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TANKSTELLEN DER ZUKUNFT SEITEN 20/21
DIE WICHTIGSTEN TERMINE SEITE 32
DONNERSTAG, 31. AUGUST 2017
AUSGABE 04/17
Top oder Flop? Wirtschafts-Chefs prüfen Wahlversprechen Die Parteiprogramme zur Bundestagswahl sind voller Vorschläge, die für Industrie, Handwerk und Handel von zentraler Bedeutung sind. Doch was halten Top-Wirtschaftsvertreter aus der Region davon? Ihre Antworten lesen Sie auf den Seiten 4 und 5.
BÜRGERVERSICHERUNG FÜR ALLE EINFÜHREN.
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In dieser Ausgabe:
STANDORTPORTRÄT STADT MEPPEN UND SAMTGEMEINDE UELSEN
MACHER & MÄRKTE Super-Batterie: EWE will Salzkavernen als Stromspeicher nutzen. Seite 3
SPEZIAL GRENZE & GEWINNER
Viel mehr als Käse: An der niederländischen Grenze boomt es.
KOHLEKRAFTWERKE SOFORT ABSCHALTEN.
MINDESTLOHN N AUF 12 EURO ANHEBEN. B
Seiten 12/13
GELD & GESCHÄFT Verjüngungskur: Gutes Timing hilft beim Generationswechsel. Seite 17
LEBEN & LEIDENSCHAFT Aufgemöbelt: Rosink aus Nordhorn baut neue Landtagstische. Seite 25
Marina Heuermann setzt auf Service Neue Geschäftsführerin der Wirtschaftsförderung drängt auf mehr Gewerbeflächen VON RAINER LAHMANN-LAMMERT OSNABRÜCK. Sie will „Kümmerer
und Lotse“ sein, wenn Unternehmen eine Immobilie suchen, neue Wege gehen oder Hilfe bei der Gründung benötigen. Marina Heuermann ist die neue Geschäftsführerin der Wirtschaftsförderung Osnabrück (WFO).
Fast 17 Jahre lang hat die gebürtige Oldenburgerin für die Essener Wirtschaftsförderungsgesellschaft gearbeitet und dort zuletzt den Unternehmensservice geleitet. Der Servicegedanke steht für die neue WFO-Chefin auch in Osnabrück im Vordergrund. Das kleine Team
in der alten Apotheke am Stadthaus sei zwar sehr engagiert, es könne die geforderten Aufgaben aber nicht leisten, gibt die 51-Jährige zu verstehen. Welchen neuen Aufgaben die Wirtschaftsförderung in Zukunft mehr Raum geben will, soll in einem Handlungskonzept mit der Perspektive 2030 in einem breit angelegten Beteiligungsprozess herausgearbeitet werden. Und dann könnte es auch zu einer Verstärkung des Teams kommen, haben Oberbürgermeister Griesert und Hans-Christoph Gallenkamp vom Verein für Wirtschaftsförderung schon signalisiert. Marina Heuermann, die als gelernte Industriekauffrau Raumpla-
Aus Essen kommt WFO-Geschäftsführerin Marina Heuermann.
Foto: Gert Westdörp
nung und Sozialwissenschaften studiert hat, will die Ausweisung neuer Gewerbeflächen vorantreiben. Überrascht war sie über die Zahl von 160 Immobilienanfragen pro Jahr. Das spreche für die Attraktivität des Standorts, sagt sie.
Dass die Flächenspielräume in Osnabrück sehr eng sind, ist Heuermann bewusst. Sie widerspricht aber der Befürchtung, dass Flächenausweisungen neue Umweltkonflikte heraufbeschwören werden. Sie wolle die Akteure frühzeitig an einen Tisch holen und die Lage ausloten. So lasse sich viel erreichen, meint die WFO-Chefin. Im März ist sie von Essen nach Osnabrück gezogen. Auf Nachfrage charakterisiert sie die Menschen an der Hase als „offen und sympathisch“. Man komme schnell ins Gespräch und spüre die Standortverbundenheit. Und manchmal spüre man auch „die Lust, nach den Sternen zu greifen“, sagt Marina Heuermann.
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DONNERSTAG, 31. AUGUST 2017
MACHER & MÄRKTE
2
SPEZIAL
MACHER & MÄRKTE
GELD & GESCHÄFT
GRENZE & GEWINNER
E D I TO R I A L
LEBEN & LEIDENSCHAFT
1 | Marina Heuermann
9 | Airport Twente
17 | Generationswechsel
25 | Rosink GmbH
Die neue WFO-Chefin drängt auf mehr Gewerbeflächen.
Unternehmen AELS wrackt alte Passagiermaschinen ab.
Übergabe der Geschäfte an den Nachwuchs birgt Chancen.
Nordhorner tischlern neue Spezialtische für den Landtag.
2 | Editorial
10 | Gussek
18 | Führungskräfte
26 | Soziales Engagement
Berthold Hamelmann über Wahlversprechen für die Wirtschaft.
Fertighaus-Spezialist erschließt neue Kundenschichten.
Personaltrainer Burkhard Bensmann über den Job-Alltag der Chefs.
Semcoglas-Mitbegründer Rolf Sawatzki macht sich für Arme stark.
3 | EWE
11 | Pflegebranche
19 | Food-Branche
27 | German Oekotec
Wie der Energieriese die größte Batterie der Welt entwickelt.
Für Pflegekräfte kann der Weg nach Holland lohnen.
Delivery Hero, Vapiano und Co.: Essen wird zum Börsentrend.
Meller Firma entwickelt schnell abbaubare Reinigungsmittel.
4/5 | Wahlprogramme
12/13 | Handel auf der Grenze
19 | Börsentrends
28/29 | Frauenpower
Wie Top-Wirtschaftsvertreter die Ideen der Parteien bewerten.
Wo früher der Schlagbaum war, brummen die Geschäfte.
Gewinner und Verlierer: Ausgewählte Tops und Flops im Überblick.
Ex-Boxweltmeisterin Regina Halmich im Interview.
6 | Rübenanbau
13 | Handelspartner
20/21 | Tankstellen-Markt
29 | Frauen in Top-Jobs
Was passiert, wenn die Zuckerrüben-Quote fällt?
Für die Niederlande ist Deutschland der wichtigste Markt.
Wie sich eine ganze Branche für die Zukunft neu aufstellt.
Forscher warnen: Der Mittelstand braucht mehr Chefinnen.
7 | H&R-Gruppe
14 | Leben auf der Grenze
21 | Der 90. Geburtstag
30 | Zahnspangen-Hersteller
Wie die Raffinerie Salzbergen Erdöl-Reste verwertet.
Im äußersten Westen Niedersachsens steht das Haus „De Grenshoeve“.
Vor neun Jahrzehnten öffnete die erste Tankstelle.
In Bad Essen kämpfen zwei Produzenten um Marktanteile.
8 | Energiewende in Japan
15 | Sonderfahrzeuge
23 | Geldanlage
32 | Gesichter der Wirtschaft
Osnabrücker Delegation zum Arbeitsbesuch in Tokio.
Wietmarscher Unternehmen WAS liefert Krankenwagen in alle Welt.
Warum Deutsche trotz Niedrigzinsen weiterhin ihr Sparschwein füttern.
Grafschafter Sparkassenstiftung, Sommergolf BVMW, Meyer Werft, Eisenbahngesellschaft Egoo.
WIRTSCHAFT UND WAHLEN
Sitzen alle in einem Boot VON BERTHOLD HAMELMANN
D
Unternehmens- und Personenindex UNTERNEHMEN 3M ..................................................................30 Aircraft End-of-Life-Solutions AELS...... 9 Airport Twente ............................................. 9 Amazon..........................................................19 Ambulanz- und Sonderfahrzeuge GmbH...........................15 Apotheke „Die Grenze“ .............................12 Aral .................................................................21 Architekturbüro Blocher Partners........ 25 Austrian.......................................................... 9 B. Schlichter GmbH & Co. KG.................. 4 Berentzen ......................................................19 Biofino............................................................27 Bitcoin Group SE ........................................19 Bundesbank................................................. 23 Bundesverband mittelständische Wirtschaft ................... 32 Burger King..................................................19 Buurtzorg ...................................................... 11 Caritas............................................................ 11 Chemisches Laboratorium Dr. Stegemann .............................................27 Commerzbank ............................................. 17 Daimler..........................................................15 „De Grenshoeve“ .........................................14 Diakonie ........................................................ 11 DW Lingual Systems.................................30 Eisenbahngesellschaft Ostfriesland-Oldenburg ........................... 32 Essener Wirtschaftsförderungsgesellschaft ..........1 Euregio........................................................... 11 EWE..................................................................1 EWE Gasspeicher..........................................3
Expo Real ..................................................... 32 Felix Schoeller Group ................................. 4 Flughafen Münster/Osnabrück ............... 9 Foodpanda....................................................19 Fraunhofer Institut für Holzforschung.......................................10 Fraunhofer Umsicht Institut .....................3 Fraunhofer-Institut ..................................... 8 Friedrich-Schiller-Universität Jena..........3 German Oekotec .........................................27 Grafschafter Sparkassenstiftung........... 32 Grimme......................................................... 32 Gussek-Haus.................................................10 GVZ Dörpen ................................................ 32 H & R Chemisch-Pharmazeutische Spezialitäten...................................................7 H & R Lube Blending GmbH ....................7 H & R Refining GmbH................................7 H & R-Gruppe................................................7 Handwerkskammer OsnabrückEmsland-Grafschaft Bentheim ................ 4 Hansen & Rosenthal Gruppe ....................7 Hansen & Rosenthal Kommanditgesellschaft ..............................7 Hellmann Worldwide Logistics GmbH & Co. KG........................................... 4 Hello Fresh....................................................19 Hungryhouse ...............................................19 Industrie- und Handelskammer Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim....................................................4, 5 Industrieller Arbeitgeberverband Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim....................................................4, 5 IP Syscon........................................................ 8 Isoglas ........................................................... 26
Isoglas-Gruppe ........................................... 26 Kamat............................................................. 17 Kanzlei Schoofs & Partner Rechtsanwälte............................................. 29 Käsehandel Boomkamp............................12 Ld 21 academy GmbH ...............................18 Lehman Brothers....................................... 23 Lieferando.....................................................19 LSG Sky Chefs..............................................19 McDonald’s...................................................19 Meyer Werft................................................. 32 Nitag-Tankstelle...........................................21 Nordzucker.................................................... 6 Notfallkoffer.de........................................... 29 Nowak........................................................... 26 Ökologische Netze ......................................27 Oldenburgische Landesbank.................. 23 Onlinepizza...................................................19 Paracelsus-Kliniken....................................15 Parafin- und Photogenfabrik.....................7 Pfeifer und Langen...................................... 6 Piepenbrock Unternehmensgruppe GmbH & Co. KG.......................................4, 5 Pizza.de..........................................................19 Q1 Mineralöle AG.................................20, 21 Raffinerie Salzbergen...................................7 Reinhardt.....................................................20 Renault ..........................................................15 Restaurant „Centropa“..............................13 Rickmers-Werft............................................31 Rosink GmbH ......................................... 1, 25 Schmierölraffinerie Salzbergen GmbH ..7 Schüller-Qualitätsglas .............................. 26 Semcoglas-Gruppe..................................... 26 Stadt-Apotheke............................................21 Stadtwerke Osnabrück............................... 8
Südzucker....................................................... 6 Suiker Unie.................................................... 6 Swiss................................................................ 9 Technische Universität Delft .................... 9 Telekom ........................................................ 23 Top Service für Lingualtechnik..............30 Universum Box Promotion ..................... 28 Vapiano..........................................................19 Verdi ............................................................... 11 Verein für Wirtschaftsförderung..............1 Volkswagen...................................................15 Westfalen AG.........................................20, 21 Westnetz-Regionalzentrum......................15 Wholefood.....................................................19 Wilhelm Schloten GmbH ...........................7 Wintershall AG..............................................7 Wirtschaftliche Vereinigung Zucker ...... 6 Wirtschaftsförderung Osnabrück ............1
PERSONEN Bartelt, Andreas .........................................30 Beckmann, Frederick..........................20, 21 Beckmann, Julius........................................21 Beckmann, Werner.....................................21 Beckmann, Wilhelm...................................21 Bensmann, Burkhard ................................18 Benz, Cäcilie Bertha ...................................21 Benz, Eugen..................................................21 Benz, Richard...............................................21 Benz, Carl......................................................21 Bergmann, Simone.....................................15 Blom, Lind .................................................... 11 Blum, Guido .................................................27 Bohmann, Siegfried....................................27 Brandt, Dirk ................................................ 25
Brömstrup, Carsten................................... 23 Burfeind, Jens................................................3 Busemann, Bernd ...................................... 32 Conzen, Bernhard........................................ 6 Ebel, Markus ................................................15 Friedrich, Norbert.......................................31 Gallenkamp, Hans-Christoph ...................1 Gerdts, Detlefs .............................................. 8 Gitzen, Günter .............................................10 Griesert, Wolfgang........................................1 Grobelny, Hans-Jürgen............................. 32 Halmich, Regina ........................................ 28 Hambloch, Christoph ................................. 6 Hannemann, Ingo........................................ 8 Hansen, Niels H. ...........................................7 Heer, Wolfgang ............................................. 6 Heigenmooser, Volker................................31 Heitmann, Thomas .................................... 17 Hendricks, Barbara ..................................... 8 Hesselink, Gea .............................................12 Heuermann, Marina ....................................1 Hobbelink, Niels....................................12, 13 Holste, Heinz-Friedrich............................ 25 Jäger, Ismene ...............................................27 Karthaus, Jörg ............................................30 Klofat, Bernhard .......................................... 4 Knecht, Thomas ........................................... 4 König, Johanna ...........................................27 Kückmann, Franziska................................ 11 Kuleba, Anna............................................... 29 Ludwig, Dorothea........................................ 8 Marukawa, Tamayo ..................................... 8 Meyer, Harald .............................................. 11 Obijou-Kohlhas, Claudia..........................30 Ocker, Willi...................................................21 Oesterlen, Dieter........................................ 25
Paehl, Ralf ....................................................30 Piepenbrock, Olaf ....................................4, 5 Pohl, Dieter.....................................................7 Ponitz, Burkhard.........................................27 Prütz, Marco.................................................27 Raab, Stefan ................................................ 29 Rautenberg, Christof ...................................7 Riekenberg, Ralf............................................3 Ropohl, Reiner......................................20, 21 Roppes, Walter.............................................15 Sawatzki, Rolf ............................................. 26 Schlichter, Martin....................................4, 5 Schlickum, Michael....................................15 Schmidt, Peter................................................3 Schnitzler, Peter...........................................15 Schubert, Ulrich............................................3 Schulte, Gudrun ..........................................27 Schulze, Freimuth.......................................13 Schwarz, Michael....................................... 29 Schwarzelühr-Sutter, Rita ......................... 8 Sprakel, Karl................................................. 17 Sprakel, Jan .................................................. 17 Stegink, Truida ............................................14 ten Voorde, Vincent.................................... 11 Thörner, Rolf................................................31 Tissen, Günter............................................... 6 van Heerden, Derk-Jan .............................. 9 Vogelsang, Holger.......................................15 Voss, Peter...................................................... 4 Voß, Reinhold ..............................................13 Vrielmann, Johann.....................................12 Wandtke, Claudia....................................... 29 Wandtke, Thomas...................................... 29 Weiß, Richard ............................................. 32 Wiechmann, Dirk ......................................30 Wohlsen, Jörg...............................................27
ie Zeiten vor Wahlen sind wunderschön. Fast so schön wie die sich schon wieder ganz allmählich abzeichnende Vorweihnachtszeit. Die Wahlprogramme der Parteien ähneln dabei hübsch gemachten Auslagen von Kaufhäusern. Es glitzert und blinkt. Mit allen Mitteln wird um Aufmerksamkeit gebuhlt. Und vielleicht kommt es zum (Lust-)Kauf. Wahlentscheidungen haben in der Regel nichts mit Lust zu tun. Es geht um knallharte Interessenabwägung. Was verspricht eine Partei? Was nutzt wem? Wahlaussagen in den oft sperrigen Wahlprogrammen sind bei aller Kritik immer ein prima Fingerzeig, wie gut die jeweilige Partei etwa die Bedürfnisse der Wirtschaft wahrnimmt. Welche Weichenstellungen sind geplant? Wissen die Parteistrategen überhaupt noch, wo der Schuh drückt? Und – sind frühere Wahlversprechen eingehalten worden? Schnelles, flächendeckendes Internet etwa ist leider längst noch nicht überall in unserer Region zu finden, ein schwerer Standortnachteil für manches Unternehmen. Und nicht nur die großen Logistiker sind auf eine gut funktionierende Infrastruktur angewiesen. Dass Vertreter auch der regionalen Wirtschaft langsam unruhig werden und endlich Taten einfordern, ist mehr als verständlich. Wer auch immer bei der Bundestagswahl das Rennen machen wird: Die Bedürfnisse der Wirtschaft zu ignorieren zahlt sich nicht aus. Da sitzen Arbeitgeber und Arbeitnehmer übrigens in einem Boot, auch wenn ihre Ziele unterschiedlich sind. Wer will, dass der Standort Deutschland weiterhin floriert, wer die Arbeitslosigkeit niedrig halten, dem Fachkräftemangel vorbeugen und international mithalten will, sollte gerade einen starken Mittelstand im Fokus haben – auch nach der Wahl.
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DONNERSTAG, 31. AUGUST 2017
MACHER & MÄRKTE
XXL-Batterie soll Strom aus Wind und Sonne speichern Die Oldenburger EWE will dafür riesige Salzkavernen nutzen
VON CHRISTOPH LÜTZENKIRCHEN OLDENBURG. Der Wind weht, wie er will. Wann er will im Übrigen auch. Wohin mit dem vielen Strom, den Windräder landauf, landab bei kräftigem Wind erzeugen? Der Oldenburger Energieversorger EWE will das Problem mit einem riesigen unterirdischen Stromspeicher lösen.
Deckgebirge aus Ton- und Kalkstein
Zechsteinsalz
Rohrverbindung der Kaverne mit den obertägigen Anlagen zur Ein- und Ausspeicherung von Erdgas
Einige Hundert Meter unter der Erde liegen die Salzkavernen der EWE im ostfriesischen Jemgum.
