzblut: AuseinfachenZutatenwieErde,Ton,WasserundheimischemSaatgutwerdendie „Samenbomben“hergestellt,diehumorvoll zumGärtnernanregensollen.

Baustein in der Produktion sei deshalb die Zusammenarbeit mit Lebenshilfe-Einrichtungen. Diese Werkstätten für Menschen mit Behinderung ermöglichten es, „die Produktion in Deutschland zu halten, und erlauben es uns, auf vollautomatische Produktions- und Verpackungsmaschinen zu verzichten“, erzählt Derk Niemeijer, während er in der neuen Produktionshalle in einem Nordhorner Gewerbegebiet direkt an der Grenze zu den Niederlanden steht. Bis zum Erwerb und dem Umzug im Februar in die neue etwa 800 Quadratmeter große Halle wurde der alte Bauernhof, auf dem Derk und Jan Niemeijer aufgewachsen sind, als Produktionsstätte genutzt: „Wir sind mit dem Umzug in die eigene Halle firmentechnisch erwachsen geworden“, sagt Derk Niemeijer, zuständig für Produktentwicklung und Aufbau der Marke. Wichtig sei ihnen dabei weiterhin die Lage im Grünen gewesen. Die neue Halle wird als Lager, für die Produktion und den Versand genutzt. Zwölf feste Mitarbeiter beschäftigen „Die Stadtgärtner“ mittlerweile. Als die Lebenshilfe-Einrichtungen bun-

desweit während des Shutdowns aufgrund der Corona-Pandemie geschlossen hatten, mussten die Jungunternehmer zeitweilig 20 Aushilfen einstellen. Es ist sind Lifestyle-Produkte, die die Stadtgärtner herstellen und mit deren Verpackung das Bild von einer Landidylle in der Stadt hervorgerufen werden soll. Aus einfachen Zutaten wie Ton, Erde, Wasser und heimischem Saatgut werden beispielsweise die „Seedbombs“ gefertigt – wer einfach nur Samen für den Garten oder für den Balkonkasten kaufen will, der geht in das Gartencenter oder greift nach den kleinen Saatguttüten im Supermarkt. Dabei profitieren die Nordhorner von einem gesellschaftlichen Trend zu mehr Achtsamkeit für die Umwelt und sich selbst. Beides hat auch für die drei Unternehmer den Stein ihrer Geschäftsidee ins Rollen gebracht. Nur so zum Spaß stellten sie noch zu Studienzeiten 2011 auf dem Balkon in ihrer WG in Hamburg ihre ersten Samenbomben her, um später als Guerillagärtner unter dem Motto „werfen, warten, freuen“ dem Betongrau in der Stadt den Kampf anzusagen. Gärtnern für Städter, auch ohne grünen Daumen: Dass sich daraus mal ein gemeinsames Geschäft mit wachsendem Sortiment entwickeln würde, war ursprünglich nicht geplant. Mit Mitte 20 hatte der studierte Wirtschaftswissenschaftler Derk Niemeijer noch vor, im Controlling bei Tchibo in Hamburg Karriere zu machen. Doch die Idee der Samenbomben schlug nicht nur im Freundesund Bekanntenkreis ein. Die Nachfrage stieg, nach dem ersten DawandaShop folgten Messeauftritte, die Firmengründung und die Rückkehr nach Nordhorn. Anfangs halfen dort auch noch Familienmitglieder bei der Produktion. „Damals, als wir die Idee für die Seedbombs hatten, gab es noch den Hype um große Marken. Mit der Do-it-yourself-Welle im Kleidungsbereich haben wir schon gemerkt, dass sich etwas verändert“, erinnert sich Derk Niemeijer. Als gleichzeitig auch beispielsweise die Kritik an „Wassertomaten“ und

Produktionsbedingungen wuchs, habe es bereits Anzeichen dafür gegeben, „dass die Industrie den Bogen überspannt hatte und die Menschen vermehrt auf Bioprodukte ansprechen sowie auf den Selbstversorgergedanken“. Das alles seien „gute Hinweise“ gewesen, welche Richtung der Markt einschlagen würde: „Das hat sich auch bewahrheitet. Ein bisschen Glück gehörte natürlich dazu.“ Heute habe er in seiner Heimat seinen Platz gefunden, wo er gemeinsam mit Firmenmitgründer Jan Niemeijer arbeitet. Der 38-Jährige hatte zuvor Sicherheitsmanagement in Bremen studiert, danach in Amsterdam und Lübeck gearbeitet. Der dritte im Bunde, Torge Kahl, sitzt derweil im Büro in Lübeck und steuert das operative Geschäft und das Online-Marketing. Der 37-Jährige, der ebenfalls Wirtschaftswissenschaften studiert hat, leitete zuletzt das Marketing bei checkdomain in Lübeck. Schmutzige Hände, die Kugeln aus Ton, Erde und Samen rollen – gemeinsame, fröhliche Handarbeit auf dem Hof oder das Sammeln von Pusteblu-

„Unsere Produkte sollen nicht nur Freude machen, sondern sie müssen auch nachhaltig sein.“ Derk Niemeijer, Mitbegründer „Die Stadtgärtner“

men auf einem weiten Feld aus der Perspektive einer Drohne: Mit solchen Bildern, die ein naturverbundenes Lebensgefühl bedienen, inszenieren sich die Firmengründer in ihrer Werbung auf ihrer Webseite mit Online-Shop und eigenem Blog. Naturverbunden und vernetzt, arbeiten sie auch an den zwei Standorten zusammen: „Torge hat nie in der Nähe gearbeitet, dadurch sind wir Videocalls und Homeoffice gewöhnt, was uns in der Corona-Zeit sehr hilft“, erzählt Derk Niemeijer. Bald werden sie zehn Millionen Samenbomben produziert haben, schätzt der Nordhorner. Doch die sind heute ein Artikel unter vielen anderen im Sortiment, beispielsweise Anzuchtsets, Grußkarten und Pflanzbehältern: „Der Anteil der Samenbomben am Gesamtumsatz liegt bei etwa 35 Prozent. Sie haben damit zwar noch einen großen Anteil am Gesamtabsatz, wir sind aber aufgrund unserer vielfältigen Produktpalette nicht mehr davon abhängig.“ Und auch, wenn die Konkurrenz in der Zwischenzeit nicht geschlafen hat und ebenfalls Ideen entwickelte, wie Saatgut als Geschenkartikel ansprechend auf den Markt gebracht werden kann: „Wir sind seit Gründung bisher jedes Jahr um rund 100 Prozent gewachsen“, sagt Derk Niemeijer. Man habe es geschafft, handgefertigte Produkte in guter Qualität in den Massenmarkt zu bringen. Nur bei Großaufträgen für die Samenbomben gibt es beim Rollen maschinelle Unterstützung. Das sei beispielsweise bei einem Auftrag aus der Schweiz der Fall gewesen, „wo wir Kundengeschenke für einen großen Supermarkt erstellen sollten. Das waren 2,5 Millionen Samenbomben“, erzählt Derk Niemeijer. Selbst in der Coronakrise sei das Unternehmen bisher mit einem „blauen Auge“ davongekommen, da vor al-

Fotos(2):DieStadtgärtner

lem im Frühjahr noch die Vorbestellungen des Handels ausgeliefert werden konnten: „Auch dieses Jahr stehen wir immerhin noch bei 37 Prozent Umsatzwachstum im Jahresvergleich (Januar bis Juli).“ Dennoch sei der Einbruch im Einzelhandel „ein Schlag ins Kontor“ gewesen, denn der stationäre Einzelhandel sei als Vertriebsweg das Hauptstandbein. Der Onlinehandel habe bis vor der Krise einen Anteil unter 15 Prozent gehabt. „Doch in der Zeit, als alle zu Hause waren und Zeit für das Heimwerken hatten, hat sich das Onlinegeschäft extrem gut entwickelt, sodass wir die Coronaeinbußen im Handel teilweise ausgleichen können.“ Dennoch: In diesem Jahr haben die Stadtgärtner nach eigenen Angaben bereits 1000 Einzelhandelsgeschäfte in Europa beliefert. Schwerpunktmäßig werden die Artikel in Deutschland, Österreich und der Schweiz verkauft. Dort sind Produkte des Unternehmens in jeder größeren Stadt zu finden sowie bei einigen Händlern in den Niederlanden. „Wir bevorzugen beim Vertrieb unserer Produkte inhabergeführte, kleine Einzelhändler, die qualitativ hochwertige Handarbeit schätzen. Bei Handelsketten suchen wir sehr genau aus, ob sie zu uns und unseren nachhaltigen Werten passen“, sagt Derk Niemeijer. Die Stadtgärtner waren auch schon in Großbritannien aktiv, hätten sich dann aber, „aufgrund der Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Brexit“ dort zurückgezogen. In den nächsten Jahren wollen sie ihr Sortiment weiter ausbauen, erzählt Derk Niemeijer, und auch auf dem Markt in Frankreich und Skandinavien präsent sein: „Diese Länder passen gut zu uns im Hinblick auf den Gedanken, mehr Grün in Städte zu bringen.“


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DONNERSTAG, 27. AUGUST 2020

LEBEN & LEIDENSCHAFT

Aus der Online-Welt in die Fußgängerzone einer Kleinstadt 34-Jähriger führt Lego-Fachgeschäft in Meppen

VON HARRY DE WINTER MEPPEN Zufrieden steht der Meppener Wanja Schniederjans in seiner „Bunten Steinewelt“ in Meppen. Nach rund drei arbeitsreichen Monaten hatte der 34-Jährige Ende Juni sein Fachgeschäft für Lego-Artikel mitten in der Innenstadt eröffnet. Über die Resonanz kann sich Schniederjans nicht beklagen, sie übertrifft sogar seine Erwartungen: Besonders in der ersten Woche hätten die Kunden zeitweise Schlange vor seinem Laden gestanden, und einige Artikel waren bereits wenige Stunden später ausverkauft. Und auch nach einem Monat kann sich der Meppener nicht über zu wenig Kunden beschweren. Die bunten Lego-Steine begleiten den 34-Jährigen schon von klein auf. „Ich war selbst immer ein großer Fan der Sets und als Kind stolzer Besitzer der Polizeistation“, erinnert er sich. Nach einigen Jahren ohne die bunten Steine fing er als Student an, gebrauchtes Lego für einen Bekannten zu sortieren. Dieses verkaufte er dann zusammen mit einem Geschäftspartner im Internet auf der Teilebörse „BrickLink“, und zusammen mauserten sie sich zu einem der zehn größten Lego-Teilehändler weltweit.

