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DONNERSTAG, 20. DEZEMBER 2018
Weißer Fleck als Chance
AUSGABE 06/18
EINZELPREIS 1,90 €
In dieser Ausgabe:
STANDORTPORTRÄT SAMTGEMEINDE DÖRPEN
Der Bissendorfer Volker Eloesser hat sich vor zehn Jahren mit Nordkorea einen ungewöhnlichen Standort für ein neues Unternehmen ausgesucht. Mehr zu seinen Erfahrungen, Entwicklungen und unternehmerischen Chancen auf den Seiten 4 und 5.
MACHER & MÄRKTE Was setzt den Rettungsdienst unter Strom. Seite 6
SPEZIAL RECYCLING & UMWELT
Umwelt, Recycling und Nachhaltigkeit im Fokus des Wirtschaftstalks Seiten 12 und 13
Foto: Jörn Martens
GELD & GESCHÄFT So nutzen die Firmen Facebook, Instagram, Youtube & Co. Seiten 20 und 21
LEBEN & LEIDENSCHAFT Ein Blick hinter die Kulissen der Tee-Produktion. Seiten 28 und 29
Mit dem Kerngeschäft weiter nach vorne
wir denken nach, entwerfen,
Reiner Heiken lenkt jetzt die Geschicke von Hellmann Worldwide Logistics VON NINA KALLMEIER OSNABRÜCK. Von Schenker zu
Hellmann: Reiner Heiken ist seit 1. Dezember CEO des Osnabrücker Logistikkonzerns. Vor allem das Kerngeschäft soll im In- und Ausland im Fokus stehen.
Rund zwei Jahre lang war Reiner Heiken zuletzt Europa-Chef der Bahntochter Schenker, und auch für das Cluster Deutschland/Schweiz und damit die Deutschland-Organisation des Unternehmens ist der 56-Jährige interimistisch verantwortlich gewesen. Nun lenkt der Diplom-Nautiker seit Anfang Dezember die Geschicke
von Hellmann Worldwide Logistics. Erfahrung im Bereich Logistik bringt Heiken reichlich mit nach Osnabrück. Nicht nur für Schenker, auch für das Logistik- und Gütertransportunternehmen Kühne und Nagel ist er zuvor knapp 20 Jahre lang tätig gewesen, unter anderem als Landverkehrschef für Zentraleuropa, als Deutschland-Chef hatte er Verantwortung für See- und Luftfracht sowie Kontraktlogistik. Auf seine neuen Aufgaben freut sich der 56-Jährige: „Hellmann ist einer der großen internationalen Logistikdienstleister, und ich freue mich, das Familienunternehmen gemeinsam mit den Mitarbeitern strategisch erfolgreich weiterzuentwickeln.“ Dabei ist ihm Hellmann
Reiner Heiken
Foto: Hellmann
nicht ganz fremd. Zusammen mit Jost Hellmann hat Heiken viele Jahre lang gleichzeitig im Vorstand des Vereins Hamburger Spediteure (VHSp) gesessen. Nach dem umfassenden Restrukturierungsprogramm beim Osnabrücker Logistiker in den vergangenen drei Jahren blickt Heiken posi-
tiv in die Zukunft und hat Pläne: „Wir werden den Management-Fokus auf den Ausbau des operativen Kerngeschäftes, national wie gobal, lenken“, sagt der neue CEO. Um den Standort Osnabrück macht sich Heiken auch künftig keine Sorgen: „Als Gründungsstandort ist und bleibt Osnabrück für Hellmann der internationale Firmensitz.“ Eine Premiere gibt es allerdings für das Familienunternehmen im kommenden Jahr. Mit dem Ausscheiden von Jost Hellmann aus dem Vorstandsteam werden mit Reiner Heiken und Michael Noth zum ersten Mal ausschließlich externe Manager den Konzern lenken.
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DONNERSTAG, 20. DEZEMBER 2018
MACHER & MÄRKTE SPEZIAL
MACHER & MÄRKTE
RECYCLING & UMWELT
2 GELD & GESCHÄFT
LEBEN & LEIDENSCHAFT
9 | Verwertbar
17 | Zombies
25 | Wahl der Leser
Chefredakteur Dr. Berthold Hamelmann über Müllmengen, Recycling, Konsequenzen und Ehrlichkeit.
Gunda Rachut über den gelben Sack, seine Mythen und Wiederverwertung.
Warum eine Zinserhöhung eine Pleitewelle nach sich ziehen könnte.
Verlage gehen mit Fortsetzungen neue Wege und lassen Leser entscheiden.
3 | Lautlos
10 | Glühend
19 | Spenden
26 | Paradox
Maschinenbauer Paus ist weltweit erfolgreich und elektrifiziert den Bergbau.
So wird in Georgsmarienhütte aus Schrott neuer Stahl gemacht.
Das muss beachtet werden, um Spenden steuerlich abzusetzen.
Während die Dorfkneipe stirbt, zieht es Gastronomen in die Städte.
4/5 | Ungewöhnlich
11 | Instand gesetzt
20/21 | Social Media
27 | Erfolgreich
Bissendorfer sieht wirtschaftliche Chancen in Nordkorea.
Bücker + Essing verschafft alten Motoren ein zweites Leben.
Facebook & Co. sind auch für Unternehmen in der Region ein Thema.
Friseurmeisterin setzt auf Kreativität und breites Angebot.
6 | Emissionsfrei
12/13 | Wirtschaftstalk
22 | Zweiter Frühling
28/29 | Einblick
WAS setzt mit der Elektrifizierung des Rettungsdienstes Maßstäbe.
Olaf Lies und André Pohl nehmen Umwelt und Recycling in den Fokus.
Entrümpler und Sozialkaufhäuser geben Möbeln zweite Chance.
So kommen bei Bünting die Teeblätter in die Verpackung.
14 | Schonend
23 | Lohnend
30 | Ausland
Bei Technocycle.de GPC Nord wandern IT-Altgeräte nicht gleich in den Schredder.
Für Langzeitanleger sind Dividenden eine Alternative zu Zinsen.
Peter Bergmann plant Gesundheitszentrum in der Elfenbeinküste.
7 | Neubeginn
15 | Grünabfall
24 | Größe
31 | Handwerk
Wie Ingo Müller beim Deutschen Milchkontor den Kurswechsel geschafft hat.
Ingenieur Peter Brinkhege entwickelt Anlagen, die aus Grünabfall Kohle machen.
Das sind die 35 umsatzstärksten Unternehmen in Norddeutschland.
Bei Schierhölter kommt beim Korn vom Getreide bis zur Logistik alles aus einer Hand.
Foto: Nina Kallmeier
2 | Editorial
Unternehmens- und Personenindex UNTERNEHMEN 2G Energy AG .......................................................18 ABBA......................................................................30 Abfallbetrieb Grafschaft Bentheim (AWB) ....16 Agentur für Arbeit .............................................. 22 Agentur Stage Management............................. 27 Agravis................................................................... 24 Alando Palais .......................................................20 Allianz.................................................................... 23 Amazone ........................................................ 20, 24 Amazone Landmaschinentechnik................... 32 Amazone-Gruppe.................................................18 Assmann Büromöbel GmbH & Co.KG ............18 Audi........................................................................ 24 AWIGO ...................................................................16 B & K...................................................................... 32 Baader Bank..........................................................18 BASF ................................................................23, 24 Belland-Vision........................................................ 9 Berentzen.............................................................. 24 Berkshire Hathaway........................................... 24 Bertelsmann-Stiftung..........................................19 Big Dutchmann ................................................... 24 BMW ...................................................18, 23, 24, 32 Boge........................................................................ 24 Börsenverein des Deutschen Buchhandels... 25 Bosch...................................................................... 24 Bücker + Essing.................................................... 11 Bundesamt für Justiz..........................................18 Bundesanzeiger Verlag GmbH..........................18 Bundesbank...........................................................17 Bundesfinanzministerium .................................19 Bunte...................................................................... 24 Bünting.....................................................24, 28, 29 Bünting Tee ..........................................................28 Burger Biene ........................................................20 Café Bärchen........................................................20 Carrefour............................................................... 24 Cewe....................................................................... 24 CNPC...................................................................... 24 Coffee-Bike.............................................................21 Commerzbank.......................................................18 Continental........................................................... 24 Coppenrath & Wiese .......................................... 24 Creditreform .........................................................17 Daimler ................................................ 6, 10, 18, 24 Danfoss Mobile Electrification .......................... 3 Danish Crown...................................................... 24 Deka ....................................................................... 23 Deutsche Aktienindex (DAX)............................18 Deutsche Bank......................................................18 Deutsche Post ...................................................... 24 Deutsche Telekom............................................... 24
Deutsche Umwelthilfe ......................................... 9 Deutscher Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) ......................26 Deutscher Teeverband .......................................28 Deutsches Aktieninstitut (DAI) ....................... 23 Deutsches Milchkontor ................................. 7, 24 Dieter und Klaus................................................. 22 Disney.................................................................... 10 domi-tec ................................................................ 32 Dresdener Bank....................................................18 Droemer-Knaur-Gruppe.................................... 25 DZ-Bank .................................................................17 EcoVadis.................................................................18 Emsland-Stärke ................................................... 24 Enercon ................................................................. 24 Enviprotect............................................................16 Europäische Zentralbank (EZB).................17, 23 EWE ....................................................................... 24 Exor........................................................................ 24 Exxon Mobil ......................................................... 24 Facebook ...............................................1, 20, 21, 25 Felix Schoeller...................................................... 24 Fiat ........................................................................... 6 Flores Medizintechnik .......................................30 Ford.........................................................................18 Frem Group Screens Limited............................18 Fresenius Medical Care .....................................30 Friseursalon Better Feeling............................... 27 Frosta....................................................................... 9 Gasthof Aepken...................................................26 Gebr. Stolle ........................................................... 24 General Motors (GM)..........................................18 Georgsmarienhütte Gruppe.............................. 10 Georgsmarienhütte Holding ......................10, 24 Germany Trade & Invest (GTAI) ...................4, 5 Gesellschaft für Konsumforschung (GfK)..... 25 Glencore................................................................ 24 GMHütte Recycling GmbH............................... 10 Grüner Max ....................................................20, 21 Grüner Punkt......................................................... 9 H & R ..................................................................... 24 Hagebau ................................................................ 24 Handwerkskammer (HWK) Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim... 32 Harting Technologiegruppe........................18, 32 Helaba ....................................................................18 Hellmann .............................................................. 24 Hellmann Process Management.................12, 13 Hellmann Worldwide Logistics ..........................1 Henkel ..................................................................... 9 Homann Feinkost ............................................... 24 Humana ...................................................................7 Industrie- und Handelskammer (IHK) Osnabrück-Emsland-
Grafschaft Bentheim ........................... 4, 5, 18, 32 Industrie- und Handelskammer Niedersachsen (IHKN) ............................. 4, 5, 32 Instagram..............................................1, 20, 21, 25 Institut der Deutschen Wirtschaft (IW)........ 23 Interseroh ............................................................... 9 Jadehochschule ....................................................13 Klinik Treshville..................................................30 Klinikum Osnabrück.......................................... 32 Klumpe-Gruppe....................................................18 KME ....................................................................... 24 Knaur-Verlag ........................................................ 25 Kohle-Schacht „Kronprinz“ ...............................15 Kolpingwerk..........................................................16 Köster .................................................................... 24 Krone ..................................................................... 24 Kühne .......................................................................1 Landkreis Osnabrück..........................................16 Lidl ..........................................................................13 LinkedIn................................................................20 List Gruppe .......................................................... 32 Marrykotter...........................................................21 Maschinenfabrik Paus ......................................... 3 Maschinenfabrik Schmotzer GmbH................18 Mercedes................................................................. 6 Mini........................................................................ 32 Molkerei Ammerland......................................... 24 mtm Plastics GmbH ............................................16 MUUUH!............................................................... 32 MyChoco ................................................................21 Nagel.........................................................................1 Netflix .................................................................... 25 Next Choice Event- und Marketingagentur..20 Nord/LB ................................................................ 24 Nordland............................................................... 24 Nordmilch................................................................7 Nosotek Softwareentwicklung ........................... 4 Panoramabad....................................................... 10 Paracelsus-Kliniken............................................ 24 PBP......................................................................... 24 PHW-Gruppe........................................................ 24 Piepenbrock ......................................................... 24 Pjöngjang Business School................................. 5 Premium Aerotec ................................................ 24 Q1 Energie ............................................................ 24 Quirin Privatbank............................................... 23 Reholand............................................................... 22 Remondis.......................................................... 9, 18 Renault.................................................................... 6 revis3d ................................................................... 32 Robotation Academy Foshan ........................... 32 Röchling Engineering Plastics......................... 24 Rossmann ............................................................. 24 Rothkötter-Gruppe............................................. 24
Royal Dutch Shell ............................................... 24 Salon Schildmann............................................... 27 Salt and Pepper Technology ..............................18 Salzgitter AG ..................................................10, 24 Schenker ..................................................................1 Schierhölter...........................................................31 Schwarz-Gruppe..............................................12,13 Sercoo Group ........................................................ 11 Siemens ................................................................. 24 Sinopec.................................................................. 24 SKM Lingen.......................................................... 22 Snappchat.............................................................20 Solvendi GmbH ....................................................18 Sonae Arauco (ehem. Glunz)............................24 Sparkasse ...............................................................18 SPD..........................................................................13 Spedition Többe ...................................................18 Sprehe.................................................................... 24 Stadt Lingen......................................................... 22 Stadt Osnabrück.................................................. 10 Stadtwerke Osnabrück ...................................... 24 State Grid.............................................................. 24 Statistisches Bundesamt ..................................... 4 Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft.......................................19 Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister............................................. 9 Streetfood Circus ................................................20 Technocycle.de GPC Nord GmbH ....................14 Teehandelshaus Johann Bünting ....................28 Tesch .......................................................................18 Thyssen-Krupp .................................................... 10 Többe Schwerlast Latvia (TSLV)......................18 Tönsmeier-Gruppe ..............................................13 Total ....................................................................... 24 Toyota .................................................................... 24 Tui........................................................................... 24 Twitter ................................................................... 25 Umweltbundesamt ............................................... 2 Union Investment................................................18 Uniper.................................................................... 24 Vectron Systems AG ............................................18 Ventano Handelsgesellschaft mbH................... 4 Veolia ....................................................................... 9 Verein für Wirtschaftsförderung in Osnabrück (VWO).......................................... 32 Verein „Nachhaltigkeit gegen Hunger – contre le faim“ .....................................................30 Verein Hamburger Spediteure (VHSp).............1 VW......................................................... 6, 10, 18, 24 Walmart ................................................................ 24 Weller-Gruppe ...............................................24, 32 Wernsing............................................................... 24 Wertstoffhof Isterberg ........................................16
Whatsapp..............................................................20 Wietmarscher Ambulanz- und Sonderfahrzeug (WAS) GmbH....................... 1, 6 WIGOS................................................................... 32 Wirecard ................................................................18 WM SE................................................................... 24 Xing........................................................................20 Youtube .......................................................1, 20, 25
PERSONEN Aepken, Heinz......................................................26 Aepken, Christina ...............................................26 Akre-Taschakre, Paul..........................................30 Albers, Georg ....................................................... 22 Alsmeier, Matthis......................................... 28, 29 Assa, Prof. Allou ..................................................30 Bartels, Oliver ...................................................... 27 Bergmann, Peter..................................................30 Bielmeier, Stefan ..................................................17 Bretz, Michael.......................................................17 Brinkhege, Peter...................................................15 Brou, Dr. Kofi Alassane......................................30 Brüggemann, Thomas.......................................... 3 Brumme, Matthias...............................................14 Brunner, Tilman................................................4, 5 Bruns, Dr. Felix....................................................30 Deichmann, Heinz-Horst ...................................19 Dominik, Uwe...................................................... 32 Draghi, Mario........................................................17 Dreyer, Christian................................................. 32 Dreyer, Dr. Justus................................................ 32 Eloesser, Volker ............................................. 1, 4, 5 Erhard, Heinz .......................................................31 Ettrich, Fabian...............................................20, 21 Fleer, Irina ............................................................ 22 Gering-Höfelmeyer, Sonja................................. 27 Goebel, Uwe ......................................................... 32 Golling, Susanne ................................................. 22 Görges, Michael................................................... 22 Gust, Maximilian.................................................20 Halver, Robert.......................................................18 Heiken, Reiner........................................................1 Heitz, Markus ...................................................... 25 Hellmann, Jost........................................................1 Hennkes, Alfons .................................................. 22 Höfelmeyer, Reinhard........................................ 27 Jenner, Kendall..............................................20, 21 Kater, Ulrich....................................................17, 23 Kock, Andrea........................................................ 22 Kolthoff, Egbert............................................ 28, 29 Krall, Markus ........................................................17 Kühne, Klaus-Michael.........................................19 Küster, Rudolf...................................................... 32
Lamm, Christel.................................................... 22 Leimer, Carsten .................................................... 11 Leugers, Ulrich .................................................... 22 Lies, Olaf ..........................................................12, 13 Lübbersmann, Dr. Michael............................... 32 Meinders, Claus...................................................29 Meise, Lukas...................................................20, 21 Menzel, Heiner .....................................................16 Meyer, Nico............................................................21 Möhle, Reiner ...................................................... 32 Müller, Ingo.............................................................7 Noth, Michael .........................................................1 Otto, Michael ........................................................19 Paus, Franz-Josef................................................... 3 Paus, Wolfgang ...................................................... 3 Paus, Hermann...................................................... 3 Pleister, Lony .......................................................26 Plöger, Andreas...................................................... 6 Poesze, Klaus........................................................ 22 Poesze, Jutta......................................................... 22 Pohl, Andreas..................................................12, 13 Pommer, Daniela..................................................16 Quandt, Herbert...................................................19 Quandt, Harald.....................................................19 Rachut, Gunda....................................................... 9 Rekersdrees, Tim ................................................ 10 Ruschhaupt, Sven ............................................... 32 Schemme, Knut ................................................... 10 Schierhölter, Otto.................................................31 Schildmann, Karl-Heinz.................................... 27 Schildmann, Dieter............................................. 27 Schlichter, Martin ............................................... 32 Schmidt, Natalja.................................................. 25 Scholz, Volker.......................................................29 Schwaiger, Josef .....................................................7 Sievert, Niklas...................................................... 32 Steinmeier, Walter .............................................. 32 Stümmler, Thomas ..............................................18 Terheyden, Ralf.....................................................19 Töpfer, Ralf.................................................... 28, 29 Traud, Gertrud......................................................18 Trump, Donald ............................................4, 5, 18 Un, Kim Jong .....................................................4, 5 Weidmann, Robert...............................................18 Weil, Stephan........................................................13 Weinberg, Tamar.................................................20 Weller, Burkhard................................................. 32 Westerkamp, Dieter............................................26 Wilhelm, Jens .......................................................18 Windel, Fred......................................................... 32 Wismer, Rosi ........................................................ 22 Wochnik, Carsten................................................20 Wordtmann, Marco .............................................14 Zimmer, Tobias.....................................................21
E D I TO R I A L RECYCLING
Gesamtblick und Ehrlichkeit VON BERTHOLD HAMELMANN
R
ecycling ist zum Glück in Deutschland seit Jahrzehnten ein großes Thema, hat Jobs geschaffen und Maßstäbe gesetzt. Dabei ist die damit einhergehende Mülltrennung irgendwie auch etwas typisch Deutsches. Mit dem Grünen Punkt wurde in unserem Land 1991 das erste System erfunden, das aus gebrauchten Verpackungen wertvolle, neue Rohstoffe produzierte. Nach Angaben des Umweltbundesamtes sank das Netto-Abfallaufkommen zwischen den Jahren 2000 und 2016 sogar um etwa 12 Prozent. Doch wird dies neben statistischen Effekten hauptsächlich auf die konjunkturell bedingte Abnahme der Bau- und Abbruchabfälle zurückgeführt. Haushaltsabfälle dagegen nehmen kontinuierlich zu. Also kein Grund zum Jubeln. Denn sowohl beim Recycling als auch bei der Produktion von Müll EU-weit in der Spitzengruppe zu liegen macht nicht so richtig froh. Die Konsequenzen sind eindeutig. Dringender als je zuvor ist ein 360-Grad-Blick vonnöten, sollten bei Zukunftsprojekten nicht kurzfristig umsatz- und renditegetriebene Überlegungen im Vordergrund stehen, die langfristig Gift für die Umwelt bedeuten. Elektromobilität ist übrigens ein solches Thema, das oft verkürzt diskutiert wird. Da überrascht etwa ein Umweltminister im Wirtschaftstalk dieser Zeitung, der frank und frei erklärt, weiter mit einem Dieselfahrzeug als Dienstwagen unterwegs zu sein. Die auf seine Situation zugeschnittene Argumentation, untermauert mit eindeutigen Zahlen, überzeugt. Gleichwohl fordern solche auf den ersten Blick irritierenden Aussagen die Bereitschaft zu einer vorurteilsfreien inhaltlichen Auseinandersetzung, ein starkes Rückgrat bei von Wählerstimmen abhängigen Politikern. Und selbstverständlich Ehrlichkeit.
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Klobig, robust – und leise unter Tage Elektromobilität im Bergbau: Emsbürener Unternehmen Paus tüftelt am „MinCa“ VON THOMAS PERTZ EMSBÜREN. Klobig sieht er aus, robust ebenfalls. Da fällt umso mehr auf, dass er nichts von sich hören lässt. Lautlos ist der „MinCa 5.1“ auf dem Gelände der Emsbürener Maschinenfabrik Paus unterwegs. Das Fahrzeug für den Material- und Personentransport im Bergbau gibt es neben einer Hybrid- auch in einer Elektrovariante.
Bringen viel Energie in ihr Unternehmen ein: Franz-Josef und Wolfgang Paus (großes Bild, von links). Fahrzeuge für den Tunnel- und Bergbau sind eine Spezialität des emsländischen Unternehmens Paus (kleines Foto). Fotos: Thomas Pertz/Paus
Elektromobilität unter Tage, wo eine gute Sauerstoffumgebung überlebenswichtig ist: genau die richtige technologische Herausforderung für das Familienunternehmen. Hermann Paus hatte die Maschinenfabrik, die sich insbesondere als Hersteller von Fahrzeugen für den Berg- und Tunnelbau weltweit einen Namen gemacht hat, im Jahr 1968 gegründet. Erst vor wenigen Wochen hat das Unternehmen seinen 50. Geburtstag gefeiert. Aus einer Handvoll Mitarbeitern beim Start sind heute rund 270 geworden – Spezialisten in einem hoch technisierten und innovativen Werk, das von den beiden Brüdern Wolfgang und Franz-Josef Paus in der zweiten Generation geführt wird. Diplom-Kaufmann Wolfgang Paus deckt die betriebswirtschaftliche Seite ab, sein Bruder Franz-Josef als Ingenieur die technische. Das Unternehmen geht 2018 von einem Umsatz in Höhe von 50 bis 55 Millionen Euro aus. Thomas Brüggemann, Betriebsratsvorsitzender im Unternehmen, dreht mit dem „MinCa“ eine kleine Runde über das Werksgelände. Das Fahrzeug mit einer Nutzlast von 1,2 Tonnen ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit der Maschinenfabrik mit dem finnischen Unternehmen Danfoss Mobile Electrification, das den elektrischen Antriebsstrang liefert. Eine Leistung von 50 kW bringt der „MinCa“ laut Leistungsbeschreibung in der Elektroversion. Der Akku stellt Energie für drei bis vier Stunden bereit. Elektromobilität ist in der Automobilindustrie aktuell das zentrale Thema. Stückzahlen, mit denen dort pro Jahr europaweit gerechnet werde, würden in die Millionen gehen, sagt Ingenieur Franz-Josef Paus. Deutlich kleiner seien diese Zahlen für den Bereich Landmaschinen – und noch kleiner bei Fahrzeugen, die in den Bergwerken 1000 Meter und tiefer unter der Erde unterwegs sind. Das Emsbürener Unternehmen geht hier eher von Stückzahlen in einer Größenordnung von 2000 jährlich aus – weltweit. Lohnt sich da überhaupt der Forschungs- und Innovationsaufwand, um aus dem Prototyp „MinCa 5.1“
ein elektrobetriebenes Serienfahrzeug zu machen? Beide Brüder nicken. Das Besetzen von Nischen ist die Stärke von Paus. Den Nachweis der technologischen Machbarkeit zu führen und daraus gleichzeitig ein Geschäftsmodell zu entwickeln ist immer wieder eine Herausforderung, die der Betriebswirt und der Ingenieur brüderlich regelmäßig ausdiskutieren – und am Ende zu einem guten Ergebnis kommen, wie die weltweiten Geschäftsbeziehungen des Unternehmens belegen. Über 80 Prozent der Fahrzeuge „made bei Paus“ gehen in den Export. In Kanada ist die Nutzung von Dieselfahrzeugen in einigen Minen aus gesundheitlichen Gründen bereits verboten worden. Auch im Bergbau kann die emissionsfreie Mobilität also ihre Vorteile ausspielen. Neben dem Gesundheitsschutz tragen Elektro-Minenfahrzeuge zur Senkung der Kosten für Kraftstoffe und Lüftungssysteme unter Tage bei. „Der Dieselmotor stößt nicht nur Abgase aus, sondern gibt auch Wärme ab“, erläutert Franz-Josef Paus. Zusätzlich zur frischen Luft müsse dem Bergwerk also auch kalte Luft zugeführt werden. Die Elektrifizierung von Fahrzeugen könne eine Kostensenkung herbeiführen.
„Die Batterie kostet fast so viel wie das ganze Fahrzeug.“ Franz-Josef Paus, Geschäftsführer
Das elektrobetriebene Fahrzeug allein macht aber noch nicht die Entscheidung für seinen Einsatz aus. „Das ganze Umfeld muss aus der Sicht des Kunden stimmen“, beschreiben die Paus-Brüder die Komplexität des Themas. So seien die Ladezeiten beim Einsatz von Bleibatterien deutlich länger als bei Lithiumbatterien, Letztere aber teurer. „Bei einem Untertage-Radlader mit sechs Tonnen Nutzlast kostet die Batterie mit 250 000 Euro fast so viel wie das ganze Fahrzeug“, erläutert Franz-Josef Paus. Wenn der Einsatz von Elektromobilität günstiger wäre, hätte sie auch mehr Befürworter, betont sein Bruder Wolfgang. Als kleiner Hersteller zieht Paus aber insbesondere aus Nischenlösungen mit geringen Stückzahlen seine Stärke. Genau aus diesem Grund konzentriert sich das Unternehmen auch auf das Thema Elektromobilität, um im entscheidenden Moment mit marktreifen Lösungen aufwarten zu können. Das Familienunternehmen hat seine Entwicklungsabteilung im Bereich E-Kompetenz mehr als verdoppelt. Die Batterie vor den Motor setzen und schon läuft es – mitnichten. Wenn es so einfach wäre, könnte es ja auch jeder, heißt es bei Paus. Die Emsbürener werden den „MinCa 5.1.“ nächstes Jahr auf der „bauma“ vorstellen, der weltweit bedeutendsten Messe der Baumaschinen- und Bergbaumaschinenbranche in München. In Deutschland ist Paus aktuell nach eigenen Angaben das einzige Unternehmen, das zum Thema Elektromobilität bei Bergbaufahrzeugen unter Tage intensiv tüftelt, entwickelt, ausprobiert, forscht. „Wenn einer das kann, dann ihr“, hat das Familienunternehmen im Laufe seiner nunmehr 50-jährigen Familiengeschichte schon häufiger gehört. „In Kanada wird es losgehen, da ist das Interesse am größten“, prophezeit Franz-Josef Paus. Aber auch innerhalb Europas sieht sein Bruder Wolfgang Exportmöglichkeiten. Wenn beide recht behalten, wird der „MinCa 5.1.“ schon bald nicht mehr der Einzige sein, der auf dem Paus-Gelände in Emsbüren steht.
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MACHER & MÄRKTE
MACHER & MÄRKTE
„Investitionen werden auch als Chance gesehen“
Kontrast: Abkommen lässt Handel mit Südkorea blühen Exporte habe sich seit Inkrafttreten niedersachsenweit verdoppelt
VON NINA KALLMEIER OSNABRÜCK/EMSLAND. Ein Ab-
Ein Exot: Seit zehn Jahren investiert Volker Eloesser in ein Unternehmen in Nordkorea. Entwickelt sich die politische Situation positiv,sieht er auch weiterhin viel Potenzial.
Foto: Swaantje Hehmann
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2009
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So hat sich das Handelsvolumen zwischen Niedersachsen und Südkorea verändert (Angaben in Mio. Euro)
2011
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742,9 504,0
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Quelle: Statistisches Landesamt · Grafik: Matthias Michel
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Freihandelsabkommen lässt Export steigen
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„Wirtschaft findet statt. Das wird im Westen gerne übersehen.“
terhin großes Potenzial. Er bereut seine Investition in Nosotek zehn Jahre später nicht – auch wenn finanziell bislang nicht viel dabei herausgekommen ist, gibt er zu. „Ich sehe es als langfristige Investition und hoffe, dass sich die politische Situation weiter entspannt. Und dass ich zwischenzeitlich nicht enteignet werde“, so der Bissendorfer. In Sachen Entspannung setze man in Nordkorea, dessen mit Abstand größter Handelspartner China ist, aber mehr auf bessere Beziehungen zu Südkorea als zu den USA, so der Eindruck Eloessers. Im kommenden Jahr soll es wieder hingehen. Für wie lange, weiß er noch nicht. Wie es mit seinem unternehmerischen Engagement auf der Koreanischen Halbinsel weitergeht, hängt auch an weiteren politischen Entwicklung. Volker Eloesser könnte sich durchaus vorstellen, sein Bissendorfer Unternehmen stärker mit Nordkorea zu verknüpfen und Türbeschläge und Fliesen, die die Handelsgesellschaft vertreibt, dort produzieren zu lassen. Nicht von einem weiteren, eigenen Unternehmen, sondern von einem Partner vor Ort. „So lange die Sanktionen jedoch greifen, lässt sich kein Geld verdienen“, ist Eloesser, der eine Zeit lang Betriebswirtschaftskurse an der
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Sanktionen ein spürbares Wachstum im Land.“ Das zeigt sich auch am Konsum, sagt der Bissendorfer: Leere Läden gehören der Vergangenheit an, stattdessen hätten Restaurants, Kneipen und Luxusartikel Einzug gehalten. „Dieser Wandel, der sich vor allem mit dem Machtwechsel zu Kim Jong Un eingestellt hat, wird bei uns im Westen gar nicht so wahrgenommen“, bedauert der Unternehmer. Denn für ihn hat das Land wei-
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nem und drei Jahre arbeiteten, bevor sie nach Nordkorea zurückkehren. „Das bedeutet entsprechend auch, dass ein Teil der Wertschöpfung außerhalb des Landes stattfindet“, sagt der Bissendorfer. Diese rege Reisetätigkeit ins Ausland – wenn auch staatlich kontrolliert – steht im Kontrast zu dem Bild der eingeschlossenen Gesellschaft, das im Westen gezeichnet wird. Allerdings, so gibt Volker Eloesser zu, ist die Bewegungsfreiheit auch innerhalb Nordkoreas immer noch nur sehr eingeschränkt möglich. „Die Menschen brauchen zum Reisen eine Erlaubnis“, sagt der Unternehmer. Er eingeschlossen, wenn er sich in Nordkorea aufhält. Man habe ihm aber viel ermöglicht – etwa einen Ausflug an die Grenze zu Südkorea. Insgesamt habe Nordkorea eine unglaubliche Transformation hinter sich, gesellschaftlich und wirtschaftlich. „Als ich 2005 zum ersten Mal dort war, hätte man auf der sechsspurigen Straße der Hauptstadt ohne Probleme sein Zelt aufstellen können. Heute herrscht dort Stau“, beschreibt Eloesser eine offensichtliche Wandlung. Einen gewissen Wohlstand haben sich die Hauptstädter somit zumindest äußerlich erworben. „Es gibt trotz
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reas Machthaber Kim Jong Un und US-Präsident Donald Trump vor rund einem halben Jahr. Ganz anders sieht es auf der anderen Seite des Grenzzauns auf der Koreanischen Halbinsel aus. „Das Freihandelsabkommen zwischen Südkorea und der EU ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie freier Handel den Export ankurbelt“, sagt Brunner mit Verweis auf die Zahlen. Im Juni 2011 ist das Abkommen in Kraft getreten. Zwischen 2010 und 2017 hat sich das Exportvolumen aus Niedersachsen mehr als verdoppelt. Für Firmen in der Region liegt Südkorea nach Auskunft der IHK mit einem Handelsvolumen von 29 Milliarden Euro auf Platz 37 der wichtigsten Handelspartner. So rasant wird sich die Beziehung zu Nordkorea in den kommenden Jahren nicht entwickeln, schätzt Volker Eloesser. Auch wenn sich die Wirtschaft in Nordkorea seiner Meinung nach in den vergangenen Jahren sehr gut entwickelt hat. „Wirtschaft findet statt. Das wird im Westen gerne übersehen.“ Vor allem Bergbau und Textilindustrie gebe es im Land, zudem einen Handel mit Fischereirechten. Nordkoreaner seien auch gefragte Arbeitskräfte in Saudi-Arabien oder Afrika, Russland oder China, wo sie zwischen ei-
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Tilman Brunner, Außenhandelsexperte IHKN
gut 25 Millionen Einwohnen, so die Schätzungen der GTAI, nicht riesig ist. Zumal außerhalb der Hauptstadt Pjöngjang mit ihren rund zwei Millionen Einwohnern nicht viel Potenzial sei, so Eloesser. Mit seinem wirtschaftlichen Engagement in Nordkorea ist der Bissendorfer ein Exot. Eine Nachfrage bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Osnabrück - Emsland Grafschaft Bentheim macht schnell klar: Volker Eloesser ist der einzige Unternehmer, der Beziehungen zu Nordkorea pflegt. Auch niedersachsenweit hält sich das Interesse am nordkoreanischen Markt in Grenzen, sagt Tilman Brunner, Außenhandelsexperte der IHK Niedersachsen (IHKN). „Das Exportvolumen niedersächsischer Unternehmen nach Nordkorea lag in den vergangenen Jahren konstant bei 500 000 Euro.“ Eine Ausnahme war das Jahr 2016. „In dem Jahr hat es einen Großauftrag für Pumpen und Kompressoren gegeben, sodass das Exportvolumen auf 1,2 Millionen Euro gestiegen ist“, sagt der Außenhandelsexperte. Seither ist in Sachen Handelsvolumen alles beim Alten – trotz des medienwirksam inszenierten und auf politische Entspannung ausgerichteten Treffens zwischen Nordko-
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500 000 Euro, höher ist der Wert der Waren nicht, die niedersächsische Unternehmen nach Nordkorea exportieren. Volker Eloesser wundert selbst dieser Betrag. „Das ist erstaunlich viel, wenn man bedenkt, dass es eigentlich nur eine Art Tauschhandel gibt“, sagt der Bissendorfer. Auch im Vergleich zu den deutschlandweiten Exporten in das Land, das vor allem aufgrund seines Atomprogramms Schlagzeilen macht, relativiert sich die Zahl: Auf insgesamt vier Millionen Euro belief sich das Exportvolumen laut Statistischem Bundesamt 2017. Ein Jahr zuvor waren es noch knapp sechs. Die Tendenz ist weiter sinkend, erst vor einem Jahr haben die Vereinten Nationen neue Sanktionen gegen Nordkorea beschlossen. Für das erste Halbjahr 2018 weist die deutsche Investitionsagentur Germany Trade & Invest (GTAI) Exporte im Wert von rund eine Million Euro ausgewiesen – nur halb so viel wie im Jahr zuvor. Selbst das Unternehmen von Volker Eloesser, die Ventano Handelsgesellschaft aus
„Der Export von Unternehmen aus Niedersachsen ist konstant.“
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Nordkorea denken viele an ein tristes Land, diktatorisch geführt und von Sanktionen gebeutelt. Der Bissendorfer Volker Eloesser zeichnet ein etwas anderes Bild. Vor zehn Jahren hat er in ein Software-Unternehmen in Pjöngjang investiert und mehr als zwei Jahre lang dort gelebt.
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BISSENDORF/PJÖNGJANG. Bei
wurde mit Unterstützung der staatlichen russischen Bahngesellschaft gebaut.Es ist ein Pilotprojekt und soll die nordkoreanische und südkoreanische Eisenbahn wieder mit der Transsibirischen Eisenbahn verbinden. Foto: imago/ITAR-TASS
In der Wirtschaft wird das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union (EU) und Südkorea als mustergültig bezeichnet. „Es zeigt, was ein freier Handel bewirken kann“, ist Tilman Brunner, Außenhandelsexperte der Industrieund Handelskammer Niedersachsen (IHKN), überzeugt. Die Zahlen geben ihm recht. Bis auf einen Warenwert von gut 500 Millionen Euro waren die Exporte aus Niedersachsen in Richtung Südkorea 2010 gestiegen. Im vergangenen Jahr wurden Waren im Wert von mehr als 1,1 Milliarden Euro exportiert. Damit hat sich der Wert seit Inkrafttreten des Freihandelsabkommens am 1. Juli 2011 mehr als verdoppelt. Ins-
Prozent auf 8,5 Milliarden US-Dollar gesunken. Auf der anderen Seite stiegen südkoreanische Importe aus Deutschland um 38,1 Prozent auf 19,7 Milliarden Dollar, wie eine Auswertung der deutschen Investmentagentur GTAI zeigt. Allerdings sieht die GTAI diese Ausweitung des Defizits nicht ausschließlich als Resultat des freien Handels. Zum einen würden höhere Lohnkosten bei gleichzeitig relativ niedriger Produktivität dazu führen, dass neue Produktionskapazitäten an günstigeren Standorten im Ausland aufgebaut würden. Ein Beispiel ist die Herstellung von Smartphones: Der Anteil der im Ausland hergestellten Produkte ist von 16 Prozent im Jahr 2010 auf 91 Prozent im Jahr 2017 gestiegen. Die Batteriehersteller ziehen vor allem in Osteuropa neue Werke hoch. Somit tauchen die von südkoreanischen Firmen in Drittländern hergestellten und nach Deutschland gelieferten Produkte in der Statistik nicht mehr auf. Zum anderen spielt der Rückgang in der Schiffbaubranche aufgrund der globalen Krise und der zunehmenden internationalen Konkurrenz für südkoreanische Werften eine Rolle.
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VON NINA KALLMEIER
Wirtschaft findet statt: Das Terminal am nordkoreanischen Hafen Rajin
Pjöngjang Business School gegeben hat, realistisch. So skeptisch wie man im Westen denken mag, stünden Nordkoreaner Investitionen nicht gegenüber. „Unternehmer hier sind sicherlich skeptischer, dort zu investieren“, ist Volker Eloesser überzeugt. „Es wird der Nutzen für sie selbst und somit Investoren weniger als Werkzeug für einen Regimewechsel gesehen“, versucht der Bissendorfer zu erklären. Allerdings stünden sich die Nordkoreaner auch selbst ab und zu im Weg: sei es durch den restriktiven Umgang mit dem Ausland oder den eigenen Regularien. „Manchmal kommt es mir so vor, als ob das Land wirtschaftlich zwei Schritte nach vorne und einen wieder zurück macht.“ Als förderlich für eine unternehmerische Zusammenarbeit sieht Eloesser auch Wirtschaftskurse, wie sie eine Schweizer Entwicklungsorganisation eine Zeit lang finanziert hat. „Die wurden gut angenommen. Dann ging das Geld aus. Wenn es mehr solcher Angebote geben würde, gäbe es eine bessere wirtschaftliche Zusammenarbeit“, ist sich der Bissendorfer sicher. Ob Nordkorea für niedersächsische Unternehmen jemals flächendeckend ein interessanter Markt sein wird? Aktuell gibt es keinerlei Anfragen aus der Wirtschaft, sagt IHKN-Außenhandelsexperte Tilmann Brunner. „Das heißt aber nicht, dass das Land nicht als Markt interessant werden könnte.“ Niedersächsische Unternehmen seien in Südkorea gut aufgestellt, sodass sie bei einer weiteren Öffnung von dort aus den Markt im Norden bedienen könnten. Volker Eloesser schätzt die Lage in Nordkorea aktuell als stabil ein. „Ich erwarte aber keine schnellen Veränderungen, weder zum Besseren noch zum Schlechteren“, sagt er. Ob das Treffen zwischen Kim Jong Un und US-Präsident Donald Trump langfristig ein Erfolg sein wird, davon ist der Bissendorfer auch rund sechs Monate später noch nicht überzeugt. „Das wird sich zeigen“, kommentiert er trocken.