Grafik: EWE
Die Batterie in zwei Kavernen eines ehemaligen Salzbergwerks im ostfriesischen Jemgum soll 120 Megawatt (MW) Leistung haben. Bei der Speicherkapazität streben die Initiatoren eine Größenordnung von 700 Megawattstunden (MWh) an. „Das würde reichen, um den überschüssigen Strom eines kompletten Offshorewindparks wie zum Beispiel Riffgat aufzunehmen“, sagt Peter Schmidt, Geschäftsführer der EWE-Tochter EWE Gasspeicher: „Wenn alles funktioniert, kann dies den Speichermarkt grundlegend verändern. Wir würden die größte Batterie der Welt bauen.“ Mit dem Strom aus den Salzkavernen könne man eine Stadt wie Berlin für eine Stunde mit Strom versorgen. Ende 2023 soll die Batterie in Betrieb gehen. Laut einem Bericht der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung HAZ will EWE für das Kavernenpaar 120 Millionen Euro investieren. Schmidt will die Zahl nicht bestätigen. Der aktuelle Entwicklungsstand des Projekts „brine for Power“ (b4p) sei durch zahlreiche offene Fragen geprägt, für konkrete Zahlen sei es zu früh. Im ersten Schritt will EWE eine Pilotanlage mit zwei großen Kunststofftanks bauen, sie soll 500 Kilowatt (kW) Leistung haben. „Wir rechnen dafür mit einem Investitionsvolumen von zwei Millionen Euro“, sagt Ralf Riekenberg, der das Projekt brine4power leitet: „Anschließend wollen wir eine Anlage mit 100 bis 500 kW Leistung bauen, dann 500 bis 2500 kW. Dafür sollen von der
Europäischen Union, dem Bund und dem Land Niedersachsen Fördermittel eingeworben werden. Wir werden das nicht allein machen, sondern mit starken Partnern aus der Industrie. Dazu führen wir derzeit Gespräche.“ EWE will zwei von acht Kavernen des Salzstocks in Jemgum nutzen. Bisher wurde dort Gas gespeichert. In den je 100 000 Kubikmeter großen Hohlräumen soll eine Batterie nach dem „Redox-FlowPrinzip“ entstehen. Die Kavernen dienen als Speicherbehälter für zwei elektrisch geladene Flüssigkeiten, sogenannte „Elektrolyte“. Diese bestehen aus in Salzwasser gelösten, recycelbaren Polymeren (Kunststoffen). „Wir arbeiten mit Kunststoffmolekülen auf Basis von Standardkunststoffen“, erklärt Professor Ulrich S. Schubert von der Friedrich-Schiller-Universität Jena, der das Verfahren entwickelt hat und b4p wissenschaftlich begleitet. In einer elektrochemischen Zelle – dem sogenannten „Stack“ – reagieren die Elektrolyte über eine Membran miteinander. Weil die Polymere mit fünf bis zehn Nanometern relativ groß seien, brauche man keine speziellen und teuren Memb-
ranen, so Schubert. Sie könnten großindustriell und günstig hergestellt werden. Über die Stacks wird die Batterie geladen und entladen. Durch die Größe der Speicherbehälter ist ihre Kapazität riesig. Wie viel oder wenig Strom sie aufnehmen oder abgeben kann, hängt aber von der Leistung der Stacks ab. Sie sind derzeit das Nadelöhr für die Nutzung der Redox-FlowTechnologie im Maßstab eines Kavernenspeichers. „Aktuell verfügbare Stacks haben nur circa drei Kilowatt Leistung“, sagt Ralf Riekenberg: „Für unsere Batterie bräuchte man Tausende.“ Zusammen mit dem Fraunhofer Umsicht Institut aus Oberhausen will EWE leistungsfähigere Stacks entwickeln. Die Leistung soll zunächst auf 50 kW wachsen, später auf 100 bis 200 kW. Um die Gesamtleistung zu erreichen, schaltet man die Stacks in Serie oder parallel. „Wir entwickeln möglichst große Stacks“, erklärt Dr. Jens Burfeind von Fraunhofer-Umsicht: „Das ist wichtig, damit man nicht unzählige Stacks hydraulisch und elektrisch verbinden muss.“ Das Ziel, die Anlage bis 2023 fertigzustellen, bezeichnet der Wissenschaftler als „herausfordernd“.
REDOX-FLOW
Energiewende benötigt Speicher Redox-Flow-Batterien eignen sich als Langzeit- und Kurzzeitspeicher von Strom. Neben BleiSäure- und Lithium-Akkumulatoren gehören sie zur Gruppe der elektro-chemischen Speicher. Außerdem gibt es mechanische, elektrische und chemische Speicher. Die Kapazität der Speicher misst man in Watt-
stunden (Wh). Mit rund 40 GWh haben Pumpspeicher in Deutschland derzeit die größte Speicherkapazität. Das größte Potenzial wird bei Wasserstoffspeichern (1.763 TWh) gesehen. Mit RedoxFlow-Kavernenbatterien käme eine aussichtsreiche Kategorie hinzu. Prof. Ulrich S. Schubert von der Friedrich-
Schiller-Universität Jena sieht RedoxFlow-Speicher als Chance für die deutsche Industrie. „Wir haben eine leistungsfähige Chemieindustrie und einen starken Anlagenbau“, erklärt er: „Bei der Entwicklung der Stacks profitieren wir von unserer umfangreichen Expertise zu Brennstoffzellen.“
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DONNERSTAG, 31. AUGUST 2017
MACHER & MÄRKTE
MACHER & MÄRKTE
Zwischen Wunsch und Wirklichkeit
„Wir benötigen nicht mehr, sondern weniger Staat“
Die Parteiprogramme strotzen vor Ideen für Handel, Handwerk und Industrie. Führende Wirtschafts-Chefs bewerten sie unterschiedlich.
IAV-Präsident Olaf Piepenbrock sieht wenig Sinn darin, bewährte Strukturen zu ändern
Infrastruktur-Ausbau bleibt zentrale Forderung der hiesigen Wirtschaft. Handwerksbetriebe kritisieren Unterschiede in der Bildungspolitik. Handel fordert mehr Planungssicherheit bei der Sonntagsöffnung. VON NORBERT MEYER UND MELANIE HEIKE SCHMIDT OSNABRÜCK. Den Mindestlohn auf
zwölf Euro aufstocken, eine Bürgerversicherung einführen, dazu eine Mindestrente, flächendeckend schnelles Internet, LkwMaut auf allen Bundesstraßen und natürlich eine top ausgebaute Infrastruktur bis in den letzten Winkel Deutschlands: Die Wahlprogramme der Parteien zu Bundestagswahl sind voller Ideen und Versprechungen, die für die hiesige Wirtschaft von zentraler Bedeutung sind. Doch was halten führende Köpfe von Verbänden und Unternehmen davon? Wir haben nachgefragt.
Welche Forderungen haben Handwerk, Handel, Industrie oder Logistiker an eine künftige Regierung? Wir haben fünf Top-Wirtschaftsvertreter mit Vorschlägen aus den Programmen von CDU/CSU, SPD, Grünen, Linken, FDP und der AfD zur diesjährigen Bundestagswahl konfrontiert – mit überraschenden Ergebnissen. Denn während einiges bei den Branchenkennern durchaus positiv ankam – zum Beispiel die Idee, klein- und mittelständische Betriebe beim Weg in die Digitalisierung zu unterstützen – wurde bei anderen
Vorschlägen offensichtlich, dass zwischen den Konzepten der Parteien und den Forderungen der Wirtschaft teils riesige Lücken klaffen. Wie schmal oder weit die Kluft zwischen Versprechen und Bedürfnissen ist, zeigt sich beim Blick in die Details. Ausweitung der Lkw-Maut: Thomas Knecht, Sprecher der Geschäftsführung der Hellmann Worldwide Logistics GmbH & Co., hält beispielsweise den SPD-Vorschlag, eine Lkw-Maut für Lkw über 7,5 Tonnen auf allen Bundesstraßen einzuführen, für „fragwürdig“. Als Begründung gibt Knecht zu bedenken: „Die Ausweitung der LkwMaut stellt eine erhebliche Belastung für die deutschen Transportunternehmen dar – nicht nur im Bereich Road. Auch die Segmente See- und Luftfracht würden von einer Mautausweitung erheblich getroffen. Denn sowohl in der Luftals auch in der Seefracht haben wir
„Ausweitung der Lkw-Maut stellt eine erhebliche Belastung für die Branche dar.“ Thomas Knecht, Hellmann Worldwide Logistics GmbH & Co.
umfangreiche Vor- und Nachläufe, die auch über Bundesstraßen abgewickelt werden.“ Unterm Strich könnte sich eine solche Maut als kontraproduktiv erweisen, warnt Knecht: „Das Vorhaben der SPD würde den Wettbewerbsdruck enorm erhöhen und langfristig auch Arbeitsplätze gefährden.“
grenzen hinweg, „von Fachkräften und ihren Familien“ werde damit erleichtert, sagt Schlichter.
Güterverkehr auf der Schiene: Deutlich sinnvoller erscheint dagegen die Idee von CDU und CSU, die ein gemeinsames Wahlprogramm zur Bundestagswahl aufgestellt haben, zum Thema Güterverkehr auf der Schiene. Der Union schwebt vor, die Trassenpreise weiter zu senken, um den Schienengüterverkehr in Deutschland zu stärken. „Die Senkung der Trassenpreise auf der Schiene wäre prinzipiell zu begrüßen“, schätzt Knecht ein. Allerdings seien „die Netze schon heute stark überlastet“, sodass „man als Logistiker kaum Platz auf der Schiene“ bekäme. „Eine Reduzierung der Trassenpreise würde den Druck hier sicherlich nochmals erhöhen.“ Energie: Unabdingbar ist für nahezu alle Wirtschaftsbetriebe eine sichere und bezahlbare Energieversorgung. Dies gilt insbesondere für Papierhersteller wie die Felix Schoeller Group aus Osnabrück. Wer sich jedoch die Parteiprogramme vornimmt, erkennt schnell: Der Streit darum, wie genau Deutschland die Energie der Zukunft gewinnen will, ist längst nicht ausgefochten. Die Grünen preschen in ihrem Wahlprogramm vor und fordern, die 20 schmutzigsten Kohlekraftwerke im Land sofort abzuschalten. „Dies ist keine gute Idee“, warnt Schoeller-CEO Bernhard Klofat. „Wir benötigen – wie alle Papierfabriken und wie alle energieintensiven Industrien – eine gesicherte Energie-Grundversorgung.“ Aus diesem Grund müssten „Versor-
In der Schwebe: Ob die Vorschläge der Parteien nach der Wahl wie Seifenblasen zerplatzen oder ob die ein oder andere Idee vom Parlament in Berliin tatsächlich umgesetzt werden wird,ist offen.
gungssicherheit und Netzstabilität oberste Priorität haben“, fordert Klofat. Beides aber sei „durch die erneuerbaren Energien derzeit noch nicht gegeben“. Von Aktionismus hält Klofat daher nichts: „Das Abschalten alter Kraftwerke muss sehr sensibel und mit Augenmaß überlegt werden“, sagt er. Infrastruktur: Deutlich mehr Einigkeit als bei der Frage der Energiegewinnung besteht in der Politik beim Thema Infrastruktur. Nahezu alle Parteien haben sich deren Stärkung auf die Fahne beziehungsweise ins Wahlprogramm geschrieben. So will beispielsweise die Union die
Investitionen für die Infrastruktur verstetigen, auch sollen Projekte schneller umgesetzt werden können, das sperrige Stichwort dazu heißt: Planungsbeschleunigungsgesetz. „Eine Beschleunigung der Planung von Infrastrukturvorhaben ist dringend notwendig“, findet auch Bernhard Klofat. Wichtig sei „aber auch eine rasche Durchführung verabschiedeter Projekte“, fordert er. Handlungsbedarf – und zwar dringenden – gibt es auch aus Sicht des Schoeller-Chefs bei einer ganzen Reihe von Feldern. Laut Klofat gehören dazu der „Ausbau der Fernverkehrsnetze von Straßen und Schienen, Aufbau einer Infrastruk-
Eine Frage, fünf Antworten: Anspruch auf befristete Teilzeit – Top oder Flop? An der Idee der Parteien, den gesetzlichen Rahmen für Teilzeitarbeit zu ändern, scheiden sich die Geister VON NORBERT MEYER UND MELANIE HEIKE SCHMIDT OSNABRÜCK. Nahezu alle Parteien
sprechen sich in ihren Wahlprogrammen dafür aus, für Arbeitnehmer einen Anspruch auf befristete Teilzeitarbeit zu schaffen. Was halten Sie davon? – Diese Frage haben wir allen fünf ausgewählten Wirtschaftsvertretern gestellt. Hier ihre teils sehr unterschiedlichen Einschätzungen.
Thomas Knecht, Sprecher der Geschäftsführung Hellmann Worldwide Logistics GmbH & Co. KG: Einen Anspruch auf befristete Teilzeit würden wir als positive Entwicklung werten. Im Wettbewerb um Talente und zur langfristigen Sicherung der Arbeitskräfte müssen Unternehmen heutzutage eine ausgewogene WorkLife-Balance ermöglichen. Teilzeit-Ar-
beitszeitmodelle sind in diesem Zusammenhang ein wesentliches Kriterium. Deshalb bietet Hellmann seinen Mitarbeitern schon heute flexible Arbeitszeitmodelle an, die zu großen Teilen durch Gesamtbetriebsvereinbarungen geregelt sind. So können wir unseren Mitarbeitern einen entsprechenden Anspruch verbindlich gewährleisten. Bernhard Klofat, CEO der Felix Schoeller Group, Osnabrück: In dem Maße, in dem Arbeitnehmern die Möglichkeit geschaffen wird, ihr Arbeitsleben flexibel und individuell zu gestalten, müssen auch den Arbeitgebern entsprechende Instrumente wie beispielsweise befristete Einstellungen zur Verfügung stehen beziehungsweise erhalten bleiben, um darauf angemessen ohne Erhöhung der Personalkosten reagieren zu können.
Martin Schlichter, Präsident der Industrie- und Handelskammer Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim (IHK) sowie Geschäftsführender Gesellschafter der B. Schlichter GmbH & Co KG, Lathen: Teilzeitbeschäftigung hilft häufig bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und bietet viele Möglichkeiten zur individuellen Gestaltung der Arbeitszeit. Gerade deshalb ist sie in den vergangenen Jahren auch immer beliebter geworden. Gesetzliche Maßnahmen müssen aber die Bedürfnisse von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gleichermaßen berücksichtigen. In der Praxis halte ich es gerade im Mittelstand für problematisch, für Arbeitszeitveränderungen im Umfang weniger Stunden oder für die Dauer nur weniger Monate vernünftige Ersatzlösungen zu finden. Deshalb sehe ich hier
auch Vorteile für einzelbetriebliche Lösungen im Vergleich zu einer gesetzlichen Regelung. Olaf Piepenbrock, Vorstandsvorsitzender des Industriellen Arbeitgeberverbands OsnabrückEmsland-Grafschaft Bentheim und Geschäftsführender Gesellschafter der Piepenbrock Unternehmensgruppe GmbH + Co. KG: Tatsache ist, dass die Menschen heute weniger arbeiten als je zuvor. Der befristete Anspruch auf Teilzeit führt dazu, dass wir noch weniger arbeiten. Aus meiner Sicht brauchen wir auch mit Blick auf Fachkräftebedarf und Demografie nicht weniger, sondern mehr Arbeit, insbesondere Arbeit, die unseren Fähigkeiten und Bedürfnissen entspricht. Unabhängig davon stellt ein Anspruch auf befristete Teilzeit die Unternehmen vor eine große Her-
ausforderung, da immer wieder Vertreterregelungen gefunden werden müssen. Zudem müssen die Vertretungen zeitintensiv in die Aufgabenstellungen eingearbeitet werden, ohne eine Perspektive zu dauerhafter Beschäftigung zu haben, da die Vertretung nur temporär ist. Auf die Dauer führt das zu einer schlechteren Qualität. Vor diesem Hintergrund bin ich hier sehr skeptisch. Peter Voss, Präsident der Handwerkskammer OsnabrückEmsland-Grafschaft Bentheim (HWK): Befristete Teilzeit funktioniert im Handwerk nicht. Auf unseren Baustellen und in unseren Werkstätten arbeiten Teams Hand in Hand. Im Sommer mehr, im Winter weniger. Das ist die Realität. Solche Arbeitszeitmodelle sind schlichtweg in unseren Betrieben nicht durchführbar.
tur für die E-Mobilität im Individualverkehr, konsequente Trennung von Güter- und Personenverkehr auf der Schiene, konsequente Trennung von Personennahverkehr und Personenfernverkehr auf der Schiene, Ausbau des Stromnetzes im Rahmen der Energiewende und flächendeckender Ausbau des schnellen Internets“. Digitalisierung: Nicht nur die Straßen, Brücken, Wasserwege und Schienen im Land verlangen nach Investitionen, auch das Großprojekt Digitalisierung. Das fängt an beim flächendeckenden schnellen Internet, von dem viele Unternehmen insbesondere in ländlichen Regionen Niedersachsens bisher nur träumen können, und endet bei der Umrüstung der einzelnen Betriebe. Zu Letzterem schlägt die SPD in ihrem Programm vor, kleinen und mittelständischen Unternehmen Zuschüsse für den Einsatz digitaler Technologien zu geben. Gute Idee, findet Peter Voss, Präsident der Handwerkskammer OsnabrückEmsland-Grafschaft Bentheim (HWK): „Zuschüsse für innovative Techniken begrüßen wir immer.“ Allerdings müsse sichergestellt werden, dass „die Anbindung an modernste Breitbandtechnologien auch in den ländlichen Regionen endlich stattfindet“, fordert Voss. „Hier verschlafen wir die Entwicklung internationaler Standards“, kritisiert der HWK-Präsident und nennt ein Beispiel: „Es kann doch nicht sein, dass ein Betriebsinhaber in die nächste Stadt fahren muss, um seine umfangreichen Angebotsmaterialien online zu übermitteln. Ich scherze nicht, das ist noch die Realität in vielen Gebieten des Emslandes, der Grafschaft Bentheim und des Osnabrücker Landes“, sagt Voss. Abgaben, Steuern, Gebühren: Ein Klassiker der politischen StreitThemen ist das deutsche Steuersystem. Zu kompliziert – und vor allem für viele Betriebe zu belastend sei es, heißt es oft. Das Problem kennt auch HWK-Präsident Voss. Er for-
dert: „In der Steuer- und Abgabenpolitik ist darauf zu achten und hinzuwirken, dass das Handwerk und seine Beschäftigten keinesfalls zusätzlich oder übermäßig belastet werden. Das gilt für kommunale Steuern und Abgaben wie die Gewerbesteuer und den Tourismusbeitrag, aber auch für Landessteuern wie die Grunderwerbsteuer.“ Dem Thema Abgabenlast hat sich auch die FDP, die sich berechtigte Hoffnung auf einen Wiedereinzug in den Bundestag nach der Wahl im September macht, in ihrem Wahlprogramm gewidmet. Den Liberalen schwebt vor, in Deutschland eine Belastungs-Obergrenze für Steuern und Sozialabgaben im Grundgesetz festschreiben zu lassen. Peter Voss geht weiter und nennt konkrete Vorschläge, wie Handwerksbetriebe ganz praktisch entlastet werden können. So gehöre die „Gebührenpflicht für anlasslose Kontrollen der Gewerbeaufsicht insbesondere im Lebensmittelhandwerk“ erneut
„Die Einführung von einheitlichen Standards in der Bildung ist eine zentrale Forderung des Handwerks.“ Peter Voss, HWK-Präsident
Foto: Imago/Frank Sorge
auf den Prüfstand, sagt Voss. Mit Blick auf die Bundesebene sei „vor allem die kalte Progression und die überproportionale Belastung im Rahmen des sogenannten Mittelstandsbauches zurückzuführen“, so der HWK-Chef. Weiterhin müsse der Solidaritätszuschlag auslaufen, fordert Voss. Bildung: Unterschiedliche Bundesländer, unterschiedliche Bildungsstandards – ein altbekanntes Ärgernis vor allem für Unternehmen, die ausbilden. Der Vorschlag der FDP, bundesweit einheitliche Bildungsstandards einzuführen, stößt daher beim Handwerkskammerpräsident auf Zustimmung. „Die Einführung von einheitlichen Bildungsstandards ist eine zentrale Forderung des Handwerks“, betont Voss. „Gerade im Kammerbezirk Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim mit seiner unmittelbaren Nähe zu NRW wäre dies eine wesentliche Erleichterung für die sich nach der Schulzeit anschließende Aus- und Weiterbildung im dualen System“, erklärt er. Im Klartext hieße das: „Schüler aus Lotte, Rheine oder anderen angrenzenden Städten, die eine Ausbildung im nahen Niedersachsen absolvieren, würden die gleichen schulischen und beruflichen Bildungsstrukturen vorfinden.“ Außerdem, so Voss, müsse in der Bildungspolitik der Fokus stärker auf die duale Berufsausbildung im Handwerk gelegt werden. „Hier kam es in den vergangenen Jahren zu einer Fehlentwicklung, die zu einem eklatanten Fachkräftemangel führt“, kritisiert der HWK-Präsident. In allen Schulformen müssten daher „handwerkliche Berufe stärker in den Fokus gebracht werden“, fordert Voss. „An Gymnasien muss die Berufsorientierung den gleichen Stellenwert wie die Studienorientierung haben“, sagt er. Einheitliche Bildungsstandards – eine Vorstellung, die auch Martin
Schlichter, Präsident der Industrieund Handelskammer OsnabrückEmsland-Grafschaft Bentheim (IHK), nicht nur gefällt, sondern bei der er dringenden Handlungsbedarf sieht: „Richtig ist: Die Länder haben der bundesweiten Vergleichbarkeit des Schulangebots und der Abschlüsse bisher zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. 15 Jahre nach Veröffentlichung der ersten PISAStudie beträgt der Unterschied des Leistungsniveaus 15-jähriger Schülerinnen und Schüler
zwischen den Bundesländern bis zu zwei Jahre. Schulzeugnisse besitzen damit nur eine eingeschränkte Aussagekraft. Das ist nicht akzeptabel“, sagt Schlichter. Die Forderungen an die Politik, die sich daraus ergeben, formuliert Schlichter so: „Die IHK-Organisation fordert deshalb bundesweit einheitliche Bildungsstandards, vergleichbare Abschlussprüfungen und die Veröffentlichung von Ergebnissen zentraler Prüfungen und Vergleichsarbeiten.“ Damit lasse sich für die Unternehmen „die Transparenz über das Leistungsniveau der Ausbildungsplatzbewerber“ verbessern. Auch die Mobilität, sprich der jobbedingte Umzug über Landes-
Fachkräftemangel und Zuwanderung: Wie der Mangel an qualifizierten Mitarbeitern behoben werden kann, darüber machen sich auch die Parteien Gedanken. CDU und CSU schlagen in ihrem Wahlprogramm vor, ein Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz einzuführen. Aus Sicht von IHK-Präsident Schlichter wäre dieser Schritt womöglich überflüssig. Zwar sei aus der Perspektive der Wirtschaft die Zuwanderung von Fachkräften „ein wichtiges Instrument zur Sicherung des wachsenden Fachkräftebedarfs“ Doch in den vergangenen Jahren habe man hierzulande die Zuwanderungsregel bereits deutlich vereinfacht, erinnert Schlichter. Damit stehe Deutschland „im internationalen Vergleich schon heute gut da“, schätzt der IHK-Chef ein. Vielmehr sei es nötig, diese Zugänge zum deutschen Arbeitsmarkt international noch bekannter zu machen. „Ein vollständig neues Zuwanderungsgesetz wäre zwar ein neues Vermarktungs-Label, ist dafür allerdings nicht unbedingt erforderlich“, so Schlichters Schlussfolgerung. Sonntagsöffnung: Kaum ein Thema führt zu derart hitzigen Debatten wie die Sonntagsöffnungen im Handel. Die FDP hat das Thema in ihrem Wahlprogramm aufgegriffen und möchte die Öffnung von Geschäften auch sonntags ermöglichen. Auch aus Sicht von IHK-Präsident Schlichter kann der Handel ohne verkaufsoffene Sonntage kaum bestehen: „Der stationäre Handel braucht Instrumente wie die verkaufsoffenen Sonntage, um im Wettbewerb mit dem OnlineHandel bestehen zu können“, sagt er. „Wir wünschen uns eine Regelung, die mindestens die bewährten vier verkaufsoffenen Sonntage im Jahr auch ohne den Anlass eines Festes oder Marktes erlaubt“, erläutert der Handwerkskammerchef. Dabei gehe es „ausdrücklich nicht darum, den im Grundgesetz festgelegten Schutz des Sonntages auszuhebeln“, betont Schlichter. Vielmehr sollte so „den Behörden Entscheidungssicherheit und dem Handel Planungssicherheit“ gegeben werden. Da die derzeitige Rechtslage „dies alles leider nicht sicherstellen“ könne, setze die IHK „ auf eine rasche Novelle des niedersächsischen Ladenöffnungsgesetzes“. Fazit: Die Vorschläge der Parteien für Handel, Handwerk und Industrie sind aus Sicht der direkt Betroffenen nicht rundweg falsch, vielfach aber wenig konkret oder nicht zu Ende gedacht, etwa beim Thema Energie. Dagegen stehen die Forderungen der Top-Wirtschaftsvertreter. Ihre Bedürfnisse fungieren quasi als Handlungsauftrag für die Parteien, die sich im September dem Wählervotum stellen. Ob die neue Regierung diesen Ansprüchen genügen wird? Das wird sich zeigen – in der Wirtschaftsentwicklung der kommenden Jahre, spätestens aber im Jahr 2021. Dann findet die übernächste Bundestagswahl statt.
