Die Wirtschaft_02/2020

Page 1

Wirtschaftstalk

Bauchgefühl zählt

Handwerk und Gott

Wie kommt die Wirtschaft durch die Krise?

Franz Grimme leitet sein halbes Leben lang die Grimme-Gruppe

Hille de Maeyer ist Handwerkspfarrerin

Krise & Management – Seiten 16 und 17

Macher & Märkte – Seite 3

Leben & Leidenschaft – Seite 22

K Z ACer da iss

www.maler-schulte.de DONNERSTAG, 30. APRIL 2020 AUSGABE 02/20 | EINZELPREIS 1,90 €

OSNABRÜCK | EMSLAND | GRAFSCHAFT BENTHEIM

Was wird aus der Wirtschaft? Branchen stehen vor dem Umbruch, jungen Unternehmen könnte die Finanzierung wegbrechen

4

198252

601901

20002

In dieser Ausgabe:

STANDORTPORTRÄT STADT HASELÜNNE

Martin Niemann leitet jetzt das Gründerhaus

Kurzarbeitergeld und fehlende Zuschüsse sind teils ein Problem. 95 Prozent der Start-up-Ideen lehnen Investoren ohnehin ab.

Wer in Stadt oder Landkreis Osnabrück ein neues Unternehmen gründen möchte, hat einen neuen Ansprechpartner: Martin Niemann hat die Leitung des Gründerhauses Osnabrück.Osnabrücker Land übernommen. Zwar ist die Arbeit im Gründerhaus für ihn Neuland, mit jungen Unternehmern hatte Niemann jedoch auch schon bei seiner vorherigen Aufgabe zu tun: Er hat viele Jahre lang Erfahrung in der Gründungsberatung bei der Wirtschaftsförderung des Kreises Warendorf gesammelt. Außerdem war Niemann mehrere Jahre als selbstständiger Gründungscoach unterwegs, hat Unternehmer, die auf eigenen Füßen stehen wollten, trainiert und beraten. Für ihn wie für seinen Vorgänger gilt: Jede erfolgreiche Gründung braucht eine riesige Motivation. Das Gründerhaus, in dem Niemann jetzt seine Expertise einbringen wird, ist ein gemeinsames Angebot der Wirtschaftsförderungen von Stadt und Landkreis Osnabrück, WFO und WIGOS, und zentrale Anlaufstelle für Existenzgründer in der Region Osnabrück. Seit seiner Gründung 2007 hat das Gründerhaus mehr als 2000 Menschen in die Selbstständigkeit begleitet. Foto: ICA OSNABRÜCK

Ausbildungsjahr nicht aus den Augen verlieren. VON NINA KALLMEIER OSNABRÜCK/MEPPEN/LINGEN/ NORDHORN Zurzeit heißt es

oft: Nach der Krise wird die Wirtschaft in Deutschland nicht mehr so aussehen wie vorher. Doch wird das für alle Branchen zutreffen? Nicht überall herrscht gerade Stillstand. Vor welchen Herausforderungen stehen Unternehmen wie Beschäftigte ? Was wird aus der Start-up-Szene? Und was macht es mit einer Wirtschaft, wenn das Geld für die Umsetzung neuer Ideen fehlt? Schon vor Corona war etwa in der Automobilindustrie der Wandel in vollem Gange. Nun sind Hotels und Gaststätten zwangsweise geschlossen. Nur wenige halten das lange durch. Das Resultat ist ein Umbruch: Schätzungen gehen davon aus, dass ein Drittel der Betriebe am Ende des Tages für immer zusperren könnten. Wer wissen will, welche Konsequenzen das in einer Stadt wie Osnabrück hätte, braucht nur einmal die Restaurants durchzuzählen – dort wo Große Straße, Kamp und Nikolaiort zusammentreffen. Macht jedes Dritte zu, würde das den belebten Platz mitten in der Stadt nachhaltig verändern. Und so ginge es vielen Innenstädten quer durch die Region. Die Corona-Pandemie mit ihrem politisch verordneten Stillstand ist für Gastronomie und Hotellerie insgesamt eine Zäsur – und sie könnte das Aus für unternehmerische Experimente bedeuten, die sich erst noch beweisen müssen. In dieser unsicheren Zeit gründen, wo andere aufgeben? Geldgeber für neue Ideen und Konzepte begeistern? Das wird laut Sebastian Pollok immer schwieriger. Der Bremer ist selbst erfolgreicher Gründer (Amoreli), er ist aber auch Investor und Mitglied im Präsidium des Bundesverbands Deutsche Startups. Er sagt: „Es ist eine außergewöhnliche Situation, in der Start-ups, die es ohnehin in der frühen Phase nicht einfach haben, noch schwierigere Bedingungen vorfinden. Zumal einige mit Produkten unterwegs sind, die man sich in guten Zeiten gönnt, die aber verzichtbar sind.“ Viele stünden jetzt mit dem Rücken zur Wand. Was macht es jedoch mit einer Wirtschaft, wenn für große Ideen kein Platz ist, kein Platz zum Träumen? Wenn sich alle nur noch auf das Wesentliche konzentrieren? Haben nicht viele Unternehmen, die heute zur Schlüsselindustrie gehören, mit einer auf den ersten Blick recht abwegigen Idee begonnen? Die Brüder Wright träumten vom Fliegen, Henry Ford von einem Auto für jedermann, Bauingenieur Konrad Zuse von einem „mechanischen Gehirn“,

WWW.DIEWIRTSCHAFT-GN.DE

einem Computer. Kaum vorstellbar, wären diese Ideen im Keim erstickt worden. Zugegeben: Ideen gibt es zuhauf am Markt, und nicht jede kann zum Hit werden. Nicht nur in Corona-Zeiten müssen Geldgeber daher aus der Vielzahl von Investitionsmöglichkeiten gut auswählen. „Mehr als 95 Prozent der Investitionsangebote lehnen Investoren ohnehin ab, jetzt ist die Selektion noch strenger. Man fokussiert sich auf die bestehenden Investments und schaut, dass sie die Krise überstehen.“ Hier schließt sich der Kreis zu vielen etablierten Unternehmen. Denn ihr Investment, ihre Firma, gut durch die Krise bringen, das wollen auch Geschäftsführer landauf, landab. Ein bewährtes Mittel ist es, die Belegschaft in Kurzarbeit zu schicken. Alleine in Niedersachsen hatten zuletzt knapp 62 000 Unternehmen für insgesamt mehr als 800 000 Mitarbeiter Kurzarbeit angezeigt. Doch Ge-

„Viele Start-ups stehen jetzt mit dem Rücken zur Wand.“ Sebastian Pollok, Mitglied im Präsidium des Bundesverbands Deutsche Start-ups

Illustration:Colourbox.de Montage: MatthiasMichel

schäftsführer sind nicht die einzigen Krisenmanager in vielen Betrieben – hinzu kommen Gewerkschaften, die sich für Beschäftigungssicherung und höhere Kurzarbeitergelder einsetzen. Einer dieser Gewerkschafter in der Region ist Stephan Soldanski, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Osnabrück. Er sagt: „Mehr und mehr müssen wir feststellen, dass sich eine soziale Schieflage auftut: Hatten Beschäftigte bereits vor der Krise ein niedriges Nettoentgelt, so macht sich das mit der Krise jetzt richtig bemerkbar.“ Dramatisch für viele Facharbeiter sei beispielsweise, dass aufgrund von Kurzarbeit aktuell die Nacht- und Wochenendschichtzulagen wegfielen. In den kommenden Monaten werde es also noch mehr um Verteilungsfragen gehen, ist Soldanski überzeugt. Diese Existenzkrise ist für den Gewerkschafter ein Grund, warum das Wirtschaftsleben sukzessive wieder aufgenommen werden müsse. Selbstverständlich unter der Auflage, dass die Gesundheit der Mitarbeiter bestmöglich geschützt wird – und auch mit Blick auf die nächste Generation von Facharbeitern. „Jedes Jahr beginnen über eine halbe Million junger Menschen eine duale Berufsausbildung. Um zu verhindern, dass im Herbst Hunderttausende ohne Ausbildung und ohne Perspektive dastehen, fordern wir die Politik auf, ein

sofortiges Sonderprogramm zur Ausbildungssicherung auf den Weg zu bringen“, so Soldanski. Denn werden Unternehmen das Geld haben, in Ausbildung zu investieren? Für viele geht es zunächst einmal um die pure Existenz. Hier versucht die Politik, mit zahlreichen Förderprogrammen den Betrieben im Land wieder auf die Beine zu helfen. Eine Dauerlösung kann das nicht sein. Zumal in jedem Unternehmen ein Risiko steckt. Auch die großen Ideen wie das Fliegen, das Auto für alle oder der Computer hätten scheitern können. Auch diese Option muss weiterhin – ob während oder nach Corona – zum Wirtschaftsleben dazugehören. Zumal sich die Frage stellt: Wer soll auf Dauer die Billionen-Euro-Programme, die die Politik auflegt, bezahlen? Auf welche anderen Leistungen wird der Staat mittelfristig verzichten? Bei allen Unwägbarkeiten, die die Krise mit sich bringt, sollte eines jedoch in der weiteren Debatte – auch wenn es um Lockerungen der Maßnahmen geht – selbstverständlich sein: Gesundheitsschutz und Wirtschaftsleistung gegeneinander auszuspielen kann nicht die Lösung sein, es muss ein Miteinander geben. Auch um einen Teufelskreis zu durchbrechen. Denn weniger Geld in den Taschen der Mitarbeiter bedeutet auch weniger Konsum – weniger Autokäufe, Kleidung, später weniger Restau-

rantbesuche und Urlaube. Das wiederum bedeutet für die ohnehin durch die Corona-Schließungen gebeutelten Branchen noch weniger Umsätze. Und in der Konsequenz noch mehr Kurzarbeit, Entlassungen oder Insolvenzen. Und damit noch weniger Geld für die Arbeitnehmer. Das würde Wirtschaft und Gesellschaft hart treffen. Konsumschecks oder Steuererleichterungen wären Hebel, um aus der Bevölkerung heraus kurzfristig Impulse in die Wirtschaft zu geben – und so möglicherweise nachhaltiger Branchen auf die Beine zu helfen.

* Nettoprov. Verkauf MFH Deutschland 2018 (immobilienmanager 09/19)


DONNERSTAG, 30. APRIL 2020

MACHER & MÄRKTE

2 E D I TO R I A L

SPEZIAL

MACHER & MÄRKTE

KRISE & MANAGEMENT

CORONA-KRISE

3 | Franz Grimme

9 | Direktvertrieb

Mehr als sein halbes Leben lang ist der Unternehmer nun schon Geschäftsführer der Grimme-Gruppe.

Mit Partys im Wohnzimmer können Tupper, Thermomix & Co heute wenig Kunden locken. Sie suchen andere Vertriebswege.

Der Weg aus der Panik zurück in den Alltag VON BERTHOLD HAMELMANN

4/5 | Biochem im Iran Schon vor Öffnung der niedersächsischen Repräsentanz im Iran hatte Biochem aus Lohne gute Beziehungen in das Land.

6 | Gussek Im Markt für Fertighäuser ist das Nordhorner Unternehmen insbesondere bei Projekten in Süddeutschland gefragt.

7 | Landwirtschaft Die Digitalisierung – im Dialog mit den Landwirten – ist auf den Feldern und Höfen allgegenwärtig.

Foto: dpa/Daniel Naupold

10 | Börsen Foto: Lars Schröer

Auch wenn die Aktienmärkte derzeit keine Rekorde verzeichnen, raten Experten nicht zum Verkauf.

8 | Coppenrath

11 | Preispolitik

Mit 140 verschiedenen Rezepten will der Feinbäcker Coppenrath den Geschmack der Kunden treffen.

Marktforscher Michael Koch erklärt, wie Kunden auf unterschiedliche Preise reagieren.

GELD & GESCHÄFT

LEBEN & LEIDENSCHAFT

13 | Corona-Tagebuch

21 | Whisky

Politische Entscheidungen und ihre Konsequenzen: So erlebte Bioconstruct die Pandemie bislang.

Der Münsteraner Michel Reick ist mit seiner Expertise über Hochprozentiges aus Schottland gefragt.

14 | Homeoffice Burkhard Bensmann spricht über die Herausforderungen von Führungskräften mit Mitarbeitern im Homeoffice.

15 | Verantwortung Erst Anfang des Jahres ist Hendrik Witte als Geschäftsführer und Gesellschafter ins Familienunternehmen eingestiegen.

16/17 | Wirtschaftstalk Marco Graf und Sven Ruschhaupt sprechen über die Kammern als Krisenmanager und Herausforderungen für die Wirtschaft.

Foto: imago images/Panthermedia

18 | Parallelen

22 | Handwerk

Nachgefragt bei Frank Westermann: Gibt es Parallelen zwischen der Corona-Krise und anderen Krisen weltweit?

Hille de Maeyer hat als Handwerkspfarrerin einen ungewöhnlichen Beruf.

19 | Anlagen

23 | Richter

Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater spricht im Interview über den Anlagemarkt in der Krise und Erwartungen für Unternehmen.

Auch ohne Jurastudium trägt die Ernährungswissenschaftlerin Andrea Moggert-Kemper von Zeit zu Zeit die schwarze Robe.

Die Coronakrise beutelt weiter Deutschland und die Welt. Jeder neue Tag bringt dabei Erkenntnisse und Erfahrungen, die viele der bislang getroffenen Entscheidungen in Frage stellen oder gar als unsinnig offenbaren (werden). Das Kennzeichen einer Bilanz besteht nun einmal darin, dass sie immer erst im Nachhinein gezogen werden kann. Oder anders ausgedrückt: Nachher ist man immer schlauer. Nach früheren Aussagen von Lothar Wieler, dem derzeit in den Medien täglich vertretenden Präsidenten des Robert-Koch-Instituts (RKI), kostete die außergewöhnlich starke Grippewelle 2017/18 nach Schätzungen etwa 25 100 Menschen in Deutschland das Leben. Die Zahl der am Corona-Virus gestorbenen Menschen lag am letzten April-Wochenende in Deutschland bei unter 6000. Das offenkundige Problem: Beim Vergleich der Sterbefälle der echten Influenza und Covid-19 stehen sich auf der einen Seite Schätzwerte, auf der anderen die Summe der Todesfälle mit laborbestätigter Infektion gegenüber. Die letzte schwere Grippewelle ist längst aus dem Gedächtnis der Meisten verschwunden, hatte sie doch auch keine spürbaren und nachhaltigen Veränderungen im Lebensalltag bewirkt. Bei Corona ist alles völlig anders. Die neue Krankheit verbreitete sich unkontrolliert in rasender Geschwindigkeit über Kontinente hinweg, wurde schließlich auch von der Weltgesundheitsbehörde (WHO) als Pandemie eingestuft. Das Wichtigste: Bis heute existiert kein Medikament, das zur erfolgreichen Behandlung Erkrankter zur Verfügung steht. Diese angstmachende Erkenntnis war die Basis aller durch die Politik eingeleiteten Maßnahmen. Kontakteinschränkungen haben sich inzwischen auf Ausbreitungsgeschwindigkeit und Zahl der Neuerkrankungen positiv ausgewirkt. Die gewonnene Zeit wurde beispielsweise zur technischen Aufrüstung in Krankenhäusern genutzt, um der befürchteten Überlastung zu entgehen. Ein drohender Kollaps des Gesundheitssystems ist derzeit in Deutschland kein Thema. Im Gegenteil: Die angesichts des erwarteten Ansturms mancherorts seit Wochen leerstehenden Stationen in Krankenhäusern werden jetzt nach und nach wieder für den Normalbetrieb freigegeben.

Nichtsdestotrotz steht bei vielen Corona-Schwererkrankten trotz aufopferungsvoller medizinischer Betreuung am Ende der Tod. Bekannt ist trotz aller Fragezeichen inzwischen auch, dass Bevölkerungsschichten ganz unterschiedlich betroffen sind. Niemand ist gegen eine Virusinfektion gefeit. Menschen ab einem bestimmten Alter und mit Vorerkrankungen gelten als Hochrisikopatienten. Für alle Jüngeren gilt das nicht. Offensichtlich verläuft hier eine Infektion vergleichsweise eher harmlos – ansteckend bleibt dieser Personenkreis aber gleichwohl. Die von der Politik zur Bekämpfung der Pandemie getroffenen richtigen Entscheidungen der ersten Stunde sind selbst bei einer zweiten oder dritten Corona-Welle kein Maßstab mehr. Das abgewürgte Wirtschaftsleben – stets Motor unseres Wohlstands muss schneller als geplant unter Berücksichtigung aller Schutzmaßnahmen wieder hochgefahren werden – im Bewußtsein aller gesundheitlichen Konsequenzen. Pleiten und Insolvenzen mit dann einhergehender Massenarbeitslosigkeit werden ansonsten schnell den Bestand unseres Sozialstaates gefährden, der sich derzeit auch aus der Position der finanziellen Stärke den Luxus erlaubt, wie mit einem Füllhorn finanzielle Hilfen in unvorstellbaren Größenordnungen auszuschütten, um der aktuellen Krisensituation Herr zu werden. Jeder Corona-Euro ist gepumpt, wird in Zukunft schmerzlich fehlen. Ausgeglichene Haushalte gehören bis auf Weiteres der Vergangenheit an. Diese Erkenntnis dürfte niemanden überraschen. Auch die Globalisierung der Wirtschaft wird im Kern nicht zurückzudrehen sein. Das steht fest. Regionaliserung gewinnt aber weiter an Stellenwert.

wir denken nach, entwerfen,

SPITZENTECHNOLOGIEN ZUM SCHUTZ VON MENSCH UND UMWELT

optimieren, wir sind erfinder. SPITZE IN DER REGION. WELTWEIT.

www.rosen-lingen.de www.rosen-group.com


3

DONNERSTAG, 30. APRIL 2020

MACHER & MÄRKTE

Bei Franz Grimme muss das Bauchgefühl stimmen In kleinen Schritten legt der Landmaschinen-Unternehmer seine Aufgaben beim Weltmarktführer in jüngere Hände VON MARCUS ALWES DAMME/RIESTE „Vor zwanzig Jahren waren wir nur Hersteller für Kartoffelerntetechnik, heute haben wir das Komplettprogramm für Kartoffeln, Rüben und Gemüse“, sagt Franz Grimme. Mehr als sein halbes Leben ist der heute 74-Jährige schon Geschäftsführer des Landmaschinenspezialisten. „Wir haben das Produktprogramm nahezu verzehnfacht und das bei steigender Komplexität der Produkte und den gewachsenen Ansprüchen der Kunden.“ Die Grimme-Gruppe ist inzwischen der Weltmarktführer in ihrer Branche. Als Franz Grimme als 34-Jähriger im Jahre 1980 – „es war eine tolle Zeit, wir haben immer Vollgas gegeben“ – die Rolle des Geschäftsführers von seinem Vater übernahm, „hatten wir 350 Mitarbeiter“, erinnert sich der erfolgreiche Unternehmer. Heute seien es deutlich mehr. Der Jahresumsatz damals habe bei etwa 30 Millionen D-Mark gelegen, so Grimme weiter. Inzwischen werde die Gruppe mit knapp unter 500 Millionen Euro und die Landmaschinenfabrik mit rund 310 Millionen Euro notiert. Und nicht nur der Umsatz ist in den vergangenen 40 Jahren deutlich gestiegen. Zudem sei das Stammwerk 1 in Damme irgendwann zu klein geworden, erzählt der 74-Jährige. Aber: „Eine Expansion war am Standort nicht mehr möglich.“ Das Werk 2 wurde bei Rieste und Neuenkirchen-Vörden im weitläufigen Niedersachsenpark an der Autobahn errichtet. Ebenso entstand dort inzwischen eine mehr als 800 Meter lange Teststrecke für selbstfahrende Erntemaschinen. Und auch die Digitalisierung hält immer mehr Einzug. Aus einem im Jahr 1861 gegründeten Schmiede-Betrieb ist rund 160 Jahre später ein Global Player in seinem Segment geworden. Neben den beiden zentralen Grimme-Werken in Damme und Rieste stehen weitere Produktionsstätten im ländlichen Bundesstaat Idaho/USA, südlich von Peking in China sowie in Dänemark. Dazu kommen diverse Vertriebs- und Servicegesellschaften auf drei verschiedenen Kontinenten und ein Joint Venture mit einem indischen Landmaschinen-Hersteller. Weltweit hat die Grimme-Gruppe rund 2700 Mitarbeiter. Geführt wird die Gruppe mit Franz Grimme von einem Mann, der einst Maschinenbau und Betriebswirtschaftslehre in Köln studierte und den Beobachter als einflussreich, aber gleichermaßen auch als bescheiden auftretenden Menschen beschreiben. Sehr natur-

Mehr alssein halbesLebenistFranzGrimmejetztschonGeschäftsführerdesLandtechnikspezialisten.

verbunden sei er zudem, ergänzen andere. Ein Mann, der seine Firma im Blick hat – in guten wie in schlechteren Zeiten. „Es gab und gibt im Markt schon immer starke Schwankungen, da waren auch teilweise heftige Schläge nach unten dabei“, blickt Franz Grimme auf die vergangenen vier Jahrzehnte als Geschäftsführer zurück. Sorgen habe er sich hier und da natürlich gemacht, sagt er, „aber Angst hatte ich nicht. Wir haben eine solide Eigenkapitaldecke und vor allen Dingen ein hoch engagiertes, flexibles Team.“ Gerade auch während der aktuellen Corona-Pandemie sei das „wieder einmal ein Garant für mich, dass wir diese Krise gemeinsam überwinden werden“. Die Globalisierung mit ihren vernetzten Lieferketten ist ein Aspekt, der in dieser Zeit in den Vordergrund tritt. Für den 74-Jährigen ist sie im Kleinen, mit Blick auf das Dammer Unternehmen, schon immer eine besondere Herausforderung gewesen, schildert er. „Anfang der 1980er-Jahre hatten wir das Werk in Damme und waren in circa zwanzig Ländern mit Schwerpunkt

Westeuropa aktiv. Heute sind es 26 eigene Niederlassungen weltweit, zudem sind wir in 120 Ländern über den Fachhandel präsent“, so Grimme. Dieses Wachstum „auch kulturell, technisch und logistisch zu bewältigen ist nach wie vor eine große Herausforderung, aber auch Chance zugleich.“

„Ich will noch zwei bis drei Jahre an der Spitze.“ Franz Grimme über seine Zukunftspläne

Gleichzeitig halte die Digitalisierung „seit über 25 Jahren Einzug in unseren Maschinen, aber auch in der Produktion und in der Verwaltung“. Die Veränderungsgeschwindigkeit sei gewaltig, „und hier immer am Ball zu bleiben beschäftigt uns nahezu täglich“. Doch wie lange beschäftigt dieser Prozess Franz Grimme selbst noch? In seinem Alter sind andere längst in Rente und genießen die neu gewonnene Freizeit. Eigenen Aussagen zufolge will er „noch zwei bis drei Jahre“ an der Spitze seiner international agierenden Landtechnik-Unternehmensgruppe stehen. Doch bereits jetzt nimmt der begeisterte Jäger sich schrittweise „aus dem Alltagsgeschäft zurück“, wie er sagt. Seine Söhne Christoph und Philipp sind unterdessen bereits auf zentralen Positionen in der Führungsetage in Damme und Rieste angekommen. Sie werden ihren Vater, der zusammen mit drei Geschwistern im Südoldenburgischen aufgewachsen ist, wohl irgendwann beerben. Damit übernimmt die inzwischen fünfte Familiengeneration immer mehr Verantwortung. Sohn

Foto: AndreHavergo

Christoph, der selbst erst 32 Jahre alt ist – und damit sogar noch zwei Jahre jünger als sein Vater, als dieser die Geschäftsführung übernahm –, hat bereits in der ersten Reihe der Firmengruppe eine Geschäftsführerposition übernommen, ebenso beim stärksten Einzelunternehmen – der Landmaschinenfabrik. Philipp (29, ein studierter Betriebswirt) fungiert hingegen seit einigen Monaten als Prokurist der Grimme-Gruppe. Auf beide kommt auf Dauer die Herausforderung zu, das Traditionsunternehmen gemeinsam mit

den anderen Führungskräften und der Belegschaft erfolgreich am Markt zu behaupten. Beide bekunden ihre optimistische Grundhaltung, sie wollen eine motivierende Unternehmenskultur etablieren und festigen. Und Christoph Grimme und sein Bruder Philipp unterstreichen das Ziel, „das digitalste Landtechnik-Unternehmen zu werden, das es gibt“. Franz Grimme hört ihnen dabei zu. Seine ebenfalls fachkundige Ehefrau Christine sitzt unterdessen neben ihm. Er nickt, freut sich und ist spürbar stolz. Aber, wie hat der Geschäftsmann Franz Grimme in all den Jahren erkannt, dass es Zeit für neue Ideen, neue Märkte, neue Maschinen ist? „Mir ist der enge Draht zu den Mitarbeitern und den Kunden immer sehr wichtig. In persönlichen Gesprächen erfährt man viel“, betont er. „Mit der Zeit entwickelt man daraus ein gewisses Gespür für Menschen, für Entwicklungen, für Märkte und Produkte. Natürlich helfen auch hier und da nüchterne Zahlen und Fakten, aber das Bauchgefühl überwiegt“, sagt der Routinier. Er habe „das große Glück, in unserem Team Mitarbeiter zu haben, die das ebenfalls sehr gut beherrschen. Diesen kann ich mein vollstes Vertrauen schenken, und ich freue mich immer sehr, wenn die Dinge laufen, ohne dass ich mich überall bis ins Detail einbringen muss.“ Als Beispiel nennt der Unternehmer neuerdings gerne das pneumatische Trenngerät AirSep, mit diesem können Kartoffeln per Luft sanft von Steinen und Kluten separiert werden – „eine Revolution in unserem Markt“, sagt er. Das hätten „viele intern als auch extern als nicht machbar eingeschätzt, es gab aber Mitarbeiter, die daran geglaubt haben“. Und er habe gespürt: „Die schaffen das.“ Er habe die Möglichkeit gegeben, viel zu experimentieren. Das habe natürlich Zeit und Geld gekostet, „aber es hat sich gelohnt“. Und einmal mehr hat Franz Grimme offenbar das richtige Näschen bewiesen.

Mächtige Landmaschinen für die Kartoffel-, Rüben- und Gemüseernte entstehen in den WerkhallenderFirmaGrimmein Dammeund Rieste. Foto:MarcusAlwes

Das ideale Umfeld. Unternehmer im ecopark wissen: Wo Mitarbeiter sich wohlfühlen, da leisten sie gute Arbeit. Investieren auch Sie in ein gutes Umfeld – für Ihre Mitarbeiter und für Ihr Unternehmen. Im ecopark an der Hansalinie A1. ecopark – der Qualitätsstandort.


5

DONNERSTAG, 30. APRIL 2020

MACHER & MÄRKTE

MACHER & MÄRKTE

„Wir würden uns pragmatische Lösungen wünschen“

Von großen Erwartungen und Einschränkungen Die Deutsch-Iranische Handelskammer sieht sich als Info-Plattform

VON NINA KALLMEIER OSNABRÜCK Michale

Tockuss ist Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutsch-Iranischen Handelskammer in Hamburg. Ein Gespräch über Herausforderungen, Chancen und die Arbeit der Kammer.