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Regionale Firmen in Südkorea gut aufgestellt.
fließend Koreanisch sprich. „Aber genug, um zu hören, ob der Dolmetscher etwas Wichtiges vergessen hat“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Erst vor der Geburt seiner Tochter ist die Familie nach Deutschland zurückgekehrt. An seinen ehrgeizigen unternehmerischen Plänen hält der Bissendorfer trotz seiner Rückkehr fest. „Wir wollten schon ein nordkoreanisches Ebay aufbauen“, sagt der Unternehmer. Bislang ist er an den Regularien vor Ort gescheitert, aufgegeben hat er die Idee aber noch nicht – auch wenn der Markt mit
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Geringes Handelsvolumen, aber viel Potenzial.
dem Landkreis Osnabrück, exportiert keine Zementfliesen nach Nordkorea und arbeitet auch nicht mit Unternehmen dort vor Ort zusammen. Stattdessen ist es eine Softwarefirma, die Nosotek Softwareentwicklung in der Hauptstadt Pjöngjang, die Volker Eloesser vor zehn Jahren gegründet hat. Nordkorea – ein weißer Fleck auf der Landkarte wirtschaftlich starker Regionen – hatte der ITler damals bewusst gewählt. Wie viele Mitarbeiter er heute beschäftigt, darüber schweigt der Bissendorfer jedoch. Entwickelt werden bis heute unter anderem Handyspiele und Webdesigns für den dortigen Markt. „Durch die Sanktionen ist der Markt abgekapselt worden“, erzählt er. Allerdings müsse man sich die Sache mit dem Internet etwas anders vorstellen als in Deutschland. „Es ist mehr eine Art Intranet, ein nordkoreanisches Internet, welches für die meisten Nutzer nicht mit der Welt verbunden ist“, versucht der Bissendorfer zu beschreiben. Gewinne zieht Eloesser aus dem Unternehmen keine, was erwirtschaftet wird, wird wieder investiert. Die intensivste Zeit sei in den Anfangsjahren zwischen 2008 und 2011 gewesen, als er dauerhaft in Pjöngjang gelebt hat, erzählt der Bissendorfer, der bis heute nicht
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Bissendorfer ist einer von wenigen mit Kontakt nach Nordkorea.
kommen mit großer Wirkung: Das Freihandelsabkommen mit Südkorea hat Importe und Exporte florieren lassen. Insgesamt 109 Unternehmen im Bezirk der Industrie- und Handelskammer Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim unterhalten Handelsbeziehungen mit dem Land auf der Koreanischen Halbinsel.
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Vor zehn Jahren hat der Bissendorfer Volker Eloesser in Nordkorea das Unternehmen Nosotek Softwareentwicklung gegründet
gesamt steht Südkorea auf Rang 24 der wichtigsten Außenhandelspartner Niedersachsens. Der Wert der Importe belief sich im vergangenen Jahr auf rund 752,9 Millionen Euro. Von dieser positiven Entwicklung profitieren auch 109 Unternehmen im IHK-Bezirk Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim. 95 von ihnen exportieren Waren, immerhin 23 importieren. Damit belegt Südkorea exportseitig Rang 39 der wichtigsten Handelspartner, importseitig Rang 26, so die Auskunft der Handelskammer. Nach koreanischen Angaben sind im Land etwa 500 deutsche Unternehmen oder Firmen mit Kapitalbeteiligung aus Deutschland vertreten und beschäftigen rund 100 000 koreanische Arbeitnehmer. Aus niedersächsischer und auch deutscher Sicht fällt die Bilanz sieben Jahre nach Inkrafttreten des Freihandelsabkommens also positiv aus. Auch aus südkoreanischer Sicht bleibt Deutschland der mit Abstand wichtigste europäische Handelspartner. Allerdings hat sich das Handelsdefizit in dieser Zeit vergrößert: Exporte Südkoreas nach Deutschland sind in den vergangenen sieben Jahren um satte 20,7
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DONNERSTAG, 20. DEZEMBER 2018
MACHER & MÄRKTE
Kommen die Retter bald per E-Ambulanz? Prototyp eines Wietmarscher Unternehmens stößt auf hohes Interesse
VON NINA KALLMEIER WIETMARSCHEN. Der Volkswagen-Konzern legt einen größeren Schwerpunkt auf E-Mobilität, auch in der Logistik spielen elektrifizierte Lkw zunehmend eine Rolle. Vor diesem Hintergrund hat die Wietmarscher Ambulanz- und Sonderfahrzeug GmbH (WAS) überlegt, wie ihre Fünf-Tonnen-Fahrzeuge mit einem E-Antrieb ausgestattet werden könnten. Der Prototyp ist entwickelt, im nächsten Jahr sollen die ersten umgebauten Fahrzeuge verkauft werden.
Von außen sieht der Kastenwagen nicht anders aus als die übrigen Rettungsfahrzeuge auf dem Firmengelände der Wietmarscher Ambulanzund Sonderfahrzeug GmbH. Vielleicht etwas schlichter, denn die charakteristische, leuchtende Folienbeklebung eines Rettungswagens fehlt. Ein Blick unter die Motorhaube zeigt jedoch schnell, dass das Fahrzeug mit dem „E“ im Nummernschild etwas Besonderes ist: Statt vieler Rohre und Schläuche zum Motor ist da nur eine hellgraue Box zu sehen. Die Ambulanz fährt mit Batterie-Antrieb. Auf die Entwicklung ist WAS-Geschäftsführer Andreas Plöger stolz. „Es ist das erste Fünf-Tonnen-Fahrzeug mit Elektroantrieb“, sagt er und klappt die Motorhaube wieder zu. Die beiden
Batterien, die dem Sonderfahrzeug eine Reichweite von mittlerweile 280 Kilometern verschaffen, sind unter der Ambulanz am Rahmen angebracht. Es ist mittlerweile ein Jahr her, dass das Wietmarscher Familienunternehmen zusammen mit Partnern die erste Version des Prototyps gebaut hat. Seither hat sich – mit der neuen Batterie-Generation – die Reichweite um 80 Kilometer erhöht. Verwendet werden Lithium-Eisen-Phosphat Batterien (LiFePo Akku). „Sie brennen und explodieren im Falle eines Unfalls nicht“, erklärt der Geschäftsführer. Und auch der „Koffer“, der Teil des Fahrzeugs, in dem die medizinische Versorgung stattfindet und der die Expertise von WAS ist, ist heute anders als bei der ersten Präsentation des Fahrzeugs elektrifiziert. Mit einem eigenen Stromkreislauf. Mit ihrer Entwicklung hat WAS nicht etwa auf eine Kundenanfrage reagiert, sondern man wollte einen eigenen Beitrag zur E-MobilitätsDebatte leisten, sagt Andreas Plöger. „In der Diskussion um E-Mobilität fehlte ein solches Produkt im Rettungsdienst.“ Auch bei den Fahrzeugherstellern am Markt, denn auf ein vorhandenes, für Elektromobilität ausgerichtetes Fahrgestell konnte das Unternehmen nicht zurückgreifen. Entsprechend stand WAS vor ähnlichen Herausforderungen wie die Logis-
Der E-Ambulanz fehlt noch die charakteristische Beklebung.
tikbranche: dem zusätzlichen Gewicht, das ein Umbau mit sich bringt. „100 Kilo ist das Fahrzeug aufgrund der Elektrifizierung schwerer geworden“, sagt der Geschäftsführer. Das hatte Einfluss auf den Koffer, der auf ein umgerüstetes Fahrgestell von Daimler gebaut wurde. „Wir haben den Bayern-Koffer als Ausgangsbasis genommen“, erklärt Plöger. Also jenen, der in dem südlichen Bundesland Standard ist. Er sei leichter als zum Beispiel ein übliches Modell für Nordrhein-Westfalen, so der Geschäftsführer. Außerdem gibt es einen Begleitersitz weniger, um zusätzlich Gewicht zu sparen.
„Ab März ist das Fahrzeug marktfertig.“ Andreas Plöger, Geschäftsführer WAS
Foto: WAS
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Anders als bei den rund 1300 Fahrzeugen, die WAS pro Jahr in seinen beiden Werken in Wietmarschen herstellt, gibt es also bei der E-Ambulanz aktuell eine Art Standardisierung. „Normalerweise gleicht kein Rettungswagen dem anderen“, sagt der Geschäftsführer. Jeder Rettungsdienst habe seine eigenen Vorstellungen von Beklebung und Innenausstattung. „Das ist unser Geschäftsmodell“, sagt Plöger schmunzelnd. Trotz der langjährigen Expertise war die Entwicklung des E-Koffers kein leichtes Unterfangen, blickt der Geschäftsführer zurück. Heizung, Servolenkung, Bremsunterstützung, für all diese Dinge braucht es ohne Verbrennungsmotor einen eigenen kleinen Elektromotor – unabhängig von der elektrischen Versorgung des Koffers. Mal abgesehen von den unterschiedlichen Reaktionen, die WAS auf die E-Ambulanz bekommen hat. Die gingen von „Brauchen wir unbedingt“ bis zu „Völliger Blödsinn“. Der Grund sei die emotionale Debatte über die Reichweite, die Andreas Plöger gut nachvollziehen kann. „Es gibt viele, die mit den Einschränkungen, die durch eine E-Ambulanz entstehen, nicht leben können.“ Gerade im Emsland, wo die zurückzulegenden Strecken deutlich länger seien als zum Beispiel im städtischen Osnabrück, sei das auch verständlich. Plöger sieht jedoch viele Bereiche, in denen eine große Reichweite keine Rolle spielt: unter anderem Werksfeuerwehren, Krankentransporte, auf den Inseln oder in Ballungszentren wie London. „Die Strecken dort sind nicht länger als 100 Kilometer. Und
Ein Blick unter die Motorhaube zeigt den Unterschied: Auf die Entwicklung der E-Ambulanz ist WAS-Geschäftsführer Andreas Plöger stolz. Über das Display im Fahrzeug werden sämtliche Funktionen überwacht.. Fotos: Nina Kallmeier
wenn doch mal ein längerer Transport nötig ist, könnte ein anderes Fahrzeug geordert werden.“ Allerdings: Mit einer Ladeinfrastruktur an Krankenhäusern, wo die Fahrzeuge nach einer Fahrt ohnehin rund 30 Minuten stehen, könnte schnell wieder aufgeladen werden. Interesse an dem Prototyp gebe es bereits, unter anderem von der Werkfeuerwehr am Flughafen Wien, obwohl das Fahrzeug noch nicht auf dem Markt ist. Auch aus den Niederlanden ist die Resonanz positiv – allerdings nicht zu dem aktuellen Preis. In der Frage der Elektrifizierung von Fahrzeugen seien Nutzfahrzeuge jedoch lange außen vor gewesen, stellt Plöger fest. Von einem standardisierten Fünf-Tonner sei bis heute keine Rede. Ein Fehler, findet der Geschäftsführer. Denn die Tatsache, dass für die ersten Interessenten weiterhin ein vorhandenes Fahrgestell umgebaut werden muss, macht die Anschaffung teuer. „80 000 Euro kostet das Basisfahrzeug einer E-Ambulanz. Das sind 50 000 Euro mehr als ein normales Basisfahrzeug“, macht Plöger die Dimensionen deutlich. Um das Fahrzeug „massentauglich“ zu machen, braucht es ein auf Elektromobilität ausgerichtetes Fahrgestell. Auf „Japaner“ umzusteigen, die in Sachen E-Mobilität einen Schritt weiter sind, ist keine Lösung, sagt Plöger. „In Frankreich fährt man Renault, in Italien Fiat, sonst in Europa vor allem Mercedes und VW.“ Rund 85 Prozent der WAS-
Ambulanzen weltweit sind auf Mercedes-Fahrzeugen aufgebaut, so der Geschäftsführer. Es müsse aber nicht Mercedes sein, dessen Fahrgestelle für eine E-Ambulanz genutzt werden. „Vielleicht ist VW ja schneller“, sagt Plöger mit einem Augenzwinkern. Insbesondere aufgrund der derzeitigen Mehrkosten fällt es dem Geschäftsführer schwer, das tatsächliche Interesse abzuschätzen. Er ist aber überzeugt: „Mit einem Serien-Basisfahrgestell sprechen wir über eine interessante Stückzahl.“ Zwischen 20 und 30 Fahrzeuge pro Jahr, schätzt Plöger. Rund 1300 Ambulanzen baut WAS im Jahr. Etwa 40 Prozent seines Umsatzes macht das Wietmarscher Unternehmen in Deutschland, 30 Prozent in anderen EU-Ländern und 30 Prozent in Ländern weltweit. In welchen, das sei stark projektabhängig, erklärt Plöger. In der Golfregion sei man stark vertreten, es sind aber auch schon Fahrzeuge in die Mongolei geliefert worden, um die Breite zu verdeutlichen. Im Januar 2019 stellt WAS die neue Variante der E-Ambulanz nun erst einmal auf einer Messe in Dubai vor. Anschließend gibt es letzte Umbauten. „Ab März ist das Fahrzeug marktfertig“, ist Plöger überzeugt. Aber immer noch mit einem zum Elektrofahrzeug umgebauten Verbrennungsbasisfahrzeug. Eine gesonderte Zulassung braucht die E-Ambulanz nicht. Das „E“ im Nummernschild macht sie jedoch kenntlich.
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DONNERSTAG, 20. DEZEMBER 2018
MACHER & MÄRKTE VON JÖRG SCHÜRMEYER ZEVEN. Niedriger Milchpreis, verärgerte Bauern, zahlreiche Kündigungen: Deutschlands größte Molkerei ist vor zwei Jahren in eine tiefe Krise gestürzt. Heute hat Geschäftsführer Ingo Müller wieder Grund zu lachen – dank eines Kurswechsels, der den Mitarbeitern viel abverlangt hat.
Wer Ingo Müllers Büro in unmittelbarer Nähe des Bremer Flughafens betritt, dem fällt ein Einrichtungsgegenstand sofort ins Auge: ein Kühlschrank – gleich neben dem Schreibtisch. Vorn drauf ein Fotomotiv mit ländlichem Idyll, innen drin ein Grundsortiment an Klassikern und Neuheiten der Marke Milram. „Das ist ja immer auch eine nette Gelegenheit, um Gästen unsere neuen Produkte zu zeigen“, sagt der Geschäftsführer des Deutschen Milchkontors (DMK). Heute hat etwa Müller eine neue Sorte Grapefruit-Buttermilch aufgetischt, dazu einen Joghurt mit Schokosplits und einen neuen Skyr-Drink Apfel-Birne. Die neuen Produkte sind allerdings nur ein kleiner Teil dessen, was sich bei Deutschlands größter Molkereigenossenschaft verändert hat. Wohl kein zweites Unternehmen im Nordwesten ist in den vergangenen zwei Jahren so umfassend umgebaut worden wie DMK – und die Erfolge sind sichtbar. Das Ergebnis wurde 2017 von 13,5 Millionen Euro auf 29,5 Millionen Euro mehr als verdoppelt. Im laufenden Jahr soll es auf 35 Millionen steigen. Und beim Milchpreis, dem wichtigsten Kriterium für die rund 7500 DMK-Milchbauern, hat das Unternehmen erstmals einen Wert erwirtschaftet, der über dem Durchschnitt der deutschen Molkereien lag. „Alles was wir uns vorgenommen haben, haben wir erreicht“, sagt Müller. Dass das gelingen würde, war keinesfalls abzusehen, als er den Chefposten im Herbst 2016 übernahm. Rückblick: 2016 stürzt DMK in eine schwere Krise. Kaum eine Molkerei in Deutschland zahlt damals einen geringeren Milchpreis als das 2010 aus der Fusion von Nordmilch und Humana entstandene Unternehmen. Viele der genossenschaftlichen Milchbauern kündigen ihre Mitgliedschaft. Die Gewinne fallen bescheiden aus. Wenn er heute zurückblickt, macht der DMK-Chef für die Situation eine Kombination aus schwierigen Marktumständen und internen Themen verantwortlich – etwa das sehr schnelle, vielleicht zu schnelle Wachstum. „Wir waren Ende 2015, Anfang 2016 an einem Punkt, an dem wir gesagt haben, wir müssen anfangen, komplett was zu ändern“, sagt Müller. Strategisch, organisatorisch, kulturell, personell, kommunikativ. Noch unter seinem Vorgänger Josef Schwaiger und mit Müller als Geschäftsführer startet DMK 2016 einen Change-Prozess namens „Move“. Ziel des ausgelaufenen Programms war es, innerhalb eines Zeitraums von rund zwei Jahren das Unternehmen komplett neu zu strukturieren. Als wesentliche Ziele gibt die DMK-Führung eine straffere Organisation, eine bessere Rohstoffplanung, reduzierte Ausgaben und ein optimiertes Portfolio aus. „Alles, was zählt, sind auf der einen Seite der Milchpreis und auf der anderen Seite das Ergebnis“, sagt Müller. „Wenn ich den Landwirten keinen wettbewerbsfähigen Milchpreis zahle, dann kann ich nachvollziehen, dass man sich bei aller Loyalität umschaut“, sagt er. „Das ist auch legitim, da kann ich jeden Landwirt verstehen.“ Gleichzeitig müsse das Unternehmen aber einen ordentlichen Gewinn erwirtschaften, um investieren zu können, etwa in Forschung und Entwicklung sowie neue Anlagen, so der DMK-Chef. Um das zu erreichen, gibt die Füh-
Die Marge macht’s Wie Ingo Müller beim Deutschen Milchkontor den Kurswechsel geschafft hat
Ein niedriger Milchpreis war nur eines der Probleme des Deutschen Milchkontors,als Ingo Müller als Geschäftsführer übernahm.Erfolge haben sich jedoch wieder eingestellt.
rung ein klares Motto vor: Marge statt Menge. „Größe allein ist nicht das Wichtigste“, sagt der 46-Jährige. „Wenn ich erfolgreich bin, wachse ich normalerweise automatisch.“ Organisatorisch stellt sich das Deutsche Milchkontor dazu völlig neu auf. Seit Anfang 2017 arbeitete das Molkereiunternehmen mit sechs Business Units (International, Eis, Baby, Handelsmarke, Marke, Industrie). Sie sind eigenständig für ihr Geschäft verantwortlich und werden von einem neu zusammengesetzten Führungskräfteteam geleitet. Für jede Geschäftseinheit wurden sogenannte „Big Bets“ definiert. In Summe waren das für das Gesamtunternehmen 80 Maßnahmen, die zeitnah angegangen werden sollten. Zu den „Big Bets“ im Geschäftsbereich International gehört beispielsweise, aus unprofitablen Auslandsmärkten auszusteigen. „Auch unsere internationalen Aktivitäten richten wir an der Wertschöpfung aus und nicht am Volumen“, erklärt Müller. Angestrebt ist eine Fokussierung auf rund 25 bis 30 Kernmärkte. Vor dem umfassenden Umbau war DMK in
„Größe allein ist nicht das Wichtigste.“ Ingo Müller, Geschäftsführer Deutsches Milchkontor
Seit Herbst 2016 DMK-Chef: Ingo Müller. Foto: dpa/Ingo Wagner
rund 110 Auslandsmärkten aktiv. Zurückziehen will sich das Unternehmen vor allem aus jenen Märkten, in denen man als Exporteur von Standardware aufgetreten ist. Im lange ertragsmäßig schwächelnden Geschäftsfeld Eis setzt DMK neben einer Neugestaltung der Organisation auf eine Markenstrategie. Zuvor war der Bereich der einzige ohne Marken. Mit drei neuen Produktlinien will das Milchkontor „ein Feuerwerk lostreten, um ertragreichere Produkte in den Markt zu bringen“, wie Müller sagt. Dazu zählen unter der Marke Milram Skyr-Eis am Stiel und Eis mit Baileys unter der gleichnamigen Lizenzmarke. Und auch die Traditionsmarke Sanobub soll in einer neuen, modernen Erscheinung wiederbelebt werden. Dass der Veränderungsprozess der umsatzstärksten deutschen Molkerei aber nicht nur Einschnitte, sondern auch Investitionen bedeutet, zeigt sich im Bereich Babynahrung. In Strückhausen wird zurzeit ein neuer Babynahrungsstandort in Betrieb genommen. Anfang 2019 soll das Werk voll im Betrieb sein. Rund 140 Millionen Euro hat DMK investiert. „Wir sind davon überzeugt, dass das Thema Babynahrung weiter ertragreiches Marktwachstum hat“, sagt Müller. Zu den „Big Bets“ im Bereich Handelsmarke zählt die Fokussierung auf hochmargige Produkte. „Wir wollen weg vom Basislieferanten und versuchen, strategisch Mehrwerte zu schaffen“, sagt der DMK-Chef. Das beinhalte etwa, Trendprodukte auf den Markt zu bringen, aber auch – mit dem Wissen um Verbraucherwünsche und Kaufverhalten – gemeinsam mit den großen Händlern Strategien zu entwickeln. „Für uns gilt: Ist der Handel erfolgreich, ist auch DMK erfolgreich. Unser Kurs führt weg vom Rohstoffverwerter hin zum Lebensmittelhersteller“, betont Müller. Er räumt ein, dass der Umbau auch für viele Mitarbeiter weitreichende Veränderungen mit sich gebracht hat. Rund 1500 – und damit etwa jeder fünfte – erhielten andere Funktionen. „1500 Kollegen in neue Positionen zu setzen kann nicht ruckelfrei laufen“, sagt Müller. „Umso bemerkenswerter war, dass wirklich praktisch alle Mitarbeiter unseren Kurs mitgetragen haben. Das zeigt den starken Willen in der Organisation. Das war in der Vergangenheit nicht immer so.“ Parallel zum Veränderungsprozess hatte DMK im Herbst 2016 angekündigt, 250 Stellen in der Verwaltung abzubauen. Als große Herausforderung erwies sich auch der massive Roh-
stoffverlust. Wegen der niedrigen Auszahlungspreise kündigten viele Milchlieferanten ihre Verträge. Ende 2017 hatte DMK etwa 400 Millionen Kilogramm Milch verloren, zum Ende dieses Jahres sind sogar rund 800 Millionen Kilogramm gekündigt, wobei laut Müller bei der Hälfte noch offen ist, ob die Kündigung zurückgenommen wird. „Wir kämpfen um jeden Landwirt“, sagt er. „Wir schauen uns bei den Kündigern im Sinne
Foto: dpa/Sebastian Gol
der loyalen DMK-Landwirte aber sehr genau an, wer zu uns passt und wer nicht.“ Dass es zurzeit keine Kündigungen für Ende 2019 gibt, wertet die DMK-Führung als Zeichen, dass der neue Kurs ankommt. Parallel hat sich das Molkereiunternehmen aber auf den absehbaren Rohstoffverlust eingestellt. „Wir sagen ganz bewusst: Wenn wir jetzt Milch verlieren, dann ist das für uns auch eine Chance, die
Verwertung zu optimieren.“ Mehrere kleine Molkereistandorte werden geschlossen. In diesem Jahr trifft es Rimbeck (NRW) und Bad Bibra (Sachsen-Anhalt), im kommenden Jahr Bergen auf Rügen. Zudem wird im schleswig-holsteinischen Nordhackstedt die Käseaufschnittkonfektionierung eingestellt. Gleichzeitig ist es DMK laut Müller gelungen, die zu Ende 2017 verlorenen 400 Millionen Kilo Milch durch Werklohnverträge mit anderen Unternehmen und internes Wachstum komplett zu neutralisieren. „Das heißt, wir verarbeiten momentan mit weniger Werken genauso viel Rohstoff wie 2017 und lasten die Werke besser aus“, erläutert Müller. Der DMK-Chef ist zuversichtlich, dass auch die absehbaren Mengenverluste im kommenden Jahr kompensiert werden können. Weitere Werkschließungen seien nicht geplant. „Wir konzentrieren uns jetzt auf das, was wir selbst beeinflussen können. Das ist unsere Organisation. Das sind unsere Kosten. Das ist unser Absatz. Das sind unsere Innovationen. Und das sind unsere Prioritäten, die wir selbst setzen“, sagt Müller. „Und ich bin überzeugt davon, dass uns das auch dabei helfen wird, wettbewerbsfähige Milchpreise zu zahlen und unser Ergebnis zu verbessern.“ Das Milchkontor habe in den vergangenen zwei Jahren eine Menge erreicht, meint Müller. Dennoch sei es falsch, sich nun zurückzulehnen. „Was wir bis jetzt gemacht haben, ist ein Anfang. Wir sind da aber bei Weitem noch nicht am Ende.“
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Größtes Schulungszentrum in der Region!!! Wir bieten unseren Kunden Trainings & Zertifizierungen für Anwender, Administratoren und Programmierern an. Die Trainings finden im eigenen Schulungszentrum in Münster statt, können aber auch beim Kunden vor Ort durchgeführt werden
Geschäftsführer Klaus Pattai Geschäftsführer Klaus Pattai betonte dabei die enge Verbundenheit der Mitarbeiter mit der Metropolregion Münster/Osnabrück und wies auf die große Kompetenz und Praxisnähe der Kolleginnen und Kollegen hin. Erklärtes Ziel ist der Ausbau der Marktführerschaft. Die Chancen stehen gut. Allein in Münster konnte Bechtle den Umsatz in den zurückliegenden fünf Jahren auf deutliche über 55 Millionen Euro mehr als verdoppeln. Dabei spielt nicht zuletzt der deutliche Ausbau von Bechtle Cloud Lösungen und Managed Service Verträgen eine Rolle etwa die Übernahme von User Help Desk, Desktop Services und Lifecycle Management bis hin zu individuell abgestimmten Betriebsleistungen. Die gewonnenen Erfahrungen und die weitere Verstärkung durch hoch qualifizierte Mitarbei-
Bei der Bechtle in Münster wird in die Zukunft investiert!!! Denn am 21. 9. 2018, haben wir mit über 120 Gästen die offizielle Einweihung unserer neuen Schulungsräume im Martin-Luther-King-Weg 6 in Münster gefeiert. Auf einer Fläche von über 850 m² mit insgesamt 8 Schulungsräumen, bieten wir unseren Kunden künftig Schulungen und Workshops nach höchstem Standard an. Die ausgezeichnete Infrastruktur wird technisch und funktional alle unsere Anforderungen eines modernen Schulungsstandorts erfüllen. Somit verfügt das Bechtle IT-Systemhaus Münster über das größte Schulungszentrum des gesamten Münsterlandes und weit über dessen Grenzen hinaus.
Bechtle GmbH & Co. KG
Martin-Luther-King Weg 4 · 48155 Münster Niederlassung Osnabrück Am Tie 1 · 49086 Osnabrück Telefon (02 51) 1 41 33-0 · E-Mail: muenster@bechtle.com · www.bechtle.com
Zu folgenden Themen führen wir Schulungen durch: Im Microsoft Umfeld Server, Client, SharePoint, Azure, Office365, Skype for Business, MDM, SQL, Exchange, SystemCenter, PKI und PowerShell. Weitere Workshops von namenhaften Herstellern wie zum Beispiel CheckPoint, Cisco, Citrix, Commvault, Datacore, HP, IBM, Linux, NetApp, Oracle, Vmware und Veeam gehören ebenfalls zu unserem Portfolio. Zusätzliche Schwerpunkte liegen im Bereich Digitales Lernen und Modern Workplace. Foyer des Schulungszentrums
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Plastik ist nicht das schlechtere Material Gunda Rachut plädiert für eine sachliche Diskussion über Plastikmüll – Recycling-Möglichkeiten haben sich stark gewandelt
40 Prozent aus dem gelben Sack gehen in den Stoffkreislauf zurück. Verbrennen ist die teuerste Art der Entsorgung. Trotz schlechten Images ist Plastik ein hochwertiger Rohstoff. VON NINA KALLMEIER OSNABRÜCK. Joghurtbecher, Do-
sen, die flimsige Plastiktüte, in der das Obst aus dem Supermarkt transportiert wurde, all das landet im gelben Sack oder der gelben Tonne. Doch wie recycelbar sind die Abfälle, die der Verbraucher säuberlich vom Restmüll trennt? Gunda Rachut, Vorstand der in Osnabrück beheimateten Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister, gibt Einblick in Mythen, aber auch das Potenzial der Kreislaufwirtschaft.
Alles, was einen grünen Punkt hat, gehört in den gelben Sack. Als das Recycling von Verpackungsmüll in den 1990er-Jahren aufkam, war das ein Standardspruch in vielen Haushalten. Aber: „Ganz so einfach war das noch nie“, sagt Gunda Rachut. Die Juristin und Expertin in Sachen Recycling klärt auf: „Es hat nie eine Kennzeichnungspflicht für Verpackungen gegeben, die in den gelben Sack gehören. Der Güne Punkt, damals Monopolist im Dualen System, hat es jedoch verstanden, zur Marke und zum Synonym für Verpackungsrecycling zu werden.“ Bis heute, obwohl die Entsorgung und das Recycling von Verpackungsmüll längst zu einem privatwirtschaftlichen Wettbewerb geworden sind – und das erste Duale System in Deutschland nach der Übernahme des Unternehmens durch Remondis bald Geschichte sein wird. Es ist aber nicht der einzige „Mythos“, der in Sachen Verpackungsmüll im Umlauf ist. Auch ein Vorwurf stört den Vorstand der in Osnabrück beheimateten Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister, die mehr Transparenz und Fairness in den Markt der Verpackungsentsorgung bringen soll: „Wieso sollte ich trennen,
am Ende wird doch sowieso alles verbrannt.“ Dem widerspricht Rachut vehement. „Auch das war noch nie der Fall, da die Abfallströme komplett getrennte Entsorgungswege haben und immer schon Recyclingquoten galten. Die Aufbereitungsverfahren und technischen Möglichkeiten haben sich stark gewandelt“, betont sie. Insgesamt laufe das System gut, und die Stoffströme würden sehr gut dokumentiert. „Große Skandale hat es seit 1995 nicht mehr gegeben.“ Und doch wirken sie in den Köpfen der Verbraucher nach. Richtig ist aber: Nicht alles, was Verbraucher in den gelben Sack sortieren, gehört da auch hin. „30 Prozent der Abfälle im gelben Sack sind Restmüll wie Lebensmittel. Insgesamt kann man sagen, dass die Sammelqualität in einem Flächenland und ländlichen Regionen besser ist als in der Stadt“, so die Expertin. Dennoch: Rund 40 Prozent dessen, was der Verbraucher tagtäglich in den gelben Sack aussortiert, kann in der einen oder anderen Art von Kreislauf wiederverwertet werden– es wird also etwa Neues daraus. „Einiges wird wieder zu Verpackungen, anderes zu Haushaltsprodukten und kommt somit in den Stoffkreislauf zurück“, betont Gunda Rachut. So zum Beispiel bei einer bekannten Spülmittel-Marke, die 100 Prozent Rezyclate – wiederverwertetes Plastik – zur Herstellung ihrer Plastikbehälter verwendet. Andere Unternehmen stellen aus den Deckeln von Getränkeflaschen Textmarker her. Aber auch Einkaufskörbe oder Behältnisse für die Logistik werden heute aus Stoffen hergestellt, die aus dem gelben Sack kommen, ebenso wie Spielgeräte, Poller, Bänke, Matten oder Lärmschutzwände. Auch Polyesterfäden, aus denen Kuscheltiere gemacht werden, können aus Verpackung aus dem gelben Sack hergestellt sein. Bei Pullovern sei das eher weniger der Fall, sagt Gunda Rachut. „Für diese Fasern werden häufig PETPfandflaschen genommen.“ Auch in der Lebensmittelbranche ist der Einsatz von recyceltem Plastik schwierig. „Rezyclate dürfen nicht mit Lebensmitteln in Berührung kommen, außer bei Getränkeflaschen“, erklärt die Expertin. Im Bereich Forschung und Entwicklung tue sich jedoch einiges: „Es wird zum Beispiel an einer Plasmabeschichtung gearbeitet. Das be-
Die Körbe waren mal Verpackungsmüll: 40 Prozent dessen,was im gelben Sack gesammelt wird,wird im Stoffkreislauf wiederverwertet.
Auch ein Stoffkreislauf: Deckel von Getränkeflaschen werden zu Textmarkern.
deutet, dass mittelfristig auch in Lebensmittelverpackungen Rezyclate verwendet werden könnten.“ Damit wäre auch diese Limitierung Geschichte. Dass die Akzeptanz von Rezyclaten zunimmt, freut die Vorständin. Sie führt jedoch zu einer Herausforderung: Wie können all jene großen Unternehmen zuverlässig mit dem Rohstoff versorgt werden, die ihn in großer Menge und hoher Qualität benötigen? Doch nicht nur für den Stoffkreislauf sind die Wertstoffe des
ZUR SACHE
So funktioniert das Duale System Der gelbe Sack ist Teil des sogenannten Dualen Systems. Jene Betriebe aus Handel und Industrie, die Verpackungsmüll in den Umlauf bringen, zahlen je nach Menge Lizenzgebühren an eines von mehreren Unternehmen des Dualen Systems. Das bekannteste unter ihnen ist der Grüne Punkt, dazu gehören jedoch auch Veolia, Interseroh oder BellandVision. Aus diesen Einnahmen finanzieren die
Unternehmen die Entsorgung und das Recycling von Verpackung. Eine Pflicht, sich am Dualen System zu beteiligen, gibt es für Handel und Industrie bereits seit 1993. Dennoch hat es in den vergangenen Jahren eine Finanzierungslücke gegeben. Eine zentrale Aufgabe der Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister ist es, mehr Transparenz und Fairness in den Markt zu bringen und Kosten
gerechter zu verteilen. Ein Instrument dafür ist das Verpackungsregister, LUCID. Hier müssen sich alle Produktverantwortlichen registrieren. Da es öffentlich einsehbar ist, kann jeder transparent prüfen, welche Unternehmen ihrer Produktverantwortung nachkommen und welche sich nicht an der Finanzierung des Dualen Systems in Deutschland beteiligen. Auch den jeweiligen Marktanteil der Dualen
Systeme berechnet die Stiftung und überprüft die Mengenströme, damit es nicht zu einer Finanzierungslücke kommt. Bislang haben sich mehr als 72 000 Unternehmen registriert, und die Dynamik reißt nicht ab. Bis Ende 2019, ein Jahr nach Start des Registers, rechnet Gunda Rachut mit 230 000 bis 250 000 Registrierungen. Das wäre rund ein Drittel jener, die sich registrieren müssten.
gelben Sacks wichtig. Ein Teil wird beispielsweise als Brennstoffersatz in Zementwerken eingesetzt. Dazu zählen Verpackungen wie etwa Mozzarella-Tüten. Sie sind zu klein, um von Recyclinganlagen sortenrein zugeordnet werden zu können. Lediglich sieben Prozent kommt in die Müllverbrennung – immerhin die teuerste Art der Entsorgung für Unternehmen. Insgesamt gilt: Je gemischter ein Verpackungsmaterial ist, desto schwieriger ist die stoffliche Wiederverwertung. Als Beispiel nennt Gunda Rachut einen Joghurtbecher: Die Schale ist aus Plastik, eine Banderole aus Papier und der Deckel aus Aluminium. Trennt der Verbraucher den Deckel vom Becher, kann ein Wirbelstromstrahl den wertvollen Stoff während des Sortierprozesses herauspusten. Mit Blick auf den Becher erkennt die Maschine jedoch „nur“ das Papier der Banderole. „Entsprechend wird nur ein geringer Anteil der Verpackung recycelt. Wir müssen Verpackungen sinnvoller konstruieren, damit sie besser recycelt werden können“, betont die Vorständin. An einer entsprechenden Richtlinie, was eine gut recycelbare Verpackung ausmacht, arbeitet die Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister aktuell. Ausschlaggebend sein kann auch die
Farbe: Schwarz ist schlechter wiederzuverwerten als Weiß. Auf Grundlage der Richtlinie sollen Unternehmen, die Schachteln, Tüten, Kartons und Ähnliches in den Umlauf bringen, künftig für gut konstruierte Verpackungen vom Dualen System einen finanziellen Anreiz bekommen. Und Joghurtbecher sind längst nicht die einzigen Behältnisse, die für das Recycling nicht optimal konstruiert sind. Zum Symbolbild unnützen Verpackungsmülls ist etwas anderes geworden: der Coffee-to-go-Becher. Laut Deutscher Umwelthilfe werden in Deutschland täglich 320 000 Stück pro Stunde verbraucht. Doch ihr Recycling ist schwierig: Damit der Becher dicht bleibt, ist er beschichtet
„Wir müssen Verpackungen sinnvoller konstruieren, damit sie besser recycelt werden können.“ Gunda Rachut, Vorstand Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister
Fotos: Gert Westdörp
oder mit Kunststoff vermischt. Entsprechend bleiben wenig Papierfasern für ein Recycling. „Ein Plastikbecher aus nur einem Material ist für das Recycling besser“, sagt Gunda Rachut. Damit zeigt das Beispiel auch: Es braucht eine sachliche Diskussion über Plastikmüll. Dafür plädiert auch Rachut. Denn: „Plastik ist nicht unbedingt die schlechtere Verpackung“, sagt sie. Es hat jedoch ein schlechtes Image. Das Paradox zeigt sich in der Diskussion um die Kunststofftüte. Sie ist verpönt, mittlerweile kostenpflichtig oder ganz aus dem Handel verbannt. Die Papiertasche dagegen ist hoch gelobt. Dabei zeigt die Ökobilanz ein etwas differenzierteres Bild. Hier kommt die Plastiktüte oft günstiger weg: Denn bei der Herstellung der Fasern für Papiertüten wird eine Vielzahl von Chemikalien verwendet, außerdem werden die Tüten oft seltener wiederverwendet als jene aus Plastik. Die aktuelle Diskussion um Plastikmüll begrüßt Gunda Rachut. „So werden auch mal Dinge infrage gestellt.“ Dazu sollten ihrer Meinung nach Materialien zählen, die die Forschung als Neuerung präsentiert, so wie die sogenannte kompostierbare Folie. Von ihr hält Gunda Rachut nichts. „Sie sind nicht das, was sie versprechen. Sie sind nicht recycelbar, und die Kompostierung dauert viel zu lange“, betont sie. Was in den ersten 20 Jahren nicht komplett abgebaut werden könne, müsse wie Kunststoff behandelt werden, betont Rachut. Und so wichtig der RecyclingGedanke für die Vorständin der Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister auch ist, „der Vermeidungsgedanke sollte im Vordergrund stehen“, sagt sie. Niemand werde gezwungen, im Supermarkt die abgepackten statt der losen Äpfel zu kaufen. „Der Verbraucher hat die Macht, Debatten anzustoßen.“
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Der Kessel brodelt Im Elektro-Lichtbogenofen der Georgsmarienhütte wird Schrott eingeschmolzen, aus dem neuer Stahl entsteht VON NINA KALLMEIER GEORGSMARIENHÜTTE. Plastik, Pa-
pier, Glas oder Hausmüll, all das sortiert der Verbraucher tagtäglich, damit der vermeintliche Abfall als Rohstoff wiederverwertet werden kann. Das geht auch im größeren Stil – zum Beispiel bei Stahl. Das Recycling und die Herstellung neuen Werkstoffs ist das Geschäftsmodell der Georgsmarienhütte Gruppe.