Das Prinzip scheint auf den ersten Blick recht simpel, erfordert jedoch detaillierte Kenntnisse des Marktes. So kauft Schniederjans immer wieder neue Lego-Sets in großen Stückzahlen, lässt sie sortieren und bietet die Steine dann zum Kauf auf der Online-Teilebörse an. Die Preisspanne ist groß. Während einige Steine nur Centbeträge kosten, werden für seltene und gesuchte Einzelteile zum Teil über 20 Euro gezahlt. Rund 10 Millionen Teile haben Schniederjans und sein Partner derzeit im Web gelistet.

„Ich war selbst immer ein großer Fan der Sets.“ Wanja Schniederjans

Dieses Onlinegeschäft, in dem die Ursprünge der heutigen Geschäftstätigkeit liegen, mache er auch weiterhin, erklärt der Meppener. Schließlich verdiene er damit den Lebensunterhalt für seine Familie. Das Ladengeschäft ist – in der Corona-Krise – als zweites Standbein hinzugekommen. Mittlerweile können die Einzelteile auch dort erworben werden. Das Hauptaugenmerk liege hier aber auf dem Verkauf von neuen Lego-Sets. Wenn jemand aber etwas Spezielles suche, helfe er gerne nach Möglichkeit weiter. Der Name „Bunte Steinewelt“ ist passend gewählt, denn bunt geht es tatsächlich in dem rund 100 Quadratmeter großen Laden zu. Knapp 600 Lego-Sets stehen in den Regalen, die Preisspanne reicht von wenigen Euros bis zu 700 Euro für limitierte Exklusivserien. Dass das Konzept, nur auf Lego zu setzen, aufgeht, davon war Schniederjans von Anfang an überzeugt. Schon vor der Eröffnung standen immer wieder Leute vor den Schaufenstern oder kamen direkt in den Laden. Das habe ihn in seiner Sache weiter bestätigt. Sein Kundenstamm ist breit gefächert. Außer der klassischen Familie mit Kindern kommen auch echte

DerMeppenerWanjaSchniederjans istfasziniertvonderWelt derbuntenSteine.

Lego-Fans und Sammler allen Alters in sein Geschäft. Neben dem durch die Bank weg positiven Feedback bekommt der 34-Jährige auch Anregungen, die er gerne aufnimmt. So soll es in absehbarer Zeit die Möglichkeit geben, sich aus Einzelteilen eigene Figuren zusammenzustellen. Das hätten sich viele gewünscht, sagt Schniederjans. Aber auch schon jetzt gibt es einen großen „Wühltische“ mit Einzelteilen, die man nach Lego-Bausteinen durchsuchen kann.

Foto: HarrydeWinter

Die ersten Wochen stand Schniederjans noch alleine in seinem Laden. Mittlerweile wird er von zwei Mitarbeitern unterstützt. Auf Dauer wäre das Geschäft nicht alleine zu führen, sagt Schniederjans, da dies für ihn Arbeitswochen von bis zu 80 Stunden bedeuten würden. Deshalb holt sich der Meppener auch noch weitere Unterstützung und wird ab September einen dritten Mitarbeiter bei sich beschäftigen. Das sei auch dringend nötig, sagt er. Alle drei hätten sich initia-

tiv beworben und seien große Fans von Lego. Bislang hat der 34-Jährige den Schritt aus der Online-Welt in die reale, schon oft totgesagte Fußgängerzone einer Kleinstadt nicht bereut. Im Gegenteil. Es sei schon lange sein Traum gewesen, seinen eigenen Laden zu haben, erklärt Schniederjans. Er schätze den Kontakt mit den Kunden. Und auch die Umsatzzahlen würden für sich sprechen. „So wie jetzt darf es gerne weitergehen“, freut sich der Meppener.

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DONNERSTAG, 27. AUGUST 2020

LEBEN & LEIDENSCHAFT

Drei Brüder tauschen Dönerbude gegen Spritzgussunternehmen Syntech Plastics: Erfolgsgeschichte der Kunststoffexperten findet Ursprung in Osnabrück VON DANIEL HOPKINS OSNABRÜCK/STEINFELD Wer als Osnabrücker den Rosenplatz der 90erJahre kennt, der kennt auch noch den Istanbul Grill. Sein Standort war an der Iburger Straße stadtauswärts direkt vor der Eisenbahnbrücke, wo sich seit einigen Jahren ein Schalthaus der Stadtwerke Osnabrück befindet. Die Mischung aus Imbiss und Restaurant hatte seinerzeit Kultstatus. Nicht nur weil die Betreiberfamilie Karaoglu durch eine auffallend zuvorkommende Gastfreundschaft über die Städtegrenzen hinweg bekannt war, sondern auch weil die im Istanbul Grill angebotenen türkischen Speisen allesamt hausgemacht waren. Selbst der Döner wurde täglich – nach Mutter Karaoglus Geheimrezept – mit frischen Kräutern und Gewürzen an den Grill geschoben. Schon damals eine Seltenheit zu einer Zeit, in der vorwiegend tiefgefrorene, industriell hergestellte Dönerspieße durch die Republik gekarrt wurden. „Man schmeckte einfach sofort, dass unser Döner hausgemacht war“, betont Cengiz Karaoglu. Der 45-Jährige hatte den Familienbetrieb Anfang der 90er-Jahre federführend in der Osnabrücker Gastronomieszene etabliert und führte auch den ersten Döner-Lieferservice in der Hasestadt ein. Ein Service, der wie eine Bombe eingeschlagen habe. „Wir kamen an manchen Tagen kaum mit den Bestellungen hinterher“, erinnert er sich. Zu den Stammkunden zählten unter anderem die Osnabrücker Feuerwehr, die Krankenhäuser und die Polizeistationen. Die mit Abstand meisten Bestellungen gingen allerdings an die Belegschaft von Karmann (heute Volkswagen). „Kein Wunder“, sagt Karaoglu mit einem Lachen. „Da war der Anteil der türkischstämmigen Mitarbeiter auch sehr hoch.“ Auch sein Vater arbeitete dort. Abdulvahap Karaoglu gehörte zu jenen Gastarbeitern, die Mitte der 70er-Jahre dem Ruf der deutschen Wirtschaft gefolgt sind. Die Zukunftsaussichten im heimischen Malatya, einer Region, die für ihre Aprikosen weltbekannt ist, waren für den damals jungen Familienvater alles andere als rosig. Bei Karmann konnte er als Lackierer arbeiten und seiner Familie somit ein halbwegs sorgenfreies Leben bieten. Von Beginn an lehrten er und seine Frau Leyla ihre Sprösslinge, dass Gastfreundschaft und soziale Verantwortung unabdingbar seien, um sich als wertvolles Mitglied in der Gesellschaft einzubringen. Der Istanbul Grill war für Cengiz Karaoglu der perfekte Ort, um jene Tugenden auch beruflich umzusetzen. Tatkräftige Unterstützung bo-

ten ihm dabei seine Brüder Hüseyin und Cüneyt. Mutter Leyla bereitete das Dönerfleisch vor und kochte türkische Spezialitäten wie Suppen und Eintöpfe. Außerdem sorgte sie für die Sauberkeit im Restaurant. „Man konnte sprichwörtlich vom Boden essen“, erinnert sich ihr Sohn Hüseyin, der immer direkt nach der Schule ins Geschäft kam, um sich um den Service zu kümmern. Der älteste der drei strebsamen Brüder, Cüneyt, erscheint hingegen meist erst am späten Nachmittag, um seinem jüngeren Bruder Cengiz im Restaurant unter die Arme zu greifen. Er arbeitete nachts in einer Spritzgießerei in Georgsmarienhütte und legte damit – ohne es damals zu wissen – den Grundstein für den unternehmerischen Erfolg, den die Familie Karaoglu heute mit Syntech Plastics feiert. „Es war die Zeit gekommen, in der wir selbst eine Familie gründeten“, erinnert sich Cüneyt Karaoglu. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ließ sich mit dem Restaurant, das 365 Tage im Jahr von morgens bis spät in die Nacht geöffnet hatte, auf Dauer nicht darstellen. Anfang 2003 bot sich ihm die Gelegenheit, sein eigenes Spritzgussunternehmen in Georgsmarienhütte zu gründen. Nur vier Jahre später erfolgt mit der Grundsteinlegung der neuen Produktionsstätte in Steinfeld der konsequente Schritt für eine erfolgreiche Expansion. Was vor 17 Jahren in einer kleinen Halle mit vier Mitarbeitern und zwei Spritzgussmaschinen startete, entwickelte sich bis heute zu einem mittlerweile bedeutenden Branchenteilnehmer. In acht großen Produktionshallen, einem eigenen Logistikzentrum und einer eigenen Werkzeugbauabteilung arbeiten nun mehr als 100 Personen und erwirtschaften einen Jahresumsatz von rund 15 Millionen Euro. Die Führungsrollen der drei Brüder sind klar aufgeteilt: Cüneyt verantwortet den Bereich Vertrieb und Technik, Cengiz kümmert sich um den reibungslosen Ablauf bei der Produktion sowie in der Logistik,

DerzeitsetztdasUnternehmen37 hochmoderneSpritzgießmaschineneinmitSchließkräften von35bis1500Tonnen.

und Hüseyin organisiert die Verwaltung und den Einkauf. Mutter Leyla kurvt mit der automatischen Reinigungsmaschine über die Flure der Hallen und sorgt, wie schon damals im Istanbul Grill, für die Sauberkeit. Derzeit setzt das Unternehmen 37 hochmoderne Spritzgießmaschinen ein mit Schließkräften von 35 bis 1500 Tonnen, letztere sogar als Zwei-Komponenten-Variante. Zukunftsorientierte Technik und Expertenwissen befähigen die Karaoglus unter anderem zur Fertigung von Fensterrahmen für namhafte Hersteller in der Automobilindustrie – das können nur sehr wenige

Die dreiBrüder Cengiz(v.l.),Cüneyt undHüseyinKaraogluhabennach einemImbissinOsnabrückgemeinsamein Spritzgussunternehmengegründet.Mittlerweilebeschäftigensie mehrals 100Mitarbeiter.