In den Iran als neuen Markt hatten viele Unternehmen Hoffnung gesetzt, erfüllt wurden sie nicht

Immer weniger Unternehmen sehen Chancen im Iran. Nasser Heidary hat als Landsmann schnell Kontakte geknüpft. Möglichkeiten für Finanzierung fehlen den Unternehmen. VON NINA KALLMEIER OSNABRÜCK/LOHNE Die Hoffnungen

vor vier Jahren waren groß: Als erstes deutsches Bundesland eröffnete Niedersachsen eine Repräsentanz im Iran. „Gerade für niedersächsische Unternehmen bietet dieses Land mit seinen 80 Millionen Einwohnern große Chancen, die wir entschlossen nutzen sollten“, sagte der damalige Wirtschaftsminister Olaf Lies zur Eröffnung in Teheran. Zu dem Zeitpunkt lag der Wert der deutschen Exporte in das Land bei gut 2,5 Milliarden Euro. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hielt bereits im Jahr zuvor eine Steigerung des Handelsvolumens insgesamt auf zehn Milliarden Euro für möglich. „Die Vertretung Niedersachsens im Iran soll als Brücke zwischen den iranischen und deutschen Firmen dienen“, ergänzte die Repräsentantin Kamelia Karimi. Gerade Mittelständler erhofften sich 2016 durch den intensiveren Kontakt der beiden Länder einen wirtschaftlichen Schub. Darunter war auch Biochem aus Lohne, ein Unternehmen mit rund 175 Mitarbeitern am Hauptsitz und noch einmal knapp 100 im Ausland, das Futtermittelzusatzstoffe zur Nutztierfütterung herstellt und vertreibt. Und das, obwohl Biochem seit mehr als 25 Jahren wirtschaftliche Beziehungen in den Iran pflegte. Aus einem einfachen Grund, wie Nasser Heidary erklärt: „Der Iran ist für uns ein natürlicher Markt. Es gibt viel Geflügel und daher potenziell viele Kunden für unsere Futtermittelzusatzstoffe. Vor allem, da man so etwas noch nicht kannte, als wir 1993

dort anfingen.“ Laut Zahlen der Deutsch-Iranischen Handelskammer lag der Wert der deutschen Exporte im Iran damals in den 1990ern bei gut zwei Milliarden Euro. Nasser Heidary ist selbst Iraner und seit fast 30 Jahren bei Biochem angestellt. Heute verantwortet er die Region Mittlerer Osten für das Unternehmen. Als Landsmann sei es für ihn einfacher gewesen als für andere, Kontakte im Iran zu knüpfen, erzählt er. Denn er kennt beide Kulturen. Der heute 64Jährige ist im Iran aufgewachsen, hat in beiden Ländern Landwirtschaft beziehungsweise Agrarwissenschaften studiert. Seit immerhin 36 Jahren lebt Heidary, der ursprünglich mit einem Touristenvisum nach Deutschland gekommen ist, nun schon in der Region und hat die doppelte Staatsbürgerschaft. Als er nach dem Studium in Deutschland zum ersten Mal wieder in sein Heimatland gereist ist, waren allerdings zehn Jahre vergangen. Dennoch sagt er rückblickend: „Ich hatte noch viele alte Freunde und Bekannte im Iran. Die Kontakte wieder aufzufrischen ging sehr schnell.“ Richtig ins Rollen gebracht hat das Irangeschäft dann allerdings ein simples Schild auf Persisch auf der Eurotier in Hannover 1994. „Es stand einfach nur darauf: ,Wir sprechen auch Persisch.’ Viele Geschäftsleute aus der Region kamen daraufhin jedoch zu mir und haben

sich unterhalten. So ging es eigentlich los“, erinnert sich Nasser Heidary, der zusätzlich auch Englisch und Türkisch spricht sowie Arabisch verstehen kann. In dem Jahr lag der Warenwert der deutschen Exporte in sein Heimatland nicht einmal mehr bei 1,5 Milliarden Euro. Bei seinem nächsten Besuch in der Heimat – Teile seiner Familie leben noch heute im Land, nahe der Grenze zu Aserbaidschan, Bekannte wohnen in der Hauptstadt Teheran – hatte Heidary also viel zu tun, die in Hannover geknüpften Kontakte zu festigen. Seither hat sich das Iran-Ge-

„Der Iran ist für uns ein natürlicher Markt.“ Nasser Heidary, verantwortlich für das Irangeschäft bei Biochem

So hat sich der Handel zwischen Deutschland und Iran entwickelt Exporte (in Tsd. Euro)

Importe (in Tsd. Euro)

4000000 3500000 3000000 2500000 2000000 1500000 1000000 500000 0

2015

2016

2017

2018

2019

Quelle: Deutsch-Iranische Handelskammer · Grafik: Matthias Michel

schäft von Biochem immer weiter ausgebaut und zu Hochzeiten 2016 – als Niedersachsen die Repräsentanz eröffnete – vier Millionen Euro Umsatz generiert. Den Erfolg führt Biochem-Prokurist Michael Blömer auch darauf zurück, dass Nasser Heidary als Landsmann einen ganz anderen Draht zu den Menschen, zu den Unternehmern hat, als es jemand anderes ihn haben könnte. „Es gehört zur Strategie, möglichst Menschen mit Regionen zu betreuen, die von dort kommen“, sagt er. Blömer selbst hat den Iran mittlerweile auch fünfmal besucht – zuletzt 2016, dem Jahr, als Lies die Repräsentanz Niedersachsens eröffnete. „Die Gastfreundschaft hat mich beeindruckt“, sagt er. „Es ist oft ein falsches Bild des Landes, das durch die Medien transportiert wird.“ Gerade die jungen Menschen, und davon gebe es im Iran viele, seien weltoffen. Das Land habe mit der Jugend ein unglaubliches Potenzial, meint der Prokurist. „Wir haben tolle Gespräche geführt.“ 2016 hat den wirtschaftlichen Beziehungen von Biochem in den Iran allerdings nicht den erhofften Schub verpasst – im Gegenteil, seither geht es bergab. Mittlerweile sind die Geschäfte mehr oder minder zum Erliegen gekommen – und das hat nichts mit der Corona-Pandemie zu tun, die den Iran schwer getroffen hat. Auch die noch einmal deutlich strikteren Sanktionen der USA treffen das Lohner Unternehmen eigentlich nicht direkt, denn die Produkte, die aus dem Landkreis Vechta in den Iran verkauft werden, stehen auf keiner Sanktionsliste. Und doch ist das Büro von Biochem in dem Land mittlerweile geschlossen, die Mitarbeiter arbeiten aus dem Homeoffice. Nachdem 2018 die Umsätze mit dem Iran zumindest noch bei einer Million Euro lagen, betrugen sie im vergangenen Jahr nur noch 300 000 Euro. „Einen solchen Rückgang hatten wir vorher noch nie erlebt“, sagt Blömer. Der Hemmschuh liegt für ihn vor allem in der Finanzierung der Geschäfte. „Das Interesse an unseren Produkten hat nicht abgenommen. Aber eine Bank zu finden, die ein Geschäft im Iran abwickelt, ist fast un-

136 €¹ mtl. Rate

32,- € Flatrate: Wartung & Verschleißpaket Laufzeit: 48 Monate (andere Laufzeit möglich) Fahrleistung pro Jahr: 10.000 km (andere Fahrleistung möglich) einm. Sonderzahlung

Ihr zertifizierter Fuhrparkberater

Andreas König S 05 41/9 63 25 70 90 a.koenig@auto-haertel.de

Autohaus Härtel GmbH Mindener Straße 100 49084 Osnabrück Telefon: 05 41 - 9 63 25 70 90 info@auto-haertel.de auto-haertel.de

Als derdamaligeWirtschaftsministerOlafLies 2015denIranbesuchte, warendieHoffnungenaufvertiefteWirtschaftsbeziehungenzwischen demLandund niedersächsischenUnternehmen groß.Erfüllthabensiesichnicht.

möglich“, so der Prokurist. Plötzlich habe das Unternehmen ohne deutschen Partner dagestanden. Blömer kritisiert: „Es wurde nicht einmal nach Lösungen gesucht. Jedem waren die Hände gebunden. Da wir keine Geschäfte in den USA machen, war die Drohung zusätzlicher Sanktionen für uns kein Thema.“ Während Biochem also nicht ganz freiwillig seine wirtschaftlichen Aktivitäten zurückfahren musste und auch weiterhin nach Lösungen sucht, die Partner im Iran zu bedienen, plant der Osnabrücker Logistiker Hellmann nicht, den Transport in das Land zwischen dem Irak, der Türkei und Aserbaidschan auf der einen und Pakistan, Afghanistan und Turkmenistan auf der anderen Seite wiederaufzunehmen. „Hellmann Worldwide Logistics hat seine Geschäftstätigkeit im und auch in Bezug auf Transporte vom und zum Iran eingestellt“, heißt es auf Anfrage. Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Lage und der globalwirtschaftlichen Entwicklungen plane das Unternehmen auch derzeit nicht, im Iran wieder aktiv zu werden. „Das heißt, wir werden auch weiterhin keine Transporte in den Iran beziehungsweise aus dem Iran heraus anbieten. Natürlich beobachten wir die Situation laufend und bewerten dies gegebenenfalls neu.“ Mit dem Stopp der Beziehungen steht Hellmann nicht alleine da. „Durch die US-Sanktionen haben die meisten Unternehmen eine Abwägung zwischen Geschäften in den USA und dem Iran getroffen und sich – wegen der höheren Umsätze – für

die USA entschieden“, sagt Marco Graf, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim. „Es besteht derzeit auch wenig Hoffnung, dass sich die Geschäftsperspektiven regionaler Unternehmen dort wieder bessern.“ Aufgegeben hat Biochem bis heute nicht. „Wir sind Unternehmer, keine Politiker. Wir haben viele Partner, mit denen wir seit 25 Jahren zusammenarbeiten und die immer pünktlich bezahlt haben. Und nun sollen die Geschäfte an Banken scheitern, die Geld nicht von A nach B transferieren“, fragt Blömer kritisch? Selbst alte Geschäfte habe man von heute auf morgen plötzlich nicht mehr abwickeln können. „Wir würden uns hier mehr

„Wir sind Unternehmer, keine Politiker.“ Michael Blömer, Prokurist Biochem

Mut wünschen, Lösungen für Unternehmen zu finden“, so Blömer. Große Hoffnungen auf ein Stück weit Normalität hatte er, als Deutschland, Frankreich und Großbritannien beschließen, eine Art Tauschhandel mit dem Iran aufzuziehen und im Januar 2019 die Zweckgesellschaft Instex gründen. Sie sollte Unternehmen ermöglichen, ohne Banken Geschäfte mit dem Iran abzuwickeln. Für Exporte soll der Iran Gutschriften bei Instex bekommen, mit denen es europäische Produkte kaufen kann. Europäische Firmen auf der anderen Seite sollen ihr Geld direkt von Instex erhalten. Doch auch diese Hoffnung war – wie damals bei der Eröffnung der niedersächsischen Repräsentanz – umsonst. „Der Zusammenschluss ist machtlos gegenüber den USA. Man benimmt sich wie brave Kinder, die bloß die Eltern nicht verärgern wollen“, beschreibt Blömer. Erst ein einziges Geschäft wurde über Instex abgewickelt – Ende März dieses Jahres wurden Medizingeräte aus der EU in den Iran geliefert. Wann Blömer das nächste Mal in den Iran reisen wird? Das ist fraglich. Auch für Nasser Heidary steht die nächste Reise noch nicht fest. Für April wäre sie geplant gewesen. Aufgrund der Corona-Pandemie hat sie nicht stattgefunden – nachdem er zuvor einen Besuch aufgrund der politischen Unruhen verschieben musste, nachdem die USA den iranischen General Soleimani mit einem gezielten Drohnenangriff getötet hatten. Manch eine schlaflose Nacht habe er zu dem Zeitpunkt im Januar gehabt,

erinnert sich Heidary. „Ich habe jeden Tag mit meiner Familie gesprochen.“ Verstehen kann der Deutsch-Iraner das Manöver der USA nicht. „Soleimani hatte eine große Bedeutung im Iran-Irak-Krieg und wurde von allen politischen Parteien geschätzt. Er war Soldat, kein Politiker“, sagt Heidary. „Die neuen Sanktionen haben die Wirtschaft des Iran halbiert. Wovon sollen die Menschen leben?“, fragt er. Der Eindruck von Heidary: Die Iraner sind desillusioniert Langfristig haben Blömer und Heidary die Hoffnung, dass der Markt im Iran wieder zu alter Stärke zurückfindet. Mit großen Veränderungen in diesem Jahr rechnen sie allerdings nicht. Insbesondere für Nasser Heidary ist die aktuelle Situation nicht einfach,

Foto: dpa/KeyvanTaheri

und die Nachrichten machen ihm Sorge. „Ich stehe mit einem Bein in Deutschland und mit dem anderen im Iran. Auch wenn ich mein Heimatland nicht mehr so stark vermisse wie während des Studiums, bleibe ich ihm doch immer verbunden.“ Einen Wiederaufbau der Geschäftsbeziehungen werden sie in jedem Fall ohne große Unterstützung der niedersächsischen Repräsentanz bewerkstelligen müssen. „Die Repräsentanz des Landes ist nach wie vor geöffnet. Allerdings ist sie seit November 2019 nur noch mit einer halben, anstatt einer Vollzeitstelle besetzt. Wir sind im engen Kontakt mit dem DIHK und beobachten die Lage aufmerksam“, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium in Hannover.

ZUR SACHE

Niedersachsens Handel in Zahlen Das Wiedereinsetzen der US-Sanktionen 2018 gegenüber dem Iran hat den Wirtschaftsbeziehungen nachhaltig geschadet. Nach einem zweistelligen Zuwachs in 2017 nahmen die Exporte Niedersachsens in den Iran laut Wirtschaftsministerium in 2018 nur noch um gerade einmal 8,8

Prozent zu. Wurden 2018 noch Waren im Wert von gut 197 Millionen Euro aus Niedersachsen in den Iran exportiert, schrumpften die Exporte zwischen November 2018 bis Oktober 2019 auf 81,14 Millionen Euro. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den iranischen Importen nach Niedersachsen:

Während 2018 Waren von rund 40 Millionen Euro in Niedersachsen eingeführt wurden, hatte der Import zwischen November 2018 und Oktober 2019 nur noch ein Volumen von 20,91 Millionen Euro. Durch politische Krisen wie den USA-Iran-Konflikt wachse die Verunsicherung.

Herr Tockuss, als Niedersachsen 2016 seine Repräsentanz in Teheran eröffnete, waren die Erwartungen groß. Viele Unternehmen hatten Hoffnungen, wirtschaftliche Beziehungen in den Iran zu knüpfen – wenn diese nicht schon vorhanden waren. Von dieser Euphorie ist aktuell wenig geblieben. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen gewesen? Die Erwartungen waren 2016 sehr hoch, da das Atomabkommen in Kraft trat, das den Iran verpflichtete, seine atomaren Forschungen und Entwicklungen massiv zu reduzieren. Gleichzeitig verpflichteten sich die Unterzeichnerstaaten Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Russland, USA, China und die EU im Gegenzug zur Aufhebung der IranSanktionen, um dem Iran also wirtschaftlich eine Entwicklungsperspektive zu geben. Das Abkommen krankte aber von Anfang daran, dass der Iran sich genau an die Atomauflagen hielt, den Vertragspartnern insbesondere in der EU es aber von Anfang an nicht gelang, die Voraussetzungen für einen stärkeren wirtschaftlichen Austausch zu schaffen. Nachdem die USA sich einseitig aus dem Abkommen verabschiedeten, verschärfte sich die Situation weiter. Inwiefern? Insbesondere Banken, Versicherungen und andere Großunternehmen lehnten aus Angst vor Sanktionen der USA jede Form von Irangeschäften ab. Mittelständische Unternehmen machen deshalb heute einen Großteil des Iranhandels, sehen sich aber zum Beispiel dem Problem ausgesetzt, dass Banken wie die Commerzbank sie bei diesen Geschäften aber nicht begleiten wollen. So entsteht eine merkwürdige Situation. Handelsgeschäfte die nach deutschem und EU-Recht völlig legal sind, werden massiv erschwert, weil die USA zu ihrer alten Sanktionsgesetzgebung zurückgekehrt ist.

nicht an die US-Sanktionen gegen den Iran halten dürfen, doch diese sogenannten Blocking-Sanctions werden nicht durchgesetzt. Der Versuch, mit einer eigenen europäischen Aktiengesellschaft namens Instex den Zahlungsverkehr zu erleichtern, spielt auch ein Jahr nach Gründung im Iranhandel keine Rolle. Die Tatsache, dass wir angesichts dieser Rahmenbedingungen wenigstens den Kern unserer Exporte in den Iran sicherstellen können, liegt eindeutig an den langjährigen Beziehungen zwischen deutschen und iranischen Firmen und mittelständischen Unternehmen, die sich eher auf sich selbst als die Politik verlassen. Welche wirtschaftlichen Beziehungen gibt es aktuell noch zwischen dem Iran und Niedersachsen/Deutschland? Der wirtschaftliche Austausch zwischen Deutschland und dem Iran liegt im Jahr 2019 bei ca. 50 Prozent des Vorjahres. Aktuell liegen die Zahlen für die Monate Januar bis November 2019 vor, und Deutschland exportierte in diesem Zeitraum Waren und Dienstleistungen für 1,37 Milliarden Euro in den Iran. Dies entspricht einem Rückgang um 47 Prozent. Für Niedersachsen sehen die Zahlen lei-

„Insbesondere der starke niedersächsische Automobilsektor tätigt aus Angst vor Sanktionen keine Exporte.“

Und was macht die EU? Alle Versuche der Europäischen und deutschen Politik, sich dagegenzustellen, haben leider keine praxisrelevanten Ergebnisse gezeigt. Zwar gibt es eine EU-Verordnung, nach der sich europäische Unternehmen gar

Planbare Kosten mit der Härtel-Flatrate!

Golf 8 (90 PS)

2

(weitere Motorisierungen verfügbar)

Rufen Sie uns an: 05 41-9 63 25 70 90

T-Roc Cabrio (150 PS) (weitere Motorisierungen verfügbar)

2

der noch etwas schlechter aus. Die vorliegenden Zahlen für Niedersachsen zeigen Exporte von 86,8 Millionen Euro und damit einen Rückgang von 54 Prozent. Den Löwenanteil der niedersächsischen Exporte trägt dabei der Maschinen- und Anlagenbau mit 34 Millionen Euro, gefolgt von der Chemie-Industrie mit 25 Millionen Euro. Niedersachsen spielt deshalb kaum eine Rolle im Iranhandel, da insbesondere der starke niedersächsische Automobilsektor, aus Angst vor US-Sanktionen, keine Exporte in den Iran tätigt. Die politischen Unruhen und weiteren Sanktionen seitens der USA haben die Situation für Unternehmen noch weiter verschärft. Wie haben Sie die Stimmung im Iran erlebt? Im Iran sind die wirtschaftlichen Schwierigkeiten längst für jeden Iraner im Alltag spürbar. Der Staat kann durch die US-Sanktionen weniger Öl als in der Vergangenheit exportieren, und es entstehen dadurch natürlich Lücken im Budget und weniger Devisen für Importe aus dem Ausland. Es ist nicht so, dass es nun leere Regale in iranischen Supermärkten gibt, aber die Preise auch für Güter des täglichen Bedarfs steigen massiv, und das spürt jede iranische Familie. Der Iran versucht nun, die lokale Produktion auf allen Gebieten auszubauen, um so teurere Importe zu reduzieren, aber so ein Prozess braucht Zeit. Dies schafft natürlich Unzufriedenheit, die sich immer wieder Bahn bricht. Bekommen Sie aktuell überhaupt noch Anfragen für Beratungen oder Ähnliches? Natürlich spüren auch wir den drastischen Rückgang an deutschen Exporten in den Iran in unserer täglichen Arbeit. Da deutsche Unternehmen weder durch die Bundesregierung noch die Europäische Union praktisch relevante Unterstützung erfahren, verlagert sich unsere Arbeit. Wir dienen mehr denn je als Plattform für Unternehmen, um sich insbesondere über die verbliebenen Möglichkeiten der Finanzabwicklung auszutauschen. Rechtliche Fragestellungen werden gesucht und gefunden, um das eigene Iranengagement auch durch diese Krise zu führen. Deutsche Unternehmen haben 2019 Waren und Dienstleistungen für etwa 1,5 Milliarden Euro in den Iran geliefert, das ist weit weg von den Zahlen, die möglich wären, aber auch diese Geschäfte müssen legal und sicher abgewickelt werden. Die Arbeit geht uns jedenfalls nicht aus.

195 €¹ mtl. Rate

32,- € Flatrate: Wartung & Verschleißpaket Laufzeit: 48 Monate (andere Laufzeit möglich) Fahrleistung pro Jahr: 10.000 km (andere Fahrleistung möglich) einm. Sonderzahlung

990 €

990 €

(Möchten Sie weniger oder mehr anzahlen? Kein Problem!)

(Möchten Sie weniger oder mehr anzahlen? Kein Problem!)

¹ Firmenangebot. Exkl. Umsatzsteuer & Überführung. Ein Angebot der VW Leasing, Gifhorner Str. 57, 38112 Braunschweig, für die wir als ungebundener Vertreter tätig sind. ² Golf 8 1,0 TSI 66 kW (90 PS) - Benziner: Kraftstoffverbrauch l/100km: kombiniert 4,5; innerorts 5,4 außerorts 4,0. Effizienzklasse A. CO2-Emissionen kombiniert 104 g/km.

¹ Firmenangebot. Exkl. Umsatzsteuer & Überführung. Ein Angebot der VW Leasing, Gifhorner Str. 57, 38112 Braunschweig, für die wir als ungebundener Vertreter tätig sind. ² T-Roc Cabriolet Style 1,5 TSI 110 kW (150 PS) - Benziner: Kraftstoffverbrauch l/100km: kombiniert 5,5; innerorts 6,7; außerorts 4,8. Effizienzklasse A. CO2-Emissionen kombiniert 125 g/km.


6

DONNERSTAG, 30. APRIL 2020

MACHER & MÄRKTE

Hausbau in der Werkshalle Ein wachsender Markt: Firma Gussek aus Nordhorn errichtet mehr als 300 Fertighäuser im Jahr

VON SEBASTIAN HAMEL NORDHORN Rund 100 000 Baugenehmigungen für Ein- und Zweifamilienhäuser werden jährlich in Deutschland erteilt. Während diese Zahl in den vergangenen 15 Jahren stabil geblieben ist, hat sich der Anteil an Fertighäusern stetig erhöht. Lag dieser vor zehn Jahren noch bei rund 12 Prozent, ist die Zahl inzwischen auf gut 20 Prozent gestiegen. Von diesen 20 000 Bauten stammt eine Hälfte aus kleineren Zimmereibetrieben, die andere Hälfte aus industrieller Produktion. Ein Vertreter dieser zweiten Kategorie ist die Gussek Haus GmbH & Co. KG aus Nordhorn. Mehr als 300 Fertighäuser entstehen jährlich. Obwohl das Unternehmen einen wachsenden Markt bedient hat es bisweilen mit Vorurteilen zu kämpfen. „Wer sich für ein Fertighaus entscheidet, kauft kein Haus von der Stange“, stellt Frank Gussek klar. Der 59-jährige Geschäftsführer leitet den Familienbetrieb seit 1996 in dritter Generation. 1951 gegründet, agierte die Firma in den ersten zehn Jahren als reines Maurerunternehmen, ehe man zu Pionieren im Fertighaus-Segment wurde. Heute beschäftigt Gussek rund 420 Mitarbeiter, wovon die meisten am Hauptstandort in Nordhorn tätig sind Hinzu kommen 90 Berater, die deutschlandweit in Ver-

triebsbüros im Einsatz sind. Bereits vor mehr als 25 Jahren wurde eine zweite Produktionsstätte in Elsnigk in Sachsen-Anhalt eröffnet. Das Geschäftsfeld von Gussek konzentriert sich in erster Linie auf Deutschland, aber auch auf die Schweiz und die Benelux-Staaten. Der Markt in Deutschland ist dreigeteilt, erklärt Frank Gussek: So gebe es die größten Player, die mehr als 1000 Häuser jährlich errichteten, die mittleren Betriebe mit 250 bis 500 Häusern und die kleinen Akteure mit etwa 50 Häusern. Hier liege das Nordhorner Unternehmen im Mittelfeld mit etwa 30 Mitbewerbern.

„Um 6 Uhr beginnt der Trupp, abends ist das Haus regendicht und abschließbar.“ Frank Gussek, Geschäftsführer

Mit Blick auf den Absatz bestehe in der Bundesrepublik ein deutliches Nord-Süd-Gefälle, so Gussek. Während der Fertighausanteil etwa in Baden-Württemberg bei knapp 40 Prozent liege, seien es in Niedersachsen nur zehn Prozent. Es wird vermutet, dass der in Süddeutschland stärker verbreitete Fachwerkbau damit zusammenhängt – denn auch bei Fertighäusern spielt Holz buchstäblich eine tragende Rolle. „Die ältesten Häuser sind schließlich Fachwerkhäuser“, sagt Prokurist Günter Gitzen. So sieht Frank Gussek auch in der Nachhaltigkeit einen wesentlichen Punkt, weshalb der Fertighausmarkt an Bedeutung gewinnt. Hinzu komme der Aspekt der Energieeffizienz: Die tragende Konstruktion, wie sie bei Gussek hergestellt wird, ist von vornherein voll gedämmt und erfüllt den KfW-55-Standard. Ein Alleinstellungsmerkmal von Gussek ist die Ausstattung der Häuser mit gemauerten Verblendfassaden – sozusagen eine Hybridlösung aus Massiv- und Fertigbau. Entscheiden sich Kunden für ein Fertighaus, ist die Bemusterung ein wesentlicher Schritt. Dabei wird das künftige Eigenheim nach den individuellen Vorstellungen gestaltet. Etwa drei Tage bleiben die Kunden in Nordhorn, gehen mit dem Berater durch die Ausstellung und legen von

NureinenTag dauertes,dann istein Fertighaussoaufgestellt,dassesregedichtund abschließbar ist.

der Jalousie über die Badfliesen bis zu den Dachpfannen sämtliche Variablen fest. Endlose Baumarktbesuche sollen so entfallen – denn am Ende steht ein fertiges Konzept mit Festpreisgarantie. Zum Full-ServiceGedanken im Hause Gussek zählen darüber hinaus das Erstellen und Einreichen des Bauantrages sowie ein eigener Finanzierungsservice. Für die anschließende Ausarbeitung der Entwürfe und die Anpassung an äußere Rahmenbedingungen wie Bebauungspläne beschäftigt der Betrieb 20 Architekten in der Planungsabteilung. Die einzelnen Wand-, Decken- und Dachelemente – bestehend aus der Holzkonstruktion und Dämmmaterial, bedeckt mit Holzwerkstoffplatten und einer Gipskartonoberfläche – werden vollständig mit Fenstern sowie Wasser- und Elektroinstallationen in den Werkshallen gefertigt.

Auch die Holzfenster sind eigens hergestellt: Etwa 15 000 Einheiten produziert Gussek pro Jahr, hinzu kommen 1200 Holztreppen. „Damit bieten wir eine hohe Qualität, es erfordert allerdings einen großen Personaleinsatz und hohe Investitionen. Das funktioniert nur bei einem entsprechenden Absatz, sonst amortisiert es sich nicht.“ Mit Lastwagen werden die Teile zur Baustelle gebracht und dort aufgerichtet. Ein fünfköpfiger Montagetrupp benötigt dafür in der Regel nur einen Tag. „Morgens um 6 Uhr beginnt der Trupp, abends ist das Haus regendicht und abschließbar“, sagt Gussek. Der weitere Endausbau nehme rund zehn bis zwölf Wochen in Anspruch. Hauptkunden des Unternehmens sind junge Familien sowie „Ü-50“Paare, die nach dem Auszug der Kinder ein zweites Haus bauen. Mit der

Zweitmarke ProHaus bedient Gussek Kunden, die mehr Eigenleistungen beim Bau erbringen und dadurch Kosten sparen möchten. In der jüngeren Vergangenheit hat der Fertigbau auch in der Sparte mehrgeschossiger Wohnungen verstärkt Einzug gehalten, weshalb Gussek mehr und mehr mit Investoren und öffentlichen Auftraggebern zu tun hat. Auch im Denkmalschutz ist das Unternehmen aktiv, wenn es etwa um die Herstellung von Holzfenstern in historischer Optik geht. Insgesamt blickt Gussek optimistisch in die Zukunft – nicht zuletzt aufgrund der wachsenden Bedeutung des Klimaschutzes. „Der Megatrend der CO2-Reduktion wird bestimmend sein, gepaart mit dem Ansatz staatlicher Förderungen“, sagt Frank Gussek. „Und weil wir mit Holz bauen, sind wir da in einer guten Startposition“, ist er überzeugt.

GRAFSCHAFT HÄLT

ZUSAMMEN

helfen heißt

echt-grafschaft.de Gutscheine für Heimathelden

DEIN LIEBLINGSGESCHÄFT BRAUCHT DICH JETZT! • auf echt-grafschaft.de Gutscheine kaufen und Existenzen retten • damit du auch nach der Krise regional kaufen kannst • jetzt kostenlos als Händler teilnehmen Weitere Infos für Händler unter gn.media@gn-online.de

eine Initiative der echt-grafschaft.de

Foto:Gussek


7

DONNERSTAG, 30. APRIL 2020

MACHER & MÄRKTE

„Digitalisierung muss Sinn machen“ Raiffeisen Ems-Vechte setzt auf effektive Saatgutausbringung dank neuer Technik – Wichtiger Dialog mit den Landwirten VON MATTHIAS ENGELKEN KLEIN BERSSEN Ein gefragter Mann

ist in diesen Tagen Bertwin Hurink. Der 40-Jährige leitet die Pflanzenbauabteilung der Raiffeisen EmsVechte. An 26 Standorten im Emsland sowie der Grafschaft Bentheim ist die Genossenschaft vertreten, dazu kommt noch eine Niederlassung im niederländischen Coevorden. Rund 600 Mitarbeiter gehören zur Unternehmensgruppe der Raiffeisenbank Ems-Vechte e. G., flächendeckend verteilt. Ein starker Partner für die Landwirte also, nah am Kunden. Auch deshalb haben Hurink und sein Team derzeit viel Arbeit. Die Ackerflächen müssen bestellt werden, eine Menge Gespräche mit den Landwirten liegen an, viele haben Fragen, benötigen Beratung und Information über Produkte, Preise und nicht zuletzt die Wetteraussichten. Dabei sind Agrarberater alles andere als Wahrsager. Ihre Glaskugel ist der Computer, das Handy und das iPad. Auch die Kunden der Genossenschaft vertrauen darauf. „In den Büros oder am Tablet auf dem Schlepper und im Stall benutzen Landwirte heute Programme, die ihnen helfen, betrieblich einen guten Überblick zu bekommen“, sagt der zweifache Vater. Damit würden die Bauern effizienter arbeiten und kämen den stetig steigenden behördlichen Verpflichtungen wie etwa Meldungen, Registrierungen und vielem mehr nach. Seine Landwirte nutzen oft ein Programm namens DELOS. Das System vereint eine sogenannte Ackerschlagkartei, die Düngebedarfsplanung, erstellt eine Düngebilanz, und gibt Meldungen an ENNI, eine behördliche Meldedatenbank zur Düngebilanz. Ähnlich gut kommt das Programm myfarmvis an. Das bietet einen anschaulichen Überblick über Rechnungen, Düngemittel- oder Dieselbescheinigungen und vieles mehr. Doch die digitalen Möglichkeiten sind weitaus größer. Allein im Ackerbau sind kaum Grenzen gesetzt, wie der Agraringenieur aufzeigt. „Die Mehrheit der landwirtschaftlichen Betriebe hat mittlerweile einen oder mehrere Schlepper, die ausgestattet sind mit einem Satellitenempfänger. Die GPSDaten werden genutzt für das parallele Fahren in gleichen Abständen und lenken dabei automatisch.“ Das sorgt für Effizienz und spart Kosten, denn ein Überlappen beim Säen oder Düngen wird vollends

OhneHightechaufdemTrekker geht inderLandwirtschaftheutewenig.

unterbunden. Einer der Gründe, warum sich die Genossenschaft auch um dieses Thema intensiv bemüht. „Digitalisierung muss Sinn machen, effizient sein, den Ertrag steigern und sich finanziell tragen“, meint der gebürtige Niederländer. Deshalb filtern er und seine Kollegen nach eigenen Angaben die Dinge heraus, die für den hiesigen Kunden auf den sehr heterogenen Flächen in der Region sinnvoll sind. „Eine Erfolgsgeschichte ist hierbei die sogenannte teilflächenspezifische Maisaussaat“, verrät der Experte nicht ohne Stolz. Seit rund fünf Jahren haben sich er und seine Kollegen mit diesem Thema beschäftigt. Mittlerweile werden weit

„Die Methode muss Sinn machen, den Ertrag steigern.“ Bertwin Hurink, Agrarexperte

über 1500 Hektar so gesät, Tendenz steigend. Grundlage dabei ist eine sogenannte Zonenmanagementkarte. Diese teilt die jeweilige Fläche in unterschiedliche Ertragszonen auf. Fünf davon gibt es, von einer Hochertragszone bis hin zu niedrigsten. Die Daten werden zusammengeführt. Dazu kommen noch Biomassekarten von speziellen Satellitenbildern der vergangenen zehn Jahre, die Bodenbeschaffenheitskarten und vieles mehr. Nicht zu vergessen der Faktor „Landwirtswissen“. „Die Bauern bewirtschaften die Flächen teilweise seit vielen Generationen. Hier hat sich großes Wissen um die Beschaffenheit aufgebaut“, weiß Hurink. Mit den gesammelten Daten lassen sich passende Maissorten finden und mithilfe der Zonenkarte berechnen, in welcher Zone wie viele Pflanzen pro Quadratmeter optimal sind. In einer Niedrigertragszone werden so sechs Pflanzen je Quadratmeter gelegt, in Gebieten mit hohem Ertrag bis zu zwölf. „Mais reagiert sehr stark auf unterschiedliche Aussaatstärken, das machen wir uns zunutze“, erklärt der Emlichheimer und verweist auf Ertragssteigerungen von durchschnittlich zehn Prozent und eine verbesserte Qualität der Ernte. Dies ist nur ein Beispiel für den Wert der digitalen Nutzung. Denn die Zonenkarte lässt sich in vielen Bereichen anwenden. So etwa bei

Smarte Technik muss beherrschbar bleiben Voll-und Teilzeit sind in den einzelnen Betriebszweigen beschäftigt, zudem zwei Auszubildende. Ludger Deters leitet die Ackerbauabteilung. Gut 600 Hektar werden bewirtschaftet. Kartoffeln, Mais, Getreide, Saatgutvermehrung und Zuckerrüben angebaut. Dabei setzt der Ackerbauspezialist genauso wie die Betriebsleiter Stefan und Matthias Teepker auf die Digitalisierung. Fast alle Schlepper sind mit GPS ausgerüstet, funken übers Telefonnetz die Daten zum heimischen Rechner und umgekehrt. „Wenn es kein Funkloch gibt“, sagt der Familienvater. Schon öfter musste er miterle-

der Düngung. Gerade erst wurden von der Politik verschärfte Regeln erlassen. 20 Prozent weniger Stickstoff und Phosphor sollen Landwirte in Deutschland ausbringen. Das stellt die gesamte grüne Branche vor eine große Herausforderung. Mit digitaler Hilfe lässt sich der Dünger effizient verteilen.