Wie ein überdimensionaler Kessel, in dem Druide Miraculix seinen Zaubertrank zubereitet, sieht der dunkle Bottich aus. In ihm warten mehrere Dutzend Tonnen Schrott darauf, das das brodelnde Ungetüm am Ende der hohen Halle, der Elektro-Lichtbogenofen, seine Schotten öffnet und die aktuelle Ladung flüssigen Stahls in einen weiteren Kessel abgibt. Der steht eine Etage tiefer schon bereit. „Jede Schmelze hat einen eigenen Auftrag zugrunde liegen“, erklärt Tim Rekersdrees. Danach richte sich, wie viel Kupfer, Zinn, Chrom oder Nickel in dem Gemisch sein darf. „Bei uns wird nicht anonym auf Lager produziert.“ Rekersdrees ist Leiter des Stahlwerks der Georgsmarienhütte Gruppe. Pro Jahr werden rund 1,3 Millionen Tonnen Stahl hergestellt. Der meiste Schrott, der dafür verwendet wird, kommt per Bahn an, weniger per Lkw. Was der Standort benötigt, wird von der GMH Recycling GmbH beschafft und geliefert. „Das Stahlwerk ist unser größter Einzelkunde“, sagt Geschäftsführer Knut
Schemme. Aber nicht der einzige, auch wenn die Versorgung des Werks der ursprüngliche Zweck des 42 000 Quadratmeter großen Standorts gewesen ist, den die Firmengruppe 1995 übernommen hat. „Wir beliefern alle großen Stahlwerke in Deutschland, teilweise auch in Europa. Zum Beispiel auch die integrierten Hütten der Salzgitter AG oder ThyssenKrupp.“ Zwischen 30 000 und 35 000 Tonnen Schrott lagern normalerweise durchschnittlich am Hafen Osnabrück. Natürlich sortenrein sortiert. Einen zweiten Standort hat die GMH Recycling in Dortmund. Von den 70 000 Quadratmetern Fläche werde jedoch weniger für die Lagerung von Schrott genutzt als in Osnabrück, erklärt Schemme. „Wir haben dort auch ein Aufbereitungszentrum auf dem Gelände, dass zum Beispiel größere Schrottteile zerkleinert.“
Der Schrott für das Stahlwerk kommt von der Georgsmarienhütte Recycling GmbH,einem Unternehmen der Gruppe. Sortenrein sortiert lagern am Hafen,dem größten der drei Unternehmensstandorte in Osnabrück, durchschnittlich zwischen 30 000 und 35 000 Tonnen Schrott.Mithilfe von Baggern wird er entweder in Bahnwaggons oder auf Lkw verladen und nach Georgsmarienhütte gebracht.
Foto: Hermann Pentermann
Hexenkessel: Die Arbeitsumgebung im Herzstück der Georgsmarienhütte hat alles andere als Büroatmosphäre.In vier von fünf Autos,die in Deutschland gefertigt wurden,fährt Stahl aus diesem Kessel.
Stahlschrott ist jedoch nicht gleich Stahlschrott, das wird bei einem Blick auf den riesigen Schrottplatz am Hafen deutlich. „Wir unterscheiden acht Grundsorten und dabei insbesondere Neu- und Altschrott“, so der Geschäftsführer. Zum Neuschrott zählen unter anderem Schnittreste aus der Produktion. „Bis Ende des letzten Jahrtausends war der Preis hier eher niedrig. Die Firmen haben es als etwas gesehen, was wegmuss, damit der Produktionsablauf nicht gestört wird.“ Mittlerweile sei das anders. Der Produktionsabfall ist ein Rohstoff, mit dem Geschäfte gemacht werden können. Seither gibt es Auktionen. Als Altschrott wieder-
um werden nicht nur Fahrräder bezeichnet, sondern auch Industrierückbauten – ein beliebter Schrott, sagt Schemme. Stahlträger sind auch auf dem Schrottplatz am Hafen gelagert, dazu alte Badewannen und Heizkörper. Rechts und links des schlauchförmigen Platzes werden aus verschiedenen Parzellen heraus gerade Waggons beladen. Eine Kette schwingt durch die Luft, die der Greifarm des Baggers nicht komplett erwischt hat. Dahinter wird sogenannter Schredderschrott, zum Beispiel aus Kühlschrankoder Waschmaschinenverkleidungen, auf einen Lkw geladen. Ein Schiff liegt heute nicht im Hafen. „Aufgrund des Niedrigwassers ist es schwierig, Schiffsraum zu bekommen“, so Schemme. Zu Engpässen habe das aber noch nicht geführt. Immerhin: Zwischen 120 000 und 200 000 Tonnen Schrott erhält das Unternehmen jedes Jahr über den Wasserweg. „Der Vorteil ist, dass wir größere Partien bekommen. 1000 Tonnen Schiffsladung entsprechen rund 40 Lkw.“ Welche Art Schrott die Hütte braucht, hängt davon ab, was produziert wird. Sortenrein wird ans Stahlwerk geliefert. Rund 90 Prozent kommt über den eigenen Bahnanschluss, der Rest per Lkw. Je nach Bedarf wird dann vor Ort der richtige Mix zusammengestellt, erklärt Stahlwerksleiter Tim Rekersdrees. „Wir unter-
scheiden 15 verschiedene Schrottmenüs.“ An diesem Tag ist ein Magnet an einem großen Kran befestigt, der gerade dabei ist, Stanzabfälle anzuziehen und in den „Druidenkessel“ zu füllen. Mit einem enormen Rauschen landet der ganze Schwung im Schrottkorb. Wenn man das Herzstück des Stahlwerks, das riesige Gebäude, das den Elektro-Lichtbogenofen beherbergt, betritt, wird es schlagartig ziemlich laut und – im Gegensatz zur Außentemperatur – warm. Es rauscht wie bei einem riesigen Kamin, bei dem man die Lautstärke bis zum Anschlag nach oben geregelt hat – und ein bisschen darüber hinaus. Nach Feuer riecht es aber nicht. 25 000 Quadratmeter Filtertuch reinigt die abgesaugte Luft. Ein großer Roboter, von seinem Äußeren her ähnlich des DisneyRoboters Wall-e, fährt an die vordere Öffnung des Ofens heran, aus der es hellorange leuchtet. Er schiebt seinen Roboterarm hinein – um eine Probe zu nehmen und die Temperatur zu kontrollieren, erklärt Rekersdrees. Für einen Mitarbeiter wäre das – selbst ausgerüstet mit Schutzkleidung – unter Volllast nicht möglich. Dann müsste heruntergefahren werden, und das kostet Zeit und Energie. Mehr als 1600 Grad hat der flüssige Stahl im Durchschnitt beim sogenannten Abstich, also wenn die Masse aus dem Ofen in den wartenden Kessel läuft. Der E-Ofen arbeitet fast das ganze Jahr – einzige Ausnahme sind die Putz- und Wartungsschichten sowie die Betriebsstillstände im Sommer und zu Weihnachten. Mit der ersten Probe scheint der Roboter noch nicht zufrieden, denn der Kessel brodelt weiter. Noch nicht heiß genug, sagt der Stahlwerksleiter. Ein zweites Mal fährt der Roboter wenig später an die Öffnung. Dieses Mal ist er zufrieden. Unten an der Seite geht eine Luke auf, der Kessel kippt nach vorne, und der flüssige Stahl fließt in den neuen Bottich, der auf der Ladefläche eines Lkw wartet. Bis zu 18 Grad wird das Ofengefäß gekippt, erklärt Rekersdrees. Gerade so, dass kein Strudel entsteht und keine Schlacke mit abfließt. Ganz leer wird der Ofen aber nicht.
Ohne Verzögerung wird die flüssige Masse abtransportiert – zur Stahlgießerei. Unterdes ist der Ofendeckel zurückgeklappt, und der Hexenkessel ist bereit für die nächste Ladung. Ein Mitarbeiter lässt den wartenden Druidenkessel mit dem Schrottmix schweben. Zuletzt allerdings vom Kontrollraum aus, von dem aus er – sicher hinter einer Fensterscheibe – einen guten Blick auf das Geschehen hat. Denn wenn der Schrottmix per Knopfdruck in die Tiefe rauscht, darf keiner mehr im Raum sein. Das hat einen guten Grund: Eine Feuerwand schießt hoch, und die Funken fliegen nur so. Als mit zugeklapptem Deckel der 75 Zentimeter lange Lichtbogen mit seinen mehreren Tausend Grad gezündet wird, knallt es wie bei einer Explosion. Und es grummelt nur so weiter, als der Schrott von innen nach außen schmilzt, wie eine mit Steinen gefüllte Trommel, die gedreht wird. Und schon fährt der zweite Korb langsam in Richtung Kessel. Währenddessen hat der Bottich mit dem glühend heißen Stahl die Gießerei erreicht. Fast schon ruhig
„Wir unterscheiden 15 verschiedene Schrottmenüs.“ Tim Rekersdrees, Leiter des Stahlwerks
Foto: Jörn Martens
ist es in der hohen Halle, verglichen mit der Ofenatmosphäre. Wie eine lange Rutschbahn sehen die sechs Stränge der Gießanlage aus. Rund 95 Prozent werden hier verarbeitet, viel vom Prozess sehen können Außenstehende nicht. Irgendwann tauchen die Knüppel, in die richtige Länge geschnitten, wieder auf. Sie glühen noch von innen heraus. Wie bei einem rohen Ei schützt eine leichte Haut den weichen Kern. Selbst im Lager vor dem Walzwerk leuchten an einem Platz noch einige von ihnen innen leicht orange. Bei Temperaturen zwischen 1000 und 1200 Grad werden aus den Stranggussknüppeln runde Stangen geformt, zwischen 19,5 und 126 Millimeter im Durchmesser. Im Anschluss wird der Stabstrahl einer Wärmebehandlung unterzogen, gerichtet, vielfältig geprüft und in Paketen für den Transport vorbereitet. Dann heißt es für die meiste Ware: ab auf den Lkw. „Viele Kunden haben heute keinen Bahnanschluss mehr“, sagt der Stahlwerksleiter. Der Recycling-Gedanke geht in der Georgsmarienhütte jedoch über den Stahl hinaus – auch wenn man hier eine Quote von annähernd 100 Prozent erreicht. Selbst der Zink im Feinstaub wird aufbereitet. Auch die im Prozess anfallenden Nebenprodukte können zum Teil wieder eingesetzt werden. „Schlacke ist bei uns ein großes Thema“, so Rekersdrees. Sie ist zur Stahlerzeugung zwingend erforderlich. Ein Teil hat prozessbedingt einen hohen Kalkanteil und kann somit im internen Kreislauf als Kalkersatz im Lichtbogenofen recycelt werden. Ein anderer Teil wird zum Beispiel im Straßenbau eingesetzt. „Auch beim Ausbau der A 33.“ Hinzu kommt das Thema Energie. „Die Stahlerzeugung im Lichtbogenofen ist CO2-arm, aber energieintensiv. Wir brauchen im Jahr so viel Strom wie alle Haushalte der Stadt Osnabrück zusammen“, sagt Rekersdrees. Das Monstrum im Herzen des Stahlwerks erzeugt jedoch auch eine Menge Abwärme. Damit werden nicht nur die Verwaltungsgebäude geheizt, ein Teil wird ins Fernwärmenetz eingespeist. „Wir werden künftig noch mehr Fernwärme in die Umgebung liefern.“
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SPEZIAL RECYCLING & UMWELT
Ein zweites zw w Leben für fü ü den Motor „Remanufacturi ring“ i heißt die Leitlinie von Bücker + Essing – Motori rinstandsetzung i und Industri rieserv i rvi vice i Schwerp rpunkt p kte t in Lingen
Eine Rotorwelle für Windkraftanlagen wird bei Bücker + Essing in Lingen durch spezielle Oberflächentechniken aufgearbeitet.
VON THOMAS PERTZ LINGEN. Ein zweites Leben für
den Motor: So formuliert Carsten Leimer, Geschäftsführer von Bücker + Essing, die zentrale Aufgabenstellung des Unternehmens. Trotz neuer Geschäftsfelder sei die Gründungsidee, das Wiederherstellen von Motoren, als Grundidee geblieben.
Im 55. Jahr seiner Unternehmensgeschichte ist Bücker + Essing auf Wachstumskurs. Energie, Industrie, Transport sowie Verdichterund Industrieservice beschreiben die vier Geschäftsfelder des Lingener Unternehmens. Die Grundüberholung und Instandsetzung von Diesel- und Gasmotoren, die mechanische Bearbeitung von Komponenten, der Austausch kompletter Motoren und ein umfassender Vor-Ort-Service, all das gehört zum Kerngeschäft. Dem Start des Betriebs im Jahr 1963 lag ein einfacher Gedanke zugrunde: Motoren für die Automobilindustrie durch Grundüberholungen wieder in einen neuwertigen Zustand zu versetzen. In der Wirtschaftswunderzeit hatte die Zahl der Autos auf deutschen Straßen stark zugenommen. Nun, in den Sechzigerjahren hatten viele Motoren einen Punkt ihres Lebenszyklus erreicht, an dem eine
Reparatur oder Grundüberholung notwendig wurde. Entsprechend war der Bedarf an Fachleuten gewachsen, die Motoren fachgerecht instand setzen konnten. Das ist das Geschäftsfeld des Lingener Betriebs mit seinen heute 140 Mitarbeitern. Allerdings ist es nicht nur bei Automotoren geblieben. Seit den späten 1980erJahren überholt Bücker + Essing auch Dieselmotoren für die Schiffsbranche sowie Gasmotoren für die aufkommende Energiebranche, beispielsweise für Blockheizkraftwerke. Auch wenn sich im Laufe der Jahrzehnte immer
weitere Geschäftsfelder erschlossen: „Das sogenannte ‚Remanufacturing‘, die Wiederherstellung, ist als Gründungsidee geblieben“, erläutert Geschäftsführer Carsten Leimer. Der 51-Jährige ist seit vier Jahren im Unternehmen. Er hat Betriebswirtschaft studiert und ein Ingenieurstudium im Bereich Maschinenbau und Konstruktionstechnik abgeschlossen. Was anfangs primär ökonomische Gründe hatte, ist längst auch unter ökologischen Aspekten ein Thema im Markt. Die Instandsetzung von Motoren, Großkompo-
Mit selbst entwickelten mobilen Reparaturlösungen kann das Lingener Unternehmen viele Motorschäden auch beim Kunden vor Ort beheben.
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nenten und Anlagenteilen wie Kurbelwellen, Zylindern, Zylinderköpfen, Verdichtern, Turbinen, Pumpen und Generatoren für verschiedene Industriezweige spart Rohstoffe und Energie und schont die Umwelt. Serviceleistungen für die Energiebranche – Stichwort Blockheizkraftwerke – haben dabei nach Angaben von Leimer in ihrer Bedeutung für Bücker + Essing zugenommen, ohne dabei aber zu dominieren.Das Unternehmen will sich nicht abhängig machen von einem Geschäftsfeld, dessen Entwicklung auch politischen Einflüssen und Entscheidungen unterliegt. „Weiterer Wachstumstreiber ist die Industrie“, betont der Geschäftsführer. Insbesondere durch mobile Reparaturlösungen hat sich das Unternehmen einen Namen gemacht. „Wir entwickeln immer wieder Reparaturverfahren, mit denen wir typische Motorenschäden bereits vor Ort beheben können“, erläutert der 51-Jährige. Wenn der Motor oder einzelne Komponenten sehr groß seien, schwer zugänglich oder das Unternehmen weit entfernt, sei es häufig günstiger und zeitsparender, die Bauteile vor Ort reparieren zu lassen. „Unser mobiler Service ist europaweit im Einsatz“, sagt Leimer. Der räumliche Schwerpunkt der Aufträge für Bücker + Essing liegt
jedoch in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, aber auch in Süddeutschland und in den neuen Bundesländern sind die Lingener unterwegs. Landesgrenzen sind ebenfalls keine Auftragsgrenzen. „Wir hatten gerade eine große Instandsetzung in den Niederlanden, drei Wochen waren Mitarbeiter von uns dort“, erläutert der Betriebswirt und Ingenieur. Die Zahl der Beschäftigten des Unternehmens, das seit 2014 zur Sercoo Group gehört, ist in den vergangenen vier Jahren um 30 gestiegen. In der Gruppe zusammengefasst sind fünf Firmen rund
„Unser mobiler Service ist europaweit im Einsatz.“ Carsten Leimer, Geschäftsführer
um die Wertschöpfungskette Biogasanlagen, Blockheizkraftwerke, Motoren und Turbolader. Weitere Standorte sind Zeven, Willich, Verl und Rheine. Innerhalb der Sercoo-Gruppe hat das Lingener Unternehmen zentrale Funktionen wie Buchhaltung, Personalwesen und IT übernommen. Dies stärke den Standort in Lingen zusätzlich, unterstreicht Leimer. Auch die weitere Entwicklung des Unternehmens in Lingen sieht der Geschäftsführer optimistisch. Die Auftragsbücher seien bereits sehr gut gefüllt. „Wir starten mit einem Auftragsbestand ins neue Jahr, der mehr als doppelt so hoch ist wie im Jahr zuvor“, betont Leimer. Geplant sei, 2019 den Maschinenpark weiter auszubauen und rund 1,5 Millionen Euro in ein mechanisches Bearbeitungszentrum zu investieren. Die bestehenden Anlagen würden um modernste Bearbeitungstechnologien erweitert, um die Instandsetzung noch schneller und effizienter zu gestalten. „Wir sehen uns als Problemlöser rund um den Motor, in Lingen oder vor Ort beim Kunden“, sagt der Geschäftsführer. Dies alles sei nur möglich mit einer hoch qualifizierten und motivierten Mannschaft, hebt der Geschäftsführer die Leistungen der Beschäftigten von Bücker + Essing hervor.
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SPEZIAL RECYCLING & UMWELT
SPEZIAL RECYCLING & UMWELT
nden“ „Es geht nicht ohne den Kun Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies und Hellmann-Process-Management-Geschäftsführeer André Pohl diskutieren über Umweltschutz und Kreislaufwirtschaft
Verwertbarkeit muss schon beim Design berücksichtigt werden. Label für gute Recycelfähigkeit nicht die Lösung. VON NINA KALLMEIER UND BERTHOLD HAMELMANN OSNABRÜCK. Ein Bild auf Twitter mit Umweltminister Olaf Lies, der am Bahnhof einen Kaffee im To-go-Becher kauft? Die Kommentare würden nicht lange auf sich warten lassen. Darf man das als Umweltminister? Und vor welchen Herausforderungen stehen wir aktuell beim Thema Recycling und Kreislaufwirtschaft? Darüber haben André Pohl, Geschäftsführer von Hellmann Process Management, und Olaf Lies diskutiert.
Als Umweltminister hat man es schon nicht leicht. Wenn man im Supermarkt zur Plastiktüte greift, fällt das auf. „Ich bin sofort angesprochen worden, dass ich das als Umweltminister doch nicht machen könnte“, erinnert sich Olaf Lies. „Im Alltagstrott hat man sich an bestimmte Dinge gewöhnt. Bemerkungen wie diese bringen einen jedoch dazu, noch genauer nachzudenken und noch einmal bewusster mit dem Thema Plastik und Nachhaltigkeit umzugehen.“ Ein Vorteil, findet der Umweltminister. Noch genauer als bei der Plastiktüte schaut Olaf Lies jedoch bei einer anderen Angewohnheit hin – und verzichtet: beim schnellen Kaffee am Bahnhof. „Da muss ich mich echt zusammenreißen. Mit einem To-go-Becher ins Ministerium zu kommen ist ein No-Go. Da muss ich als Minister mit gutem Beispiel vorangehen.“ „Ich ärgere mich über mich selbst, wenn ich dann doch einen To-go-Becher in der Hand habe“, ergänzt André Pohl aus eigener Erfahrung. Es sind viele dieser kleinen Angewohnheiten wie auch die Nutzung von Einweg-Stiften im Büro statt Mehrweg, auf die Lies und Pohl im Laufe des Gesprächs zu sprechen kommen. Diese Kleinigkeiten sind je-
doch häufig – wie bei der Diskussion um To-go-Becher – zu einem Sinnbild von Verschwendung und Umweltverschmutzung geworden. „Wir haben uns an so viele Dinge gewöhnt. Sich wieder zu entwöhnen ist schwierig“, gibt Lies zu. Denn so vieles ist einfach praktisch. „Ziel muss es sein, sich – zum Beispiel beim schnellen Kaffee zwischendurch – an Mehrwegbecher zu gewöhnen“, so der Umweltminister. Wobei das seine ganz eigenen Probleme mit sich bringe. Denn den Becher des Kunden annehmen und befüllen darf der Handel aus Hygienegründen nicht. Was es braucht, ist eine ehrliche Diskussion, ist Lies überzeugt. Nicht nur beim Thema Verpackungsmüll, sondern auch beim Diesel. Ministeramt hin oder her, Lies fährt, wie schon zu Zeiten als Wirtschaftsminister, einen Diesel als Dienstwagen. „Da stehe ich auch zu, weil ich sehr genau abgewogen habe, was Sinn macht.“ Für lange Strecken verwendet der Umweltminister ganz klar einen Diesel, für kürzere Strecken in der Region setzt er aber auf einen E-Up. „Ich fahre 70 000 bis 80 000 Kilometer pro Jahr. Mit einem Hybrid würde ich die meiste Zeit mit einer schweren, aber leeren Batterie herumfahren.“ Stattdessen kommt die Leistung vom Verbrennungsmotor, der mehr verbraucht und somit die Umwelt mehr mit CO2 belastet. „Das traut sich nur niemand mehr zu sagen, weil alle Angst haben, kritisiert zu werden“, bedauert Lies. All das zeigt: Umwelt, Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft, das sind Themen mit viel Konfliktpotenzial. Auch in der Industrie, zum Beispiel der Elektrobranche, die das Osnabrücker Unternehmen Hellmann Process Management in ihren Nachhaltigkeitsstrategien als Dienstleister berät. „Im nächsten Jahr stehen wir vor der Herausforderung höherer Sammelziele“, sagt Pohl. Aktuell müssen laut EU-Vorgaben 45 Prozent aller Geräte, die in den letzten drei Jahren in Verkehr gebracht wurden, gesammelt werden. „Das bekommen wir in diesem Jahr gerade so hin. Ab nächstem Jahr steigt das Sammelziel auf 65 Prozent. Das wird schwierig.“ Sammeln und verwerten, für den Verbraucher wird das bei Plastik, Papier und Glas am deutlichsten. Das ist aber nicht alles. Sie haben an den Müllmengen, die in Niedersachsen entsorgt werden, nur einen geringen Anteil. Hauptsächlich entsorgt wird Bauschutt. In diesem Be-
STECKBRIEF
André Pohl, Geschäftsführer Hellmann Process Management Seit mehr als 20 Jahren ist André Pohl Geschäftsleiter der Hellmann Process Management GmbH & Co. KG gewesen, bevor er vor knapp einem Jahr das Amt des Geschäftsführers übernahm. Das Osnabrücker Unternehmen ist Dienstleister und unterstützt Unternehmen im In- und Ausland bei Themen rund um Abfallvermeidung und -entsorgung sowie Umweltmanagement. Ein Schwerpunkt ist dabei die Elektronikindustrie. Aber auch
den Verbraucher hat das Osnabrücker Unternehmen im Blick. Für ein erfolgreiches Kommunikationskonzept im Bereich Nachhaltigkeit,
ist Hellmann Process Management 2014 mit dem Bundespreis Ecodesign in der Kategorie Service ausgezeichnet worden.
Zwei Experten im Gespräch: Lebhaft haben André Pohl (links) und Olaf Lies über Umwelt,Recy cycling und die Wirtkung von Bildern diskutiert.
reich sieht Lies noch großes Potenzial. „Hier müssten wir ein großes Interesse haben, die Materialien wieder im Kreislauf einzusetzen. Wir müssen intensiver überlegen, wie wir im Baubereich dafür sorgen können, Rohstoffe zurückzugewinnen oder vielleicht schon so zu bauen, dass dies intelligenter funktioniert.“ Das werde eine Herausforderung. Eine Herausforderung für Industrie und Verwerter werden auch Veränderungen abseits der klassischen Elektroindustrie, macht André Pohl deutlich. Elektrische Lattenroste und Fernsehsessel, blinkende Turnschuhe oder intelligente Kleidung, auch sie fallen unter das Elektround Elektronikgesetz (ElektroG). „Wir haben mit einem Mal völlig andere Stoffströme.“ Und wie bekommt man Roh- und Schadstoffe aus dem Elektronikschrott wieder heraus? Das wird schon beim Akku des Smartphones heute schwierig. „Es gibt keine Klappe zum Aufschieben, keine Schraube und dann kommt noch das Problem, dass viele Bauteile miteinander verklebt sind. Seltene Metalle und Erden kommen in so geringem Umfang vor, dass diese mit herkömmlichen Recyclingmethoden nicht zurückzugewinnen sind“, macht Pohl die Schwierigkeit deutlich. Dabei müsste man mit Blick auf die Verfügbarkeit von Rohstoffen ein großes Interesse daran haben, Stoffe zurückgewinnen zu können. Als Beispiel nennt der Minister die Elektromobilität und das für Batterien notwendige Lithium. „Der entscheidende Punkt ist: Wie entwickelt man ein Produkt, das schon von Anfang an im Blick hat, wie es später entsorgt wird und die Rohstoffe zurückgewonnen werden können? Als Politik können wir diesen Prozess sinnvoll begleiten, indem wir zwischen Produkten mit einem besonderen Wert im Wertstoffkreislauf und jenen, die im Zuge der Wiederverwertung Schaden verursachen, differenzieren.“ Hier habe sich ein Dialog zwischen Politik, Herstellern und Recyclingunternehmen entwickelt, um die Entwicklung voranzutreiben, lobt Pohl. Denn nicht immer sind die Vorgaben der Politik nachvollziehbar – oder ökologisch sinnvoll. Als Beispiel nennt der Unternehmer
die Rückgabe von Elektroaltgeräten, die bundesweit an kommunalen Stellen sowie im Handel erfolgt. „Aus verschiedenen Gründen ist die Zahl der Anlagen zum Recycling von Fernsehern stark zurückgegangen und die Wege für Dienstleister, die die Container von den Sammelstellen zur Recyclinganlage bringen, werden weiter.“ Wenn nun ein voller Container an der Sammelstelle übernommen werde, müsse dieser aufgrund gesetzlicher Vorgaben zeitnah zur Recyclinganlage gebracht werden. Auch, wenn es nachhaltiger wäre, auf einen zweiten Container zu warten, um mit einem vollen Lkw zu fahren. Die Kritik kann Lies verstehen und gesteht ein, dass es an den einen oder anderen Stellen hakt. „Es ist wichtig zu sehen, wo das der Fall ist, um Abläufe effizienter zu machen.“ Daher gebe es einen stetigen Austausch. „Es wäre ein Fehler, wenn man sich ausschließlich am Schreibtisch die richtige Lösung überlegen würde.“ Und anders als früher müssten das Recycling und der Kreislaufgedanke heute ganzheitlich angegangen werden, betont Lies. Nicht nur beim Thema Verpackung. „Wir müssen uns schon bei der Produktentwicklung Gedanken darüber ma-
„Die Bauweise von Geräten führt in der Industrie zu viel Diskussion.“ André Pohl, Geschäftsführer Hellmann Process Management
chen, wie wir die eingesetzten Komponenten wieder voneinander trennen und aufbereiten können“, so der Minister. Ein Aufwand, der sich rechnen muss. „Elektronik ist ein typischer Wegwerfartikel geworden.“ Geräte haben eine begrenzte Lebensdauer – auch weil sie recht günstig sind. „Der Preis hängt auch damit zusammen, dass die Geräte für die Frage des Recyclings zumindest nicht optimiert gebaut sind“, ist sich Lies sicher. Die Bauweise von Geräten führe in der Industrie zu viel Diskussion, weiß Pohl aus der Praxis. Unter anderem bei Werkzeugen.„So sind viele Bauteile der Billigprodukte aus Asien verklebt und nicht mehr verschraubt“, macht er an einem Beispiel deutlich. Ändern auch die Hersteller hochwertiger Produkte die Bauweise? „Das würde bis zu zehn Prozent der Herstellungskosten sparen. Die Frage ist also: Ist der Kunde bereit, diese Mehrkosten zu zahlen.“ Hier dürfe die Politik durchaus aktiv werden, und zum Beispiel mit Ökodesign-Richtlinien werde sie das auch. „Man muss den Konsumenten informieren und motivieren – und nachhaltige Geräte zum Beispiel steuerlich bevorzugen“, sagt Pohl. Der Wert eines Produktes erschließe sich dem Konsumenten heute oft gar nicht mehr, ergänzt Lies. „Wir müssen wegkommen von dem Gedanken, dass Qualität und gute Designs deutsche Produkte teuer und nicht mehr marktfähig machen.“ Ganz im Gegenteil. Die Tatsache, dass ein Gerät im Notfall repariert werden könne und Ersatzteile vorhanden sind, könne beim Verbraucher bewusst für einen Kauf sprechen. Ob ein Produkt gut zu recyceln ist, weiß der Verbraucher oftmals nicht. Braucht es also ein Label der Politik? Umweltminister Lies ist da zurückhaltend. „Irgendwann wissen wir vor lauter Labeln nicht mehr, was wir kaufen.“ Auch Pohl ist vorsichtig und nimmt die Rückseite eines Notebooks als Beispiel. „Hier sieht man 17 Kennzeichnungen. Bei den wenigsten wird der Verbraucher wissen, wofür sie eigentlich stehen.“ Der Kunde müsse sich darauf verlassen können, dass ein Produkt gut recycelbar ist. Ähnlich sieht es auch Lies. „Wir sind auf dem Weg sicherzustellen,
Fotos: Jörn Martens
dass der Preis eines Produkts am Ende die Aufbereitung sichert, der Recyclingaufwand also eingepreist ist.“ Dann könne dem Kunden auch egal sein, ob ein Label auf dem Produkt sei oder nicht. Und auch für die Wettbewerbsfähigkeit sei dieser Ansatz von Vorteil – und besser als ein Label. „Die Frage ist nur: Gilt das für alle Produkte oder nur in bestimmten Bereichen? Da wir ein großes Interesse daran haben, den Markt mit nachhaltigen Produkten zu sichern, sind wir gut beraten, in Zukunft immer stärker darauf zu achten, eine Gesamtbilanz der Produkte in den Blick zu nehmen – von der Erstellung bis zur Entsorgung.“ André Pohl sieht noch eine andere Entwicklung: Manch ein Hersteller überdenke seine Vertriebswege. Auch das führe zu nachhaltigeren Produkten. „Das Gerät wird nicht mehr verkauft, sondern die Dienstleistung beziehungsweise das hergestellte Produkt.“ Als Beispiel nennt er den Kopierer. Der Kunde kaufe nicht mehr das Gerät, sondern zahle die Kopien. „Also hat der Hersteller ein Interesse daran, das Gerät möglichst langlebig und nachhaltig zu bauen“, so der Unternehmer. Pohl und Lies sind sich einig: Wenn es um Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Recycling geht, findet ein Umdenken statt – sowohl in der Wirtschaft als auch beim Verbraucher. Und: „Der Kunde kann sich bewusst im Supermarkt entscheiden, ob er die eingeschweißten oder die losen Äpfel nimmt, ob er den To-go-Becher nimmt oder verzichtet“, macht Lies deutlich. Braucht es dennoch ein Nachsteuern der Politik? Da bleibt der Minister skeptisch: „Wo sollte die Politik mit Verboten ansetzen, wo mit Anreizen? Wenn wir eine Akzeptanz wollen, ist es klüger, das Bewusstsein der Verbraucher zu schärfen“, ist er überzeugt. Auch über Kosten. Für Pohl ist die Politik in manchen Bereichen ohnehin schon zu spät dran. „Der Handel zum Beispiel denkt in Sachen Verpackung und Recycling schon viel weiter.“ So habe die Schwarz-Gruppe mit Lidl nicht nur ein klares Statement abgegeben, wie in den nächsten Jahren die Menge an Verpackungsmüll drastisch reduziert werden soll, sondern mit der Übernahme der Tönsmeier-Gruppe aus Porta Westfalica auch einen
Kreislauf geschlossen. „Ich bin überzeugt, dass diese Entwicklung erst der Anfang ist. Und sie ist konsumentengetrieben. Der Kunde hat Macht.“ Positiv wie negativ, ergänzt Lies. „Firmen wägen ab, sie entscheiden ökonomisch und ökologisch. Macht der Kunde nicht mit, muss man damit leben, dass Initiativen und Entscheidungen wieder zurückgedreht werden.“ Das Potenzial für
„Wir müssen auch beim Diesel eine ehrliche Debatte führen.“ Umweltminister Olaf Lies
Innovation sieht der Minister aber nicht nur bei großen Firmen. „Ganz im Gegenteil. Die Großen haben die Macht, etwas sehr schnell umzusetzen. Es gibt eine Reihe von Mittelständlern, die Trends setzen, aus der Nische kommen und sich durch den Produktgedanken unterscheidbar machen.“ Und was ist mit dem Vorwurf, dass aufgrund der strengen Vorgaben in Deutschland Produkte nicht konkurrenzfähig sind? „Die Vorwürfe kann man sich anhören. Ich habe aber nicht den Eindruck, dass es in Deutschland nicht gelungen ist, wirtschaftlich erfolgreich zu sein“, so Lies. Ganz im Gegenteil, Expertise aus Deutschland könne auch international eingesetzt werden. „Bei der Entwicklung nachhaltiger Lösungen sind wir Vorreiter, und unsere Unternehmen bedienen mit ihrem Wissen und ihrer Kompetenz einen internationalen Markt. Hart an der Weiterentwicklung der Effizienz und der Ressourcenschonung zu arbeiten muss der richtige Weg sein.“ Gerade, um perspektivisch wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Ist Deutschland nun Musterknabe in Sachen Umwelt und Recycling? Für den Geschäftsführer von Hellmann Process Management kommt das ganz darauf an, welchen Aspekt man sich anschaut. „Wir sind sehr gut darin, Elektroaltgeräte zu sortieren. In osteuropäischen Ländern zum Beispiel gibt es deutlich mehr Fehlwürfe.“ Allerdings könnte die Bereitschaft, Altgeräte tatsächlich abzugeben, höher sein. Da seien uns unter anderem nordische Länder weit voraus. Und Pohl warnt auch: „Gerade in China ist aktuell die Investitionsbereitschaft in Recyclingtechnik groß. Da entsteht ein neuer Markt, und wir müssen aufpassen, dass wir nicht wie bei anderen Themen den Zug verpassen und zurückfallen.“ Während in Deutschland versucht werde, den Verbraucher von der Sinnhaftigkeit des Systems zu überzeugen und den Markt interessant zu machen, werde in China ganz anders gesteuert, macht Lies deutlich. Aber auch er warnt: „Innovation ist kein Selbstläufer. Wir dürfen in der aktuell wirtschaftlich starken Phase nicht vergessen, dass die Zeit nicht stehen bleibt – und andere aufholen.“ ·· ·· ·· ·· ·· ·· ·· ·
Ein Video zum NOZ-Wirtschaftstalk gibt es unter noz.de/video.
STECKBRIEF
Olaf Lies, Umweltminister Niedersachsen SPD-Politiker Olaf Lies gehört seit zehn Jahren dem Niedersächsischen Landtag an. Im ersten Kabinett von Ministerpräsident Stephan Weil war Lies fünf Jahre lang Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr. Nach der Landtagswahl im vergangenen Jahr hat der stellvertretende SPD-Landesvorsitzende das Ressort gewechselt. Als Minister für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz der aktuellen Großen Koalition gehören Kreis-
laufwirtschaft, Umweltschutz und Recycling in seinen Zuständigkeitsbereich. Lies hat Elektrotechnik an der Fachhochschule in Wilhelms-
haven studiert und war zu Beginn seiner beruflichen Tätigkeit Entwicklungsingenieur und anschließend Dozent an der Jadehochschule.
Fotos: Colourbox.de,Montage: NOZ
Angewohnheiten zu überdenken kann Beitrag zu Nachhaltigkeit leisten.
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„Nicht jedes Notebook gehört in den Schredder“ Refurbishment, Remarketing, aber auch Recycling von Computeranlagen bestimmen den Alltag der Technocycle.de GPC Nord VON MARCUS ALWES UND HOLGER SCHULZE BRAMSCHE. Alle drei, vier Jahre
tauschen große Unternehmen, aber auch Verwaltungen angeblich ihre Laptops und PCs aus. Doch die IT-Altgeräte wandern nicht mehr einfach in den Müll, sondern werden wieder aufbereitet und anschließend verkauft. Refurbishment nennen das die Fachleute. Das schont zum einen die Umwelt, aber es lässt sich zum anderen auch ein Geschäft damit machen. Die entsprechende Branche meldete zuletzt jedenfalls kräftige Wachstumszahlen. Auch in Bramsche-Hesepe.
Der Verkaufsraum ist hell, die Glasfenster reichen bis zum Boden. „Sie wollen kaufen? Sie wollen verkaufen? Sie wollen entsorgen?“ Drei Fragen begrüßen den Besucher der Technocycle.de GPC Nord GmbH im Gewerbegebiet an der Bundesstraße 68 bei Bramsche-Hesepe. Und Marco Wordtmann strahlt. „Wir kombinieren Refurbishment, Remarketing und Recycling“, betont der Geschäftsführer des zertifizierten Entsorgungsfachbetriebes, der erst vor wenigen Monaten seine neuen Hallen bezogen hat. Von der Ein-Raum-Firma ging es über eine gemietete Immobilie nun endlich in die eigenen vier Wände. Das wachsende Unternehmen von Wordtmann beschäftigt sich dabei zum einen mit der fachgerechten Entsorgung, aber – zum anderen – vor allem auch mit der Weiterverwendung und der Überarbeitung von ausrangierten Computeranlagen. Diese haben seine Mitarbeiter und er zuvor fein säuberlich zerlegt und deren Innenle-
Gitterboxen mit Kabelresten,Server-Mainboards,Festplatten und diverse Rechner stehen überall in den Hallen des Entsorgungsfachbetriebes in Bramsche-Hesepe.
ben genau unter die Lupe genommen. Akkus, Batterien oder Kondensatoren beispielsweise werden umgehend ausgebaut und separiert gesammelt. Fachleute sprechen von einer sogenannten Schadstoffentfrachtung. „IT-Hardware wie PCs, Note-
Ein Computer wird in seine Einzelteile zerlegt. Technocycle.de-Geschäftsführer Marco Wordtmann (r.) schaut Mitarbeiter Matthias Brumme dabei über die Schulter.
books oder Smartphones, die nicht komplett wiederaufbereit und wiederverwendet werden können, gehen bei uns den Weg der Zerlegung und Verwertung“, erläutert Wordtmann, „dazu sind wir als Erstbehandlungsanlage nach ElektroG zertifiziert.“ Die noch brauchbaren Komponenten und Einzelteile verwenden die TechnocycleMitarbeiter wieder und sorgen so für deren zweites Leben. Durch das Refurbishment und Remarketing schaffe man „umwelt- und auch budgetschonende Alternativen zum Neugerät“, sagt Wordtmann. Andere Reststoffe führe man dagegen zur Verwertung wieder dem Rohstoffkreislauf und anderen Fachbetrieben zu. Das können beispielsweise Platinen, Netzteile, Speicher, Prozessoren, Festplatten, Kabel oder Blechschrott sein. „Das ist dann der Sektor Recycling“, so der Geschäftsführer. Ein Ansatz, der im schnelllebigen Technikzeitalter und im Sinne einer nachhaltigen Ressourcennutzung einen immer größeren Stellenwert einnimmt. Denn seltene Erden, Edelmetalle, Kunststoffe und einfache
Metalle können von Experten aus manchem IT-Gerät zurückgewonnen werden. Technocycle.de bietet Lösungen für ausgemusterte Altgeräte aller Art. Wordtmann & Co. kaufen „Gebrauchtes“ aus anderen Betrieben an und übernehmen auch deren Elektronikschrott in der Regel kostenfrei. „Bei Weitem nicht jedes Notebook oder PC-System, das durch ein Neugerät ersetzt wird, gehört in den Schredder. Es geht stattdessen um Technocycle, aber immer auch um Umwelt- und Ressourcenschutz. Denn Rohstoffe sind endlich und der schonende Umgang mit ihnen ist eine zentrale Herausforderung der heutigen Zeit“, erläutert der Geschäftsmann seine Sicht der Dinge. „Unser Gedanke hat Zukunft. Es ist für alle ein langfristig wichtiges Thema. “ Vor fast einem Jahrzehnt hatte sich Wordtmann selbstständig gemacht. Inzwischen beliefert er – nach erfolgreicher Wiederaufbereitung – unter anderem bundesweit Bildungseinrichtungen bzw. deren Fördervereine oder Träger. „Pro Jahr gehen mehrere Tausend Geräte an mehrere Hundert Schu-
Fotos: Marcus Alwes
Laptops, Tablets, Notebooks oder Displays – finden. Bevor diese aufgearbeiteten Gebrauchtgeräte jedoch wieder in den Verkauf gelangen, wird der unwiederbringlichen Datenlöschung ein hoher Stellenwert beigemessen. „Es wird führende Sicherheitssoftware eingesetzt“, sagt Marco Wordtmann. Alle Geräte werden auf die Werkseinstellung zurückgesetzt. Die sichere Löschung könne dem Kunden je Datenträger mit einem Protokoll bestätigt werden, stellt Wordtmann heraus. Durch die technischen Prüfungen, Reparaturen und eine optische Aufbereitung im Hause würden Altgeräte anschließend wieder voll einsatzfähig. „Da es sich in den meisten Fällen um Profigeräte handelt, sind diese danach meist ebenso leistungsfähig wie neue Günstigangebote von Elektronikmärkten und damit ideal geeignet, zum Beispiel für die Ausrüstung von Privatleuten, Schulen und kleinen Unternehmen“, beschreibt der Firmenchef einen zentralen Nutzen seiner Dienstleistung für institutionelle wie für private Verbraucher.
len in ganz Deutschland“, erklärt er nicht ohne Stolz. Aber auch einzelne Kunden, die in seiner Werksverkaufsausstellung oder auf der entsprechenden Unternehmensseite im Internet vorbeischauen, können dort einen passenden Computer – zum Beispiel PCs,
„Der schonende Umgang mit Rohstoffen ist eine zentrale Herausforderung.“ Marco Wordtmann, Geschäftsführer
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Aus Biomüll wird Biokohle Peter Brinkhege macht aus Grünabfällen und Klärschlamm grüne Kohle – Acht Anlagen will der Ingenieur in den kommenden Jahren bauen VON ANJA STEINBUCH BAD IBURG. Sie sehen aus wie überdimensionale Röst-Trommeln. Bis zu zehn dieser Biokohlereaktoren stellt Peter Brinkhege nebeneinander – zum Beispiel in Ladbergen. Eigentlich hat der Ingenieur mit seinen runden Druckbehältern eine Zeitmaschine erfunden – und zwar eine, die CO2 sparen hilft.