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Firmen in Europa von sich behaupten. Darüber hinaus fertigt Syntech Plastics auch weitere SpritzgussProdukte aus Kunststoff, die hohen Qualitäts- und Präzisionsansprüchen genügen und etwa in der Möbel-, Elektrotechnik- oder auch Medizinindustrie Anwendung finden. Als die Corona-Krise auch das Steinfelder Unternehmen erfasst, beweist das Dreigestirn Flexibilität. „Es war relativ schnell klar, dass wir Kurzarbeit anmelden mussten“, sagt Cüneyt Karaoglu. Gemeinsam mit ihrem Team überlegte die Familie, wie sie die Notlage meistern könnten. „Wir haben uns vor allem gefragt, wie wir mit unserem Unternehmen unserer sozialen Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und unseren Mitarbeitern gerecht werden“, betont der 46-jährige Geschäftsführer. Zu der Zeit gab es gravierende Lieferengpässe bei Schutzausrüstungen. Syntech Plastics stellte daher kurzerhand einen Teil der Produktion auf die Fertigung von Gesichtsschutzvisieren und Mund-Nase-Masken um. Doch statt aus der Not Profit zu schlagen, spendete das Unternehmen die ersten 10 000 Gesichtsschutzvisiere an Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Arztpraxen und Schulen in der Region. „Wir können und wollen uns nicht am

Fotos: Syntech Plastics

Leid anderer bereichern“, ließ das Familienunternehmen jüngst in einer Pressemitteilung verlauten. Auch die Mund-Nase-Masken und Gesichtsschutzvisiere, die über den eigenen Onlineshop verkauft werden, „unterliegen einer Kalkulation, die praktisch einen Verkauf zum Selbstkostenpreis nach sich zieht“, wie Hüseyin Karaoglu erklärt. Dabei seien Werkzeug-, Material- und Personalkosten berücksichtigt worden. Gewinn erziele das

In acht großen Hallen arbeiten heute mehr als 100 Mitarbeiter.

Unternehmen mit dem Verkauf nicht. Ein Rundgang übers Betriebsgelände verrät: Bei Syntech Plastics ist vieles anders als bei vergleichbaren Unternehmen. Zahlreiche Grünpflanzen zieren die Produktionshallen („für eine angenehmere Arbeitsatmosphäre unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“), für Entspannung und Unterhaltung der Belegschaft stehen Kicker, Billardtisch und ein elektrischer Massagestuhl zur Verfügung. Und im voll ausgestatteten Fitnessraum hört man die Sportbegeisterten zuweilen vor oder nach der Arbeit ächzen. Und ein Blick in die Konferenzund Besucherräume überrascht nicht, wenn man die Ansprüche der Familie Karaoglu kennt. Ein Tisch mit frischem Obst und türkischen Spezialitäten unterstreicht die Gastfreundschaft, die überall auf dem Gelände auf der Tagesordnung steht. „Nicht selten grillen wir mit unseren Kunden, wenn sich die Besprechungen über den Mittag ziehen oder bis in den Abend reichen“, sagt Cüneyt Karaoglu. Er vermutet, das sei mitunter ein Grund, warum Geschäftspartner und Kunden besonders gerne nach Steinfeld kämen. Dabei seien die Gastfreundschaft und Herzlichkeit tatsächlich aber „made in Osnabrück“.

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DONNERSTAG, 27. AUGUST 2020

LEBEN & LEIDENSCHAFT

TERMINE

15.09.2020 | 17.00 UHR Businessplan (GründerhausSeminar/Workshop)

DER WIRTSCHAFT

IHK OSNABRÜCK-EMSLAND-GRAFSCHAFT BENTHEIM, NEUER GRABEN 38

31.08.2020 | 17.00 UHR

19.09.2020 | 10.00 UHR

Steuerrecht bei Betriebseröffnung (Gründerhaus-Vortrag)

13. Jobmesse Emsland (auch 20.09.2020, ab 11 Uhr)

INNOVATIONSCENTRUM OSNABRÜCK, ALBERT-EINSTEIN-STR. 1, OSNABRÜCK

01.09.2020 | 15.00 UHR

Beim Besuch des Kompetenzzentrums 3N in Werlte ließ sich Ministerpräsident Stephan Weil (r.) gemeinsam mit Landrat Marc-André Burgdorf von Geschäftsführerin Marie-Luise Rottmann-Meyer einige Exponate zur

LNG-Bunkerkonferenz (Online-Konferenz) LNG.AGENTUR NIEDERSACHSEN, MARITIMES KOMPETENZENTRUM LEER

01.09.2020 | 19.30 UHR In Zukunft wird alles besser? Digitale Arbeitswelt 4.0 FORUM AM DOM, DOMHOF 12, OSNABRÜCK (AUCH DIGITALE TEILNAHME)

EMSLANDARENA LINGEN, LINDENSTRASSE 24 A (BARLAGMESSEN.DE)

Nachhaltigkeiterklären–geschützthinterVisieren ausnachwachsendenRohstoffen.

21.09.2020 | 17.00 UHR

Foto:Mirco Moormann

DIE GESICHTER DER WIRTSCHAFT

Absicherung betrieblich (Gründerhaus-Vortrag) Die Harting Technologiegruppe, Espelkamp, erhielt den German Brand Award für ihr European Distribution Center, was 3deluxe-GeschäftsführerPeterSeippfreute.

Foto:Harting

22.09.2020 | 09.00 UHR Produktivitätsbooster (Workshop) INNOVATIONSCENTRUM OSNABRÜCK, ALBERT-EINSTEIN-STR. 1, OSNABRÜCK

02.09.2020 | 09.00 UHR

24.09.2020 | 08.00 UHR

Innovationsberatung (WFO- und WIGOS-Kooperationsprojekt)

1. Digitale Ausbildungmesse (auch am 25.09., 15.00 Uhr)

INNOVATIONSCENTRUM OSNABRÜCK, ALBERT-EINSTEIN-STR. 1, OSNABRÜCK

EMS-ACHSE-VERANSTALTUNG ONLINE (INFOS: EMSACHSE.DE)

07.09.2020 | 17.00 UHR

24.09.2020 | 14.00 UHR

Rechtsform – Vor- und Nachteile (Gründerhaus-Vortrag)

Machen Sie Schlagzeilen! (WIGOS-Kompakt-Seminar)

INNOVATIONSCENTRUM OSNABRÜCK, ALBERT-EINSTEIN-STR. 1, OSNABRÜCK

08.09.2020 | 14.00 UHR

An der Spitze der Entwicklungsgesellschaft interkommunaler Hafen Spelle-Venhaus stehen künftig (vorne, v. l.) Marc-AndréBurgdorf,Maria Lindemann undAndreasKaiser. Foto:SamtgemeindeSpelle

500.MitgliedimMeisterclubderHWKistChristopherSchröer aus Lorup, der gleich in zwei Gewerken den Meister gemacht hatundeineGebäudetechnikfirmagründete. Foto:HWK

17. Jobmesse Osnabrück (auch am 27.09., ab 11 Uhr)

LANDKREIS EMSLAND, KREISHAUS 1, ORDENIEDERUNG 1, MEPPEN

AUTOHAUS WALKENHORST, SUTTHAUSER STR. 292, OSNABRÜCK

09.09.2020 | 08.30 UHR

08.10.2020 | 18.00 UHR

DataCamp Einkauf 4.0 (MEMA-Veranstaltung)

NotfallplanfürUnternehmenund Existenzgründer (MEMA/HWK)

LANDWEHR AKADEMIE, VON-HUMBOLDT-STR. 1, WIETMARSCHEN-LOHNE

Schulung Ausbildungsbotschafter Teil II (Online-Meeting)

KREISHAUS OSNABRÜCK, AM SCHÖLERBERG 1, OSNABRÜCK

26.09.2020 | 10.00 UHR

Neukundengewinnung (Emsland-GmbH-Veranstaltung)

10.09.2020 | 09.00 UHR

INNOVATIONSCENTRUM OSNABRÜCK, ALBERT-EINSTEIN-STR. 1, OSNABRÜCK

IHK eröffnet „Walk of Fame“ fürTop-Azubis (v. l.):Alina Harder, Raphael Behnke und Natascha Rodefeld als drei regionale Foto:IHK Bundesbeste2019freuensichüberihrenStern.

