Die Wirtschaft_02/2020

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Wirtschaftstalk

Bauchgefühl zählt

Handwerk und Gott

Wie kommt die Wirtschaft durch die Krise?

Franz Grimme leitet sein halbes Leben lang die Grimme-Gruppe

Hille de Maeyer ist Handwerkspfarrerin

Krise & Management – Seiten 16 und 17

Macher & Märkte – Seite 3

Leben & Leidenschaft – Seite 22

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www.maler-schulte.de DONNERSTAG, 30. APRIL 2020 AUSGABE 02/20 | EINZELPREIS 1,90 €

OSNABRÜCK | EMSLAND | GRAFSCHAFT BENTHEIM

Was wird aus der Wirtschaft? Branchen stehen vor dem Umbruch, jungen Unternehmen könnte die Finanzierung wegbrechen

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In dieser Ausgabe:

STANDORTPORTRÄT STADT HASELÜNNE

Martin Niemann leitet jetzt das Gründerhaus

Kurzarbeitergeld und fehlende Zuschüsse sind teils ein Problem. 95 Prozent der Start-up-Ideen lehnen Investoren ohnehin ab.

Wer in Stadt oder Landkreis Osnabrück ein neues Unternehmen gründen möchte, hat einen neuen Ansprechpartner: Martin Niemann hat die Leitung des Gründerhauses Osnabrück.Osnabrücker Land übernommen. Zwar ist die Arbeit im Gründerhaus für ihn Neuland, mit jungen Unternehmern hatte Niemann jedoch auch schon bei seiner vorherigen Aufgabe zu tun: Er hat viele Jahre lang Erfahrung in der Gründungsberatung bei der Wirtschaftsförderung des Kreises Warendorf gesammelt. Außerdem war Niemann mehrere Jahre als selbstständiger Gründungscoach unterwegs, hat Unternehmer, die auf eigenen Füßen stehen wollten, trainiert und beraten. Für ihn wie für seinen Vorgänger gilt: Jede erfolgreiche Gründung braucht eine riesige Motivation. Das Gründerhaus, in dem Niemann jetzt seine Expertise einbringen wird, ist ein gemeinsames Angebot der Wirtschaftsförderungen von Stadt und Landkreis Osnabrück, WFO und WIGOS, und zentrale Anlaufstelle für Existenzgründer in der Region Osnabrück. Seit seiner Gründung 2007 hat das Gründerhaus mehr als 2000 Menschen in die Selbstständigkeit begleitet. Foto: ICA OSNABRÜCK

Ausbildungsjahr nicht aus den Augen verlieren. VON NINA KALLMEIER OSNABRÜCK/MEPPEN/LINGEN/ NORDHORN Zurzeit heißt es

oft: Nach der Krise wird die Wirtschaft in Deutschland nicht mehr so aussehen wie vorher. Doch wird das für alle Branchen zutreffen? Nicht überall herrscht gerade Stillstand. Vor welchen Herausforderungen stehen Unternehmen wie Beschäftigte ? Was wird aus der Start-up-Szene? Und was macht es mit einer Wirtschaft, wenn das Geld für die Umsetzung neuer Ideen fehlt? Schon vor Corona war etwa in der Automobilindustrie der Wandel in vollem Gange. Nun sind Hotels und Gaststätten zwangsweise geschlossen. Nur wenige halten das lange durch. Das Resultat ist ein Umbruch: Schätzungen gehen davon aus, dass ein Drittel der Betriebe am Ende des Tages für immer zusperren könnten. Wer wissen will, welche Konsequenzen das in einer Stadt wie Osnabrück hätte, braucht nur einmal die Restaurants durchzuzählen – dort wo Große Straße, Kamp und Nikolaiort zusammentreffen. Macht jedes Dritte zu, würde das den belebten Platz mitten in der Stadt nachhaltig verändern. Und so ginge es vielen Innenstädten quer durch die Region. Die Corona-Pandemie mit ihrem politisch verordneten Stillstand ist für Gastronomie und Hotellerie insgesamt eine Zäsur – und sie könnte das Aus für unternehmerische Experimente bedeuten, die sich erst noch beweisen müssen. In dieser unsicheren Zeit gründen, wo andere aufgeben? Geldgeber für neue Ideen und Konzepte begeistern? Das wird laut Sebastian Pollok immer schwieriger. Der Bremer ist selbst erfolgreicher Gründer (Amoreli), er ist aber auch Investor und Mitglied im Präsidium des Bundesverbands Deutsche Startups. Er sagt: „Es ist eine außergewöhnliche Situation, in der Start-ups, die es ohnehin in der frühen Phase nicht einfach haben, noch schwierigere Bedingungen vorfinden. Zumal einige mit Produkten unterwegs sind, die man sich in guten Zeiten gönnt, die aber verzichtbar sind.“ Viele stünden jetzt mit dem Rücken zur Wand. Was macht es jedoch mit einer Wirtschaft, wenn für große Ideen kein Platz ist, kein Platz zum Träumen? Wenn sich alle nur noch auf das Wesentliche konzentrieren? Haben nicht viele Unternehmen, die heute zur Schlüsselindustrie gehören, mit einer auf den ersten Blick recht abwegigen Idee begonnen? Die Brüder Wright träumten vom Fliegen, Henry Ford von einem Auto für jedermann, Bauingenieur Konrad Zuse von einem „mechanischen Gehirn“,