150 Millionen Jahre braucht die Natur, um Pflanzen verrotten zu lassen und sie anschließend zwischen den Erdschichten als Kohle abzulagern. Druck und Wärme helfen bei dieser natürlichen Carbonisierung. Der Bad Iburger Peter Brinkhege ist mit dem Thema Kohle und Energie seit Lebzeiten verbunden: Seine Familie hat einst den Kohle-Schacht „Kronprinz“ in Borgloh betrieben. Jetzt hat er ein Verfahren weiterentwickelt, das Kohle innerhalb von zwölf Stunden herstellt.
Die Idee kam Brinkhege bei der Produktion von Kalksandstein. Dafür braucht man einen großen runden Reaktor, in dem Sand zu Stein wird. Zwar ist das physikalische Verfahren nicht neu. Neu ist aber der speziell dafür ausgerichtete Biokohlereaktor des Bad Iburgers. Den „füttert“ er mit Biomüll. „Laub eignet sich gut, Äste – alles, was wir in der grünen Tonne sammeln.“ Um das Laub in der Stadt einzusammeln, hat er sogar einen ehemaligen Feuerwehrwagen in einen großen Laubstaubsauger umbauen lassen. Denn das Laub ist für ihn der Stoff, aus dem saubere Energie wird. „Die Kommunen lassen Laub, Grünschnitt und Biomüll kompostieren – ohne das dadurch entstehende CO2, die Energie und die Wärme zu nutzen.“ Mit genug Hitze und Druck kann Brinkhege sogar aus Klärschlamm grüne Kohle herstellen. Das Verfahren war lange technisch schwierig und aufwendig. Inzwischen ern-
tet der Bad Iburger erste Früchte: „Jetzt bekommt mein Kind Beine“, ist er überzeugt. Die Konkurrenz durch fossile Braunkohle fürchtet er nicht. Der traditionelle Energieträger habe ausgedient. „Das Todesurteil der Braunkohle sind die CO2-Zertifikate.“ Seine Anlagen sind marktreif. „Wir haben einige Jahre gebraucht, aber jetzt ist die Technik so weit, dass wir wirtschaftlich produzieren können“, meint Brinkhege. Eine seiner ersten Anlagen entsteht in Ladbergen – direkt am Kanal zwischen Osnabrück und Münster. Ein Kalkhersteller sowie ein Stärkehersteller sind an dem Projekt beteiligt. Sie wollen die Biokohle im eigenen Betrieb nutzen. So wird fossile Braunkohle durch CO2-freie Biokohle ersetzt. Auch das in unmittelbarer Nähe liegende Kohlekraftwerk in Ibbenbüren ist an der Biokohle interessiert.
Aus Laub wird Kohle: Peter Brinkhege hat ein Verfahren entwickelt,das diesen Prozess wirtschaftlich darstellt. Foto: dpa/ Bernd Settnik
Eine weitere Anlage entsteht südlich von Berlin, neben einem Kalksandsteinwerk von Peter Brinkhege. Hier werden in den runden Druckbehältern, die auch Autoclaven genannt werden, bei 16 bar und einer Temperatur von
„Ich arbeite mit Druck, Wärme und Wasser.“ Ingenieur Peter Brinkhege
200 Grad Celsius die Biomassen carbonisiert. Es entsteht eine Kombianlage mit einer vorgeschalteten Fermentierung und nachgeschalteter Carbonisierung. Der Clou: Das Kalksandsteinwerk wird komplett mit grüner Energie – Dampf und Strom aus dem Biomüll – versorgt. „Das wäre eine Weltneuheit“ und ein weiterer Schritt in Richtung CO2-freie Kreislaufwirtschaft: Biogas, Strom, Wärme und Biokohle – alles emissionsfrei. „Ich arbeite mit Druck, Wärme und Wasser“, so der Ingenieur. Bei dieser „hydrothermalen Carbonisierung“ (HTC) werden vom Kohlenstoffdioxid des Biomülls die Wasserstoffe abgespalten. Das Ergebnis: Kohle. „Dieser Brennstoff ist CO2neutral und spart damit für die Energie-Unternehmen viel Geld, weil sie dadurch keine teuren CO2Zertifikate wie für herkömmliche Kohle zahlen müssen.“ Und noch einen Vorteil für die Umwelt hat seine grüne Kohle: Der Kompostmüll und das CO2 daraus werden genutzt. Das wären zwei Fliegen mit einer Klappe. Deshalb will Brinkhege rund um Berlin gleich mehrere Anlagen bauen. „Berlin könnte vier solcher Anlagen brauchen“, ist er überzeugt. In der Hauptstadt fallen 200 000 Tonnen Grünschnitt und zusätzlich 70 000 Tonnen Herbstlaub pro Jahr an. Bisher war sein Verfahren noch recht kostspielig. Weil seine saubere Kohle aber CO2-neutral und dadurch günstiger als das fossile Pendant gehandelt werden kann, ist es inzwischen wirtschaftlich. Und: „Unsere BiokohlePellets kommen relativ trocken aus dem Dampfdrucktopf“, versichert der Ingenieur. Viele müssten bei so einem Verfahren
aufwendig entwässern. „Wir können große Mengen an Biomasse verarbeiten.“ Für die Abnahme einer Tonne Bioabfall bekommt er rund 20 Euro von den Kommunen. Nach der Carbonisierung kann er die grüne Kohle für 60 Euro pro Tonne verkaufen. Ab einer Kapazität von 30 000 Tonnen per anno kann eine HTCAnlage wirtschaftlich arbeiten. Eine Herausforderung für die Betreiber ist allerdings das bei der Carbonisierung anfallende Restwasser. Auch hierfür hat Brinkhege eine Lösung durch die Verbindung von Fermentierung mit der Carbonisierung. Das in kleinen Mengen anfallende Wasser wird im eigenen Verfahren für die Fermentierung – Wasser und Gärungsflüssigkeit – verwendet. Mit Kohle und Energie hat sich Peter Brinkhege sein Leben lang beschäftigt. Sein Vater war bis in die 1970er-Jahre im Steinkohlebergbau tätig. Dann hatte die Familie ein Kalksandsteinwerk in Wallenhorst. Brinkhege strebt mit seinem Patent nicht nur nach Berlin, Hamburg und in andere Metropolregionen, sondern weit über die Landesgrenzen hinaus. Und Versuche, inwieweit sich Gartenabfall mit einem ähnlichen Verfahren in Dünger umwandeln lässt – als Bodenverbesserer, genannt Terra Preta –, beschäftigen den Ingenieur ebenfalls. Zum Einsatz kommen könnte so ein Bio-Dünger bei Anpflanzungen in trockenen Regionen wie in Afrika. Ein weiteres Projekt „made in Bad Iburg“: die Tankstelle der Zukunft. Brinkhege: „Das ist sozusagen die perfekte Ergänzung zu meinen Anlagen.“ Seine Zeichnungen zeigen Zapfsäulen, an denen ausschließlich Biogas und Biostrom getankt werden. „Und wenn alles klappt, dann schließt sich der Kreis“, fasst der Bad Iburger seine Visionen für die Energiewirtschaft zusammen. Dann könnten bald acht Brinkhege-Zeitmaschinen, sowohl die Kombi aus Biogas und Biokohle und das Bio-Kalksandsteinwerk, die Müll- und Energiewirtschaft deutlich klimafreundlicher gestalten.
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Von Kühlschränken, Altmetall – und verlorenen Eheringen Vieles wird auf den Wertstoffhöfen in der Region abgegeben und weiterverwertet VON NINA KALLMEIER UND IRENE SCHMIDT NORDHORN/OSNABRÜCK. Alte
Waschmaschinen, Autoreifen oder der kaputte Gartenzaun, auf den Wertstoffhöfen in der Region können Bürger und Gewerbetreibende eine ganze Reihe ausrangierter Dinge abgeben. Vieles von dem, was in den Containern landet, wird weiterverwertet. Ein Blick hinter die Kulissen.
Es ist ein kalter Novembertag – der kälteste in diesem Monat. Ein steifer Nordostwind bläst, die Temperaturen sind knapp über dem Gefrierpunkt, und ein Regenschauer jagt den nächsten. Der Wertstoffhof Isterberg, der vom Abfallbetrieb Grafschaft Bentheim (AWB) betrieben wird, hat trotzdem geöffnet. Stand früher auf der ehemaligen Müllkippe die Müllentsorgung im Mittelpunkt, so ist es in Zeiten abnehmender Rohstoffvorkommen und steigender Preise heute das Recycling und der Umweltschutz. Das gilt auch für den Landkreis Osnabrück, dessen Wertstoffhöfe von Awigo betreut werden. An sechs Standorten können Landkreisbürger und Gewerbetreibende von der Autobatterie bis zum alten Gartenzaun alles abgeben. Manch einem fällt erst später auf, dass er mehr zurückgelassen hat als geplant. „Dann wird mitunter in einer mühevollen Suchaktion nach dem Ehering im Metallschrott-Container, dem Schlüsselbund im E-Schrott-Container oder dem Hochzeitsfoto im Restmüllcontainer geschaut“, erzählt Daniela Pommer. „Zum Glück für die Kunden gibt es meist ein Happy End.“ Es gebe jedoch auch andere kuriose Begegnungen, zum Beispiel, wenn Kunden mit Kleinstanlieferungen zum Recyclinghof kommen, die eigentlich in der heimischen Restmülltonne entsorgt werden könnten – wie eine normale Zahnbürste. 33 Mitarbeiter, darunter sechs Teilzeitkräfte und sechs geringfügig Beschäftigte, kümmern sich darum, dass auf den Wertstoffhöfen des Landkreises alles seine Ordnung hat. Auf dem Wertstoffhof Isterberg ist Heiner Menzel Herr unter anderem über die Müllpresse und das Dutzend Container, in denen die unterschiedlichen Stoffe gesammelt werden. Vieles von dem, was früher auf dem Müllberg gelandet wäre, ist heute gefragt. Nur noch die Auffangteiche für das Sickerwasser und eine mit Aktivkohle arbeitende Reinigungsanlage zeugen von
der Vergangenheit des Areals als Mülldeponie. Menzel, gelernter Einzelhandelskaufmann, ist Mädchen für alles auf dem Hof, was gemacht werden muss, wird von ihm erledigt – vom Laubfegen bis zum Bedienen der Schrottpresse. Auch die Wartung und kleinere Reparaturen macht er selbst. Das Austauschen der wuchtigen geschlossenen Container ist für ihn Routine. Hier steuert kein Computer surrend die Arbeitsschritte, hier geht es rau und grob zu. Die Container laufen auf stabilen Eisenschienen, Bolzen müssen schon mal mit dem kiloschweren Fäustel gelockert werden. Davon merken die Kunden aber eher wenig. Sie suchen sich ihren Weg anhand ihrer Ladung: Alte Kühlschränke stehen rechts. Man kann seinen dazustellen. Aufwärmen kann sich Heiner Menzel in einer Holzhütte, die an den Raum der Müllpresse angebaut ist. Die Einrichtung ist so alt wie der Wertstoffhof, gespickt mit originellen Details wie Holzschuhen an der Wand oder einer Spindel aus der Textilära. Das sorgt für eine heimelige Atmosphäre, wirkt jedoch auch aus der Zeit gefallen. Es ist ein ganz normaler Vormittag, allerdings ist aufgrund des Wetters wenig Betrieb. Für die Anlieferer, die meist mit Pkw oder Kombis kommen und ihren Abfall im Kofferraum oder auf kleinen Anhängern transportieren, ist die gesamte Anlage im Grunde so selbsterklärend wie das System:
Vielerorts wird der Platz auf dem Wertstoffhof knapp.
Stoffe, für die der AWB noch Geld bekommt, dürfen kostenlos entsorgt werden. Stoffe, die teuer verwertet werden müssen oder in die Verbrennung gehen, kosten den Anlieferer etwas. Entsprechend kostenlos sind am Isterberg wie auch im Landkreis Osnabrück zum Beispiel Altmetall, Elektronikschrott, Kühlgeräte oder Autobatterien. Für Bauschutt oder Sperrmüll muss der Kunde zahlen. „Schadstoffe nehmen wir generell nicht an, dafür gibt es das Schadstoffmobil“, betont Daniela Pommer. Ebenso gezahlt werden muss für die Entsorgung von Autoreifen, und das hat seinen Grund: Sie bestehen aus Gummi, Rohöl, Stahl, Textil und verschiedenen Chemikalien. All dies zu trennen kostet Geld. Viel Geld. Daher müssen Anlieferer am Isterberg ab Januar 2019 auch tiefer in die Tasche greifen, der Preis für die Entsorgung ist von 128 auf 302 Euro pro Tonne gestiegen. Erheblich teurer geworden ist auch die Entsorgung von Altholz, besonders, wenn es stark belastet ist durch Imprägnierungen oder schädliche Farbstoffe. Die meisten Preise sind in der Grafschaft aber annähernd stabil geblieben, sieht man mal von der pauschalen Gebühr für eine Kofferraumladung gemischter Abfälle ab, die von neun auf zwölf Euro steigt. Ein Blick auf die Müllmengen insgesamt, die über die Recyclinghöfe im Landkreis Osnabrück abgewickelt werden, zeigt: Die Jahresmengen schwanken. 2015 und 2017 waren sie mit mehr als 105 600 Tonnen annähernd gleich, 2016 waren es mehr als 116 900. „Die Menge kommt jedoch nicht nur von Privatpersonen, sondern auch Gewerbetreibende liefern an“, betont Daniela Pommer. Genug Platz ist nicht überall. „Für Dissen und Wallenhorst besteht Handlungsbedarf. Hier sind wir aktuell auf der Suche nach neuen und größeren Standorten.“ Auch der Recyclinghof beim Abfallwirtschaftszentrum Piesberg, das rund 50 000 Anlieferer im Jahr nutzen, platzt aus allen Nähten. Etwa 120 000 Tonnen Abfall und Wertstoffe werden dort pro Jahr abgegeben, darunter 2017 rund 373 Tonnen Abfälle aus elektrischen und elektronischen Geräten und 269 Tonnen Holz, Glas und Kunststoff. Es ist der größte Hof, den der Osnabrücker Service Betrieb (OSB) für die Stadt betreibt. Die 5000 Quadratmeter sollen im kommenden Jahr erweitert werden. Doch was passiert eigentlich mit dem, was der Verbraucher am
Ob Altmetall oder ausrangierte Badewannen,in den Containern der Wertstoffhöfe landet vieles.
Wertstoffhof entsorgt? In Osnabrück werden mehr als 80 Prozent der Abfälle, die die Kunden beim Abfallwirtschaftszentrum abliefern, recycelt. Restmüll wird zu Ersatzbrennstoff, Altpapier geht in die Papierindustrie, Grünabfälle, Strauch- und Rasenschnitt werden in der eigenen Kompostierungsanlage zu Kompost verarbeitet. Am Isterberg landen die Säcke voller Abfall, Kleinteile, Matratzen und alter Polster direkt in der
Papier und Pappe wird ebenso auf den Wertstoffhöfen in der Region angenommen wie Kühlschränke. Was mit den Wertstoffen passiert, ist unterschiedlich. Vieles wird wieder aufbereitet, meist in Zusammenarbeit mit Partnern.Am Isterberg stellt Heiner Menzel Kühlschränke für das Kolpingwerk zusammen. Fotos: Thomas Osterfeld/Irene Schmidt
Müllpresse, die Heiner Menzel kennt wie ein Gartenbesitzer seinen Rasenmäher. Die Kühlgeräte, die der Chef des Recyclinghofes mit einem Gabelstapler in einem offenen Container gesammelt hat, holt zweimal die Woche das Kolpingwerk ab, so wie auch alte Fenster und Türen, Fahrräder oder Spülmaschinen. Die Kolpinger reparieren die Sachen oder gewinnen Ersatzteile daraus. Bei Awigo arbeitet man mit verschiedenen Partnern zusammen. Um die Wiederaufbereitung der Kühlgeräte kümmert sich das Unternehmen Enviprotect in Emsdetten. Die Herausforderung: In den Kompressoren und Dämmstoffen sind Kältemittel eingesetzt – in Verbindung mit Sauerstoff sind sie hochexplosiv. Rund 120 Geräte können bei Enviprotect innerhalb einer Stunde recycelt werden. Die in dem Prozess gewonnenen Rohstoffe wie Kupfer, Kunststoff, Eisen oder Aluminium werden – selbstverständlich sortenrein gesammelt – wieder dem Stoffkreislauf zugeführt. Mit Blick auf den abgegebenen Kunststoff kooperiert Awigo mit dem Kunststoffverwerter mtm Plastics GmbH aus Niedergebra. Dort werden Waschkörbe & Co geschreddert und daraus Regranulat zur Weiterverarbeitung hergestellt. Die Bauschuttcontainer am Isterberg sind nicht nur Ablageort für alte Steine oder Fliesen, Sani-
Foto: Thomas Osterfeld
tärobjekte aus Keramik oder Gartenplatten, oft landet dort auch Omas Geschirr nach einer Haushaltsauflösung. Aber auch Teile, die auf dem Flohmarkt noch Käufer gefunden hätten, kann man im Bauschutt manchmal entdecken. Aber Vorsicht: Mitnehmen gilt als Diebstahl und ist verboten. Und wenn doch die bauchige Vase das Herz eines Finders höherschlagen lässt, kann man ja bei Heiner Menzel fragen, der mit Riesenschritten in Richtung Ruhestand geht. So manches alte „Schätzchen“ findet aber noch auf anderem Wege neue Verwendung. Die „Tauschbörse“ ist ein gut genutzter Internetservice des Abfallwirtschaftsbetriebs. Dort findet das gebrauchte Kinderbett vielleicht zum Preis einer Tüte Gummibärchen ein neues Zuhause. Man muss ja nicht alles wegwerfen. Ausgedient hat jedoch möglicherweise in nicht allzu ferner Zukunft der Wertstoffhof Isterberg. Wie man hört, steht der Abfallwirtschaftsbetrieb Grafschaft Bentheim hinter dem Konzept seiner Wertstoffhöfe. Der moderne Nordhorner Standort an der OttoHahn-Straße wurde erst 2015 eröffnet. Auch für die Obergrafschaft soll es eine neue und modernere Anlage geben. Für die Alt-Deponiefläche Isterberg müsste dann eine neue Nutzung gefunden werden.
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GELD & GESCHÄFT
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Die Zombies sind unter uns Das viele billige Geld lässt die Zahl der Insolvenzen sinken – droht Europa bei Zinserhöhungen eine nachgeholte Pleitewelle?
Das Zinstief lässt Firmen überleben, die verschwinden müssten. Besonders viele Zombie-Unternehmen gibt es in Südeuropa. Experten warnen vor einer „Sklerotisierung“ der Wirtschaft. VON MANUEL GLASFORT OSNABRÜCK. Das bil-
lige Geld der Notenbank soll die Wirtschaft ankurbeln. Doch zugleich schafft die Nullzinspolitik „untote“ Unternehmen. Experten sind besorgt.
In Deutschland sinkt die Zahl der Unternehmenspleiten seit bald zehn Jahren kontinuierlich. Waren es 2009 noch 32 930 Firmen, die Insolvenz anmelden mussten, verzeichnete die Kreditauskunftei Creditreform für 2018 nur noch 19 900 Pleiten – der niedrigste Wert seit 1994. Kein Wunder, mag mancher denken, wir befinden uns im zehnten Jahr des Aufschwungs. Die Wirtschaft brummt, deutsche Exportprodukte sind rund um den Globus gefragt. Da liegt es doch nahe, dass weniger Unternehmen vom Markt verschwinden. Und überhaupt sind weniger Insolvenzen doch eine positive Nachricht, oder? Nicht unbedingt. Keine Frage: Der Rückgang der Unternehmenspleiten hat viel mit der guten Konjunktur zu tun und mit der starken Stellung deutscher Unternehmen auf den Weltmärkten. Die allermeisten Firmen hierzulande haben zuletzt ordentliche Gewinne eingefahren. Schulden können bedient, Mitarbeiter bezahlt werden. So heißt es in der jüngsten Creditreform-Analyse: „Aufgrund der guten Ertragssituation können Zinsen und Kreditlinien geleistet, und es kann mittlerweile auch wieder mehr investiert werden.“ Allerdings fällt den Experten der Wirtschaftsauskunftei auch auf, dass die Zahl der
Illustration: Colourbox.de
Pleiten weniger schnell sinkt als zuvor. Womöglich sei der Tiefpunkt der Insolvenzentwicklung erreicht. Doch selbst in der Hochkonjunkturphase gibt es einige Unternehmen, die Jahr für Jahr Verluste machen. Zwischen 2014 und 2016 traf das auf immerhin 6,8 Prozent der deutschen Betriebe zu, wie Creditreform im Sommer dieses Jahres in einer Studie ermittelt hat. Unter den Unternehmen mittlerer Größe waren sogar fast acht Prozent von chronischen Verlusten betroffen, ohne aber zu verschwinden. Sie erscheinen wie Zombie-Unternehmen: Eigentlich tot, aber doch lebendig. „Man
versteht darunter ein Unternehmen, das unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten tot ist, aber dank bestimmter Gegebenheiten weitermachen kann“, erklärt Stefan Bielmeier, Chefökonom der DZ Bank. Michael Bretz, der bei Creditreform die Wirtschaftsforschung leitet, sagt: „Es gibt diesen Anteil von knapp 7 Prozent, und das ist schlecht. Diese Unternehmen müssten eigentlich vom Markt verschwinden.“ Dass das noch nicht passiert ist, haben diese Unternehmen auch Mario Draghi zu verdanken, mutmaßen die Creditreform-Autoren. Unter ihrem Präsidenten betreibt die Europäische Zentralbank (EZB) seit Jahren eine Politik des billigen Geldes, die nicht nur Häuslebauern günstige Zinskonditionen beschert. Auch Unternehmen kommen günstig an Kredite. „Die Ergebnisse der Creditreform Analyse lassen vermuten, dass die Politik des billigen Geldes durch die Europäische Zentralbank und
die günstigen Finanzierungskonditionen Unternehmen das Überleben ermöglicht haben, die unter anderen Umständen aus dem Markt ausgeschieden wären.“ Die betroffenen Unternehmen hätten während ihrer Verlustphase mehr Schulden angehäuft und hätten weniger Eigenkapital als andere Unternehmen, so die Autoren. Ihr Fazit: Der Marktbereinigungsmechanismus ist gestört. Zunächst mal ist es positiv und natürlich, dass die Zahl der Pleiten im Aufschwung sinkt. Im Boom sind die Fabriken ausgelastet, und der Wettbewerbsdruck nimmt ab, was dazu führt, dass die Firmen höhere Preise durchsetzen können. Doch selbst in der Hochkonjunktur wird ein bestimmter Anteil an Firmen vom Markt ausgesiebt – und das ist aus Sicht von Ökonomen auch gut so. Denn die Wirtschaftswelt befindet sich in einem permanenten Strukturwandel. Neue Firmen mit innovativen Produkten und Geschäftsideen treten dem Markt bei, während andere wegen finanzieller Probleme verschwinden. Die Mehrheit der Unternehmen passt sich den veränderten Herausforderungen an und überlebt. Diesen Prozess des permanenten Aussiebens beschrieb der österreichische Ökonom Joseph Schumpeter schon vor mehr als 100 Jahren als „schöpferische Zerstörung“. Wichtig dabei: Wird eine Firma vom Markt aussortiert, werden Personal und Kapital freigesetzt, die dieses Unternehmen nicht mehr benötigt. Diese Mittel kommen dann produktiveren Unternehmen zugute. Insolvenzen tragen also dazu bei, eine Volkswirtschaft produktiver zu machen. Andersherum bedeutet das: Zombieunternehmen binden Kapital und Arbeitskräfte. Auf diese Weise hemmen sie das Produktivitätswachstum. DZ-Bank-Chefökonom Bielmeier drückt es so aus: „Rein volkswirtschaftlich betrachtet, geben Banken Kredite an Unternehmen, deren Produktivität nicht groß ist. Besser aufgestellte Unternehmen
kommen dann im Wettbewerb um Kredite und Arbeitskräfte schwerer zum Zuge.“ Gesamtwirtschaftlich sei das ein Problem, denn der Markt arbeite nicht mehr so effizient, wie er es könnte. Ulrich Kater, Chefvolkswirt des Sparkassen-Investmenthauses Deka, wählt einen Vergleich aus dem alltäglichen Leben: „Wenn in der Bundesliga keine Punkte mehr vergeben werden, dann führt das dazu, dass niemand mehr auf- oder absteigt. Und über längere Zeit wird wahrscheinlich die Qualität des Fußballs leiden. Eine ähnliche Wirkung haben die Nullzinsen: Sie verschlechtern die Qualität der Wirtschaft.“ Auf lange Sicht bestehe die Gefahr, dass die Wirtschaft „sklerotisiere“. „Wenn dann wirklich mal die Zinsen steigen, zeigt sich erst, wer alles krank oder gar todkrank ist. Im schlimmsten Fall gehen dann sehr viele Unternehmen auf einmal pleite“, so Kater. Sowohl Bielmeier als auch Bretz und Kater sind beunruhigt über die „Zombifizierung“ der Unternehmenswelt, betonen aber, dass diese in Deutschland noch längst nicht so weit fortgeschritten sei wie anderswo in Europa. Bielmeier sagt: „Aufgrund der guten Situation in Deutschland ist das hier weniger ein Problem als in Ländern wie Italien, Irland oder Portugal. Aber es
„Wenn die Zinsen steigen, sieht man erst, wer alles krank ist.“ Ulrich Kater, Deka-Chefvolkswirt
gibt auch hierzulande sogenannte Grenzanbieter, die gerade noch profitabel sind, es aber bei leicht steigenden Kapitalkosten nicht mehr sein werden.“ Tatsächlich sind die deutschen Firmen relativ robust aufgestellt, was auch an ihrer Finanzierungsstruktur liegt. Deutsche Unternehmen nutzen vor allem mittel- und langfristige Kredite, die ihnen das niedrige Zinsniveau über einen längeren Zeitraum garantieren. Kurzfristige Kredite und Überziehungskredite spielen in Ländern wie Griechenland und Italien eine größere Rolle. Auch die Bundesbank beschwichtigt. In ihrem Monatsbericht vom Dezember 2017 ging sie dem Thema nach. Darin heißt es, dass „die Bedeutung von ZombieFirmen für den untersuchten Unternehmenskreis in Deutschland auf Basis ihres zahlenmäßigen Anteils, ihres Umsatzgewichts sowie ihres Sachanlagenanteils gering ist“. Zudem habe ihr Gewicht im Niedrigzinsumfeld nicht zugenommen. Die Bundesbank kommt auf einen Anteil von 4,7 Prozent Zombie-Unternehmen im Jahr 2015. Der Bankenexperte Markus Krall ist skeptisch: „Was soll die Bundesbank auch anderes zu dem Thema sagen? Sie ist ja eingebunden in die Disziplin der EZB, die das Problem erst geschaffen hat. Hinzu kommt, dass die Bundesbank gar nicht über das Instrumentarium verfügt, um Zombieunternehmen zu identifizieren.“ Volkswirt Krall ist Experte für Risikomanagement im Bankensektor und Autor des Buches „Der Draghi Crash“. Er prophezeit eine Wirtschaftskrise von wahrhaft apokalyptischen Ausmaßen. „Wenn die EZB die Zinswende einleitet, dann werden wir in Europa die größte Rezession seit 1929 erleben.“ Krall und Kater vermuten, dass es auch die Furcht vor einer nachgeholten Pleitewelle ist, die die EZB mit der Zinswende zögern lässt. Kater sagt: „Wenn man weiß, dass es viele Zombie-Unternehmen gibt, könnte das die Notenbank davon abhalten, die Zinsen zu erhöhen.“ Das Problem: „Der Ausstieg wird umso schwerer, je länger die Nullzinsphase anhält.“
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GELD & GESCHÄFT
Nicht nur für Aktionäre schwierige Zeiten Handelskrieg, Brexit, Zinswende – Auch für das kommende Jahr besteht kaum Grund, Entwarnung zu geben VON STEFAN WOLFF OSNABRÜCK. Für die Börse endet
ein goldenes Jahrzehnt. Von seinem Krisentief bei 3666 Punkten ist der Deutsche Aktienindex (Dax) auf über 13 000 Punkte gestiegen. Ein Allzeit-Hoch. Doch dabei ist es nicht geblieben. Wenn die Händler am Jahresschluss ihre Bücher zuklappen, wird der Dax wieder mehr als zehn Prozent verloren haben.
Dabei waren die Börsen mehr als sonst politisch getrieben. „Politik ist heute mehr denn je auf Krawall gebürstet“, sagt Robert Halver, Kapitalmarktstratege der Baader Bank. „Die Marktteilnehmer hatten sich seit der Immobilienkrise daran gewöhnt, dass die Politik schnell zu Lösungen kommt.“ Im Jahr 2018 wurden sie aber ein ums andere Mal enttäuscht. Die Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und seinen direkten Nachbarn Mexiko und Kanada, mit China und mit der EU lagen und liegen in der Schwebe. Die nordamerikanische Freihandelszone Nafta kündigte US-Präsident Trump kurzerhand auf, um danach mit beiden Staaten in Einzelverhandlungen ein neues Handelsbündnis zu schmieden. Die Verhandlungen mit der EU liegen auf Eis. China konnte beim
28. Februar vormerken Die nächste „Die Wirtschaft“ erscheint am Donnerstag, 28. Februar 2019. Anzeigenschluss für diese Ausgabe ist Freitag, 8. Februar 2019. Weitere Informationen finden Sie im Internet unter der Adresse www.noz.de/wirtschaft.
GESCHÄFTSFÜHRER: Joachim Liebler und Axel Gleie CHEFREDAKTION: Ralf Geisenhanslüke (Chefredakteur), Dr. Berthold Hamelmann (Vertreter des Chefredakteurs), Burkhard Ewert (Stellvertretender Chefredakteur) KOORDINATION: Nina Kallmeier AUTOREN DIESER AUSGABE: Marcus Alwes, Lea Becker, Manuel Glasfort, Sebastian Hamel, Berthold Hamelmann, Nina Kallmeier, Christoph Lützenkirchen, Thomas Pertz, Louisa Riepe, Irene Schmidt, Melanie Heike Schmidt, Holger Schulze, Jörg Schürmeyer, Anja Steinbuch, Konstantin Stumpe, Jürgen Wallenhorst, Sabrina Wendt, Stefan Wolff REDAKTION V.i.S.d.P.: Ralf Geisenhanslüke FOTOGRAFEN: Markus Alwes, David Ebener, Sebastian Hamel, Swaantje Hehmann, Detlev Heidelberg, Nina Kallmeier, Christoph Lützenkirchen, Jörn Martens, Thomas Osterfeld, Hermann Pentermann, Thomas Pertz, Moritz Rennecke, Markus Rödeke, Irene Schmidt, Andreas Schwarz, Gert Westdörp, Isabel Winarsch VERLAG: Neue Osnabrücker Zeitung GmbH & Co. KG, Postfach 42 60, 49032 Osnabrück; Breiter Gang 10–16, Große Straße 17–19, 49074 Osnabrück, Telefon 05 41/310-330, Telefax 05 41/310266; Internet: www.diewirtschaft.noz.de; E-Mail: diewirtschaft@noz.de ANZEIGEN-/WERBEVERKAUF: MSO Medien-Service GmbH & Co. KG, Große Straße 17–19, 49074 Osnabrück, Postfach 29 80, 49019 Osnabrück, Telefon 05 41/310-500, Geschäftsführer: Sven Balzer, Sebastian Kmoch (V.i.S.d.P.), Anzeigen-/Werbeverkauf: Sven Balzer, Hubert Bosse, Dirk Riedesel, Wilfried Tillmanns, Marvin Waldrich ANZEIGENANNAHME: Geschäftskunden: Telefon 05 41/310-510, Telefax 05 41/310-790; E-Mail: auftragsservice@mso-medien.de ANZEIGEN-/WERBEVERKAUF für Ausgabe Grafschaft Bentheim: Grafschafter Nachrichten GmbH & Co. KG, Coesfelder Hof 2, 48527 Nordhorn, Telefon 0 59 21/707-410, Verlagsleiter: Matthias Richter (V.i.S.d.P.) ANZEIGENANNAHME für Ausgabe Grafschaft Bentheim: Grafschafter Nachrichten GmbH & Co. KG, Telefon 0 59 21/707-410; E-Mail: gn.media@gn-online.de, Leitung Mediaverkauf: Jens Hartert TECHNISCHE HERSTELLUNG: Druckzentrum Osnabrück, Weiße Breite 4, Osnabrück (Ausgabe Osnabrück/Emsland); Grafschafter Nachrichten, Coesfelder Hof 2, Nordhorn (Ausgabe Grafschaft Bentheim)
jüngst endenden G-20-Gipfel in Argentinien eine Gnadenfrist für weitere Zölle aushandeln. Nach 90 Tagen sollen die Karten neu gemischt werden. Unklarheit herrscht, warum an dieser Stelle der US-Präsident einlenkte. Klar ist aber, dass ihm die eigene Zollpolitik auf die Füße fällt. Höhere Preise für Aluminium und Stahl haben dazu beigetragen, das die Autohersteller Ford und General Motors (GM) auf die Kostenbremse treten. GM wird sogar 15 000 Stellen streichen und bis zu fünf Werke in Nordamerika schließen. Das nicht nur wegen der Zölle wohlgemerkt. GM hat am eigenen Markt vorbeiproduziert und vornehmlich Limousinen anstelle der in den USA geforderten Geländewagen und SUVs geliefert. Das soll sich ebenso ändern wie die Ausrichtung auf den Verbrennungsmotor. GM will in Zukunft dem Elektroantrieb und dem autonomen Fahren den Vorrang geben. Auch eine solche Entwicklung kostet Jobs. Schließlich ist ein Verbrenner weit aufwendiger in der Herstellung als sein elektrisches Pendant. In Europa kämpfen die Hersteller mit den neuen Zulassungskriterien nach dem WLTP-Standard. In der Folge brachen die Zulassungszahlen im Herbst ein. Vor al-
Ein durchwachsenes Börsenjahr geht zu Ende.Auch für 2019 bleiben Unsicherheiten.
lem VW machen die Vorschriften zu schaffen. Dabei kamen die Aktien vergleichsweise glimpflich davon. Die Verluste gestalteten sich im Vergleich zu Daimler und BMW am geringsten. Aktien der Deutschen Bank tragen die rote Laterne. Der Börsenwert des Branchenprimus hat sich 2018 glatt halbiert. Der Grund sind unter anderem Zweifel an der Ertragskraft und eine ungebremste Fortsetzung der Skandalserie. Die Razzia Ende November wegen des Verdachts der Geldwäsche hat
Erwerb: Das Lünener Unternehmen Remondis hat rückwirkend zum 1. Januar 2018 die Klumpe Gruppe aus Werlte im Emsland erworben. Die Übernahme umfasst sämtliche Aktivitäten, Grundstücke und das Anlagevermögen sowie eine auf den Gebäuden in Werlte installierte Fotovoltaikanlage. Mit dem Erwerb des mittelständischen Recyclingunternehmens will Remondis in den nordwestlichen Landkreisen Niedersachsens ihre Aktivitäten sowohl im gewerblichen als auch im DSD-Bereich weiter ausbauen. Übernahme: Die AmazoneGruppe übernimmt zum 1. Januar 2019 die Hacktechnik-Sparte der Maschinenfabrik Schmotzer GmbH aus Bad Windsheim. Mit der Übernahme will das Unternehmen aus Hasbergen als einer der führenden Hersteller von Land- und Kommunalmaschinen sein Produktportfolio um die Hacktechnik erweitern. Beteiligung: Die Assmann Büromöbel GmbH & Co. KG aus Melle übernimmt Firmenanteile der englischen Frem Group Screens Limited mit Sitz in Haverhill, Suffolk in der Nähe von Cambridge. Das Meller Familienunternehmen arbeitet schon seit Jahren mit dem Hersteller für hochwertige Loungemöbelsysteme, Softseatingund Büro-Akustiklösungen zusammen und erweitert sein Produktportfolio im Bereich moderner Arbeitswelten.
zum Ende offenbleiben. Für alle Seiten ist das ein tiefer Verlust. Wenn neben der Deutschen Bank als größtem Verlierer im Dax der Finanzdienstleister Wirecard als größter Gewinner dasteht, ist das eine Zäsur. Wenn der Finanzdienstleister Wirecard kurz zuvor die einst stolze Commerzbank als Dax-Mitglied abgelöst hat, ist das eine Revolution. Wirecard wickelt Zahlungen ab, hält beispielsweise das Mobile-Payment-Verfahren für die Sparkassen bereit, regelt also dort das Zahlen über das Smart-
2G Energy AG für Zukunft gerüstet
Kurz notiert Erweiterung: Das Unternehmen Salt and Pepper Technology hat in Osnabrück ein Kompetenzbüro für die Entwicklung von mechatronischen Systemen aufgebaut. Das Kompetenzteam widmet sich nach Aussage des Unternehmens der ganzheitlichen Betrachtung von Systemen und vereint Know-how aus den Bereichen Elektronik, Mechatronik, System Engineering sowie Software. Aktuell entwickelt das zehnköpfige Team Prototypen für einen großen Automobilzulieferer.
die Papiere auf den tiefsten Stand der Geschichte gesandt. Deutsche Bank unter acht Euro. Das ist verheerend. Tröstlich war in diesem Jahr, dass kein deutsches Bankhaus durch den Stresstest der europäischen Aufsichtsbehörde gefallen ist. Alle würden einen harten Brexit überleben. Das ist freilich ein schwacher Trost, denn die BrexitVerhandlungen waren den Finanzmärkten ein schwerer Mühlstein. Wie Großbritannien den Weg aus der EU finden wird, wird wohl bis
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phone. Die Commerzbank war mal die drittgrößte deutsche Privatbank (hinter der Dresdner) und fand nach Übernahme der Dresdner und nach Teilverstaatlichung nicht mehr zu alter Größe zurück. Und 2019? „Ich erwarte ein gutes Aktienjahr“, sagt Robert Halver, der seinen Optimismus vor allem damit begründet, dass die Zinsen niedrig bleiben dürften. Angesichts des Haushaltsstreits mit Italien ist Halver sicher: „Die EZB betreibt Sozialpolitik.“ Für sehr anstrengend hält die Helaba, die Landesbank Hessen-Thüringen, das Börsenjahr 2019. Deren Chefvolkswirtin Gertrud Traud wähnt die Märkte im Fitness-Studio: „Viele Nationen sind zwar sportlich aktiv, konzentrieren aber ihr Training auf kurzfristige Erfolge“, so Traud, die allen Ländern einen Fitness-Check empfiehlt. Den Dax sieht die Helaba zum Jahresende 2019 bei 13 200 Punkten. Jens Wilhelm, Vorstandsmitglied der Fondsgesellschaft Union Investment, ist da zurückhaltender. Er sieht kaum Platz für steigende Bewertungen. „Kurssteigerungen an den Aktienmärkten müssen gewinnseitig unterfüttert sein“, erklärt Wilhelm. Für einzelne Unternehmen seien durchaus kräftige Gewinne drin. „Wir trauen den Unternehmen ein Gewinnwachstum von rund sechs Prozent zu.“
Wachstum: Die Spedition Többe mit Hauptsitz im emsländischen Meppen hat sich international erweitert und damit ihre Präsenz in Osteuropa erheblich ausgebaut. Im September 2018 eröffnete sie in Riga (Lettland) die TSLV (Többe Schwerlast Latvia) und damit ihre dritte Auslandsniederlassung. Das Unternehmen starte in Lettland mit 24 Sattelzügen, einer eigenen Werkstatt und 30 Mitarbeitern. Verstärkung: Robert Weidmann, langjähriger Geschäftsführer des Inkassokonzerns Tesch aus Gummersbach, ist zur Solvendi GmbH nach Osnabrück gewechselt. Das Führungsteam des Dienstleisters für Payment, Risikound Forderungsmanagement ergänzt der Inkassospezialist seit Oktober dieses Jahres als Leiter des operativen Geschäfts. Hinweis: Zum Jahresende läuft für viele Unternehmen die Frist zur Offenlegung der Jahresabschlüsse für das Geschäftsjahr 2017 ab. Bis dahin sind die Jahresabschlüsse zur Offenlegung bei dem Betreiber des Bundesanzeigers, der Bundesanzeiger Verlag GmbH, elektronisch einzureichen. Darauf weist die IHK Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim hin. Versäumt ein offenlegungspflichtiges Unternehmen die Frist oder reicht es unvollständige Unterlagen ein, leitet das Bundesamt für Justiz von Amts wegen ein Ordnungsgeldverfahren ein. Auszeichnung: Für ihre Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung ist die Harting Technologiegruppe aus Espelkamp von der Rating-Agentur EcoVadis zum dritten Mal in Folge mit dem Goldstatus ausgezeichnet worden. Damit gehört einer der weltweit führenden Anbieter von industrieller Verbindungstechnik für die drei Lebensadern Data, Signal und Power zu den fünf Prozent der Top-Performer ihrer Branche.