VON NORBERT MEYER UND MELANIE HEIKE SCHMIDT OSNABRÜCK. Gesetzliche Mindestrente, Studiengebühren erst nach dem Abschluss, zwölf Euro Mindestlohn: Wie sinnvoll sind derartige Ideen der Parteien aus Sicht der Wirtschaft? Im Interview zieht Olaf Piepenbrock, Vorstandsvorsitzender des Industriellen Arbeitgeberverbands Osnabrück-EmslandGrafschaft Bentheim (IAV) und Geschäftsführender Gesellschafter der Piepenbrock Unternehmensgruppe GmbH + Co. KG, eine durchwachsene Bilanz.
Herr Piepenbrock, Grüne und Linke sprechen sich in ihren Wahlprogrammen zur Bundestagswahl für eine gesetzliche Mindestrente aus, die Linke legt sich sogar auf eine Höhe fest (1050 Euro im Monat). Was halten Sie von diesen Vorschlägen? Wir haben heute – auch ohne eine gesetzliche Mindestrente – eine Rentenlast, die eine erhebliche Belastung für die kommenden Generationen darstellt. Der demografische Wandel wird dieses Problem noch verstärken. Schon jetzt ist es valide prognostizierbar, dass im Jahr 2030 auf einen Beitragszahler ein Rentner kommt. Die gesetzliche Mindestrente würde dieses Problem weiter verschärfen und zu einer erheblichen Ungerechtigkeit zulasten der jungen Generationen führen. Derartige Wahlversprechen dienen vielleicht zum Stimmenfang, sind jedoch überhaupt nicht darstellbar und gegenfinanzierbar. Schon heute hat die Rente den Bundeshaushalt erobert. Der Zuschuss des Bundes zur Rentenversicherung steigt kontinuierlich an und wird nach Berechnung des Bundesfinanzministeriums bis zum Jahr 2020 die Marke von 100 Milliarden Euro pro Jahr übersteigen. Vor diesem Hintergrund halte ich von dieser Idee gar nichts. Thema Hochschulpolitik: Die FDP schlägt vor, in Zukunft mehr Geld in die Hochschulen zu stecken und dafür nachgelagerte Studiengebühren, also Gebühren nach Abschluss des Studiums, zu erheben. Ist das aus Ihrer Sicht ein sinnvoller Vorschlag? Wettbewerbsfähige Hochschulen sind ein wichtiger Standortfaktor für unser Land. Um unsere Innovationsgeschwindigkeit sowie unsere Technologieführerschaft weiter aufrechtzuerhalten und um unsere Zukunft erfolgreich zu gestalten, spielt eine hochwertige Qualifikation eine herausragende Rolle. Aufgrund dessen muss die Hochschulinfrastruktur weiter gestärkt werden. Da Hochschulabsolventen von ihrem Abschluss monetär profitieren, können nachgelagerte Gebühren zur Gegenfinanzierung durchaus sinnvoll sein. Unabhängig von den Hochschulen ist unsere duale Berufsausbildung die Basis zur Sicherung des Fachkräftebedarfs. Diese dürfen wir auf gar keinen Fall vernachlässigen, sondern müssen die berufliche Bildung ähnlich wie die akademische Bildung viel stärker wert-
Olaf Piepenbrock
Foto: Siegfried Sachse
schätzen und anerkennen. Bildung muss als wertvolles Gut verstanden werden. Der SPD schwebt vor, das Gesundheitssystem umzubauen und eine Bürgerversicherung einzuführen. Auch die Grünen wollen die bisherige Einteilung in privat und gesetzlich Versicherte auflösen. Was halten Sie von diesen Ideen? Wenn wir unser Gesundheitssystem mit anderen vergleichen, haben wir heute ein leistungsfähiges System. Hier sehe ich die private Krankenversicherung als einen Innovationstreiber in der medizinischen Versorgung insbesondere im Bereich neuer Diagnose- und Therapieverfahren. Diese Innovationen kommen im Anschuss dem gesamten Gesundheitswesen in Form von innovativen Behandlungsmethoden zugute. Sollte das System abgeschafft werden, hat dieses erhebliche Folgen für Patienten und Ärzte: Die Leistungsfähigkeit und die Qualitätsansprüche würden erheblich reduziert und damit die Versorgung verschlechtert. Übrigens ist für eine Vielzahl von Ärzten die Behandlung von Privatpatienten für die Finanzierung der Praxis sehr bedeutend. Die Union, die sich früher gegen einen gesetzlichen Mindestlohn gesträubt hatte, will nun daran festhalten. Die Linke will ihn auf zwölf Euro pro Stunde anheben. Was sagen Sie dazu? Derzeit werden die Auswirkungen des Mindestlohns durch die sehr gute konjunkturelle Lage überlagert. De facto stellt der Mindestlohn aber eine erhebliche Belastung für den Arbeitsmarkt dar. Als Beispiel möchte ich hier die Praktika anführen. Diese sind die beste Gelegenheit, einen Beruf kennenzulernen. Aufgrund der strikten Vorgaben des Mindestlohngesetzes und der großen finanziellen Belastungen für die Unternehmen werden in einigen Branchen Praktikumsplätze nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr angeboten. Darüber hinaus wird durch einen gesetzlichen Mindestlohn in vielen Branchen die Tarifautonomie ausgehebelt. Auf die Dauer wird hierdurch jedwedes gewerkschaftliches Engagement für Arbeitnehmer obsolet, wenn der Staat bei der Lohnfindung das Kerngeschäft übernimmt. Aus meiner Sicht benötigen wir nicht nur hier, sondern auch in anderen Handlungsfeldern nicht mehr, sondern weniger Staat.
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DONNERSTAG, 31. AUGUST 2017
MACHER & MÄRKTE
Die süße Versuchung Zuckerquote fällt: Unternehmen und Bauern bereiten sich auf die Zeit danach vor – Drückt Überangebot die Preise? VON DIRK FISSER OSNABRÜCK. Ende September zieht die Europäische Union den letzten schützenden Schirm über den Landwirten weg. Nach fast 50 Jahren endet die sogenannte Zuckerquote. Doch was kommt danach? Zuckerindustrie und Rübenbauern stehen vor einer ungewissen Zukunft.
Die Erinnerungen an die historische Milchkrise sind noch ganz frisch. Als die Quote 2015 fiel, stürzten die Preise ins Bodenlose. Tausende Milchbauern gingen pleite, einige nahmen sich aus lauter Verzweiflung das Leben. Bis heute leiden viele Betriebe unter den finanziellen Spätfolgen der Tiefpreise vor gut zwei Jahren. Neben äußeren Umständen wie Lieferstopps nach Russland war die Krise auch Eigenverschulden der Branche. Denn bevor die Produktionsbegrenzung fiel, wurden die Kapazitäten kräftig ausgebaut, Bauern verdoppelten ihre Kuhherden in der Erwartung, dass der Markt schon so viel Milch schlucken werde. Es kam anders. Haben die Rübenbauern aus den Fehlern ihrer Kollegen gelernt? Es gibt Anzeichen, dass auf den Feldern derzeit der Rohstoff für die nächste große Preiskrise heranwächst. „Entfesselte Zuckerproduktion“, überschrieb der Agrarmarktinformationsdienst, kurz AMI, seine Meldung zur Marktlage Ende Mai. Europaweit könnte die Zuckerproduktion demnach um 18 Prozent auf über 20 Millionen Tonnen wachsen. Bislang war die Menge stets begrenzt, zuletzt auf 16,66 Millionen Tonnen von denen wiederum 1,37 Millionen Tonnen in den Export gehen durften. Diese Beschränkungen fallen zum 1. Oktober komplett weg. Der Weltmarkt steht den vier deutschen Zuckerproduzenten und den Rübenbauern offen. Mit allen Risiken und Nebenwirkungen, die die freie Marktwirtschaft mit sich bringt. „Mittel- bis langfristig rechnen wir mit zunehmenden Preis- und Mengenschwankungen“, sagt Günter Tissen, Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker. Bundesregierung und EUKommission stimmen zu. Tissen vertritt die Interessen der rund 30 000 deutschen Rübenbauern sowie der vier Erzeuger Nordzucker, Südzucker, Pfeifer und Langen sowie Suiker Unie mit der Zuckerfabrik in Anklam. Ab dem 1. Oktober müssen sie sich dem Weltmarkt stellen. Und der wird vom Rohrzucker dominiert, der 80 Prozent der Weltzuckerpro-
duktion ausmacht. Staaten aus Afrika, der Karibik und dem Pazifikraum dürfen zollfrei nach Europa exportieren – eine Art Entwicklungshilfe. Die restlichen 20 Prozent auf dem Weltmarkt stammen aus der Zuckerrübe – hier wiederum dominiert Europa. Jede zweite Rübe wird in der EU angebaut. „Die Zuckerfabrikanten in Europa versuchen derzeit ihre Marktanteile in der EU selbs, aber auch weltweit auszuweiten“, sagt Marktanalyst Christoph Hambloch. Rübenbauern seien gute Konditionen angeboten worden, damit sie langfristig auf die Rübe setzen und nicht etwa eine andere Saat anbauen. „Das Ziel: Die Fabriken auslasten.“ Im Gespräch mit der Zeitung „Die Welt“ zeigte sich Südzucker-Chef Wolfgang Heer im Mai angriffslustig: „Wir können nunmehr unbegrenzt exportieren, und wir werden unsere Märkte finden.“ Allgemein wird davon ausgegangen, dass die EU und damit auch Deutschland vom Netto-Importeur zum –Exporteur beim Zucker wird. Aber ob sich der Export lohnt, hängt vom Weltmarktpreis ab. Den wiederum bestimmen Großproduzenten wie Brasilien oder Indien. Fällt hier die Zuckerrohrernte schlecht aus, steigt der Preis weltweit an – und damit die Nachfrage nach dem europäischen Zucker. Die Entwick-
„Es werden enge Zeiten für uns kommen.“ Bernhard Conzen, Rübenbauer
lung läuft derzeit aber in die gegenteilige Richtung: Der Zuckerpreis fällt und fällt. Ein Grund sind erhöhte Zölle in China, sodass die Importnachfrage auf dem wachsenden Markt in Fernost gebremst wird. Und die Ethanol-Produktion in Brasilien, ein Großabnehmer des dortigen Zuckers, liegt am Boden. Billiger brasilianischer Zucker gelangt also verstärkt auf den Weltmarkt und damit nach Europa, wo die Anbauflächen für Zuckerrüben aus-
geweitet worden sind und die Produzenten untereinander den Wettbewerb verschärft haben. Droht da ein Überangebot? „Wenn eine Übermenge da ist, dann wird der Preis dramatisch einbrechen“, sagt der rheinische Bauernpräsident Bernhard Conzen. Und mit Blick auf den Weltmarkt fügt er hinzu: „Das kann passieren.“ Bis etwa 30 Euro pro geernteter Tonne lasse sich mit der Rübe noch Geld verdienen, sagt der Landwirt. „Darunter geht schnell die Luft aus. Das halten Sie keine zwei Jahre durch.“ Conzen weiß aber auch, dass auf Niedrigpreis-Phasen bislang immer noch ein Aufschwung gefolgt ist. Der Zuckerpreis gilt als besonders volatil. In den vergangenen sieben Jahren schwankten die Preise für Weißzucker und Rohzucker an den Börsen in London und New York zwischen 150 und 600 Euro je Tonne. Ohne die Quote werden die Niedrigpreisphasen für deutsche Rübenbauern heftiger ausfallen.
Das bundeseigene Thünen-Institut hatte 2016 die Auswirkungen des Quotenwegfalls durchgerechnet. Der deutschen Zuckerindustrie bescheinigten die Experten nur mittlere Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt. „Ursache hierfür sind sowohl Produktions- als auch Transportkostennachteile gegenüber anderen EU-Mitgliedsstaaten sowie Wettbewerbsverzerrung innerhalb der EU durch die Zahlung gekoppelter Direktzahlungen für den Anbau von Zuckerrüben in nur einigen EU-Mitgliedsstaaten“ heißt es in der Analyse. Im Klartext: Europas Zuckerproduktion kann von den neuen Möglichkeiten nur dann profitieren, wenn der Weltmarktpreis hoch ist. Ist er im Keller – wie derzeit – zählt die Zuckerindustrie in Deutschland zu den ersten, die unter Druck geraten. Und dieser Druck wird nach unten durchgereicht. Analyst Hambloch sagt: „Dramatisieren sollte man die Lage nicht. Aber fest steht auch: Am Ende der Kette stehen die Rübenbauern.“ Wenn sich mit Zucker kein Geld verdienen lasse, bekämen sie das über den Erzeugerpreis zu spüren. Landwirt Conzen fasst die Ausgangslage vor dem Wegfall der Quote so zusammen: „Es werden enge Zeiten für uns kommen.“
Die ersten Zuckerrüben entstanden Mitte des 18.Jahrhunderts als Züchtung aus der Runkelrübe. Foto: dpa
Zuckerrübenanbau in Deutschland
2017
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Bundesweit und nach Bundesländern (Angaben in 1000 Hektar)
22
403 7
105
369
384
404
398 402 364
357
52
373 335 313
57 18
16
10
19 72 20
Veränderung gegenüber dem Vorjahr − 17 bis < 0 % 0 bis 30 % über 30 % 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Stand 24. Mai 2017
Quelle: AMI/Statistisches Bundesamt · Grafik: Matthias Michel
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MACHER & MÄRKTE
„Öl ist zum Verbrennen zu schade“ In Salzbergen stellt sich die älteste produzierende Raffinerie der Welt auf die Herausforderungen der Zukunft ein VON ANDREAS KRZOK SALZBERGEN. Vom „Ölwerk“
sprechen noch immer viele der 385 Mitarbeiter, wenn sie ihren Arbeitgeber meinen: die Raffinerie Salzbergen. Unter dem Dach der börsennotierten Hansen & Rosenthal Kommanditgesellschaft auf Aktien betreibt die in Hamburg ansässige, inhabergeführte H&R-Gruppe im südlichsten Zipfel des Landkreises Emsland eine Spezialraffinerie, die ihresgleichen sucht.
Organisiert in den Gesellschaften H&R Chemisch-Pharmazeutische Spezialitäten (ChemPharm), H&R Lube Blending GmbH und H&R Refining GmbH, produziert und veredelt die älteste Raffinerie der Welt 800 Produkte für mehr als 100 verschiedene Branchen. Ausgangsstoffe sind die Rückstände der großen Raffinerien, die aus dem Erdöl die leichteren Fraktionen – Benzin, Diesel, Kerosin – für ihr Kraftstoff-Massengeschäft herausgelöst haben. Bei der Anlieferung – meist aus außereuropäischen Ländern – kommt der Verbund mit der Schwester-Raffinerie in Hamburg zum Tragen. An den Kaianlagen dieser von H&R betriebenen Raffinerie können die Öltanker ihre Fracht löschen. Was für Salzbergen bestimmt ist, rollt auf der Schiene ins Binnenland – täglich ein ganzer Zug mit Kesselwagen. In komplexen Verarbeitungsschritten wird in einer der modernsten Schmierstoffraffinerien aus der öligen Fracht alles nur irgendwie Verwertbare herausgelöst und – wie es der Name Raffinerie sagt – verfeinert. Bei Lippenstiften und Käserinden denkt wohl niemand an Erdöl als Ausgangsstoff. Doch der für Salzbergen zuständige Geschäftsführer Dieter Pohl nimmt den Mund nicht zu voll, wenn er behauptet: „Jeder Verbraucher kommt beinahe täglich auf irgendeine Weise mit Produkten aus unserer Raffinerie in Kontakt.“ Die Palette der Industrieerzeugnisse, die ohne die Öle, Paraffine und Bindemittel aus Salzbergen gar nicht oder nicht in der gewünschten Qualität auf dem Markt wären, lässt staunen: Kosmetik und Kerzen, Kunststoffe, Autoreifen und Dichtungen, pharmazeutische Produkte und Lebensmittelverpackungen, Reiniger, Polituren und Weichmacher, Öle für Motoren, Getriebe, Hydraulik und Walzanlagen, Druckfarben und Steinwolle. Ob glasklares Isoparaffin für die Kosmetik, ob pechschwarzes Bitumen für Teerpappe oder den Straßenbau – aus der „Ursuppe“
holt man im Emsland einen so hohen Anteil an Verwertbarem heraus wie sonst nirgendwo auf der Welt. Die Ausbeute beträgt bereits heute mehr als 60 Prozent und soll durch ständige Innovationen und Investitionen bis zum Jahr 2020 auf mehr als 90 Prozent gesteigert werden. „Denn“, sagt Dieter Pohl, „Öl ist zum Verbrennen zu schade.“ Die zurzeit in Salzbergen nicht weiter verwertbaren zwei Fünftel gehen per Lkw- oder Schiffstransport (ab Kanalhafen Spelle-Venhaus) als Schwerölbrennstoff an die internationale Schifffahrt. Die Umrüstung von immer mehr Schiffen auf umweltfreundlichere Treibstoffe bestärkt die H&RGruppe in ihrem Bemühen, den Schwerölrest radikal zu minimieren. Diese Bemühungen würdigte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil bei einem Besuch der Raffinerie vor einigen Monaten. „Hier in Salzbergen wird Recycling auf hohem Niveau betrieben“, stellte er fest und nahm damit die Aussage des Vorsitzenden der Geschäftsführung auf. Niels H. Hansen versprach, dass H&R „mit der hiesigen Raffinerie Vorreiter in der nachhaltigen Entwicklung und Produktion von Spezialölen, Schmierstoffen und Paraffinen“ bleiben wolle – „zum Wohle des Industriestandorts Niedersachsen“. Ein langer und wechselhafter Weg liegt hinter der H&R-Raffinerie Salzbergen. Schon der Anfang 1860 war schwierig. Wegen der Nähe zu Ibbenbüren erhoffte man sich hier Steinkohle im Untergrund, stieß aber lediglich auf bituminösen Schiefer. Die am 3. Juni 1860 konzessionierte „Paraf-
Fast jeder hat täglich Kontakt mit Produkten aus Salzbergen.