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einem Computer. Kaum vorstellbar, wären diese Ideen im Keim erstickt worden. Zugegeben: Ideen gibt es zuhauf am Markt, und nicht jede kann zum Hit werden. Nicht nur in Corona-Zeiten müssen Geldgeber daher aus der Vielzahl von Investitionsmöglichkeiten gut auswählen. „Mehr als 95 Prozent der Investitionsangebote lehnen Investoren ohnehin ab, jetzt ist die Selektion noch strenger. Man fokussiert sich auf die bestehenden Investments und schaut, dass sie die Krise überstehen.“ Hier schließt sich der Kreis zu vielen etablierten Unternehmen. Denn ihr Investment, ihre Firma, gut durch die Krise bringen, das wollen auch Geschäftsführer landauf, landab. Ein bewährtes Mittel ist es, die Belegschaft in Kurzarbeit zu schicken. Alleine in Niedersachsen hatten zuletzt knapp 62 000 Unternehmen für insgesamt mehr als 800 000 Mitarbeiter Kurzarbeit angezeigt. Doch Ge-

„Viele Start-ups stehen jetzt mit dem Rücken zur Wand.“ Sebastian Pollok, Mitglied im Präsidium des Bundesverbands Deutsche Start-ups

Illustration:Colourbox.de Montage: MatthiasMichel

schäftsführer sind nicht die einzigen Krisenmanager in vielen Betrieben – hinzu kommen Gewerkschaften, die sich für Beschäftigungssicherung und höhere Kurzarbeitergelder einsetzen. Einer dieser Gewerkschafter in der Region ist Stephan Soldanski, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Osnabrück. Er sagt: „Mehr und mehr müssen wir feststellen, dass sich eine soziale Schieflage auftut: Hatten Beschäftigte bereits vor der Krise ein niedriges Nettoentgelt, so macht sich das mit der Krise jetzt richtig bemerkbar.“ Dramatisch für viele Facharbeiter sei beispielsweise, dass aufgrund von Kurzarbeit aktuell die Nacht- und Wochenendschichtzulagen wegfielen. In den kommenden Monaten werde es also noch mehr um Verteilungsfragen gehen, ist Soldanski überzeugt. Diese Existenzkrise ist für den Gewerkschafter ein Grund, warum das Wirtschaftsleben sukzessive wieder aufgenommen werden müsse. Selbstverständlich unter der Auflage, dass die Gesundheit der Mitarbeiter bestmöglich geschützt wird – und auch mit Blick auf die nächste Generation von Facharbeitern. „Jedes Jahr beginnen über eine halbe Million junger Menschen eine duale Berufsausbildung. Um zu verhindern, dass im Herbst Hunderttausende ohne Ausbildung und ohne Perspektive dastehen, fordern wir die Politik auf, ein

sofortiges Sonderprogramm zur Ausbildungssicherung auf den Weg zu bringen“, so Soldanski. Denn werden Unternehmen das Geld haben, in Ausbildung zu investieren? Für viele geht es zunächst einmal um die pure Existenz. Hier versucht die Politik, mit zahlreichen Förderprogrammen den Betrieben im Land wieder auf die Beine zu helfen. Eine Dauerlösung kann das nicht sein. Zumal in jedem Unternehmen ein Risiko steckt. Auch die großen Ideen wie das Fliegen, das Auto für alle oder der Computer hätten scheitern können. Auch diese Option muss weiterhin – ob während oder nach Corona – zum Wirtschaftsleben dazugehören. Zumal sich die Frage stellt: Wer soll auf Dauer die Billionen-Euro-Programme, die die Politik auflegt, bezahlen? Auf welche anderen Leistungen wird der Staat mittelfristig verzichten? Bei allen Unwägbarkeiten, die die Krise mit sich bringt, sollte eines jedoch in der weiteren Debatte – auch wenn es um Lockerungen der Maßnahmen geht – selbstverständlich sein: Gesundheitsschutz und Wirtschaftsleistung gegeneinander auszuspielen kann nicht die Lösung sein, es muss ein Miteinander geben. Auch um einen Teufelskreis zu durchbrechen. Denn weniger Geld in den Taschen der Mitarbeiter bedeutet auch weniger Konsum – weniger Autokäufe, Kleidung, später weniger Restau-

rantbesuche und Urlaube. Das wiederum bedeutet für die ohnehin durch die Corona-Schließungen gebeutelten Branchen noch weniger Umsätze. Und in der Konsequenz noch mehr Kurzarbeit, Entlassungen oder Insolvenzen. Und damit noch weniger Geld für die Arbeitnehmer. Das würde Wirtschaft und Gesellschaft hart treffen. Konsumschecks oder Steuererleichterungen wären Hebel, um aus der Bevölkerung heraus kurzfristig Impulse in die Wirtschaft zu geben – und so möglicherweise nachhaltiger Branchen auf die Beine zu helfen.

* Nettoprov. Verkauf MFH Deutschland 2018 (immobilienmanager 09/19)


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