Vectron Systems AG kann Abwärtstrend bei Kursen nicht stoppen VON JÜRGEN WALLENHORST
2G Energy AG
Angaben in Euro
OSNABRÜCK. Zwei Unternehmen
aus der Stadt Münster beziehungsweise des Westmünsterlandes stehen diesmal im Fokus dieses Beitrages. Der deutsche Anbieter von Kassensystemen und -software zur Vernetzung von Filialbetrieben, die Vectron Systems AG aus Münster, steht zurzeit massiv unter Druck. Dagegen kann die 2G Energy AG mit Hauptsitz in Heek als Anbieter von Blockheizkraftwerken zur dezentralen Energieversorgung mittels Kraft-Wärme-Kopplung sehr zuversichtlich in die Zukunft blicken.
Ende November musste die Vectron Systems AG für das dritte Quartal beim Absatz von Kassensystemen schwache Zahlen bekannt geben; ein Trend, der auch schon das zweite Quartal 2018 geprägt hatte. Die Folgen: Investoren zogen sich zurück, der Aktienkurs bröckelte. Innerhalb der letzten 18 Monate rutschte der Kurs um 75 Prozent ab. Selbst die Rückkehr von Firmengründer Thomas Stümmler vom Aufsichtsratsposten in den Vorstand beruhigte nicht die Gemüter. Auch die jüngst veröffentlichten Neun-Monats-Zahlen waren schlecht: Die Erlöse knickten um mehr als 24 Prozent auf 19,2 Millionen Euro ein, das Ergebnis drehte von plus 2 Prozent auf minus 2,1 Millionen Euro. Große Hoffnungen knüpft das Unternehmen jetzt an die gesetzlich vorgeschriebene Phase 2 der Fiskalisierung (Datenspeicherung) in den Registrierkassen, die bis 2020 abgeschlossen sein muss und schon in 2019 zu einer deutlich höheren Nachfrage bei Kassensystemen führen soll. Diese digitalen Geschäftsfelder sollen positive Umsatzund Ergebnisbeiträge liefern. Die 2G Energy AG gehört zu den international führenden Herstellern
23,0 22,5 22,0
21,0 20,5 20,0 19,5 19,0
Sept.
Oktober
November
Vectron Systems AG
Dez. Angaben in Euro
18 16 14 12 10 8
Sept.
Oktober
von Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK) zur dezentralen Erzeugung und Versorgung mit Strom und Wärme mittels KWK-Technologie. Das Produktportfolio umfasst Anlagen mit einer elektrischen Leistung zwischen 20 und 4000 Kilowatt (kW) für den Betrieb mit Erdgas, Biogas und anderen Schwachgasen sowie Biomethan. Ende November gab das Unternehmen bekannt, dass in den ersten neun Monaten 2018 die Konzernumsatzerlöse um 18,9 Prozent auf 131,6 Millionen Euro (Vorjahr: 11,1 Millionen) und die Gesamtleistung um 22,1 Prozent auf 156,1 Millionen Euro (Vorjahr: 127,9 Millionen)
November
Dez.
gestiegen sind. Dazu entwickelten sich der Auftragseingang in Deutschland mit einem Plus von 30,8 Prozent sowie die internationalen Märkten mit einem Plus von 18,3 Prozent weiter lebhaft. Zum 30. September 2018 steigerte 2G das Konzern-Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) um 3,5 Millionen Euro auf nunmehr vier Millionen. Aufgrund dieser Zahlen konkretisierte der Unternehmensvorstand die Umsatzprognose 2018 auf 190 bis 210 Millionen Euro und die EBIT-Prognose auf 4,0 bis 5,5 Prozent, für 2019 wird sogar ein Umsatz in Höhe von 200 bis 230 Millionen Euro erwartet.
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Spenden und sparen Gerade zu Weihnachten steigt das Spendenaufkommen von Unternehmen und Privatpersonen – Das muss steuerlich beachtet werden VON SABRINA WENDT OSNABRÜCK. Fast jedes zweite
Unternehmen hat in den vergangenen drei Jahren Geld für wohltätige Zwecke gespendet. Dabei kommen beträchtliche Summen zusammen. Laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung und des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft beläuft sich das Spendenvolumen pro Jahr auf fast zehn Milliarden Euro.
Auch bekannte Unternehmerpersönlichkeiten wie Klaus-Michael Kühne, die Familien Herbert und Harald Quandt, Heinz-Horst Deichmann oder Michael Otto zeigen sich immer wieder großzügig. Wer selbst spenden möchte, muss einige Dinge beachten, damit die gute Tat von der Steuer abgesetzt werden kann. Was Unternehmen und Selbstständige wissen sollten, erklärt Ralf Terheyden, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in Cloppenburg und Oldenburg. Ab wann können Spenden als Ausgaben abgesetzt werden? Laut dem Einkommensteuergesetz (EStG) können Zuwendungen als Spende berücksichtigt werden, wenn sie der Förderung steuerbegünstigter Zwecke dienen. Voraussetzungen sind unter anderem,
dass die Aufwendungen freiwillig beziehungsweise uneigennützig geleistet werden, dass der Spende keine Gegenleistung gegenübersteht und sie nicht in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Leistungen des Spendenempfängers stehen. Wie viel darf maximal als Spende abgesetzt werden? Laut dem EStG können Spenden mit bis zu 20 Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte oder vier Promille der Summe der gesamten Umsätze und der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter berücksichtigt werden. Sind Zuwendungen wegen Überschreitung der Höchstbeträge steuerlich nicht mehr abzugsfähig, sind die übersteigenden Beträge in die nächsten Veranlagungszeiträume vorzutragen. Sie können sich somit in der Zukunft noch auswirken und sind nicht verloren. Sind Spenden Betriebs- oder Sonderausgaben? Sofern es sich bei dem Spender um eine Kapitalgesellschaft handelt, kann die Spende unter bestimmten Voraussetzungen laut dem Körperschaftsteuergesetz (KStG) als Betriebsausgabe abgezogen werden. Handelt es sich bei dem Spender um ein Einzelunter-
nehmen, einen selbstständig Tätigen oder eine Personengesellschaft, können die Spenden nicht als Betriebsausgabe abgesetzt werden. Sie sind allerdings wie bei Privatpersonen als Sonderausgabe in deren persönlicher Einkommensteuererklärung zu berücksichtigen. Welche Angaben muss eine Spendenbescheinigung enthalten? Damit die getätigte Spende steuerlich berücksichtigt werden kann, ist eine amtliche Zuwendungsbestätigung (Spendenbescheinigung) vorzuweisen. Diese muss unter anderem folgende Angaben enthalten: Aussteller der Spendenbescheinigung, Name und Anschrift des Spenders, Datum und Höhe der Spende, Angabe des steuerbegünstigten Zwecks. Sofern es sich um eine Sachspende handelt, sind der genaue Wert sowie die exakte Bezeichnung der Sachspende zu nennen. Kann man Spenden auch ohne Beleg von der Steuer absetzen? Unter bestimmten Voraussetzungen können Spenden auch ohne Zuwendungsbestätigung steuerlich berücksichtigt werden (vereinfachte Zuwendungsnachweise). Dies gilt unter anderem bei Zu-
Milde Gaben Privatspenden in Deutschland in Mrd. Euro
5,19
5 4 3 2 1 2007 2008 2009 2010 1,9
2011
2012 2013
2014
2015 2016
2017
9,2
2,7 3,1 5,4
Spendenzwecke
Humanitäre Hilfe
2017 in Prozent
Tierschutz 77,7
Kultur-/Denkmalpflege Umwelt-/Naturschutz Sport Sonstiges/k.A. Quelle: Statista · Grafik: Matthias Michel
wendungen zur Hilfe in Katastrophenfällen oder bei Zuwendungen, die 200 Euro nicht übersteigen. Hierfür genügt als Nachweis der Spende ein Bareinzahlungsbeleg oder eine Buchungsbestäti-
gung eines Kreditinstituts – etwa ein Kontoauszug. Das ergibt sich aus der Einkommensteuerdurchführungsverordnung (EStDV). Aus der Buchungsbestätigung müssen der Name sowie die Kontonum-
mer oder ein sonstiges Identifizierungsmerkmal des Spenders sowie des Spendenempfängers, der Spendenbetrag, der Buchungstag sowie das Datum der Spende ersichtlich sein. Was gilt, wenn man für Flüchtlinge spenden möchte? Bei Spenden, die im Rahmen der Flüchtlingshilfe auf Sonderkonten der Verbände der Wohlfahrtspflege oder Hilfsorganisationen eingezahlt werden, gilt der vereinfachte Zuwendungsnachweis. Eine betragsmäßige Beschränkung auf 200 Euro gibt es in diesen Fällen nicht. Diese Regelung gilt nach einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums bis Ende dieses Jahres. Wann sind Sachspenden steuerlich absetzbar? Auch Sachspenden sind laut dem EStG abzugsfähig. Hier ist zu beachten, dass in der Zuwendungsbestätigung der Wert sowie die genaue Bezeichnung der Ware (Alter, Zustand, Kaufpreis etc.) ersichtlich sind. Stammt die Spende aus dem Betriebsvermögen, ist sie mit dem Entnahmewert zuzüglich der darauf anfallenden Umsatzsteuer anzusetzen. Das bedeutet, dass auf die Sachspende vom Unternehmer Umsatzsteuer abzuführen ist.
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GELD & GESCHÄFT
GELD & GESCHÄFT hel s Mic tthia : Ma tage Mon .de, rbox olou n: C tratio Illus
Authentisch durch Influencer MyChoco: den Einfluss nutzen
VON LOUISA RIEPE OSNABRÜCK. Als anerkannte Persönlichkeiten werden sogenannte Influencer insbesondere auf Instagram zu beliebten Werbeträgern. Das Unternehmen MyChoco arbeitet deshalb gezielt mit ihnen zusammen, um belgische Schokolade an die kaufkräftige Zielgruppe zu bringen.
So international wie das Unternehmen Amazone sind auch die Posts in Sozialen Netzwerken. Allerdings bekommt Carsten Wochnik Unterstützung der Kollegen vor Ort. Foto: Gert Westdörp
Die Märkte der Welt erreichen Amazone postet in vielen Sprachen
VON LOUISA RIEPE HASBERGEN. In einem global agierenden Unternehmen stehen Social-Media-Manager vor besonderen Herausforderungen: Schließlich wollen verschiedene Märkte in verschiedenen Sprachen bedient werden. Bei Amazone in Hasbergen hat man sich dem gestellt, und die Fangemeinde auf Facebook, Instagram und Youtube wächst stetig.
Ein grüner Traktor zieht eine Egge durch den feuchten Boden, im Hintergrund der dampfende Gipfel eines schneebedeckten Vulkans. Dieses Bild wurde Carsten Wochnik, dem Social-Media-Verantwortlichen bei den Amazone Werken in Hasbergen, von einem Kunden aus Chile zugespielt. Er teilte es bei Instagram mit dem Verweis darauf, dass es sich bei dem Gerät um das Modell Catros handelt, und setzte den Hashtag #AmazoneSagtDanke – das gefällt rund 1600 Nutzern. Carsten Wochnik arbeitet seit gut viereinhalb Jahren beim Landtechnik-Hersteller Amazone. Damals wurde seine Stelle in der Marketing-Abteilung extra ausgeschrieben, um die Präsenz des Unternehmens in den sozialen Netzwerken zu verbessern. Dass Amazone auf Facebook inzwischen 132 000 und auf Instagram etwa 47 000 Fans hat, ist auch Wochniks Verdienst. Fragt man ihn nach seiner Zielgruppe, sagt er: „Die ist zu 90 Prozent männlich, und der Altersschwerpunkt liegt zwischen 15 und 30 Jahren.“ Bei einem Großteil handele es sich um Endkunden, also Landwirte. Das hat Auswirkungen darauf, was Wochnik postet: „Unsere Zielgruppe arbeitet auf dem Feld, sie ist bodenständig und hoch technologisiert. Die erwartet technische Details, man darf aber auch mal Schmutz und Maschinen im Einsatz zur einfachen Unterhaltung zeigen.“ Und das ist wörtlich zu verstehen: Die Bilder, die Wochnik über den Instagram-Kanal des Unternehmens teilt, kommen aus Rumänien, den USA oder eben Chile. Und meist zeigen sie die Landmaschinen im Einsatz auf dem Feld. Auf Facebook sieht das Angebot etwas anders aus, hier teilt Wochnik auch Produktneuheiten, Pressemeldungen oder Bilder von Messebesuchen. Etwa drei Posts pro Woche sollen es sein. Die Inhalte liefern zum Teil die Kollegen aus den unterschiedlichen Abteilungen, Werken und Standorten zu.
Wochnik sorgt für den sprachlichen Feinschliff, hat aber auch ein Auge darauf, dass die technischen Details stimmen. Gleiches gilt für Kundenanfragen, die ihn per Facebook erreichen. Die beantwortet er gerne in Absprache mit seinen Kollegen, denn „viele Sachen kann ich technisch nicht beurteilen“, so der gelernte Multimedia-Assistent. Über mehrere Jahre war er für Handelsunternehmen und Agenturen im Online-Bereich tätig. Wichtig ist ihm deshalb vor allem eins: „Keine Anfrage soll unbeantwortet bleiben.“ Da Amazone ein global agierendes Unternehmen ist, reicht eine deutschsprachige Facebook-Seite allerdings nicht aus. „Wir arbeiten mit Global Pages“, erklärt Carsten Wochnik. Unter einem gemeinsamen Konto gibt es elf Seiten in unterschiedlichen Sprachen für unterschiedliche Märkte. Jede wird von einem Kollegen betreut, der Muttersprachler ist und in dem jeweiligen Amazone-Standort im Ausland sitzt. Das ist wichtig, erklärt Wochnik, nicht nur um die Posts aus Deutschland authentisch in die jeweilige Sprache des Absatzmarktes zu übersetzten. „Zum Teil verkaufen wir in den anderen Ländern auch andere Produkte als hier in Deutschland.“ Deshalb erstellt beispielsweise der Kollege in Russland zusätzlich eigene Inhalte und stimmt sie über einen gemeinsamen Redaktionskalender mit der Zentrale in Deutschland ab. Neben Instagram und Facebook betreut die Marketing-Abteilung von Amazone noch einen Youtube-Kanal mit rund 13 000 Abonnenten. Das Problem der unterschiedlichen Sprachen wird hier über länderspezifische Playlists gelöst. Außerdem pflegt das Unternehmen Präsenzen in den Berufsnetzwerken LinkedIn und Xing sowie bei den Nachrichtendiensten Whatsapp und Snappchat. Allerdings werden die von der Personalabteilung betrieben, mit dem Ziel, neue Mitarbeiter für das Unternehmen zu gewinnen. Egal um welchen Kanal es sich handelt, Carsten Wochnik ist überzeugt: „Wenn man es macht, muss man es richtig machen. Jemand muss sich ständig darum kümmern.“ Sachliche Informationen zu geben und dabei authentisch zu sein und immer auf Augenhöhe mit dem Nutzer zu kommunizieren, das sind seine Ziele. „Ich mache das mit Herzblut“, sagt Wochnik über sich selbst.
Posten wie die Großen Wie Mittelständler und Start-ups die sozialen Netzwerke für ihr Marketing nutzen können
Unternehmen erreichen ihre Kunden über Netzwerke. Werbeanzeigen lassen sich für Zielgruppen steuern. Kleine Unternehmen nutzen die Chancen oft nicht aus. VON LOUISA RIEPE OSNABRÜCK/MEPPEN. Wie können Unternehmen ihre Kunden, Geschäftspartner und potenzielle Mitarbeiter im digitalen Zeitalter auf sich aufmerksam machen und mit ihnen in Kontakt treten? Eine Antwort auf diese Frage finden viele Großkonzerne inzwischen in den sozialen Medien. Aber auch Mittelständler können vom Social Media Marketing profitieren.
Ein Foto von US-Sternchen Kendall Jenner, die sich im knappen Sportdress die Haare zusammenbindet. Darunter die Beschreibung: „Steche heraus und setze ein Zeichen. @KendallJenner trägt unsere Statement Kollektion.“ Ein Klick auf das Bild, und Preisschilder erscheinen an Hose und Schuhen. Wenige weitere Schritte und die Teile liegen im Warenkorb. Dieser Post gefällt auf Instagram über 530 000 Menschen. Für den deutschen Sportartikelhersteller Adidas, der jüngst sein Logistikzentrum im Gewerbepark Rieste fertiggestellt hat, sieht so erfolgreiches Marketing in den sozialen Medien aus. Wie viele Großkonzerne weltweit hat das Unternehmen längst verstanden, dass es potenzielle Kunden auf Instagram, Facebook & Co. besonders effektiv ansprechen kann. Denn es handelt sich um ein Umfeld, in das sich Privatpersonen freiwillig und gerne begeben. Das belegen die Zahlen der aktuellen Studie zu „Informationsund Kommunikationstechnologien in privaten Haushalten“ des Bundesamtes für Statistik. Demnach
sind 56 Prozent der Deutschen privat in einem sozialen Netzwerk aktiv. In der Altersgruppe zwischen 16 und 24 Jahren sind es sogar 89 Prozent, bei den 25- bis 44-Jährigen immerhin 71 Prozent. Laut „Global Web Index“ verbringen Internetnutzer zwischen 16 und 64 Jahren durchschnittlich zwei Stunden und 15 Minuten pro Tag in den sozialen Netzwerken. Noch dazu hinterlassen Nutzer dort Millionen von Daten, die sich auch für gezielte Werbemaßnahmen nutzen lassen: „Wir treffen auf echte Menschen mit Interessen, Wünschen und Leidenschaften. Auf echte soziale Gruppen, die sich um bestimmte Themen, Wünsche oder Hobbys versammeln“, schreibt etwa Tamar Weinberg in ihrem Standardwerk „Social-Media-Marketing: Strategien für Twitter, Facebook & Co“. Der große Vorteil von Werbemaßnahmen in sozialen Medien sei daher nicht die Massenreichweite, sondern die Botschaft bei denjenigen zu platzieren, für die sie wirklich relevant sei und die sich für das Thema interessierten.
Für Adidas beispielsweise dürfte insbesondere eine sportaffine, lifestyleorientierte Zielgruppe relevant sein. Wer dazugehört, ist leicht zu analysieren. Nutzer geben schließlich selbst an, was ihnen gefällt. Instagram etwa bietet Unternehmen auf Basis dieser Daten an, Werbeanzeigen gezielt auszuspielen – nicht nur nach Standort, Alter oder Geschlecht, sondern auch je nachdem, auf welche Werbeanzeigen Nutzer bereits geklickt haben oder welche Seiten und Posts ihnen gefallen. Ganz ähnliche Möglichkeiten gibt es auch bei Facebook. Diese Chancen sind Unternehmen in der Region Osnabrück, dem Emsland und der Grafschaft Bentheim nicht verborgen geblieben. „Soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram, Youtube & Co. sind mittlerweile fester Bestandteil ihrer Marketingstrategie“, sagt Fabian Ettrich, Sprecher der Industrie- und Handelskammer (IHK) OsnabrückEmsland-Grafschaft Bentheim. „Das ist auch daran zu erkennen, dass die Verschiebung der Marketingbudgets bereits seit Jahren in Rich-
tung digitaler Medien in vollem Gange ist“, so der Experte. Insbesondere kleinere Unternehmen könnten sich nach seiner Auffassung aber noch besser aufstellen: „Sie vernachlässigen mit ihren begrenzten Ressourcen den Einsatz
„Soziale Netzwerke sind fester Bestandteil der Strategie im Marketing.“ Fabian Ettrich, IHK OsnabrückEmsland-Grafschaft Bentheim
digitaler Marketingwerkzeuge.“ Das sei eigentlich schade, meint Ettrich, denn gerade im Bereich des digitalen Marketings lasse sich mit wenig Budget viel erreichen. „Gerade für Gründer, kleinere und mittlere Unternehmen bieten wir als IHK regelmäßig Weiterbildungen zu Social Media an.“ Insgesamt nutzten im vergangenen Jahr laut Statistischem Bundesamt 42 Prozent der Unternehmen Social Media. Besonders viele waren es demnach in der Gruppe mit 250 oder mehr Mitarbeitern: Dort gaben 72 Prozent an, diese Medien – insbesondere Facebook und Youtube – für ihre Zwecke zu nutzen. Bei Unternehmen mit zehn bis 40 Mitarbeitern waren es nur 43 Prozent. Als Ziel ihres Engagements gaben 81 Prozent an, damit ihr Unternehmensprofil gestalten oder Produkte darstellen zu wollten. 60 Prozent nutzen soziale Medien, um Personal zu gewinnen. 54 Prozent wollten Kundenanfragen erhalten und beantworten. Neben kostenlosen Posts und Werbeanzeigen nutzen viele Unter-
nehmen auch die Möglichkeit, mit Influencern zusammenzuarbeiten. Diese Persönlichkeiten, die in den sozialen Netzwerken über ein hohes Ansehen und eine große Reichweite verfügen, werben gegen Bezahlung auf ihren eigenen Profilen für die jeweiligen Produkte oder Marken. Bei deren Fans kommt diese Art der Werbung dann oft an wie die Empfehlung einer guten Freundin oder der Tipp eines Experten aus der Szene. So finden sich auch auf dem Instagram-Account von Kendall Jenner Bilder, die sie im Trainingsanzug von Adidas zeigen, in Unterwäsche von Victoria Secret oder in Highheels von Prada. Natürlich darf der Link zur jeweiligen Unternehmensseite nicht fehlen. Jenner erreicht mit ihren Posts mehr als 99 Millionen Abonnenten. Weit mehr als Adidas selbst, dessen Account aber immerhin auch 22 Millionen Nutzer folgen. Ganz neu bei Instagram ist die Shopping-Funktion, die es Unternehmen erlaubt, bis zu fünf Produkte in ihren Posts direkt mit dem Online-Shop zu verknüpfen. So können die Kunden
von Adidas schon heute alle Schritte von der Inspiration bis zum Kauf eines Produktes innerhalb von Instagram erledigen. Welche Strategie sich in Bezug auf die eigene Social Media Präsenz lohnt, unterscheidet sich natürlich je nach Unternehmen und Zielsetzung. „Eine Werbekampagne ist eher bei Facebook gut aufgehoben, weil dort viel mehr Nutzer unterwegs sind als bei Twitter, sich Werbeinhalte großzügiger gestalten lassen und man besser und detaillierter selektieren kann“, sagt Fabian Ettrich von der IHK. Dagegen würden viele Unternehmen inzwischen auch Youtube nutzen, um mit Bildern, Geschichten und vor allem Videos Auszubildende und Fachkräfte zu gewinnen. Aber auch die klassischen Kommunikationskanäle wie Print oder TV-Werbung hätten ihre Daseinsberechtigung nicht verloren. „Den größten Erfolg versprechen transmediale beziehungsweise crossmediale Kampagnen, bei denen digitale mit analogen Kommunikationskanälen verknüpft werden“, so Ettrich.
Inzwischen legen die Mitarbeiter jeder Bestellung ein kleines Kärtchen bei, das die Kunden auffordert, ihren Salat oder Wrap zu fotografieren, in sozialen Netzwerken zu teilen und den Grünen Max zu verlinken. Unter allen Teilnehmern wird eine SalatFlatrate verlost. „Das kostet mich nur ein paar Euro, die Kärtchen drucken zu lassen“, erklärt Meise. Die Investition rechnet sich schnell, wenn nur ein Bruchteil der Kunden teilnimmt. Natürlich geht es auch aufwendiger: Der Grüne Max nutzt die Möglichkeiten der bezahlten Werbung in den sozialen Medien aus und schaltet individualisierte Anzeigen bei Facebook und Instagram. „Man braucht unterschiedlichen Content für verschiedene Zielgruppen“, sagt Meise. Die Vegetarierin müsse anders angesprochen werden als der Fitness-Freak, die Business-Lady oder
eine vierköpfige Familie. Gleichzeitig hat er den Marketing-Mix stetig erweitert: Inzwischen, so schätzt er, werbe der Grüne Max auch zu 30 Prozent offline, über Coupon-Aktionen, Werbebanner oder Messestände. 70 Prozent der Werbung liefen aber immer noch online. Inspirieren lässt sich Meise dazu von anderen Unternehmen aus der ganzen Welt. „Ich bin ein absoluter Social-Media-Mensch“, sagt er über sich selbst. Viel Zeit verbringt er privat, aber natürlich auch beruflich bei Instagram und Facebook, um zu sehen, was bei anderen funktioniert und was nicht. Eine klare Erkenntnis: „Man muss ‚instagramable moments‘ schaffen, Momente, die die Leute gerne teilen.“ Nach diesem Kriterium würden inzwischen ganze Hotelanlagen geplant – warum nicht auch eine Osnabrücker Salatbar?
Geschaffen für Social Media Beim Grünen Max entscheidet das Marketing-P Potenzial über angebotene Produkte VON LOUISA RIEPE OSNABRÜCK. Ein Produkt so zu
kreieren, dass es auf Facebook, Instagram & Co funktioniert – das ist wohl die höchste Stufe des Social-Media-Marketings. Beim Grünen Max wird dieses Konzept praktiziert.
Daumen hoch: Die Strategie der Osnabrücker Salatbar Grüner Max ist auf eine Social-Media-Vermarktung ausgelegt.Die Fäden laufen bei Lukas Meise zusammen. Foto: Swaantjel Hehmann
Ein weißer Tisch, ein tiefer Teller, darauf ein buntes Potpourri aus Avocado, Rucola, Fetakäse und Orangen. Dazu der Satz: „Osnabrück. Bald habt ihr den Salat.“ Und ein Logo: „Grüner Max, Salat- und Sandwichbar.“ Dieser Post erschien am 16. November 2017 auf Instagram – fast ein halbes Jahr bevor das besagte Restaurant in Osnabrück eröffnen sollte. Inzwischen hat sich das Konzept leicht verändert: Bei den Salaten ist es geblieben. Statt Sandwiches gibt es
aber jetzt Wraps. Ein Großteil der Speisen wird von Lieferdiensten zu den Kunden nach Hause gebracht. Nur ein kleiner Teil kommt – besonders in der Mittagszeit – in das Lokal in der Gartlage, das sich der Grüne Max mit der „Burger Biene“ und dem „Café Bärchen“ teilt. Hinter allen drei Konzepten steht die „Next Choice“ Event- und Marketingagentur, die im selben Gebäude nur ein Stockwerk höher sitzt und mit 15 Mitarbeitern neben den Restaurants auch Kunden wie das Alando Palais betreut und den Streetfood Circus vermarktet. Die räumliche Nähe zu der Agentur scheint sich auf die Marketingstrategie des Grünen Max auszuwirken. Denn sie ist ungewöhnlich radikal. „Unser Produkt ist nach dem Ansatz, Social-Media-affin zu sein, kreiert worden“, sagt Lukas Meise. Er ist gemeinsam mit Maximilian Gust Ge-
schäftsführer der Salatbar. Während sich Gust um das Gastronomische kümmert, ist Meise für alles Kaufmännische zuständig – auch für das Marketing. Er meint: Ein Salat sieht gut aus, er lässt sich leicht fotografieren, er passt gut in den Zeitgeist. Deshalb fiel die Wahl bei der Gründung des Unternehmens darauf, gerade dieses Gericht anzubieten. Im Idealfall verbreiten die Kunden nämlich selbst Bilder und Texte über ihr Essen in den sozialen Netzwerken, einfach weil es ihnen gefällt. Hilfreich ist dabei eine gute Gründungsgeschichte. Ein junger Osnabrücker, so die Kurzversion, macht sich auf die Suche nach einer gesunden Alternative und bringt die besten Ideen aus Nairobi und Buenos Aires zurück in seine Heimatstadt. Diese Geschichte allein wäre sicher schon erzählenswert. Aber nur damit ist der
Grüne Max nicht an mehr als 2200 Follower bei Instagram, und rund 1600 Facebook-Likes gekommen. „Wir waren extrem früh dran mit unserem ersten Post“, erinnert sich Meise. Erfolgreich war in dieser Zeit vor allem die Strategie, die Nutzer über den Zeitpunkt und den Ort der Neueröffnung und sogar über den Gastronomen im Unklaren zu lassen. So gab es beispielsweise Aufrufe wie: „Wer ist eigentlich Max?“. „Auf solche Posts haben wir über 1000 Reaktionen bekommen“, erinnert sich Lukas Meise. Außerdem hat er noch vor der Eröffnung eine Handvoll Meinungsmacher aus der Region, sogenannte Mikro-Influencer, zum Testessen ins Restaurant eingeladen, und sie gebeten, über ihre Social-MediaKanäle von dem Besuch zu berichten. Die Strategie, Kunden selbst zu Werbeträgern zu machen, setzt sich fort:
Schokoladiger Kuchen in Tannenbaumform, dekoriert mit Zuckerperlen und Glasur. Darum herum verstreut ein paar Tannenzweige und Strohsterne, und beinahe wie zufällig auch: eine Tafel Zartbitterschokolade der Marke MyChoco aus Osnabrück. Dazu schreibt InstagramNutzerin Marrykotter: „Das Rezept für die Brownie-Tannenbäume mit Zartbitterschokolade von @mychoco.official kriegt ihr natürlich in der Story.“ Dieser Eintrag gefällt mehr als 5600 Menschen. Marrykotter ist eine sogenannte Influencerin. Das heißt, sie veröffentlicht Beiträge zu einem bestimmten Thema und erreicht damit viele Nutzer – in ihrem Fall mehr als 95 000 Abonnenten. Es ist kein Zufall, dass so jemand eine junge SchokoladenMarke in einem Post erwähnt. MyChoco arbeitet intensiv mit Influencern zusammen, um bekannter zu werden. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe: Zum einen liegt es an den Kosten. „Wir sind ein Start-up, wir haben nicht so viel Geld“, sagt Nico Meyer. Er ist für das Marketing zuständig und hat zuvor unter anderem für den Online-Shop About You gearbeitet. Aus dieser Erfahrung weiß er: In den sozialen Medien kann „sehr günstig und sehr zielgerichtet“ geworben werden. Ein Post kostet schließlich nichts. „Außerdem ist unsere Zielgruppe über Social Media besonders gut erreichbar, und zwar deutschlandweit“. Zu den potenziellen Kunden für seine belgische Schokolade gehört nach Meyers Angaben beispielsweise die junge Mutter, um die 30, gelernte Krankenschwester, mit dem ersten eigenen Kind zu Hause – eben „jemand, der sich bewusst ernährt, den Sinn und das Geld für Qualität hat und Wert auf Nachhaltigkeit legt“. Entsprechend eröffnete MyChoco früh, kurz nach der Gründung im Juni 2016, eine Seite auf Facebook. Inzwischen ist Instagram als zweite Plattform dazugekommen. Meyer betrachtet beide Kanäle durchaus unterschiedlich. Die fast 25 000 Fans bei Facebook seien in der Regel 25 Jahre oder älter, schätzt er, und entsprechend kaufkräftig. „Über Facebook können wir gut den Abverkauf triggern.“ Instagram dagegen sei
„nicht so werbelastig, und die Zielgruppe ist jünger, eher so 16 plus.“ In dieses Netzwerk investiert MyChoco besonders viel Geld und Energie, denn „es ist perfekt für unser Brandbuilding“. Also postet Meyer dort vor allem eigene Rezeptideen, Wissenswertes über Schokolade oder auch mal ein Gewinnspiel. Parallel läuft die Zusammenarbeit mit Influencern. „Ganz viele kommen auf uns zu und fragen nach Produktproben“, erklärt Meyer. Darüber hinaus pflegt MyChoco auch feste Kooperationen wie etwa mit Marrykotter. Solche Influencer werden dafür bezahlt, dass sie die Marke in ihren Posts erwähnen. Letztendlich, sagt Meyer, sei das eine moderne Form des Empfehlungsmarketings, nur dass dabei eine – in ihrem Umfeld – anerkannte Persönlichkeit das Produkt bewirbt und mit einem Mal gleich Tausende Interessierte erreicht. Wenn die Zusammenarbeit erfolgreich ist, „können wir sofort messen, wie die Verkäufe in unserem Shop nach einem Post nach oben gehen“, sagt Meyer. Dafür muss er allerdings genau auswählen, mit wem er zusammenarbeitet. „Derjenige muss authentisch sein, wenn er unser Produkt bewirbt, damit seine Community es auch versteht.“ Mit dieser Strategie entspricht er der Philosophie seines Chefs Tobias Zimmer. Der sagt: „Ich bin zu 100 Prozent davon überzeugt, das Marken heute digital aufgebaut werden müssen.“ MyChoco ist das zweite Unternehmen, dass er in Osnabrück auf diese Weise gründet, nachdem er bereits mit dem Coffee-Bike sehr erfolgreich war. Mit MyChoco will Zimmer eine Nische auf dem Schokoladenmarkt füllen, der nach seiner Ansicht „von einigen wenigen großen Playern bestimmt wird, die eine recht eingestaubte Produktpalette haben“. Dem entgegen stellt er mit eine Marke, die seit Ende 2017 mit sieben Sorten deutschlandweit in Supermärkten zu haben ist. Mit den Erlösen unterstützt er auch Hilfsprojekte in Tansania. Dieses Engagement, findet Zimmer, „gehört einfach zu einem jungen Unternehmen dazu.“ Gleichzeitig liefert es auch ein Verkaufsargument. Über Facebook und Instagram informiert MyChoco darüber, was in Tansania passiert. Bilder auf der Innenseite der Ummantelung sollen zudem die Verbindung herstellen zwischen dem Online-Auftritt des Unternehmens und dem Offline-Produkt, der Schokolade. Denselben Effekt sollen Hashtags auf der Verpackung haben. Auf der Sorte Karamell-Meersalz prangt etwa der Schriftzug #karamellschaftlich – und Kunden und Influencer greifen sie in ihren Posts wieder auf.