In den Laboren der H&R-Gruppe forschen Mitarbeiter an Recycling-Innovationen.
Raffinierter Prozess: Sind Bestandteile wie Diesel und Benzin aus dem Öl herausgelöst,verarbeitet die Raffinerie Salzbergen die Reste.Am Ende des komplizierten Prozesses stehen Alltagsprodukte wie Käserinde oder Kosmetik,
fin- und Photogenfabrik“ erzeugte mit ihren primitiven Methoden anfangs nur zwei Fässer „Steinöl“ pro Tag. Die erste erfolgreiche Phase des „Ölwerks“ begann mit der Verarbeitung von amerikanischem und russischem Erdöl ab 1862 und später von Öl aus deutschen Quellen. Die Eisenbahn bewältigte den Landtransport nach Salzbergen und machte so erst die ungewöhnliche Existenz einer Raffinerie im Binnenland möglich. In der Folgezeit wechselten Aufschwungphasen, Krisen und Eigentümer einander ab. 1933 fiel die Raffinerie durch Zwangsversteigerung an die Wintershall AG. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand aus einer Trümmerwüste eine der modernsten Raffinerien Europas. Bis zur ersten Ölkrise ging es ständig bergauf. Der Absturz folgte prompt. Rettung kam 1994 mit der Hansen & Rosenthal Gruppe und der Wilhelm Scholten GmbH (Münster). Sie wurden die neuen Eigentümer der „Schmierölraffinerie Salzbergen GmbH“ (SRS). Unter dem aktuellen Namen und in der jetzigen Firmenstruktur liegt ein Zukunftsversprechen. Christof Rautenberg, Geschäftsführer der H&R-Gruppe: „Wir bleiben Innovationstreiber und werden von Salzbergen aus verstärkt den Weltmarkt bedienen. Zugleich wollen wir aber auch in der Region präsent sein und bekannter werden. Wir haben eine hervorragende Belegschaft, aber wir brauchen ständig neue Mitarbeiter. Vor allem junge Menschen sollten sich für unsere attraktiven Ausbildungsmöglichkeiten interessieren.“ Die Zukunftschancen in der auch im Ausland vertretenen H&R-Gruppe erscheinen gut: 2016 erarbeiteten mehr als 1600 Mitarbeiter in 34 Gesellschaften in zehn Ländern bei rund einer Milliarde Euro Umsatz ein Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) in Höhe von knapp 101 Millionen Euro. Allein in den vergangenen zehn Jahren wurden in Salzbergen mehr als 100 Millionen Euro investiert.
Fotos: Stephan Konjer
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MACHER & MÄRKTE
So geht Energiewende: Tokio will von Osnabrück lernen Reger Experten-Austausch zwischen Deutschland und Japan
VON MARIE-LUISE BRAUN OSNABRÜCK. Zum zweiten Mal war eine Delegation aus Osnabrück und anderen deutschen Städten in Japan, um sich über die Energiewende auszutauschen. Dabei profitierten die Gastgeber von Erkenntnissen in Deutschland. Die Gäste gewannen Einblicke in den technischen Fortschritt der Japaner.
Der Zeitplan war von den Japanern eng gesteckt: „Von Sonntagfrüh um 8 Uhr bis Freitagabend vor der Abreise gab es volles Programm“, erzählt Detlef Gerdts nach seiner Rückkehr. Mit „Programm“ meint der Leiter des Fachbereichs Klima und Umweltschutz bei der Stadt Osnabrück fachlichen Austausch: Bei Besichtigungen, Workshops, Vorträgen und Diskussionen standen die Gewinnung und Nutzung erneuerbarer Energien sowie ihre Speicherung im Fokus. Gesprochen wurde auch über Möglichkeiten der Umsetzung durch die Verwaltung und die Bürgerbeteiligung – immerhin sollen die Bürger Solaranlagen auf ihren Dächern installieren und so zur dezentralen Energieversorgung beitragen. Die Gruppe machte nicht nur Station in Tokio, sondern auch in kleineren Städten wie Miyama und Odawara. „Das Interesse daran, wie Stadtwerke aufgebaut sind und wie sie funktionieren, ist groß in Japan“, ergänzt Ingo Hannemann. Der Geschäftsbereichsleiter Technik war als Vertreter der Osnabrücker Stadtwerke bei der Reise dabei, um die Struktur und die Arbeitsweise seines Arbeitgebers zu erläutern. In Japan sind vergleichbare Einrichtungen noch selten. Dorothea Ludwig war als Leiterin der Osnabrücker Niederlassung von IP Syscon dabei. Ludwig hat das Solardachkataster mit entwickelt, das mittlerweile nicht nur in Deutschland, sondern auch international an immer mehr Orten eingesetzt wird. Sehenswürdigkeiten besuchten die Teilnehmer der Reise allenfalls, wenn diese zu Fachfragen passten, wie das Rathaus von Tokio – einer Stadt mit fast zehn
Unter Strom: Deutsche Experten liefern ihren japanischen Kollegen Informationen, wie die Energiewende gelingen kann. Foto: Colourbox.de,Montage: Matthias Michel
Millionen Einwohnern im engeren Bereich und 38 Millionen in der Metropolregion. 14 000 Mitarbeiter würden im Rathaus sitzen, so Gerdts. Im japanischen Fachbereich Umwelt seien es 650 Kollegen, darunter 100, die sich mit Fragen des Klimaschutzes befassten, erzählt er und zeigt das Foto eines Wolkenkratzers, der über eine eigene U-Bahn-Station verfügt. Die Japaner wollen durch ihre Energiewende nicht nur das Klima schützen, sondern vor allem
„In der WasserstoffTechnologie sind die Japaner uns weit voraus.“ Detlef Gerdts, Fachbereich Klima und Umweltschutz, Stadt Osnabrück
unabhängiger von einer zentralen Energieversorgung werden. Durch die Abschaltung der Atomkraftwerke nach dem Unglück von Fukushima reicht die Stromproduktion zeitweise nicht aus. Dann wird die Versorgung vor allem in den Provinzen zeitweise abgeschaltet. Die Reise war der zweite Besuch von Vertretern deutscher Kommunen, Verbände und Firmen, von denen sich die Japaner Informationen zur Energiewende in Deutschland versprechen. Neben der Arbeit und der Struktur der Stadtwerke interessierten sie sich für die Erstellung eines Solardachkatasters nach dem Vorbild Osnabrücks, die Arbeit kommunaler Energie-Gesellschaften und die Kopplung erneuerbarer Energie mit der Mobilität. Für die deutschen Besucher war vor allem die Nutzung von Wasserstoff- und Speichertechno-
logien interessant sowie die politische und administrative Herangehensweise an die Energiewende in Japan – etwa durch die Liberalisierung des Strommarktes. Gerdts erläutert das so: „In der Brennstoffzellen- oder Wasserstofftechnologie sind die Japaner uns weit voraus, Experten sprechen von acht Jahren.“ Zum Vergleich: Derzeit seien dort 170 000 Mikro-Blockheizkraftwerke (Mikro-BHKW) in Betrieb. Bis 2020 sind japanweit 1,4 Millionen solcher Mikro-BHKW geplant, bis 2030 5,3 Millionen. „Bei uns existieren erst wenige Hundert dieser Blockheizkraftwerke“, ergänzt Detlef Gerdts. Bis zum Jahr 2020 sollen in Japan 40 000 brennstoffzellenbetriebene Pkw fahren. Hierzulande seien es derzeit weniger als 100. Insbesondere die Stadt Tokio engagiere sich sehr für Wasserstofftechnologie und habe 2016 einen Masterplan zur großflächigen Einführung der Technik aufgesetzt. Bei sinkenden Preisen sei das auch für Osnabrück interessant, um den Eigenverbrauch alternativer Energien zu fördern – weil Überschüsse auf diese Weise
gut gespeichert werden können. Derzeit werde überlegt, ein Pilotprojekt mit dieser Technik im Zuge des deutsch-japanischen Austausches zu initiieren. Die wechselseitigen Treffen in Deutschland und Japan werden organisiert, seit Bundesumweltministerin Barbara Hendricks und ihre japanische Amtskollegin Tamayo Marukawa im Mai 2016 Pläne für eine bilaterale Kooperation in die Wege geleitet hatten. Hierfür gibt es einen Vertrag über fünf Jahre. Finanziert wird der Austausch über die Ministerien. So wurde der jüngste Aufenthalt vom japanischen Umweltministerium getragen.
Fachlich begleitet werden die Treffen vom Institut für dezentrale Energien der Universität Kassel. Auch das Umweltbundesamt und das Bundesumweltministerium sind beteiligt – so war dieses Mal zeitweise Rita Schwarzelühr-Sutter dabei, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium. An der Reise haben neben Vertretern aus Osnabrück Klimaschutzexperten aus der Region Hannover, von den Stadtwerken Leipzig, von den Klimaschutzagenturen aus Göttingen und Freiburg, vom Verband Kommunaler Unternehmen und vom Fraunhofer-Institut teilgenommen. Klingt aufwendig. Das sei es auch, aber es lohne sich, sagt Gerdts. Denn die Energiewende und damit der Schutz des Klimas seien nur durch internationale Zusammenarbeit möglich.
Die Havarie im Atomkraftwerk Fukushima im Jahr 2011 hat auch in Japan eine Energiewende eingeleitet.Inspirationen zur Umsetzung kommen auch aus Deutschland. Foto: dpa
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SPEZIAL
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GRENZE & GEWINNER
Endstation Airport Twente Das Unternehmen AELS wrackt nahe der Grenze alte Passagiermaschinen ab
Nase und Triebwerke sind bereits abgebaut: Der Airbus A340-313X,den die schweizerische Fluggesellschaft Swiss unter dem Namen der Stadt Aarau betrieb,wurde im Alter von 20 Jahren stillgelegt.
AELS zerlegt alte Flieger in aller Welt – und nun auch in Twente. Landung des A340 lockte Schaulustige nach Twente. Ob Apparate oder Sitze der First Class: Alles wird verwertet. VON ANDRE BERENDS ENSCHEDE. Ursprünglich sollte
der grenznahe Airport Twente zu einem regionalen Verkehrsflughafen ausgebaut werden. Doch daraus wurde nichts. Dennoch herrscht heute auf dem ExMilitärflughafen reger Betrieb, etwa bei der Firma AELS, die alte Flugzeuge abwrackt.
Aus den ehrgeizigen Plänen, den Airport Twente an der deutschniederländischen Grenze bei Bad Bentheim zu einem regionalen Verkehrsflughafen auszubauen, ist nichts geworden. Zwischen 2009 und 2013 hatte es von niederländischer Seite immer wieder Vorstöße gegeben, das zwischen Enschede und Oldenzaal gelegene Gelände mit seinen zwei Start- und Landebahnen für den zivilen Luftverkehr zu reaktivieren. Letztlich waren die Aussichten aber nicht vielversprechend genug – was auch daran lag, dass mit dem Flughafen Münster/Osnabrück (FMO) der nächste internationale Flughafen nur 60 Kilometer entfernt ist. Was also tun mit dem Airport Twente, der bis 2007 militärisch genutzt wurde und den bis 2008 auch Chartermaschinen aus Urlaubsregionen anflogen? Es gibt inzwischen eine vielfältige Nutzung: Geschäfts- und Freizeitflieger dürfen starten und landen. Außerdem hat sich auf dem Areal eine „Technology Base“ angesiedelt. Mehrere Unternehmen haben sich niedergelassen, einige von ihnen sind auch in der Luftfahrtbranche tätig – so zum Beispiel die Firma AELS. Die Abkürzung steht für Aircraft End-of-Life-Solutions. Das Unternehmen wrackt Flugzeuge ab und verkauft die Einzel-
teile. Das hat AELS seit 2006 weltweit bereits mit 50 Flugzeugen gemacht. In Enschede hat die Firma einen großen Hangar angemietet und nutzt ihn als Lager für die ausgebauten Teile. Im Frühjahr 2017 war das Team erstmals auf dem Airport Twente im Einsatz und zerlegte dort seinen ersten Großraumflieger, einen Airbus A340. Dabei war die Maschine, zuletzt für die Airline Swiss im Einsatz, gar nicht besonders alt: Gerade einmal 20 Jahre hatte das vierstrahlige Großraumflugzeug mit einer Spannweite von 60 Metern auf dem Buckel. „Das Alter war mit Sicherheit nicht ausschlaggebend dafür, dass Swiss die Maschine außer Dienst gestellt hat. Andere Flugzeuge werden durchschnittlich 25 Jahre genutzt. Aber dieses ist vergleichsweise teuer im Betrieb, weil es vier Turbinen hat“, erklärt AELS-Chef Derk-Jan van Heerden. Bis auf die Boeing 747 („Jumbo“) und den A380 hat heute kein anderer Langstreckenflieger noch vier Triebwerke. Moderne Großraumjets wie die Boeing 777 oder der A350 kommen mit zwei leistungsstarken Turbinen aus, die deutlich weniger Kerosin schlucken. Das weiß auch Airbus und hat die Produktion des A340 schon vor sechs Jahren eingestellt. Als die „Aarau“ am niederländischen Koningsdag in Twente einflog, waren Hunderte Schaulustige dabei und beobachteten, wie die größte Maschine, die diesen Flughafen je ansteuerte, sanft landete.
Ein Schlepper zog sie vor den Hangar 8. Und dort begann kurz darauf auch schon die Arbeit von Derk-Jan van Heerdens Team, zu dem auch mehrere Studenten der Luft- und Raumfahrttechnik gehören. Zuerst wurden die vier Triebwerke des Typs CFM 56-5 abmontiert. Sie waren nicht Teil des Geschäfts, sondern gehörten der Fluggesellschaft Austrian. Die Österreicher waren 1997 erster Betreiber der Maschine, nannten sie „Africa“ und überließen sie 2007 im Leasingverfahren der Swiss. Ei-
„Flugzeugsitze werden auch gerne als Sessel für Heimkinos genutzt.“ Derk-Jan van Heerden, AELS-Chef
Derk-Jan van Heerden leitet der Firma AELS.Der 37-Jährige stammt aus Den Haag.
nes der vier Triebwerke wurde kurz nach dem Ausbau bereits in eine andere Maschine eingebaut und fliegt schon wieder. Die Chance ist groß, dass viele andere Teile des A340 ebenfalls wieder in die Luft gehen. AELS schlachtete die Maschine nach allen Regeln der Kunst aus. Sämtliche Apparate, aber auch die Sitzreihen der First Class, der Business-Class und der Economy-Class werden nun entweder nach neuer Zertifizierung als Ersatzteile weltweit angeboten oder finden eine völlig neue Verwendung. „Flugzeugsitze werden auch gerne als Sessel für Heimkinos genutzt“, erzählt Derk-Jan van Heerden. Und es gibt hier eine Menge Sitze: Insgesamt fanden in dem A340, der als Typ übrigens auch der Bundeskanzlerin als Regierungsmaschine dient, bis zu 389 Passagiere Platz. Der AELS-Chef ist mit seinem neuen Stützpunkt in Enschede sehr zufrieden. „Wir sind sonst in der ganzen Welt auf jenen Flughäfen im Einsatz, wo die Flugzeuge zum letzten Mal gelandet sind“, erzählt Derk-Jan van Heerden, der an der Technischen Universität in Delft Luft- und Raumfahrttechnik studiert hat. Der 37-Jährige kann sich vorstellen, weitere Flugzeuge nach Twente zu holen. Die Arbeitsbedingungen für das zwölfköpfige Team sind ideal, und auf dem knapp drei Kilometer langen und 45 Meter breiten Runway könnte sogar ein A380 landen. Der dicke Doppeldecker ist das derzeit größte Passagierflugzeug der Welt.
Fotos: Werner Westdörp
Die Aufhängungen der Triebwerke sind noch da,die Triebwerke selbst wurden schon abgebaut.
Die Sitzreihen der Business-Class werden per Hubwagen aus dem Innenraum befördert.
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SPEZIAL GRENZE & GEWINNER
Wachsen in einem stagnierenden Markt Fertighaushersteller Gussek aus Nordhorn erschließt sich neue Kundenschichten VON IRENE SCHMIDT NORDHORN. Gussek-Haus Nord-
horn zählt zu den Pionieren des Fertigbaus hierzulande. In Nordhorn geht jeden Tag ein Haus aus den Werkstätten auf die Tieflader und wird von dort aus in ganz Deutschland, aber auch in die Niederlande ausgeliefert. Neben Familien zählen auch mehr und mehrÄltere, die sogenannten Silver Ager, zu den Bauherren.
„Standard ist nicht definierbar – dafür gibt es zu viele Themen im Hausbau“, sagt Günter Gitzen, Prokurist und Vertriebsleiter bei Gussek-Haus im Nordhorner Gewerbegebiet an der Euregio-Straße. Dort, zwischen Eisenbahnlinie und holländischer Grenze, auf der Lichtung eines Waldstücks, werden auf 5,4 Hektar firmeneigener Fläche seit Jahrzehnten Häuser konzipiert, geplant, verkauft und Elemente vorkonstruiert. GussekHaus ist einer der ältesten Fertighaushersteller Deutschlands und seit 1961 in der Branche fest etabliert. Täglich verlässt im GussekWerk ein Haus das Band. Doch von Fließbandhäusern kann man nicht sprechen. Jedes Haus ist anders. Ob klassisches Einfamilienhaus, Stadtvilla im Bauhausstil, ob Doppelhaushälfte, Zweifamilienhaus oder Bungalow. Alle Häuser werden individuell ausgeführt nach den Wünschen ihrer Eigentümer – und nach ihrem Geldbeutel natürlich auch. Zum Schluss schmiegt sich das Haus in mineralwollgedämmter Holzkernbauweise in eine Hülle aus Klinkern in Rot, Anthrazit, Weiß oder Außenputz. Das Dach, das komplett in Nordhorn vorgebaut worden ist, bekommt wahlweise gewellte Tonziegel in friesischem Look, glatte Dachplatten im Bauhausstil oder auch Ziegel, glasiert und bunt. In ihrer Vielfalt sind Fertighäuser von der konventionellen Bauweise nicht zu unterscheiden. So groß wie die Bandbreite der Gestaltungsmöglichkeiten ist auch die Vielfalt von Gusseks Kunden. Hauptsächlich sind es noch immer junge Familien, die sich den Traum vom eigenen Heim erfüllen, doch der Anteil der Generation 55 plus nimmt zu. Das sind zum Beispiel Paare, deren Kinder das Nest verlassen haben, bei denen Haus und Garten zu groß geworden oder aber die eigenen Ansprüche gewachsen sind. Mehr
Stabil wie früher: Wie das gute alte Fachwerkhaus besitzen auch moderne Gussek-Häuser eine Fachkonstruktion aus Holz.Verarbeitet werden dafür von der Nordhorner Firma einwandfreie einheimische Hölzer.