LANDKREIS EMSLAND, KREISHAUS 1, ORDENIEDERUNG 1, MEPPEN Die neueWasserstoffproduktion der EWE in Elsfleth präsentierte Stefan Dohler (l.),Vorstandschef des Energiekonzerns,den niedersächsischen MinisternBerndAlthusmann(M.) und BjörnThümler. Foto: NinaKallmeier

21.10.2020 | 08.00 UHR 4. Karrieretag der Ems-Achse an der Hochschule Emden/Leer

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HOCHSCHULE EMDEN/LEER, CONSTANTIAPLATZ 4, EMDEN

10.09.2020 | 14.00 UHR

24.10.2020 | 10.00 UHR

Alles hat seinen Preis I Vertrieb (WIGOS-Kompakt-Seminar)

27. Immobilienmesse Osnabrück (auch am 25. 10., ab 11 Uhr)

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15.09.2020 | 09.00 UHR

29.10.2020 | 09.00 UHR

CE-Kennzeichnung (MEMABasis-Workshop/Seminar) LANDKREIS EMSLAND, KREISHAUS 1, ORDENIEDERUNG 1, MEPPEN

Assmann Büromöbel aus Melle ist erneut für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2020 nominiert. Matthias Niekamp, Marc Schumann, Martin Könneker, Andreas Fipp undGuidoHübner(v.l.)bei derPreisverleihung2019. Foto:Assmann/Röckemann

Eva Hummel-Schröer (Meyer & Meyer) nahm im Beisein von Maren Fathmann (Meyer & Meyer) die Urkunde zum IHK-Qualitätsiegel „TopAusbildung“ entgegen, die von EckhardLammers(stv.IHK-Hauptgeschäftsführer) überreichtwurde. Foto: IHK

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DONNERSTAG, 27. AUGUST 2020

VERLAGS-SONDERVERÖFFENTLICHUNG

TRANSPORT & LOGISTIK

Fotos: iStock


DONNERSTAG, 27. AUGUST 2020

VERLAGS-SONDERVERÖFFENTLICHUNG

TRANSPORT & LOGISTIK

Corona zum Trotz: Zeichen stehen auf Wachstum Neue Güterverkehrszentren, Verladeterminals und Logistikimmobilien zeugen von ungebrochenem Optimismus in der Region VON CHRISTOPH LÜTZENKIRCHEN OSNABRÜCK Die Logistik ist der Blut-

kreislauf der Wirtschaft. Durch eindrucksvolle Investitionen und Projekte zeigen Unternehmen und öffentliche Hand in der Region Weser-Ems und in Niedersachsen, dass sie das erkannt haben. Millionen fließen in den Ausbau der Infrastruktur, dabei kommtde,langeZeitinsHintertreffen geratenen Schiene wachsende Bedeutung zu. Mit einer jährlichen Umschlagsmenge von rund fünf Millionen Tonnen ist das Güterverkehrszentrum (GVZ) in Dörpen der wohl leistungsfähigste Knotenpunkt der Region. Es zählt zu den wenigen der mehr als 30 Güterverkehrszentren in Deutschland, die die drei Verkehrsträger Straße, Wasser und Schiene in Kombination nutzen. Die trimodale LogistikDrehscheibe liegt im Mittelpunkt der nördlichen Logistik-Achsen, nah an den größten nordeuropäischen Seehäfen von Rotterdam bis Hamburg. Rund 900000 Tonnen werden in Dörpen jährlich über die Schiene abgewickelt. „Die Gleise im GVZ werden stark beansprucht und sind deshalb in die Jahre gekommen“, so Samtgemeindebürgermeister Hermann Wocken. Rund vier Millionen Euro wurden im Frühjahr investiert, um auf 4,3 Kilometern rund 5000 alte Holzschwellen durch Betonblöcke auszutauschen. ZudemwurdenabgefahreneSchienen

ersetzt, Weichen erneuert und sechs von 22 Bahnübergängen saniert. Im März gab die Gemeinde zudem bekannt, dass sie mit dem Projektentwickler Verdion einen Vertrag abgeschlossen hat. Für insgesamt 80 Hektar Fläche im Besitz der Kommune soll der Immobilieninvestor für Logistikund Industrieanlagen innerhalb eines Jahres vielversprechende Ansiedlungen akquirieren. Zu den Kunden des UnternehmenszählenSchwergewichte wie Amazon, BMW und Siemens. Verdion-Deutschlandchef André Banschus hat vor allem die Weitläufigkeit des zu vermarktenden Areals überzeugt: „Eine in der heutigen Zeit in Deutschland kaum noch zu findende Verfügbarkeit an großen, zusammenhängenden Flächen.“ Als Partner ist das Unternehmen LogReal mit an Bord. Geschäftsführer Rudolf Hämel erkennt einen Trend, den Güterverkehr wieder mehr auf die Schiene zu verlagern. Weniger Lkw auf der Straße, dafür mehr Gütertransport auf der Schiene – das ist ein Ziel des Klimapakets der Bundesregierung. Dazu soll auch der neue Megahub in Lehrte einen Beitrag leisten, der nach einer sechsmonatigen Testphase im Juni in Betrieb gegangen ist. Zwei Jahre hat es gedauert, bis auf dem rund 120000 Quadratmeter großen Gelände des ehemaligen Rangierbahnhofs Lehrte der heutige Megahubentstandenist.Eristlautder Deutschen Bahn die erste Anlage ihrer Art in Deutschland: Statt Güterwagen

DerBlutkreislaufderWirtschaft: dieTransport-und Logistikbranche.

zu rangieren und so Güterzüge neu zusammenzustellen, werden in Lehrte die Ladeeinheiten wie Container umgeschlagen und entsprechend ihren Zielorten neu auf Güterzüge verteilt. Das spare Zeit und solle den kombinierten Verkehr attraktiver machen. Bei voller Auslastung sei es möglich, bis zu 269000 Ladeeinheiten pro Jahr umzuschlagen. 170 Millionen Euro haben Bund und Bahn in den Bau investiert. Erster Kunde der Anlage war der Osnabrücker Logistikdienstleister Hellmann. Pro Tag routet das Unternehmen etwa 80 Lkw-Ladungen über den Megahub. Hellmann-Manager Dirk Baerbock sieht im neuen Terminal Chancen – auch für die Region. „Für Osnabrück oder das Emsland ist das Terminal geografisch sehr gut gelegen. Es bietet Unternehmen die Möglichkeit, beim Transport von Waren auf einen Zugtransport umzustei-

Foto: iStock

gen“, ist Baerbock überzeugt. Auf die Schiene setzt auch der Osnabrücker Hafen. Dort haben im April die Bauarbeiten für ein Containerterminal begonnen. Bis zum Sommer 2021 sollen zwei 40 Meter hohe Schienenportalkräne und 3,4 Kilometer Umschlaggleise entstehen. 29 Millionen Euro werden für den Bau der Anlage veranschlagt. Ein Förderbescheid des Bundesverkehrsministeriums weist aus, dass der Bund 22 Millionen Euro davon übernimmt. Bauherr ist die Terminalbesitzgesellschaft Osnabrück (TBOS), an der die Dortmunder Stadtwerke mit einem Anteil von 49 Prozent Hauptgesellschafter sind. Die Stadtwerke Osnabrück verfügen über 25 Prozent, Osnabrücker Spediteure über die restlichen 26 Prozent der Anteile. Stephan Rolfes, Vorstand der Stadtwerke Osnabrück, bezeichnet den Baubeginn als „Meilenstein für

eines der zentralen Infrastruktur- und Logistikprojekte für die gesamte Region“. Auf einer der letzten freien Gewerbeflächen in Osnabrück entsteht ein Logistikzentrum für Arzneimittel. Wie Anfang Juli bekannt wurde, haben sich vier Unternehmen zusammengetan und investieren im Gewerbegebiet am Tie unweit der Autobahnausfahrt Lüstringen 18 Millionen Euro. Den Anstoß gab der Osnabrücker Logistiker Koch International, der das Logistikzentrum langfristig mieten und dort medizinische Produkte von B. Braun aus Glandorf umschlagen wird. Das Grundstück bringt der Immobilienentwickler Garbe Industrial Real Estate aus Hamburg ein. Das Geld für den Bau investiert der Union Investment Fonds. Koch erledigt für seinen Kunden B. Braun die gesamte Lagerhaltung und Lieferung. Auf dem mehr als vier Hektar großen Gelände wird eine Lager- und Umschlaghalle mit 24000 Quadratmeter Grundfläche und 41000 Palettenstellplätzen entstehen. Eine gewaltige Halle hat auch die Meyer Werft in Papenburg errichtet. Das neue Logistikzentrum der Werft soll angemietete Hallen im Papenburger Hafengebiet überflüssig machen. Das Gesamtinvestitionsvolumen für die einen Hektar große Halle wurde im Vorfeld auf 40 Millionen Euro veranschlagt. Anfang 2021 will das Unternehmen mit dem vollständigen Realbetrieb des neuen Zentrums

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beginnen. Die Werft will mit dem Neubau auch Transportzeiten und Kosten sparen, denn bisher mussten Teile von außerhalb liegenden Lagerflächen auf das Werftgelände transportiert werden. Eine Investition im Volumen von rund zehn Millionen Euro wurde Anfang Juli für den Niedersachsenpark in Rieste nördlich von Osnabrück gemeldet.DerBremerProjektentwickler und Investor Peper & Söhne will hier zum Herbst 2021 die Gewerbe- und Logistikimmobilie „Varus Park“ fertigstellen. Mit den Hallen- und Büroflächen plant das Unternehmen, kleinere Betriebe und Mittelständler als mögliche Mieter in Rieste anzusprechen. „Die Immobilie soll vor allem auch eine Adresse für Nutzer werden, die in der Region Flächen zwischen 900 und 4050 Quadratmetern für Gewerbe-, Logistik- und Transportdienstleistungen suchen“, unterstreicht Geschäftsführer Christoph Peper. Er arbeitet für das Projekt eng mit den Vermarktern und Beratern der Robert C. Spies Gewerbe und Investment GmbH sowie dem Bauunternehmen Goldbeck Nord GmbH zusammen. Letzteres ist auch bei einem neuen Logistikzentrum am Autobahnkreuz in Emsbüren mit im Boot, das seit Ende April errichtet wird. Die ILB Logistik GmbH aus Rheine baut hier ein „Multi-UserWarehouse“ mit drei baulich getrennten Hallenabschnitten und insgesamt 30000 Quadratmeter Lagerfläche.