Eine Marke muss heutzutage digital aufgebaut werden, finden Tobias Zimmer und Nico Meyer.Auf Facebook und Instragram ist das Unternehmen aktiv. Foto: Swaantje Hehmann
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DONNERSTAG, 20. DEZEMBER 2018
GELD & GESCHÄFT
Warten auf den zweiten Frühling Aus dem, was die einen wegwerfen würden, machen andere ein Geschäftsmodell VON SEBASTIAN HAMEL UND THOMAS PERTZ NORDHORN/LINGEN. Wohin mit
der Wohnzimmergarnitur, wenn die Wohnung aufgelöst wird oder etwas Neues her soll? Zum Wegwerfen sind Möbel wie diese oft zu schade. Viele von ihnen werden aufbereitet und wiederverwertet. Ein Modell nicht nur für einen Entrümpler-Betrieb in Nordhorn, sondern auch für Sozialkaufhäuser wie in Lingen. Dort gilt es jedoch auch, Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
„Brauchst du ’nen starken Mann im Haus? Ruf den Dieter und den Klaus“ oder „Mein lieber Schatz, ich kann nicht mehr! Ruf den Klaus und Dieter her!“ – Es sind Sprüche wie diese, die vor gut 30 Jahren einem damals jungen Unternehmen aus Nordhorn rasch zu breiter Bekanntheit verhalfen. Ob Wohnungsauflösung, Entrümpelung oder Gartenarbeit: Wer Hilfe Haus benötigte, war aufgefordert, sich vertrauensvoll an die vielseitig agierenden Helfer zu wenden. Das Profil des Unternehmens hat sich im Laufe der Zeit stetig weiterentwickelt. Aktuell zählen insbesondere ein Möbelhaus samt Trödelmarkt mit Artikeln aus Haushaltsauflösungen, ein Auto-Pfandhaus, ein Anhängerverleih sowie die Vermietung von Einlagerungsboxen für Möbel zum Angebot. Der Slogan „Dieter und Klaus“ hat sich nachhaltig etabliert – obwohl schon fast die gesamte Zeit allein Klaus Poesze den Betrieb verkörpert. Aber der Reihe nach: Poesze, nunmehr 67 Jahre alt, ist eigentlich gelernter Metzger. Jahrelang war er für einen großen Schlachthof im niederländischen Hengelo tätig. Dort traf er auch auf seinen späteren Unternehmenspartner Dieter, der ursprünglich im Gartenund Landschaftsbau gearbeitet hatte und nun in der Fleischindustrie anheuerte. Auf dem Resthof von Poesze in Nordhorn entstand dann Ende der 1980er-Jahre – inspiriert durch einen Nordhorner Unternehmer, der ebenfalls durch Aushilfsarbeiten sein Geld verdiente – die neue Geschäftsidee: „Was der kann, kann ich auch“, sagte sich seinerzeit Klaus Poesze. Als „Jungs für alle Fälle“ gingen die beiden Firmengründer an den Start. „Wir hatten kein Programm und wussten auch nicht genau, was die Leute wollten“, erinnert sich Poesze. „Aber wir dachten uns: Es gibt genug, die Hilfe brauchen.“ Zu einer Zeit, als noch viele Arbeiter in der Nordhorner Textilindustrie tätig waren, sei das Vorhaben auch belächelt worden. Tatsächlich ging ein halbes Jahr ins Land, bis der erste Kundenauftrag kam. Aufgrund der Erfahrung des Firmenpartners im Gartenbau bestanden die ersten Tätigkeiten großteils aus Baumfällarbeiten. Nach sechs Monaten genügte es dem Co-Unter-
Obs Sofa, Tisch, Stühle oder Lampen, das Kaufhaus von Klaus Poesze besteht aus Zweite-Wahl-Möbeln,die auf einen neuen Besitzer warten.
nehmer: Schließlich hatte er ja bewusst der Gartenbranche den Rücken gekehrt – und so verließ er den noch jungen Betrieb. Klaus machte ohne Dieter weiter, bis heute hat er zu keinem Zeitpunkt mehr als zwei Mitarbeiter fest angestellt. „Ich wollte nie wieder viele Menschen um mich herum haben“, sagt er mit Blick auf die früheren Zeiten im Fleischerei-Großbetrieb. So habe er „mit wenig Leuten viel Spaß an der Arbeit“ – und manchen Konkurrenten überlebt. Klaus Poesze wickelte Umzüge ab, baute Gartenzäune aus dem Holz gefällter Bäume. Auch in manche Messie-Wohnung musste er. Noch gut hat er einen Fall vor Augen, der rund zwei Jahre zurückliegt. „Beim Öffnen der Tür sah man erst einmal nur eine schwarze Wand aus dicken Fliegen“, beschreibt er seine Eindrücke. „Das war auch das erste Mal, dass ich den Müll nicht in meinem Hänger abtransportiert, sondern direkt in einen Container geworfen habe.“ Nachdem in den ersten zehn Jahren der Resthof als Firmensitz und Lager genügte, stieg er in den Verkauf von Zweite-Wahl-Möbeln ein und mietete weitere Räumlichkeiten an. 2002 kaufte er die Halle in der Blanke: Nicht nur richtete er in dem Gebäudekomplex Wohnräume ein, die er zwei Jahre später zusammen mit seiner Frau Jutta bezog, auch baute er das Lager zu einem Laden um. Inzwischen besteht das Inventar des Kaufhauses nahezu ausschließlich aus Artikeln, die nach Haushaltsauflösungen in Poeszes Besitz übergingen und nun auf einen zweiten Frühling hoffen. Das Spektrum reicht von Büchern und
Schallplatten über Gemälde, Vasen und sonstige Dekorationsgegenstände bis zu Möbeln aller Art. Letztmalig geht in diesem Jahr der „Weihnachtsmarkt“ mit Pyramiden und Co. vonstatten. Als Verkäuferin und „gute Seele“ im Haus ist seit 14 Jahren Christel Lamm tätig. Viele der früheren Arbeiten, wie Umzüge und Transporte, hat der Firmengründer mittlerweile an seinen ehemaligen Angestellten Michael Görges „abgegeben“, der ein eigenes Unternehmen führt und bei Aufträgen mit schweren Teilen gelegentlich als Subunternehmer engagiert wird – Poeszes Rücken spielt nicht mehr so mit wie früher. Bis heute ist er seinem Prinzip treu geblieben, trotz Selbstständigkeit an keinen Samstagen oder Sonntagen zu arbeiten. Das Geld sollte reichen, um gelegentlich einmal essen zu gehen oder Urlaub zu machen. „Richtig reich wollte ich niemals sein“, sagt er überzeugt. Dennoch: In puncto Reichtum habe stets eine Hoffnung bestanden, die sich bislang nicht erfüllt hat, wie Klaus Poesze augenzwinkernd erzählt: Zur Zeit seiner Firmengründung hatte er in einer TV-Serie gesehen, wie ein Entrümpler auf eine wertvolle Briefmarke stieß, die ihn zum Millionär machte: „Diese Briefmarke habe ich nie gefunden.“ Auch beim sozialen Wirtschaftsbetrieb „Reholand“ in Lingen ging es nie ums große Geld. Rosi Wismer nimmt die kleine Weihnachtsfigur in die Hand und stellt sie auf den Glastisch zu den anderen Weihnachtsartikeln. Alles ist liebevoll dekoriert. Darauf legen Wismer und ihre Kolleginnen Susanne Golling, Irina Fleer und Andrea Kock viel Wert. Die meisten Gegen-
stände im Sozialen Kaufhaus des gemeinnützigen sozialen Wirtschaftsbetriebes „Reholand“ sind nicht neu. Sie hatten schon einen Besitzer und „warten“ nun auf den nächsten. Ständig kommt neue Ware, aus Haushaltsauflösungen oder Spenden. Das Sortiment verändert sich oft täglich. Für die Besucher besteht genau darin – neben dem Feilschen um den Preis wie auf dem Trödelmarkt – der besondere Reiz. Und für Menschen mit schmalem Geldbeutel ist es die Möglichkeit, kostengünstig einzukaufen. Die Kundschaft ist bunt gemischt. „Von Dr. Sowieso bis Lieschen Müller von nebenan“, bringt es Rosi Wismer auf den Punkt.
Die Kundschaft ist bunt gemischt, von Dr. Sowieso bis Lieschen Müller von nebenan.“ Verkäuferin Rosi Wismer
Foto: Sebastian Hamel
„Reholand“ steht für Recycling, Holzverarbeitung und Landschaftspflege. Gesellschafter des Betriebes sind der SKM Lingen mit 74 und die Stadt Lingen mit 26 Prozent. Die Wiederverwertung von Gegenständen durch deren Verkauf zum kleinen Preis ist ein wichtiges Ziel – ob es nun die kleine Weihnachtsfigur ist, oder vor allem Hausrat, vom Essensgeschirr bis zur Kaffeemaschine, Elektronisches und Schmuck, Bücher aus der Leseecke, die Bekleidung im ersten Stock oder die noch gut erhaltene Couch im Möbellager gegenüber dem Sozialen Kaufhaus. Wieso soll Omas Ohrensessel in der Müllpresse landen, wenn er doch anderswo noch zum Schmökern einladen kann? Der Recyclinggedanken ist aber nicht der dominierende Zweck des sozialen Wirtschaftsbetriebs, wie Geschäftsführer Alfons Hennkes betont. „Er besteht in der Verknüpfung von Wiederverwertung und Arbeitsmarktförderung.“ „Ressourcen“ erkennen gilt bei Reholand nämlich nicht nur durch die Verwertung von Haushaltswaren, Textilien und Möbeln, sondern in besonderem Maße im Bezug auf personelle Ressourcen. Intention ist die Integration von Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten und Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt. Dies geschieht durch gezielte Betreuung und Qualifizierung. Der Erlös aus dem Verkauf im Sozialen Kaufhaus und im Möbellager, wo Ulrich Leugers und Georg Albers die Verantwortung haben, sichert gleichzeitig deren Arbeitsplätze. So auch den von Rosi Wismer. Seit zehn Jahren arbeitet die 61Jährige im Sozialen Kaufhaus. „Ich
Im Sozialen Kaufhaus Reholand (links) zählt nicht nur der Recycling-Gedanke, sondern auch das Team. Und auf die Dekoration legen Rosi Wimmer, Susanne Golling, Irina Fleer und Andrea Kock viel wert. Klaus Poesze (rechts) hat sein Unternehmen mit flotten Sprüchen wie auf dem Anhänger bekannt gemacht.Den Weihnachtsmarkt wird es bei ihm in diesem Jahr allerdings zum letzten Mal geben. Fotos: Thomas Pertz/Sebastian Hamel (2)
war 50, hatte vorher nur Nebenjobs und gesundheitliche Probleme“, blickt sie zurück. Mit Unterstützung der Agentur für Arbeit kamen der Kontakt zu Reholand und das Beschäftigungsverhältnis zustande. Das Verkaufen und Arrangieren der Artikel, die Arbeit im Team, das alles bereite ihr viel Freude, betont die Lingenerin. Mitunter ist es ein sehr junges Team, denn Rosi Wismer hat außerdem eine sonderpädagogische Zusatzausbildung absolviert, die sie befähigt, Jugendliche bei berufsvorbereitenden Maßnahmen zu begleiten. Pünktlich sein, zuverlässig eine begonnene Arbeit auch zu Ende machen: Unter den mitunter auch mal streng schauenden Blicken der „Reholänder“ im Kaufhaus lernen Jugendliche das Einmaleins der Ausbildungsreife. Ein Stück Lebensertüchtigung und Alltagsbewältigung inklusive. Auch Ulrich Leugers und Georg Albers, die im Möbellager arbeiten, haben diese Zusatzausbildung in der Tasche. Hier geht es nicht um Möbelpacken, sondern darum, das Berufsleben als solches zu „packen“. Reholand ist nämlich auch ein Ausbildungsbetrieb, zum Beispiel im Bereich Lager. Albers und Leugers haben hier die Verantwortung auch für junge Menschen in berufsvorbereitenden Maßnahmen. Fördern und Fordern heißt die Devise. Und was läuft gar nicht im Möbellager? „Eiche rustikal, auch wenn der Schrank wie aus dem Ei gepellt ist“, lacht Albers. Alfons Hennekes ist ein positiv denkender Mensch. Sonst könnte er diese Arbeit als Geschäftsführer bei Reholand nicht machen. Denn natürlich gibt es auch Rückschläge beim Versuch, Wiederverwertung und Müllvermeidung mit der Teilhabe von Menschen an der Arbeitswelt zu kombinieren. Insgesamt sei dieser im Jahr 2000 eingeschlagene Weg aber erfolgreich gewesen, da zusätzliche sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entstanden seien, sagt er. Weitere könnten im nächsten Jahr folgen. Konkret geht es um die Schaffung neuer Teilhabechancen für Langzeitarbeitslose auf dem allgemeinen und sozialen Arbeitsmarkt, die die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat. Hennekes und die „Reholänder“ im Sozialen Kaufhaus und Möbellager sind bereit.
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GELD & GESCHÄFT
Sind Dividenden der neue Zins? Mancher Konzern erfreut seine Aktionäre mit einer ansehnlichen Gewinnbeteiligung – für Langzeitanleger ein lohnendes Geschäft VON MANUEL GLASFORT OSNABRÜCK. „Dividenden sind
der neue Zins“ – mit dieser Parole versuchen Experten seit Jahren, die aktienscheuen Deutschen weg von Sparbuch und Lebensversicherung und hin zu Aktien und Fonds zu bewegen. Eine gute Strategie für Sparer?
Zwei Schlagzeilen aus dem zurückliegenden Jahr: „Geldregen für Anleger: Dax-Firmen zahlen Rekorddividenden“, und „Zinsen bleiben für Jahrzehnte im Keller“. Letztere Überschrift stammt vom Dezember dieses Jahres und bezieht sich auf eine Prognose des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW). Demnach werden die Zinsen noch sehr lange niedrig bleiben, selbst wenn die Europäische Zentralbank (EZB) in den kommenden Jahren die Leitzinsen anheben sollte. Fest steht: Wer sein Geld heute auf Giro-, Tagesgeld- oder Festgeldkonten liegen hat, muss nicht nur auf eine Rendite verzichten. Vielmehr knabbert die Inflation beständig am Vermögen. Wie verlockend sind da die DaxSchwergewichte Allianz, BASF oder BMW, die ihren Aktionären eine Dividendenrendite von mehr als fünf Prozent bieten? Nach Abzug der Inflationsrate von zuletzt 2,5 Prozent bleibt immer noch eine
Das Auf und Ab der Kurse hält viele Deutsche von der Börse fern.Dabei lassen sich hier gute Renditen erzielen.
kleine Rendite übrig – rein theoretisch zumindest. Denn wie viel Geld man an einer Aktie verdient oder ob man sogar Geld verliert, hängt von zwei Faktoren ab: der Dividende und dem Kurs. Die Dividende ist die Gewinnbeteiligung, die meist einmal jährlich ausgeschüttet wird, während der Kurs den Preis der Aktie bezeichnet. Wichtig ist: Sowohl die Dividende als auch der Kurs schwanken. Während Unternehmen – und besonders die sogenannten Dividendenaristokraten – bemüht sind, die Dividenden von Jahr zu Jahr zu steigern oder zumindest stabil zu halten, kann die Gewinnbeteili-
gung in schlechten Jahren auch mal ganz gestrichen werden. Und selbst wenn ein Unternehmen wie der Chemieriese BASF die Dividende seit 2009 kontinuierlich erhöht hat: Kursrückgänge können Anlegern schnell einen Strich durch die Rechnung machen. Der Ludwigshafener Konzern etwa hat in den jüngsten Börsenturbulenzen bis zu 40 Prozent verloren. Wer sein Geld vom Sparkonto in Aktien umschichten will, muss die Unterschiede kennen. Ulrich Kater, Chefvolkswirt des Sparkassen-Wertpapierhauses Deka, betont: „Das Zinssparen ist ein anderes Sparen als das Aktiensparen. Das eine ist
Foto: dpa/Arne Dedert
eher kurzfristig, das andere langfristig. Insofern ist das eine kein Ersatz für das andere.“ Will heißen: Wer etwa auf ein neues Auto spart, die Badrenovierung oder den nächsten Urlaub, für den sind dividendenstarke Aktien oder Fonds nicht das Mittel der Wahl. „Aber auf der Langstrecke – ab einem Anlagehorizont von zehn Jahren – haben Zinsprodukte nichts verloren. Denn da ist die Aktie das überlegene Instrument“, ist Kater überzeugt. Das sogenannte Renditedreieck des Deutschen Aktieninstituts (DAI) gibt ihm recht: Selbst wer zum ungünstigsten Zeitpunkt – etwa vor dem Ausbruch der Finanzkrise 2007
– breit gestreut in den Dax investierte, hatte die Verluste bereits zwei Jahre später ausgesessen. Investiert jemand Monat für Monat einen festen Betrag in Dax-Titel, so kann er laut DAI innerhalb von 20 Jahren eine durchschnittliche Rendite von 9 Prozent einkalkulieren. Selbst in Hochzinsphasen bieten Sparbuch, Tagesgeld oder Festgeld nicht derart gute Renditen. Wer sich auf das Wagnis Börse einlassen will und dabei auf eine Dividendenstrategie setzt, hat mehrere Möglichkeiten. Der Anleger kann entweder sein Geld auf einzelne Unternehmen verteilen, die durch beständige und großzügige Dividendenzahlungen auffallen. Allerdings muss er sich dafür ein gewisses Grundwissen anlesen und auch schon mal die Geschäftszahlen der Unternehmen studieren. „Wer in Einzeltitel reingeht, muss ein bisschen Zeit mitbringen“, sagt Kater und warnt: „Blind nach der aktuellen Dividendenrendite zuzugreifen ist nicht der Weisheit letzter Schluss.“ DAI-Kapitalmarktexperte Gerrit Fey rät Anlegern, die sich ein Portfolio zusammenstellen wollen: „Da gelten die Grundregeln der Aktienanlage: streuen, streuen, streuen. Der Anleger sollte Aktien aus verschiedenen Branchen im Depot haben und aus verschiedenen Weltregionen.“ Auch Fey empfiehlt einen
Anlagehorizont von mindestens zehn Jahren. Wichtig ist auch: Eine hohe Gewinnbeteiligung ist kein Garant dafür, dass das Unternehmen gut aufgestellt ist. Manche Konzerne zahlen hohe Dividenden, um die Aktionäre bei sinkenden Kursen bei der Stange zu halten. Ohnehin gilt: Fallen die Kurse, steigt die Dividendenrendite – ein simpler mathematischer Effekt. Was aber, wenn der Kurs aus gutem Grund fällt? Dennoch gilt der Fokus auf dividendenstarke Titel als konservative Anlagestrategie, die laufende Erträge abwirft. Sie zahlt sich allerdings nur dann aus, wenn der Anleger Kursrücksetzer aussitzt – oder sogar nutzt, um günstig nachzukaufen. Wem all das zu viel Aufwand ist, dem bieten Fonds eine Alternative. Börsengehandelte Indexfonds, sogenannte ETFs, werden zunehmend populär. Anders als aktiv gemanagte Fonds bilden sie einfach einen Index nach, kommen ohne teure Fondsmanager aus und sind im Ergebnis deutlich kostengünstiger für den Anleger. Etliche dieser ETFs fokussieren sich explizit auf dividendenstarke Unternehmen. Allerdings hat eine Untersuchung der Quirin Privatbank im Frühjahr 2018 ergeben, dass die Wertentwicklung dieser speziellen Dividenden-ETFs der Entwicklung des Gesamtmarktes hinterherhinkt.
„Das perfekte Match: Gute Idee trifft auf gute Beratung.“ Philipp Tippkemper, Gründer Tennis-Point und Genossenschaftsmitglied
Jeder Mensch hat etwas, das ihn antreibt. Wir machen den Weg frei. Unsere Genossenschaftliche Beratung ist die Finanzberatung, die erst zuhört und dann berät. Denn je mehr wir von Ihnen wissen, desto ehrlicher, kompetenter und glaubwürdiger können wir Sie beraten. Probieren Sie es aus und nutzen auch Sie unsere Genossenschaftliche Beratung für Ihre unternehmerischen Pläne und Vorhaben. Mehr Informationen auf vr.de/weser-ems Wir machen den Weg frei. Gemeinsam mit den Spezialisten der Genossenschaftlichen FinanzGruppe Volksbanken Raiffeisenbanken:Bausparkasse Schwäbisch Hall, Union Investment, R+V Versicherung, easyCredit, DZ BANK, DZ PRIVATBANK, VR Smart Finanz, MünchenerHyp, DZ HYP.
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DONNERSTAG, 20. DEZEMBER 2018
GELD & GESCHÄFT
Das sind die umsatzstärksten Firmen im Nordwesten
Nach Umsatz 2017 in Mio. Euro* Energie, Versorgung Ernährung, Genussmittel Automobil und Zulieferer sonstiges verarbeitendes Gewerbe
36. Coppenrath & Wiese Osnabrück 2003 35. Paracelsus-Kliniken Osnabrück 3817 389 34. Sonae Arauco (ehem. Glunz) 418 Meppen 1378 421 33. Stadtwerke OS Osnabrück 719 422 32. Amazone Hasbergen 1850 31. Bunte Papenburg 1318 30. Gebr. Stolle Visbek 340 29. Q1 Energie Osnabrück 233 28. Piepenbrock Osnabrück 26 631
Dienstleistungen, Handel
8251
sonstige Branchen
1. EWE Oldenburg 9134
Beschäftigte
4876 2. Enercon Aurich 682
3227 3. Hellmann Osnabrück 10907
457
458 2479
464 Nordenham
Aurich
523
4. PHW-Gruppe Visbek 6876
1972 5. GMH Holding Georgsmarienhütte 7164
552 Leer
27. Cewe Oldenburg 3596
Wiefelstede
599 Oldenburg
26. Emsland-Stärke Emlichheim 1266
604
25. Homann Feinkost Dissen 2706
648
1896 6. Krone Spelle 4399
Papenburg Dörpen
Haren-Altenberge 24. Danish Crown Essen (Oldb.) 416
662
1876 7. KME Osnabrück 3792
Visbek Cappeln
Meppen
Vechta
Essen
Emlichheim
1700 8. WM SE Osnabrück 6700
737
23. Röchling Engineering Plastics Haren-Altenberge 3500
Damme 740
21. Nordland Dörpen 1357
Spelle 740
21. Sprehe Cappeln 2181
9. Bünting Leer 3392
1650
Salzbergen Osnabrück 748
Hasbergen
20. Felix Schoeller Osnabrück 2230
Bad Rothenfelde
760
19. Premium Aerotec Nordenham 3125
1372
Georgsmarienhütte Dissen 1180
829
1165
890
18. Boge Damme 3910 17. Molkerei Ammerland Wiefelstede 455
895 16. Big Dutchmann Vechta 3268
1025
15. H&R Salzbergen 1692
1100
1080
14. Rothkötter-Gruppe Meppen 2630
10. heristo Bad Rothenfelde 2894
11. Köster Osnabrück 1750
12. Wernsing Essen (Oldb.) 3850 13. Wellergruppe Osnabrück 2300 * nach Firmensitz, z. T. Geschäftsjahre, ohne Versicherungen und Banken; Quelle: Nord/LB
Die größten Unternehmen … nach Umsatz 2017
… in Niedersachsen in Mrd. € VW Wolfsburg Continental Hannover Tui Hannover
… in Deutschland in Mrd. € 230,7
44,0 18,5
VW Wolfsburg
230,7
Daimler Stuttgart BMW München
Salzgitter AG Salzgitter 9,0
Siemens München
EWE Oldenburg 8,3
… in Europa in Mrd. $ 164,3
98,7
… weltweit in Mrd. $
Royal Dutch Shell GBR
311,9
VW GER
260,0
BP GBR
244,6
Walmart USA
500,3
State Grid CHN
348,9
Sinopec CHN
327,0
CNPC CHN
326,0
83,0
Glencore SUI
Bosch Gerlingen
78,1
Daimler GER
Agravis Hannover 6,4
Dt. Telekom Bonn
74,9
Exor ITA
161,7
Toyota JPN
265,2
Hagebau Soltau 5,9
Uniper Düsseldorf
72,2
Total FRA
149,1
VW GER
260,0
Rossmann Burgwedel 5,8
BASF Ludwigshafen
64,5
BMW GER
Dt. Milchkontor Zeven 5,8
Deutsche Post Bonn
60,4
Siemens GER
Enercon Aurich 4,9
Audi Ingolstadt
60,1
Carrefour FRA
1
205,5 185,2
Royal Dutch Shell GBR
311,9
BP GBR
244,6
91,6
Exxon Mobil USA
244,4
91,3
Berkshire Hath. USA
242,1
111,2
1) und Berlin; Quelle: Nord/LB, Boerse.de, Statista
DONNERSTAG, 20. DEZEMBER 2018
LEBEN & LEIDENSCHAFT
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Wenn Fans die Bücher mitbestimmen Streamingdienste setzten die Buchbranche unter Druck – Der Knaur-Verlag kontert mit einem Projekt speziell für Serienfans
Enorm: Die Hälfte der 14- bis 29-Jährigen nutzt Streamingdienste. Eklatant: Die Zahl der Menschen, die Bücher kauft, sinkt stetig. Ehrgeizig: Bücher, die wie Serien aufgebaut sind, sollen Leser locken. VON MELANIE HEIKE SCHMIDT OSNABRÜCK. Eigentlich geht es
der Buchbranche gar nicht so schlecht, die Umsätze sind seit Jahren fast stabil. Doch diejenigen, die Bücher kaufen, werden immer älter, zugleich gucken immer mehr Menschen lieber Serien im TV als zwischen zwei Buchdeckel. Mit einem neuen Projekt versucht der Knaur-Verlag, Serienjunkies zurückzugewinnen. Ob das klappt?
Bestseller-Autor Markus Heitz ist Saarländer, aber in Niedersachsen wahrlich kein Unbekannter: Rund 2500 Fans des Schriftstellers versammeln sich Jahr für Jahr im August in Hildesheim in einem zum Lesesaal umfunktionierten Flugzeughangar, um Heitz’ Lesung aus seinem neuesten Roman zu folgen. Es wird gelauscht, gelacht, gejubelt. Dieses Event zum Auftakt des Musikfestivals „M’era Luna“ ist ein Renner geworden, aus ein paar Dutzend Zuhörern wurden erst Hunderte, dann Tausende. Den Menschen geht die Leidenschaft für gedruckte Bücher verloren? Davon ist hier nichts zu spüren. Heitz, der bisher rund 50 Romane veröffentlicht hat und angesichts von mehr als fünf Millionen verkauften Exemplaren als erfolgreichster Fantasy-Autor im deutschsprachigen Raum gilt, scheint mit seinen papierenen Werken keine Absatzprobleme zu haben. Dennoch blickt die Buchbranche mit Sorge in die Zukunft, denn die Leserschaft wandert ab hin zu digitalen Freizeitvergnügungen. Kein Wunder, dass der Knaur-Verlag auf seinen Bestseller-Spezialisten Heitz setzt, um in der Belletristik-Sparte Neues zu wagen. Der Verlag, als Droemer Knaur Gruppe 2017 mit 57 Millionen Euro Umsatz auf Rang acht der deutschen Publikumsverlage gelistet, will nichts weniger, als mit einem Buchprojekt TV-Serienfans runter vom Sofa und (zurück) in die Buchläden locken. Bücher, die mit TV-Serien mithalten können? Klingt ambitioniert. „Dem Knaur-Verlag und mir ging es darum, die Gewohnheiten aufzubrechen und dem Buch einen frischen Kick zu geben, um an TV und Games verlorene Leser zurückzuholen oder erloschene Lesebegeisterung anzufachen“, erklärt Heitz sein Buchprojekt „Doors“, das seit Oktober auf dem Markt ist. Eine kostenlos verfügbare Pilotfolge – erhältlich als gedrucktes Büchlein oder als digitale Version – führt die „Doors“-Protagonisten bei ihrer Suche nach einer vermissten Person vor drei Türen (englisch: „doors“), hinter denen jeweils eine andere in sich geschlossene Weitererzählung lauert.
„Die Leserschaft hat die Auswahl zwischen Tür 1, Tür 2 und Tür 3, um diesen Cliffhanger weiterzuführen“, so Heitz. Das Prinzip ist dem von TV-Serien nicht unähnlich: Die Pilotfolge fungiert als Appetithappen, sie endet mit einem Cliffhanger, der zum Weiterschauen beziehungsweise in diesem Fall zum Weiterlesen animiert. Bei „Doors“ gibt es sogar einen dreifachen Leseanreiz, da die Leser aus drei Romanen wählen können. „Der Ansatz war, das Medium Buch anders und neuer herauszubringen, Verblüffung zu erzeugen“, erklärt Heitz. Es ist ein Projekt, mit dem Knaur der digitalen Konkurrenz ein Schnippchen schlagen will. Die ist stark geworden. Waren es anfangs Radio und die ersten Fernsehsender, die gemeinsam mit dem Buch um Aufmerksamkeit buhlten, verdrängt heute das Smartphone althergebrachte Medien mit einem Wisch: Facebook, Instagram und Twitter sind die modernen medialen Unterhaltungsplattformen, hinzukommen allgemeines Surfen im Internet und natürlich Shoppen, ebenfalls online. Verbrachten die Deutschen
im Jahr 2000 gerade mal 17 Minuten am Tag im Internet, sind sie im Jahr 2018 im Schnitt 196 Minuten online. Gut drei Stunden jeden Tag – Stunden, in denen sie kein Buch lesen. Zahlen belegen den Trend: Laut Leserbefragungen nahmen 2013 noch 38 Prozent täglich oder mehrmals pro Woche ein Buch zur Hand. 2017 ist die Zahl auf 32 Prozent (Frauen) und 25 Prozent (Männer) gesunken. Dabei ist das Buch immer noch Objekt der Sehnsucht, verspricht es doch einen Ruhepol im oft als hektisch und stressig empfundenen Alltag. Doch zum Lesen fehlen Zeit und Muße, ein Punkt, der in Umfragen regelmäßig bedauert wird. Zugleich lockt die digitale Welt, immer und überall verfügbar. Gerade Jüngere legen Tablet oder Smartphone nur zögerlich zur Seite und vielfach auch nur, um den ebenfalls smarten Fernseher anzuschalten. Streamingdienste wie Netflix und Co. liefern den Stoff, aus dem die aktuellen Konsumententräume sind: spannende Serien, rund um die Uhr abrufbar, gerne staffelwei-
se am Stück. Vor allem Jüngere streamen, was das Zeug hält: Fast die Hälfte der 14- bis 29-Jährigen (45 Prozent) nutzen Streamingdienste jede Woche, bei den 30bis 49-Jährigen ist es ein Drittel (33 Prozent), Tendenz: steigend. Pro Monat flimmern im Schnitt 5,3 Spielfilme und beachtliche 20,1 Serienfolgen über die Bildschirme. „Serien erfüllen viele Bedürfnisse, die früher Bücher erfüllten“, resümiert der Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Die Gründe liegen auf der Hand: Serien sind leicht und flexibel konsumierbar. Und man kann nebenbei anderes tun, etwa im Netz surfen und sich über das Gesehene austauschen, denn Serien sind voll im Trend. Wie dramatisch die Folgen dieser Entwicklung für das gedruckte Buch sind, hat eine vom Börsenverein bei der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Auftrag gegebene Langzeitstudie ans Licht gebracht: „Von 2012 bis 2016 gingen dem Buchhandel [...] 6,1 Millionen Buchkäufer verloren. Die Käuferreichweite – der Anteil der Bevölkerung, der Bücher kauft – sank von 54,5 Prozent
im Jahr 2012 auf 45,6 Prozent im Jahr 2016, also um knapp neun Prozentpunkte“, heißt es da. Interessant ist, dass der Umsatz der Branche trotz der Schwierigkeiten über Jahre gerechnet nahezu stagniert. 2017 wurden unterm Strich 9,1 Milliarden Euro umgesetzt, ein moderater Rückgang von 1,6 Prozent. Massiv geschrumpft indes ist die Zahl der Käufer, und zwar von 36 Millionen im Jahr
„Es ging darum, Gewohnheiten aufzubrechen, zu verblüffen.“ Schriftsteller Markus Heitz
2013 auf nur noch 29,6 Millionen in 2017 (minus 17,8 Prozent). Dass der Umsatz trotz sinkender Käuferzahlen nicht rapide fällt, liegt an einem speziellen Phänomen: Die Zahl der Bücher, die gekauft werden, nimmt pro Käufer zu. Anders ausgedrückt: Immer weniger Menschen kaufen immer mehr Bücher, vor allem die Generation 50 plus kauft und liest mit Begeisterung. Das hält die Umsätze stabil – noch. Richtet sich „Doors“ also explizit an jüngere Leute? Laut Markus Heitz, selbst 47 Jahre alt, hat seine Zielgruppe kein definiertes Alter: „Doors“ sei für „alle, die Spaß am Lesen haben“, sagt der Autor. Doch wer „Doors“ und „Markus Heitz“ in die Suchmaske der Videoplattform Youtube tippt, erkennt: Vor allem jüngere Buchfans rezensieren „Doors“. Auch Heitz selbst findet sich dort, etwa in Interviews, ebenso ein Trailer für „Doors“. Dieser endet mit der Aufforderung: „Fang an zu lesen. Du weißt nie, wohin es dich führt.“ Und, klappt es? Fangen die Leute wieder an zu lesen? „Ich kann nicht klagen“, sagt Heitz. Staffel zwei von „Doors“ ist in Arbeit.
Kampfansage an Streamingdienste: Liegt in Projekten wie der „Doors“-Reihe ein Schlüssel,um Serienfans wieder fürs Buch zu begeistern? Die Resonanz bisher ist positiv,eine weitere Staffel bereits angekündigt. Fotos : Knaur
„Verlage sollten sich nicht scheuen, neue Wege zu gehen“ Knaur-Programmleiterin über den Wettbewerb der Buchbranche mit ihrer digitalen Konkurrenz VON MELANIE H. SCHMIDT OSNABRÜCK. Digitale Konkur-
renz setzt den Verlagen zu. Natalja Schmidt, Programmleiterin Belletristik bei Knaur, sieht im Wettbewerb auch Chancen.
Frau Schmidt, der Buchmarkt muss sich gegen Streamingdienste und Co. behaupten. Wie begegnet Knaur dieser Herausforderung? Wir sehen den Wettbewerb mit Serien und Games mehr als ein produktives Miteinander – auch wir wünschen uns schließlich nicht in die Zeiten zurück, als es höchstens eine gute Serie pro Saison gab. Wir müssen Angebote schaffen, die so attraktiv sind, dass
die Kunden trotz ihrer begrenzten Freizeit und trotz vielerlei Konkurrenz zugreifen. Als Verlage sollten wir uns nicht scheuen, gerade in der modernen Unterhaltung neue Wege zu gehen und uns zu fragen, was wir vom multimedialen Entertainment lernen können. Vor allem Jüngere verlieren den Bezug zum Buch. Zugleich hätten viele aber gern mehr Muße zum Lesen. Wie lässt sich der Zwiespalt auflösen? Ich glaube, dass die Leute zwar weniger gedruckte Bücher kaufen, aber trotzdem noch lesen – nur eben anders: Artikel, FacebookPosts, Schlagzeilen, Blogs, Fanfiction und vieles mehr. Hier braucht es innovative Lesekonzepte, so-
wohl was den Inhalt als auch was die Form angeht, um Bücher wieder attraktiv zu machen. Die Titelvielfalt wird oft als Stressfaktor empfunden. Wären weniger Titel die Lösung? Der Buchmarkt hat sich im vergangenen Jahrzehnt stark verändert; neue Titel werden mittlerweile ja nicht nur von Publikumsverlagen, sondern gerade im EBook zunehmend auch von Kleinverlagen und Selfpublishern auf den Markt gebracht. Die große Anzahl von Neuerscheinungen sorgt vielleicht für eine gewisse Unübersichtlichkeit, aber auch für eine größere Auswahl; so gibt es für ganz verschiedene Leser genau den richtigen Lesestoff. Wichtig
Natalja Schmidt
Foto: Markus Röleke
ist, denke ich, die eigenen Titel so zu präsentieren, dass sie von ihrer Zielgruppe leicht gefunden werden können. Weihnachten steht vor der Tür, und das Kind wünscht sich
alles Mögliche, aber kein Buch. Wie könnte man das ändern? Wenn man sich die sozialen Medien anschaut, sieht man schnell, dass es nach wie vor gerade bei jungen Lesern eine große Gruppe gibt, die das Lesen liebt. Auf Instagram werden Bücher liebevoll inszeniert, es gibt Lese-Challenges und selbst gebasteltes Buch-Merchandise. Um diese begeisterten Leser zu erreichen, sollte man sich allerdings nicht (nur) auf klassisches Marketing verlassen, das diese Gruppe oft nicht erreicht, sondern sie eher dort abholen, wo sie ohnehin unterwegs sind, also im Netz. Blogger und Booktuber haben beim jungen Lesepublikum oft eine viel größere Reichweite als klassische Buchrezensionen.
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DONNERSTAG, 20. DEZEMBER 2018
LEBEN & LEIDENSCHAFT
Die gastronomische Landflucht Ein Paradox unter der Lupe: Während die Dorfkneipe stirbt, nimmt die Zahl der Schanklizenzen nicht ab
VON SEBASTIAN HAMEL DALUM/NORDHORN. Die Zeiten, als die Menschen sich noch in großer Zahl Abend für Abend an den Theken versammelten und das ein oder andere Bierchen zischten, sind vorbei. Die traditionelle Dorfkneipe ist ein Auslaufmodell, und auch die Lokale an Straßenecken verschwinden mehr und mehr aus dem Erscheinungsbild der Orte. Was angesichts dessen zunächst paradox erscheint: Insgesamt betrachtet, nimmt die Zahl der Schanklizenzen nicht ab. Wie ist das möglich?