Komfort, stufenlose Übergänge, barrierefreie Bäder, breitere Türen, kurze Wege und eine smarte Haustechnik sind nur einige der Stichworte, die den älteren Hauskäufern wichtig sind. Ein nicht unwesentlicher Faktor ist die Energieersparnis. Ein geringer Energieverbrauch hält die Nebenkosten niedrig, und viele Bauherren denken an sinkende Einnahmen im Ruhestand und beugen vor. „Erstaunlich, wie viele auch unter den jüngeren Hauskäufern die kommenden Jahrzehnte bereits fest im Blick haben“, beobachtet Günter Gitzen. Er ist überzeugt: Beim Thema Energiesparen sind die Fertighäuser klar im Vorteil: „Unter KfW-50 geht gar nichts mehr. Da wird nach gefragt.“ KfW-50 bedeutet, dass für das Haus nicht mehr als 50 Kilowattstunden (kWh) pro Quadratmeter Wohnfläche im Jahr
Auch Ältere interessieren sich zunehmend für Fertighäuser.
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verbraucht werden. Zum Vergleich: Ein nicht saniertes Wohnhaus von 1960/70 verbraucht etwa 300 kWh/m². Der Durchschnitt in Deutschland liegt bei 160. Zehn kWh sind umgerechnet ein Liter Heizölverbrauch. Gussek-Häuser sind aus Energiespargründen mit einer 42 Zentimeter dicken Außenwand versehen, dreifachverglasten Fenstern und einer Vollsparrendämmung. Die Außenwände bestehen außen aus Strukturputz auf Porenbeton oder Klinkern, es folgt eine Luftschicht, eine Schicht aus speziellem Polystrol und die mit Mineralwolle gedämmte Holzfachwerkkonstruktion aus heimischen Hölzern. Alle Baustoffe werden regelmäßig vom Unabhängigen Fraunhofer Institut für Holzforschung (WKI) überprüft. Dazu komme, so Gitzen, die „trockene“ Herstellung im Werk Nordhorn, denn von dort verlassen komplett montierte Wände mit bereits verlegter Elektro- oder Sanitärinstallation, mit eingebauten Fenstern samt Rollläden, innen tapezierfähig verputzt, die Werkhallen. Auf der vorgefertigten Fundamentplatte oder dem Kellergeschoss steht die geschlossene Hülle des Hauses innerhalb von drei Tagen. „Innerhalb von drei Monaten“ ist das Haus in der Regel bezugsfertig“, so Gitzen. Gussek bietet übrigens die kompletten Häuser an. Die Fenster werden im eigenen Werk in Elsnigk bei Dessau gefertigt, Treppen mit einer speziellen CNC-Anlage in Nordhorn. Dort sind auch seit 1990 das eigene Kellerbauunternehmen angesiedelt und das eigene Maurerteam. Auf dem deutschen Markt ist inzwischen jedes 17. Haus ein Fertighaus. Im Süden liegt der Anteil sogar bei 30 Prozent. Raues Wetter kann den „getarnten Fachwerkhäusern“ eben sowenig anhaben, wie leichtere Erdbeben, versichert Gitzen und vergleicht: „Die ältesten erhaltenen Häuser sind oft-
mals die Fachwerkhäuser. Ein Fertighaus basiert auf der gleichen Bauweise.“ Trotzdem müssen sich auch Fertighaushersteller wie Gussek stetig neu auf dem Markt beweisen. „Wir wachsen in einem stagnierenden Markt“, erklärt Prokurist Gitzen. Der Bauboom betreffe nicht den Familienhausbereich, sondern manifestiere sich eher im Straßenbau. Den historisch niedrigen Zinsen stehe eine Baukostensteigerung um rund 40 Prozent in 15 Jahren, auch durch die zunehmend scharfen Energiesparverordnungen, sowie steigende Grundstückspreise gegenüber. Aachen, die Heimatstadt Gitzens liegt jetzt bei 400 Euro pro Quadratmeter. In Osnabrück zahlt man zwischen 1496 und 98 Euro je nach Lage (in Schinkel durchschnittlich 180 Euro), in Meppen 158 oder in Nordhorn 144 Euro – jeweils pro Quadratmeter. Grundstückspreis und Grundstücksgröße gehören damit zu den Größen, die mit Ausschlag geben für die Entscheidung für ein Haus. Das ist in den Niederlanden nicht anders. Der holländische
Fotos: Iris Kersten
Markt ist auch für einen Fertighausbauer, der direkt an der Grenze arbeitet, nicht leicht zu erobern. Andere Normen in bautechnischer Hinsicht erschweren den Export, „und unsere deutsche Qualität ist dort für viele Interessenten einfach zu teuer“, räumt Günter Gitzen ein. Häuser, die aus Nordhorn in den Küstenstaat geliefert werden, sind meist repräsentativ und werden von Deutschen, die in Holland leben, geordert. Die Zukunft des Unternehmens, das 1951 von Franz Gussek als konventioneller Putz- und Maurerbetrieb ins Leben gerufen wurde und heute von seinem Enkel Frank Gussek geführt wird, hängt weiterhin von den Innovationen ab, die vom eigenen Planungsteam entwickelt werden. „Wir haben schon so manche Antwort auf die Fragen von morgen“, gibt sich Vertriebsleiter Gitzen selbstbewusst. Das Unternehmen hat rund 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon 300 im Hauptbetrieb in Nordhorn. Fachkräfte wie beispielsweise Elektriker und Tischler werden ständig gesucht.
Große Auswahl: Vertriebsleiter Günter Gitzen hat viele Muster für Bauherren in spe parat.
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SPEZIAL GRENZE & GEWINNER
„Hollandgang“ kann sich für Pflegekräfte lohnen Bessere Bezahlung lockt – aber es gibt Barrieren und sogar eine Gegenbewegung VON NORBERT MEYER OSNABRÜCK. Der Job als Kran-
ken- oder Altenpfleger ist oft hart und mäßig bis schlecht bezahlt. In der Branche herrscht Personalnot. Daher ist es vielleicht lukrativ, als Pfleger im Ausland zu arbeiten, etwa in den nahen Niederlanden. Lohnt es sich wirklich? Ein Versuch der Wahrheitsfindung.
„Wenn ich Pflegekraft wäre, würde ich nach Holland gehen“, sagt Harald Meyer. Er ist Sekretär bei der Gewerkschaft Verdi im grenznahen Bezirk Aachen/Düren/Erft und argumentiert mit der Arbeitsbelastung in Krankenhäusern. „In Holland kommen sieben Patienten auf einen Pfleger, in Deutschland 13“, sagt er. Der Kampf um Pflegekräfte ist nach Darstellung des Gewerkschafters voll entbrannt. Manche Arbeitgeber lockten neue Mitarbeiter mit Handgeldern zwischen 5000 und 7000 Euro an. Und die Uniklinik Aachen habe Personal für die Pflege schon in Rumänien rekrutiert, berichtet Meyer. Warum sollten sich also Arbeitgeber aus den Niederlanden nicht auch in Deutschland um Mitarbeiter bemühen? Das ist eigentlich nicht neu. Schon Ende 2010 berichtete der Evangelische Presse-
dienst (epd), dass in Dinxperlo direkt an der Grenze zum münsterländischen Bocholt täglich rund 100 deutsche Altenpfleger, Krankenschwestern und Pflegehelfer die Grenze überqueren. In den Niederlanden seien die Löhne höher als in Deutschland, es werde mehr Personal eingestellt und mehr Wert auf Weiterbildung gelegt. Der Grund seien niedrigere Kosten für die Versorgung der Pflegebedürftigen, so epd. Alte und Kranke würden so lange wie möglich in ihren eigenen Wohnungen betreut. Das eingesparte Geld fließe ins Pflegepersonal. In dieses Bild passt das System von Buurtzorg, was auf Deutsch „Betreuung in der Nachbarschaft“ bedeutet. Buurtzorg ist ein niederländisches Non-Profit-Unternehmen im Bereich mobile Pflege, das vor zehn Jahren als Pilotprojekt startete und heute landesweit der größte Anbieter seiner Branche mit 10 000 Beschäftigten ist. Diese arbeiten in 850 weitgehend autonomen Teams von bis zu zwölf Pflegekräften. Die Teams planen und gestalten den Pflegeprozess eigenständig. Sie verwalten ihre Finanzen selbst, organisieren ihre Weiterbildung und suchen sich neue Aufgaben. Anstelle von einzelnen Pflegeleistungen stellt Buurtzorg den Krankenversicherern den Zeitaufwand in Rechnung. Der Anteil
Zuwendung unter Zeitdruck: In den Niederlanden versorgt laut Statistik eine Pflegekraft sieben Patienten,in Deutschland sind es 13 Patienten. Foto: dpa
diplomierter Pflegefachkräfte liegt bei 70 Prozent, deutlich höher als bei anderen Anbietern ambulanter Pflege in den Niederlanden. Da Buurtzorg Tariflöhne und Boni je nach Beschäftigungsdauer zahlt, liegen die Gehälter über dem Branchendurchschnitt. Vincent ten Voorde von der Arbeitsagentur in Nordhorn kennt sich aus auf dem regionalen Arbeitsmarkt für Pflegekräfte diesund jenseits der Grenze. In den benachbarten niederländischen Provinzen Overijssel und Drente
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ist Buurtzorg nach seinem Wissen nicht sehr stark vertreten. Allerdings gibt es insgesamt einen großen Bedarf an qualifiziertem Pflegepersonal. „Die Bezahlung in Holland ist etwas besser, weil sich dort viele Arbeitgeber an Tarifverträge halten“, weiß der Niederländer. Indes sei es „schwierig, Personal aus Holland für Deutschland zu akquirieren“. Laut dem Arbeitsmarktexperten ist es letztlich „eine Sache der Mobilität und der Sprache“, als Pflegekraft einen lukrativen Job in
den Niederlanden zu bekommen. Die Situation am Arbeitsmarkt jenseits der Grenze hat sich nach Angaben ten Voordes in letzter Zeit deutlich verbessert. Die Arbeitslosenquote in den Niederlanden, die noch bis vor wenigen Jahren bei zehn bis elf Prozent gelegen habe, sei durch einen Wirtschaftsaufschwung halbiert worden – auch in den östlichen Provinzen. Ein Problem beim Jobwechsel für Pflegekräfte über die Staatsgrenze hinweg ist aber die wechselseitige Anerkennung der Berufsabschlüsse. Das gestalte sich sehr bürokratisch, beklagt Linda Blom vom deutsch-niederländischen Zweckverband Euregio in Gronau. Der ein- und dreijährigen deutschen Ausbildung zum Pflegehelfer beziehungsweise Pfleger steht in den Niederlanden ein fünfstufiges System gegenüber, das von einfachen Helfertätigkeiten bis zu Leitungsfunktionen mit großer Verantwortung reicht. Viele niederländische Pflegekräfte haben zudem studiert und verfügen über einen Bachelor-Abschluss. Die Euregio bemüht sich laut Blom derzeit sehr darum, die grenzübergreifende Anerkennung der Berufsabschlüsse zu beschleunigen. In der Frage der Bezahlung äußert sich die Euregio-Expertin zurückhaltend. Nach ihren Re-
cherchen bei der niederländischen Arbeitsverwaltung scheine es hier „keine signifikanten Unterschiede“ zu den deutschen Nachbarn zu geben. Lukrativ könne für deutsche Pflegekräfte eine Arbeit in den Niederlanden dennoch sein, betonte Blom: „Zum Beispiel, um Erfahrung zu sammeln und eine andere Arbeitskultur kennenzulernen.“ Auch wenn die durchschnittliche Bezahlung beispielsweise niedersächsischer Altenpfleger mit 2200 Euro brutto monatlich alles andere als üppig ist, gab es bislang keinen Exodus über die Grenze hinweg. Weder Diakonie noch Caritas, die in der deutschen Nachbarregion zu den Niederlanden große Anbieter von Pflegedienstleistungen sind, klagen über die Abwanderung von Mitarbeitern. Bewegung gibt es nach Angaben von Franziska Kückmann vom Caritasverband Osnabrück sogar eher in die andere Richtung. Zu dieser Aussage passt ein grenzüberschreitendes Projekt, das im vorigen Jahr niederländischen Pflegeassistentinnen die Arbeitsaufnahme im DRK-Wohnpark Esterfeld in Meppen ermöglicht hat. Denn in den Niederlanden sind zwar hoch qualifizierte Pflegekräfte gefragt wie in Deutschland. Hilfskräfte gibt es bei unseren Nachbarn aber bisweilen zu viele.
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SPEZIAL GRENZE & GEWINNER
SPEZIAL GRENZE & GEWINNER
„Sch... Bürokratie! Sie sind ein Grenzfall.“ Alltägliches vom früheren Leben an der deutsch-niederländischen Grenze
Kaffee, Käse und Kommerz
Redakteur Freimuth Schulze wohnt seit Jahrzehnten in der niederländischen Stadt Denekamp. In dieser Zeit hat er als Grenzgänger viel durchgemacht. Es ging damals schon los bei der Mitnahme seines Opel Manta ins Nachbarland – ein Erlebnisbericht:
Wirtschaften direkt auf der Grenze: Zu Besuch am lebhaften Übergang zwischen Nordhorn und Dinkelland
VON FREIMUTH SCHULZE
Zufrieden mit sich und seiner Kundschaft: Niels Hobbelink, der direkt an der Grenze in einer ehemaligen Wechselstube seinen Käsehandel betreibt – und vor allem an den Wochenenden gut zu tun hat, genau wie die Angestellten des Supermarktes (Bild unten), der ein großes Warenangebot feilhält,auch am Sonntag. Fotos: Sebastian Hamel/Iris Kersten
Hingucker mit Symbolwert: Seit 1993 markiert „Der Bogen“ des Grafschafter Künstlers Johann Vrielmann, der sich über das Flüsschen Rammelbecke spannt,den Grenzverlauf zwischen den Niederlanden und Deutschland und verbindet die Länder miteinander. Foto: Werner Westdörp
Das Geschäft boomt am Grenzübergang Frensdorfer Haar. Alle Fans von Bratfisch und Käse finden Leckereien. Deutsche profitieren von der Sonntagsöffnung. VON SEBASTIAN HAMEL NORDHORN. Wer etwas erleben
möchte, fährt am Wochenende an die Grenze: Beim Übergang Frensdorfer Haar genießt man den geselligen Trubel zwischen Schnäppchenjägern und Bratfischfans und spürt den Charme euregionaler Verbundenheit. Verschiedene Ladenbesitzer und Gastronomen machen hier gute Geschäfte.
Die Zeiten von Schranken und Kontrollposten sind lange vorbei. Entlang der deutschniederländischen Grenze ist der Übergang vom einen ins andere Staatsgebiet mitunter kaum mehr wahrnehmbar. Von dieser Freizügigkeit profitieren die Bürger ebenso wie die Wirtschaft in der Region, insbesondere der Handel. Doch nicht nur hüben und drüben, auch direkt auf der Grenze boomt das Geschäft. Ein schillerndes Beispiel dafür ist der Übergang Frensdorfer Haar
zwischen Nordhorn und der niederländischen Gemeinde Dinkelland, gelegen am westlichen Ende der Bundesstraße 213. Dort, wo sich seit vielen Jahren die unterschiedlichsten Läden angesiedelt haben, herrscht insbesondere am Wochenende ein überaus reges Treiben. Fahrrad-Ausflügler prägen das Bild ebenso wie pausierende Lastwagenfahrer mit ihren Vehikeln – und natürlich reihenweise Autos mit weißen und gelben Kennzeichen, deren Insassen an besonders verkehrsreichen Tagen auch schon mal etwas Geduld mitbringen müssen. Da trifft am Sonntagnachmittag der Nordhorner, der seinen Lebensmitteleinkauf im geöffneten Supermarkt „Tensundern“ erledigt, auf den Steinfurter, der sich selbst und seine Freunde mit Kaffee eindeckt. Der Charme der Grenze rührt aber nicht allein von den preisgünstigen Produkten her. Es ist auch der
Foto: Iris Kersten
Geist der Vergangenheit, der diesen Ort umweht und in Form alter Zollhäuser und verwaister Geldwechselstuben plastisch wird. Dem Begriff „Change“ kommt durch den augenfälligen Wandel eine neue Bedeutung zu. Doch schon lange bevor die Währungsunion den ständigen Tausch von D-Mark und Gulden hinfällig machte, entstand an dieser Stelle ein besonderes Symbol der deutsch-niederländischen Verbundenheit: Hier, wo das kleine Flüsschen Rammelbecke den genauen Grenzverlauf markiert, überspannt seit 1993 „Der Bogen“ das trennende Gewässer; eine halbrunde Stahlskulptur des Grafschafter Künstlers Johann Vrielmann, die auf beiden Uferseiten fußt und damit eine symbolische Brücke zwischen den zwei Hoheitsgebieten schlägt. Bis heute unterliegt das Gesicht des Grenzübergangs einer fortwährenden Weiterentwicklung. Erst seit Juni dieses Jahres ist der Käsehändler Boomkamp dort angesiedelt. Bisher nur auf niederländischen Wochenmärkten unterwegs, hat der Betrieb nun seine erste feste Filiale eröffnet – in einer der früheren Wechselstuben. Schon vor zwei Jahren war das kleine Häuschen in den Blick geraten. Bislang hatte sich jedoch eine Eisdiele darin einquartiert. Nun ergab sich die Gelegenheit, die außergewöhnliche Immobilie zu beziehen. An fünf Tagen hat der Käsehandel geöffnet, stets
Foto: Colourbox.de
von Mittwoch bis Sonntag. Das Sagen hat hier Betriebsleiter Niels Hobbelink aus Hengelo. Der sympathische Verkäufer bietet seinen Kunden bis zu 80 verschiedene Sorten Schnitt- und Frischkäse an. Hobbelink kommt aus der Gastronomie und freut sich nun über die geregelten Arbeitszeiten – auch zu-
„90 Prozent der Kunden kommen wieder.“ Niels Hobbelink, Käsehändler
Seit mehr als 40 Jahren wohne ich jetzt schon in Denekamp, der niederländischen Nachbargemeinde von Nordhorn. Die Grenze hat mich während meiner mehr als fünf Jahrzehnte langen Tätigkeit als Redakteur der Grafschafter Nachrichten (GN) ständig begleitet. Unzählige Geschichten habe ich mit in die Redaktion gebracht, als es den Grenzübergang Frensdorfer Haar zwischen Nordhorn und Denekamp noch gab. Ich galt immer als Grenzgänger und habe als Pendler zwischen den Niederlanden und Deutschland auch meine ganz persönlichen Erfahrungen mit der Grenze gemacht. Wie oft habe ich die Grenze in der Vergangenheit verflucht, wenn ich wieder einmal zum Warten verurteilt war. Eine Stunde und 50 Minuten habe ich einmal in der Schlange vor dem Übergang Nordhorn-Frensdorfer Haar gestanden, einen wichtigen Termin verpasst. Aber auch 20 Minuten Stillstand können einem auf die Nerven gehen, wenn man es eilig hat. Und eilig hat ein Journalist es eigentlich immer. Kilometerlange Autoreihen vor der Grenze waren noch bis in die 1990er-Jahre gang und gäbe, die Ursachen unterschiedlicher Art: Feiertags-Ausflugsverkehr, Terroristenfahndung, Bauernaufstand, Streikaktionen der Trucker. Als sogenannter Grenzgänger, mit Wohnsitz in den Niederlanden und Arbeitsplatz in der Bundesrepublik, profitierte ich natürlich ganz besonders von der „Vereinfachung der Grenzabfertigung“. Mindestens viermal am Tag „pendelte“ ich zwischen Holland und Deutschland hin und her. Dabei wurde ich in der Vergangenheit oftmals zum „Grenzfall“. Mit europäischer Grenzbürokratie bekam ich schon unmittelbar nach meiner Übersiedlung von meiner Geburtsstadt Schüttorf ins Land der Mühlen, der Blumen, der Kanäle und des Käses zu tun. Als Neubürger Hollands musste ich seinerzeit meinen orangefarbenen Opel Manta umschreiben und mit einem niederländischen Kennzeichen versehen lassen. Auf den ersten Blick eine schnell zu erledigende Pflichtübung. Wenn da nicht die Vorschriften wären ... Wohlweislich hatte ich mir schon einen Urlaubstag genommen. Ich wollte alles in Ruhe regeln. Frühmorgens um acht stand ich mit meinem Wagen am Grenzübergang Nordhorn-Frensdorfer Haar. Und ich hatte auch schnell einen Zollbeamten gefunden, der mich darüber aufklärte, dass Kraftfahrzeuge nur über den Grenzübergang Springbiel/De Poppe bei Bad Bentheim in die Niederlande eingeführt werden können. Also meldete ich mich eine halbe Stunde später in De Poppe bei der holländischen Douane mit der Bitte, die Formalitäten zu regeln und mir eine Einfuhrbescheinigung auszustellen, ohne die – das hatte ich bereits erfahren – der Wagen beim niederländischen Straßenverkehrsamt nicht angemeldet werden konnte. Und ich wusste inzwischen auch, dass zwischen Anmeldung und Erteilung
NORDHORN.