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DONNERSTAG, 27. AUGUST 2020

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TRANSPORT & LOGISTIK

Auf dem Weg zur digitalen Spedition Zwei Osnabrücker Logistikriesen profilieren sich als Trendsetter in Sachen Digitalisierung VON CHRISTOPH LÜTZENKIRCHEN „Digitaler Ort Niedersachsen“ – gleich zwei Osnabrücker Logistikunternehmen haben diese Auszeichnung 2019 und 2020 erhalten. Laut Digital-Staatssekretär Stefan Muhle will das Land mit der Auszeichnung Spitzenleistungen im Bereich der Digitalisierung in der Öffentlichkeit sichtbarer machen. Das Unternehmen Koch International wurde im laufenden Jahr für seinen innovativen Onlineshop für Transport- und Logistikdienstleistungen ausgezeichnet. Dieser habe der Firma „ein völlig neues Marktsegment erschlossen“, hieß es. Im Jahr 2019 erhielt der Logistiker Hellmann die Auszeichnung aufgrund seines innovativen Produktes „Smart Visibilty“ – eines Trackingsystems für Waren, das es Nutzern ermöglicht, Standort, Zustand und Sicherheit ihrer Sendung in Echtzeit überall auf der Welt zu bestimmen. Mit der Digitalisierung bewege man sich eigentlich nur noch auf neuen Pfaden, man sei nie fertig, man müsse sich ständig verändern und besser werden, sagt Stefan Borggreve, in der Geschäftsführung von Hellmann Worldwide Logistics für die Digitalisierung verantwortlich. Ähnlich formuliert es Marcel Schrage aus dem Vertrieb von Koch International: „Wir sehen das Ganze als langfristiges Projekt, das wir laufend mit kleineren Updates vorantreiben.“ OSNABRÜCK

So unterschiedlich die Digitalisierungsprojekte der beiden Preisträger sind, so nah liegen sie hinsichtlich ihrer Zielsetzung beieinander: Der Kunde soll einen Mehrwert daraus schöpfen. Das Angebot solle einfach, digital und schnell sein, sagt Marcel Schrage. Man wolle die Flexibilität der Digitalspedition mit dem über Jahrzehnte gewachsenen Know-how eines traditionellen Spediteurs verbinden. „Der Kunde unseres Onlineshops soll ein Einkaufserlebnis haben wie bei Amazon“, so Schrage: „Er erfährt sofort, was unsere Leistung kostet.“ Auch Stefan Borggreve von Hellmann stellt die Bedürfnisse des Kunden in den Mittelpunkt. Der Spediteur will ein verlässlicher Partner für seine Kunden sein. Dazu gehöre eine breite Palette an digitalen Services, angefangen bei der Angebotserstellung und Buchung über die Sendungsverfolgung bis hin zur Bezahlabwicklung. Der Onlineshop von Koch International wurde 2018 ins Leben gerufen. Die Zielgruppe sind Geschäftskunden (B2B, B2C), Kunden ohne feste Preisvereinbarungen, Online-Händler, Kleingewerbetreibende und Startups. Der Kunde kann direkt im Onlineshop buchen. Die Berechnung erfolgt automatisiert auf Basis tagesaktueller Konditionen. Außerdem fließen Informationen ein wie Gewicht, Art und Maße der Packmittel, die Abhol- und Empfangsadressen, Inhalt, Warenwert und die Regelmäßigkeit, mit der ein Kunde Aufträge erteilt. Ak-

DieDigitalisierung istauchfürdie Transport-undLogistikbranche zukunftsweisendund unerlässlich. Foto :Colourbox.de

tuell haben sich rund 4000 Kunden für den Onlineshop registriert. Das Sendungsvolumen hat sich im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. Bei Hellmann dient die Digitalisierung unter anderem dazu, den Kunden in Echtzeit über seine Sendung zu informieren. Über ein Kundenportal kann der Kunde jederzeit eine Auskunft zum Status der Sendung sowie voraussichtliche Störungen in der Lieferkette abrufen. „Teilweise passiert das inzwischen sogar automatisiert“, sagt Stefan Borggreve: „Das bedeutet, dass die Betriebssoftware des Kunden diese Informationen bei unseren Systemen anfordert. Auf diese Weise lassen sich Störungen in der Lieferkette sehr viel schneller identifizieren und lokalisieren als in der Vergangenheit.“ Künstliche Intelligenz rechne aus, wie viel länger ein Produkt unterwegs sei. Bei Kleidungsstücken wisse man bis in die Einzelteilebene hinein, was

durch die Produzenten beispielsweise in Asien auf die Reise geschickt werde. Seit dem Frühjahr 2019 transportiert Hellmann Fertigfahrzeuge für Porsche auf der sogenannten „Eisernen Seidenstraße“ von Bremerhaven nach China. Die Reise geht über 11000 Kilometer und dauert rund 18 Tage. Um die Lieferkette so transparent wie möglich zu gestalten, setzt der LogistikerhierseinTrackingTool„SmartVisibility“ ein. Es ist den Angaben zufolge so groß wie ein Briefumschlag, wird an dem entsprechenden Container befestigt und liefert dem Kunden alle relevanten Infos: GPS-Ortung entlang der gesamten Strecke, Türsicherheit, Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Bewegung, Schock. Die beiden Preisträger sind schon ein gutes Stück auf dem Weg zur digitalen Spedition gegangen. Dabei galt es auch, das eine oder andere Hindernis aus dem Weg zu räumen. Stefan Borggreve bezeichnet die Komplexität

Global – und doch ganz nah

des Geschäfts als eine der Herausforderungen, vor die man sich gestellt sah. Hellmann ist zu Land, zu See und in der Luft sowie in der Kontraktlogistik unterwegs. Das Unternehmen arbeitet für die Automobilindustrie ebenso wie für die Mode- oder Gesundheitsbranche. „In jeder Dienstleistung stecken sehr viele kleinteilige Schritte. Das lässt sich nicht so einfach digitalisieren“, sagt Borggreve. Vom Prozess der Veränderung im Unternehmen berichtet Marcel Schrage. „Wir mussten gründlich planen, welche Bereiche wir als Erstes in Angriff nehmen wollten. Im nächsten Schritt galt es, die Veränderung im Unternehmen zu gestalten“, so Schrage. Trotz gewissenhafter Vorbereitung brachte der neue Onlineshop auch eine Überraschung. „Wir konnten uns darüber – für uns unerwartet – ein ganz neues Marktsegment erschließen“, berichtet er, „wir haben zahlreiche kleinere Unternehmen als Kunden gewonnen. Teilweise erteilen sie Aufträge am Wochenende zu Zeiten, in denen wir telefonisch nicht erreichbar sind. Zu diesen neuen Kunden gehören beispielsweise Start-ups aus Berlin.“ Der Wettbewerbsvorteil, den der Osnabrücker Logistiker durch sein Onlineangebot erzielt, ist offenkundig. Bisher sei man vor allem regional tätig gewesen, führt Schrage weiter aus. Mit dem neuen Shop könne man Vertrieb und Marketing überregional ausbauen. Auch bei Hellmann ist man davon überzeugt, durch die Digitalisierung

im Wettbewerb zu gewinnen. Stefan Borggreve: „Bessere Vorhersagen, mehr Transparenz, komfortabler, schneller Informationsaustausch, um so am Ende eine höhere Qualität und einen verlässlichen Service zu bieten.“ Auchdort,woautomatisierteProzesse zunächst nicht weiterhelfen, bietet die Digitalisierung seiner Überzeugung nach Vorteile. Wenn unerwartete Störungen auftreten, wie jüngst durch Corona, müsse manuell unterstützt werden. Beispielsweise sei es notwendig gewesen, alternative Frachtwege zu finden. Für solche kreativen Lösungen sei nach wie vor der Mensch gefragt. „Die Software kann aber bei der Identifikation von Störungen und der Lösungsfindung unterstützen und ist somit eine wichtige Entscheidungshilfe für den Kunden“, argumentiert Borggreve, „die digitalen Systeme unterstützen uns dabei, die jeweils beste Lösung für ein Problem zu finden.“ Sehr schnell machte sich für das Osnabrücker Unternehmen das Projekt eines digitalen Büros bezahlt. In der Corona-Krise konnten die weltweit verteilten Mitarbeiter von heute auf morgen barrierefrei von zu Hause aus arbeiten. Auch die Speditionskollegen von Koch International wollen in Sachen Digitalisierung am Ball bleiben. Als Nächstes planen sie, den Service und die Packmittelverwaltung zu digitalisieren. „Außerdem wollen wir die neuen Services für unser gesamtes Produktportfolio anbieten“, erklärt Marcel Schrage.