Hektar am Projekt beteiligt. Bundesweit ist gut eine Handvoll Genossenschaften über die AgravisGruppe involviert. „Ich bin sehr gespannt, was die Technik am Ende für Prognosen abgibt und ob wir mit unserem über Jahrzehnte aufgebauten Fachwissen gleiche Empfehlungen gegeben hätten“, sieht er spannende Diskussionen auf sich und sein Team zukommen. Denn dass sich ein jeder am Ende auf die App verlässt, wagt er zu bezweifeln. Auch weil er in den vergangenen Jahren mit vielen Landwirten zu tun hatte und bis heute für die Nutzung digitaler Technik werben muss. Nicht immer findet er dafür Gehör. „In vielen Bereichen ist die Technik noch zu teuer, nicht einfach zu erlernen, viele fürchten, sich zudem abhängig zu machen von anderen“, kann der Berater die Vorbehalte einiger Landwirte verstehen. Dennoch sieht er enormes Potenzial. Er und seine Kollegen nutzen seit Jahren digitale Hilfsmittel. Etwa beim Erkennen kranker Pflanzen, bei der Bodenanalyse oder der intensiven Beratung. „Die Digitalisierung in der Landwirtschaft bedeutet hohe Effizienz in allen Bereichen. Landwirte müssen sich dem stellen und die KostenNutzen-Frage neu bewerten“, sieht Hurink kaum Alternativen und plädiert dafür, sich offen mit den Möglichkeiten der digitalen Technik auseinanderzusetzen.

Volle Ladung Leistung: die Qualitätsversprechen für Junge Sterne Transporter. Junge Sterne Transporter. Rundum gecheckt.

AUF GUTEN KUNDENDIENST KOMMT ES AN

Digital Technik ist hilfreich in der Landwirtschaft und sorgt für effizientes Wirtschaften. Doch das funktioniert nur, wenn die Menschen sie auch anzuwenden wissen. Ein limitierender Faktor, wie Ludger Deters meint. Der 35-jährige Agraringenieur arbeitet seit 2012 auf dem landwirtschaftlichen Betrieb Teepker in Handrup. Neben der Schweinehaltung mit rund 1000 Sauen und 5500 Mastplätzen gehört auch die Hähnchenmast mit rund 440 000 Plätzen, zwei Biogasanlagen in Kooperation sowie der Ackerbau zum Portfolio des emsländischen Betriebes. 25 Mitarbeiter in

Foto:LarsSchröer

Doch es gibt noch zu viele unbekannte Variablen und kein Patentrezept. „Wir widmen uns derzeit intensiv diesem Thema, legen Versuche an und sammeln fleißig Erfahrungen“, sagt der Pflanzenbauberater. So hat die Raiffeisen Ems-Vechte am Hauptsitz in Klein Berßen auf einer sieben Hektar großen Versuchsfläche in Kleinstparzellen Sorten- und Produktversuche angelegt. Außerdem sind Anbaufragen zu diskutieren – und nicht zuletzt die dafür notwendige Technik. Begeistert ist Hurink derweil von einem weiteren Vorhaben. So ist die Raiffeisen Ems-Vechte in diesem Jahr Pilotgenossenschaft für das Projekt Healthy Fields der Firma Xarvio, eines in Langenfeld und Münster ansässigen und zur BASF gehörenden Unternehmens, das smarte, also digitale, Lösungen für den Pflanzenschutz anbietet. „Durch Prognosemodelle, die anhand von Sorteneigenschaften, Wetterdaten und vielem mehr errechnet werden, kann vorausgesagt werden, welche Krankheit wann die Kulturpflanze infizieren wird“, erläutert der Grafschafter das Prinzip. Mit diesem Prognosemodell könne noch effizienter das richtige Pflanzenschutzmittel zum richtigen Zeitpunkt mit der richtigen Aufwandmenge ausgebracht werden, ist er überzeugt. Die Raiffeisen Ems-Vechte ist in diesem Jahr mit mehreren Hundert

ben, wie Mitarbeiter die Arbeit einstellten, weil die Verbindung zum Satelliten abgebrochen war. Doch er ist zuversichtlich. „In den vergangenen Jahren hat sich viel getan.“Seit 2012 setzt der Handruper Betrieb nun auf die durch Satelliten unterstützte Lenkhilfe. „Anfangs wurden wir dafür von Berufskollegen belächelt, viele meinten, das sei Unfug“, erinnert er sich. Doch schon im ersten Jahr waren Erfolge sichtbar. Einsparungen beim Saatgut waren die Folge, denn ein Überlappen wurde vermieden, weniger Treibstoff verbraucht. Grund genug also, auch weiter auf digitale Technik zu set-

zen. Doch das kostet. Aber: „Am Ende muss jeder Betrieb die Kosten-Nutzen-Frage stellen“, sagt er, warum nicht jedes Teil auch genommen wird. Doch häufig eben doch. Dazu setzt der Betrieb Teepker auf Kooperationen mit drei weiteren Landwirten. Nicht jeder Mitarbeiter kann den hochtechnisierten Schlepper bedienen, ganz zu schweigen von den Anbauteilen. Vorbei ist die Zeit, an der junge Menschen aus dem Dorf am Wochenende sich ein paar Euro auf dem Trecker dazuverdienen konnten. „Unsere Mitarbeiter sind alle intensiv ausgebildet worden“, erzählt Deters.

24 Monate Fahrzeuggarantie*

HU-Siegel jünger als 3 Monate

12 Monate Mobilitätsgarantie*

Wartungsfreiheit für 6 Monate (bis 7.500 km) 10 Tage Umtauschrecht

Attraktive Finanzierungs-, Leasingund Versicherungsangebote

Probefahrt meist innerhalb von 24 Stunden möglich

Inzahlungnahme Ihres Fahrzeugs möglich

Anbieter: Mercedes-Benz AG, Mercedesstraße 120, 70372 Stuttgart Beresa GmbH & Co. KG, Autorisierter Mercedes-Benz Verkauf und Service Blumenhaller Weg 155, 49078 Osnabrück Tel. 0800 60 70 800, www.beresa.de


8

DONNERSTAG, 30. APRIL 2020

MACHER & MÄRKTE

Mehr als 140 Rezepte, um den Geschmack des Kunden zu treffen Firma Coppenrath Feingebäck aus Groß Hesepe meistert Balanceakt zwischen Tradition und Innovation VON SEBASTIAN HAMEL

ZUR SACHE

Zwei auffällige Bronzefiguren schmücken seit Kurzem das Gelände der Firma Coppenrath Feingebäck in Groß Hesepe, prominent platziert an der Zufahrt des emsländischen Unternehmensstandorts – und nicht zu verwechseln mit „Coppenrath & Wiese“. Es sind Änne und Franz Coppenrath, die den traditionsreichen Betrieb in vierter und fünfter Generation führten – Großmutter und Vater des heutigen Geschäftsführers Andreas Coppenrath. Er lenkt seit 1995 die Geschicke der Firma. Coppenrath, der selbst eine Ausbildung zum Konfekthersteller gemacht hat, möchte den Kollegen ein nahbarer Geschäftsführer sein: „Ich gehe nach dem Leitfaden, den schon meine Oma und mein Vater geprägt haben: sich um die Menschen zu kümmern. Ich bin dafür zuständig, dass die Leute gerne zur Arbeit kommen.“ Als Familienbetrieb lege man daher besonderen Wert auf die gegenseitige Achtung: „Hier sind alle gleich, nur die Aufgaben sind unterschiedlich.“ Einer der Mitarbeiter ist Martin Weber, Leiter der Produktentwicklung bei Coppenrath Feingebäck und somit die zentrale Person, wenn es um den Ausbau des Sortiments geht. Etwa ein Jahr vergehe von der ersten Idee bis zur Auslieferung eines neuen Produkts, sagt er. Die Rezeptur und erste Muster seien in der Regel schon nach wenigen Tagen fertig – länger dauerten die Schaffung eines Designs und die Auseinandersetzung mit gesetzlichen Bestimmungen. Nach den Labortests wird ein Großversuch mit der Anlage gestartet, um zu prüfen, ob der Teig stabil bleibt und das Gebäck problemlos über die Maschine läuft. Anschließend folgen wiederum Geschmackstests. Andreas Coppenrath betont dazu, dass der Erfolg auch von einer ansprechenden Gestaltung der Verpackung abhängt: „Wenn ein Kunde das Produkt erst einmal in die Hand nimmt, landet es auch mit hoher Wahrscheinlichkeit im Einkaufswagen.“ „Ehr das Alte, wag das Neue“, lautet die Devise – und das schlägt sich besonders in der Produktion nieder: Neben Klassikern wie Spekulatius und Butterkeksen entwickelt und fertigt die Feinbäckerei immer wieder neuartiges Naschwerk, das es in die Supermarktregale in Deutschland und der Welt schafft. Mehr als 140 Rezepte umfasst das Sortiment, das die unterschiedlichsten Verbraucherwünsche berücksichtigt, und somit auch BioProdukte sowie vegane, glutenfreie und koschere Waren einschließt. In GEESTE

Gefahr der Verwechslung Die Firma Coppenrath Feingebäck ist nicht zu verwechseln mit der Firma Conditorei Coppenrath & Wiese, die auf Tiefkühl-Backwaren spezialisiert ist. Letztere gründete Aloys Coppenrath, der Bruder des früheren Coppenrath-Feingebäck-Geschäftsführers Franz Coppenrath, im Jahr 1975 zusammen mit seinem Cousin, dem Konditor Josef Wiese aus Mettingen. Seit 2015 gehört das Unternehmen zur Oetker-Gruppe. Der heutige CoppenrathFeingebäck-Geschäftsführer Andreas Coppenrath nimmt die Verwechslungsgefahr mit Humor und begegnet unsicheren Rückfragen augenzwinkernd mit den Worten: „Ich bin der Coppenrath ohne Grundstück.“

Routinierter Griff: Heinz-HermSchepers befülltbeim Feinbäcker Coppenrath eineTeigknetmaschine.

rund 60 Länder wird das Gebäck exportiert, darunter Staaten wie der Iran, Ghana und neuerdings auch Australien. Zusätzlich zu den eigenen Artikeln bildet der Business-to-Business-Block eine bedeutsame Unternehmenssparte: So greifen etwa verschiedene Schokoladenbetriebe und Eishersteller auf Erzeugnisse aus dem Hause Coppenrath zurück. Die Produktion erfolgt ausschließ-

„Papa, ich möchte den Betrieb übernehmen.“ Hanna Coppenrath, Unternehmerstochter

lich in Groß Hesepe, einem Ortsteil der Gemeinde Geeste. 360 Mitarbeiter aus den verschiedensten Berufsgruppen gehen dort ihrer Tätigkeit nach: Bäcker, Produktentwickler und Techniker sind ebenso zu finden wie Verpackungsspezialisten, Anlagenleiter und Lageristen. Doch wie kommt man immer wieder auf neue Ideen für KeksFreunde? Hier hat das Unternehmen im vergangenen Jahr erstmals einen völlig neuen Weg gewählt und einen „Keksdesigner“-Wettbewerb ins Leben gerufen. Im März 2019 waren alle Plätzchenfreunde aufgerufen, via Internet ein eigenes Rezept zu kreieren. Die Ideen waren vielfältig. Aus den mehr als 6000 Einsendungen überzeugte letztlich der „Banana Coooky“, eine Kombination aus Kakaokeks mit Schokolade und Banane. Vorgeschlagen hatte ihn ein 20-jähriger Teilnehmer. Auf der Internationalen Süßwarenmesse (ISM) in Köln, einer der wichtigsten Plattformen zur Präsentation neuer Artikel für Coppenrath, wurde jedoch noch etwas anderes vorgestellt: der gerade auf den Markt gekommene „Lakritz Coooky“. Für diese Innovation wurde das emsländische Unternehmen,

Fotos:SebastianHamel

das seit der Premiere der Messe 1971 in jedem Jahr mit von der Partie gewesen ist, im Februar mit dem „New Product Showcase Award“ ausgezeichnet. Unter 178 Süßigkeiten aus aller Welt sicherte sich der „Lakritz Coooky“ den dritten Platz. Bei Coppenrath geht es jedoch nicht nur um Innovationen im Bereich Süßwaren. Ein aktuelles Thema, das bei dem 1825 gegründeten Unternehmen schon lange eine Rolle spielt, ist der Umweltschutz: Bereits Anfang der 1990er-Jahre ist Coppenrath bei der Verpackung von Plastik- zu Papierschalen übergegangen, welche aufgerichtet und ohne Leim verhakt werden. Außen kommt recycelbare Folie zum Einsatz: Würde auch hier Papier verwendet, könnte keine zwölfmonatige Haltbarkeit erreicht werden, erklärt Andreas Coppenrath. Auch die Nutzung von Fotovoltaik-Anlagen, eines Fernwärmenetzes sowie bald eines Blockheizkraftwerks betont den Umweltgedanken. Ein besonderes Projekt wurde erst kürzlich im Dezember 2019 mit der Eröffnung des „Coooky-Outlets“ am Produktionsstandort Groß Hesepe verwirklicht. Dem Geschäft, das unter anderem B-Ware zum günstigen Preis feilbietet, ist ein Café angeschlossen, das werk-

tags geöffnet ist und von 8 bis 11 Uhr ein Frühstücksbuffet anbietet. Der Geschäftsführer spricht ein klares Bekenntnis zum Standort im Emsland aus: „Wir sind stolz, hier zu sein, und sind in der Region sehr verwurzelt. Es ist eine gute Community.“ Wie ist es aber um die Zukunft des Unternehmens bestellt, das in weni-

gen Jahren seinen 200. Geburtstag feiert? Einige Zeit möchte der 58jährige Andreas Coppenrath noch seines Amtes walten – doch die siebte Generation steht bereits in den Startlöchern. „Papa, ich möchte den Betrieb übernehmen“, verkündete jüngst seine Tochter Hanna. Die 21Jährige, die bereits eine kaufmännische Ausbildung absolviert und zwei Jahre im Vertrieb gearbeitet hat, beginnt im Sommer allerdings erst einmal ein Studium – ehe sie, so der Plan, wiederum eine neue Ära der Firma Coppenrath Feingebäck einläuten wird.

ZweiGenerationenundeinbisschenGeschichte: Seit Kurzemstehen die Bronzestatuen vonÄnneund Franz Coppenrath,Großmutter undVater vonFirmenchef AndreasCoppenrath, aufdemGeländein Geeste. Tochter Hannawill denBetriebspäter übernehmen.

www.jansensystembau.com Mobile Raumsysteme

Individuelle Lösungen

• Hallenbüros

• Einhausungen

Am Wattberg 51, 26903 Surwold

• Messräume

• Lärm- und Schallschutz

Tel.: 049 65 / 89 88 0

• Arbeitskabinen

• Trennwandsysteme

systembau@jansentore.com

Wir beraten Sie gerne!


DONNERSTAG, 30. APRIL 2020

GELD & GESCHÄFT

9

Eine Branche im Wandel Tupperware, Bofrost, Thermomix und Co. setzen weiter auf Verkaufspartys, nutzen jedoch zunehmend auch das Internet Knapp 900 000 Vertriebspartner abeiten im Direktvertrieb. Branche setzt mehr als 17 Milliarden Euro um – und will noch wachsen. Verkaufspartys finden neuerdings verstärkt auch online statt. VON MELANIE HEIKE SCHMIDT Als das US-Unternehmen Tupperware AG in den frühen Sechzigern des vergangenen Jahrhunderts den Verkauf seiner Produkte im heimischen Wohnzimmer startete, war das eine Sensation. Der Direktvertrieb war geboren – modern, innovativ und vor allem ungeheuer erfolgreich. Tupper wurde zur Weltmarke, das Vertriebskonzept vielfach kopiert. Zuletzt jedoch erschütterten schlechte Zahlen das Traditionsunternehmen, Ende Februar sackte der Aktienkurs der Tupperware AG auf unter drei US-Dollar ab (etwa 2,77 Euro), ein Rekordtief. Hohe Schulden, eine wenig zukunftsträchtige Strategie, die viel zu lange das Internet samt seiner Billigkonkurrenz ignorierte, Fluktuation auf der Chefebene und diverse Sonderbelastungen, etwa aufgrund von Ungereimtheiten in Bilanzen der Beauty-Tochter Fuller in Mexiko, verdarben selbst optimistischen Anlegern die Laune. Das war viele Jahre lang anders gewesen, 2013 lag der Kurs der Tupperware AG beispielsweise noch bei mehr als 90 Dollar (rund 83 Euro). Die hochpreisigen, aber langlebigen Produkte, die Firmengründer Earl Tupper ab 1946 auf den Markt brachte, hatten weltweit die Haushalte erobert, einzelne Designs wurden zu Klassikern, die sogar ihren Weg ins Museum fanden. Und nun? Ist im Jahr 2020 auch der Vertriebsweg allmählich museumsreif ? Ist die Tupperparty tot? „Nein“, sagt Cordula Molitor, Chefin der Tupperware-Bezirkshandlung Osnabrück und seit 17 Jahren Mitarbeiterin des Plastikriesen mit Hauptsitz im sonnigen OrOSNABRÜCK

Tupper-Partys,früherwarensiefürjedeHausfraueinMussundeinEvent.Für dieJugendhat sichdasKonzeptscheinbarüberholt.

lando, Florida. „Im Gegenteil stellen wir sogar ein verstärktes Interesse fest. Früher hatten wir pro Party sechs bis acht Gäste, heute sind es zehn bis zwölf. Die Party wird nie aussterben“, ist sich Molitor sicher. Der Grund für diese Einschätzung: Das Themenfeld, auf dem sich Tupperware tummelt, sei „total im Trend“. Galt Kochen vor ein paar Jahrzehnten noch eher als ein betuliches, notwendiges Übel, ist es heutzutage „in“. Auch die Ergebnisse der Millionen Hobbyköche scheinen zu schmecken: Zwei Drittel aller Deutschen haben bei einer repräsentativen Erhebung im Jahr 2016 angegeben, dass sowohl

sie selbst als auch der Partner oder die Partnerin „gut“ oder sogar „sehr gut“ im Kochen sei. Sind also die diversen Dosen und Haushaltshelfer, wie Tupperware sie anbietet, nicht nur eine praktische Unterstützung im Alltag, sondern sogar selbst Trendprodukte? Cordula Molitor sieht das so: „Unsere Ware ist langlebig, das hat sich herumgesprochen. Tupperpartys, wo wir die Produkte vorstellen, erfahren einen Boom, denn sie passen genau in das Leben von Leuten, die sich für Kochen, Ernährung, Umweltschutz und ähnliche Themen interessieren. An so einem Party-Abend kochen wir gemeinsam etwas, es gibt

Diese Produkte und Dienstleistungen werden hauptsächlich vertrieben Kosmetik/Körperpflege

18 Prozent

Bekleidung/Accessoires

15

Haushaltswaren

14

Wellness

13

Energie/Kommunikationsdienstleistungen

10

Finanzdienstleistungen/Versicherungen

9

Sonstige

7

Bauprodukte

5

Bücher/Spielwaren/Bürobedarf

4

Reinigung/Tierpflege

4

Lebensmittel/Getränke

2

Auf diese Art findet der Direktvertrieb am häufigsten statt 50 Prozent

Heimvorführungen (z.B. Partyverkauf) Klassischer, unangekündigter Vertreterbesuch

13

Verkauf am Arbeitsplatz des Vertriebspartners

11

Einzelverkaufsgespräch (angekündigt)/ angekündigter Vertreterbesuch/Heimdienst

10

Online-Präsentation/Online-Party Messen/Wochenmärkte/Fußgängerzone/ Verkaufswagen/Sonstige

9 6

Quelle: „Situation der Direktvertriebsbranche in Deutschland 2019“ – Studie der Universität Mannheim im Auftrag des Bundesverbands Direktvertrieb Deutschland (BDD) · Grafik: M. Michel

vielleicht einen Wein dazu, es ist insgesamt ein Event, wo auch gelacht wird. Und wer mag, kauft das ein oder andere Produkt.“ Zahlen des Branchenverbands bestätigen den Eindruck, dass der Direktvertrieb in Deutschland keineswegs am Boden liegt. Für das Jahr 2018 (neuere Zahlen gibt es noch nicht) meldet der Bundesverband Direktvertrieb Deutschland (BDD) einen Gesamtumsatz der Branche von 17,66 Milliarden Euro. Das ist im Vergleich zu 2017 zwar nur ein marginaler Anstieg, doch bei größerer Draufsicht ergibt sich ein anderes Bild. 2009 lag der Gesamtumsatz noch bei 11,4 Milliarden Euro, die Zahlen sind seither nahezu stetig gestiegen bis zu den erwähnten 17,66 Milliarden. Und die Branche ist zuversichtlich. Zwar lag das Wachstum von 2017 auf 2018 „erstmals seit zehn Jahren“ unter einem Prozent, wie Jochen Acker, BDD-Vorstandsvorsitzender, im Vorwort einer Studie der Universität Mannheim zur „Situation der Direktvertriebsbranche in Deutschland“ erklärt. Doch dies habe seinen Grund, so Acker: „Der Direktvertrieb hat sich in den letzten Jahren neu aufgestellt: Flagship-Stores wurden eröffnet, die Online-Verkaufsparty ins Leben gerufen und der Multi-Channel-Vertrieb weiter ausgebaut – Investitionen, deren Früchte bald geerntet werden.“ Die Direktvertriebsbranche blicke „optimistisch in die Zukunft“. Nicht nur der Umsatz soll steigen, sondern auch die Zahl der Mitarbeiter. Zurzeit arbeiten laut BDD „889 000 Vertriebspartner für deutsche Direktvertriebsunternehmen“. In nur drei Jahren soll die Zahl der Vertriebspartner an der Millionengrenze knabbern: „Die Direktvertriebsunternehmen wollen das Potenzial der Branche für

Foto: dpa/Tupperware

sich nutzen und haben sich daher vorgenommen, bis 2023 die Zahl der Vertriebspartner von derzeit 889 000 auf über 997 000 zu steigern“, formuliert es Professor Florian Kraus, Inhaber des Lehrstuhls für Vertrieb und Dienstleistungsmarketing an der Universität Mannheim und verantwortlich für die vorliegende Studie. Dass Höhenflüge nicht zwingend von Dauer sind, musste ein anderer berühmter Direktvertriebler in Deutschland bereits erfahren: Machte die Wuppertaler Unternehmensgruppe Vorwerk mit ihrer Multifunktionsküchenmaschine Thermomix (TM) im Jahr 2015 noch einen Umsatz von 1,375 Milliarden Euro, sackte der Umsatz ab 2017 ab. Vor gut einem Jahr, im März 2019, gab Vorwerk bekannt, nicht mehr 25 Prozent der Produktion, sondern

„Die Tupperparty wird nie aussterben.“ Cordula Molitor, TupperwareBezirkshandlung Osnabrück

nur noch einzelne Komponenten der Maschine am Stammsitz in Wuppertal herstellen zu wollen, auch 200 Vollzeitstellen sollten abgebaut werden. Produzieren werde man künftig im Stammwerk in Frankreich, wo bisher schon 75 Prozent der Herstellung erfolgt waren, und in China. Als Begründung gab das Unternehmen Absatzprobleme in Europa an. Der nahezu gesättigte Markt in Deutschland und Europa ließ den Verkauf stocken, nun soll der TM, dessen neuestes Modell TM6 immerhin mehr als 1300 Euro kostet, die Märkte in China und den USA erobern. Zum Vergleich: Nachahmer-Maschinen sind im Discounter schon ab etwa 300 Euro zu haben. Hinzu kommt, dass der alleinige Vertriebsweg über die TM-KochPartys wohl doch nicht alleine trägt. Und so erwägt man auch bei Vorwerk einen Wandel: Wie die Produkte der Tupperware AG soll der Thermomix künftig auch im Internet und im stationären Handel zu kaufen sein. Und auch für die Verkaufsberater bietet das Internet viele Chancen, von Apps zum komfortablen Verkauf bis hin zu Online-Partys ist vieles denkbar, im Branchenverband BDD arbeitet eine AG „Zukunft des Direktvertriebs“ an Ideen und Konzepten. Die Branche ist im Wandel. Das zeigt auch: Der Direktvertrieb mag antiquiert daherkommen, aber tot ist er noch lange nicht. Ebenfalls im Wandel befindet sich Branchenprimus Bofrost aus Straelen am Niederrhein. Vier Millionen Kundenhaushalte beliefert der Anbieter von Tiefkühlkost in Europa, 2,3 Millionen davon in Deutschland, der Umsatz in Deutschland lag im Geschäftsjahr 2018/2019 bei 713 Millionen Euro, die Mitarbeiterzahl liegt hierzulande bei knapp 6000 (insgesamt 10 700), mit knapp 2800 Verkaufsfahrzeugen werden Eiscreme, Nasi Goreng und Co. ausgeliefert – direkt zu den Kunden. Das läuft bisher gut, Bofrost deckt 9 Prozent des TK-Marktes ab, größter Konkurrent ist die Eismann-Gruppe, die jedoch selbst mit Problemen kämpft. Allerdings drängen weitere Lieferdienste von Rewe und Co. auf den umkämpften Markt, und OnlineHandelsriesen wie Amazon setzen die Bofroster mit ihren flexiblen Lieferzeiten unter Druck. Wie der Kampf ausgeht, ist unklar. Doch die Corona-Krise hat der selbst erklärten „Nummer 1 im Direktvertrieb von Eis- und Tiefkühlspezialitäten“ eine deutlich steigende Nachfrage beschert, auch die Online-Umsätze haben sich im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verdoppelt. Ob der Schwung von Dauer sein wird, muss sich indes erst noch zeigen. Auch Cordula Molitor von der Tupperware-Bezirkshandlung Osnabrück musste sich angesichts der Corona-Krise etwas einfallen lassen, denn persönliche Tupperpartys mit mehreren Gästen sind in Zeiten von Kontaktbeschränkungen kaum möglich. „Wir mussten reagieren und haben uns Online-Alternativen gesucht. Jetzt veranstalten wir zum Beispiel Whatsapp-Partys oder Zoom-Meetings. Unsere Ware ist erklärungsbedürftig, die kauft man ja nicht einfach so. Wie das alles auch technisch funktioniert, wie wir unsere Kunden auch online erreichen, all das mussten wir erst einmal lernen“, sagt Molitor. „Doch eigentlich ist es super, dass wir nun fast dazu gezwungen sind. Wurde ja auch Zeit“, sagt Molitor und lacht.