liebe seiner neunjährigen Tochter. In das Käsegeschäft musste er sich zunächst hineinfuchsen, und das nicht nur mit Blick auf das Wissen um Reife und Geschmack der Produkte. „Das Schneiden habe ich unterschätzt“, sagt er hinsichtlich der Kunst, das gewünschte Gewicht aus dem Laib zu trennen. Inzwischen läuft die Arbeit routiniert, heitere, wortgewandte Plaudereien mit den Kunden bestimmen die Verkaufsgespräche. Schon nach wenigen Wochen hat sich eine gewisse Stammkundschaft etabliert: „Die Deutschen freuen sich, dass sie hier alles probieren können. 90 Prozent kommen wieder“, berichtet der Betriebsleiter. Auch oder gerade am Wochenende herrscht Hochkonjunktur in seinem Laden: „Samstag und Sonntag ist hier alles voll.“ Davon kann auch Gea Hesselink ein Lied singen, Filialleiterin der Apotheke „Die Grenze“, nur ein paar Schritte vom Käseladen entfernt. Erst vor Kurzem erfolgte eine umfassende Vergrößerung des Geschäfts von 300 auf nunmehr 900 Quadratmeter Verkaufsfläche. Voltaren, Paracetamol, Ibuprofen, aber auch verschiedenste Drogerieartikel wie Shampoo, Zahnpasta und Parfüm zu günstigen Preisen finden sich in den Regalen. 80 Prozent der Kunden seien Deutsche, die mitunter aus dem gesamten Bundesgebiet stammen, berichtet Hesselink – dar-
unter auch Urlauber der nahe gelegenen Campingplätze. Viele kämen auch mit deutschen Produkten und fragten nach dem niederländischen Äquivalent. „Das unterscheidet die Beratung an der Grenze von der Arbeit im Landesinneren“, sagt sie. Beratung habe ohnehin höchste Priorität: Täglich sind mindestens zwei ausgebildete „Drogeristen“ im Laden. Rund 4000 Kunden zählt die Apotheke pro Woche. Das Zusammenleben der Unternehmer am Grenzübergang beschreibt Gea Hesselink als gemütlich. „Wir helfen einander“, meint sie. Gerade durch
die Vielfalt der verschiedenen Betriebe würden die Kunden angelockt. So wie Reinhold Voß aus Rheine, den es einmal im Monat an die Grenze zieht. „Erst zur Apotheke, dann Kaffee kaufen“, lautet sein Plan. Früher habe er auch getankt und Zigaretten geholt, doch die Zeiten, als Tabak und Diesel auf holländischer Seite bedeutend günstiger waren als in Deutschland, sind vorbei. Reinhold Voß genießt aber auch den gewöhnlichen Lebensmitteleinkauf: „Man findet einfach andere Artikel als zu Hause“, sagt der
leidenschaftliche Camper. Und augenzwinkernd fügt er hinzu: „Alles, was in die Fritteuse muss, ist hier besser.“ Apropos Essen: Das geht an der Grenze natürlich auch. Der Bratfischimbiss ist ebenso beliebt wie das Restaurant „Centropa“, wo internationale Kost gereicht wird: vom Tiroler Schnitzel bis zum klassischen „Appelgebak“. Und selbst, wenn es bei einer Tasse Kaffee bleibt – ein Ausflug zur Grenze hat auch einen Unterhaltungswert. Da dürften sich viele Menschen einig sein.
WARENAUSTAUSCH ZWISCHE EN NACHBARN
Deutschland wichtigster Handelspartner der Niederlande Die Niederländer leben traditionell vom internationalen Handel. Die wichtigsten Partner des Landes sind die Mitgliedstaaten der EU, mit denen das Land etwa die Hälfte seiner Importe und knapp drei Viertel seiner Exporte abwickelt. Für unseren direkten westlichen Nachbarn ist Deutschland seit Jahren der wichtigste Handelspartner. Aus keinem Land werden mehr Waren importiert (Volumen 2016: 79 Milliarden Euro), in kein Land wird mehr exportiert (Volumen 2016: mehr als 83,5 Milliarden Euro) – wobei zu registrieren ist, dass wir von den Niederländern vom Wert her mehr Waren und Dienstleistungen einkaufen als umgekehrt. Auf Niedersachsen bezogen, halten sich die Zahlen für Export und Import in die Niederlan-
Produkte, außerdem Erzeugnisse aus dem Maschinenbau. Schwer ins Zeug legen sich die rund 100 000 Beschäftigten im Bereich Gartenbau: Sie sorgen dafür, dass die Niederlande beim Handel mit Grünem wie Blumen, Bäumen, Sträuchern und alle Sorten von Saatgut unangeSchlägt alle a Rekorde: Mehr als zwei Milliarden Tulpen wurden 2017 in fochten Weltmarktfühden Niede erlanden produziert – so viele wie nie zuvor. Foto: Colourbox rer sind – nicht schlecht für ein Land mit knapp gegen fast die Großbritannien (2016: de dage mehr als 17 Millionen Waage:: Im vergangenen 6,4 Mrd. Euro) und Einwohnern (2016). ar der Nachbar Frankreich mit einem Jahr wa Auch noch interessant: Volumen von 6,3 Milliar- Die Niederlande sind erneut das wichtigste Exportlland niedersäch- den Euro. nach den USA der Die wertmäßig wichtigs- zweitgrößte Exporteur sischerr Unternehmen men: 7,3 Mrd. Euten Güter, die wir Deutvon Agrarprodukten – (Volum hrend die Nieder- schen aus dem Nachro), wäh dieser Bereich trägt barland beziehen, kom- rund zehn Prozent zum länder Waren und Dienstlleistungen für 7,2 men aus den Bereichen aktuellen Bruttoinlandsuro an die Nieder- Nahrungs- und FutterMrd. Eu produkt des Landes bei, en verkauften. mittel sowie Chemie sachse außerdem sind mit rund und Pharmazie. Übrigen ns sind die Nie650 000 Mitarbeitern de sogar mit AbAndersherum kaufen derland etwa zehn Prozent aller das wichtigste die Nachbarn von uns Beschäftigten in den stand d Ausfuh hrland für Nieder- vorrangig pharmazeuti- Bereichen Agrar und Leen, gefolgt von sche und chemische sachse bensmittel tätig. gp
des neuen Kennzeichens einige Wochen vergehen können. Der holländische Zollbeamte wies mich freundlich, aber bestimmt darauf hin, dass ich das Auto nicht einführen könne, bevor es nicht ausgeführt sei. Und für die Ausfuhr seien die deutschen Kollegen zuständig. Also suchte ich einige Türen weiter meine Landsleute auf. Aber auch da war ich zunächst einmal an der falschen Adresse: „Als Privatmann können Sie kein Kraftfahrzeug ausführen. Das geht nur über eine Spedition.“ Die gab es an den Grenzübergängen damals noch in Hülle und Fülle. So stand ich schon bald am Tresen einer bekannten Firma, die Ein- und Ausfuhren regelt. Der Papierkram war schnell erledigt, die Gebühr bezahlt. Mein nächster Gang führte mich wieder zum deutschen Zoll. Der hatte nun die vorgeschriebenen Papiere, ich aber noch nicht den Stempel, der die Ausfuhr des Fahrzeugs bescheinigt. „Dann werden wir erst einmal das Kennzeichen vernichten“, erklärte mir der deutsche Zöllner. Mir begannen die Knie zu schlottern. Was sollte ich wochenlang mit einem Auto, das keine Nummernschilder mehr hat? „Die Kennzeichen sind Eigentum der
Die Ummeldung des Opel Manta war nicht so einfach.
Immer auf der Suche nach Neuigkeiten: Redakteur Freimuth Schulze (rechts) in den frühen 1980er-Jahren am damaligen Grenzübergang Frensdorfer Haar,damals noch mit Schlagbaum.
Bundesrepublik Deutschland. Wenn das Auto ausgeführt wird, bleiben die Nummernschilder hier“ – ich ließ mir die Papiere wiedergeben und fuhr erst einmal nach Hause. Am Nachmittag suchte ich das für mich zuständige holländische Finanzamt in Enschede auf. Auch dort wusste man sich keinen Rat, schickte mich zu den Kollegen nach Oldenzaal. Die wiederum verwiesen mich an den Zoll auf dem Bahnhof der Grenzstadt. Ich sehe den Douane-Beamten noch genau vor mir. Er saß im Büro eines alten Lagerschuppens. Links auf dem mächtigen Schreibtisch eine Tasse Kaffee, im Mundwinkel eine selbst gedrehte Zigarette. Da er einen Deutschen vor sich hatte, kam das Thema natürlich zunächst einmal auf die deutsch-holländischen Beziehungen in der Vergangenheit. Während des Krieges hatte sich der niederländische Zollbeamte längere Zeit in Schüttorf aufgehalten, meiner Geburtsstadt. Er schwärmte vom guten Essen bei „Pus“ — einer urigen Kneipe, die für ihre deftigen Mahlzeiten bekannt war und erst vor Kurzem endgültig ihre Türen geschlossen hat. Natürlich bot mir der Beamte das in Holland obligatorische „kopje koffie“ an. Nach längerer Unterhaltung fand ich dann Gelegenheit, mein Anliegen vorzubringen. Mit wenigen Worten in bestem Deutsch gab mein Visavis seine Antwort auf mein Problem: „Sch... Bürokratie! Sie sind ein Grenzfall!“ Nahm einen Stempel, drückte ihn auf eine Einfuhrerklärung und mir danach die Papiere
in die Hand. Mein Auto war damit „offiziell“ ein „Holländer“. Allerdings habe ich den Manta danach noch einige Zeit mehr oder weniger illegal gefahren. Er hatte jetzt zwar ein niederländisches Kennzeichen, war aber beim Straßenverkehrsamt in Nordhorn noch nicht abgemeldet. Als ich dort, mit dem deutschen Kraftfahrzeugbrief in der Hand, vorstellig wurde, kam prompt die Frage: „Soll der Wagen vorübergehend stillgelegt oder verschrottet werden?“ Jetzt nur keinen Fehler machen: „Das Auto ist nur noch ein Wrack.“ Die Beamtin bei der Kreisverwaltung nahm daraufhin eine Schere und schnitt eine Ecke des Kfz-Briefes ab. Damit war mein Manta jetzt auch offiziell ausgeführt. 1995 öffnete sich die Grenze zwischen Deutschland und Holland gänzlich. Für mich als Journalist versiegte eine wertvolle Informationsquelle. Der Grenzübergang Nordhorn-Frensdorfer Haar mit seinen jährlich Millionen von Reisenden und täglich mehr als 1000 Lastwagen war für mich nämlich nicht nur ein notwendiges Übel, sondern ständig auch Lieferant interessantester Meldungen. Festnahmen, Waffenfunde, Rauschgiftschmuggel – die Grenzbeamten wie Königliche Marechaussee und Douane auf niederländischer Seite sowie Polizeibeamte des damaligen Bundesgrenzschutzes (heute Bundespolizei) und Zollbeamte auf deutscher Seite wussten immer etwas zu berichten. Auf diese „Grenzfälle“ muss ich heute verzichten.
Grenzübergang und Redakteur heute: Freimuth Schulze zeigt,wie die Grenze zwischen Deutschland und den Niederlanden aktuell in Frensdorfer Haar aussieht: kein Schlagbaum und keine Kontrollen mehr. Fotos: Jürgen Lüken
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SPEZIAL GRENZE & GEWINNER
Zu Hause auf der deutsch-niederländischen Grenze Truida Stegink betreibt im äußersten Westen Niedersachsens „De Grenshoeve“ VON ALMUT HÜLSMEYER VENNEBRÜGGE. Es ist der west-
lichste Ort Niedersachsens auf dem Festland: der Ortsteil Vennebrügge der Gemeinde Wielen. Zu der Handvoll Häuser, die hier steht, gehört auch „De Grenshoeve“. Die deutsch-niederländische Grenze verläuft mitten durch das Anwesen, das Truida Stegink gehört. Sie lebt seit einem halben Jahrhundert hier.
Lachend kniet Truida Stegink auf ihrem Hof vor einem quadratischen roten Stein. Er trägt die Nummer 107 IX, ein N und D sind hineingeritzt. Allerdings zeigt das N Richtung Deutschland und das D Richtung Niederlande. Als man den Grenzstein das letzte Mal kontrolliert hat, haben die Zuständigen ihn leider falsch ausgerichtet. Aber hier im westlichsten Zipfel Niedersachsens hat die Grenze, die quer über Steginks Hof verläuft, sowieso nur noch eine untergeordnete Bedeutung. Auch wenn die Häuser in Vennebrügge auf deutscher Seite stehen, haben sämtliche Bewohner einen niederländischen Pass. Die Zeitung, Gas und Wasser kommen aus den Niederlanden, der Strom aus Deutschland. Gesprochen wird Niederländisch und Deutsch, und auch zwei Telefone hat Stegink, nur ein deutsches Handy lohnt nicht. Das hat hier keinen Empfang. Seit mehr als 50 Jahren lebt Stegink hier. Als sie ihren Mann, wie sie Niederländer, heiratete und 1966 aus der Gemeinde Hardenberg zu ihm auf den Hof in Vennebrügge zog, trennte noch eine bewachte Grenze beide Länder. Um 21 Uhr wurde der Grenzübergang
Großes Anwesen: Die Ferienwohnung des „Grenshoeve“ bietet Platz für 25 Gäste. Im Saal nebenan können Gesellschaften Hochzeiten oder Geburtstage feiern.
Diente auch dem Schmuggel: Früher stand genau auf der deutsch-niederländischen Grenze eine Scheune,wie die alte Fotografie zeigt.
Falsch ausgerichtet: der Grenzstein auf dem Hof von Truida Stegink,der die deutsch-niederländische Grenze markiert.
geschlossen. Wer als Besucher bis dahin nicht das Nachbarland verlassen hatte, kam nicht mehr nach Hause und musste sich eine Übernachtungsgelegenheit suchen. Da waren die Grenzbeamten eisern.
„De Grenshoeve“ in Vennebrügge Hoogeveen
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Die deutsch-niederländische Grenze verläuft durch das Grundstück des „Grenshoeve“.
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Weniger rigoros waren sie, wenn es um die Einfuhr zollpflichtiger Waren ging. „Was habe ich Kaffee geschmuggelt“, erzählt Stegink. Regelmäßig fuhr sie früher in die Heimat, um einzukaufen. Kurz vor dem Zollamt verschwanden Kaffee und Zigaretten in der Kleidung oder unter den Autositzen. „Streng kontrolliert haben nur die Zöllner, die uns nicht kannten oder die nicht lange hier waren“, sagt Stegink. Zu den meisten Zollbeamten habe man aber ein gutes Verhältnis gehabt. So setzte Stegink ihnen bei Besuchen auch ungerührt ihren geschmuggelten Kaffee vor. „Die haben natürlich geschmeckt, dass der aus Holland kam“, sagt sie und grinst. Manchmal habe sie sogar für einen Beamten Kaffee unverzollt über die Grenze gebracht und an einem verabredeten Ort deponiert. Noch einfacher war der Schmuggel, als die alte Scheune auf ihrem Hof mitten auf der Grenze stand. Damals wären die Waren durch eine Tür auf niederländischer Seite ins Stroh geworfen und auf deutscher Seite von
Fotos: Almut Hülsmeyer
der Familie wieder rausgefischt worden, erzählt Stegink. Die alte Scheune gibt es schon längst nicht mehr, und aus dem Bauernhof mit Ackerbau und Viehhaltung ist „De Grenshoeve“ geworden. Wo früher Vieh und Geräte untergebracht waren, können heute Gäste Geburtstag oder Hochzeit feiern. Aus einem der Felder ist ein Minigolfplatz geworden. Feste mit bis zu 60 Personen richtet die resolute Teilzeit-Rentnerin in dem umgebauten Bauernhof aus. „Ich koche gern und mag den Kontakt zu den Menschen“, sagt Stegink, die vor ihrer Pensionierung in der Küche eines niederländischen Pflegeheims gearbeitet hat. Meist sind es Niederländer, die sie bewirtet. Schnitzel, Kasseler und Schweinebraten serviert sie – deftiges deutsches Essen sei bei ihren Landsleuten beliebt. Auch eine große Ferienwohnung auf dem Hof vermietet die Niederländerin, die zusammen mit ihrem Lebensgefährten in einem Haus nebenan wohnt. Mit neun Betten habe sie angefangen, nun können in der Ferienwohnung 25 Menschen übernachten. Vor
Kurzem war eine Fußballmannschaft aus Essen mit lauter tauben Jungs zu Gast. Auch an die Männer, die von ihren Frauen mit mehreren Kleinkindern auf dem Hof zurückgelassen wurden, erinnert
sie sich noch gut. Während sich die Frauen zusammen ein schönes Shoppingwochenende machten, strapazierte der Nachwuchs die Nerven der Väter. Ihr gastronomischer Service, die Ferienwohnung, zwei große Grundstücke, die Stegink versorgen muss – gerne würde die 71-Jährige kürzertreten und den Hof verpachten oder zumindest den gastronomischen Service abgeben. Nur die Ferienwohnung würde sie gerne weiter vermieten: So plötzlich in den Ruhestand zu gehen sei schließlich nicht gut, meint Stegink. Ein halbes Jahrhundert wohnt sie nun schon in Vennebrügge, direkt an der Grenze. „Im Herzen bin ich aber immer noch Niederländerin, das kann man nicht ablegen.“ Am Königstag, dem niederländischen Nationalfeiertag, wird selbstverständlich auch auf dem Grenzhof die niederländische Fahne gehisst. Doch umziehen in die alte Heimat? Für die Grenzbewohnerin keine Option. Leben könne man in Deutschland genauso gut, gerade im Alter, sagt sie. „Ich bleibe so lange ich kann hier.“
„Streng kontrolliert haben nur die Zöllner, die uns nicht kannten.“ Truida Stegink, „De Grenshoeve“
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SPEZIAL GRENZE & GEWINNER
Mit Blaulicht in die Vereinigten Arabischen Emirate Die Wietmarscher Ambulanz- und Sonderfahrzeuge GmbH liefert Krankenwagen und Sonderfahrzeuge in alle Welt VON ANDRÉ PARTMANN WIETMARSCHEN. Ein Global Play-
er ganz im Westen Niedersachsens: Aus einer einst zwölf Mitarbeiter starken Belegschaft hat sich die Wietmarscher Ambulanz- Sonderfahrzeuge GmbH, kurz WAS, von ihrem Standort aus zu einem weltweit anerkannten Champion entwickelt. Das Unternehmen liefert Krankenwagen und Sonderfahrzeuge nach Europa und über die Grenzen hinaus – und setzt dabei als Branchenprimus ständig neue Maßstäbe.