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DONNERSTAG, 27. AUGUST 2020

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TRANSPORT & LOGISTIK

„Die Logistik hat insgesamt guten Job gemacht“ ProfessorUweClausenvomFraunhofer-InstitutsiehtinCorona-KriseHerausforderungen,aberauchChancenfürdieLogistikbranche VON CHRISTOPH LÜTZENKIRCHEN In der Hochphase der Corona-Krise machte das Wort von den „systemrelevanten Branchen“ die Runde. Dabei rückte eine Gruppe von Unternehmen in den Fokus der Öffentlichkeit, für die sonst eher wenig Interesse besteht. Die Logistikbranche konnte in der Krise unter Beweis stellen, wie elementar ihre Dienstleistung für das Funktionieren einer hochgradig arbeitsteiligen Gesellschaft ist. Wie sind die Unternehmen durch die Krise gekommen? Über diese und weitere Fragen sprachen wir mit Professor Dr.-Ing. Uwe Clausen. Er ist Institutsleiter am FraunhoferInstitut für Materialfluss und Logistik und in Personalunion Leiter des Instituts für Transportlogistik der TU Dortmund sowie Vorsitzender der Fraunhofer Allianz Verkehr. OSNABRÜCK

Professor Clausen, wie hat sich die Logistikbranche durch die Corona Krise verändert? Uwe Clausen: Die Krise hat der Gesellschaft zunächst noch einmal die große Bedeutung der Logistik vor Augen geführt: Sichere Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs, funktionsfähige Krankenhäuser, Lieferung von Schutzmasken – all dies und noch viel mehr klappt ja letztlich nur dank funktionierender Logistik. Die Branche selbst hat eine heftige Spreizung erfahren. In Bereichen wie dem Online-Handel, bei der Produktion von Masken, Segelbooten, Wohnmobilen oder Fahrrädern sowie im Lebensmittelhandel gab es mehr denn je zu tun, in Bereichen wie dem Automobil- oder Flugzeugbau führten Nachfragerückgänge und Produktionsunterbrechungen zu geringerer Auslastung mit wirtschaftlichen Problemen und Kurzarbeit. An vielen Stellen mussten alternative Lieferketten gestaltet werden. Durch die geringere Zahl von Passagierflügen war Frachtraum plötzlich sogar knapp, und Luftfracht wurde teuer. Allgemein wird erwartet, dass die weltweite Vernetzung des Handels eher abnehmen wird. Was bedeutet das für die Logistiker? Es wird mehr darüber diskutiert, und das ist auch sinnvoll, um Abhängig-

keit zu verstehen bzw. zu verringern, aber ich sehe eine Trendwende zu weniger globaler Vernetzung – offen gesagt – nicht. Vorhandene Produktionskapazitäten, Expertise, Arbeitskräfte, Arbeits- und Energiekosten – all das wird doch durch Corona nicht verändert. Ich gehe von Veränderungen in vielen Bereichen aus, aber nicht davon, dass Globalisierung oder weltweite Vernetzung abnehmen. Was sich verändert und vermutlich noch über einige Zeit anders sein wird, ist unsere Mobilität – die private wie geschäftliche. Wie sind die verschiedenen Unternehmen durch die Krise gekommen? Schwierigkeiten und Kapazitätsanpassungen sehen wir im Flugzeugbau, bei Kreuzfahrtschiffen oder in der Automobilindustrie. Das liegt nicht nur an der Pandemie – es gab vorher eine lange Phase mit positiver Konjunktur, da dürfen Nachfragerücksetzer nicht grundsätzlich überraschen, aber sie kamen schnell und sind viel stärker, als dies vor einem Jahr absehbar war. Logistikunternehmen, die für stark betroffene Branchen unterwegs sind, konnten ihre Flotten teilweise nur noch stilllegen. Einzelne, die es konnten, sind in den Handelsbereich ausgewichen. Es hat auch innerhalb von Branchen Verschiebungen gegeben. Beispielsweise in der Getränkelogistik, dort ging die Belieferung an die Gastronomie im Frühjahr stark zurück, dagegen gab es im Einzelhandel einen überdurchschnittlichen Bedarf. Die Automobilindustrie gehört zu den am stärksten betroffenen Bereichen. Nach einem beispiellosen Einbruch in 2020 sehe ich Chancen auf eine leichte Erholung in 2021. Im ebenfalls stark betroffenem Luftverkehr und Flugzeugbau dürfte die Schwächephase länger andauern. Auch in anderen Branchen haben Unternehmen teilweise wochenlang nicht produzieren können, obwohl eigentlich Nachfrage da war. In einigen südeuropäischen Ländern hatten wir – auch betrieblich – coronabedingt viel stärkere Einschränkungen als in Deutschland. Im Tourismus und noch mehr im Tagungsgeschäft sind Umsätze ausgefallen, die nicht mehr aufgeholt werden können.

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unter anderem Institutsleiteram Fraunhofer-Institut fürMaterialfluss undLogistik in Dortmund. Foto:FraunhoferInstitutfürMaterialflussundLogistik

Konnten die Lieferketten durchgängig aufrechterhalten werden? Die Logistik hat insgesamt einen guten Job gemacht. Damit meine ich: Viele Logistiker waren und sind arbeitsfähig, haben flexibel reagiert und oft alternative Liefer- oder Transportketten organisieren können. Der Einbruch im weltweiten Güterverkehr war tatsächlich weniger stark als der des Passagierverkehrs. Engpässe in der Lieferkette sind meist nicht durch die Logistik, sondern durch produzierende Betriebe verursacht worden. In einigen Ländern, insbesondere in Südeuropa, standen bei manchen Herstellern für Wochen alle Räder still. Wird die Krise zu einer weiteren Konzentration im Markt führen, oder sind kleine, anpassungsfähige Unternehmen im Vorteil? Innovative und anpassungsfähige Unternehmen haben immer gute Chancen, auch und gerade in einer Krise. Das sind oft – aber nicht zwingend – kleine Unternehmen. Eine weitere Konzentration könnte dann entstehen, wenn der Staat große Firmen rettet und für mittelständische Betriebe ein Zugang zu entsprechenden Finanzquellen nicht oder nicht wirksam zur Verfügung steht. Ich bin nicht sicher, ob die Politik diese Effekte gut im Blick hat. Sie versucht in der Krise erst einmal, möglichst viele am Leben zu halten. Ich beobachte aber, dass kleine und mittelständische Betriebe keine so starke Lobby haben wie große. Aus anderen Branchen ist zu hören, dass die Krise fällige Innovationen beschleunigt habe. Gilt dies auch für die Logistikbranche? Wenn ja, in welchen Bereichen?

Ja, in der Krise kommt der Digitalisierung, der Autonomisierung und der Transparenz in der Lieferkette wachsende Bedeutung zu. Die Digitalisierung, die ohnehin schon die Logistik stark verändert, hat deutlich an Fahrt gewonnen. Sie kann die Transparenz und Effizienz mittelfristig deutlich erhöhen, wenn der Logistik eine stärker steuernde Rolle – und nicht nur eine nachrangig ausführende – zugebilligt wird. Die Unternehmen ermöglichen ihren Kunden durch Web-Schnittstellen, sich jederzeit darüber zu informieren, wo sich ihre Ware gerade befindet. Auch KI-gestützte Verfahren kommen zum Einsatz; zum Beispiel bei Mengenprognosen. Was Unternehmen im Onlinehandel wie HelloFresh, Amazon und Zalando oder die verschiedenen Paketdienste voranbringt, ist auch ihre gute Kommunikation. Der Kunde bekommt heute eine ziemlich präzise Prognose, wann genau seine Sendungen bei ihm ankommen werden. Immer mehr Prozesse werden erfasst und digitalisiert, durch die wachsende Informationsdichte erhöht sich die Effizienz von nachfolgenden Prozessen. Diese Transformation durchdringt die gesamte Logistik. Etwa im Bereich der Verladung haben Versender wie Dienstleister idealerweise jederzeit aktuelle Informationen über die Belegung von Rampen. Sind die Logistiker mit ihrem Dienstleistungsangebot noch gut aufgestellt? Oder müssen sie – gegebenenfalls auch als Folge der Krise – neue Strategien entwickeln? Grundsätzlich haben wir ein breites Spektrum professioneller Dienstleister. Dennoch bewirken Veränderungen im Markt immer auch neue Anforderungen und neue strategische

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Entscheidungen. Wenn die Nachfrage sinkt, fragen sich Dienstleister immer, welche anderen Bereiche für sie lukrativ sein könnten. In der Logistik haben sich in den letzten Jahren viele sehr erfolgreich spezialisiert. Sie haben sich perfekt auf die Bedürfnisse ihrer Kunden ausgerichtet. Das war lange Zeit ein Vorteil. Gegenüber Wettbewerbern mit weniger spezifischen Leistungen erzielten sie eine höhere Wertschöpfung. Gleichzeitig hat es sie aber in eine Abhängigkeit von ihren Kunden geführt. Wenn diese Abhängigkeit das eigene Geschäft bedroht, steht ein Strategiewechsel an, und es gilt, Spezialisierung mit Flexibilität zu verknüpfen. Vieles, was bisher mit aufwendigen Dienstreisen verbunden war, wird in der Corona-Krise mithilfe von digitalen Kommunikationsmitteln wie Videokonferenzen bearbeitet. Damit reduzieren sich auch die CO2-Emissionen der Branche. Ist die Krise eine Chance für mehr Nachhaltigkeit? Man kann sicher sagen, dass sich der Umgang mit Dienstreisen und Fachtagungen dauerhaft verändern wird – beide Bereiche sind rückläufig. Ein Teil wird nach Überwindung der Pandemie wiederkehren, aber es wird auch ziemlich sicher nicht einfach „so wie vorher“ weitergehen. Besonders große Logistikunternehmen haben sich oft ambitionierte Nachhaltigkeitsziele gesetzt. Diese prüfen jetzt auch, ob ihre Geschäftspartner diese Ansprüche erfüllen. Im Ergebnis will man zum Beispiel Kraftstoff sparen oder mehr alternative Energien einsetzen. Für die praktisch wirksame Umsetzung dieser Strategien sind Lieferketten zu optimieren, kleine Sendungen zu größeren Einheiten zu bündeln und so der „Carbon Footprint“ pro Sendung zu verbessern, aber es kann auch zu mehr Bestand oder Zeitbedarf führen. Die Umsetzung ist in vielen Bereichen noch unklar und wird lebhaft diskutiert. Es wird weitere Krisen geben, wie können sich Logistikunternehmen darauf vorbereiten? Hier kommt es auf eine wirksame Notfallplanung und ein ausreichendes Maß an struktureller Flexibilität an. Für die Unternehmen ist das ein