10

DONNERSTAG, 30. APRIL 2020

GELD & GESCHÄFT

Die Aktie hat noch nicht ausgedient Experten raten derzeit vom Verkauf ab – Wirtschaftswissenschaftler rät zur Schuldenvermeidung und Begrenzung fixer Kosten VON STEFAN WOLFF OSNABRÜCK Die Ausbreitung des Coronavirus hat die Märkte mit voller Wucht erfasst. Angesichts der heftigen Verluste gehen viele Beobachter davon aus, dass die Weichen der Geldanlage neu justiert werden müssen. Alles muss allerdings nicht infrage gestellt werden – auch nicht die Aktie. So heftig knallt es an der Börse selten: Gerade mal etwas mehr als drei Wochen hat es von Ende Februar bis Mitte März gedauert, den Anlageerfolg von sieben Jahren zu vernichten. Quasi von seinem Rekordhoch fiel der Deutsche Aktienindex (Dax) auf 8440 Punkte und damit auf einen Stand, den der Dax davor zuletzt zur Mitte des Jahres 2013 erreicht hatte. Anlageexperten rechnen mit einer längeren Phase der Unsicherheit und fallender Kurse. Ein Einstieg in der aktuellen Situation sei „nur etwas für Mutige.“ „Genährt wurde der Crash von zwei Seiten: zum einen durch eine hohe Bewertung und Sorglosigkeit im Vorfeld und zum anderen durch eine extreme Unsicherheit über die Folgen“, erklärt Michael Bissinger, Analyst der DZ-Bank. Schließlich lägen keine Vergleichsdaten über die Auswirkungen einer Pandemie auf die Märkte vor. Entsprechend schnell wechseln Prognosen und Einschätzungen über die Folgen der Corona-Pandemie. In den Zeiten

des Lockdowns haben sie sich zunehmend eingetrübt. „Konsens herrscht hingegen darüber, dass der wirtschaftliche Lockdown viele Länder in eine Rezession stürzen wird“, so Bissinger. Von Verkäufen nach dem Crash raten Experten derzeit ab. Wohl aber biete die Krise die Möglichkeit, die eigene Anlagestrategie auf den Prüfstand zu stellen, was allerdings in der aktuellen Situation nicht ganz einfach ist. „Da sich der Verlauf von Krisen nie vorhersagen lässt und geradezu gegensätzliche Entwicklungen eintreten können, wählen kluge Menschen die „Strategie des geringsten Bedauerns“, rät Hartmut Walz, Buchautor und Professor für Wirtschaft an der Universität Ludwigshafen. „Das bedeutet, dass man nicht auf ein ganz bestimmtes Krisenszenario setzt, sondern sich prognosefrei so aufstellt, dass man mit jeder Entwicklung einigermaßen gut leben kann.“ Über die Frage nach dem besten Einstiegszeitpunkt gibt es natürlich unterschiedliche Meinungen. „Aus der Vergangenheit wissen wir, dass die Aktienkurse in einer Rezession meist unter den Buchwert des Unternehmens fallen“, erklärt Michael Bissinger. „Im Tiefpunkt des Wirtschaftsabschwungs ist die Stimmung üblicherweise so negativ, dass den Unternehmen seitens der Anleger keinerlei Zukunftsfantasie mehr zugebilligt wird.“ Aller-

Bleiben Sie Kurz notiert immer informiert Ab nach Polen: Der Osnabrücker Über unseren Wirtschaftsnewsletter erhalten Sie auch zwischen den Ausgaben von „Die Wirtschaft“ dreimal die Woche einen Einblick in die regionale Wirtschaft sowie Wissenswertes zu allgemeinen Wirtschaftstrends direkt per Mail. Die Anmeldung ist kostenfrei über www.noz.de/newsletter. Die nächste „Die Wirtschaft“ erscheint am Donnerstag, 25. Juni 2020. Anzeigenschluss für diese Ausgabe ist Freitag, 5. Juni 2020. Weitere Informationen finden Sie im Internet unter der Adresse www.noz.de/wirtschaft.

GESCHÄFTSFÜHRER: Axel Gleie und Jens Wegmann CHEFREDAKTION: Ralf Geisenhanslüke (Chefredakteur), Dr. Berthold Hamelmann (Vertreter des Chefredakteurs), Burkhard Ewert (Stellvertretender Chefredakteur) KOORDINATION: Nina Kallmeier AUTOREN DIESER AUSGABE: Marcus Alwes, Christopher Bredow, Vincent Buss, Matthias Engelken, Sebastian Hamel, Berthold Hamelmann, Lothar Hausfeld, Jana Henschen, Nina Kallmeier, Christoph Lützenkirchen, Melanie Heike Schmidt, Frederik Tebbe, Stefan Wolff REDAKTION V.i.S.d.P.: Ralf Geisenhanslüke FOTOGRAFEN: David Ebener, Sebastian Hamel, André Havergo, Werner Scholz, Lars Schröer, Frederik Tebbe, Gert Westdörp VERLAG: Neue Osnabrücker Zeitung GmbH & Co. KG, Postfach 42 60, 49032 Osnabrück; Breiter Gang 10–16, Große Straße 17–19, 49074 Osnabrück, Telefon 0541 310-330, Telefax 0541 310-266; Internet: www.diewirtschaft.noz.de; E-Mail: diewirtschaft@ noz.de ANZEIGEN-/WERBEVERKAUF: MSO Medien-Service GmbH & Co. KG, Große Straße 17–19, 49074 Osnabrück, Postfach 29 80, 49019 Osnabrück, Telefon 0541 310-500, Geschäftsführer: Sven Balzer, Anzeigen-/ Werbeverkauf: Sven Balzer, Ansgar Hulsmeier, Dirk Riedesel, Marvin Waldrich ANZEIGENANNAHME: Geschäftskunden: Telefon 0541 310-510, Telefax 0541 310-790; E-Mail: auftragsservice@mso-medien.de ANZEIGEN-/WERBEVERKAUF für Ausgabe Grafschaft Bentheim: Grafschafter Nachrichten GmbH & Co. KG, Coesfelder Hof 2, 48527 Nordhorn, Telefon 05921 707410, Verlagsleiter: Matthias Richter (V.i.S.d.P.) ANZEIGENANNAHME für Ausgabe Grafschaft Bentheim: Grafschafter Nachrichten GmbH & Co. KG, Telefon 05921 707-410; E-Mail: gn.media@gn-online.de, Leitung Mediaverkauf: Jens Hartert TECHNISCHE HERSTELLUNG: Druckzentrum Osnabrück, Weiße Breite 4, Osnabrück (Ausgabe Osnabrück/Emsland); Grafschafter Nachrichten, Coesfelder Hof 2, Nordhorn (Ausgabe Grafschaft Bentheim)

Logistikdienstleister Hellmann Worldwide Logistics hat in Stettin eine neue Niederlassung eröffnet. Über den neuen Standort wickelt Hellmann die Stückgutverteilungen innerhalb Polens sowie ins Ausland ab. Insgesamt ist das Unternehmen mittlerweile mit 14 eigenen und sieben Partner-Niederlassungen in Polen vertreten. „Hellmann ist seit 29 Jahren in Polen aktiv und beschäftigt dort heute über 500 Mitarbeiter. Insbesondere im Bereich Stückgut bietet der polnische Markt für uns enormes Potenzial, das wir mit der neuen Niederlassung in Stettin voll ausschöpfen wollen“, so Jens Tarnowski, Regional CEO Europe Hellmann Worldwide Logistics. Ab an die Spitze: Der Aufsichtsrat der OLB hat Rainer Polster (50) zum ordentlichen Mitglied des Vorstands bestellt. Er übernimmt die Verantwortung für das Geschäft mit mittelständischen Unternehmenskunden im Süden Deutschlands für den Bereich der Spezialfinanzierungen und Treasury. Polster ist seit Oktober 2018 als Generalbevollmächtigter in der OLB tätig. Zuvor war er unter anderem in verschiedenen Positionen bei der Deutschen Bank AG tätig. Damit besteht der Vorstand der OLB aus Wolfgang Klein als Vorstandsvorsitzendem sowie den Vorstandsmitgliedern Karin Katerbau, Hilger Koenig und Rainer Polster. Das Führungsteam der Bank wird komplettiert durch den Generalbevollmächtigten Peter Karst. Ab auf die Baustelle: Das Software-Unternehmen Codia errichtet in Meppen einen Neubau mit Platz für bis zu 110 Mitarbeiter. Auf drei Etagen entstehen rund 30 Büros sowie Besprechungsräume, offene Besprechungsbereiche und Co-Working-Räume. Erst im Sommer 2018 hatte das Unternehmen ein neues Bürogebäude bezogen – gegenüber dem jetzigen Neubau. Ein stark wachsender Bedarf an di-

Talfahrt an der Börse: In gerade einmal drei Wochen wurde der Anlageerfolg von sieben Jahren zunichtegemacht. Foto: dpa/ArneDedert

dings ist dies keine Faustformel, die für alle Unternehmen gilt. Besonders betroffen sind jetzt schon die Reise- und die Touristikbranche. So fliegt die Lufthansa nur mit einem Minimum ihrer Kapazitäten, hat den Flugbetrieb der Tochter Germanwings eingestellt. Weltweit ist die Zahl der Flugbewegungen auf den tiefsten Stand seit mehreren Jahrzehnten gefallen. Reisekonzerne und Kaufhausketten benötigen Staatshilfe. Restaurantketten, wie Vapiano oder das Steakhaus Maredo, haben Insolvenz angemeldet. Betroffen sind aber auch all jene Industriezweige, die ihre Produkte auf Messen anbieten. Die Absagen der Mobilfunkschau in

Barcelona, des Genfer Autosalons und der Hannover Messe als weltweit größter Industrieschau dürften große Löcher in die Orderbücher reißen, da Messeabschlüsse von heute die Umsätze von morgen sind. Weltweit wurden Hunderte Messen abgesagt oder verschoben. Aus dieser Entwicklung zu folgern, dass es nach dem Absturz genauso rasant wieder aufwärtsgehen könnte, greift zu kurz. Natürlich gibt es Nachholeffekte, zum Beispiel bei Investitionen. „Auch dann gilt, dass es Bereiche der gesamtwirtschaftlichen Nachfrageausfälle gibt, die wohl nicht einfach nachgeholt werden können“, urteilt Ralf Umlauf, Analyst bei der Landes-

bank Hessen-Thüringen (Helaba). Dazu gehören natürlich der Tourismus und der Messebau ebenso wie Pay-TV-Sender mit entgangenen Einnahmen, weil Sportereignisse nicht mehr stattfinden. Auch dürften Unternehmen in den kommenden Wochen ihre Widerstandskraft unter Beweis stellen. Manche werden besser durch die Krise kommen als andere. Anlegeranwalt Klaus Nieding, Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), rät daher, genau auf solche Unternehmen zu setzen: „Unternehmen, die in den letzten zehn Aufschwungjahren gut verdient und ,Speck angesetzt‘ haben, sich also eine Liquiditätsreserve zugelegt haben, sind gut auf Krisen vorbereitet. Solche Unternehmen, die selbst in dem zurückliegenden langen Aufschwung eher auf Kante genäht waren, sind es nicht.“ Ob vor oder nach einer Krise gelten aber auch gleichbleibende Regeln. Professor Hartmut Walz nennt hier ein „ausgewogenes Verhältnis von Geld- und Sachwerten“, also auch zu einem Engagement bei Immobilien oder Edelmetallen. Grundsätzlich müssten Anleger genau schauen, was für Wertpapiere sie kauften. Walz warnt dabei ausdrücklich vor Zertifikaten: „Gerät die ausgebende Bank in Schwierigkeiten, so ist das Geld – ganz wie bei der Lehman-Pleite – verloren. Denn

juristisch ist ein Zertifikat eine Anleihe und genießt nicht einmal den Schutz der Europäischen Einlagensicherung.“ Würden die Anleger ihr Geld einfach in ETFs oder Indexfonds anlegen, bliebe es von einer Bankenpleite völlig unberührt, so Walz weiter. „Denn ETFs und Indexfonds bilden ein geschütztes Sondervermögen, welches im Krisenfall nicht in die Insolvenzmasse eingeht.“ Auch Robert Halver, Anlagestratege bei der Baader Bank, plädiert für langfristige Sparpläne und ETF, also börsengehandelte Fonds. „Gerade die langfristigen Sparer profitieren von der erhöhten Schwankungsbreite, was schließlich im Sinne von ,Im Einkauf liegt der Gewinn‘ einen attraktiven Durchschnittspreis ergibt“, sagt Halver. Die Finanzgeschichte zeige, dass es nach jeder Krise ausnahmslos wieder robuste Aktienmärkte mit neuen Rekordständen gebe. Die Aktie habe trotz des Rückschlags nicht als Instrument zur Altersvorsorge ausgedient, sind sich die Experten einig. Als weitere Anlegertugenden nennt Hartmut Walz „Vermeidung von Schulden, Begrenzung fixer, also unvermeidlicher Ausgaben und möglichst breite Streuung der Reserven“. Diese, so der Professor, „gehören ebenso dazu wie die Pflege sozialer Kontakte und eine Kultur des gegenseitigen Füreinander-Eintretens“.

Reisebranche im Würgegriff von Corona gitalen Prozessen und die damit verbundenen Anforderungen machten eine schnelle weitere räumliche Expansion notwendig. Geplant und entworfen wurde der Neubau von der MG-Architekturgesellschaft aus Meppen. Sie will nach Fertigstellung – geplant ist der Einzug für den 1. Mai 2021 – ebenfalls in den Neubau einziehen. Ab aufs Feld: Mit dem Bundesprojekt „Das Land hilft“ soll landwirtschaftlichen Betrieben dabei geholfen werden, die für die Ernte benötigten Helfer zu finden. Die Servicestelle Schule – Wirtschaft des Übergangsmanagements der Maßarbeit unterstützt die Initiative in der Region. Die Servicestelle informierte im Rahmen eines Mailings Eltern, Schülerinnen und Schüler zu dem Projekt. Den Interessierten helfen, darauf aufbauend, die Mitarbeiterinnen der Servicestelle, Katja Bielefeld und Annika Schütte, sich auf dem Portal der Bundesinitiative zurechtzufinden. „Als wir von dem Bundesprojekt ,Das Land hilft‘ hörten, war für uns klar, dass wir es nach Kräften unterstützen wollen“, erläutert Lars Hellmers, Vorstand der Maßarbeit, den Hintergrund der Aktivitäten. Ab nach oben: Die Commerzbank hat die positive Entwicklung im vergangenen Jahr in Osnabrück fortgesetzt. Das Geschäftsvolumen stieg gegenüber dem Vorjahr um 9,6 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro. Etwa 1000 Kunden gewann die Bank nach eigenen Angaben hinzu. Die Experten der Commerzbank erwarten nach einer Rezession im ersten Halbjahr bereits in der zweiten Jahreshälfte 2020 eine Erholung in der Realwirtschaft und damit auch an den Börsen. „Wer sein Geld mittelfristig angelegt und breit gestreut hat, sollte Ruhe bewahren. Panikverkäufe sind das Schlimmste, was man jetzt tun kann“, sagte Christian Weber, als Marktbereichsleiter verantwortlich für die Commerzbank-Filialen in Osnabrück, Melle und Dissen.

Tui-Papiere brechen massiv ein – Sartorius legt mit Biotech zu

VON LOTHAR HAUSFELD Weltweit hat die Corona-Krise die Börsen negativ beeinflusst. Auch die regionalen Aktiengesellschaften mussten mehrheitlich deutliche Einbußen hinnehmen – wie etwa der Reisekonzern Tui aus Hannover. Deutlich zulegen konnte dagegen der Göttinger Produzent biopharmazeutischer Artikel und Laborinstrumente, die Sartorius AG. Weltweit ist die Reiseindustrie im Zuge der Corona-Pandemie schwer gebeutelt worden, private Reisen sind derzeit in Deutschland so gut wie nicht möglich, die Kunden halten sich mit Buchungen aufgrund der unklaren Perspektive extrem zurück. Zahlreiche Reiseanbieter sind dadurch in Schieflage geraten; die Hannoveraner TuiGruppe verfügt immerhin über solide Rücklagen und scheint mit staatlichen Hilfen über die Runden zu kommen – allerdings stets abhängig davon, wann und in welchem Umfang Reisen wieder möglich sein werden. Die Tui-Aktie hat im Zuge der verhängten weltweiten Reisewarnungen und der damit einhergegangenen Urlaubs- und Reisestornierungen massiv verloren: 64 Prozent haben die Papiere in den letzten Monaten nachgegeben, fielen von über zehn auf deutlich unter vier Euro. Experten hoffen, dass ein gemeinsamer Fonds der Tui und anderer Reiseanbieter zur Kundenabsicherung ein erster Schritt sein wird, Vertrauen bei den Reisenden zurückzugewinnen – Vertrauen, das durch die Thomas-Cook-Pleite und die Corona-Krise derzeit arg angekratzt ist. Auch die Geschäfte der Sartorius AG sind durch die weltweite Pandemie betroffen: Das Geschäft mit China wird durch eine dort sinkende Nachfrage nach Laborinstru-

Sartorius AG

GÖTTINGEN/HANNOVER

Angaben in Euro 250 240 230 220 210 200 190 180 170 150

Jan.

Februar

März

April

TUI AG

Angaben in Euro 11 10 9 8 7 6 5 4 3

Jan.

Februar

menten gebremst. Da in vielen anderen Märkten die Kunden aber deutlich mehr bestellen und ihre Lager befüllen, rechnet das Unternehmen trotz der derzeitigen Situation mit einer besseren Bilanz als ursprünglich gedacht. Da aber gewisse Unsicherheiten und Risiken bestehen bleiben, dürfte das Management den bisherigen Dividendenvorschlag herunterschrauben. Da Sartorius aber gleichzeitig plant, ausgewählte Geschäfte vom US-Konzern Danaher zu übernehmen, wurden die Ziele für das laufende Jahr unlängst nach oben korrigiert: Das Umsatzwachs-

März

April

tum soll jetzt 15 bis 19 Prozent betragen, in der Kalkulation standen 10 bis 13 Prozent. Im ersten Quartal 2020 wurde der Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um knapp 17 Prozent auf 510 Millionen Euro gesteigert – vor allen Dingen dank der guten Auftragslage in der Biotech-Sparte, die deutlich zulegen konnte. Von den guten Zahlen profitierten auch die Anleger: Die Aktien von Sartorius legten gegen den Börsentrend deutlich zu, kletterten von 212,60 Euro auf 244,80 Euro und gewannen damit mehr als 15 Prozent hinzu.


11

DONNERSTAG, 30. APRIL 2020

GELD & GESCHÄFT

Verbraucher lassen sich auf Dauer nicht veräppeln Marktforscher: Wie Unternehmen Kunden mit Preisen locken VON JANA HENSCHEN OSNABRÜCK Warum reagiert der Kunde auf 9,99 eher als auf 10 Euro? Michael Koch vom Marktforschungsinstitut Produkt + Markt in Osnabrück befasst sich im Schwerpunkt damit, wie Preise auf den Kunden wirken. Im Interview erklärt er, wie Unternehmen Preisstrategien zu ihrem Vorteil nutzen.

Herr Koch, ein Blick auf die Preisschilder zeigt häufig Summen wie 1,99 Euro oder 9,99 Euro. Wie sehr zieht die Zahl vor dem Komma? Oder realisiert der Kunde, dass der Preis im Grunde bei 2 oder 10 Euro liegt? Das ist teils, teils der Fall. Auf die erste Zahl des Preises wird mehr geachtet, weil man von links nach rechts liest. Im Konsumentenbereich bei den Gütern des täglichen Bedarfs sehen wir diesen preispsychologischen Effekt oft. Wenn zum Beispiel auf dem Preisschild statt 1,99 Euro nun 2 Euro stehen, kann die Nachfrage bei bestimmten Produkten überproportional zurückgehen. Diese Preisschwellen erscheinen vielleicht irrational, aber so handeln die Kunden. Bei höheren Preisen sagen manche Forscher, dass es keinen Unterschied macht, zum Beispiel ob ein Auto 20 000 Euro oder 19 999 Euro kostet.

Ab wann lassen sich Verbraucher veräppeln? Im einzelnen Einkauf kann das gelingen, aber niemanden kann man dauerhaft täuschen. Wenn Kunden sich häufiger veräppelt fühlen, entsteht ein Lerneffekt. Sie werden dann woanders einkaufen, zum Beispiel in einem Discounter, der auch auf dem Weg von der Arbeit nach Hause liegt. Warum finden wir Verbraucher Rabattangebote wie „80 Prozent billiger“ so anziehend? Wir möchten ein gutes Geschäft machen und ein guter Einkäufer sein. Wenn man für die Familie einkauft und sagt: „Das hier habe ich gefunden, und es war extrem günstig“, dann finden das alle toll. Ist der Preis wirklich „extrem günstig“? Bei manchen Produkten, gerade aus dem Nicht-Lebensmittelbereich, ist die Handelsmarge so hoch, dass auch mal 80 Prozent Rabatt gegeben werden können. Das kann bei Sonder- oder Restposten der Fall sein. Einige Anbieter wie Thomas Philipps bauen darauf ihr Geschäftsmodell. Wie emotional oder rational entscheidet der Käufer? Viele unserer Entscheidungen sind „emotionale Bauchentscheidungen“. Einkäufe des täglichen Bedarfs

Sein Ziel ist erst mal, dass die Leute in den Laden reinkommen.

MarktforscherMichaelKoch. Foto: Fotogen/Hans Einspanier

laufen meist routinemäßig ab. Wenn wir aber einen Neuwagen oder ein Haus kaufen, dann denken wir ausgiebig nach und wägen unsere Interessen mit den Angeboten genau ab. Lohnen sich Rabatte für die Unternehmen? Ja. Der Preis ist für die Deutschen eines der wichtigsten Entscheidungskriterien, und Angebote sollen Aufmerksamkeit erregen. Allerdings möchte ein Hersteller sein Produkt nicht zu günstig verkaufen. Der Handel wiederum verkauft nicht nur ein Produkt, sondern ein ganzes Sortiment. Wenn er mal ein oder zwei Produkte davon niedriger anbietet, macht ihm das nichts.

Wie findet ein Anbieter den richtigen Preis? Der richtige Preis hängt vom Ziel des Anbieters ab. Mit der Volumenstrategie will ein Anbieter mit einem niedrigen Preis möglichst schnell viele Marktanteile bekommen. Bei der Abschöpfungsstrategie weiß der Anbieter, dass er im Vergleich zum Wettbewerb ein gutes Produkt hat. Das lässt er sich mit einer hohen Preisstrategie bezahlen. Man schöpft den Markt ab, bevor andere Anbieter nachziehen. Für den optimalen Preis ist das Ziel des Anbieters entscheidend; auf der anderen Seite ist für den Nachfrager wichtig, welchen Nutzen er im Produkt sieht und wie viel er dafür bezahlen würde. Das ermitteln wir zum Beispiel mit Preisexperimenten. Im Supermarkt sind manche Preisschilder in Gelb oder Rot. Schauen Verbraucher dort häufiger hin und kaufen das Produkt auch mehr? Die Farben sind gelernt. Gelb und Rot stehen insbesondere für niedrige Preise. Ob es wirklich ein Angebot ist, dafür muss man genau hinschauen, aber auch das haben wir Verbraucher gelernt. Stimmt es, dass die günstigen Produkte meist ganz unten im Regal

liegen oder ganz oben, da, wo der Kunde nicht so gut drankommt? Generell gilt das immer noch. Im Internet können Verbraucher Preise schnell vergleichen. Welche Tricks wenden Verkäufer da an? Je nachdem, ob Sie mit einem Laptop oder Handy im Internet surfen, werden Ihnen unterschiedliche Preise angezeigt. Mit Angaben wie „nur heute“, „nur diese Woche“ oder „nur noch eins auf Lager“ wird der Käufer unter Druck gesetzt. In der Reisebranche wird ein Urlaub sogar teurer, je öfter auf einem Reiseportal dieselbe Reise angefragt wird. Also muss ich theoretisch direkt beim ersten Mal stöbern eine Reise buchen. Machen Sie das? Beim letzten Mal habe ich fünfmal auf eine Reise geschaut. Immer gab es einen höheren Preis; und ich habe sie zum Schluss trotzdem gekauft. Das war ziemlich unvernünftig, aber irgendwann hat man sich in ein Produkt verguckt und möchte seine eigene Entscheidung nicht revidieren. Das weiß der Verkäufer auch. Im Internet bekommen verschiedene Kunden also unterschiedliche Preise. Diese individuellen Preise, die auf einer Webseite entsprechend der persönlichen Buchung, Bonität oder des Endgeräts – bei Apple-Geräten

sind die Preise häufig höher – an den Nutzer angepasst werden, sind ein Trend. Im Einzelhandel sind die Preise ebenfalls dynamisch. Dort bekommen Kunden Coupons für Produkte, die sie gekauft haben. So soll ein loyaler Kunde entstehen, der Rabatte bekommt, wenn er auch beim nächsten Einkauf ein bestimmtes Produkt wieder in den Warenkorb packt. Und wie bringt der Verkäufer den Kunden dazu, einen bestimmten Preis zu zahlen? Bei Wein zum Beispiel sieht man noch eine andere Preisbereitschaft. Wenn ein Kunde vor dem Regal steht und ein günstiges, ein mittleres und ein teures Produkt sieht, dann wird oft das mittlere Produkt gewählt. Dieser Effekt ist umstritten. Aber manche Händler oder Firmen bieten nur das teurere Produkt an, damit sie das mittlere Produkt fördern und nicht das günstige Produkt zu oft gewählt wird. Welche Hersteller machen das zum Beispiel? Bei Software-Herstellern sieht man diese Preisstrategie oft. Da gibt es eine – manchmal kostenlose – Einstiegsvariante. Die kann aber nicht viel. Dann gibt es noch eine teure Variante, die alles kann, aber nur drei oder vier Eigenschaften mehr hat als die mittlere Bezahlvariante, die man eigentlich verkaufen will.

AirportPark FMO Unser Standort. Ihr Erfolg.

©AirportPark FMO GmbH

HERMES Logistik-Center

Optimale Verkehrsanbindung Zwischen Münster und Osnabrück – direkt am Flughafen FMO – ist der interkommunale Gewerbepark AirportPark FMO das bevorzugte Standortangebot für global ausgerichtete Unternehmen. Die direkte Anbindung an die Autobahn A 1 Hamburg–Köln sowie mehrmals tägliche Lufthansa-Flüge zu den Drehkreuzen Frankfurt/Main und München sorgen für beste Verkehrsverbindungen.

HERMES und BERESA in Betrieb Seit Mitte 2018 prägten die Großbaustellen für das HERMES Logistik-Center und für das BERESA Airport Center das Erscheinungsbild an der Airportallee. Inzwischen haben beide Center ihren Betrieb aufge-

Bild: AirportPark FMO GmbH

nommen – HERMES für den Expressdienst von durchschnittlich 100.000 Paketen am Tag und BERESA für die Aufbereitung und den Online-Vertrieb von rund 20.000 Mercedes-Fahrzeugen pro Jahr.

BERESA Airport-Center

gen u e z r e b ü e G er n ie! wir auch S

Weitere Ausbaustufe in der Entwicklung Im 1. Bauabschnitt mit rund 420.000 m² Nettobauland sind lediglich noch rund 40.000 m² in der Vermarktung. Doch unser Standort wächst weiter – für Ihren Erfolg! Im 200 Hektar großen Gesamtgebiet entwickeln wir derzeit eine neue Ausbaustufe mit zusätzlich rund 120.000 m² Nettobauland. Voraussichtlich schon bis Ende dieses Jahres stehen die neuen und effizienten Grundstückszuschnitte von 5.000 bis 50.000 m² Größe zur Verfügung.

AirportPark FMO – optimaler Absatz- und Vertriebsstandort für Nordwesteuropa

Bild: AirportPark FMO GmbH

Überzeugendes Standortpaket ✔ ✔ ✔ ✔ ✔ ✔ ✔ ✔

Udo Schröer, Geschäftsführer AirportPark FMO GmbH

Direkter Autobahnanschluss an die A1 Hamburg–Köln Linienflugverkehr an die Drehkreuze Frankfurt und München 24/7-Betrieb Effiziente Grundstückszuschnitte Modernster Breitbandanschluss via Glasfaser Lukrative Fernwärmeversorgung zusätzlich zum Gasanschluss Kostensparende Versickerung des Regenwassers LED-Straßenbeleuchtung

www.airportparkfmo.de


– ANZEIGE –

ERFOLGREICH IN UNSERER REGION

Entdecken Sie Experten auf einen Blick

Die Mischung macht‘s

Verzahnung der Ingenieurleistungen im Gewerbebau

M

ehr interdisziplinäres Denken statt isolierter Lösungen: Nach dieser Maxime baut das Ingenieurbüro Schlattner seine Leistungen für Kunden aus dem Gewerbebau aus.

„Wir erleben bei unseren Projekten immer wieder: Ein Erfolgsfaktor besteht darin, das Know-how aus verschiedenen Bereichen der Planung miteinander zu kombinieren. Dies reduziert sonst mögliche Reibungsverluste und trägt dazu wirtschaftlicheren Lösungen bei“, sagt Cornelius Schlattner, der das Osnabrücker Ingenieurbüro gemeinsam mit seinem Vater, Dipl. Ing. (TU) Johann Schlattner, leitet. Ein Beispiel hierfür sei die Kombination aus Brandschutz, Tragwerksplanung und Objektplanung. „Selbstverständlich spielt technischer Brandschutz eine wichtige Rolle bei den meisten unserer Projekte. Sich hierbei allein auf anlagentechnische Aspekte des Brandschutzes zu fokussieren, hätte aber den Nachteil, große Potenziale für wirtschaftlichere Lösungen brach liegen zu lassen. Oftmals gelingt es uns, einen Teil der Brandschutzaufgaben durch spezielle bauliche Maßnahmen zu unterstützen, sodass unsere Auftraggeber bei der Errichtung und im Betrieb der Anlagen deutlich an Kosten sparen können“, so Cornelius Schlattner weiter.