Der eine Unternehmensstandort am Anfang, der andere am Ende des Ortes – wer einen Besuch in Wietmarschen macht, kommt allein wegen der Straßenführung nicht ohne Berührungspunkt an der Wietmarscher Ambulanz- und Sonderfahrzeuge GmbH vorbei. Das Unternehmen umschließt mit seinen zwei Standorten die rund 4500 Einwohner zählende Ortschaft und ist als ihr größter Arbeitgeber gleichwohl auch das unternehmerische Aushängeschild. Ohne Weiteres an WAS vorbei kommt seit vielen Jahren auch die Konkurrenz nicht, wenn es um die spezielle Fertigung von Krankenwagen und Sonderfahrzeugen für den nationalen und internationalen Markt geht. Das Unternehmen aus Wietmarschen gilt als eines der Schwergewichte der Branche, ein Blick auf die Zahlen unterstreicht dies: In Deutschland liegt der WAS-Marktanteil bei Sonderund Rettungsfahrzeugen aktuell bei 30 Prozent, in einigen Ländern Europas wie etwa Großbritannien sind es sogar bis zu 50 Prozent. Ein Ende der Entwicklung ist bislang nicht abzusehen. „Wir wachsen kontinuierlich“, bestätigt Markus Ebel, zuständig für den WASVertrieb auf dem europäischen Markt. Was Ebel meint? WAS ist es in den vergangenen Jahren gelungen, neue lukrative Märkte zu erschließen. In den Jahren 2007 und 2008 konnte erstmals ein Großauftrag für einen arabischen Staat an Land gezogen werden. Das ägyptische Gesundheitsministerium hatte zum damaligen Zeitpunkt erstmals Rettungswagen für die medizinische Versorgung im Inland geordert. Seither sind über 4000 Rettungsfahrzeuge „made in Wietmarschen“ über das Mittelmeer an den Nil geliefert worden – und bis heute kommen jährlich 300 weite-
Am Produktionsstandort an der Lingener Straße/Ecke Neuenhauser Straße fertigt die Wietmarscher Ambulanz- und Sonderfahrzeuge GmbH Rettungswagen mit Kofferaufbauten.
re Kasten- und Kofferfahrzeuge hinzu. In der jüngsten Vergangenheit hatte WAS den Fokus vermehrt auf den Markt im Nahen Osten gelegt. Finanzstarke Länder wie die Vereinigten Arabischen Emirate
„Unsere Philosophie ist es, exakt auf die Wünsche unserer Kunden einzugehen.“ Markus Ebel, Vertriebsleiter Europa
und Katar erhöhen derzeit ihre medizinischen Standards und investieren verstärkt in Rettungsund Sonderfahrzeuge. Der Markt sei lukrativ, der finanzielle Spielraum der Auftraggeber um einiges höher als beispielsweise in Europa, sagt WAS-Unternehmenssprecherin Simone Bergmann. Nach Katar wurden seit 2015 aus Wietmarschen 120, nach Abu Dhabi im vergangenen Jahr 105 Rettungswagen geliefert. Die florierende Wirtschaft und die wachsende Auftragslage spiegeln sich in Wietmarschen vor allem auch in der Zahl der Belegschaft wider. Allein an den zwei Standorten im westlichen Niedersachsen sind derzeit 340 Mitarbeiter in einem festen Arbeitsverhältnis angestellt. Je nach Projektlage stoßen weitere 140 Leiharbeiter hinzu, die – bei Bedarf – auch im Schichtbetrieb zum Einsatz kommen. Das Geheimrezept von WAS, das ihr gegenüber der internationalen Konkurrenz einen entscheidenden Vorteil verschafft und dem Unternehmen den Ruf als Branchenprimus eingebracht hat, liegt in der Individualität begründet. „Das Ziel unserer Produktionsphilosophie ist es, exakt auf Wünsche der Kun-
Kurz notiert Personalie: Der 46-jährige Michael Schlickum wird neuer Finanzchef und Sprecher der Geschäftsführung bei den Paracelsus-Kliniken. Der ausgebildete Diplom-Volkswirt löst Peter Schnitzler ab, der seinen Vertrag nach fünf Jahren nicht verlängert hat. Er tritt sein Amt im September an.
GESCHÄFTSFÜHRER: Joachim Liebler und Axel Gleie CHEFREDAKTION: Ralf Geisenhanslüke (Chefredakteur), Dr. Berthold Hamelmann (Vertreter des Chefredakteurs), Burkhard Ewert (Stellvertretender Chefredakteur), Dr. Anne Krum (Mitglied der Chefredaktion) KOORDINATION: Melanie Heike Schmidt AUTOREN DIESER AUSGABE: Marcus Alwes, Andre Berends, Marie-Luise Braun, Sebastian Hamel, Berthold Hamelmann, Almut Hülsmeyer, Christoph Lützenkirchen, Rolf Masselink, Norbert Meyer, Robert Otto-Moog, André Partmann, Hermann Pentermann, Gerhard Placke, Melanie Heike Schmidt, Irene Schmidt, Claudia Scholz, Jonas Schönrock, Freimuth Schulze, Anja Steinbuch, Eva Tenzer, Jürgen Wallenhorst, Sabrina Wendt, Stefan Wolff, Thomas Wübker
Wirtschaft boomt: Die regionale Wirtschaft erfährt im 2. Quartal 2017 einen deutlichen Wachstumsschub. Dafür ist vor allem eine verbesserte Ertrags- und Auftragslage verantwortlich. Das ist das Kernergebnis der aktuellen Konjunkturumfrage der IHK Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim unter rund 620 regionalen Unternehmen.
Wechsel: Neuer Leiter des Westnetz-Regionalzentrums in Osnabrück ist Dr. Holger Vogelsang. Er folgt damit auf Walter Roppes, der nach 35 Dienstjahren in die passive Altersteilzeit wechselt. Der 51-jährige promovierte Ingenieur ist verantwortlich für Planung, Bau, Instandhaltung und Betrieb der Strom- und Gasnetze in der Region.
REDAKTION V.i.S.d.P.: Ralf Geisenhanslüke
zer, Sebastian Kmoch (V.i.S.d.P.), Anzeigen-/Werbeverkauf: Sven Balzer, Hubert Bosse, Dirk Riedesel, Wilfried Tillmanns, Marvin Waldrich
FOTOGRAFEN: Marcus Alwes, Guido Bangen, Johannes Bichmann, Regina Halmich, Sebastian Hamel, Almut Hülsmeyer, Iris Kersten, Stephan Konjer, Oliver Krato, Anja Kückelmann, Jürgen Lüken, André Partmann, Michael Pasternack, Hermann Pentermann, Petra Ropers, Siegfried Sachse, Gerd Schade, Michael Wessels, Gert Westdörp, Werner Westdörp GRAFIK: Matthias Michel VERLAG: Neue Osnabrücker Zeitung GmbH & Co. KG, Postfach 42 60, 49032 Osnabrück; Breiter Gang 10–16, Große Straße 17–19, 49074 Osnabrück, Telefon 0541/310-330, Telefax 05 41/310266; Internet: www.diewirtschaft.noz.de; E-Mail: diewirtschaft@noz.de ANZEIGEN-/WERBEVERKAUF: MSO Medien-Service GmbH & Co. KG, Große Straße 17–19, 49074 Osnabrück, Postfach 29 80, 49019 Osnabrück, Telefon 05 41/310-500, Geschäftsführer: Sven Bal-
Foto: Wietmarscher Ambulanz- und Sonderfahrzeuge
Kabelbäume verlegen ist einer der vielen Arbeitsschritte, die die Mitarbeiter der WAS im Rahmen der Linienproduktion durchführen. Foto: André Partmann
den einzugehen“, erklärt Abel. WAS hebe sich damit ab, denn vergleichbare Unternehmen hätten nur die Möglichkeit, von der Stange zu produzieren. Das Unternehmen aus Wietmarschen geht andere Wege, indem es Basisfahrzeuge von namhaften Automobilherstellern wie Daimler, Volkswagen oder Renault einkauft, modifiziert und individuell aufbereitet. Dafür greift WAS unter anderem auf eigene Innovationen wie hydraulisch gefederte Ambulanztische oder die extra stabilen Kofferauf-
bauten zurück, die weltweit Standards gesetzt haben. Die Firma WAS unterscheidet bei der Anfertigung von Krankenwagen und Sonderfahrzeugen zwischen Koffer- und Kastenwagen. Am Unternehmensstandort Lingener Straße/Ecke Neuenhauser Straße werden die Kofferelemente in einem aufwendigen Verfahren selbst hergestellt, anschließend per Vakuumheber auf die Basisfahrzeuge gesetzt und am Ende in einer Linienproduktion angefertigt.
Nur 900 Meter entfernt, am Standort Lingener Straße/Ecke Brookweg werden dagegen vorrangig die Kastenfahrzeuge umgebaut, Einbau-Elemente gefertigt und Servicearbeiten durchgeführt. WAS produziert jährlich circa 1500 Fahrzeuge, von denen rund 80 Prozent Ambulanz und 20 Prozent Sonderfahrzeuge für Polizei und Behörden sind. 2016 wurde die symbolische Marke von 25 000 produzierten Fahrzeugen in Wietmarschen geknackt, der Umsatz lag im vergangenen Jahr bei knapp 90 Millionen Euro. Und wie sieht es in zehn Jahren aus? „Wir verfolgen eine Wachstumsstrategie und gehen davon aus, dass WAS in Zukunft noch größer sein wird“, sagt Bergmann. Einen Grund, die Gemeinde Wietmarschen zu verlassen, gebe es trotz der angestrebten Expansion und gelegentlich aufkommender Platzprobleme allerdings nicht. „Die Grafschaft Bentheim und das Emsland sind wettbewerbsfähig, die Gegend für Mitarbeiter attraktiv und die Wirtschaftsförderung hervorragend.“ Argumente, die darauf schließen lassen, dass WAS wohl auch in Zukunft als Global Player aus der Provinz auf dem Weltmarkt agieren wird.
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werden können. Also in die Zukunft schauen und lösungsorientiert denken und handeln – und auch als Chef mal eigene Fehler zugeben.
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GELD & GESCHÄFT
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Die Übergabe des Staffelstabs an die nächste Generation sollte früh genug und sorgfältig vorbereitet werden.Experten empfehlen,sich für die Planung mindestens fünf Jahre Zeit zu nehmen.
Foto: Colourbox.de
Verjüngungskur für den Mittelstand Laut einer aktuellen Studie der Commerzbank birgt der fällige Generationswechsel viele Chancen, aber auch einige Risiken
Nachfolger brauchen genügend Raum für Learning by doing. Ohne die Hilfe externer Manager geht es oft nicht. Betriebe profitieren: Generationswechsel bringt Innovationen. VON ANJA STEINBUCH OSNABRÜCK. Im Geschäftsleben
geht wenig ohne gutes Timing. Doch viele Mittelständler zögern lange mit der Übergabe an die nächste Generation. Eine Commerzbank-Studie zeigt: Gute Vorbereitung zahlt sich aus.
Jedes dritte mittelständische Unternehmen in Niedersachsen steht vor einem Führungswechsel. Das ist ein Ergebnis der diesjährigen Studie „Next Generation: Neues Denken für die Wirtschaft“, für die die Commerzbank 2000 Führungskräfte in Deutschland befragt hat. Aus Niedersachsen kamen 179 von ihnen, 53 aus Osnabrück. Weitere Ergebnisse: Der Generationswechsel birgt viele Chancen, aber auch einige Risiken. Die größten Herausforderungen des Wandels sind für jeden zweiten Befragten neue Wettbewerber und für jeden dritten der Umbruch von Schlüsseltechnologien, so die Studie. Für 63 Prozent steht die Entwicklung neuer Geschäftsfelder ganz oben auf der Agenda. Das ist nicht immer einfach: 18 Prozent der Unternehmen kämpfen mit überalterten Produkten und Dienstleistungen. „Beim Generationswechsel spielt der Zeitfaktor eine große Rolle“, sagt Thomas Heitmann, Leiter Firmenkunden bei der Commerzbank in Osnabrück: „Oft fällt es den Senior-Chefs schwer, rechtzeitig loszulassen.“ Die Nach-
folger müssten aber die Chance bekommen, eigene Ideen umzusetzen und eigene Fehler zu machen. Learning by doing. Ohne diese Möglichkeit könnten Junioren sich nicht emanzipieren. Und so ein Prozess kann dauern. Oft staunt Heitmann, „wie unvorbereitet einige Senior-Unternehmer im Raum Osnabrück und im Emsland an die Übergabeplanung ihres Lebenswerkes herangehen“. Hinzu komme das Problem, dass Nachfolger nicht selten eine andere Einstellung zum Thema Lebenswerk haben als der bisherige Chef. Heitmann: „Die junge Generation hat andere Prioritäten. Viele streben zwar eine sichere Anstellung an, wollen aber die Möglichkeit einer Work-Life-Balance ausschöpfen.“ Heitmann empfiehlt seinen Kunden, mindestens fünf Jahre vor dem angestrebten Übergabetermin mit der Nachfolgeplanung zu beginnen (weitere Tipps: siehe Kasten).
„Oft fällt es den Chefs schwer, rechtzeitig loszulassen.“ Thomas Heitmann, Commerzbank Osnabrück
Gut gemischte Altersstruktur bei Führungskräften in der Region Alter der befragten Führungskräfte
Dauer der Unternehmenszugehörigkeit Niedersachsen und Bremen 22
21
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bis 40 Jahre
37
39
38
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40 bis 49 Jahre 50 bis 59 Jahre
Niedersachsen und Bremen
3
Bundesdurchschnitt 10
15
85
über 60 Jahre
Bundesdurchschnitt
bis 5 Jahre
alle Angaben in Prozent
Ein Beispiel: Beim Wittener Pumpenhersteller Kamat (100 Mitarbeiter, rund 20 Millionen Euro Umsatz und Vertretungen in 60 Ländern) ist die Staffelübergabe geglückt. Und das, obwohl der Senior, Karl Sprakel, erst mit 70 Jahren konkret mit seinen zwei Söhnen über seinen Rückzug aus der Firma zu sprechen begann. Das war spät, aber seine Söhne waren noch im Studium – der ältere, Jan Sprakel, studierte damals Archäologie und schwenkte erst später auf das Fach Maschinenbau um. Das war Ende der 1990er-Jahre. „Auch wenn es manchmal wehtat“, wie der ehemalige Chef heute zurückblickend sagt, hat er es geschafft loszulassen. Inzwischen begnügt sich der mittlerweile 84Jährige mit der Rolle des einköpfigen Beirats, der bei größeren Investitionen zurate gezogen wird. Das Gelingen hatte sich nicht unbedingt abgezeichnet, denn Sprakel senior ist Perfektionist: „Ich wollte eine Lösung, die das Unternehmen ebenso erhält wie den Frieden in der Familie.“ Geholfen haben dabei externe Berater und ein Manager, der von außen in die Geschäftsführung kam und heute eine Minderheitsbeteiligung am Unternehmen hält. Ohne Hilfe von außen geht es oft nicht. Denn: Das Tagesgeschäft muss auch während des Übergabeprozesses möglichst unbeeinträchtigt weiterlaufen. Bei Kamat hat die Übergabe fünf Jah-
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über 5 Jahre Quelle: Commerzbank · Grafik: Matthias Michel
re gedauert. Auch der zweite Sohn folgte der Familientradition: Er leitete erst eine eigene Abteilung im Betrieb. Diese lief so gut, dass er daraus ein selbstständiges Unternehmen mit 130 Mitarbeitern machte. Die Nachfolgefrage kommt irgendwann auf alle Familienunternehmen zu. In Niedersachsen haben viele den Prozess bereits hinter sich. 40 Prozent der von der Commerzbank Befragten in Niedersachsen haben in den vergangenen fünf Jahren erfolgreich das „Firmenzepter“ übergeben. Das ist ein Vorteil für die Region. Folge: Viele niedersächsische Unternehmen haben ein junges Führungsteam. Und sie profitieren von Managern mit Know-how, die von außen ins Unternehmen kommen. Das ist gut für Innovationen. Junge Nachfolger unter 40 Jahren tragen häufig eine Gründermentalität in das Unternehmen und treiben Zukunftsprojekte voran. Dafür brauchen sie nicht selten erfahrene Begleiter. Die neue Generation führt neue Serviceleistungen ein, knüpft strategische Kooperationen und entwickelt neue Geschäftsfelder. Interessant: Am effektivsten sind junge Manager in jungen Unternehmen. Während die Führungsriege in der Region oft jung ist, gehören die Unternehmen selbst eher „zum alten Eisen“: Deutlich mehr
als die Hälfte der Firmen sind älter als 30 Jahre. Laut Studie sind es hier die erfahrenen Manager, die überdurchschnittlich häufig für regelmäßige Produktinnovatio-
nen sorgen. Die regionale Wirtschaft profitiert häufig von sogenannten Neueinsteigern. Das sind Manager, die weniger als fünf Jahre im Unternehmen tätig sind. Sie treiben mit neuen Serviceleistungen, strategischen Kooperationen und der Entwicklung neuer Geschäftsfelder grundlegende Veränderungen voran. Heitmann: „So bleiben die Firmen im Land konkurrenzfähig.“ Fazit: Kleine und mittelständische Betriebe profitieren häufig von einem Spitzenmanagement aus jungen Top-Leuten, die Innovationen vorantreiben, und aus älteren „Hasen“ mit viel Managementerfahrung. Solche gemischten Teams sind besonders erfolgreich, zeigt die Commerzbank-Untersuchung.
Fünf Regeln Unternehm für die ensübergab 1. Chefs so e llte
n besser acht mindestens fünf, Jahre im Vo raus die We 2. Das Them ichen stelle a Nachfolge n. sollte bei po Nachfolgern tenziellen auch außerh angesproch en werden. alb der Familie offen 3. Senior m uss gemeinsam loslassen und sollte wä en h Kompetenz Übergabezeit definiert rend einer felder an de n Junior abg e 4. Klare sch eben. riftli Senior und J che Regelungen helfen : u der Übergab nior sollten den Zeitpla e den Mitarb n eitern mitte 5. Externe H il en. ilfe Moderation hat sich bewährt. So k an ,F ohne Reibun eedback und Coaching n mit gsverluste die Übergab geli e von Beratern können die H ngen. Bei der Auswahl ausbanken h elfen. Quelle: Com
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„Trotz aller Hektik mich selbst achtsam führen“ Vor dem LDC Congress 2017: Personaltrainer Dr. Burkhard Bensmann über den Job-Alltag von Führungskräften im Mittelstand VON MARCUS ALWES OSNABRÜCK. Beschleunigung,
Fragmentierung und Unberechenbarkeit: Der Job-Alltag im Mittelstand hat sich für Führungskräfte spürbar verändert, erläutert der Personaltrainer, Experte für Selbstführung, Organisationsberater und Buchautor aus Georgsmarienhütte, Dr. Burkhard Bensmann (Ld 21 academy GmbH), im Interview mit unserer Redaktion.