Balanceakt, der ein gutes Fingerspitzengefühl erfordert. Ein Zuwenig an Flexibilität gefährdet das Unternehmen im Krisenfall. Ein Zuviel gibt es aber auch, nämlich dann, wenn unwahrscheinliche Planfälle mehr Aufmerksamkeit erfahren als Effizienz und Qualität des eigentlichen Logistik-Tagesgeschäfts. In welchem Zeitraum rechnen Sie mit einer Normalisierung des Geschäfts? Wer genau hinschaut, kommt auf die Frage: Was soll das genau sein – „Normalisierung“? Die Lebensmittellogistik lief die ganze Zeit normal, sogar in vielen Segmenten mit mehr Nachfrage. In anderen Bereichen, etwa bei der Produktion von Flugzeugen, werden wir noch in Jahren nicht an Wachstum – also im Sinne der letzten Dekade: an Normalität – denken können. Ich rechne persönlich mit einem wirtschaftlich schwierigen Jahr 2021 und einem „new normal“ ab 2022. Wo werden in Zukunft die Wachstumstreiber für die Logistikunternehmen liegen? Logistik organisiert die Flüsse von Waren und Informationen in Netzwerken. Wachstum entsteht sowohl durch mehr Güter oder mehr Arbeitsteiligkeit oder mehr Wertschöpfung bei den Logistikern. Diese Wertschöpfung entsteht, wenn neben Transport auch Lagerung, Umschlag, Kommissionierung, Zusatzleistungen, IT, Disposition und vieles andere angeboten wird. Da gibt es einige Branchen, in denen auch die besten Logistiker nicht wachsen können, und andere, in denen es viele Chancen gibt. Im Moment bietet alles was mit Heimwerken, Camping oder Garten zu tun hat, wachsende Nachfrage. Ich glaube aber, dass sich auch der Tourismus erholen wird. Es kommt darauf an, wie geschickt die Anbieter die aktuellen Hygienevorgaben implementieren. Nachholbedarf erwarte ich für die Automobilbranche. Generell kann man sagen, dass die aktuellen Herausforderungen für die Logistikbranche zwar groß, aber die Chancen dennoch gut sind. Bei arbeitsteiligen Produkten bietet effiziente Logistik zweifellos einen Mehrwert, und solche Produkte gibt es immer mehr.

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TRANSPORT & LOGISTIK

Mit Volldampf durch die Krise Wie Paketdienstleister den Onlineboom und die strengen Hygienevorgaben unter Corona meistern VON CHRISTOPH LÜTZENKIRCHEN Die Krise kam plötzlich, unerwartet, gleichsam über Nacht. Was folgte, war vielfach Schockstarre. Bei jedem Einzelnen, bei Unternehmen, bei staatlichen Stellen. Die gewohnten Geschäfte mussten schließen. Firmen schickten ihre Mitarbeiter nach Hause. Für viele blieb das Internet das Tor zur Welt. Der Branche der Paketdienste kam in der Krise enorme Bedeutung zu. Die Situation sei auf zwei Ebenen herausfordernd gewesen, sagt Ingo Kutsch, Niederlassungsleiter Deutsche Post DHL Betrieb Münster/Osnabrück. Einerseits wuchs das Sendungsaufkommen durch den Online-Handel stark an. Zudem hätten sich viele Unternehmen an den Versanddienstleister gewandt, die auf die zuverlässige Zustellung ihrer Produkte angewiesen seien. „Es entstand eine Starkverkehrssituation wie vor Weihnachten“, so Kutsch. Den Schutz der eigenen Mitarbeiter, die während der Krise unter Hochdruck im Einsatz waren, bezeichnen auch Nadiya Lubnina, Sprecherin von Amazon Logistics, und Marten Bosselmann, Vorsitzender des Bundesverbands Paket & Expresslogistik BIEK, als besondere Herausforderung. Bosselmann,dessenVerbanddieVersanddienstleister DPD Deutschland, GLS General Logistics Systems Germany, GO! Express & Logistics (Deutschland), Hermes Germany und United OSNABRÜCK

Parcel Service Deutschland unter einem Dach vereint, nennt Zahlen. An durchschnittlichen Tagen sortieren die Mitgliedsunternehmen des BIEK demnach zwölf Millionen Pakete, zu Spitzenzeiten bei Corona waren es 19 Millionen. Bosselmann: „Die Menschen konnten ihre Einkäufe nicht in dengewohntenGeschäftentätigen,alles war geschlossen. Aus dieser Not heraus haben beispielsweise auch viele ältere Menschen online bestellt.“ Laut Amazon-Sprecherin Lubnina haben besonders kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in Deutschland ihr Online-Geschäft während der Corona-Krise stark ausgebaut. „Unabhängige Verkaufspartner machten auf dem Höhepunkt des Ausbruchs von März bis Mai 2020 rund zwei Drittel des Umsatzes (65,1 Prozent) auf Amazon.de.DiesisteinAnstiegumfastvier Prozent gegenüber dem Durchschnitt des gleichen Zeitraums im Jahr 2019 (61,2 Prozent)“, so die Sprecherin. DHL-Niederlassungsleiter Kutsch verbuchte in seinem Zustellbezirk, der Region 48/49, in der Hochphase der Krise bis zu 30 Prozent mehr Sendungen als gewöhnlich. Die tägliche Menge an Paketen liege sonst bei rund 310000, so Kutsch, in der Krise seien es täglich 420000 gewesen. Offenbar sei die Affinität für den Online-Handel in der Bevölkerung deutlich gewachsen, vermutet er. Zudem sei auffällig gewesen, dass vermehrt Büroausrüstung bestellt wurde, Sport- und Fitnessgeräte, Tierfutter, Gartenmöbel,

Iststolzauf seine Mitarbeiter: Ingo KutschistNiederlassungsleiter DeutschePost DHL BetriebMünster/ Osnabrück. Foto:Christoph Lützenkirchen

Blumenerde und auch Nahrungsmittel. Diese Tendenz halte aktuell noch an. Um die Arbeit bewältigen zu können, wurden für das Paketzentrum in Greven 100 neue Mitarbeiter eingestellt. Vor Corona waren rund 220 Menschen in Vollzeit in dem Paketzentrum beschäftigt, über 320 in Teilzeit. Bezogen auf ganz Deutschland, lag die Menge an Paketen nach Angaben von Kutsch sogar um rund 40 Prozent höher als im Vergleichszeitraum 2019. Während des Lockdowns gab es demnach in der Spitze bundesweit täglich neun Millionen Pakete im DHL-Netz. BIEK-Chef Bosselmann zeichnet ein anderes Bild. Zwar habe es im Bereich B2C ein höheres Sendungsvolumen gegeben, allerdings sei das Volumen im B2B-Bereich unter dem Strich rückläufig gewesen. Für das Gesamtjahr 2020 erwartet der Verband im Worst Case einen Rückgang des Sendungsvolumens um ein Prozent. Das

Best-Case-Szenario sieht ein Plus von 1,5 Prozent vor. Um den Hygieneanforderungen in der Corona-Krise gerecht zu werden, mussten die Paketdienstleister ihre Prozesse umfassend neu organisieren. „Wir haben über 150 Arbeitsprozesse angepasst“, sagt Nadiya Lubnina von Amazon Logistics. Die Maßnahmen zum Schutz der Mitarbeiter umfassten demnach die verstärkte Reinigung, die Temperaturmessung beim Betreten des Gebäudes, den Gesichtsschutz und Desinfektionsmittel. Außerdem sollte sichergestellt werden, dass ein Abstand von zwei Metern am Arbeitsplatz eingehalten wird. „Die Fahrer sind angewiesen, den Kontakt mit Kunden zu reduzieren, indem sie die Pakete vor der Tür der Kunden abstellen und einen Schritt zurücktreten oder einen sicheren Ablageort wählen“, so Lubnina. Amazon habe bis Ende Juni rund vier Milliarden US-Dollar in Covid-19

Maßnahmen investiert, erklärt die Sprecherin. Allein in Deutschland hat der Internetriese demnach seit Februar 470 Millionen Einheiten Desinfektionsmittel für die Hände, 21 Millionen Paar Handschuhe, 19 Millionen Masken, Gesichtsschilde oder anderen Mund-Nase-Schutz und 39 Millionen Packungen desinfizierende Wischtücher bestellt. Ingo Kutsch nimmt für sein Unternehmen in Anspruch, dass man besonders früh und schnell reagiert haben. „Schon ab dem 9. April wurde in unserem Grevener Paketzentrum eine Maskenpflicht eingeführt“, so Kutsch, „die Arbeitsprozesse wurden neu organisiert, damit es zu möglichst wenigen Kontakten kommt.“ Auch er berichtet von Sicherheitsabständen, häufigem Waschen der Hände und Mundschutz. Für die insgesamt 5100 Mitarbeiter der Niederlassung in Greven habe das Unternehmen 140000 Einwegmasken zur Verfügung gestellt, 22000 textile Masken und viele Tausend Flaschen an Desinfektionsmittel. Mitarbeiter, die Pakete ausliefern, würden nun klingeln, die Sendung vor der Tür ablegen, auf Abstand gehen und die Annahme der Sendung durch den Empfänger dann selbst bestätigen. Der Konzern honoriere das Engagement der Kollegen weltweit durch einen Coronabonus in Höhe von 300 Euro pro Person. An den Verhaltensempfehlungen des Robert-Koch-Instituts orientierten sich die Mitglieder des BIEK. „Eine