„Der überraschende Widerspruch lässt sich leicht erklären“, sagt Dieter Westerkamp, Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) im Bezirk Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim. „Die traditionellen Gaststätten in der Fläche sterben aus, während Szenebetriebe in urbanen Gebieten zunehmen.“ Er sagt dies auch mit Blick auf die Dehoga-Mitgliederzahlen: Aktuell verliert der Verband, der in der Region rund 700 Mitglieder hat, jährlich 15 Prozent von ihnen. Gleichzeitig gewinnt Dehoga jedoch auch rund 14 Prozent Neue hinzu. Dies gelte sowohl für die Bundes- als auch für die Bezirksebene. Die Entwicklung im Gastgewerbe sei ein Spiegelbild der Tendenzen in sozialgesellschaftlichen Bereichen, etwa hinsichtlich der sogenannten „Landflucht“. Zu den neuen Betrieben in städtischen Gegenden zählen etwa Clubs, Restaurants, FastFood-Lokale und Hotels. Als Abmeldegründe für traditionelle Betriebe sieht Westerkamp neben klassischen Faktoren wie Insolvenz oder Altersgründe auch eine veränderte Nachfrage: „Der werktätige Mitarbeiter, der früher in der Kneipe sein Bier trank, ist heute ein ,Homie‘“, sagt er. Eine Rolle spielten hier „Substitutionsangebote“ wie TV und Smartphone. Auch die Mittagspause, die früher noch häufiger in Restaurants verbracht wurde, falle heute oft aufgrund veränderter Arbeitszeiten weg. Das führt dazu, dass sich das Kneipenbild verändert – auch in der früheren Textilstadt Nordhorn. Früher fanden die Fabrikarbeiter gerade in den großen Stadtteilen wie in der Blanke oder der Blumensiedlung buchstäblich an jeder Ecke eine Gelegenheit, in geselliger Runde ein Feierabendbier zu genießen. Doch nicht nur die großen Textilbetriebe sind Geschichte, auch von den alten Schänken bestehen heute nur noch die allerwenigsten. Diesem Trend entgegen wirkt die gebürtige Nordhornerin Lony Pleister: Im Herbst 2017 hat sie im Zent-
rum der Stadt eine Musikkneipe eröffnet. Derzeit steht sie an fünf Abenden in der Woche entweder am Zapfhahn oder am Mikrofon und beglückt ihre Gäste mit Getränken und Gesang. Der Betrieb an sich bereitet ihr Freude, doch nach mehr als einem Jahr ist sie sich nicht sicher, ob sie das Wagnis noch einmal eingehen würde. Bereits vorab war Lony Pleister durch Gespräche mit anderen Gastronomen „geimpft“ worden: „Man braucht sich keine Illusionen zu machen, dass man viel verdient“, sagt sie. „Aber ich hatte auch gar nicht die Absicht, damit reich zu werden. Ich wollte einfach unter Leuten sein.“ Ein „Joker“ war vorab ihr hoher Bekanntheitsgrad, den sie in den Jahren zuvor als Sängerin erlangt hatte. Doch obwohl Zuspruch und Umsatz bislang stimmen, seien die Abgaben und Auflagen eine Herausforderung – so etwa Steuern, Gema, Personal, Knappschaft, Miete und Gebäudeversicherung. Als „Neuling“ in der Gastronomie sei es da nicht leicht, den Überblick zu behalten – die Angst vor Fehlern schwingt immer mit. Fünf Öffnungstage bedeuteten sieben Tage Arbeit. Manche Auflage geht ihrer Ansicht nach auch an der Realität vorbei: „Wenn an einem Samstagabend Hochbetrieb herrscht – wie soll ich da nebenbei noch dokumentieren, wenn drei Biergläser kaputtgehen?“ Es stört sie, dass die kleinen Gastwirte mit
„Man braucht sich keine Illusionen zu machen, dass man viel verdient.“
den gleichen Auflagen konfrontiert werden wie die gastronomischen Großbetriebe. Freilich hege sie den Anspruch, dass ihr Laden gesetzeskonform laufen soll: „Ich will ja niemanden betrügen, sondern den Leuten Spaß bringen.“ Doch nach drei Jahren, wenn die Verlängerung des Mietvertrags ansteht, will sie eine Entscheidung treffen: „Wenn es nicht möglich ist, die Kneipe zu betreiben, gebe ich die Schlüssel wieder ab.“ Auf eine fast 100-jährige Geschichte kann der Gasthof Aepken im emsländischen Dalum blicken. Seit 1922 besteht die Konzession, Inhaber Heinz Aepken hat den Betrieb 1969 von seinem Vater übernommen. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich das Angebot stark verändert: So ist etwa 2003 der Hotelbetrieb hinzugekommen. Aepken beschreibt eindrucksvoll, wie stark sich die gastronomische Vielfalt im Ort gewandelt hat: „In den 1960er-Jahren hatte Dalum 2500 Einwohner, und es gab acht Gaststätten, die ganztägig geöffnet waren. Jetzt hat Dalum 5000 Einwohner, und wir sind das einzige Lokal, das an sechs Tagen in der Woche offen ist.“ Lange vorbei sind auch die Zeiten, als im Hause Aepken sonnabends noch „Servicetag“ war: Da saßen die Gäste im Lokal beim Knobeln und gingen nacheinander in den Nebenraum, wo ein Friseur ihnen die Haare schnitt, während ein Filmvorführer im großen Saal einen Kinoabend veranstaltete. Heinz Aepken sieht insbesondere ein ver-
ändertes Ausgehverhalten als Grund für das Verschwinden der Dorfkneipen: „Früher ging jeder sonntagmorgens zur Kirche und danach zum Frühschoppen. Und auch in der Woche saßen die Leute bis Mitternacht und länger an der Theke.“ Die Frühschoppen-Kultur gehöre längst der Vergangenheit an, und in der Woche gelte heute: Wenn um 22 Uhr keine Gäste mehr da sind, kommt niemand mehr. Auch die traditionellen Stammtische, wo jedes Mitglied seinen festen Platz hatte, gebe es nicht mehr. Eine Konkurrenz
Wirtin Lony Pleister
stellen heutzutage Vereinsheime und Dorfgemeinschaftshäuser als Austragungsort für Feiern und Feten dar: Diese müssen dabei weniger strenge Auflagen erfüllen als die Gastronomen. Gleichzeitig nehmen die Aepkens ebenso wie Lony Pleister einen gestiegenen Verwaltungsaufwand wahr: „Ich könnte die Hälfte der Zeit im Büro verbringen und Anfragen von Behörden und der Krankenkasse beantworten“, sagt die Tochter des Inhabers, Christina Aepken. Insgesamt beklagt der Hotel- und Gaststättenverband einen hohen Verwaltungsdruck, der auf den Gastronomen lastet. Und das, wo die Branche ohnehin kein umsatzstarkes Gewerbe sei. „Wer sich kein teures Kassensystem leisten kann, ist täglich bis zu anderthalb Stunden mit Dokumentation beschäftigt. Das ist tote Zeit, in der es keinen Euro Umsatz gibt“, sagt Dehoga-Be-
zirksgeschäftsführer Dieter Westerkamp. Jede Kleinigkeit müsse festgehalten werden, bis hin zum Protokoll, wann die Kühlschranktemperatur das letzte Mal kontrolliert wurde. „Wenig Geld, wenig Gäste, viel Arbeit und ein hohes Risiko – da bricht mancher vom Markt weg“, so Westerkamp. Im Hause Aepken in Dalum macht inzwischen der Hotelbetrieb mit der Zimmervermietung an Urlauber und Geschäftsreisende eine unverzichtbare Einnahmequelle aus. „Wir hoffen, dass es der Tourismusbranche gelingt, mehr Leute ins Emsland zu holen und deren Verweildauer zu verlängern.“ Aktuell rüstet sich der Familienbetrieb für die Zukunft: Umfangreiche Baumaßnahmen gehen vonstatten, der Küchentrakt, die Gaststätte und das Hotel werden erweitert. Mit Blick auf das Programm sollen Aktionen wie Burger- oder Spareribs-Wochen Anlässe zum Ausgehen schaffen. „Wir haben immer versucht, auf die Veränderungen die passenden Antworten zu finden“, sagt Heinz Aepken. Nach Abschluss der Bauarbeiten wird seine Tochter den Betrieb weiterführen. Sie blickt trotz aller Schwierigkeiten optimistisch in die Zukunft: „Es gibt immer noch Leute, die gerne kommen und Gesellschaft suchen – darauf bauen wir.“
Die Zapfanlage ist so alt wie der Gasthof. In Kürze wird Heinz Aepken seiner Tochter Christina Aepken den Betrieb übergeben. Fotos: Sebastian Hamel
ZUR SACHE
Definition: Schanklizenz
Hat das Risiko gewagt: Die Nordhornerin Lony Pleister hat vor rund einem Jahr ihre Kneipe eröffnet.Nach drei Jahren will sie entscheiden,ob sie weitermacht.
Fotos: Colourbox.de,imago/imagebroker
Die Schanklizenz bezeichnet die von Ordnungsbehörden erteilte Genehmigung zum Betrieb eines Gastgewerbes. Das frühere Konzessionsverfahren wurde 2012 im Zuge des neuen niedersächsischen Gaststättengesetzes durch die sogenannte Anzeigepflicht ersetzt. Wer die Eröffnung eines
entsprechenden Gewerbes plant – ganz gleich, ob Gaststätten wie Restaurants oder fahrende Betriebe wie Jahrmarktsbuden –, muss diese Absicht zuvor bei der zuständigen Behörde, etwa beim Gemeindeamt, anzeigen. Damit einher geht unter anderem eine Persönlichkeitsprüfung
durch ein Führungszeugnis, um die Zuverlässigkeit des Gastwirts zu belegen. Fachliche Prüfungen, etwa in Bezug auf Hygiene, sind im Gegensatz zum früheren Konzessionsverfahren nachgelagert; die Behörden begutachten entsprechende Aspekte, wenn das Lokal eröffnet ist.
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DONNERSTAG, 20. DEZEMBER 2018
LEBEN & LEIDENSCHAFT
Kreativ und spontan zur Erfolgsgeschichte Sonja Gering-Höfelmeyer ist Friseurmeisterin und leitet eine eigene Modelagentur VON KONSTANTIN STUMPE OSNABRÜCK. Sonja Gering-Höfelmeyer ist seit 32 Jahren Friseurmeisterin und selbstständig. Bis heute bleibt sie ständig auf der Suche nach neuen Trends und Verbesserungsmöglichkeiten. „Wenn der Tag kommt, an dem ich nichts mehr verändern kann, dann muss ich zu Hause bleiben“, sagt die Unternehmerin.
Dieser Fall scheint in naher Zukunft so schnell nicht einzutreten. Erst vor eineinhalb Jahren hat Sonja Gering-Höfelmeyer ihren Salon „Better Feeling“ im Herzen der Osnabrücker Altstadt umgebaut. Dabei hat sie ihn nach der Harmonielehre von Feng Shui einrichten lassen. „Es gibt fast nichts, das ich nicht ausprobiert habe. Ich möchte immer vorne mit dabei sein, und mein Wille dazu ist auch nach so langer Zeit ungebrochen“, sagt die Friseurmeisterin. Eine Bestätigung ihrer Arbeit war nun der zweite Platz beim German Hair Award 2018. „Der zweite Platz macht uns alle sehr stolz, aber bedeutet auch zu analysieren wo wir uns verbessern können, um dann vielleicht Erster zu werden“, so die Osnabrückerin. Sie hat etwas aufgebaut, was ihrer Meinung nach nur noch wenigen Selbstständigen in der Branche gelingt: einen eigenen Salon ohne finanzielle Sorgen. 70 Prozent der kleinen Salons mit ein bis drei Mitarbeitern leben laut Gering-Höfelmeyer am Existenzminimum. „Die müssen richtig malochen und haben keine Zeit zur Weiterentwicklung“, bedauert die Friseurmeisterin. Daher sei das Image der Branche im Vergleich zu anderen Handwerksberufen so schlecht. Neuerungen sind bei Gering-Höfelmeyer aber gang und gäbe. Auch für das neue Jahr stehe schon eine Umstrukturierung im Salon an. Konkret werden will sie noch nicht. In ihrem innovativen Denken geprägt wurde die Friseurmeisterin durch ihre ersten beruflichen Schritte bei ihrem Ausbilder KarlHeinz Schildmann in Osnabrück, einst Friseur-Vizeweltmeister. Dank ihm habe sie den Friseurberuf anders kennengelernt, als es vielen anderen Auszubildenden möglich sei. Während die meisten Azubis
nur im Salon standen und Haare frisierten, war Gering-Höfelmeyer teilweise 20 Wochen im Jahr auf Modeschauen unterwegs. Sie frisierte die Models nicht nur, sondern war auch für die Organisation zuständig. „Ich habe über den Tellerrand geblickt und nicht nur am Stuhl gestanden“, sagt die 56-Jährige rückblickend. Daher bietet sie in ihrem Salon nicht nur Waschen, Schneiden, Föhnen an. Bartschnitt, Kosmetik, Haarverlängerungen, Färben und die Färbetechnik Balayage mit Natur- und Chemiefarben gehören für die Handwerksmeisterin ebenso dazu wie das Brautpaket mit Steckfrisur und Make-up an. Außerdem verkauft sie Schmuck. Dass Sonja Gering-Höfelmeyer eine Ausbildung zum Friseur macht, stand für die Osnabrückerin bereits im Alter von 14 Jahren fest. Schon ihre Uroma hatte einen Friseursalon in Hasbergen gehabt. Von den Erzählungen ihres Vaters war sie fasziniert. Also entschloss Gering-Höfelmeyer sich zu einem Schulpraktikum im Salon Schumacher in Haste. Sofort habe sie eine Affinität zum Handwerk entwickelt und gemerkt: „Das wird meine Familie, meine Zukunft.“ Ihr Talent fiel im Praktikum offenbar auf. Inhaber Dieter Schumacher empfahl die Praktikantin an Schildmann weiter, wo sie nur ein Jahr später, mit 15 Jahren, die Ausbildung begann. „Das war der Grundstein meines Erfolges.“ Nach ihrer Ausbildung arbeitete Gering-Höfelmeyer noch weitere sechs Jahre im Salon von Schildmann, ehe sie mit gerade einmal
24 Jahren den spontanen Sprung in die Selbstständigkeit wagte. Erst ein paar Tage zuvor hatte die Friseurin ihren Meisterbrief erhalten, als sie kurzerhand in den Laden eines Salon-Ausstatters hineinschneite. Vorher hatte sie sich noch gar keine Gedanken gemacht, was alles zur Selbstständigkeit dazugehört. „Ich hatte noch nicht einmal einen Termin bei der Bank ge-
Friseurmeisterin aus Leidenschaft: Sonja Gering-Höfelmeyer wusste schon mit 14, dass sie das Handwerk lernen wollte. Ihr Salon ist jüngst mit dem German Hair Award ausgezeichnet worden. Foto: Thomas Osterfeld
habt“, erinnert sich die 56-Jährige. Doch zufällig konnte ihr der Ausstatter ein Ladenlokal an der Rolandsmauer in der Osnabrücker Altstadt vermitteln und begleitete sie bei ihren weiteren Schritten in die Selbstständigkeit. 1986 eröffnete die Friseurmeisterin ihren ersten Salon „Coiffeur Creative“. „Damals war es noch viel einfacher, an Geld von der Bank zu kommen“, erinnert sich die Unternehmerin. So spontan könne eine Neueröffnung heute nicht mehr funktionieren. Allein für die Umgestaltung ihres Salons musste sie einen umfassenden Businessplan schreiben. In ihrem Ehrgeiz habe sie in den ersten Jahren der Selbstständigkeit keinen Urlaub gemacht. Tagsüber stand sie im Salon und schnitt Haare, abends widmete sie sich der Geschäftsführung. Wirtschaftlich gesehen seien die Jahre prächtig gelaufen – das Rad rollte wie von selbst. Aber der berufliche Stress wuchs ihr mehr und mehr über den Kopf. Parallel zum Laden gründete Sonja Gering-Höfelmeyer mit
Oliver Bartels auch noch die Agentur Stage Management in Osnabrück und Köln. „Etwa zehn Jahre lang habe ich Modenschauen geplant, moderiert und große Events durchgeführt.
Da muss man aufpassen, dass einen das Rad nicht irgendwann überholt.“ Relativ früh sei sie daher dazu umgeschwenkt, sich halbtags der Arbeit im Büro zu widmen. „Im Grunde meines Herzens bin ich aber als Friseur ein Künstler und kein Kaufmann“, betont sie. Das kaufmännische Handwerkszeug eignete sie sich nach und nach an – unterstützt von ihrem Mann Reinhard Höfelmeyer, Unternehmer aus Georgsmarienhütte. Fünfzehn Jahre nach dem Beginn ihrer Selbstständigkeit fasste die Osnabrückerin den Entschluss, in das heutige Ladenlokal an der Großen Gildewart umzuziehen. Bei laufendem Betrieb musste sie die Renovierungsarbeiten für die Dauer eines halben Jahres betreuen. Dazu kam die Agentur. Im Nachhinein betrachtet, beschreibt sie den Umzug als die größte Hürde in den vielen Jahren der Selbstständigkeit. „Aber so habe ich den Sprung von einer Kleinunternehmerin zu einer des gehobenen Mittelstands geschafft“, sagt die 56-Jährige. Angefangen auf 80 Quadratmetern mit einem kleinen Team, beschäftigt sie heute auf 200 Quadratmetern 18 Mitarbeiter, darunter vier Friseurmeister, neun Friseure, zwei Auszubildende, eine Rezeptionistin und eine Büro-Angestellte. Wichtiges Standbein für sie war und ist dabei auch ihre Modelagentur. „Damit habe ich mir meine eigene Plattform geschaffen“, ist Gering-Höfelmeyer stolz. Über die Agentur steigerte sich der Bekanntheitsgrad ihres Salons. Und so las-
sen sich heute einige Osnabrücker Prominente und Geschäftsleute, deren Namen natürlich ein Geheimnis bleiben, bei ihr frisieren. Auf Wunsch können sich Kunden auch in einem Separee, abgeschieden von den übrigen Kunden, frisieren lassen. Dies hätte womöglich eine Kundin besser in Anspruch genommen, erinnert sich Gering-Höfelmeyer an eine lustige Anekdote aus ihrer täglichen Arbeit. Einmal habe die Ehefrau eines Kunden neben der Geliebten ihres
„Im Grunde meines Herzens bin ich als Friseur ein Künstler und kein Kaufmann.“ Friseurmeisterin Sonja Gering-Höfelmeyer
Mannes gesessen. „Was dann passierte, kann und möchte ich nicht erzählen“, sagt die 56-Jährige, „denn ein Friseur ist zeitweise auch ein Therapeut und sollte mindestens so verschwiegen sein.“ Trotz der Promis möchte Gering-Höfelmeyer aber ein Friseur für alle Leute sein. Diese sollten jedoch nicht zu sehr aufs Geld schauen, denn mit 29 Euro liegt der Preis für den Herrenhaarschnitt im gehobenen Sektor. Ihren Erfolg begründet sie auch darin, dass sie bei den angebotenen Dienstleistungen immer sehr breit aufgestellt gewesen ist und sich auf ein top geschultes Team verlassen kann. Daher betrachtet sie andere Salons mit ungelernten Aushilfen auch nicht als Konkurrenz. Dass sie sich mit Qualität von der Konkurrenz abhebt, kommt nicht von ungefähr, denn das Anliegen der 56-Jährigen ist es, ihre Auszubildenden, wenn möglich, weiterzubeschäftigen. Zumindest einen Anschlussvertrag biete sie dem Nachwuchs immer an. Auch Familienfreundlichkeit spielt eine große Rolle. Jüngst ist die erste Teilzeit-Auszubildende fertig geworden. Dass viele andere Salons keine Lehrlinge mehr einstellen, bedauert Gehring-Höfelmeyer. Dies gehe auf Kosten der Qualität des Handwerksberufs. Es koste zwar viel Geld, doch „wenn mehr Friseure ausbilden würden, gäbe es auch kein Stechen und Hauen mehr in der Branche“. Zum Teil werde mit Headhuntern um die besten Fachkräfte geworben.
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DONNERSTAG, 20. DEZEMBER 2018
LEBEN & LEIDENSCHAFT
LEBEN & LEIDENSCHAFT
Wie kommt der Tee in den Beutel? B Rund 90 Teeprodukt kte t werden bei Bünting produziert rtt – Während der Ern rntezeit n probieren die Teeetester bis zu 250 Proben pro Tag
Ostfriesen trinken 300 Liter Tee pro Jahr und sind weltweit Spitze. Für 800 Kilogramm Ostfriesentee braucht die Maschine zwei Stunden. Im Lager La a stt stapeln sich die Säcke mit Tee. Maschinenführer Claus Meinders nimmt eine Probe,um die Qualität überprüfen zu lassen.
Ausbildung zum Teetester dauert fünf bis acht Jahre. VON LEA BECKER NORTM TMOOR. M Winterzeit ist Teezeit.
Egal ob Klas Kllassiker s wii Pfeff wie Pff fferminf ze oder Kamille, exotische Frü rüchü temischungen oder der klas kllassische s Schwarztee - überal all l in Deuts tschs land dampfen die Teekessel. Aber wii kommen die Blätt wie tter t in die Beutel und wie wii ents tsteht s eine „Echte Ostf tfr friesenmischung“? r Ein Besuch in der Produktion von Bünting Tee in Nortmoor.
Durch die Gitt tter t geht es für die feinen Teeblätter in die Maschine.20 verschiedene Sort rten t werden für den Ostfriesentee zusammengemischt.
Hier läuft ftt alles zusa sammen: a An dem Rad der Maschine werden Teebeutel, Faden und Etikett zusammengeführt rt. t
Genau abgez ezä zählt: ä Die Maschine reiht die Teebeutel fein säuberlich in der Verpackung auf. Hintergrundmotiv: Colourbox.de
Egbert Kolthoff greift mit der silbernen kleinen Zange ein Stück Kandis, Ostfriesisch Kluntjes. Klackernd lässt er es in eine kleine Porzellantasse mit Rosenmuster fallen. Dann gießt er den dampfenden, goldbraunen Ostfriesentee hinzu und der Kluntje fängt gtt leicht an zu knacken. Mit einer kleinen Schöpfk fkelle k legt gtt der 59-Jährige Sahne auf die Oberfll fläche des Tees, den Teespiegel. Wichtig dabei: gegen den UhrzeigerUh h sinn. „Der Ostfriese will wii beim Teetrinken die Zeit anhalten“, erklärt Kolthoff, während sichdie Sahne im Tee eine Wolke (Wulkje) ausbreitet. In Ostfriesland ist Teetrinken eine Zeremonie. Nirgendwo in Deutschland wird wii mehr von dem heißen Getränk verzehrt. Mit einem Pro-KopfVerbrauch von 300 Litern im Jahr liegen die Ostfriesen nach Angaben des Deutschen Teeverbandes sogar weltweit an der Spitze. Zum Vergleich: Ein Deutscher trinkt im Durchschnitt in einem Jahr gerade mal 28 Liter Schwarztee, mit Früchte- und Kräutertee Krr kommt er auf knapp 70 Liter pro Jahr. Dabei wird wii loser Tee dem Teebeutel bevorzugt gt. t Beides wird wii in Nortmoor bei Bünting hergestellt. Der Lärm der Mischmaschine dröhnt durch die große Halle. Die silbernen Rohre sind mit einer feinen braunen Tee-StaubSchicht überzogen. Ein leichter Schwarztee-Geruch liegt gtt in der Luft.
Fotos: David Ebener
An den Wänden stapeln sich in großen Regalen Paletten mit Teesäcken aus braunem Papier bis an die Decke. Maschinenführer Claus Meinders steht in hellgrünem T-Shirt, dunkelgrüner Latzhose und Haarnetz auf dem Kopf am Monitor der Mischmaschine. Die digitale Anzeige gibt die Mengenangaben der einzelnen Teesorten für die Ostfriesenteemischung genau vor. Der 48-Jährige stemmt einen Sack hoch, schlitzt ihn mit einem blauen Cuttermesser auf und schüttet feine braune Teeblätter durch ein Gitter in die Maschine. Im Inneren wird wii gerührt, geschüttelt und gesiebt bis am Ende der Ostfriesentee rauskommt. Für 800 Kilogramm fertige Mischware braucht die Maschine knapp zwei Stunden. Eine Halle weiter wird wii der Tee verpackt. Das Dröhnen der übertönt hier jedes Geräusch. Etwas überraschend: Während beim Mischen der Blätter der Duft des Tees unverkennbar war, ist er jetzt kaum noch in der Luft. Auf einem schmalen Fließband hinter einer Glasscheibe stellt eine Maschine grün-gelbe Tüten auf, ein paar Sekunden später fällt auch schon der lose Schwarztee hinein. Damit er sich gleichmäßig verteilt, fährt das Fließband rüttelnd weiter. Im monotonen Rhyt Rh hythmus t presst ein Stampfer die Masse in jeder einzelnen Verpackung zusammen. Dann schießen in Sekundenschnelle kleine Greifarme vor, falten die Kopfh fhaltung h und schnellen wieder wii zurück. Zum Schluss klebt die Maschine noch ein Verschlussetikett oben auf die Verpackung, das Haltbarkeitsdatum darf schließlich nicht fehlen. Auf dem Fließband verlassen die Tüten aneinandergereiht die Maschine und werden von einer Mitarbeiterin im weißen Schutzkittel in Kartons abgepackt. „Wir sind eine Edelschmiede, wii machen das Besondere“, wir sagt gtt Betriebsleiter Volker Scholz mit Stolz in der Stimme. Mehr als 35 000 Packungen aller Sorten und Größen laufen täglich vom Band. Auch wenn der lose abgepackte „Grünpack“ das Aushängeschild des Unternehmens ist, werden bei Bünting 53 der 90 Teeprodukte auch in Teebeuteln produziert, sowohl im Schwarztee- als auch im KräuterKrr und Früchteteebereich. In der großen Halle in Nortmoor rattern mehrere komplizierte ausschauen-
de Beutelmaschinen unbeirrt vor sich hin. Der Tee kommt in Rohren von oben, das Filterpapier aus Langfaserpapier rollt von einer gewaltigen Spule ab. Auch die Etiketten und der Faden – mehr als 130 Kilometer werden pro Tag verbraucht – laufen von Rollen in die Maschine. Alles geht so schnell, dass es mit bloßem Auge kaum zu erkennen ist. Das Filterpapier wird wii als langes Band abgewi wickelt, i je nach Sorte und Verkaufsgröße mit ein bis fünf Gramm Tee befüllt und längs so geknickt, dass ein platter Schlauch entsteht. Der Faden wird wii geschnitten und mit dem Etikett vernäht. In der Mitte der Maschine läuft dann an einem Rad mit sechs kleinen Fächern
35 000 Packungen aller Sorten und Größen laufen täglich vom Band.
alles zusammen. Zunächst wird wii der Faden mit dem Etikett in ein Fach eingeführt. Das Rad dreht sich weiter. Als nächstes kommt blitzschnell der Papierschlauch mit dem Tee hinzu. Die Maschine schneidet knapp 14 Zentimeter lange Stücke ab, die platt oben auf das Rad geschoben werden. Ein dünner metallischer Greifarm schießt in das kleine Fach am Rad und drückt die Mitte des Papieres hinunter, sodass die Seiten hochklappen. Der so entstandene Doppelkammerbeutel steht nun senkrecht. Im nächsten Schritt wird wii er oben mit dem Faden samt Etikett verknotet. Das Rad dreht sich dabei immer rhyt ythmisch t klackend weiter und weiter – fast schon beruhigend wenn es nicht so laut wäre. Und irgendwo an der Maschine zischt es, weil nicht korrekt gefertigt gte t Beutel mit Druckluft ausgeworfen werden. Handelt es sich um einen besonders hochwertigen oder sehr aromatischen Tee, packt die Maschine in einem weiteren Schritt noch jeden einzelnen Beutel separat ein. Dazu wi wird i von einer dicken Rolle umweltfreundliches Pergaminpapier abgerollt, gefaltet, geschnitten und in Sekundenschnelle über jeden ein-
zelnen Teebeutel auf dem Rad gestülpt. Eine Presse versiegelt das Papier anschließend bei 115 Grad. Sind die Teebeutel fertig vernäht und gegebenenfalls einzeln verpackt, schießt von unten eine Art Greifzange hinauf und packt sich den Beutel. Sofort wird wii er von einer Presse in ein weiteres Rad mit eckigen Kammern gedrückt. Sind darin 25 Beutel aufgestaut, dreht sich das Rad weiter. Die Maschine schiebt die Beutel in aufgeklappte Kartons und verschließt sie. Fertig ist der Tee für die Kommissionierung und den Versand. Doch schmeckt der Tee auch? Und wii werden die Sorten zusammengewie stellt? Egbert Kolthoff bindet sich eine große weiße Schürze über sein hellblaues Hemd und die dunkle Krr Krawatte. Er ist seit 37 Jahren Teetester beim Teehandelshaus Johann Bünting. Zusammen mit seinen Kollegen Ralf Töpfer (56) und Matthis Alsmeier (27) probiert er täglich zahlreiche Teemuster, um die Sorten für die Ostfriesenmischung auszuwählen, neue FrüchteKrr zu und Kräutertees kreieren und die Qualität der produzierten Teesorten zu überprüfen. „Während der Teeernte testen wir wii durchaus 250 Proben am Tag“, berichtet Kolthoff. In dem lichtdurchfl fluteten l Raum stapeln sich silberne Dosen mit Tee in den Holzregalen. Auf einer weißen Arbeitsplatte in der Mitte des Raumes liegt gtt ein Haufen kleiner Ver-
sandtaschen: Neue Schwarztee-Proben aus Indien und China. Kolthoff reiht mehrere Stücke Papier ordentlich nebeneinander auf. Er öffnet die Proben und schüttet die feinen dunklen Blätter jeweils auf ein Stück Pappe. Im Hintergrund ist das Rauschen des aufk fkochenden k Wassers zu hören. Der 59-Jährige inspiziert die Teeblätter, um gegebenenfalls bereits jetzt schon einzelne Muster auszusortieren. Zu jedem Papierstück mit dem Teemuster stellt er ein weißes Aufgusskännchen und ein Probierschälchen. Ralf Töpfer holt eine kleine alte Apothekerwaage hervor und misst genau 2,86 Gramm ab – das Gewi wicht i einer alten englischen Six-PenceMünze. „Früher wurde wu u beim Abwi wiei gen der Tassenprobe die Münze als Gegengewi wicht i in die Waagschale geworfen, das hat sich durchgesetzt und ist auch heute noch weltweit die Maßeinheit fürs Teetesten“, erklärt der 56-Jährige. Es piepst. Das Wasser darf nicht zu lange kochen, sonst geht der Sauerstoff verloren. Töpfer nimmt den großen silbernen Kessel vom Gasherd und füllt nach und nach Wasser in die kleinen Aufgusskännchen. Alsmeier startet den Timer und schließt die Kännchen schnell mit einem Deckel. „Jetzt beginnen die TeetesterGedenkminuten“, sagt gtt Kolthoff. Genau fünf Minuten muss der Tee ziehen. „Wir müssen den Rhyt Rh hythmus t des Aufgießens genau beibehalten, aber das geht auch in Fleisch und Blut über“, so der Ostfriese. Die drei Teetester sind ein eingespieltes Team, sie verstehen sich blind. Kolthoff und Töpfer arbeiten bereits seit 24 Jahren zusammen. „Wir sind wie wii ein altes Ehepaar, man kennt sich durch und durch“, scherzt Töpfer. Alsmeier ist der Junior. Er stieß vor fünf Jahren nach seiner Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann bei Bünting zum Verkoster-Team. „Dieses Angebot bekommt man nur einmal im Leben, die Chance konnte ich mir nicht entgehen lassen“, erinnert sich der 27-Jährige. In Deutschland gibt es nur rund 30 Menschen, die diesen seltenen Beruf ausüben. Die Ausbildung zum Teetester dauert zwi wischen i fünf und acht Jahren, ein klassischer Lehrberuf ist es nicht. „Das wird wii von Generation zu Generation weiter gegeben“, sagt gtt der waschechte Ostfriese.
Solch eine Stelle wird wii nicht ausgeschrieben. „Ich war einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort.“ Es piepst erneut. Töpfer kippt den Tee in die Probierschalen um. Der Duft von frischem Schwarztee steigt gtt in die Luft. An den umgedrehten Deckeln der Becher kleben die nassen Teeblätter. Kolthoff nimmt einen Deckel in die Hand, steckt seine Nase in die braune Masse und atmet tief ein. „Der mufft“, stellt er fest und wii wischt sich ein paar kleine Blätter von der Nase. Der Experte sortiert dieses Muster direkt aus. Für den Laien ist der Unterschied zu einem guten Tee kaum zu riechen. Jetzt beginnt die eigentliche Arbeit. Die drei Männer stehen im Halbkreis am Teebrett. In ihrer Mitte steht ein großer Spuckeimer. Kolthoff tunkt seinen silbernen Löffel in den Tee und führt die goldbraune Flüssigkeit an seine Lippen. Seine Kollegen machen es ihm gleich. Mit einem lauten Schlürfen saugen sie den Tee in den Mund. „So wird wii er in feinste Partikel zerstäubt und erreicht viele Geschmacksnerven“, erklären die Tester. Im Mund wälzen sie den Tee noch zwei, drei Mal, bevor sie ihn gezielt wieder ausspucken. Das alles geht blitzschnell. Das Prozedere setzt sich bis zur letzten Tasse fort. Schlürfen, Walzen, Spucken. Schlürfen, Walzen, Spucken. Geredet wird wenig und wenn, nur kurz und knapp: „Der ist zu dünn. Der hat einen grünen Touch. Der ist gut. Der
„In wenigen Sekunden haben wir Geschmack und Qualität des Tees erfasst.“ Teetester Egbert Kolthoff
hat was Metallisches. Den können wir nehmen.“ „In wenigen Sekunden haben wir wii den Geschmack und die Qualität des Tees erfasst“, sagt gtt Kolthoff. Die Informationen werden im Gedächtnis abgespeichert. Schließlich gilt es, nicht nur die aktuellen Proben untereinander zu vergleichen, sondern auch mit denen von vor zwei Tagen, zwei Wochen oder sogar zwei Jahren. Für Laien eine unmögliche Aufgabe und auch für die Teetester ein lang erlerntes Handwerk. „Am Anfang schmeckte alles gleich“, erinnert sich der Jüngste im Team und ergänzt: „Als ich das erste Mal getestet habe, war es für mich einfach nur kräftig und bitter.“ Denn für die Probe wird wii mit den 2,86 Gramm Tee fast die dreifache Menge verwendet wie wii für eine handelsübliche Tasse Tee. Es erfordert viel Geduld bis irgendwann der „Kn Knackn punkt kommt“, wo man auch feine Unterschiede schmeckt. Ob die Verkoster immer einer Meinung sind? „Ja“, sagt gtt Töpfer etwas zögerlich, „im Prinzip schon.“ Persönliche Geschmackspräferenzen dürften keine Rolle spielen. „Die wii geeicht, deshalb sind wir wii Zunge wird uns eigentlich auch zu 99,9 Prozent einig“, erklärt der 56-Jährige. Schließlich erwartet der Teefreund – im Gegensatz zum Weinliebhaber –, dass sein Lieblingsgetränk immer gleich schmeckt, egal wie wii die Ernte verlief. Die Ostfriesen seien besonders anspruchsvoll. „Sie möchten einen kräftigen, malzigen Tee mit einer schönen kräftigen Tassenfarbe“, erklärt Kolthoff. Für „Grünpack“, den echten Ostfriesentee von Bünting, werden rund 20 verschiedene Teesorten, hauptsächlich aus Assam in Indien, zusammengemischt. Damit das klar definierte Geschmacksprofil des Grünpacks immer gleich ausfällt, justieren Kolthoff, Töpfer und Alsmeier bei jeder neuen Ernte die Rezeptur nach. Kolthoff hat seine Schürze mittlerweile wieder wii abgelegt gtt und gießt sich in seinem Büro noch eine Tasse mit frisch aufgebrühtem „Grünpack“ ein. Es sei unhöfl flich, l weniger als drei Tassen zu trinken, erwähnt er beiläufig. Tee ist die Leidenschaft des Ostfriesen, ein Tag ohne das heiße Getränk ist für ihn unvorstellbar. Die zahlreichen Proben auf der Arbeit reichen dem 59-Jährigen nicht: „Ich trinke jeden Abend fünf, sechs Tassen.“ Sein Lieblingstee: Darjeeling, der Champagner des Tees.
Mehr als 35 000 Packungen aller Sort rten t und Größen laufen täglich in Nort rtmoor t vom Band.
Schlürf rfen, f Walzen, Spucken: Die Teetester Egbert rtt Kolthoff fff (von links), Matthis Alsmeier und Ralf Töpfer probieren die Teeproben.
Immer das gleiche Prozedere: Der Ablauf einer Teeprobe ist minutiös getaktet. Genau fünf Minuten muss der Tee ziehen.
Jeden Tag kommen Bei Bünting Teeproben aus Asien an, die von den Teetestern unter die Lupe genommen werden.
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LEBEN & LEIDENSCHAFT
Artland goes Afrika Mittelständler denkt groß und plant Gesundheitszentrum in der Elfenbeinküste
VON CHRISTOPH LÜTZENKIRCHEN ANKUM. Tausende von Afrikanern verlassen derzeit ihre Heimat und träumen vom Glück in Europa. Die Probleme, die daraus erwachsen, sind bekannt. Ein Unternehmer aus Ankum bei Bersenbrück will sich damit nicht abfinden. „Mein Ziel ist es, den Menschen eine Chance zu geben, in ihrer Heimat zu bleiben“, sagt Peter Bergmann.
Der Ankumer will in dem westafrikanischen Land Elfenbeinküste ein Gesundheitszentrum aufbauen. Unter dem Dach des Zentrums in der mit drei Millionen Einwohnern größten Stadt des Landes Abidjan soll eine Dialysestation mit bis zu 20 Plätzen entstehen, eine Rettungsstation und ein pharmazeutisches Zentrum. Außerdem plant Bergmann eine mobile Augenarztpraxis. Als Chef eines Medizintechnikunternehmens mit knapp 20 Mitarbeitern – der Flores Medizintechnik in Ankum – weiß Bergmann sehr genau, wovon er re-
det. Seine Grundidee ist bestechend: Er will die Lebensbedingungen vor Ort verbessern: mithilfe einer leistungsfähigeren medizinischen Infrastruktur und indem er vor Ort profitable Unternehmen aufbaut und Arbeitsplätze für qualifizierte Menschen aus dem Land schafft. Bergmann ist kein blauäugiger Idealist; über private Kontakte hat er bereits mehrere Reisen nach Afrika unternommen und medizinische Hilfsgüter transportiert oder vermittelt. Sie umfassten Medikamentenlieferungen und medizintechnisches Gerät, einmal sogar einen ausgedienten Krankenwagen. Aufgrund seiner Erfahrungen weiß er, dass in Afrika ohne gute Kontakte nichts geht. Für seine Projekte in der Elfenbeinküste hat Bergmann sich auf vielen Ebenen Helfer und Unterstützer gesichert. Eine zentrale Rolle kommt dabei Dr. Felix Bruns zu. Mit seinem Verein „Nachhaltig gegen Hunger – contre le faim“ ist der Agrarökonom und ehemalige Ministerialrat seit 16 Jahren in der Elfenbeinküste aktiv und hat dort un-
Unter anderem eine Dialysestation soll das neue Gesundheitszentrum haben,das Peter Bergmann in der Elfenbeinküste bauen will.
ter anderem rund 4000 Schulplätze geschaffen. Der Afrikakenner sieht großes wirtschaftliches Potenzial für Bergmanns Projekt. „Das Gesundheitssystem der El-
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fenbeinküste ist schlecht bis kaum vorhanden. Aufgrund der seit einiger Zeit wieder relativ stabilen politischen Lage hat sich hier jedoch in den letzten Jahren eine Mittelschicht etabliert, die bereit und in der Lage ist, für Gesundheitsdienstleistungen zu bezahlen“, so Bruns. Namhafte Unterstützer hat Peter Bergmann auch in der Elfenbeinküste gefunden. „Es sind Menschen, denen wir vertrauen“, sagt er. Das ist sehr wichtig, denn trotz der deutlichen Verbesserung der politischen Verhältnisse in den vergangenen Jahren ist Korruption in dem Land noch immer weit verbreitet. Gemeinsam mit den lokalen Helfern hat der Ankumer Unternehmer vor Ort die Firma „ABBA“ gegründet. Sie verfügt seinen Angaben zufolge über alle behördlichen Genehmigungen, die er für die Umsetzung seiner Pläne benötigt. Der Firmenname steht für die Namen der Gründer: Das „A“ steuerte Prof. Allou Assa bei, Leiter der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie an der Klinik Treshville in Abidjan und bis 2010 stellvertretender Gesundheitsminister der Elfenbeinküste. Das erste „B“ steht für Dr. Kofi Alassane Brou, der als Mediziner in der Entwicklungshilfe in der Elfenbeinküste tätig ist. Das zweite „B“ kommt von Peter Bergmann selbst, das abschließende „A“ von dem Rechtsanwalt Paul Akre-Tschakre aus Abidjan. Wichtige Wege sind gebahnt, Bergmann und Bruns wollen ihr Projekt nun Schritt für Schritt realisieren. Aktuell suchen sie nach einem geeigneten Grundstück in Abidjan. Es soll verkehrsgünstig liegen und die Installation einer eigenen Infrastruktur für Wasser und Strom erlauben. Außerdem ist Eile geboten, denn die Immobilienpreise in der Metropole entwickeln sich sprunghaft. „Besonders die Chinesen investieren dort riesige Summen und kaufen alles auf “, sagt Peter Bergmann. Wenn ein Grundstück gefunden ist, will er binnen eines Jahres die nötigen Gebäude errichten. Dabei sollen fertige Module aus Deutschland zum Einsatz kommen. Die technische und hygienische Qualität ließe sich so am besten sicherstellen, glaubt der Ankumer. Für die Dialysestation kooperiert er mit der börsenno-
tierten deutschen Dialysespezialistin Fresenius Medical Care. Nicht nur ein Grundstück, auch Investoren für ihr Gesundheitsprojekt suchen Bergmann und Bruns aktuell. Es soll nicht um Spenden für arme Afrikaner gehen, sondern um Investitionen in die Zukunft eines Landes mit enormem Entwicklungspotenzial. Bis 1999 sei die Elfenbeinküste das Land mit dem größten Wohlstand in ganz Afrika gewesen,
Die Initiatoren rechnen mit Investitionen zwischen drei und vier Millionen Euro.
Foto: Fresenius Medical Care
sagt Felix Bruns, dann begann ein jahrelanger Bürgerkrieg. Erst seit 2010 herrscht relative politische Ruhe. „Das Land ist etwas größer als Deutschland, hat aber nur 22 Millionen Einwohner“, so Bruns weiter. „Sie gehören zu 20 verschiedenen Volksgruppen mit jeweils eigenen Sprachen. Die Amtssprache ist Französisch, das geht auf die Kolonialgeschichte zurück.“ Im Süden würden überwiegend Katholiken leben, in der Mitte des Landes Menschen mit Naturreligionen und im Norden Muslime. Auch wirtschaftlich habe das Land etwas zu bieten. „Die Elfenbeinküste ist der größte Kakaolieferant weltweit, außerdem verfügt das Land über wertvolle Bodenschätze wie Diamanten, Gold und Öl.“ Die beiden Initiatoren Bruns und Bergmann rechnen mit Investitionen in Höhe von drei bis vier Millionen Euro. Sie sollen sich innerhalb von nur drei Jahren amortisieren; die Gewinnschwelle plant man in weniger als zwölf Monaten zu erreichen. Für den Fall, dass nicht alles nach Wunsch verläuft, wollen Bergmann und Bruns ihr Projekt für die Absicherung durch staatliche Euler-Hermes-Bürgschaften fit machen. „Ich beschäftige mich gerade mit den Vorbereitungen für einen entsprechenden Antrag“, sagt Bruns. Gemeinsam mit Peter Bergmann will er potenzielle Investoren in Kürze zu einer ersten Informationsveranstaltung einladen.