Als Partner der Investoren, Projektierer und Architekten im Industrie- und Gewerbebau setzt Schlattner intern auf kurze Wege und unbürokratische Abstimmungen zwischen den für die unterschiedlichsten Gewerke zuständigen Experten – und dies mit großem Erfolg. Erst im August 2019 ist das Ingenieurbüro in neue Räumlichkeiten am Netter Platz im Osnabrücker Hafen umgezogen. Um mit der Expansion des Unternehmens Schritt zu halten, wurde in den neuen Firmensitz investiert.

Hervorragende Perspektiven für Fachkräfte Neben der hohen Expertise der Mitarbeiter ist im digitalen Zeitalter auch deren Ausstattung mit neuesten Instrumenten ein wesentlicher Faktor. Aktuellste Software für das Building Information Modeling (BIM) unterstützt die Datenverarbeitung und Informationsweitergabe zwischen den verschiedenen am Projekt beteiligten Gewerken

und schafft reibungslose Prozesse. Darüber hinaus setzt Schlattner die Planung auf Kundenwunsch in der virtuellen Welt um: So können die Auftraggeber das zu planende Projekt mit einer VR-Brille schon im Vorfeld hautnah erleben. Zahlreiche Projekte wie das hochwertige Bürogebäude direkt am Dortmund-Ems-Kanal in Münster zeigen die enorme Bandbreite auf. Von der Statik über den Brandschutz bis hin zum Schall- und Wärmeschutz ist das Ingenieurbüro breit aufgestellt. Ein Wermutstropfen bei den Expansionsplänen ist – wie fast überall in der Baubranche – das knappe Angebot an Fachkräften. „Wir wollen auch weiterhin wachsen und suchen kontinuierlich neue Mitarbeiter für die Tragwerksund Objektplanung, Brandschutz und TGAFachplanung. Wir sorgen auch individuell für fachliche Fortbildungen, um für sie und uns gleichermaßen hervorragende Perspektiven zu schaffen“, fordert Cornelius Schlattner mögliche Interessenten zu einer fundierten Bewerbung auf.

Expansion und Umzug an neuen Standort Dieses vernetzte Denken bei der Planung von unterschiedlichsten Objekten zeichnet das 1986 gegründete Büro aus. Brandschutz ist ein Thema, dem sich die deutschlandweit tätigen Ingenieure seit einigen Jahren verstärkt widmen – hierfür wurde die Kapazität durch zusätzliche Manpower gezielt ausgebaut. Netter Platz 4 49090 Osnabrück

Tel.: 0541 941660 Fax: 0541 9416618

www.schlattner.de info@schlattner.de


DONNERSTAG, 30. APRIL 2020

SPEZIAL KRISE & MANAGEMENT

13

Tagebuch einer Krise So hat das Meller Energieunternehmen Bioconstruct die Corona-Pandemie bislang erlebt

- Erste Fälle von Covid-19 in Wuhan - 28. Januar 2020: erster laborbestätigter Fall in Deutschland - 30. Januar 2020: WHO ruft internationale Gesundheitsnotlage aus keinen direkten „Wir haben die Nachrichtenlage verfolgt, hatten aber zu dem Zeitpunkt “ . g e w t i e w s l a m a d s n u r ü f Bezug zu dem Thema. Die Lage in China war

1. März 2020 Landesregierung bestätigt ersten Corona-Fall in Niedersachsen. nsequenzen „Zu dem Zeitpunkt haben wir in der Geschäftsführung über mögliche Ko . n e d e i h c s t n e s t h c i n h c o n auch für unser Unternehmen gesprochen, aber Das Geschäft lief normal weiter.“

8./9. März 2020 Italien wird abgeriegelt.

er unserer „Schon am 8. März haben wir zum einen entschieden, dass die Mitarbeit um anderen, z d n u , n e t i e b r a e c i f f italienischen Tochterfirma ab sofort aus dem Homeo eschäftsführung G r e d d n u n e d n u dass Serviceeinsätze nur noch nach Absprache mit dem K nommen. e g b u a l r U g n erfolgen. Außerdem hat ein Teil der Mitarbeiter in Abstimmu “ . t r h ü r e Der Betrieb unserer Biogasanlagen blieb von den Maßnahmen unb

13. März 2020 Bundeskanzlerin Angela Merkel appelliert, alle nicht notwendigen Veranstaltungen abzusagen. t. Einen Tag „Ab dem Zeitpunkt wurde auch bei uns in Deutschland die Situation erns arker Abteilungen t s vorher hatten wir mit der Geschäftsführung und den Leitern personal mit Dritten abeine erste Krisensitzung. Das Resultat war, dass wir Geschäftstermine arbeiten konnten. gesagt haben und Mitarbeiter nach Absprache verstärkt im Homeoffice htet werden.“ Auch auf Bahnfahrten und Flugreisen sollte ab diesem Zeitpunkt verzic

14. März 2020 IHK sagt Prüfungen, Handwerkskammer Lehrbetrieb ab. chterfirma in „An diesem Tag hat für die Mitarbeiter unserer autark arbeitenden To ktiv eine E-Mail an Italien eine Art Kurzarbeit begonnen. Einen Tag später haben wir proa Grenzen geschlosalle unsere Mitarbeiter im Ausland geschickt. Es zeichnete sich ab, dass and einzureisen. sen werden und sie somit Probleme haben könnten, wieder nach Deutschl nahme-Prozess b e i r t e b n I d n u u a B m i e i d , n e g a Daher haben wir alle angewiesen, die Anl eschäfts aus.“ G s e d t n e z o r P 0 7 s n u i e b t h sind, zu räumen. Der Bau neuer Anlagen mac

17. März 2020

Das öffentliche Leben in Niedersachsen wird weitgehend eingeschränkt – Läden bleiben geschlossen, Sportanlagen etc. werden gesperrt.

gen angewiesen, „Bereits einen Tag vorher haben wir alle Betriebsführer der Biogasanla ennt auszuführen. r t Dienste – da es sich um kritische Infrastruktur handelt – nur noch ge m Tag setzten Der 17. März selbst war für unsere Arbeit in Frankreich relevant. An de Frankreich ausunsere Nachbarn striktere Maßnahmen um, sodass wir unsere Arbeit in icht fortgeführt.“ gesetzt haben. Die drei bestehenden Bauprojekte dort werden aktuell n

18. März 2020 Boris Johnson kündigt Schulschließungen zum 21. März an. n, und erste „An diesem Tag ist eine zweite Info-E-Mail an alle Mitarbeiter gegange nd bemerkbar Einschränkungen bei der Arbeitsausführung haben sich auch in Deutschla nehmen, und angegemacht. Wir haben die betroffenen Mitarbeiter gebeten, Resturlaub zu fall geringer wird.“ kündigt, dass Kurzarbeit in Erwägung gezogen wird, wenn der Arbeitsan

22. März 2020 Bund und Länder einigen sich auf ein Kontaktverbot. interessant. „Dieses Datum ist für uns mit Blick auf unseren Markt Großbritannien ockdown, ein. L m i d n e r e i t l u s e r , n e m h a n ß a m z t u h Einen Tag später führte das Land Sc anlagen s a g o i B r e d r e b i e r t e B e i d d n u , r Es gab keine Hotels und Unterkünfte meh derzeit n e d r e w n e l l e t s u a B . l a n o s r e P verweigern teilweise den Besuch durch unser “ . t g r o s r e v t f a h c s l l e s e g r im Wesentlichen noch von der englischen Schweste

1. April 2020

iger „Da die Arbeit aufgrund der Corona-Maßnahmen bei uns tatsächlich wen rt.“ h ü f e g n i e d n a l h c s t u e D n i t i e b r a z r u K l i r p A . 1 geworden ist, haben wir zum

6. April 2020

nt „Ab diesem Tag wurde eine verbindliche Kurzarbeitsquote von 25 Proze festgelegt.“ n e g a l n A n für alle Mitarbeiter außer den Angestellten im Eigenbetrieb vo

16. April 2020

a-Maßnahmen. Kanzlerin und Ministerpräsidenten entscheiden über Lockerung der Coron en , „Was heißt das für uns? Die Lockerungen haben wir zum Anlass genomm ragens T s e d d unsere Mitarbeiter noch einmal bezüglich der Abstandsgebote un von Schutzmasken bei Reparaturen zu informieren.“

20. April 2020

urzarbeitsquote „Nach 14 Tagen sehr reduzierten Arbeitens haben wir die verbindliche K eb von Anlagen i r t e b n e g i E m i e t l l e t s e g n A auf 50 Prozent erhöht. Auch dieses Mal waren ausgeschlossen.“

11. Mai 2020

eitpunkt „Nachdem in den letzten Wochen die Arbeit ruhte, wollen wir zu diesem Z nn unsere e W : m e l b o r P n i e n i h r e t i e w s e t b i g s g n i d r e l l A . in Frankreich wieder starten Quarantäne.“ n i n e h c o W i e w z e i s n e s s ü m , n e m m o k k c ü r u Mitarbeiter von den Baustellen z

Illustration: Colourbox.de

Dezember 2019 /Januar 2020

IM GESPRÄCH MIT BIOCONSTRUCT-GESCHÄFTSFÜHRER HENDRIK BORGMEYER

„Energiewende und Corona nicht gegeneinander ausspielen“ Die Corona-Pandemie hat das Thema Energiewende in den Hintergrund gerückt. Befürchten Sie langfristig Nachteile? Ich kann verstehen, dass das Coronavirus kurzfristig alle anderen Themen verdrängt. Unbefriedigend ist, dass jetzt schon aus dem Wirtschaftsflügel der CDU Ideen kommen, die Energiewende auch mittelfristig als Thema hintanzustellen. Wenn jetzt zum Beispiel das Thema CO2-Grenzwerte in der Automobilindustrie neu diskutiert wird, halte ich das für ein falsches Signal. Daher blicke ich mittelfristig mit Sorge in die Zukunft unserer Branche.

Richtig und hier kommt noch eine weitere Unsicherheit hinzu. Die Finanzierung der Anlagen kommt meist aus Infrastrukturfonds. Doch wie werden diese künftig finanziell ausgestattet sein? Das kann zum Problem für den Ausbau erneuerbarer Energien auch auf europäischer Ebene werden.

nügend Mittel für den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft in Europa zur Verfügung stehen. Und das, obwohl jetzt schon jährlich Hunderttausende Menschen in Europa frühzeitig durch Folgen von Luftverschmutzung sterben. Wenn man zur Bekämpfung dessen nur 10 Prozent der ordnungspolitischen Maßnahmen umsetzen würde, die nun bei der CoroSie sprechen Europa an: Welche na-Krise eingesetzt wurden, wäChancen sehen Sie für den Green re man einen großen Schritt weiDeal? ter. In den Green Deal hatten wir viel Hoffnung gesteckt. Jetzt besteht Es wird oft argumentiert, erneuerbare Energien sind zu teuer Nicht nur Deutschland ist von die Gefahr, dass die Bekämpfung der Pandemie betroffen, auch die des Coronavirus und Klimaund zu volatil. Das ist kein Argument. WindNachbarländer, in denen Sie ak- schutz gegeneinander ausgetiv sind. spielt werden und nicht mehr ge- kraft und Solarenergie zeigen,

dass sie im Preis jetzt schon günstiger als alle anderen Energieformen sind! Bei Biogas ist das zwar nicht der Fall, aber dafür können mit Biogas und mittelfristig auch Erdgas sowie Batteriespeichern zu den Zeiten Strom und Wärme produziert und vorgehalten werden, wenn Wind und Sonne nicht verfügbar sind. Diese Flexibilität hat seinen Preis. Was muss jetzt passieren? Zum einen müssen kurzfristige Hilfen für Unternehmen an Nachhaltigkeitsstandards geknüpft werden. Zum anderen müssen wir viele Knoten durchlagen: die Abstandsdebatte

beim Thema Windkraft muss vom Tisch. Schattenschlag, optische Bedrängung und Lärm, nur das sind für den Schutz von Menschen valide Kriterien. Auch der Solardeckel muss fallen, er bremst die Zukunft bei Photovoltaik. Wir haben jetzt während der Coronakrise gesehen, welche Auswirkungen unsere Abhängigkeit von Drittländern beim Thema Schutzausrüstung und Medizin hat. Daraus sollten wir lernen und unsere Energieversorgung soweit es geht auf heimische und saubere Energieträger umstellen! Das ist nicht nur gesünder und sicherer, sondern auch günstiger.


14

DONNERSTAG, 30. APRIL 2020

SPEZIAL KRISE & MANAGEMENT

Homeoffice stellt Führungspersonen vor Herausforderungen Bewusst Auszeiten zu nehmen, dazu können Chefs motivieren VON NINA KALLMEIER

leicht auch nicht, die Arbeit zu unterbrechen – genau dann könnte ja der Chef anrufen. Pausen in den Tagesablauf einzubauen ist jedoch besonders im Homeoffice wichtig. Auch bei langen digitalen Meetings. Hier ganz wichtig seitens des Moderators: der Hinweis, Kamera und Mikro auszumachen.

OSNABRÜCK Nicht alle Chefs waren

vor der Corona-Pandemie von dem Konzept des Homeoffice überzeugt. Gerade einmal vier von zehn Unternehmen setzten laut einer Studie des Digitalverbands Bitkom Anfang 2019 darauf. Heute ist das anders. Mitte März allein arbeitete laut einer neuen Befragung von Bitkom bereits jeder Fünfte von zu Hause. Was heißt das für Führungskräfte und Beschäftigte? Ein Interview mit dem Osnabrücker Führungscoach Burkhard Bensmann. Herr Bensmann, wie leicht fällt es Führungskräften im Zuge der Corona-Krise loszulassen? Das kommt ganz auf den Typ Chef beziehungsweise Chefin an. Diejenigen, die schon immer auf Homeoffice gesetzt haben, wissen, dass ihre Mitarbeiter durch die Arbeit von zu Hause nicht unbedingt unproduktiver arbeiten. Ganz im Gegenteil, sie sind froh, dass das Thema Homeoffice jetzt einen Schub bekommt. Diejenigen, die von Grund auf skeptisch gegenüber der Arbeit zu Hause waren, merken hingegen vielleicht, dass ihre Denkmuster überholt sind. Positiv wäre, wenn diese Sorte Chef aufgrund der heutigen Situation überdenken würde, welche Art von Arbeiten sie in der Vergangenheit belohnt hat – nämlich möglicherweise Anwesenheit und nicht Produktivität. Das hat viel mit Vertrauen zu tun. Die aktuelle Situation zeigt: Wir können auf Entfernung miteinander arbeiten – und auch führen. In anderen Ländern wie Singapur ist das schon heute Normalität. Worin besteht für Chefs die größte Herausforderung? Im Büro selbst haben sie die Kontrolle. Zumindest scheinbar. Allerdings geht es ja nicht darum, beschäftigt zu wirken, sondern produktiv zu sein und Ergebnisse zu liefern. Das geht aus dem Homeoffice ebenso gut wie im Büro. Die Tatsache, dass die Chefs ihre Mitarbeiter dort aber nicht sehen und überwachen können – das ist für manche eine große Herausforderung. Zugegebenermaßen ist es jedoch gerade mit kleinen Kindern im Haus nicht einfach, Betreuung und Arbeit im Homeoffice unter einen Hut zu bekommen. Das ist eine Frage der Organisation und vor allem der Selbstorganisation. Das gilt aber nicht nur für Mitarbeiter mit Kindern, sondern grundsätzlich. Es braucht „makertime“, also Zeit, in der fokussiert gearbeitet wird – und in der Mitarbeiter gegebenenfalls auch für den Chef – hier beziehe ich mich immer auf

TEN 1 6 RO U

N LO Z U M D OW

AD

Chefs, dieschon langeauf Homeoffice setzen,sind froh,dassdasThemajetztobenauf derTagesordnung steht.Davonist Führungscoach BurkhardBensmannüberzeugt. Foto:DavidEbener

beiderlei Geschlechter – nicht erreichbar sind. Austausch ist dann ohne Probleme in der „managertime“ möglich. Das ist die Zeit, die für Besprechungen und andere organisatorische Aufgaben bestimmt ist. Wer permanent Benachrichtigungen zum Beispiel der unterschiedlichen Kommunikationsdienste, erhält, kann nicht wirksam arbeiten, weil er ständig abgelenkt ist. Bei der Arbeit zu Hause wird das noch einmal besonders deutlich: Ich muss meine Instrumente im Griff haben, sonst haben sie mich im Griff. So oder so braucht es also Spielregeln, sonst wird auch der aufgeschlossenste Chef zum HomeofficeKritiker. Selbstverständlich. Die Spielregeln gelten für beide Seiten. Es braucht klare Rhythmen, wann wer für wen erreichbar ist. Auch ein Chef darf sich nicht auf dem Rücken der Mitarbeiter organisieren. Wann können Mitarbeiter ungestört – vom Chef, Kollegen und der Familie – arbeiten, und wann müssen sie für Kommunikation zur Verfügung stehen? Das ist eine der dringendsten Fragen und hat viel mit Organisation zu tun. Welche Fragen stellen sich noch? Eigentlich ist für die Spielregeln der Arbeitsort nicht relevant. Sie werden mit dem Homeoffice nur noch

CHTE UND VE AN EMS

dl iche Em fü r da s sü d-Touren 16 Fa hr ra fs chaf t Bent heim ra und die G

K A RT E N

STR Z U M R AU

Au sg ab e

nt he im sc ha ft Be d die Gr af sla nd un dl iche Em

10

Da s Fa hr

ra d-Ma

da s sü ga zin fü r

„Es wird per Video-Konferenz knapper kommuniziert.“

Sie haben eben das Smartphone angesprochen: Sind Mitarbeiter in einer Video-Konferenz nicht viel schneller abgelenkt als in einem persönlichen Meeting? Das liegt ganz an der Führungskompetenz des Chefs. Er oder sie muss die Mitarbeiter viel stärker durch eine direkte Ansprache mit einbeziehen als bei einem persönlichen Meeting. Sonst bleiben sie geistig nicht die ganze Zeit aufmerksam dabei. Insgesamt ist man bei einem digitalen Meeting übrigens körperlich und geistig viel angespannter als im persönlichen Gespräch.

Manch einem fehlt derzeit jedoch der soziale Kontakt zu den Kollegen. Ein gesundes Mittelmaß ist wie immer der Schlüssel. Und Small Talk kann man auch digital lernen.

Eine Angst von Chefs mit Mitarbeitern im Homeoffice war es, dass nicht genug gearbeitet wird. Wie sieht hier die Rückmeldung im Corona-Lockdown aus? Die Erfahrungen sind eigentlich genau umgekehrt: Wir sind es nicht gewohnt, uns selbst Auszeiten zu geben. Manch einer traut sich viel-

Sind Video-Konferenzen aus Ihrer Erfahrung ebenso effektiv wie das persönliche Gespräch? Vielleicht sogar effektiver, denn bei einem digitalen Meeting fällt es

RAD & TOUR

Wird diese neu gewonnene Einsicht der Chefs zum Homeoffice langfristig Bestand haben? Ich glaube schon, dass wir langfristig eine Flexibilisierung der Arbeitsorte sehen werden. Das muss ja nicht immer das Homeoffice sein. Mit der heute zur Verfügung stehenden Technik können Mitarbeiter von überall arbeiten – wo auch immer es für sie am produktivsten ist. Schon aus Kostengründen wird sich manch ein Unternehmen im Anschluss fragen: Müssen wir wirklich so viele Büroräume vorhalten? Oder gibt es hier intelligente Lösungen? Schließlich ist das Großraumbüro auch aus Sicht der Produktivität nur für wenige geeignet. Ganz pragmatisch betrachtet, lernen Unternehmen gerade im Schnellverfahren, welche Systeme für diese Art des Arbeitens besonders geeignet und welche viel zu kompliziert sind.

JETZT BESTELLEN

sland Extras:

Das Fahrrad-Magazin

K A RTEN

zum Heraustrenn en und für den Len ker

DIE SCHÖNSTEN TOUREN UNSERER REGION + 16 abwechslungsreiche Fahrradstrecken inkl. Karten + Tipps, Servicethemen und Tourinformationen + alle Routen auch als Download

an E te und Vech

en Vier Tour punktim Knoten system

he Ausfü hrlic

auch digital. Das lässt mehr Zeit für „deep work“, also ein vertieftes Arbeiten.

ENNEN

T O U RmEs N ene Verschied ngen Tourenlä 28 und n he isc zw etern 60 Ki lom

Manch einer hat das Gefühl, dass die Zahl der Konferenzen seit dem Homeoffice stark gestiegen ist. Ist das ein Weg, weiterhin die „normale“ Kontrolle auszuüben? Aus meinen Coachings höre ich eher das Gegenteil: Es wird knapper kommuniziert. Denn man sitzt in den Konferenzen nicht wie sonst bequem auf dem Bürostuhl. Anders als reine Telefonkonferenzen können Video-Konferenzen auch eine Form der sozialen Kontrolle sein. Man sieht, was die Mitarbeiter machen, wirft sogar einen Blick ins Wohnoder Arbeitszimmer.

peinlich auf, wer nicht vorbereitet ist – und wer nebenbei sein Smartphone rausholt und andere Dinge tut. Ein willkommener Lerneffekt der Krise wäre, wenn wir unsere Meeting-Kultur auf den Prüfstand stellen würden: Nicht für jedes Zusammentreffen muss man durch die halbe Republik fahren. Es geht eben

Was für einen Typ Chef braucht es jetzt? Was es definitiv nicht braucht, ist den Typ „Held“, der alles alleine macht und quasi mit der Axt durch den Wald rennt. Das Vorbild in der Krise ist der Chef, der seine Mitarbeiter dennoch weiter nach vorne bringt, verlässlich und empathisch ist. Es braucht einen Chef, der konsequent bleibt und Orientierung bietet – aber auch Rückmeldung zulässt. Letztlich wird es eine Führungsgruppe sein, die ein Team gut durch die Krise bringt, mit klar verteilten Rollen.

9,9 0 10 | EU R

TOURBÄ NDER

16

wichtiger. Nehmen wir den Bereich Kommunikation: So oder so sollten Führungskräfte klar kommunizieren, kurz und knapp, mit konsistenter Botschaft. Das ist unter Druck erst recht wichtig. In einer Situation wie heute sollten Geschäftsführer oder Vorstände keine Irritationen erzeugen – und zum Beispiel in Hektik verfallen, Strategien kurzfristig komplett über den Haufen zu werfen. Die Rückkopplung sollte in einem strukturierten Austausch in ein paar Monaten erfolgen.

Wie kann der Chef seine Mitarbeiter in dieser Zeit unterstützen? Die Sache mit dem selbst gesteuerten Arbeiten haben die meisten Mitarbeiter gut drauf, da braucht es wenig Unterstützung. Anders ist es beim Thema Selbststeuerung. Auch in diesen Zeiten ist es wichtig, etwas für sich zu tun, um runterzukommen. Zum Beispiel Fitness oder Entspannung – oder einfach nur eine ordentliche Pause. Beziehungsweise Feierabend. Homeoffice bedeutet nicht, dass ohne Limit gearbeitet wird. Auch wenn die Grenzen teils verschwimmen. Hier bewusst zu handeln, dazu können Chefs motivieren. Denn bei einer Daueranspannung, ohne Zeit für sich selbst, leidet die Konzentration und letztlich auch die Qualität der Entscheidungen.

radundtour.gn-online.de

eit mit:

narb Zusamme

In und Tourismus us Emsland urism ntheim To Be ft ha sc Graf

radundtour.gn-online.de

05921 707-0

9.90 €


15

DONNERSTAG, 30. APRIL 2020

SPEZIAL KRISE & MANAGEMENT

Verantwortung für ein Lebenswerk Hendrik Witte ist gerade erst als Gesellschafter und Geschäftsführer ins Familienunternehmen eingestiegen – wie geht es weiter? VON NINA KALLMEIER RHEDE „Es ist schon eine verrückte Zeit“, sagt Hendrik Witte. Als der 27-Jährige Anfang des Jahres als Gesellschafter und Geschäftsführer ins Familienunternehmen eingestiegen ist, war noch nicht abzusehen, was die Corona-Pandemie für die Wirtschaft bedeuten würde. „Jetzt die Verantwortung zu tragen ist eine Herausforderung“, gesteht der Junior-Chef. Und das, obwohl die H. Witte Gruppe als Handwerksbetrieb im Bereich Gebäudetechnik und Anlagenbau in der Elektrotechnik in einer Branche unterwegs ist, wo die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus zumindest keinen kompletten Stillstand bedeutet. Dennoch sei die Situation nicht einfach, erzählt Witte, der nun zusammen mit seinem Vater und Firmengründer Hermann Witte (61) die Firma leitet. „Es ist eine sehr intensive Zeit. Man trägt die Verantwortung für den Betrieb und die Mitarbeiter mit und muss sich in die neue Situation hineinfuchsen.“ Das sei etwas ganz anderes als in den vergangenen Jahren, als er zunächst als Arbeitnehmer ins Unternehmen gekommen ist. Der Übergang in die eigene Firma war für Hendrik Witte fließend. Zwei Jahre war er nach dem Studium zunächst Vollzeit bei Voss Gebäudetechnik beschäftigt. „Die ma-

chen im Prinzip das Gleiche wie wir, sind aber deutlich größer“, so Witte. Ab September 2018 teilte der Wirtschaftsingenieur seine Zeit zwischen Voss und dem Unternehmen seines Vaters, bevor er ganz ins Familienunternehmen wechselte. „Es war für mich wichtig, auch ein anderes Unternehmen kennengelernt zu haben. Jetzt im eigenen Betrieb hat man aber noch einmal deutlich mehr Gestaltungsspielraum“, sagt der 27-Jährige. Dass er einmal die Firma übernehmen würde, stand für den heutigen Mitgesellschafter früh fest, wie er sagt. „Ich bin im Unternehmen groß geworden, habe in meinen Schulferien und zwischen den Semestern schon mitgearbeitet.“ Zumal seine beiden Schwestern schon immer etwas anderes machen wollten und für sie ein Einstieg in den Betrieb nicht infrage kam. „Ich bin da reingewachsen“, sagt Hendrik Witte, der mit noch nicht einmal 30 Jahren derzeit die Verantwortung für 75 Mitarbeiter trägt. Dieser Verantwortung sei er sich wohl bewusst, sagt der Geschäftsführer. „Das bereitet einem schon die eine oder andere schlaflose Nacht.“ Denn die Unsicherheit, gerade zu Beginn der Maßnahmen, sei auch bei Witte in Rhede groß gewesen, erinnert sich der Junior-Chef. Auch bei den Mitarbeitern. „Wir wussten ja nicht, was auf uns zukommt.“

Die H.Witte Firmengruppe hat HermannWitte (links)gegründet. SeitJanuarist auch sein SohnHendrik WittealsGesellschafterund Geschäftsführer eingestiegen. Foto:Witte

Man dürfe weiterarbeiten, das habe der Zentralverband schnell bestätigt, erzählt Hendrik Witte. „Da haben wir großes Glück. Auch wenn sich unsere Arbeitsweise verändert, machen wir Umsätze. In der Gastronomie und im Einzelhandel ist das eine andere Hausnummer.“ Nur die Badausstellung und den Lagerverkauf musste das Rheder Unternehmen schließen. Kurzarbeit anmelden musste die H. Witte Firmengruppe nicht. Allerdings: Viele Wartungsarbeiten seien verschoben und der Kunden-

DIE GN-APP STECK DIE GRAFSCHAFT IN DIE TASCHE

dienst heruntergefahren worden. Bei Privatkunden sei man derzeit nicht immer gerne gesehen – auch wenn Vorkehrungen getroffen wurden, um zum Beispiel Abstände einzuhalten und ohne eine Unterschrift des Kunden arbeiten zu können. „Stattdessen sind unsere Trupps jetzt vor allem in Roh- und Neubauten im Einsatz.“ Das Unternehmen sei in einem Umkreis von rund 250 Kilometern tätig. Um auch innerhalb des Unternehmens die Ansteckungsgefahr zu verringern, wurden feste Montagestrupps

gebildet, die zu unterschiedlichen Uhrzeiten losfahren. Auch in der Verwaltung wurden die Bereiche getrennt. So herausfordernd die aktuelle Situation auch ist, die Entscheidung, den Familienbetrieb fortführen zu wollen, hat Hendrik Witte nicht bereut. „Es ist spannend, intensiv, es macht aber auch Spaß, und es bewegt sich etwas.“ Auch wenn es derzeit danach aussieht, dass die Maßnahmen gegen das Coronavirus nach und nach gelockert werden, die Nach-

wirkungen werden noch anhalten, ist Witte überzeugt. „Die Wartungsarbeiten, die jetzt ausgefallen sind, müssen alle nachgeholt werden“, nennt er ein Beispiel. Dennoch: Solange der Betrieb nicht aufgrund eines Krankheitsfalls geschlossen wird, geht der 27-Jährige davon aus, dass das Unternehmen ohne großen Schaden durch die Krise kommt. „Das verdanken wir auch unseren Mitarbeitern, die mitziehen und sich an die veränderten Arbeitszeiten und Arbeitsweisen anpassen.“ Ob ihm dennoch durch den Kopf gegangen ist, dass das Unternehmen nach ihm keine Zukunft haben könnte? „So weit will man nicht denken. Man ist immer bestrebt, Lösungen zu finden.“ Noch ein paar Jahre werde er das Unternehmen gemeinsam mit seinem Vater leiten, sagt Hendrik Witte. „Er ist 61. Das ist eine schöne Übergangszeit und eine gute Mischung aus Erfahrung und Innovationsdrang“, findet er. Auch wenn man natürlich nicht immer einer Meinung sei. Der Austausch jedoch sei gut. Neue Wege will die H. Witte Gruppe unter anderem in der Außendarstellung gehen. „Wir wollen moderner werden und zeigen: Als junger Mensch ist man nicht nur mit einem Studium erfolgreich.“ Über soziale Medien wolle man verstärkt junge Menschen erreichen. „Es ist auch cool, im Handwerk zu arbeiten.“

ALL-IN FÜR IHR BUSINESS.