wichtige Maßnahme war in diesem Zusammenhang die kontaktlose Zustellung“, sagt Marten Bosselmann: „Der Empfänger unterschreibt nicht mehr auf dem Gerät des Zustellers. Er legt zum Beispiel seinen Personalausweis auf das vor der Tür abgelegte Paket, der Zusteller macht dann ein Foto des Pakets mit dem Personalausweis.“ Entlastend habe sich in der Krise der deutlich geringere Verkehr auf den Straßenausgewirkt,ergänzter.Außerdem hätten die Mitarbeiter der Paketdienste mehr Menschen zu Hause angetroffen als sonst. Ausfälle durch erkrankte Kollegen hat es laut dem BIEK-ChefinderKrisekaumgegeben. Diese Erfahrung hat auch DHL-Niederlassungsleiter Kutsch gemacht. Die betriebliche Stabilität sei zu jeder Zeit gewährleistet gewesen. Kutsch gibt sich überzeugt davon, dass die Lösungen, die man gefunden hat, auch langfristig tragfähig sind. Es bleibe aber eine Aufgabe, die Mitarbeiter fortlaufend zu motivieren und zu sensibilisieren. Ähnlich äußert sich Amazon-Sprecherin Lubnina. Marten Bosselmann vom BIEK nimmt noch einmal das Ganze in den Blick: „Mir ist wichtig, dass der Endverbraucher die Bedeutung unserer Branche sieht und auch den einzelnen Zusteller wertschätzt. In unserer Gesellschaft gibt es teilweise eine Null-VersandkostenMentalität. Das ist sehr bedauerlich. Die Paketdienste bieten eine hochwertige Dienstleistung, die auch wertgeschätzt werden sollte.“

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TRANSPORT & LOGISTIK

Geht da noch was im Osnabrücker Hafen? Stadtwerkevorstand Dr. Stephan Rolfes erklärt, warum er optimistisch in die Zukunft schaut VON CHRISTOPH LÜTZENKIRCHEN OSNABRÜCK Am 3. April 1916 machte

im Hafen Osnabrück das erste Binnenschiff „Minden 52“ fest. Sein Eintreffen gilt als offizielle Eröffnung des Hafens. Heute, mehr als 100 Jahre danach, ist die Zukunft des damals als „Jahrhundertbauwerk“ gepriesenen Hafens ungewiss. Das Frachtaufkommen stagniert seit Langem zwischen 400000 und 600000 Tonnen pro Jahr.DiebeidenSchleusenimStichkanal, der den Hafen mit dem Mittellandkanal verbindet, sind zu klein für aktuelle Binnenschiffe. Die Geschäftsführung des Hafens obliegt den Stadtwerken Osnabrück. Gemeinsam mit Transport & Logistik Verlags-Sonderveröffentlichung Herausgeber: Verlag Neue Osnabrücker Zeitung GmbH & Co. KG, Breiter Gang 10–16, 49074 Osnabrück, Telefon 05 41/3100 Redaktion:Neue Osnabrücker Zeitung GmbH & Co. KG V.i.S.d.P.: Ralf Geisenhanslüke Konzeption und Umsetzung: NOW-Medien GmbH & Co. KG, Große Straße 17-19, 49074 Osnabrück, Jürgen Wallenhorst, Christoph Lützenkirchen Anzeigen-/Werbeverkauf: MSO Medien-Service GmbH & Co. KG, Große Straße 17–19, 49074 Osnabrück Geschäftsführer: Sven Balzer Verantwortlich für Anzeigen-/Werbeverkauf: Sven Balzer, Marvin Waldrich (E-Mail: anzeigen@mso-medien.de) Druck: NOZ Druckzentrum, Weiße Breite 4, 49084 Osnabrück

Partnern bauen sie derzeit ein Containerterminal im Hafengebiet, dort sollen Güter von der Straße auf die Schiene umgeschlagen werden. Wir sprachen mit Dr. Stephan Rolfes, Vorstand Mobilität der Stadtwerke, über die Zukunft des Wasserumschlags in Osnabrück und die Pläne seines Unternehmens für den Hafen. Herr Dr. Rolfes, in einer Pressemeldung der Stadtwerke Osnabrück zum Bau des Containerterminals am Osnabrücker Hafen heißt es, das Potenzial für den Hafen wachse. Betrifft das auch den Wasserumschlag? Dr. Stephan Rolfes: Hier gilt es zunächst einmal zu differenzieren: Über das derzeit im Bau befindliche Containerterminal sollen Güter von der Straße auf die Schiene umgeschlagen werden. Der Standort in Hafennähe ist ausgewählt worden, da wir hier mit unserer Hafenbahn einen direkten Anschluss an das Netz der Deutschen Bahn haben. Der Standort in Hafennähe war und ist daher prädestiniert für ein Terminal zum Containerumschlag Straße/Schiene. Gemeinsam mit dem Landkreis verfolgen wir ein trimodales Konzept unter dem Oberbegriff „Ein Hafen mit zwei sich ergänzenden Standorten“: der Warenumschlag Straße/Schiene in Osnabrück sowie der Umschlag Wasserstraße-Straße am Hafen Stirpe-Oelingen bei Bohmte. Derzeit ist allerdings nicht absehbar, ob und wann das Vorhaben in Bohmte umge-

setzt werden kann. Auf den Bau unseres Containerterminals am Osnabrücker Hafen hat dies aber keinerlei Einfluss. Inwiefern ist der Hafen noch zukunftsfähig? Moderne Schiffe sind mehr als 100 Meter lang, sie können den Hafen nicht ansteuern. Ein begrenzender Faktor ist ferner die Wassertiefe von nur 2,50 Metern. Wie realistisch ist der Bau von neuen Schleusen? Der Hafen als Umschlagsstandort von der bzw. auf die Wasserstraße ist definitiv zukunftsfähig – auch ohne vergrößerte Schleusen. Denn die sind für die Zukunftsfähigkeit des Hafens nicht entscheidend. Den Bau neuer Schleusen halten wir im Übrigen in der Tat nicht für realistisch – allein aus Kostengründen. Der Bund als Eigentümer müsste weit mehr als 100 Millionen Euro investieren, um sie für moderne Frachtschiffe befahrbar zu machen. Allein mit dem Bau neuer Schleusen wäre es zudem ja nicht getan – auch das Wendebecken unweit der Osnabrücker Innenstadt müsste vergrößert werden, was bei der gewachsenen Infrastruktur am Hafen nicht umsetzbar wäre. Wir halten es daher für weitaus realistischer und zielführender, unsere gemeinsamen Überlegungen dahin gehend voranzutreiben, mit welchen anderen Maßnahmen und Ideen wir den Güterumschlag für die Hafenanrainer optimieren können.

Dr.StephanRolfes istVorstand fürden Mobilitätsbereich der Stadtwerke Osnabrück. Foto:Stadtwerke Osnabrück

Das Frachtaufkommen im Hafen Osnabrück variiert seit Langem zwischen 400 000 und 600 000 Tonnen pro Jahr. Unter welchen Bedingungen kann der Umschlag erhöht werden? Das Prognos-Institut hat im Auftrag der Stadt ein Gutachten hierzu erstellt und Ideen und Wege aufgezeigt. Einige davon sind vielversprechend und auch lohnenswert, sie weiterzudenken und weiterzuverfolgen – mit dem Ansatz, die Möglichkeiten der Digitalisierung und Vernetzung stärker zu nutzen. Hier sind wir in einem guten und engen Austausch insbesondere mitdenHafenanrainern.Naheliegend wäre auf den ersten Blick sicherlich, neue Unternehmen am Hafen anzusiedeln. Dem steht allerdings das Problem entgegen, dass wir nur sehr wenige freie Flächen am Hafen haben.

Gibt es in den Planungen der Stadtwerke andere Optionen für den Hafen, zum Beispiel für Wohnen oder Freizeit? Nein – anders als in anderen Städten ist und bleibt der Osnabrücker Hafen ein gewachsener Gewerbe- und Industriestandort mit einer hohen Bedeutung für die industriell geprägte Region Osnabrück. Und hierfür wird der Hafen auch weiterhin gebraucht. Die Weiterentwicklung des Wohnund Freizeitangebotes ist auf anderen Flächen weitaus sinnvoller. Wie sieht Ihr Konzept für die weitere Nutzung des Hafens aus? Wir denken hier in mehreren Zeitintervallen. Für die Nutzung in den kommenden 15 bis 20 Jahren wäre – eine gemeinsame Initiative aller Nutzer vorausgesetzt – denkbar, die Fahr-

rinne ausbaggern zu lassen. Mit Blick auf die weiterführende Zeitachse könnten wir uns die bereits von mir erwähnten Möglichkeiten der Digitalisierung zunutze machen: Denkbar wäre der smarte Einsatz elektrisch betriebener Schubschiffe für Leichter (antriebslose Frachter) zwischen der Stichkanalmündung in Bramsche und dem Osnabrücker Hafen. Derartige Leichter sind vielfach auf dem Mittellandkanal unterwegs, mit ihnen könnten wir die volle Länge der Schleusenkammern ausnutzen. Denkbar wäre ein autonomer Shuttleverkehr, auch die Schleusen würden automatisiert durchlaufen. Bei der Weiterentwicklung solcher innovativen Ansätze sehen wir uns aber nicht als Treiber, sondern vielmehr als kompetentenPartner.Wichtigdabeiistder gemeinschaftliche und partnerschaftliche Ansatz. Kann der Hafen derzeit kostendeckend betrieben werden? Finanziell stützt sich die Rentabilität des Hafens – gemeint ist der letzte Teil des Stichkanals im und am Wendebecken und ohne Schleusen – auf drei Säulen: das Ufergeld für den reinen Umschlag, die Erträge unserer Hafenbahn sowie die Verpachtung unserer Grundstücke am Hafen. Alle drei Säulen sorgen dafür, dass wir mit dem Betrieb des Osnabrücker Hafens eine „schwarze Null“ schreiben können – und weiter schreiben werden.


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