Für sein Projekt hat sich Peter Bergmann (links) auf vielen Ebenen Unterstützer gesucht. Einer ist der Agrarökonom Dr.Felix Bruns. Foto: Christoph Lützenkirchen,
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LEBEN & LEIDENSCHAFT
370 Weizen nkörner für fü ü einen „Kurzen“ Schierhölter ist eine von n wenigen Brennereien, die das ass verarbeitete Getreide Gee noch selbst anbauen VON NINA KALLMEIER GLANDORF. Otto Schierhölter ist
auf seinem Gebiet einer der letzten Mohikaner: Die Familienbrennerei baut das Getreide, aus dem der Korn gemacht wird, auf 40 Hektar Feldern noch selbst an. Auch wenn das Image des Schnapses in den vergangenen Jahren gelitten hat, sieht der Unternehmer dennoch eine Zukunft.
Im Spätsommer stehen sie in ihrer goldgelben Pracht, die Roggenund Weizenfelder, die zum Hof des Glandorfer Unternehmers Otto Schierhölter gehören. Immerhin braucht er 100 Kilogramm Getreide, um 36 bis 38 Liter 80-prozentigen Rohalkohol herzustellen. Daraus wird, mit Wasser verdünnt, der Korn, für den die Brennerei bekannt ist. Auf die 0,7-Liter-Flasche gerechnet, heißt das: Für jede werden etwa 13 000 Weizenkörner benötigt – in jedem „Kurzen“ stecken immerhin noch 370 Weizenkörner. Seit jeher kommt bei Schierhölter alles aus einer Hand: Die Rohstoffe werden auf den eigenen Feldern angebaut, die historisch bedingt sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch in Niedersachsen liegen, die Brennerei ist auf dem Hof untergebracht, und die fertigen Flaschen werden anschließend mit eigenen Fahrern und Fahrzeugen in einem Radius von 80 bis 100 Kilometern an den Getränkehandel ausgeliefert. Die Gastronomie wird kaum noch beliefert. „Das ist dem Strukturwandel dort geschuldet. Es rechnet sich nicht mehr, da müssen wir uns der wirtschaftlichen Realität stellen“, sagt der Unternehmer. Es ist also rundum ein Produkt aus der Region, für die Region, das auf dem Schierhölter’schen Hof produziert wird. „Handwerkliche Brennereien werden immer weniger. Nur rund eineinhalb Prozent der Kornmenge kommt von Unternehmen wie uns“, bedauert er. Das sei schade, denn was die großen Alkoholfabriken nicht könnten, sei Geschmack, sagt der Unternehmer mit einem Augenzwinkern. „Der kommt aus der Region, wo das Getreide steht und das Wasser genutzt wird.“ All das trage zum Charakter und der Identität des Korns bei, der ähnlich wie Bier einem Reinheitsgebot unterliegt: Nur das ganze Korn von Hafer, Buchweizen, Gerste, Roggen und Weizen wird zu Korn gebrannt, erklärt Schierhölter, dazu kommen Alkohol und Wasser, mehr nicht. „Sobald Geschmacksstoffe mit reinkommen, darf das Produkt nicht mehr Korn heißen.“ Viel ändern, um auf der Zunge ein Feuerwerk zu entfachen, lässt sich also nicht. Was bliebe, sei den Geschmack durch die Lagerung zu beeinflussen, zum Beispiel im Holzfass. Das sei jedoch eine teure Angelegenheit, sagt Otto Schierhölter. Zumal pro Jahr zwei bis drei Prozent des Alkohols im Fass verdunste. „Die Bereitschaft im Markt, diese Preise zu zahlen, ist begrenzt.“ Zumal Holzfässer nur schwer zu bekommen seien. „So einen Brand herzustellen, würde aber zu uns passen.“ Doch nicht nur die Lagerung, auch die Getreidesorte beeinflusst den Geschmack. Rund 80 Prozent des Korns bei Schierhölter wird traditionell mit Weizen gebrannt. Für 20 Prozent verwendet das Unternehmen Roggen. „Dass es das gibt, wissen viele gar nicht“, erzählt Schierhölter, der seit 1982
Von der Ähre bis zur fertigen und ausgelieferten Flasche Korn: Bei Schierhölter laufen in Glandorf alle Fäden zusammen. Seit Oktober wird der auf den eigenen Feldern angebaute Weizen und Roggen in der Brennerei verarbeitet. Aber auch verschiedene Liköre stellt das Unternehmen selbst her. Fotos: Schöning Fotodesign
die Brennerei führt. Der Schnaps werde würziger und kräftiger, beschreibt der Experte. „Wenn nach Betriebsbesichtigungen bei uns Verkostungen stattfinden, wird diese Sorte oft bevorzugt.“ Allerdings: Steht der Kunde vor dem Supermarktregal, sehe die Sache etwas anders aus. „Korn aus Weizen ist einfach bekannter und verkauft sich daher besser.“ So richtig sexy ist Korn, den schon Heinz Erhard besang, heute allerdings nicht. Leider, sagt Otto Schierhölter, denn er werde unterschätzt. „Korn ist ebenso vielseitig wie Wodka und für Mixgetränke geeignet“, ist der Unternehmer überzeugt. Auch wenn für ihn selbst der Korn nur pur ins Glas kommt. Da ist er von der alten Schule. Der Schnaps leidet weiter unter einem schlechten Image. Das hat auch Auswirkungen auf die Mengen, die in Glandorf produziert
„Unsere Zukunft liegt im Korn.“ Otto Schierhölter
Foto: Colourbox.de
werden. „Als mein Vater die Brennerei geführt hat, haben wir noch 155 000 Liter reinen Alkohol gebrannt. Darauf war unser Brennrecht ausgelegt.“ Heute sind es zwischen 85 000 und 90 000 Liter, aus denen dann die verschiedenen Sorten entstehen. In den vergangenen 15 Jahren seien die Mengen parallel zum Markt zurückgegangen. „Es werden insgesamt weniger Spirituosen getrunken.“ Für Schierhölter eine Frage des Images, denn an der Qualität mangele es nicht. Ebenso wenig am Getreide, trotz Dürre in diesem Jahr. „Wir brennen die für den Kornabsatz benötigte Menge“, betont Schierhölter. „Wir bauen in der Landwirtschaft regelmäßig mehr Getreide an, als wir zum Brennen benötigen. Die nicht benötigte Menge wird als Viehfutter verkauft.“ Auch die Getreidepreise sieht der Unternehmer stabil. „Durch günstige Importe aus dem Ausland sind sie ausgeglichen.“ Eine Rohstoffknappheit kann er nicht sehen. Seit Oktober wird wieder Getreide auf dem Hof zu Alkohol verarbeitet. Korn pur macht zwar rund 50 Prozent der verkauften Ware aus, ist aber allerdings längst nicht mehr der einzige Alkohol, der aus dem Hause Schierhölter kommt. Unter anderem werden auch Kräuterliköre – allerdings auf Wodkabasis, der zugekauft wird – hergestellt, ebenso wie Fruchtliköre. Das Weizenkorn für diese kommt jedoch wieder vom eigenen Feld. Auch aktuelle Trends versucht das Familienunternehmen aufzugreifen. So arbeitet es mit einem Mastersommelier zusammen und vertreibt Gin und zwei Rumsorten. „Der holzfassgereifte Rum kommt aus der Karibik und wird bei uns abgefüllt“, erklärt der Unternehmer. Ebenso wie der Gin. Ein Jahr lang ist das Projekt entwickelt worden. Für Schierhölter könnte Rum nach Gin zum neuen Trendgetränk werden. Selbst Gin herstellen kann das Unternehmen nicht. „Dafür sind unsere Brennapparate nicht geeignet“, erklärt Otto Schierhölter. „Wacholderdestillat zu brennen wäre der nächste logische Schritt. Das ist momentan aber noch eher eine Idee als ein konkreter Plan.“ Allerdings, eine dritte Kornspezialität wurde bereits gebrannt und steht kurz vor der Markteinführung, so der Unternehmer. Sich breit aufzustellen, um am Markt wahrgenommen zu werden, ist das
Was Otto Schierhölter freut: Langsam gewinne der Korn wieder an Ansehen. „Wie lange der Trend anhält, wird sich zeigen. Ich gehe aber davon aus, dass wir das Tal durchschritten haben.“ Es brauche aber das Bewusstsein, dass es noch etwas anderes neben Wodka, Gin
Ziel des Glandorfers. Dabei soll auch die Regionalität noch weiter in den Vordergrund gerückt werden. „Das wird nicht nur bei Lebensmittel wertgeschätzt“, ist Otto Schierhölter überzeugt, der in Brennerei, Büro und Logistik acht Mitarbeiter beschäftigt
und Rum gibt. Schierhölter hofft auf ein Revival des Korns — aber auch, dass er bewusster getrunken wird. In dem Schnaps liegt für den Unternehmer weiter eine Zukunft. Und die nächste Generation mit Interesse am Korn gibt es bereits auf dem Hof.
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LEBEN & LEIDENSCHAFT 28.01.2019 | 17.00 UHR
TERMINE
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30.01.2019 | 13.00 UHR Die Reform des Bauvertragsrechts (Seminar in Osnabrück) IHK OSNABRÜCK-EMSLAND-GRAFSCHAFT BENTHEIM, NEUER GRABEN
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11.01.2019 | 08.30 UHR
31.01.2019 | 14.00 UHR
Change Management und KVP (Workshop in Lingen/Ems)
„So werden Sie zur Arbeitgebermarke“ (WIGOS-Seminar)
HOCHSCHULE OSNABRÜCK, CAMPUS LINGEN, KAISERSTRASSE 10C Landesbestenehrung 2018 der IHK Niedersachsen: Insgesamt 19 Spitzen-Azubis aus der Region Osnabrück-
16.01.2019 | 10.00 UHR
Emsland-Grafschaft ftt Bentheim wurden ausgezeichnet.
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Bundespräsident Steinmeier (l.) besuchte die Robotation Acarting t damy Foshan der Hart rting t Technologiegruppe. Foto: Hart
Existenzgründung in Osnabrück (Gründerhaus-Veranstaltung)
RATHAUS BRAMSCHE, HASESTRASSE 11, BRAMSCHE
INNOVATIONSZENTRUM OSNABRÜCK, ALBERT-EINSTEIN-STR., OSNABRÜCK
17.01.2019 | 09.00 UHR
08.02.2019 | 08.30 UHR
Aktuelle Änderungen im Zollund Außenwirtschaftsrecht
Lean Maintenance und schnelles Rüsten (MEMA-Workshop)
IT.EMSLAND IT-ZENTRUM, KAISERSTRASSE 10B, LINGEN
HOCHSCHULE OSNABRÜCK – CAMPUS LINGEN, KAISERSTRASSE 10C
21.01.2019 | 17.00 UHR
INNOVATIONSCENTRUM OSNABRÜCK, ALBERT-EINSTEIN-STR., OSNABRÜCK
09.02.2019 | 09.00 UHR Stabwechsel: Mart rtin t Schlichter (r.) übergab sein Amt an den
Insgesamt 13 Landessieger kommen aus der Region: die anwesenden Junghandwerker mit Kammerpräsident
neu gewählten IHK-Präsidenten Uwe Goebel.
Reiner Möhle (r.) und Hauptgeschäft ftsführer t Sven Ruschhaupt (l.).
Foto: IHK
Foto: Detlev Heidelberg
23.01.2019 | 07.45 UHR
Berufsinformationsmesse: ABI Zukunft Lohne GYMNASIUM LOHNE, AN DER KIRCHENZIEGELEI 12, LOHNE
13.02.2019 | 09.00 UHR
Neue Arbeitswelten (MEMA – Netzwerk der Emsland GmbH)
Jahresabschluss und Bilanzanalyse (IHK-Seminar)
NINO-HOCHHAUS, NINO-ALLEE 11, NORDHORN
IHK OSNABRÜCK-EMSLAND-GRAFSCHAFT BENTHEIM, NEUER GRABEN
24.01.2019 | 14.00 UHR
19.02.2019 | 09.00 UHR
Erfolgreich auf Messen (WIGOS-Seminar in Osnabrück)
Rhetorik für Auszubildende (IHK Seminar in Nordhorn)
KREISHAUS OSNABRÜCK, AM SCHÖLERBERG 1, OSNABRÜCK
HOTEL AM STADTRING, STADTRING 31, NORDHORN
21.01.2019 | 17.00 UHR Existenzgründung in GMHütte (Gründerhaus-Veranstaltung)
KREISHAUS OSNABRÜCK, AM SCHÖLERBERG 1, OSNABRÜCK
07.02.2019 | 17.00 UHR
Ideen-Check in Bramsche (Gründerhaus-Angebot)
Steuern – Experten-Vortrag in Osnabrück (Gründerhaus)
WALDHOTEL LINGEN, LOHNER STRASSE 1, LINGEN
Der HR-Ex Excellence-Award x ging an MUUUH! (Osnabrück) und LIST Gruppe (Nordhorn) für die beste Recruiting-Kampagne 2018. Foto: HR Excellence Ex x Awards
Bühne frei für B&K: Das zur Weller-Gruppe gehörende Autohaus (BMW/Mini) öff ffnete f seine Türen und ließ Chef Burkhard Weller (3.v.l.) strahlen. Foto: Weller-Gruppe
21.02.2019 | 09.00 UHR Vom Mitarbeiter zur Führungskraft (IHK-Seminar in Lingen)
RATHAUS GEORGSMARIENHÜTTE, OESEDER STRASSE 85, GMHÜTTE
WALDHOTEL LINGEN, LOHNER STRASSE 1, LOHNE
25.01.2019 | 10.00 UHR
22.02.2019 | 08.30 UHR
Gartenträume Lingen 2019 (Messe auch am 26. und 27.01.)
Lean Leadership Development (MEMA-Workshop in Lingen)
EMSLANDHALLEN, LINDENSTRASSE 24A, LINGEN
HOCHSCHULE OSNABRÜCK CAMPUS LINGEN, KAISERSTRASSE 10C
26.01.2019 | 09.30 UHR
25.02.2019 | 09.00 UHR
Zuchtschau: 43. Internationalen Osnabrücker Schwarzbunt-Tage
Lohn- und Gehaltsabrechnung (IHK-Seminar in Osnabrück)
HALLE GARTLAGE, SCHLACHTHOFSTRASSE 48, OSNABRÜCK
Virt rtuelle t Realität begeistert rt: t Landrat Michael Lübbersmann beim revis3d-Firmenbesuch. Foto: WIGOS/Wiebrock
Rudolf Küster leitet jetzt das Klinikum Osnabrück. Foto: Klinikum OS
Uwe Dominik (M., domi-tec, Osnabrück) erhielt den TASPO Award für die Geschäft ftsidee t 2018.
Foto: Schwarz/Rennecke
IHK OSNABRÜCK-EMSLAND-GRAFSCHAFT BENTHEIM, NEUER GRABEN
DONNERSTAG, 20. DEZEMBER 2018
VERLAGS-SONDERVERÖFFENTLICHUNG
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ENERGIE UMWELT
DONNERSTAG, 20. DEZEMBER 2018
VERLAGS-SONDERVERÖFFENTLICHUNG
ENERGIE & UMWELT
„Die Preisgestaltung ist deutlich überzogen“ ADAC-Pressesprecherin Alexandra Kruse: Transportkostenanteil spielt nur eine sehr kleine Rolle
VON SIEGFRID SACHSE OSNABRÜCK. Der ADAC hält die
bundesweite Preisgestaltung an den Zapfsäulen „für deutlich überzogen“. Die Auswirkungen von Niedrigwasserperioden könnten die Transportketten des Güterfrachtverkehrs zwar temporär beeinflussen und die Transportkosten erhöhen, laut Gesetzgeber mache dies aber lediglich drei bis fünf Cent pro Liter aus, da der Transportkostenanteil bei der Zusammensetzung des Benzinpreises nur eine sehr kleine Rolle spiele, betont Alexandra Kruse, Pressesprecherin des ADAC Niedersachsen/Sachsen-Anhalt. Die besten Zeiten zum Tanken seien einer Untersuchung zufolge zwischen 15 und 17 Uhr sowie 19 und 22 Uhr.
Frau Kruse, 2018 ist kein gutes Jahr für Autofahrer. Nicht nur der Dieselskandal und Fahrverbote sorgen immer wieder für negative Schlagzeilen, auch die hohen Kraftstoffpreise sind ein Ärgernis. Der ADAC kritisiert in diesem Zusammenhang, der kontinuierliche Anstieg der Spritpreise sei weder mit dem Wetter hinreichend zu erklären noch mit dem Niedrigwasser an Rhein und Main, dass zu punktuellen Lieferschwierigkeiten führte. Können Sie Ihre Kritik an der Preispolitik der Ölkonzerne konkretisieren? Der ADAC hält die bundesweite Preisgestaltung an den Zapfsäulen für deutlich überzogen. Zwar ist das Niedrigwasser an Rhein, Main und Mosel bei der Beurteilung des Marktes zu berücksichtigen. Allerdings herrschen Trockenheit und Dürre in den betroffenen Gebieten bereits seit Monaten, während ein deutlicher bundesweiter Preisanstieg an den Tankstellen erst Anfang Oktober sichtbar wurde. Damals hatte Rohöl seinen Jahres-
Die Autofahrer hätten zumindest mehr Marktmacht und letztlich auch Einfluss auf die Preise, wenn sie konsequent vergleichen und den günstigsten Anbieter ansteuern würden. Grundsätzlich hängt der Erdölpreis allerdings von der Weltkonjunktur und den aktuellen geopolitischen Rahmenbedingungen ab und schwankt im Verlaufe eines Jahres sehr stark.
höchstpreis von rund 85 Dollar für ein Barrel der Sorte Brent bereits überschritten, inzwischen ist das Barrel auf unter 60 Dollar gesunken. Diese Entwicklung haben die Mineralölkonzerne nicht an die Verbraucher weitergegeben. Die Auswirkungen von Niedrigwasserperioden im Rhein können die Transportketten des Güterfrachtverkehrs zwar temporär beeinflussen und die Transportkosten erhöhen, laut Gesetzgeber macht dies aber lediglich 3 bis 5 Cent pro Liter aus, da der Transportkostenanteil bei der Zusammensetzung des Benzinpreises nur eine sehr kleine Rolle spielt. Einige Tankstellen im Westen und Süden der Bundesrepublik mussten wegen Spritmangel sogar vorübergehend schließen oder einzelne Zapfsäulen sperren. Wie alarmierend ist diese Entwicklung? Es handelt sich um punktuelle Lieferschwierigkeiten. Das Schließen von Tankstellen ist dem ADAC nicht bekannt. Von einer alarmierenden Entwicklung zu sprechen, wäre überzogen. Das Problem liegt in der Binnenschifffahrt selbst, die ca. 25 Prozent des Gesamtgüterverkehrsaufkommens in Deutschland abwickelt. Betrachtet man die Flottenentwicklung, zeigt sich, dass es zwar weniger Schiffe gibt, dafür aber die Tragfähigkeit pro Schiff steigt. D. h. die Schiffe werden immer größer und benötigen eine tiefere Fahrrinne. Das könnte bedeuten, dass sich die Situation verschärft, wenn wir künftig häufiger Extremwetterereignisse haben. Welche Möglichkeiten haben die Autofahrer, den hohen Kraftstoffpreisen wenigstens etwas zu trotzen? Durch regelmäßige Preisvergleiche in der näheren Umgebung. Wer die Schwankungen im Tages-
Alexandra Kruse ist Pressesprecherin des ADAC Niedersachsen/Sachsen-Anhalt. Foto: ADAC
verlauf beachtet und immer dann tankt, wenn es am günstigsten ist, kann deutlich sparen. Aber auch eine optimierte Fahrweise, also rechtzeitiges Hochschalten und vorausschauendes Fahren, kann sich positiv auswirken. Unterstützung beim Preisvergleich bietet übrigens die Smartphone-App „ADAC Spritpreise“. Ausführliche Informationen zum Kraftstoffmarkt gibt es auch unter www.adac.de/tanken. Gilt die alte Faustregel noch, dass Benzin morgens eher teurer und nachmittags günstiger ist? Die Zeiten, in denen die Autofahrer sich darauf verlassen konnten, dass die Kraftstoffpreise nachts am höchsten sind und im Lauf des Tages bis zum Abend kontinuierlich sinken, sind fürs Erste vorbei. Unsere Auswertung zeigt, dass mehrere unterschied-
lich große Preisspitzen den Tagesverlauf kennzeichnen. Die mit Abstand teuerste Zeit zum Tanken im 24-Stunden-Verlauf ist morgens zwischen 6 und 9 Uhr. In diesem Zeitraum übersteigt der Preis je Liter den Tagesdurchschnittswert um bis zu sechs Cent. Basis der Untersuchung waren sämtliche Preisbewegungen der gut 14.000 Tankstellen in Deutschland im Mai 2018. Die besten Zeiten zum Tanken sind demnach zwischen 15 und 17 Uhr sowie 19 und 22 Uhr. Laut einer vom ADAC beim Düsseldorfer Institut für Wettbewerbsökonomie in Auftrag gegebenen Studie zum Kraftstoffmarkt vergleichen 41 Prozent der Autofahrer nie oder nur selten die Preise vor dem Tanken. Ermuntert dieses Ergebnis nicht die Ölkonzerne, willkürlich an der Preisschraube zu drehen?
Wie beurteilen Sie die Arbeit der von der Bundesregierung beschlossenen Markttransparenzstelle für Benzin und Diesel? Die Markttransparenzstelle für Kraftstoffe sorgt für eine bessere Übersicht für die Verbraucher, ist also eine wichtige Informationsquelle. Wünschenswert wäre, dass die Autofahrer diese Informationen noch häufiger nutzen und durch konsequentes Beobachten und Vergleichen den Wettbewerb unter den Mineralölkonzernen stärken. Noch immer hält sich hartnäckig das Gerücht, die Spritpreise legten grundsätzlich vor allem während der Ferienzeit zu. Ist dies tatsächlich noch der Fall? Die Preise schwanken täglich sehr stark, was es grundsätzlich erschwert, jahreszeitliche Spitzen auszumachen. Trotzdem beobachten wir immer wieder, dass die Preise an den klassischen Ferienreise-Wochenenden und vor langen Feiertagswochenenden ansteigen. Immer dann, wenn besonders viele Autofahrer unterwegs sind. Was halten Sie von Preisregulierungsmodellen wie in Österreich oder Australien? Kann dadurch tatsächlich eine positive Wirkung auf die Preisgestaltung am Kraftstoffmarkt erreicht werden? Eine Preisregulierung der deutschen Kraftstoffmärkte in
enger Anlehnung an die Modelle in Österreich oder Australien ist nicht empfehlenswert, weil sie zusätzliche Preisabspracherisiken birgt. Der weltweit größte Ölexporteur Saudi-Arabien will gemeinsam mit anderen Förderstaaten den Ölpreis international durch eine Reduzierung der Produktion stützen. Was halten Sie von dieser Strategie? Der Kraftstoffpreis reguliert sich nach dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Eine Reduzierung der Produktion würde bei stabiler Nachfrage zu einem Preisanstieg führen. Aus Verbrauchersicht ist diese Entwicklung nicht wünschenswert. Sie setzt allerdings voraus, dass alle Wettbewerber, d. h. die Erdöl-exportierenden Staaten, eine solche Preispolitik unterstützen. Wie beurteilen Sie die Auswirkungen der Anfang November in Kraft getretenen US-Sanktionen gegen den Iran, die vor allem den Finanz- und Ölsektor des drittgrößten OPEC-Produzenten treffen sollen? Aktuell sind die Auswirkungen der US-Sanktionen gegen den Irak nicht so negativ wie befürchtet. Der Ölpreis fällt eher, als dass er steigt. Das liegt daran, dass es, anders als zunächst vorgesehen, Ausnahmeregelungen für acht Länder gibt, darunter die vier größten Ölimporteure. Der Iran exportiert also weiter, das heißt, das weltweite Öl-Angebot wird nicht kleiner, zumal auch Saudi-Arabien evtl. Engpässe ausgleichen will. Noch ist der Markt relativ entspannt. Ob das auf lange Sicht so bleibt, ist allerdings unsicher. Insgesamt könnte der Export aus dem Iran zurückgehen und sobald es Konflikte im Nahen Osten gibt, wird sich das auch auf den Ölpreis auswirken.
Der notwendige Zwischenstopp an der Tankstelle wird zurzeit vielen Autofahrern vergrault.Die Preise für Kraftstoffe bewegen sich in einem Rahmen,der das Mobilsein sehr kostspielig macht.Kritiker meinen,dass die Preisgestaltung an den Zapfsäulen stark überzogen ist.
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DONNERSTAG, 20. DEZEMBER 2018
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ENERGIE & UMWELT
Tankstellen setzen verstärkt auf neue Einnahmequellen Shop-Geschäft verstärkt die Überlebenschancen beim Ringen um die Autofahrergunst
VON SIEGFRID SACHSE OSNABRÜCK. In Deutschland gibt
es immer weniger Tankstellen. Während vor etwa 50 Jahren noch mehr als 46 500 Stationen um die Gunst der Autofahrer buhlten, schrumpfte das Tankstellennetz im Verlauf der Jahre stetig auf 14 478 Ende 2017/Anfang 2018. Allerdings hat sich das Tempo des Tankstellensterbens vor allem in jüngster Zeit deutlich verlangsamt. Im vergangenen Jahr schrumpfte das Netz in Deutschland lediglich noch um 24 Einheiten.
Die größten Rückgänge waren in den 60er und 70er Jahren zu verzeichnen. So dünnte sich das Tankstellennetz allein in der Bundesrepublik, also ohne die DDR, zwischen 1970 und 1980 von 45 849 Stationen auf 27 026 Einheiten aus. Deutschland sowie Großbritannien und Frankreich haben mittlerweile die geringste Dichte an Benzinstationen in Europa. Berechnet wird dies im Verhältnis zu den Fahrzeugflotten der vorgenannten Länder. Grund für die Netzbereinigung: Um die Wettbewerbsfähigkeit
langfristig zu steigern, werden umsatzschwächere, oft kleinere Standorte von Konzernen entweder ganz aus dem Angebot herausgenommen oder an Mittelständler abgetreten. Tankstellen an adäquaten bestehenden Plätzen werden hingegen modernisiert und in ihrer Shop-Qualität an die Konzernstandards angepasst. Einer Branchenstudie des Forschungsinstituts Scope Ratings zufolge liefert diese konsequente Neuorientierung nach Größe und Standort für mittelständische
Tankstellenunternehmer Chancen, ihr Netz gezielt auszuweiten. Sie könnten so von dem Konsolidierungsdruck der Mineralölkonzerne profitieren, heißt es in der Analyse. Aktuell werden inzwischen gut 2700 Tankstellen vom Mittelstand unter eigenen Marken geführt. Darüber hinaus ist dieser Bereich auch an circa 600 bis 700 Tankstellen Kooperationspartner von Aral, Shell und Total. Rund 25 Prozent der Treibstoffe in Deutschland werden von den freien Tankstellen verkauft. Auch eu-
Nach dem Tanken noch schnell im angeschlossenen Shop einkaufen – ein Angebot, dass immer mehr Kunden nutzen und damit den Tankstellen-Betreibern Geld in die Kassen bringen.
ropaweit ist ein Trend zu mehr Mittelstand zu verzeichnen. Da die Tankstellenbetreiber allein durch den Spritverkauf relativ wenig Überlebenschancen haben, setzen sie verstärkt auf neue Einnahmequellen. So ist im Laufe der Jahre das Shop-Geschäft nachhaltig angestiegen. Dieser Trend wird sich nach Einschätzung der Scope-Studie fortsetzen. Aufgrund des veränderten Mobilitätsverhalten der Menschen, zunehmender Shop-Attraktivität und der Flexibilität durch fast durchgängige Öffnungszeiten sei der TankstellenShop für viele Konsumenten attraktiv, heißt es in diesem Zusammenhang. Die wichtigste Produktgruppe bei vielen TankstellenShops sind weiterhin die Tabakwaren, auf die gut 60 Prozent des Shop-Umsatzes entfallen. Es folgen die Produktgruppen Getränke und Telefonkarten. In den vergangenen Jahren wurde das Waren- und Dienstleistungsangebot an Tankstellen immer weiter ausgebaut. So sind Geldautomaten, Briefkästen oder auch der Verkauf von Non-FoodArtikeln wie Geschenkkarten und E-Loading zum Aufladen von Prepaid-Guthaben heute keine Selten-
Reifenwechsel an der Tankstelle des Vertrauens: Insgesamt haben aber die Reparaturwerkstätten an den Tankstellen an Bedeutung verloren.
heit mehr. Auch weitere angeschlossene Geschäftsfelder wie Autovermietung , Back- und Kaffeeshops, Bistroecken, Fast-Food-Angebote sowie W-Lan-Service werden laut Scope-Studie bereits von vielen Tankstellen-Shops angeboten. Im Gegensatz zum Shop-Geschäft haben Reparaturwerkstätten an Tankstellen in den vergangenen Jahren an Bedeutung verloren. Dieser Umstand wird in der Scope-Branchenstudie mit technologischen Veränderungen im Automobilbereich erklärt. War eine Autoreparatur lange Zeit mit mechanischen Werkzeugen möglich, so sei heute eine Vielzahl sehr spezieller Diagnosegeräte notwendig, um die Fehlerbehebung zu ermöglichen. Für diese Geräte sind laut Studie wiederum hohe Investitionen erforderlich, die lediglich mit einer großen Anzahl von Aufträgen amortisiert werden können. Und in dieser Hinsicht stoßen Tankstellenwerkstätten schnell an ihre Grenzen. Mit einem Marktanteil von rund
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21,5 Prozent gemessen am Kraftstoffabsatz hat Aral auch 2017 seine Spitzenposition am deutschen Markt behauptet, gefolgt von Shell und Total. Auf dem vierten Platz befindet sich Esso, die ihr deutsches Tankstellennetz an EG Deutschland verkauft hat, eine Tochter der EG Group Limited aus Großbritannien. Dass Aral seine Marktführerschaft klar behaupten konnte, wird auch mit der erfolgreichen Entwicklung im Shop-Geschäft begründet. In diesem Bereich baut die Gesellschaft die strategische Partnerschaft mit REWE weiter aus. Das neue REWE To Go-Shopkonzept zielt darauf ab, die Bedürfnisse der mobilen Kunden nach frischen und frisch zubereiteten, qualitativ hochwertigen sowie gesunden Snacks und Speisen zum Unterwegsverzehr zu befriedigen. Zum Jahresende 2017 hat das Bochumer Unternehmen bereits 235 Tankstellen auf das neue Konzept umgestellt, bis 2021 will Aral insgesamt bis zu 1000 Stationen umrüsten.
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DONNERSTAG, 20. DEZEMBER 2018
VERLAGS-SONDERVERÖFFENTLICHUNG
ENERGIE & UMWELT
Auch der Energieverbrauch im Gebäudesektor muss sinken Studie: Deutlich mehr ältere Häuser sollten energetisch auf Vordermann gebracht werden
s.sa.OSNABRÜCK/KÖLN. Verheerende Stürme, Wetterextreme, Überschwemmungen, Erdrutsche, Dürreperioden und Trinkwassermangel – der ebenso oft beschworen wie verharmloste Klimawandel ist kein hysterisches Horrorszenario, sondern schon längst Realität. Wenn es nicht gelingt, den CO2-Ausstoß nachhaltig und deutlich zu verringern, droht der globale Klimakollaps. Um das Schlimmste abzuwenden, reicht es schon längst nicht mehr, immer wieder nur halbherzige politische Entscheidungen zu treffen. Umweltverbände sprechen bereits von einem klimatischen Offenbarungseid, einem Armutszeugnis und einer Bankrotterklärung. Zweifellos ist der Klimawandel nicht zu stoppen. Man kann aber etwas dafür tun, dass er langsamer voranschreitet. Doch nur wenn sich die Nationen weltweit auf gemeinsame Maßnahmen einigen, kann der Kampf gegen die Erderwärmung Erfolg haben. Auch Deutschland hinkt beim Klimaschutz seinen selbst gesteckten Zielen weit hinterher. Dies nicht zuletzt deshalb, weil viele sich bieEnergie & Umwelt Verlags-Sonderveröffentlichung am Donnerstag, 20. Dezember 2018 Herausgeber: Verlag Neue Osnabrücker Zeitung GmbH & Co. KG, Breiter Gang 10–16, 49074 Osnabrück, Telefon 05 41/310-0 Redaktion: Neue Osnabrücker Zeitung GmbH & Co. KG V.i.S.d.P.: Ralf Geisenhanslüke Konzeption und Umsetzung: NOW-Medien GmbH & Co. KG, Große Straße 17–19, 49074 Osnabrück, Jürgen Wallenhorst, Siegfrid Sachse Titelgestaltung: Holger Trentmann ANZEIGEN-/WERBEVERKAUF: MSO Medien-Service GmbH & Co. KG, Große Straße 17–19, 49074 Osnabrück Geschäftsführer: Sven Balzer, Sebastian Kmoch (V.i.S.d.P.) Verantwortlich für Anzeigen-/Werbeverkauf: Sven Balzer, Marvin Waldrich (E-Mail: anzeigen@mso-medien.de) Druck: NOZ Druckzentrum, Weiße Breite 4, 49084 Osnabrück
tende Möglichkeiten nicht realisiert werden. Wenn das Land seine klimapolitischen Ziele erreichen will, muss zum Beispiel auch der Energieverbrauch im Gebäudesektor sinken. Dafür müssen deutlich mehr ältere Häuser als bisher energetisch auf Vordergramm gebracht werden. Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln zeigt, wie eine erfolgreiche Sanierungsstrategie aussehen kann. Um mindestens 80 Prozent soll nach den Vorstellungen der Bundesregierung der sogenannte Primärenergiebedarf im Gebäudesektor bis 2050 sinken. Das bedeutet, dass Ein- und Mehrfamilienhäuser künftig wesentlich weniger Energie zum Heizen und zur Wärmewasserversorgung benötigen dürfen als heute. Und diese Energie muss zudem verstärkt aus erneuerbaren Quellen stammen. Ziel ist ein nahezu klimaneutraler Gebäudebestand. Neubauten, die den höchsten Energiestandard genügen, können zu diesem Ziel wenig beitragen – dazu ist die Bautätigkeit im Verhältnis zu Bestand zu gering, heißt es in der Studie des Kölner Instituts. Priorität muss daher laut den Experten die Sanierung jener Gebäude haben, die vor dem, Inkraft-
Wenn eine Renovierung ansteht, sollte man daran denken, dass gerade auch bei älteren Gebäuden eine energetische Grundsanierung sinnvoll sein kann,damit der Energieverbrauch im Gebäudebestand gesenkt wird. Foto: iStock
treten der Ersten Wärmeschutzverordnung im Jahr 1977 errichtet wurden. Vor allem die Häuser aus den 1950er bis 1970er Jahren, die mehr als 40 Prozent des Wohnungsbestandes ausmachen, ließen sich oft relativ kostengünstig sanieren. Die mögliche Energieersparnis
sei groß, sodass sich die Kosten häufig in einem angemessenen Zeitraum amortisierten. Wohngebäude der Baujahre 1949 bis 1978 haben den Angaben zufolge im Schnitt einen Primärenergiebedarf von 247 Kilowattstunden je Quadratmeter und
Jahr – das ist fast sechsmal so viel wie der Bedarf von Neubauten. Häuser, die bis 1948 errichtet wurden, benötigten in der Regel zwar noch mehr Energie, eine Sanierung sei allerdings nicht immer möglich oder recht teuer – etwa weil die Fassade als erhal-
UNABHÄNGIGKEIT FÜR PRIVAT UND GEWERBE
Ganzjährig Strom selbst erzeugen pm OSNABRÜCK. Ob im Hotel, im Handwerksbetrieb, im Ferkelstall, im Pflegeheim oder im Einfamilienhaus – wo kontinuierlich Strom und Wärme gebraucht werden, kann effiziente Energiegewinnung die Kosten deutlich senken. Viele Unternehmen haben das ganze Jahr über einen hohen Energiebedarf, sei es durch Heizung, Warmwasser, Elektrogeräte, Serverräume
oder die Beleuchtung. Gerade in solchen Fällen macht sich eine autarke Stromversorgung durch moderne Energietechnik schnell bezahlt. Sonnenstrom vom eigenen Dach, das ist sowohl für Privatpersonen als auch Unternehmer interessant, denn er ist 100 Prozent erneuerbar, wird regional produziert und genutzt. Besitzt man neben einer Photovoltaik-Anlage
(PV-Anlage) auch noch ein Blockheizkraftwerk (BHKW), ist ein weiterer Schritt in Richtung Selbstversorgung getan, denn beide Technologien ergänzen einander perfekt. Die PV-Anlage ist ein hervorragender Stromlieferant, wenn die Sonne scheint – also vor allem im Sommer. In der kalten Jahreszeit kommt hingegen das BHKW zum Zuge, denn es arbeitet am effizien-
testen, wenn neben Strom auch Wärme benötigt wird: in der Heizperiode. Für noch mehr Versorgungssicherheit sorgen Batteriespeicher. Sie sind gut geeignet für den Tagesausgleich. Im Sommer erhält man so den Sonnenstrom auch in der Nacht, während im Winter wiederum der überschüssige Nachtstrom aus dem Blockheizkraftwerk tagsüber nutzbar ge-
macht wird. Neben BHKW und PV ist eine weitere Möglichkeit, ganzjährig Strom im eigenen Hause zu produzieren, im Kommen: die Brennstoffzelle. Bei dieser fortschrittlichen Technologie wird in einem elektrochemischen Prozess Gas in Elektrizität umgewandelt. Vorteil: Die Brennstoffzelle arbeitet unabhängig vom Wetter und vom Wärmebedarf im Gebäude.
tenswert gilt oder gar denkmalgeschützt ist. Gemessen an den ehrgeizigen Klimazielen der Politik und dem großen Energiesparpotenzial, das die Ein- und Mehrfamilienhäuser in Deutschland bieten, ist der bislang betriebene energetische Sanierungsaufwand eher gering – und war bis 2015 sogar rückläufig, heißt es in der Studie. Von allen Bauleistungen an bestehenden Gebäuden entfielen den Angaben zufolge 2016 nur 28 Prozent auf Wärmedämmung, Heizungsmodernisierung und andere energetische Sanierungsmaßnahmen – 2011 waren es noch 32 Prozent. Das Kölner Institut schlägt ein Bündel von Reformen vor, die die Energiewende im Gebäudesektor beschleunigen können. Um die Potenziale des technischen Fortschritts zu nutzen, sollten sich die gesetzlichen Vorgaben künftig stärker daran orientieren, wie viel Kohlendioxid eingespart werden kann – und das „Wie“ den an der Sanierung beteiligten Unternehmen überlassen. Außerdem sollte die Energieberatung verbessert werden. Auch wenn Immobilienbesitzer mittlerweile unter vielen zertifizierten Energieberatern wählen können, wird das Angebot noch zu wenig in Anspruch genommen. Um dies zu ändern, wäre es lauf Studie wichtig, den Begriff des Gebäudeenergieberaters zu schützen sowie die Qualifikationswege und die Beratung selbst zu standardisieren. Dann ließen sich die Leistungen am Markt besser vergleichen. Nach Meinung der Experten würden Hauseigentümer umso eher Sanierungsmaßnahmen ergreifen, je mehr sie sich auf planbare und effektive Förderung verlassen können. Dies ließe sich am besten über Steuernachlässe realisieren, da diese nicht – anders als direkte finanzielle Zuwendungen – von der jeweiligen Lage der öffentlichen Haushalte abhängen. Zudem sollten alle Maßnahmen gefördert werden, die zur Kohlendioxidvermeidung beitragen.