FORD GEWERBEWOCHEN FORD KUGA ST-LINE HYBRID Einstiegzierleisten vorn, ST-Line Design, Dachhimmel aus Webstoff in Schwarz, LEDNebelscheinwerfer, Pedalerie mit Aluminium-Auflagen, Lederlenkrad, ST-LineDesign, unten abgeflacht und mit roten Ziernähten

Jetzt kostenlos downloaden! HOL DIR GN-ONLINE ALS APP! +

Dein idealer Begleiter, überall und jederzeit

+

Alle wichtigen News auch als Push-Nachricht

+

Hintergründe, Meinungen und Reportagen

+

Bildergalerien, Videos, Kommentare und vieles mehr

https://app.gn-online.de 05921 707-500 leserservice@gn-online.de

Monatliche Ford Lease Full-Service-Rate

182,79 ( 217,52 €

1,2

netto

brutto

)

Bitte beachten Sie ebenso unser Angebot zum neuen Ford Explorer Plug-in-Hybrid.

Kraftstoffverbrauch (in l/100 km nach § 2 Nrn. 5, 6, 6 a Pkw-EnVKV in der jeweils geltenden Fassung): 2,9–1,2 (kombiniert); CO2-Emissionen: 66–26 g/km (kombiniert); Stromverbrauch: 20,53–15,8 kWh/100 km (kombiniert).

Autohaus Deymann GmbH & Co. KG Belmfort 1 - 3 49733 Haren (Ems) Tel.: 05932/7230-0 Fax: 05932/7230-30 E-Mail: info@auto-deymann.de www.auto-deymann.de Beispielfoto eines Fahrzeuges der Baureihe. Die Ausstattungsmerkmale des abgebildeten Fahrzeuges sind nicht Bestandteil des Angebotes. 1Ford Lease ist ein Angebot der ALD AutoLeasing D GmbH, Nedderfeld 95, 22529 Hamburg, für Gewerbekunden (ausgeschlossen sind Großkunden mit Ford Rahmenabkommen sowie gewerbliche Sonderabnehmer wie z. B. Taxi, Fahrschulen, Behörden). Das Ford Lease Full-Service-Paket ist optional erhältlich und in der Ford Lease Full-Service-Rate berücksichtigt. Eingeschlossen sind Wartungs- und Inspektionsarbeiten sowie anfallende Verschleißreparaturen in vereinbartem Umfang. Bei weiteren Fragen zu Details und Ausschlüssen zu allen Services können Sie sich gerne an uns wenden. Nur erhältlich im Rahmen eines Ford Lease Vertrages. Gilt für einen Ford Kuga ST-Line 2,5-l-Duratec-PHEV-Plug-in-Hybrid 165 kW (225 PS), Automatikgetriebe, Start-Stopp-System, Euro 6d-TEMP EVAP ISC, inkl. Metallic-Lackierung, 182,79 netto (€ 217,52 brutto) monatliche Leasingrate, € 2.250,- netto (€ 2.677,50 brutto) Leasing-Sonderzahlung, bei 36 Monaten Laufzeit und 30.000 km Gesamtlaufleistung. Leasingrate auf Basis eines Fahrzeugpreises von € 34.957,99 netto (€ 41.600,- brutto), zzgl. € 672,27 netto (€ 800,- brutto) Überführungskosten. Die Rate enthält das Ford Lease Full-Service-Paket zum Preis von € 7,73 netto (€ 9,20 brutto) monatlich. 3


17

DONNERSTAG, 30. APRIL 2020

SPEZIAL KRISE & MANAGEMENT

SPEZIAL KRISE & MANAGEMENT

„Krisenzeiten sind Kammerzeiten“ Im digitalen Wirtschaftstalk berichten Sven Ruschhaupt und Marco Graf über die Rolle der Kammern und ihre Einschätzungen für die Zeit nach Corona Kammern sind Ratgeber und selbst betroffen. Für einen guten Start ins Ausbildungsjahr 2020 muss gesorgt werden. Wo ist Europa? Grenzschließungen bedenklich. VON NINA KALLMEIER UND BERTHOLD HAMELMANN OSNABRÜCK/MEPPEN/LINGEN/ NORDHORN Die Corona-Krise kennt

Foto:imagoimages/Westend61

viele Manager: Geschäftsführer versuchen, ihr Unternehmen gut durch die unsicheren Zeiten zu steuern; Gewerkschaften kämpfen für höhere Kurzarbeitergelder und Bonuszahlungen für Angestellte; Arbeitgeberverbände setzen sich für Hilfsprogramme ihrer Branchen ein. Und auch der Industrieund Handelskammer sowie der Handwerkskammer Osnabrück-EmslandGrafschaft Bentheim kommen besondere Aufgaben zu. Unter anderem darüber haben die Hauptgeschäftsführer Marco Graf und Sven Ruschhaupt im Wirtschaftstalk gesprochen. Vor einem Vierteljahr war die Wirtschaftswelt insbesondere im Handwerk noch in Ordnung. Während in der Industrie bereits über Umsatzrückgänge geklagt wurde, waren die Auftragsbücher der Handwerker voll. Gemeinsam hatten alle Branchen: Das Virus war weit weg. „Im Januar war das Thema Corona bei uns in der IHK noch exotisch, ein Problem, dass Menschen und Unternehmen in China betrifft, aber nicht uns“, erinnert sich IHK-Hauptgeschäftsführer Marco Graf. Erst im Februar sei klar geworden, dass das Coronavirus Auswirkungen über Asien hinaus habe. „Dann ging es zunächst um Lieferketten, um Reisebeschränkungen.“ Entsprechend habe die IHK als eine der ersten in Deutschland eine Umfrage zu Corona gestartet: „Schon damals hat die Hälfte der Betriebe angegeben, dass das Coronavirus negative Auswirkungen auf das Geschäft hat. Heute würden das wahrscheinlich fast 100 Prozent bejahen“, ist Graf überzeugt. Im Handwerk war die Ausgangslage etwas anders: Auslandsgeschäfte haben Betriebe in der Region eher selten, und wenn, dann sind sie vor allem in den Nachbarländern tätig, nicht in China. Auch Lieferketten spielen für die Betriebe eher weniger eine Rolle. „Das Handwerk in der Region kümmert sich vor allem um den Binnenmarkt“, so Sven Ruschhaupt. „Bei uns ist das Virus Ende Februar zum Thema geworden.“ Allerdings – anders als bei der IHK – nicht, weil die Betriebe zu dem Zeitpunkt von den Auswirkungen betroffen waren, sondern weil das Thema in den Medien präsenter wurde. Von einer Art Krisenmanager waren beide Kammern zu dem Zeitpunkt allerdings noch weit entfernt. Das sollte sich schnell ändern, wie Graf und Ruschhaupt berichten. „Wir haben am 10. März in der Emsland Arena in Lingen unsere letzte Vollversammlung durchgeführt“, erinnert sich Graf. „Dass unser Gast mich eine Woche vorher anrief ud mit dem Hinweis absagte, sein Arbeitgeber erlaube ihm nicht mehr, solche Termine wahrzunehmen, hatte ich damals für etwas übervorsichtig gehalten. Mit dem Wissen von heute würde ich das sicher anders beurteilen.“ Mit einer Sondergenehmigung sei der Vortrag dann doch möglich gewesen. „Im Rückblick war das wohl auch der letzte Termin, an dem man eine Veranstaltung wie eine Vollversammlung hat durchführen können.“

Denn drei Tage später, am 13. März, wurde der Lockdown beschlossen, der Einzelhandel und die Gastronomie mussten schließen. „Das war der Zeitpunkt, zu dem unser Krisenmanagement eingesetzt hat“, so Graf. „Das ging dann sehr schnell“, ergänzt Ruschhaupt. Die beiden Hauptgeschäftsführer hätten an dem Tag noch miteinander telefoniert, erzählt Graf. Thema sei die Schließung der Bildungsstätten gewesen, ebenso die Prüfungen, deren bundesweite Verschiebung mit vielen Tausenden Prüflingen zu dem Zeitpunkt gerade beschlossen worden war. „Spätestens zu dem Zeitpunkt hatte das Coronavirus erhebliche Auswirkungen auf unser Kerngeschäft.“ Ruschhaupt ergänzt: Das sei auch der Zeitpunkt gewesen, wo „man tief durchatmen und die Folgen abschätzen musste. Sowohl für das eigene Haus als Arbeitgeber, aber eben auch als Kammer für die Mitgliedsbetriebe. So, wie sich die Lage in den letzten Wochen entwickelt hat, das konnten wir zu dem Zeitpunkt nicht abschätzen“, gibt der Hauptgeschäftsführer zu. Die Fragen, die zu dem Zeitpunkt bei der IHK, der Schnittstelle zwischen den betrieblichen Problemen einerseits und der politischen Vorgaben andererseits, aufgeschlagen sind, seien ganz unterschiedlich gewesen, sagt Marco Graf. „Sie reichten von ,wie organisiere ich mein mittelständisches Unternehmen und kümmere mich um den Schutz meiner Mitarbeiter’ bis zu Kurzarbeitergeld und Finanzierungshilfen“. Kurzarbeit sei ein bewährtes Mittel, dazu habe man von Anfang an gut beraten können – als Backup der Agentur für Arbeit, bei der das Thema angesiedelt sei. „Wir haben die Unternehmen beraten, wie mit solchen Anträgen umzugehen ist. Für viele war es das erste Mal, dass sie mit Kurzarbeit konfrontiert waren.“ Liquiditätssteuerung, Existenzsicherung, Umgang mit Kunden oder die Maßnahmen von Land und Bund und wie man damit umzugehen hat – das seien die Themen im Handwerk gewesen, ergänzt Sven Ruschhaupt. Da habe man sich als Kammer gut eingesetzt. Als Krisenmanager braucht es auch eine gewisse Flexibilität, ist bei Grafs Schilderungen rauszuhören. Mit Blick auf IHK bedeutete das laut Hauptgeschäftsführer: Das Organigramm wurde aufgelöst, und es wurde ein Team von knapp 20 Mitarbeitern gebildet, dass in unterschiedlichen Hotlines Telefonanrufe der Betriebe entgegennimmt. Auch Branchenexpertise sei gefragt gewesen, insbesondere für Handel und Gastronomie. „Unsere Experten mussten sich dabei schnell in

Keiner, der jetzt im dritten Ausbildungsjahr ist, wird ohne Prüfung in den Arbeitsmarkt gehen.“ Marco Graf, Hauptgeschäftsführer IHK Osnabrück-EmslandGrafschaft Bentheim

STECKBRIEF

Marco Graf, IHK-Hauptgeschäftsführer

V

or rund zwölf Jahren ist Marco Graf am 1. Juli 2008 einstimmig zum neuen Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Osnabrück-Emsland bestellt worden. Zuvor leitete er seit Juni 2004 die Geschäftsbereiche Starthilfe und Unternehmensförderung sowie Innovation und Umwelt der IHK. Außerdem war Graf seit März 2006 stellvertretender Hauptgeschäftsführer. Die IHK OsnabrückEmsland-Grafschaft Bentheim vertritt mehr

Foto:GertWestdörp

als 62 400 Mitgliedsbetriebe in den drei Landkreisen. Davon sind fast 3000 Ausbildungsunternehmen. In der Krise hat laut Graf die Zahl der Anrufe von IHK-Mitgliedern im März um 25 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat zugenommen. Auch die Nutzung der digitalen Angebote hat stark zugenommen. So verbuchte die Homepage IHK24 ein Besucherplus von fast 80 Prozent. Allein im März hatte die IHK damit über 100 000 Kontakte zu ihren Kunden.

„Ich gehe davon aus, dass zehn bis 15 Prozent der Mitgliedsbetriebe diese Phase nicht überstehen werden.“ Sven Ruschhaupt, Hauptgeschäftsführer Handwerkskammer Osnabrück-EmslandGrafschaft Bentheim

STECKBRIEF

Sven Ruschhaupt, HWK-Hauptgeschäftsführer

S

eit Dezember 2014 ist Sven Ruschhaupt Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Osnabrück-EmslandGrafschaft Bentheim. In der Kammer arbeitete Ruschhaupt zuvor schon länger. 2009 kam der ausgebildete Industriekaufmann zur Handwerkskammer nach Osnabrück, arbeitete zunächst im Bereich Zentrale Dienste und seit 2012 als Geschäftsführer Wirtschaftsförderung, Finanzen & Controlling. Der Handwerkskammer Osnabrück-Ems-

zum Teil völlig neue und sich täglich verändernde Themen einarbeiten“,, sagt Marco Graf. Insgesamt hätten die Telefon-Teams der IHK so unter anderem die Agentur für Arbeit entlastet. Denn der Beratungsbedarf der regionalen Unternehmen sei groß gewesen. Das gilt auch für die Handwerkskammer, dennoch habe man keine gesonderten Hotlines eingerichtet, sagt Sven Ruschhaupt. Und das ganz bewusst. Die Berater sollten auch weiterhin ihre Expertise gezielt einbringen. „In der jetzigen Krisenphase ist unsere IHK intensiv gefragt“, so Graf weiter. Das sehe man unter anderem anhand der Zahl der Telefonate und der Aufrufe der Internetseite. „Krisenzeiten sind Kammerzeiten. Das macht uns auch ein bisschen stolz.“ Diese Nachfrage angemessen bedienen zu können, das sei die Herausforderung der vergangenen Wochen gewesen. Dem kann Sven Ruschhaupt nur zustimmen. „Und wir sind ja noch nicht raus aus der Krise. Wir sind ein noch größerer Stabilitätsanker geworden, als wir es ohnehin schon waren.“ Was ihn in dem Zusammenhang störe, seien Diskussionen um Rücklagen von Kammern. „Wir könnten in der jetzigen Situation keine finanziellen Hilfen in Sachen Ausbildung zum Beispiel auflegen.“ Für die Zukunft sei das ein Thema, wo der Kammer mehr Spielraum gelassen werden sollte. „Wir sollten nicht reduziert werden auf die Einnahme von Beiträgen.“ Und wie geht es dem Manager selbst in der Krise? Spurlos vorbei geht das Coronavirus auch an Handwerkskammer und IHK nicht. Sosehr sich

Foto:GertWestdörp

land-Grafschaft Bentheim gehörten zuletzt 10 800 Betriebe an und damit rund 200 mehr als im Jahr zuvor. Mit gut 5500 haben die meisten von ihnen ihren Sitz in Stadt und Landkreis Osnabrück, gut 3800 gibt es im Emsland, mehr als 1400 in der Grafschaft Bentheim. Die Unternehmen beschäftigen insgesamt fast 100 000 Mitarbeiter, darunter 7000 Auszubildende. Auch der Meister ist weiterhin gefragt. 380 Personen legten 2019 erfolgreich ihre Prüfung ab.

DiesesMaldigital:Auch derWirtschaftstalkhat sichdenUmständender Corona-Kriseangepasst.

die Arbeit in einigen Bereichen erhöht hat, so sehr fehlt sie in anderen. Durch den Wegfall der Bildungsaktivitäten seien – wie bei vielen Firmen in der Region – zunächst Überstunden und Resturlaub abgebaut worden, sagt Sven Ruschhaupt mit Blick auf die Handwerkskammer. „Wir haben mit dem Personalrat Kurzarbeit ab dem 1. Mai vereinbart.“ Allerdings unter der Prämisse, dass die Bildungsstätten noch nicht wieder öffnen dürfen. Hier kommt nun Entwarnung: Zum 4. Mai geht es stufenweise wieder los. Für Graf zeigt sich hier ein Unterschied zwischen IHK und Handwerk – denn einen solchen Bildungsapparat unterhalten die Industrie- und Handelskammern nicht. „Natürlich haben auch wir viele Themen, die derzeit nicht nachgefragt werden – vom Bürokratieabbau bis zum Klimaschutz. Die Mitarbeiter sind aus diesen Themen dann in die Hotlines gegangen. Wer dagegen vorher mit den IHK-

Prüfungen beschäftigt hat, hat Stunden abgebaut. Kurzarbeit ist bei uns kein Thema“, so der Hauptgeschäftsführer. Und wie geht es weiter? Auch wenn die ersten Lockerungen der CoronaMaßnahmen da sind, überstanden ist die Krise noch nicht. Die aktuellen Prognosen, dass das BIP um rund fünf Prozent schrumpfen wird, sind laut Graf bereits optimistisch. „Wenn das am Ende des Jahres tatsächlich so wäre, wäre ich überrascht. Denn die Stimmung in den Unternehmen ist deutlich schlechter. Und die Betroffenheit ist sehr ungleich verteilt.“ Dem stimmt auch Ruschhaupt zu. „Gesamtwirtschaftlich gesehen, wird das ein katastrophales Jahr, und ich gehe von zweistelligen Minusbeträgen aus.“ Das wird sich auch im Handwerk niederschlagen, ist Ruschhaupt sicher. Auch wenn man weiterhin der Überzeugung sei, dass das Handwerk besser als manch andere Branche durch die

Krise komme, habe diese doch eine bereinigende Wirkung. „Ich gehe davon aus, dass zehn bis 15 Prozent der Mitgliedsbetriebe diese Phase nicht überstehen werden“, so der Hauptgeschäftsführer. Die vier Wochen Shutdown sind laut Ruschhaupt nicht das große Problem. „Es ist die Zeit danach. Wie schnell kommt die Wirtschaft wieder in Fahrt. Man kann von heute auf morgen die Wirtschaft runterfahren, sie jedoch nicht ebenso wieder anlaufen lassen. Dass wird in einer Art Treppe geschehen“, ist der HWK-Hauptgeschäftsführer überzeugt. Und bis wieder Geld verdient wird? Das kann laut Ruschhaupt noch ein bisschen dauern. Zumal die Unsicherheit eines zweiten Shutdowns bleibe. Die Ungewissheit und Unberechenbarkeit der Situation sei für viele Unternehmer, die es gewohnt seien, Entscheidungen zu treffen und das Steuer zu übernehmen, insbesondere nicht einfach. Die relevanten Entscheidungen im Hinblick auf die Lockerungen werden woanders getroffen – in Berlin, in Hannover. Auch für die Vertreter der Industrie- und Handelskammer hier vor Ort heißt das laut Graf unter anderem: Die Positionen in die Dachverbände, die IHK Niedersachsen (IHKN), und den Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), einbringen und für die regionalen Positionen werben. „In den Hauptstädten fühlen wir uns mittlerweile auch gut wahrgenommen“, so Graf. Die Bereitschaft, der Wirtschaft zuzuhören, sei größer als zu Beginn der Krise. Als Beispiel nennt Garf die Öffnung des Einzelhandels, wo schließlich auch den größeren Be-

trieben die Möglichkeit gegeben wurde, ihre Fläche zu verkleinern. Doch wem wird am meisten zugehört? Die Automobilindustrie wirbt für Kaufprämien. Gleichzeitig steht Schätzungen zufolge ein Drittel der Gastronomie- und Hotellerie-Betriebe vor dem Aus. Von der Förderung einzelner Teilbereiche der Wirtschaft hält Marco Graf nichts. „Ich bin eher für generelle Impulse als dafür, einzelne Branchen zu fördern. Das führt sonst, das haben wir in der Vergangenheit gesehen, zu Ungleichheit und Wettbewerbsverzerrung.“ Und einheitliche Regeln in allen Bundesländern, was die Lockerungen betrifft. „Föderalismus ist insofern gut, weil viele Beteiligte um das bestmögliche Ergebnis ringen. Dieses muss dann jedoch einheitlich umgesetzt werden, da kann dann nachher nicht aus der Reihe getanzt werden“, kritisiert Graf. „Sonst macht sich Politik unglaubwürdig.“ Die Uneinheitlichkeit kritisiert auch Sven Ruschhaupt, gerade mit Blick auf die Grenzregionen zu anderen Bundesländern. Und er verweist auf die Schulpolitik. „Alleingänge zu starten, um sich zu profilieren, dafür ist es nicht die richtige Zeit.“ Trotz des aktuellen Krisenmodus schaut man auch bei IHK und Handwerk mittlerweile wieder nach vorne – unter anderem auf die nun nachzuholdenden Prüfungen der Azubis. „Alle Prüfungen, die auf einen Abschluss hingearbeitet haben, sind lediglich auf Mitte Juni verschoben“, betont Marco Graf. Auch eine weitere Verschiebung auf Juli wäre noch möglich. „Keiner, der jetzt im dritten Ausbildungsjahr ist, wird ohne Prüfung in den Arbeitsmarkt gehen“, verspricht der IHKHauptgeschäftsführer. Das gilt für Ruschhaupt auch mit Blick auf das Handwerk. Hier fange man – organisiert von den Handwerksinnungen – mit den Prüfungen sogar noch ein bisschen früher als bei der IHK an. Allerdings sehe es danach aus, dass die anstehenden Zwischenprüfungen in den Herbst verschoben werden. Parallel kümmere man sich darum, dass Ausbildung auch während der Corona-Pandemie weitergehen könne, so Graf. „Der schulische Teil unserer dualen Ausbildung lag seit Mitte März für mehr als einen Monat brach“, gibt er zu bedenken. Entsprechend seien die Azubis in den Betrieben. Aus Sicht von Graf braucht es nun vor allem eine Perspektive für Hotellerie und Gastronomie. Hier schaue man zurzeit erwartungsvoll nach Berlin und Hannover. Und noch etwas sei wichtig: „Wir müssen in jedem Fall dafür arbeiten, dass Auszubildende ihren Ausbildungsplatz behalten und Betriebe nicht aus

Geldnot Verträge vorzeitig kündigen“, so Graf. Denn die Auszubildenden von heute sind die Fachkräfte von morgen. Dass hier ein Mangel herrscht, ist während der Corona-Pandemie in den Hintergrund gerückt. Da wird das Thema aber nicht lange bleiben, sind die Hauptgeschäftsführer überzeugt. Es werde „sehr schnell“ wieder zum Thema, meint Marco Graf. „Denn alleine der demografische Wandel wird dafür sorgen, dass das Thema präsent bleibt. Spätestens im zweiten Halbjahr wird es wieder auf der Agenda sein“, ist Graf überzeugt. „Die Arbeit ist ja nicht unter Quarantäne gestellt worden“, ergänzt Ruschhaupt. Und die Auslastung des Handwerks war vor Corona stark, Infrastrukturprojekte, an denen Handwerksbetriebe maßgeblich beteiligt seien, würden weiter umgesetzt. Mit dem Resultat, dass Betriebe nach mehr Personal suchten. Entsprechend sei man gut beraten, so Graf, dafür zu sorgen, dass das Ausbildungsjahr 2020 nicht zum Fehlstart werde – auch wenn Partner, die sonst mit für die Ausbildung werben, zurzeit andere Prioritäten haben müssten und auch in den Schulen nicht so geworben werden könne wie sonst. „Es gibt gerade keine Ausbildungsmessen. Also müssen wir uns überlegen, welche alternativen Zugänge wir zu den Jugendlichen haben, damit wir zum 1. August einen starken neuen Ausbildungsjahrgang präsentieren können.“ Indizien dafür, dass die Ausbildung in diesem Jahr auf weniger Interesse stoße, gebe es im Handwerk noch nicht, so Ruschhaupt. „Ich habe aber die Befürchtung: Je länger diese Phase dauert, je weniger Betriebe werden bereit sein, einen Auszubildenden einzustellen.“ Zwar ist die Krise noch nicht ausgestanden, ein paar Lehren ziehen die Kammern jedoch bereits. „Bei manchen Themen der Digitalisierung waren wir noch nicht so weit wie geplant und gewünscht“, sagt Ruschhaupt mit Blick auf die Handwerkskammer. Arbeitsplätze digital auszustatten habe man dann schnell nachgeholt. Mit Blick auf die Möglichkeiten, Dinge unbürokratisch zu lösen, müsse man sich die Frage stellen, ob nicht auch in Zukunft auf manches verzichtet werden könne. „Plötzlich geht vieles.“ Entbürokratisierung bleibe auch nach der Krise ein Thema. „Weniger Bürokratie ist eine Erleichterung. Warum kann das nicht auch in Zukunft so bleiben“, fordert Ruschhaupt. „Wir müssen flexibel bleiben. Das hat sich bewährt“, ergänzt Marco Graf. „Was die gesamtwirtschaftliche Entwicklung angeht, hätte ich mir einen so umfassenden Schock nicht vorstellen können. Er wird sich auch in Zukunft nicht verhindern lassen – aber man wird sich darüber Gedanken machen müssen, wie die Wirtschaft davor sicherer gemacht werden kann.“ Und auch, ob ein vollständiger Shutdown immer die richtige Antwort auf große medizinische Herausforderungen sei. „Wir haben in Deutschland auf Anraten von Virologen sehr heftig und umfassend reagiert, so mein Eindruck. Die Meinung von Wirtschaftswissenschaftlern hat da zunächst eine untergeordnete Rolle gespielt. Eine Lehre muss aber sein, dass sich die Politik von vielen verschiedenen Experten Rat holt; von Ökonomen, Psychologen, Juristen – und natürlich auch von Medizinern. Die Krise ist multidimensional, und daher muss es auch aus verschiedenen Richtungen Empfehlungen geben, die die Politik am Ende abwägen kann.“ Auch Europa kommt Graf in dieser Krise viel zu kurz. „Es überrascht mich, wie unabgestimmt die Staaten reagieren und wie sehr man sich von seinen engsten Nachbarn abschottet – bis hin zu geschlossenen Grenzen. Das steht in vollständigem Widerspruch zu allem, was wir vorher gehört haben. In dem Kontext hätte mir eine europäischere Antwort gewünscht.“

Foto:imagoimages/photothek


18

DONNERSTAG, 30. APRIL 2020

SPEZIAL KRISE & MANAGEMENT

Eine Krise mit historischen Parallelen? Institut für empirische Wirtschaftsforschung: Frank Westermann über die Vergleichbarkeit der Corona-Krise VON NINA KALLMEIER OSNABRÜCK Die Corona-Pandemie hat schnell zu einer Art Superlative geführt: Sie habe eine Wirtschaftskrise noch nie gekannten Ausmaßes ausgelöst. Das ist leicht gesagt, doch stimmt das wirklich? Eine Nachfrage im Institut für empirische Wirtschaftsforschung der Universität Osnabrück. Hier sagt Frank Westermann mit Blick auf die Konjunkturprognosen: „Ja, es ist leider richtig.“ Die Voraussagen für einen Konjunktureinbruch lägen optimistisch geschätzt bei 5 Prozent. „Aber sollte der Lockdown noch länger dauern, hält zum Beispiel das Münchner IfoInstitut auch bis zu minus 20 Prozent für möglich. Das gab es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr“, so Westermann. „Einzelne Branchen werden sich vielleicht neu positionieren können, zum Beispiel die IT Industrie. Aber insgesamt steht ein klarer Abschwung bevor.“ Dabei sind Krisen, historisch betrachtet, keine Seltenheit. Neben den Weltkriegen hatten auch der Kalte Krieg, die Ölkrise, die Große Depression der 1930er-Jahre, die Finanzkrise oder die Ereignisse des 11. Septembers Einfluss auf das Wirtschaftsgeschehen weltweit. „Der Princeton-Ökonom Ken Rogoff hat ein wichtiges Buch geschrieben mit dem bezeichnenden Namen ,This time is different‘. Er meint damit, dass aus Krisen meist nicht gelernt

wurde, sondern immer aufs Neue dieselben Fehler wiederholt werden in der Hoffnung, man wäre in einer neuen Welt“, so Westermann. Nur dass diese spekulative Blase dann meist irgendwann platze und man erneut in die Krise geraten sei. „Das stimmt vor allem für Finanzkrisen. “ Die Struktur der Region mit ihrem hohen Anteil an Familienunternehmen sieht Westermann für die Bewältigung der Krise als klaren Vorteil. „Deutschland insgesamt ist ein Land mit nur einem kleinen Anteil großer Kapitalgesellschaften und einem sehr starken Mittelstand. Im Gegensatz zu den USA ist so das

„Gerade wenn es zu Insolvenzen kommt, werden auch Ressourcen freigesetzt.“ Frank Westermann, Universität Osnabrück

systemische Risiko kleiner“, erklärt er. Auch die Bank-Firmen-Beziehung sei enger, das könne gerade in Krisenzeiten helfen, finanzielle Engpässe zu überwinden. „Diese Struktur zu erhalten wird eine wichtige Aufgabe der Krisenbewältigungspläne sein“, sagt der Akademiker voraus. Allerdings dürfe man sich auch keine Illusionen machen. „Letztlich werden alle Branchen betroffen sein.“ Dass Insolvenzen langfristig zu vermeiden sind, glaubt Westermann nicht – auch wenn kurzfristig mit staatlichen Mitteln einiges aufgefangen werden könne. „Sehr viel wird davon abhängen, wie stark und langfristig das Virus sich weltweit ausbreitet. Erkenntnisse hierzu bringen ja fast täglich ein besseres Bild der Lage, und aktuell sieht es so aus, als würde es weniger schlimm als zunächst befürchtet.“ Es könne aber sein, dass selbst ohne einen dauerhaften medizinischen Ausnahmezustand sich ein langfristiger Trend zur Deglobalisierung der Wirtschaft verfestige, meint der Wissenschaftler – was für Deutschland als Netto-Exportland einen großen Schaden bedeuten würde. „Auch Osnabrücker Firmen, die international aufgestellt sind, würden darunter leiden.“ Und was heißt die Situation heute für die Unternehmergeneration von morgen? In dieser Hinsicht ist Westermann optimistisch: „Gerade wenn es zu Insolvenzen kommt, wer-

ILange Schlangen 1931 vor dem Berliner Postscheckamt: Der „Schwarze Montag“ hatte einen Run auf die Banken ausgelöst. Was den Rückgang desBIPangeht,ist die KrisefürWestermanndurchausmitderCorona-Pandemiezuvergleichen. Foto:dpa

den auch Ressourcen freigesetzt“, sagt er. Arbeitskräfte, Büro-Räume, Finanzkapital werde für alternative Verwendungszwecke zur Verfügung stehen. „Das ist etwas, was Gründer nutzen können, um mit neuen Geschäftsmodellen innovative Ideen umzusetzen. Der Ökonom Joseph Schumpeter hat dieses den Prozess der ,Schöpferischen Zerstörung‘ genannt.“ Dennoch, einen Wermutstropfen sieht der Osnabrücker schon: Die Fördermittel für Startups könnten aufgrund der Rettungsmaßnahmen nicht mehr so umfangreich zur Verfügung stehen.

In Deutschland ist die Politik derzeit auf einem vorsichtigen Weg raus aus dem Shutdown. Andernorts wie in den USA legen die drastisch gestiegenen Arbeitslosenzahlen nahe, dass der wirtschaftliche Abschwung auch nach Corona nachwirken könnte. Sind die exportorientierten Firmen auf einem Weg in die „Krise nach der Krise“? Eine historische Parallele sieht Westermann mit Blick auf den Rückgang im Bruttoinlandsprodukt möglicherweise in der Großen Depression in den USA der 1930erJahre. „Ausgelöst wurde sie durch

das Platzen einer spekulativen Blase und eine große Dürre.“ Dort habe der Staat versucht, in der Krise zu sparen, und die Situation noch verschlimmert. „Heute verfolgen die Staaten eine gegenteilige Strategie und geben viel Geld aus“, so der Wissenschaftler. Kurzfristig helfe das den Firmen und der Wirtschaft, und es vermeide bislang auch noch eine Massenarbeitslosigkeit. „Aber langfristig steigen die Schulden. Das wirkt sich vermutlich noch sehr lange negativ auf alle öffentlichen Leistungen aus“, prognostiziert Westermann.

HÖCHSTEN ANSPRÜCHEN GERECHT SICHER INVESTIEREN IM SKANDINAVISCHEN RESORT Eine Ferienimmobilie im Marissa Ferienpark mit optional garantierter Rendite ist die perfekte Kombination aus Kapitalanlage und Eigennutzung. Du profitierst von einer professionellen Vermarktung, unserem Rundum-Sorglos-Konzept und einer ganzjährigen vielseitigen Infrastruktur. Ob Seesauna oder Strandbar - hier gibt es alles inklusive Seeblick.

NEU: Marissa Sicherheitsschirm – Investieren in Zeiten von Covid-19 Kein Vermietungsrisiko – 3 % Rendite für die ersten 36 Monate garantiert Keine laufenden Kosten – nur Grundsteuer und Instandhaltungsrücklage in dieser Zeit Keine Wachstumsbeschränkung – flexibler Wechsel zur belegungsabhängigen Rendite mit 5 % plus möglich Kein Bauträgerrisiko – Kaufpreiszahlung bei Übergabe und Fertigstellung Vereinbare jetzt einen persönlichen Beratungstermin unter +495447 921944-1 und besichtige die Musterhäuser im Marissa Ferienpark am Dümmer-See. Du kannst auch gerne direkt ein persönliches Renditebeispiel bei uns anfordern. MARISSA FERIENPARK • Dümmer-See • Schodden Hof 17-19 • 49459 Lembruch • info@marissa-ferienpark.de • www.marissa-ferienpark.de

© NOVASOL

BEREITS ÜBER 220 EINHEITEN VERKAUFT


19

DONNERSTAG, 30. APRIL 2020

SPEZIAL KRISE & MANAGEMENT

„Ich erwarte keinen einjährigen Kursrückgang“ Im Gespräch mit Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater: Was erwartet den Anleger, und braucht es Eigenkapitalquoten für Unternehmen? VON NINA KALLMEIER OSNABRÜCK Die

Corona-Krise wird oft mit der Finanzkrise verglichen. Gemeinsamkeiten liegen unter anderem in Turbulenzen am Aktienmarkt. Was bedeutet die Krise für Unternehmen in Niedersachsen, der Region und Deutschland? Ein Gespräch mit Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater. Herr Kater, vielen ist der Crash der Finanzmärkte 2008/09 noch sehr präsent – Ähnliches hat es jetzt während der CoronaPandemie gegeben. Heißt das für Anleger wieder: Augen zu und durch? Wer in der Finanzkrise nach dem Motto gehandelt hat, hat richtig gehandelt, denn nach einigen Jahren gab es neue Höchststände. Was wir bislang nach jedem Absturz – auch dem spektakulären zur Finanzkrise – gesehen haben, ist eine deutliche Erholung innerhalb der nächsten zwei bis fünf Jahre. Das erwarten wir auch dieses Mal.

Das eine oder andere Unternehmen – auch in der Dax-Familie – steht aktuell allerdings auf wackeligen Beinen. Die Corona-Krise wird die Branchen sehr unterschiedlich treffen. Die Tourismus-Unternehmen werden zwar irgendwann die gleiche Nachfrage nach ihren Produkten sehen wie vor Corona, das dauert aber noch sehr lange. Umgekehrt könnte in der Industrie die Produktion schnell wieder anziehen, aber die Nachfrage nach deutschen Exportgütern am Ende doch nicht ganz so hoch sein wie vor der Krise. Technologieunternehmen sind die großen Gewinner. Insgesamt könnte der Aktienmarkt also ganz schön durcheinandergewirbelt werden. Verbände wie die Industrie- und Handelskammer, aber auch die Handwerkskammer haben mit Schrecken festgestellt, wie dünn die Rücklagen der Unternehmen sind. Braucht es da – wie nach der Bankenkrise für Finanzinstitute – eine verbindliche Eigenkapitalquote für Firmen? Nein, das ist nicht notwendig. Eigenkapitalquoten sollten nur dann reguliert werden, wenn das Eigenkapital quasi den Rohstoff des Geschäftsbetriebs darstellt und der Bestand eines Unternehmens sys-

Deka-ChefvolkswirtUlrichKatergehtvoneinerschnellenErholungderMärkteaus.

temrelevant für die ganze Branche ist, wie etwa bei Banken oder Versicherungen. Bei anderen Unternehmen sind Mindestquoten kaum vernünftig ableitbar. Dennoch hat der Stillstand der Wirtschaft gezeigt, dass offensichtlich zu wenig Geld da ist, um eine längere Zeit des Leerlaufs ohne Hilfe zu überstehen. Das ist sehr unterschiedlich. Bei vielen kleinen Unternehmen oder auch bei neuen Unternehmen ist Eigenkapital knapp. Sie müssen gestützt werden Aber wir haben auch viele mittelständische Unternehmen in Deutschland, die über eine sehr gute Finanzausstattung verfügen und die Krise gut überstehen werden. Gerade die deutschen Unternehmen haben in den vergangenen Jahren viel Eigenkapital angesammelt, das ist in der jetzigen Lage ein Vorteil.

„Gerade die deutschen Unternehmen haben in den vergangenen Jahren viel Eigenkapital angesammelt.“

Volkswagen, Continental, Salzgitter, Tui – sie sind alle große Aktiengesellschaften in Niedersachsen. Und in der Krise. Niedersachsen hat da für die Corona-Krise einen etwas unglücklichen Schwerpunkt bei den Aktienunternehmen. Es sind jedoch gesunde Unternehmen von erheblicher Bedeutung, daher stehen die Chancen für die Überwindung der Krise gut. Wie immer werfen solche Ausnahmesituationen aber grundsätzlich ein Schlaglicht auf die Probleme der Wirtschaft in Niedersachsen und in Deutschland insgesamt – auch vor Corona. Zum Beispiel? In der Automobilindustrie sind das weiterhin die Themen Nachhaltigkeit und Technologiewandel. Die deutsche Industrie muss generell mit einer Weltwirtschaft zurechtkommen, die nicht mehr ein grenzenloser Marktplatz, sondern mehr und mehr durch politische Gräben getrennt ist. Diese Entwicklungen werden durch Corona beschleunigt, die Herausforderungen haben sich weiter verschärft. Die Unternehmen werden diese Phase meistern, aber das geht nicht ohne Anstrengungen, Konflikte und den Abbau und Neuaufbau von Arbeitsplätzen. Die Vernetzung gerade der Lieferketten bleibt jedoch. Steuern wir auf eine Krise nach der Krise zu? Obwohl die Verschlechterungen der Bonität vieler Unternehmen noch eine Belastung des Finanzsystems darstellen werden, rechnen wir nicht mit einer neuen Bankenkrise. Die Banken haben dank der Regulierung nach der Finanzkrise mehr Eigenkapital, um solche Effekte abzufedern. An den Finanzmärkten engagieren sich die Notenbanken in noch einmal stärkerem Umfang als vor zehn Jahren, indem sie Verschuldungstitel auf die eigene Bilanz nehmen. Auch das ist ein Grund, warum wir nicht in eine nächste Finanzkrise rauschen.

Foto: Deka

Damit wird das Problem grundsätzlich aber nicht gelöst, sondern verlagert. Ja, das Problem einer hohen Verschuldung bleibt nicht nur bestehen, sondern wird noch einmal verschärft. Solange das Engagement der Notenbanken nicht zu mehr Inflation führt, gibt es keinen unmittelbaren Handlungsbedarf. Die Verschuldung ist ja auch die Kehrseite des hohen Niveaus an Vermögen, das die privaten Haushalte aufbauen möchten. Aber ob diese Form von flächendeckender zentralbankfinanzierter Verschuldung auf Dauer Bestand haben kann und wie man aus diesem Zustand wieder herauskommt, wird die entscheidende Finanzsystem-Diskussion der Zwanzigerjahre werden. In der Corona-Krise ist schnell vor einem Ausverkauf der deutschen Firmen gewarnt worden. Welche Auswirkung hat der Ab-

sturz im Markt auf die Anlegerstruktur? Die Anlegerstruktur ist bereits heute anders, als sich viele das vorstellen: Mehr als die Hälfte der Dax-Unternehmen sind nicht in deutschem Besitz, was an dem traditionellen Aktien-Desinteresse der deutschen Privathaushalte liegt. An dieser Aufteilung wird sich auch durch Corona nichts ändern. Aufgrund des aktuell niedrigen Niveaus am Aktienmarkt man muss in Einzelfällen darauf gefasst sein, dass strategische Investoren die Krise als Gelegenheit betrachten, Übernahmen zu tätigen, die vielleicht vor Corona schon auf dem Speisezettel standen. Das ist an sich nichts Schlimmes, allerdings muss man erstens aufpassen, dass die Konzentration in bestimmen Sektoren wie etwa dem Digitalbereich nicht noch weiter zunimmt. Zweitens dürfen Investoren mit einem politischen Hintergrund keinen Einfluss auf die marktwirt-

E-Learning verlangsamt die Ausbreitung von CORONA!

Wir schulen/unterweisen ohne Gruppenbildung!

schaftliche Unternehmenslandschaft gewinnen. Werfen wir einen Blick in die Zukunft: Nach dem großen Absturz sind die Aktienkurse relativ fix wieder nach oben gegangen. Ist die Krise damit schon ausgestanden, oder kommt der nächste Absturz? Das ging uns auch ein bisschen schnell. Wir sehen eine Schere aufgehen: Auf der einen Seite bewegen sich die Kurse in Richtung Normalität, auf der anderen müssen die Unternehmen die Gewinnen jedoch erst noch erwirtschaften, die diese Kurse rechtfertigen. Hier hat die Börse schon viel Vorschusslorbeeren verteilt, denn der Wiederantritt der Wirtschaft fängt ja gerade erst an. Es wird in den kommenden Monaten auch noch traurige Tage an der Börse geben. Aber der Aktienanleger denkt in Jahren, nicht in Monaten, und mit dieser Perspektive sind Aktien derzeit mal wieder günstig zu haben.

• E-Learning • Arbeitssicherheit • Gefährdungsberurteilung • Datenschutz • Azubi-Unterweisungskurse • Schulungen • Eventschulungen • Prüftechnik

Wir sind Ihre Experten! Wir bieten Ihnen ein speziell auf Ihr Unternehmen zugeschnittenes Arbeitssicherheitskonzept – von der Beratung über Weiterbildung und Schulungen, höherwertigen Qualifikationen in der Arbeitssicherheit bis hin zur Prüfung von sicherheitsgerechten Konstruktionen Ihrer Maschinen und Anlagen. Wir sichern Ihre Mitarbeiter und Sie ab! Mit Sicherheit!

Es wird viel diskutiert, inwieweit die Finanzkrise und die CoronaKrise vergleichbar sind. Sind sie es? Die Krisen haben eines gemeinsam: den starken Rückgang in Konjunktur und Finanzsektor. Da hören die Gemeinsamkeiten aber auch auf. Bei der Finanzkrise gab es große Ängste, dass das Finanzsystem kollabiert und ob es überhaupt reparierbar sei. Die jetzige Krise gleicht in ihren Auswirkungen eher einer Naturkatastrophe. Wir wissen, dass die Wirtschaft wieder loslegen kann, wenn das Virus eingedämmt ist. Diese Erholung wird kommen, es wird aber länger dauern, als wir zunächst vermutet hatten. Der Anleger muss also nur etwas mehr Geduld haben? Wenn man überhaupt vergleichen kann, würde ich im Gegensatz zur Finanzkrise keinen einjährigen Kursrückgang erwarten, sondern eher, dass die Märkte noch in den kommenden Wochen wackelig bleiben, sich danach aber wieder nach oben orientieren. Die Maßnahmen der Notenbanken führen dazu, dass noch mehr Liquidität im Umlauf ist, und diese wird irgendwann auch wieder an den Aktienmärkten landen, eine ähnliche Lage wie vor Corona.


DONNERSTAG, 30. APRIL 2020

VERLAGS-SONDERVERÖFFENTLICHUNG

FUHRPARKMANAGEMENT

Kaum Alternativen zum Diesel Interview mit Klaus Roloff und Sascha Kühn von Solarlux – Das Fuhrparkmanagement ruht auf mehreren Schultern

VON CHRISTOPH LÜTZENKIRCHEN Mehr als 150 Fahrzeuge umfasst der Fuhrpark des Meller Unternehmens Solarlux. Der Hersteller von Bauelementen und Weltmarktführer für Glas-Faltwände unterhält einen umfangreichen Außendienst, der zusammen mit den Führungskräften die 120 Pkw des Fuhrparks nutzt. Die 25 Nutzfahrzeuge setzt das Unternehmen überwiegend im Messebau und in der Montage ein. Die hauseigene Flotte von 13 Lkw transportiert die Produkte aus Melle zu Kunden in ganz Europa. Wir sprachen mit Klaus Roloff, Kaufmännischer Geschäftsleiter von Solarlux, und Sascha Kühn, Leiter Strategischer Einkauf, über das Management des Fuhrparks. MELLE

Herr Roloff, Herr Kühn, wer trägt die Verantwortung für das Management des Solarlux-Fuhrparks? Sascha Kühn: Der Fuhrpark ist bei Solarlux im Einkauf angesiedelt. Deshalb stecke ich den Rahmen ab. Zwei Kolleginnen unterstützen mich bei der Verwaltung, im Schadensmanagement nutzen wir externe Anbieter. Für die Verwaltung arbeiten wir seit einigen Monaten mit einer Spezialsoftware. Sie leistet das komplette Management der Fahrzeugflotte, inklusive der Rechnungen, der Kilometerstände, des Alters der Fahrzeuge sowie der Fahrer- und Fahrzeugakten. Klaus Roloff: Die Grundzüge unserer Strategie für den Fuhrpark – wir sprechen von unserer „CarPolicy“ – überprüfen wir für die Pkw einmal im Jahr. Das umfasst beispielsweise die Laufleistung, die Modellpalette und die Antriebsarten. Wir kaufen aktuell ausschließlich Fahrzeuge von deutschen Herstellern. Die Policy stimmen wir einmal im Jahr mit dem Firmeninhaber und der Vertriebsleitung ab und verabschieden diese gemeinsam für das folgende Kalenderjahr. Für die Mitarbeiter gibt es im Rahmen der Car-Policy Berechtigungsklassen. Da ist dann beispielsweise festgelegt, ob es ein Kombi sein darf oder welche Assistenzsysteme möglich sind. Nach diesen Vorgaben konfiguriert sich der Mitarbeiter „seinen“ Neuwagen. Bisher haben wir keinen Mitarbeiter gebraucht, der sich ausschließlich mit dem Fuhrparkmanagement

KlausRoloff

befasst. Da wir kontinuierlich wachsen, könnte sich das aber in ein bis zwei Jahren ändern. Setzen Sie geleaste Fahrzeuge ein, eigene oder einen Mix von beidem? Welche Überlegungen haben zu dieser Lösung geführt? Kühn: Wir überprüfen unsere Strategie diesbezüglich auch einmal im Jahr. In der Vergangenheit hatten wir schon mehr Leasingfahrzeuge im Einsatz, aktuell sind aber alle Fahrzeuge im Eigentum. Wir haben uns dafür entschieden, weil wir damit mehr Flexibilität haben und auf Veränderungen beim Personal reagieren können. Beispielsweise machen wir manchmal einen Ringtausch, wenn Mitarbeiter ausscheiden. Bei Leasingfahrzeugen ist die

Laufleistung vorgegeben. Nach unserer Erfahrung wird es zudem oft teuer, wenn man sie zurückgibt. Schon kleine Kratzer gelten als Mängel. Unsere eigenen Fahrzeuge laufen lange, 300 000 Kilometer sind keine Seltenheit. Die Mitarbeiter kümmern sich eigenverantwortlich um die Wartung. Parallel dazu haben wir auch einige Poolfahrzeuge, die von unterschiedlichen Mitarbeitern genutzt werden. In der Corona-Krise erweist sich der Fuhrpark im Eigentum als Vorteil. Wir können Fahrzeuge einfach etwas länger laufen lassen und so Kosten sparen. Durch die Abgas- und Feinstaubproblematik hat der Diesel als Antrieb gewaltig Marktanteile verloren. Wie relevant ist er in Ihrem Fuhrpark? Kühn: Der Diesel spielt eine sehr große Rolle für uns, vor allem für unseren Außendienst im Feld. Die Kollegen fahren täglich häufig 200 bis 300 Kilometer. Wirtschaftlich machte da bisher nur der Diesel Sinn. Roloff: Wir versuchen uns auf die Elektromobilität einzustellen und haben uns bereits vor drei Jahren über die damals angebotenen Modelle informiert und diese getestet. Die Reichweite dieser Fahrzeuge

DerFuhrpark vonSolarluxumfasst derzeit 120Pkw und25 Nutzfahrzeuge.

Vorteile tanken! AdBlue®-Service Aral Kraftstoffe Aral Schmierstoffe Weiterfahrer tanken Aral SuperDiesel ! - höhere Reichweite, geringere Kosten

www.fip.de

war aber zu gering, selbst für die Mittelstrecke reicht das nicht aus. Außerdem waren die Fahrzeuge damals noch viel zu teuer und die Ladedauer zu lang. Aktuell entwickelt die Automobilindustrie neue, attraktivere Modelle. Wir selbst haben für den Pool bereits ein Plug-inFahrzeug angeschafft. Außerdem wurden fünf Stromladesäulen installiert. Und seit Anfang des Jahres sind zwei Mitarbeiter mit Dieselhybrid-Fahrzeugen unterwegs. Allerdings spart man damit nach unseren Erfahrungen nicht automatisch Treibstoff. Es besteht die Gefahr, dass die Mitarbeiter den Elektromotor vor allem als Boost zur Leistungssteigerung nutzen, aber zu wenig rein elektrisch unterwegs sind. Das hängt natürlich stark vom Verhalten der einzelnen Fahrer ab. Hybrid ist für uns deshalb aktuell nur eine Brückentechnologie. Für kurze Distanzen setzen wir mittelfristig auf das Elektrofahrzeug und erhoffen uns dort noch ein breiteres Angebot an attraktiven Modellen. Wenn die Ladeinfrastruktur verbessert wird, könnte die Elektromobilität auch auf der Mittelstrecke funktionieren. Für die Langstrecke ist der Diesel momentan aber weiterhin die erste Wahl. Eine Alternative zum Diesel könnten mit Erdgas oder Wasser-

Sascha Kühn

stoff betriebene Fahrzeuge sein. Damit lassen sich die Emissionen deutlich reduzieren. Momentan gibt es für diese Antriebsalternativen aber noch nahezu kein Angebot am Markt. Noch interessanter als beim Pkw könnten mit Erdgas betriebene Fahrzeuge bei den Nutzfahrzeugen sein. Allerdings bietet aktuell nur ein Hersteller entsprechende Modelle an. Wenn es dafür ein breiteres Angebot gäbe, wäre das ein Thema für uns. Welche anderen Instrumente setzen Sie ein, um Kosten zu sparen und Emissionen zu vermindern? Roloff: Um unnötige Wege zu vermeiden, können manche Kundentermine auch als Videokonferenz etwa per Skype erfolgen. Wir schau-

Fotos: Solarlux

en uns auch den Durchschnittsverbrauch unserer Mitarbeiter an. Da gibt es große Unterschiede. Wir sprechen die Mitarbeiter darauf an. Eine Rolle spielt auch, wann getankt wird. Durch eine gute Tourenplanung des Außendienstes versuchen wir zudem, Sternfahrten zu vermeiden und, wenn möglich, vor Ort zu übernachten. Kühn: Verhaltensänderungen kommunizieren wir positiv, wir machen sie beispielsweise durch Prämien attraktiv. In Kürze werden wir auch anbieten, dass Mitarbeiter das eigene Fahrzeug im Unternehmen mit Strom laden können. Die Kollegen sind sehr interessiert daran. Dafür soll der Anteil von Strom aus erneuerbaren Energien steigen. Neben den Pkw und Lkw rechnen wir seit Mai 2017 auch E-Bikes zu unserem Fuhrpark. Das Angebot für die sogenannten Job-Bikes nutzen aktuell rund 100 Mitarbeiter. Einige von ihnen fahren mit dem Bike täglich mehr als 20 Kilometer zur Arbeit. Was für Themen rund um den Arbeitsbereich Fuhrparkmanagement beschäftigen Sie aktuell am stärksten? Kühn: Aktuell ist die Verantwortung für das Fahrzeugmanagement bei Solarlux auf mehrere Schultern verteilt. Mit der Perspektive, dass sich jemand hauptverantwortlich um das Thema kümmern könnte, beschäftigt uns die Frage, was für Qualifikationen dann erforderlich sind. Wo liegen aus Ihrer Erfahrung die wichtigsten Zukunftsaufgaben des Fuhrparkmanagements? Kühn: Die Hauptaufgabe ist, uns nachhaltig aufzustellen. Ziel ist es, unser Verhalten anzupassen und beispielsweise unnötige Fahrten zu vermeiden. Wenn sich die Angebote der Autobauer nachhaltig verändern, wird es irgendwann möglichweise auch ohne den Diesel gehen. Auf jeden Fall wollen wir Fahrzeuge mit hoher Effizienz einsetzen. Roloff: Die Hauptverbrauchsquelle sind bei uns dabei die Nutzfahrzeuge. Da hoffen wir auf alternative Antriebskonzepte. Allerdings sind diese schwer am Markt zu etablieren. Die Konkurrenz – vor allem aus Osteuropa – ist hoch, der Preiskampf hart. Damit sich nachhaltigere Antriebe durchsetzen, müsste die Europäische Union in diesem Bereich verbindliche Vorgaben für alle Mitgliedsländer schaffen.


DONNERSTAG, 30. APRIL 2020

LEBEN & LEIDENSCHAFT

21

Drink bei einem Überzeugungstäter Wie der Münsteraner Michel Reick die Whisky-Branche prägt / „Mein Herz schlägt für Schottland“ Gefängnisgitter trennt die Bar vom Shop. Gäste sind eine kleine, eingeschworene Gemeinde. Mindestens 450 Sorten im Ausschank. VON FREDERIK TEBBE MÜNSTER Mit der richtigen Dosis Herzblut wächst das Geschäft: Michel Reick ist Inhaber des „Whisky Dungeon“ in Münster, einer Rockund Whisky-Bar mit angeschlossenem Shop. Doch ihn kennen nicht nur die Münsteraner. „Mittlerweile ist es so: Wenn du in Deutschland in eine Whisky-Bar gehst, dann kennt man da meinen Namen“, sagt der 47-Jährige. Michel Reick hat dafür auch eine Menge getan. Er ist nicht nur Inhaber des „Whisky Dungeon“, einer Whisky-Bar in Münsters Innenstadt, in der sich auch ein Fachhandel für die schottischen Spirituosen befindet und zu der Whisky-Liebhaber aus ganz Deutschland pilgern. Reick ist auch der „Whisky Druid“, der eigene Abfüllungen ersinnt. Er ist auf Messen vertreten, bietet Tastings an und hat sich einen Namen in der Branche gemacht. Einen so guten, dass ihn zuletzt der Spirituosen-Importeur Kirsch Import aus Bremen angeworben hat, um für dessen Portfolio als „Whisky-Botschafter“ das Land zu befahren. Eine Selfmade-Karriere sozusagen, die schrittweise aufeinander aufgebaut hat und für Reick mit dem ersten Schluck Whisky in Jugendtagen begonnen hat. „Früher gab’s Whisky-Cola“, sagt er. „So hat ja jeder angefangen.“ Es ging weiter mit den ersten schottischen SingleMalt-Whiskys. „Und richtig klick gemacht hat es dann bei den ersten Schottland-Besuchen.“ Er gibt zu, auch gerne mal einen guten Bourbon – also die amerikanische Variante – zu trinken. „Aber mein Herz schlägt für Schottland.“ Das tut es zunächst noch vor allem als Hobby. Reick arbeitete früher im Berg- und Straßenbau und im Lager eines Baustoffhandels. Doch dann reift der Gedanke immer mehr, sich dem Whisky auch beruflich zu widmen. „Es war schon immer ein Traum, eine eigene Whisky-Bar zu haben“, sagt er nun – und sitzt mittendrin. Der Whisky

DasgutgefüllteWhisky-Regal istseinganzer Stolz:MichelReickin seinemElement.

Dungeon in Münster wirkt auf den ersten Blick wie ein herkömmlicher Pub. Am Tresen der Stout-Zapfhahn, an den Wänden Werbeflächen von ausgewählten Whiskyund Biersorten. Dunkel eingerichtet. In der Ecke ein Darts-Automat. Doch da ist eben auch ein Requisit, das dem Laden seinen Namen und seine Besonderheit gibt: Ein altes Gefängnisgitter trennt die Bar vom Shop, in der Reick unzählige Spirituosen zum Verkauf anbietet. Ein Whisky-Kerker. Der besteht seit 2012. Zuvor führten Reick und seine Frau Sandra den Laden noch unter dem Namen Rock Café, doch da ihr Online-Handel bereits als Whisky Dungeon firmierte, benannten sie die Gastronomie fortan entsprechend um. „Und nun haben wir ein bunt gemischtes Publikum“, sagt Reick. „Von Jung bis Alt. Und das ist echt toll.“ Die Bar führt das Paar seit fast 20 Jahren. „Meine Frau war schon in der Gastronomie tätig, und da haben wir durch ihren Chef zufällig einen Laden angeboten bekommen“, erinnert sich der Whisky-

WhiskyistfürdenMünsteranerMichelReickdieberuflicheGrundlage.SeineigenerTropfenreift nachdemBrennenin Fässernin Schottland. Foto:imagoimages/robertharding

Fan. Das war in Lüdinghausen (Kreis Coesfeld) unter dem Namen „Castle of Rock“. Und kaum eröffnet, ging alles ganz schnell. Die ersten Spirituosen, die ihnen ein befreundeter Getränkemarkt zum Start noch auf Raten verfügbar gemacht hatte, konnten sie bereits nach einem erfolgreichen Startwochenende abzahlen. Und von da an war für die Reicks der Weg geebnet: „Es hat sich herumgesprochen. Wir wurden von einem großen Getränkeverleger aus Münster angesprochen, ob wir nicht in die Stadt kommen wollen. Dann haben wir das Whisky-Angebot ausgebaut.“ Das Paar fuhr auf Messen, schaute sich um, lernte dazu. „Meine Frau sagte irgendwann: Hey, wir haben jetzt 80 Flaschen im Laden, ist das nicht genug? Und ich sagte: Ja, aber wir haben doch noch Platz im Regal.“ Mittlerweile habe der Dungeon zwischen 450 und 500 verschiedene Whiskys, die in der Bar geöffnet zum Ausschank verfügbar seien. Und auch das spricht sich herum. Reick veranstaltet Whisky-Tastings, also Verköstigungen, der Laden läuft gut. Mit der Zeit reizt es ihn, auch eigenen Scotch reifen zu lassen. Bei seinen ersten Schottland-Reisen hat er die Glenglassaugh-Brennerei im Nordosten besucht und sich ein 50-Liter-Fass selbst gekauft. „Das haben wir dann mit ein paar Jungs reifen lassen und ganz stolz das ,Rock Café & Friends‘ genannt“, erinnert er sich an die Anfangstage. Dann leckt Reick Blut, knüpft über seine Arbeit Kontakte, um weitere Fässer kaufen zu können. Er experimentiert mit eigenen Abfüllungen, die er ab 2008 zunächst in kleiner Auflage unter dem Namen „Monasteria“ verkauft. 2014 ruft er die Marke „Best Dram“ ins Leben, für die er erstmals ganze Fässer reifen lässt, es folgen die Marken „Scotch Universe“ und „The Old Friends“. Inzwischen haben die Reicks mehrere Fässer in Schottland ste-

Foto: FrederikTebbe

hen. Sherry-, Portwein-, RotweinFässer etwa, in die ein Scotch gefüllt und reifen gelassen wird. „Dann muss man den Punkt entscheiden, wann sie fertig sind.“ Inzwischen hat das Paar einen „gesunden Vorrat“, wie Reick es nennt, der die Abfüllungen für die Zukunft absichert. „Jetzt sind wir an einem Punkt, wo es immer schöner wird und man auch wirklich Angebote für Fässer bekommt.“ Damit gewinnen sie eine kleine, eingeschworene FanGemeinde. „Ich habe immer viel weniger Flaschen von den Abfüllungen, als ich eigentlich bräuchte.“ Mit der Bar, seinen Abfüllungen, auf Messen und bei Tastings macht sich Reick einen Namen in der Szene und der Branche. In den Whisky Dungeon pilgern Kunden aus ganz Deutschland und Umgebung. „Erst neulich hatten wir neun Leute aus Enschede hier“, sagt er, nicht ohne Stolz. „Wir haben eine gute Stammkundschaft und auch viele Leute, die von weiter weg zu uns kommen. Die nehmen sich dann ein Hotel und setzen sich hier in Ruhe hin.“ Ein Schlüssel zum Erfolg liegt für Reick besonders darin, ehrlich zu sein. „Wir verstellen uns nicht“, sagt er deshalb. „Schau mich an. Klar, ich habe lange Haare und nicht den perfekten Body-Mass-Index. Aber man muss eben so bleiben, wie man ist. Grundsolide. Ehrlichkeit – damit kommt man am weitesten.“ Genauso wie mit Integrität und Kredibilität. Junggesellenabschieden bietet er keine Tastings mehr an, auch wenn es gutes Geld ins Haus bringen würde. „Die kommen oft schon betrunken hier an, und dafür ist mir der Whisky dann auch einfach zu schade. Single Malt Scotch sollte man nicht trinken, um sich zu besaufen. Ich finde, man sollte es als Genussmittel sehen und nicht als Ballerdroge.“ Und auch wenn jemand einen teuren Scotch mit Cola bestellen will, verweigert Reick durchaus den Ausschank. „Neulich hat ein Kunde nach einem Lagavu-

lin mit Cola gefragt. Mach ich nicht. Da heißt es dann: ,Willst du kein Geld verdienen?’ Nein. Das ist, als wenn du zum Nobel-Italiener gehst und Chicken McNuggets bestellst.“ Obwohl sowohl Gastronomie als auch die eigenen Abfüllungen gut laufen, orientiert sich der 47-Jährige derzeit um. Seit Kurzem ist er als „Whisky Ambassador“ für Kirsch Import tätig,3. Was genau macht so ein Whisky-Botschafter? „Meine Aufgabe ist es, einen kleinen Kreis Fachhändler zu betreuen. Vorbeizufahren, Tastings zu machen, zu beraten, die Messen zu machen. Und auch bei der Fassauswahl bin ich mit tätig.“ Besonders freut es ihn, dass er die Brennerei Glenallachie betreuen darf, von der er selbst schon immer großer Fan war.

„Du musst es leben. Ansonsten geht es nicht.“ Michel Reick, Betreiber einer Whisky-Bar

Es ist eine Anstellung, von der laut Reick beide Seiten profitieren. Kirsch importiert nun für ihn seine Abfüllungen aus Schottland – die müssen dort reifen, damit sie die Bezeichnung Scotch erhalten dürfen. Er müsse deshalb keine Pakete mehr für die Händler packen und seine Wochenenden im Lager verbringen. Außerdem bringt er sein Know-how mit zu Kirsch. Es entstehen gemeinsame Kontakte, die allen Beteiligten weiterhelfen. Die Bar und die Abfüllungen betreibt er weiterhin. Doch warum folgt dieser zumindest teilweise Schritt aus der Selbstständigkeit hinein in ein Angestelltenverhältnis? „Ich wollte immer mal in der Whisky-Industrie arbeiten“, sagt Reick. Und: „Man muss in die Zukunft blicken. Gastronomie ist nichts für die Ewigkeit. Ich will nicht noch mit 60 hinter der Theke stehen. Irgendwann haben wir 20 Jahre voll, und das merkt man auch am Körper. Allein die ewige Nachtarbeit.“ Außerdem könne er dort noch immer viel Neues lernen. „Das ist megageiler Input. Mein Herz brennt dafür, und das ist sehr schön.“ Wenn Reick über Whisky spricht, merkt man, er ist Überzeugungstäter. Einer, der, wie er sagt, im Stau auf der Autobahn notfalls auch auf den nächsten Rastplatz fährt und einfach dort aus dem Kofferraum heraus mit Leuten über Whisky redet. Der Kunden vorschlägt, im Sommer Grillparty und Verköstigung zu kombinieren. Und der regelmäßig nach Schottland fliegt, um zu sehen, was der nächste Tropfen macht. „Wenn man sein erstes Fass kauft oder zum ersten Mal ein Fass durch eine Brennerei rollt und das dann aufmacht, das ist einfach toll. Das sind Gefühle, die kann man gar nicht auf Bildern wiedergeben“, sagt er. Deshalb sei das, was er tue, für ihn „nicht einfach nur ein Job“: „Du musst es leben. Ansonsten geht es nicht. Und da wissen die Leute auch, was sie an mir haben.“


22

DONNERSTAG, 30. APRIL 2020

LEBEN & LEIDENSCHAFT

„Gott ist ein Handwerker“ Pastorin Hille de Maeyer bringt Kirche und die Gewerke zusammen

VON CHRISTOPHER BREDOW OSNABRÜCK/MEPPEN/LINGEN/

NORDHORN Handwerk und Kirche –

auf den ersten Blick scheint das nicht so richtig zusammenzupassen. Wo die einen sich über einen nicht greifbaren Glauben austauschen, packen die anderen mit ihren Händen an und schaffen etwas Sichtbares. Für Hille de Maeyer aber haben Kirche und Handwerk eine enge Verbindung: „Im Grunde war Gott der erste Handwerker“, meint sie und deutet damit die Gemeinsamkeiten an. Hille de Maeyer ist seit September 2018 Handwerkspastorin in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers. So ein Arbeitsfeld gebe es nur selten in den Landeskirchen, erzählt die 58-Jährige: „Eine ganze Stelle für die Handwerksarbeit ist etwas Besonderes.“ Und eben weil es so besonders ist, wurde de Maeyer überhaupt aufmerksam darauf. „Ich wusste, dass ich noch mal etwas Neues machen wollte, und bin vor zwei Jahren über diese Stellenanzeige gestolpert“, sagt sie. Bis dahin war die Mutter von drei erwachsenen Töchtern mehr als sechs Jahre lang Krankenhausseelsorgerin im Raum Hannover und zuvor unter anderem 13 Jahre Gemeindepastorin in der Wedemark, wo sie heute noch wohnt. Gesucht war nun eine Referentin für Kirche und Handwerk in Hannover. Tagelang habe sie die Anzeige nicht losgelassen. „Ich habe darüber nachgedacht, welche Handwerkerinnen und Handwerker ich in meiner Nähe kenne“, erzählt die Theologin. Der Friseur um die Ecke, der Tischler, Goldschmied oder die Optikerin: „Das Handwerk begegnet einem überall“, sagt de Maeyer. Und Handwerker hätten nicht nur gemeinsam, ihre jeweilige Tätigkeit zu beherrschen: „Sie sind auch kommunikativ, kreativ und geübt im Umgang mit Kunden“, sagt die Pas-

Handwerk undKirche, fürdieTheologin HilledeMaeyerpasst dasgutzusammen.Sieist dieersteHandwerkspfarrerinderEvangelisch-LutherischenLandeskircheHannovers.

torin: „Und außerdem verstehen sie es, einen Betrieb zu führen.“ Zum Bewerbungsgespräch brachte de Maeyer ein Stück Parkettholz aus dem Fußboden des Landgasthofes ihrer Eltern in Ostfriesland mit. „Ich habe selbst keine handwerkliche Ausbildung. Aber ich bin in einem Betrieb aufgewachsen und habe auf diesem Boden mein erstes Geld verdient“, sagt die 58-Jährige: „Ich weiß daher, was es bedeutet, wenn der eigene Betrieb die Existenzgrundlage für die Familie ist.“ Als erste Frau trat sie schließlich die Stelle als Handwerkspastorin an. Für de Maeyer wurde in den vergangenen anderthalb Jahren immer deutlicher, wie eng die Verbindung zwischen dem Handwerk und der Kirche ist: „Die Handwerker gestalten im Prinzip Gottes Schöpfung“, sagt sie. Dazu passe auch ein Satz aus der Imagekampagne des Deutschen Handwerks: „Am Anfang waren Himmel und Erde. Den ganzen Rest

KÖNNTEN SIE DAZU „NEIN“ SAGEN?

haben wir gemacht“, heißt es auf Plakaten. Zudem beobachte sie gemeinsame Werte wie Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Verantwortung: „Für das Handwerk ist es selbstverständlich, zum Beispiel Geflüchte-

„Ich höre zu und nehme wahr, was die Handwerker bewegt.“ Handwerkspfarrerin Hille de Maeyer

ten Ausbildungsplätze zu geben“, sagt die Theologin. Ihre Arbeit als Handwerkspastorin gehe in zwei Richtungen: „Ich pflege die Kontakte zum Handwerk wie etwa zu den Betrieben, den Kammern und den Verbänden, und bringe die Themen des Handwerks in die Kirche ein“, erklärt de Maeyer. Oft ist sie zu Freisprechungsfeiern eingeladen, bereitet Handwerksgottesdienste vor oder besucht Berufsschulen. Besonders gefallen ihr dabei die vielen persönlichen Gespräche, in denen sie etwas über die Handwerker selbst erfährt: „Junge Auszubildende berichten mir voller Stolz, wie sie mit der Zeit immer selbstständiger geworden sind und welche Freude es ihnen macht, etwas mit den eigenen Händen zu schaffen. Oder Betriebsinhaber erzählen, wie sie ihren Betrieb aufgebaut haben und welche Herausforderungen sich ihnen stellen.“ Für solches Vertrauen

sei sie sehr dankbar: „Ich höre zu und nehme wahr, was die Handwerker bewegt“, sagt die Pastorin. Häufig gehe es in den Gesprächen etwa um die Digitalisierung und den Fachkräftemangel. Wegen der Folgen der Corona-Krise würden sich viele Betriebe derzeit zudem große Sorgen um ihre Zukunft machen: „Eine ganze Reihe von Gewerken ist von den wirtschaftlichen Auswirkungen mehr betroffen als andere“, berichtet de Maeyer. Während der Ausgangsbeschränkungen sei sie auf E-Mails und Telefonate umgestiegen, um den Kontakt zu den Handwerkerinnen und Handwerkern zu halten: „Ich frage, ob es etwas gibt, womit ich unterstützen kann. Manchmal hilft es ja schon, einfach mal zu erzählen und etwas loszuwerden. Das tut gut und entlastet“, sagt die 58Jährige. Ihre Stelle ist zunächst auf sechs Jahre befristet. Für ihre Arbeit hat de

Foto:JensSchulze

Maeyer sich vor allem zwei Schwerpunkte gesetzt: „Ich möchte besonders die Themen Frauen und Klimaschutz in den Fokus rücken.“ Allgemein seien Frauen im Handwerk zwar auch auf Führungsebenen schon gut vertreten, „was ich aber vermisse, sind Frauen in den Ehrenämtern des Handwerks, etwa in Innungen oder Kammern“, sagt die Pastorin: „Daran müssen wir arbeiten.“ Zugleich habe das Handwerk die Chance, sich im Klimaschutz besonders hervorzutun: „Das Handwerk hat das Können und Wissen, die Maßnahmen zum Klimaschutz umzusetzen“, sagt de Maeyer: „Ich wünsche mir, dass sich alle Handwerker dieser Chance bewusst werden.“ Ganz oben werde in ihrer Arbeit aber weiterhin vor allem eines stehen: „Die Wertschätzung des Handwerks ist unglaublich wichtig. Handwerkerinnen und Handwerker halten unser Land am Laufen“, sagt de Maeyer.

GN-Werbefotografie

Bestechende Fotos vom erfahrenen Profi + zügige Abwicklung + uneingeschränkte Nutzungsrechte + günstige Paketpreise

Jetzt beraten lassen GN-Mediateam 05921 707-410 gn.media@gn-online.de

Werbe Fotografie


23

DONNERSTAG, 30. APRIL 2020

LEBEN & LEIDENSCHAFT

Ohne Jura-Studium in die Robe Wie eine Ernährungswissenschaftlerin aus Schüttorf nebenbei Richterin wurde VON VINCENT BUSS Es gibt Berufe, und es gibt Berufungen. Richter fallen in die erste Kategorie, Handelsrichter in die zweite. Nicht nur weil es keinen vorgeschriebenen Ausbildungsweg gibt, sondern auch weil sie sich nicht bewerben können. Sie werden im wahrsten Sinne des Wortes berufen. Mit schwarzer Robe und weißem Hemd sehen sie aus wie Richter, sind aber keine Juristen. Müssen sie auch gar nicht sein. Handelsrichter sollen ganz andere Qualitäten mitbringen. Bevor sie berufen werden, werden sie allerdings gefragt. Wie im Fall von Andrea Moggert-Kemper aus Schüttorf. Wie man genau auf sie kam, kann die Schüttorferin allerdings nicht sagen. Jedenfalls meldete sich die Industrie- und Handelskammer (IHK) Osnabrück – Emsland – Grafschaft Bentheim bei ihr, weil ein Handelsrichter aus Altersgründen ausgeschieden war. Handelsrichter sitzen in den Kammern für Handelssachen der Landgerichte – das sind besondere Gerichtsbarkeiten, an denen Kaufleute Streitigkeiten regeln können. Meist wenden sich die Streitparteien zunächst direkt an das Landgericht und können beim Verfahrensbeginn beantragen, dass die Angelegenheit vor der Kammer für Handelssachen verhandelt wird. Ansonsten bleibt das Verfahren vor einer allgemeinen Zivilkammer des Landgerichts. Damit die Kammer für Handelssachen tätig werden kann, muss es einen wirtschaftlichen Hintergrund geben. Die Möglichkeiten sind laut Landgericht Osnabrück vielfältig: Unternehmen und Einzelkaufleute streiten sich über Lieferverträge, Geschäftsführer und Gesellschaften über ausstehende Gehälter, zwei Firmen über Markenrechte. Selbst um eine Instagram-Influencerin ging es vor dem Landgericht schon. SCHÜTTORF

Seitmittlerweile20JahrenschlüpftAndreaMoggert-KempermehrmalsimJahrindieRichterrobe.DieGesellschafterinderderH.KlümperGmbH&Co.KGistHandelsrichterin. Foto:SebastianHamel

Als Andrea Moggert-Kemper Handelsrichterin wurde, fragte sie sofort, ob sie für das Amt Schulungen machen müsse, blickt die Unternehmerin zurück. „Ich hatte ja nur drei Semester Jura im Studium“, erklärt sie und lacht. Doch sie wurde schnell beruhigt: Fürs Rechtliche seien die Richter da. Eine Kammer für Handelssachen ist nämlich stets mit zwei Handelsrichtern und einem Berufsrichter

ZUR SACHE

Bis zu 500 Verfahren pro Jahr Am Landgericht Osnabrück gibt es aktuell 42 Handelsrichter und fünf Kammern für Handelssachen. Im Schnitt verhandeln sie etwa 450 bis 500 Verfahren pro Jahr, wie Christoph Sliwka von der Pressestelle mitteilt. Jedoch sinke die Anzahl bundesweit.

Sliwka hat mehrere Vermutungen, woran das liegen könnte. Zum einen werde in der Wirtschaft häufig eine außergerichtliche Streitbeilegung etwa vor Schiedsgerichten bevorzugt. Zum anderen würden sich landgerichtliche Zivilkammern zunehmend spezialisie-

ren – etwa in Form der Bau-Spezialkammer, wie es sie seit Anfang 2018 auch am Landgericht Osnabrück gibt. Dennoch sagt Sliwka: „Osnabrück steht hier mit weitaus geringeren Rückgängen als im Bundesschnitt vergleichsweise gut da.“

besetzt. Handelsrichter sollen ihre Berufserfahrung einbringen, um gemeinsam mit dem Berufsrichter ein praxisnahes Urteil zu fällen. Anders als Schöffen gelten sie deshalb nicht als Laienrichter. Und anders als die Zivilkammern können die Kammern für Handelssachen ohne Gutachter entscheiden. „Das ist doch mal eine Herausforderung“, dachte Moggert-Kemper damals. Sie stimmte zu, wurde ernannt und vereidigt. Genügend Berufserfahrung hat die Schüttorferin. Nach ihrem Schulabschluss arbeitete sie zunächst in einer Apotheke. Als sie Mitte 20 war, fragte ihr Vater sie, ob sie nicht ins Familienunternehmen einsteigen wollte. Daraufhin studierte sie zunächst Ernährungswissenschaften mit Schwerpunkt Mikrobiologie. Im Jahr 1993 startete sie im Familienunternehmen und begann ihre dortige Karriere damit, das Qualitätsmanagement aufzubauen. Es kamen immer mehr Aufgaben dazu: Produktmanagement, Einkauf, Personal. Mittlerweile ist Moggert-Kemper 55 Jahre alt und geschäftsführende Gesellschafterin der H. Klümper GmbH & Co. KG, einer Schinkenräucherei und

SPORT UND OUTDOOR 2 AUF 3000 m

Fleischwarenfabrik in Schüttorf. Der Betrieb wurde 1821 gegründet, hat zwei Inhaberfamilien und beschäftigt 125 Mitarbeiter. Aus ihrer Branche, der Lebensmittelbranche, landen allerdings

„Es ist immer schön, wenn man zu einem guten Ende beitragen kann.“ Handelsrichterin Andrea Moggert-Kemper

SPORTKLAHSEN.DE

nur selten Fälle in der Kammer für Handelssachen, wie Moggert-Kemper sagt. Stattdessen gehe es oft um Bau-Streitigkeiten. Zum Beispiel, wenn eine Firma ein Bauunternehmen beauftragt und dieses die Verträge nicht erfüllt, weil Produkte nicht halten, was sie versprechen. Eine große Rolle spielen dem Landgericht zufolge neben Bausachen auch Transportverträge – letztendlich ein Spiegelbild der regionalen Wirtschaft. Moggert-Kemper nützen bei den Fällen ihre Kenntnisse der Wareneingangsprüfung, Mängelfeststellung und Dokumentation, erzählt sie. Sie merke dabei immer wieder, wie wichtig Unterschriften auf Lieferscheinen seien. „Man muss immer genau lesen und dann erst unterschreiben“, mahnt sie. Sonst habe man keinen Nachweis vor Gericht, höchstens mündliche Absprachen. Dann sei wenig zu machen. Die Ernährungswissenschaftlerin ist immer noch beeindruckt davon, im Gericht zu sein – obwohl sie seit mittlerweile 20 Jahren Handelsrichterin ist. Die jeweils fünf Jahre lange Amtszeit wurde immer wieder verlängert. Spannend ist es

für sie immer noch, sagt sie: „Zum Beispiel, wenn man merkt, wie Zeugen nicht die Wahrheit sagen und sich in Lügen verstricken.“ Das sei live noch etwas anderes, als wenn man es im Fernsehen sehe. Besonders eindrucksvoll sind ihr zufolge auch Fälle, die sich über Jahre hinziehen – obwohl es nicht immer um große Geldbeträge geht. „Aber es sind eben zwei Streithähne. Und so ein jahrelanger Prozess macht ja auch was mit einem...“, erklärt Moggert-Kemper. Gerade solche Fälle bedürfen einer ausgiebigen Einarbeitung, sagt die 55Jährige und beschreibt: In der Regel bekommen die beiden Handelsrichter die Akten eine Woche vorher, wobei der Berufsrichter diese schon vorbereitet hat. Vor der Sitzung besprechen sich die drei dann. Und genau wie der Berufsrichter kann Andrea Moggert-Kemper als Handelsrichterin dann Fragen in der Verhandlung stellen. Und bei der Abstimmung zählt jede Stimme gleich viel. „Rein theoretisch könnten wir den Berufsrichter überstimmen“, sagt die Schüttorferin. Das habe sie aber noch nie erlebt, die Zusammenarbeit sei immer sehr gut. Die Gleichberechtigung wird auch dadurch verdeutlicht, dass Handelsrichter als einzige ehrenamtliche Richter dieselbe samtbesetzte Robe tragen wie der Berufsrichter. Handelsrichter haben jedoch nicht nur die gleichen Rechte wie Berufsrichter, sondern auch die gleichen Pflichten. Sie sind an das Beratungsgeheimnis gebunden und müssen unabhängig sowie neutral sein. Wenn Moggert-Kemper die Konfliktparteien kennt, sagt sie dem Berufsrichter Bescheid. „So viel Ehre sollte man haben.“ Die Parteien können sie dann wegen Befangenheit ablehnen. Und wie gehen die Verhandlungen aus? Die Handelsrichterin hat die Erfahrung gemacht, dass ein Vergleich in der Regel die beste Lösung für die Konfliktparteien bietet – und zudem noch die wirtschaftlichste für beide Seiten. Deshalb rate die Kammer meist dazu. „Es ist immer schön, wenn man zu einem guten Ende beitragen kann“, findet Moggert-Kemper. Das Amt des Handelsrichters ist ein Ehrenamt. Im Schnitt sitzt die Unternehmern jedoch nur fünf Tage im Jahr im Gericht, oft werden mehrere Prozesse an einem Tag geführt. Nebenbei lernt sie selbst dazu in Rechtsfragen. „Es ist einfach eine ganz andere Welt.“ Eine, in der die Geschäftsführerin eine Exotin ist. Unter den zehn Handelsrichtern der zweiten Sitzungsgruppen ist sie die einzige Frau.

SPORT KLAHSEN GMBH + CO. KG

26871 Aschendorf · In der Emsmarsch 2-4 · 04962/91360 · Sporthaus + Outdoorhaus: Mo.-Fr. 10 - 19 Uhr und Sa. 10 - 18 Uhr


24

DONNERSTAG, 30. APRIL 2020

LEBEN & LEIDENSCHAFT

TERMINE

04.06.2020 | 17.00 Uhr Liquidität und Bankenkommunikation (ELKONET/MEMA)

DER WIRTSCHAFT

LANDKREIS EMSLAND, KREISHAUS II, ORDENIEDERUNG, MEPPEN

25.06.2020 | 09.00 Uhr

06.06.2020 | 10.00 Uhr

OSNA HACK (Anmeldung bis 31.05.: www.osnahack.de )

Jobmesse Emsland 2020 (auch am 07.06. ab 10 Uhr)

SWO NETZ GMBH, OSNABRÜCK (VIRTUELLE ZUSAMMENARBEIT)

19.11.2020 | 19.00 Uhr

Stellten gemeinsam die Bilanz 2019 der Maßarbeit für die Stadt Bramsche vor, aufgrund der Corona-Pandemie

Oktober 2020 | ohne Termin „Familienfreundlicher Arbeitgeber“ (siehe Homepage) STADT UND LANDKREIS OSNABRÜCK (BEWERBUNG BIS 31.O5.)

08.06.2020 | 17.00 Uhr

in angemessenem Abstand (v.l.): Maßarbeit-Vorstand Siegfried Averhage, Landrätin Anna Kebschull und Maß-

Klima-Innovationspreis 2020 (Bewerbung bis 31.05.) DEUTSCHES THEATER GÖTTINGEN (NACHHALTIGKEITSALLIANZ.DE)

JOBMESSE DEUTSCHLAND, EMSLANDARENA, LINDENSTR., LINGEN

arbeit-VorstandLarsHellmers.

Foto:Maßarbeit/EckhardWiebrock

DIE GESICHTER DER WIRTSCHAFT

CelinaWlecke aus Bohmte (M.) absolvierte als einzige Frau die Prüfung zur Maurer- und Betonbaumeisterin. Auf der MeisterfeiergratuliertenMutterBeateundVaterTorsten. Foto:Wlecke

„Google-Werbung selbstgemacht“ (WIGOS-Kompakt-Seminar) KREISHAUS OSNABRÜCK, AM SCHÖLERBERG, OSNABRÜCK

16.06.2020 | 09.00 Uhr

Existenzgründung in Osnabrück (Gründerhaus)

„Kundenbegeisterung – Be different or die!“ (Emsland GmbH)

HWK OSNABRÜCK-EMSLAND-GRAFSCHAFT BENTHEIM, OSNABRÜCK

LANDKREIS EMSLAND, KREISHAUS II, ORDENIEDERUNG, MEPPEN

12.05.2020 | 17.00 Uhr

17.06.2020 | 17.00 Uhr

Arbeiten mit Kennzahlen (ELKONET/MEMA-Workshop)

14.05.2020 | 14.00 Uhr

Vor rund 300 Festgästen hat die 26. Sport-Wirtschafts-Gala der Sportstiftung Emsland und desWirtschaftsverbandes Emsland stattgefunden. In den Firmenhallen der ELA Container Offshore GmbH wurden Schwimmer Jan Fährmann zur Sportpersönlichkeit, Leichtathletin Marit Schute zur Nachwuchssportlerin und die HSG Nordhorn-Lingen zurMannschaftdesJahresausgezeichnet. Foto:Werner Scholz

Der Osnabrücker Autor Thomas Achenbach hat sein neues Buch „Mitarbeiter in Ausnahmesituationen – Trauer, Pflege, Krise“ineinerOnline-LesungderOsnabrückerIndustrie-und Handelskammervorgestellt. Foto:Stefanie Hiekmann

KREISHAUS OSNABRÜCK, AM SCHÖLERBERG, OSNABRÜCK

27.05.2020 | 10.00 Uhr

29.06.2020 | 17.00 Uhr

Logistikkonferenz der Metropolregion Nordwest

Finanzplan – Workshop in Osnabrück (Gründerhaus)

INNOVATIONS CENTRUM OSNABRÜCK, ALBERT-EINSTEIN-STR., OSNABRÜCK

„Äbere Dich nicht, lebe“ (WIGOS-Kompakt-Seminar)

KREISHAUS OSNABRÜCK, AM SCHÖLERBERG, OSNABRÜCK

27.05.2020 | 17.00 Uhr

Steuerrecht bei Betriebseröffnung (Gründerhaus-Vortrag)

18.06.2020 | 14.00 Uhr

Stressfrei im Rampenlicht (WIGOS-Kompakt-Seminar)

WF WESERMARSCH GMBH, JADE HOCHSCHULE ELSFLETH

INNOVATIONS CENTRUM OSNABRÜCK, ALBERT-EINSTEIN-STR., OSNABRÜCK

11.06.2020 | 13.30 Uhr

07.05.2020 | 18.30 Uhr

LANDKREIS EMSLAND, KREISHAUS II, ORDENIEDERUNG, MEPPEN

Absicherung betrieblich (Vortrag in Osnabrück, Gründerhaus)

Marketing 2 (Marketingfahrplan) (Gründerhaus-Workshop) DieNOZ erhälterneutdasIHK-Qualitätssiegel„TOPAUSBILDUNG“ (v.l.): Dagmar Lanoue, Gesamtleitung Personal NOZ, Eckhard Lammers, stellv. IHK-Hauptgeschäftsführer, Johan-

Zum ersten Geburtstag des Projekts „Ausbildungsbotschafter“ ehren IHK und HWK die 100. „Ausbildungsbotschafterin“ (v. l.): Herbert und Stefan Holtgreife (Solarlux), Marie Stapenhorst (Ausbildungsbotschafterin, So-

neDimmerling,NOZ-LeiterinAusbildungswesen.

larlux),IHK-Hauptgeschäftsführer Marco Graf,HWK-HauptgeschäftsführerSvenRuschhaupt.

Foto:IHK

INNOVATIONS CENTRUM OSNABRÜCK, ALBERT-EINSTEIN-STR., OSNABRÜCK

26.09.2020 | 10.00 Uhr Jobmesse Osnabrück 2020 (auch am 27.09. ab 11 Uhr)

HWK OSNABRÜCK-EMSLAND-GRAFSCHAFT BENTHEIM, OSNABRÜCK

JOBMESSE DEUTSCHLAND, AUTOHAUS WALKENHORST, SUTTHAUSER STR.

28.05.2020 | 10.00 Uhr

08.10.2020 | 18.00 Uhr

Ideen-Tag – Ideen checken und schützen lassen (Gründerhaus)

Prototypenparty (Infos unter www.prototypenparty.de)

INNOVATIONS CENTRUM OSNABRÜCK, ALBERT-EINSTEIN-STR., OSNABRÜCK

INNOVATIONS CENTRUM OSNABRÜCK, ALBERT-EINSTEIN-STR., OSNABRÜCK

28.05.2020 | 14.00 Uhr

28.10.2020 | 10.38 Uhr

„Top Verkauf am Telefon“ (WIGOS-Kompakt-Seminar) KREISHAUS OSNABRÜCK, AM SCHÖLERBERG OSNABRÜCK

Auszeichnung „Beste Logistikmarke in der Kategorie Trailer und Aufbauten“ für das Werlter Fahrzeugwerk Krone mit Geschäftsführer Vertrieb & Marketing, Dr. Frank Albers. Foto:Krone

Digital-Staatssekretär Stefan Muhle hat die J. Bünting Beteiligungs AG als „Digitalen Ort Niedersachsens“ ausgezeichnet (v.l.): Bünting-Vorstand M. Buntz, A. Bathmann (LeiterIT Bünting),S. Muhleund U. Bunger,Leiter BüntingE-Commerce. Foto: Bünting

Innovate! X. (Innovate!Convention am 29.10.) FOOD-, AGRAR- UND DIGITALBRANCHE, ALANDO PALAIS, OSNABRÜCK

Wir wissen mehr über besseres Klima

Oeseder Feld 9–15 49124 Georgsmarienhütte Telefon: 05401/8606-0 E-Mail: info@poetter-klima.de www.poetter-klima.de

Gesellschaft für Lüftungsund Klimatechnik mbH

Gesellschaft für Anlagen und Apparatebau mbH

Gesellschaft für Nano-Heiztechnologie mbH

Gesellschaft für Serviceund Regelsysteme mbH

Planung und Installation von Lüftungs- und Klimaanlagen seit 1977

Arbeitstische, Windleitflächenlüfter, Klimakammern und Sonderbau

Hocheffizientes Heizsystem auf CNT-Basis

Über 3500 Wartungsverträge für Lüftungs- und Klimaanlagen


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.