Herr Dr. Bensmann, Sie beobachten seit 30 Jahren den Mittelstand unserer Region. Was sind nach Ihrer Ansicht die drei gravierendsten Veränderungen in diesem Zeitraum gewesen? Das auf drei tatsächlich zu reduzieren ist schon eine sportliche Aufgabe. Einer der am stärksten durchschlagenden Aspekte ist Beschleunigung. Was wir wahrnehmen, ist, dass auch durch Technologie, durch Internationalität, durch Verknüpfung das Thema Beschleunigung extrem durchschlägt. Das führt zur Hektik, zu Unsicherheit, auch zu Unberechenbarkeit. Der zweite Aspekt ist die Fragmentierung. Damit meine ich, dass der Alltag der Leute, der früher eher durch größere Zeitinseln bestimmt war, jetzt extrem fragmentiert wird. Insbesondere auch durch die technischen Medien. Das Smartphone vorneweg, aber auch E-Mails, die ständige Vernetzung und die ständige Erreichbarkeit im Alltag. Der dritte Aspekt ist die Unberechenbarkeit – basierend auf Komplexität und natürlich wieder auf medialer Verknüpfung. Ich will jetzt gar nicht von Ultrakurzzeitgeschäften an Börsen und den Nachwirkungen bzw. Erdbeben, die daraus in Sekunden resultieren können, sprechen. Aber die genannten Phänomene treffen einen Mittelständler bei uns in der Region genauso. Was bedeutet das für die Unternehmer und die Führungskräfte von heute – und was kann denen helfen? Die Personen, mit denen ich täglich arbeite, sind gerade die Inhaber, die Führungskräfte und die Vorstände. Dort erlebe ich auch, dass die Leute quasi immer „an“ sind. Belastung, Unsicherheit, Unberechenbarkeit führen zu Hektik, führen zu Kurzsichtigkeit, führen zu dem inneren Glauben, man müsse immer erreichbar sein. Daraus resultieren dann aus meiner
Beschleunigung, Fragmentierung und Unberechenbarkeit haben in den vergangenen Jahren auch den Mittelstand und dessen Führungskräfte in der Region von Papenburg bis Nordhorn und Osnabrück spürbar verändert,schildert der Organisationsberater Dr.Burkhard Bensmann gestenreich. Fotos: Gert Westdörp
Sicht nicht nur Bluthochdruck und ähnliche körperliche Reaktionen. Es führt zum Teil auch zu einer unguten Hektik, die sich auf die eigenen Mitarbeiter überträgt. Leider nur wenige Ausnahmen unter den Führungskräften haben auch eine innere Ruhe. Was werden also die Herausforderungen für die Führungskräfte in den nächsten Jahren sein? Stellen wir uns ein inhabergeführtes mittelständisches Unternehmen vor: Dieses Unternehmen lebt sehr stark von dieser einzelnen Person. Wie schafft es also der Inhaber oder die Inhaberin, über
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einen längeren Zeitraum so motiviert, fokussiert und gelassen zu arbeiten, dass die Mitarbeiter auf Dauer sagen können, hier ist eine verlässliche Konstanz vorhanden, trotz aller Beschleunigung und Hektik? Wie schaffe ich es als Inhaber, mich selbst achtsam so zu führen, dass ich noch in fünf oder zehn Jahren mit Freude ans Werk gehe? Das ist für mich eine der zentralen Herausforderungen. Ich erlebe es aber auch, dass die Leute, die vielleicht zehn, fünfzehn Jahre erfolgreich waren, zu einem Problem für ihr eigenes Unternehmen werden. Weil diese Menschen auf einmal sehr hektisch werden, auf die Unberechenbarkeit selber
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mit Unberechenbarkeit in das Unternehmen hinein reagieren oder sogar risikoscheu und ängstlich werden. Wie erhalte ich also als Inhaber oder Führungskraft der ersten Ebene meine Selbstmotivation? Wie fülle ich das immer wieder auf, damit ich über einen längeren Zeitraum – bei allen Veränderungen – eine Konstanz auch ins eigene Unternehmen vermittle? Größere Flexibilität und Mobilität, rasanter Wandel durch die Digitalisierung. Gibt es als Kontrast dazu auch unter den Führungskräften eine Sehnsucht nach Entschleunigung?
Die gibt es ganz klar. Jene Sehnsucht, dass es doch bitte mal wieder einfacher werde. Aber es gibt hier zwei Gruppen unter den Führungskräften. Die einen, die sagen, es wird nie wieder einfacher. Es wird sich also auch nicht entschleunigen. Wir müssten einfach lernen, damit umzugehen. Und es gibt da die andere Gruppe, die Signale der Entschleunigung setzen will, das können auch Achtsamkeitsseminare sein. Ich lächle da nicht drüber, halte es sogar für wichtig. Ich glaube unter dem Strich, wir müssen uns einfach klug anpassen. Es ist eine Mischung aus beidem: Wir dürfen unsere Mitarbeiter nicht in Watte
Sie laden nun am 21. September zum Leadership Development Congress 2017 (LDC) nach Osnabrück ein. Worum wird es dort gehen? Es geht um Selbstführung und Teamerfolg. Wir schaffen zum vierten Mal für diese Region eine Begegnungsplattform für Führungskräfte der ersten und zweiten Ebene. Also für Entscheider, die stressfrei zusammenkommen können, um einen Tag gemeinsam in einer überschaubaren Gruppe zu lernen.
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DONNERSTAG, 31. AUGUST 2017
GELD & GESCHÄFT
Kochen, essen gehen oder liefern lassen? Delivery Hero, Lieferando, McDonald’ s, Vapiano und Co: Essen-Lieferdienstleister werden zum Börsentrend
VON STEFAN WOLFF BERLIN/BONN. Manchmal kann auch eine Schrumpfkur zu mehr Wachstum führen. Vor wenigen Wochen hat Delivery Hero seinen Rückzug aus Georgien bekannt gegeben. Der OnlineMarktplatz für Essensbestellungen hatte hier ebenso seine Geschäfte unter dem Namen Foodpanda betrieben wie in Kasachstan, wo die Firma ihre Aktivitäten im vergangenen Frühjahr eingestellt hatte.
Nun sind weder Kasachstan noch Georgien dafür bekannt, dass die Menschen dort sich nicht so gern essen liefern lassen würden. Doch Delivery Hero schmecken die Wachstumsaussichten nicht. Das Unternehmen will dort präsent sein, wo es auch Marktführer ist oder zumindest die Aussicht auf Marktführerschaft besteht. Größe ist ein entscheidendes Kriterium im heiß umkämpften Markt der Lieferdienste. Das leuchtet ein bei einem Geschäftsmodell, das davon lebt, den Kunden ein möglichst vielfältiges gast-
vor dem Börsengang hat das Hamburger Landgericht dem Unternehmen untersagt, sich als solcher zu bezeichnen. Konkurrent Lieferando hatte geklagt und so dem Mitbewerber vor dem Börsendebüt gehörig in die Suppe gespuckt. Die juristischen Auseinandersetzungen konnten den bis dato größten Börsengang des Jahres nicht verhindern: Delivery Hero nahm am 30. Juni knapp eine Milliarde Euro bei den Anlegern ein. Die Aktie verzeichnete am ersten Handelstag Kursgewinne. Allerdings wachsen die Bäume seither nicht in den Himmel, auch wenn der Ausgabepreis von 25,50 Euro nicht wieder unterschritten wurde. Von dem Börsendebüt profitieren auch die Samwa-Brüder, die mit ihrem „Internet-Inkubator“ Rocket Internet unter anderem mit dem Online-Kaufhaus Zalando einen Börsenerfolg erzielen konnten. Und die mit einem Unternehmen in den Startlöchern stehen, das Delivery Hero eigentlich ein Dorn im Auge sein müsste. Hello Fresh wendet sich an Kunden, die zwar gern kochen, aber nicht einkaufen mögen. Der Kochzutaten-
ronomisches Angebot zu unterbreiten. Wer die meisten Restaurants auf seiner Internetseite versammelt, hat auch die größten Aussichten, dass die Kunden ebendort bestellen. Aus diesem Grund sind Lieferdienstleister wie Lieferando oder Lieferheld auch in den Ballungsräumen sehr viel präsenter als auf dem platten Land, wo die Menschen ihre Stammpizzeria (oft die einzige in der Region) noch eher selbst anrufen. In den vergangenen Jahren hat Delivery Hero eine imposante Wachstumsgeschichte hingelegt. 2011 wurde das Unternehmen gegründet. Es setzte sich damals aus den Diensten Onlinepizza (Schweden, Österreich, Finnland, Polen), Hungryhouse (Großbritannien) und Lieferheld (Deutschland) zusammen. Der Durchbruch in Deutschland erfolgte mit der Übernahme des Dienstleisters Pizza.de im Jahr 2014. Heute bezeichnet sich Delivery Hero selbst als das weltgrößte „food network“ mit über 150 000 kooperierenden Restaurants in gut 40 Ländern. Doch der größte deutsche Anbieter ist Delivery Hero nicht. Kurz
Bitcoins: Höhenflug ohne Ende?
HERFORD/HASELÜNNE. Seit geraumer Zeit ist die digitale Kunstwährung Bitcoin (Währungskürzel BTC) der Herforder Bitcoin Group SE in aller Munde – nicht nur wegen ihres stark gestiegenen Aktienkurses. Dagegen kommt die Aktie des traditionsreichen Hauses Berentzen aus Haselünne nicht wirklich zur Ruhe und hat in den vergangenen Wochen einige Verluste hinnehmen müssen.
Kummer und Jubel lagen bei Bitcoin-Investments schon seit jeher eng beieinander. Als die Schürfer und Händler im Juli um die Zukunft der Internetwährung stritten, verloren Bitcoins innerhalb weniger Tage rund ein Drittel ihres Werts. Keine vier Wochen später notierte die Währung auf Rekordniveau und stieg in Richtung 4500 Dollar je Bitcoin – das hatte auch Auswirkungen auf den Aktienkurs, der zuletzt mehr als 300 Prozent zulegte. Grund für die eindrucksvolle Rallye ist ein Software-Upgrade, über das die Bitcoin-Gemeinde Ende Juli abgestimmt hat. Dieses sollte Transaktionen mit der Währung schneller und preiswerter machen, damit sie sich besser als alltägliches Zahlungsmittel etablieren kann. Experten warnen, der Bitcoin sei „ein Spekulationsobjekt“, dessen Wert sich rapide verändere. Bitcoin-Anleger mussten schon Kursstürze von 50 Prozent und mehr verkraften. Frischsaftsysteme, Spirituosen und alkoholfreie Getränke – das sind die drei Geschäftsfelder der Haselünner Unternehmens Berentzen. „Mit Blick auf das Geschäftsjahr 2017 bestätigt die Berentzen-Gruppe Aktiengesellschaft ihre Ertragsprognosen und erwar-
Kursverlauf Bitcoin Group SE
Lieferant hat zuletzt dank stark gestiegener Marketingausgaben einen Umsatzsprung erzielt. Allerdings könnte der für den Herbst angepeilte Börsengang von wachsender Konkurrenz gefährdet werden. Handelsriese Amazon hat erst vor Kurzem die Einzelhandelskette Wholefood gekauft und liebäugelt damit, ebenfalls Kochboxen auf den Markt zu bringen. Hello Fresh würde damit sein Alleinstellungsmerkmal verlieren. In der Finanzwelt spricht man vom „Einhorn-Status“. Ein solcher ist in der Welt der Systemgastronomie nur schwer zu erreichen. Systemgastronomie ist ein Trend, den es schon lange Zeit gibt. Der Markt für schnelles und unkompliziertes Essen ist heiß umkämpft. Die auf Pasta und Piz-
za spezialisierte Kette Vapiano ist in vielen Innenstädten sehr präsent. Gemessen an den großen Spielern der Branche, ist das Unternehmen aber ein kleines Licht. Unangefochtener Platzhirsch ist McDonald’ s. Mit einigem Abstand folgt Burger King, dann schon die LSG Sky Chefs, eine LufthansaTochter, die für das Essen in Flughäfen und Flugzeugen sorgt. Vapiano folgt auf Platz elf, kommt auf knapp acht Prozent der Umsätze, die McDonald’ s allein in Deutschland macht. Der Burgerbrater ist in Sachen Umsatz auch weltweit die Nummer eins. Dennoch war die Aufmerksamkeit groß, als Vapiano Ende Juni an die Börse ging. Pasta wird ja, da sind sich zumindest die Italiener einig, „al dente“ gekocht. Der Börsen-
Foto: iStock
gang von Vapiano war da eher weniger bissfest. Es ging ganz piano an die Börse. Zu 23 Euro waren die Papiere ausgegeben worden. Der erste Kurs lag dann bei 23,95 Euro. Das ist ein Erfolg, der aber schnell wieder schwand. Schon am ersten Tag sanken die Papiere unter den Ausgabepreis. Sie haben es bis heute nicht darüber geschafft. Auch wenn Vapiano schon heute ein weltweit operierendes Unternehmen ist, äußern sich Analysten skeptisch über die Frage, ob denn auch der Aufstieg zu einem Global Player gelingen kann. Die Konkurrenz sei einfach zu groß, von den großen Burgerbratern bis hin zum kleinen Foodtruck, der auch viele Gäste ernähren will, wenn auch ohne Börsenambitionen.
www.pwc.de/mittelstand
Bitcoin Group SE hebt ab, Berentzen benötigt mehr Anstrengungen VON JÜRGEN WALLENHORST
Lieferdienste boomen: Das Essen online zu bestellen und nach Hause liefern zu lassen ist für viele mittlerweile eine Alltäglichkeit.
Angaben in Euro
26 24 22
Nah am Markt Nah am Mittelstand Nah bei Ihnen
20 18 16 14 12 10 8 6
Juni
August
Juli
Kursverlauf Berentzen-Gruppe AG
Angaben in Euro
12,4 12,0 11,2 10,8 10,4 10,0 9,6 9,2 8,8
Juni tet unverändert eine Umsatz- und Ergebnissteigerung im Vergleich zum Vorjahr. Der Konzernumsatz soll zwischen 170,4 und 179,2 Mio. Euro erreichen, das Konzern-Ebit wird in einer Bandbreite von 11,2 bis 12,4 Mio. Euro erwartet.“ So der Ausblick im Mai dieses Jahres, der weiterhin ein profitables Wachstum des Unternehmens erwarten ließ. Im August 2017 hält die Berentzen-Gruppe AG in einem Konzernzwischenlagebericht an den Erwartungen fest, schränkt aber ein, dass man im Geschäftsfeld alkoholfreie Getränke „mit der Ent-
Juli
August
wicklung der Ergebnisqualität und mithin des Beitrages zum Konzernerfolg (...) dennoch nicht zufrieden (ist): Hohe Aufwendungen in der Produktion und in der Logistik sowie zusätzliche ergebnisbelastende Abschreibungen als Folge eines erhöhten Investitionsbedarfs zeigen, dass wir bei der operativen Umsetzung in einigen Organisationsbereichen Nachholbedarf haben.“ Deshalb konstatiert der Vorstand der BerentzenGroup AG, dass zur Erreichung der Konzernziele im zweiten Halbjahr 2017 noch einige Anstrengungen erforderlich seien.
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DONNERSTAG, 31. AUGUST 2017
GELD & GESCHÄFT
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Tankstellenbranche sucht neuee Identität Die regionalen Betreiber Q1 und Westfalen punkten mit innovativen Konzepten für Shops und u Gastronomie
Tankstellen sollen hell, freundlich und sicher auf den Kunden wirken. Diverse Services ergänzen das breite Sortiment der Shops. Bistros bieten mobile Arbeitsplätze und frisch gekochte Speisen. VON CHRISTOPH LÜTZENKIRCHEN OSNABRÜCK/MÜNSTER. Der Trend ist alt, aber ungebrochen: Schon 2012 bezeichnete das Düsseldorfer Handelsblatt Tankstellen als „Einzelhändler mit Zusatzgeschäft“. Demnach entfiel ein immer größerer Anteil des Gewinns der Tankstellen auf den Verkauf von Handelswaren im eigenen Shop. Der Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Doch die ungemütliche alte Tankstelle mit ihren Gerüchen nach Benzin und Öl ist bereits Vergangenheit.
Die Zukunft gehört hellen, freundlichen und sauberen Anlagen. Bei der Neuorientierung sind mittelständische Unternehmen ganz vorn mit dabei, darunter die Betreiber Westfalen AG, Münster, und die Osnabrücker Q1 Mineralöle AG. „Unsere Tankstelle soll freundlich wirken, großzügig und einladend“, sagt Reiner Ropohl vom Vorstand der Westfalen AG. Drei Dinge seien wichtig: Standort, Sichtbarkeit und Signalwirkung. Dafür arbeitet sein Unternehmen mit einer ausgefeilten Lichtregie. Die Außenbeleuchtung unter dem Dach sorgt dafür, dass die Anlage auch nachts sehr hell ist. „Wir denken da vor allem an unsere weiblichen Gäste“, so Ropohl: „Frauen haben ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis. Nachts tanken sie bevorzugt an gut beleuch-
Ausgefeiltes Lichtkonzept: Der Leuchtbalken am Dach soll Kunden auch nachts ein sicheres Gefühl geben. Fotos: Hermann Pentermann
teten Tankstellen.“ Das Licht vermittle Sicherheit. Seine Tankstelle in Amelsbüren bei Münster hat das Unternehmen zudem mit einem Drive-in-Schalter für den Shop- und Gastronomiebereich ausgerüstet. Aus dem Auto heraus können die Kunden dort alles bestellen. Die Tankstellen der Osnabrücker Q1 fallen mit einem roten Dach ins Auge, über die plastisch geschwungene Dachblende zieht sich ein weißer Lichtstreifen aus LEDs. Auch der Preismast ist mit LEDs ausgerüstet. „Von Ferne nimmt der Kunde uns als modern und klassisch-zeitlos wahr“, glaubt Q1-Geschäftsführer Frederick Beckmann: „Das erreichen wir unter anderem durch die Beleuchtung. Die vorherrschenden Farben sind Rot und Blau, sie sind eng mit unserer Marke verknüpft. Die Anlagen wirken offen und hell, das vermittelt bei Dunkelheit die Botschaft: Hier ist ein Ort, an dem du dich sicher fühlen kannst.“ Tankstellen als Trutzburgen, Schutzräume vor dem Trubel des Alltags? Bis in Details sind die Konzepte durchdacht. Damit eine Tankstelle großzügig wirke, müsse die Konfiguration stimmen, erklärt Ropohl. Dafür benötige man ausreichend große Grundstücke. „Die Zufahrt ist bequem, es gibt ausreichend Parkraum“, führt er aus. „Bei uns soll der Gast in Ruhe wählen können, ob er nur tanken will,
Mit ihrer Marke „Oase“ bieten die Q1-Tankstellen den Kunden ein Rundum-Paket: Es gibt Dinge des täglichen Bedarfs zu kaufen und in den Bistros einen frisch gekochten Mittagstisch.
„Moderne Tankstellen sind Versorgungsorte für Mensch und Auto.“ Reiner Ropohl, Westfalen AG
oder etwas einkaufen und einen Kaffee trinken.“ An jedem Tankplatz findet der Kunde alle Produkte vor: Superbenzin, Diesel, Autogas und Adblue. Unter dem großen Dach gelangt er trockenen Fußes in den Shop. Für die Autowäsche stehen Durchfahrtwaschhallen oder Waschstraßen zur Verfügung. Erinnern Sie sich noch an die Schlüssel mit speckigem Holzschild, die man an der Kasse abholen musste, um in eine kalte, oft schmutzige Außentoilette zu gelangen? Bei Q1 soll es das nicht mehr geben. „In unserem gepflegten Sanitärbereich findet der Kunde innen liegende, hochwertige Toiletten“, sagt Beckmann. „Besonders für weibliche Gäste ist das sehr wichtig.“ Für seine Bistros hat Q1 die Marke „Oase“ geschaffen. „Hier wollen wir den Kunden zum Verweilen einladen. Die Einrichtung vermittelt Geborgenheit. Beim Ladenbau verwenden wir sehr hochwertige Materialien.“ Noch vor wenigen Jahren wurden Ladenbauer wie die Wallenhorster Firma Reinhardt auf Fach-
messen für ihre Vorschläge, mehr Ambiente in den Tankstellenbistros zu schaffen, belächelt. Mittlerweile ist die Shoparchitektur so detailversessen, dass selbst mit farbigem Licht gearbeitet wird. Im Shop komme es wesentlich auf die
Stimulanzien an, erklärt Reiner Ropohl: „Der Rahmen des Shopeingangs einiger unserer Großtankstellen leuchtet im Winter rötlich warm, im Sommer blau. Im Shop setzt sich das fort, in der Kühlecke haben wir blaues Licht, im Gastronomiebereich dominieren Holzfarben und Brauntöne.“ Ziel sei es, dass der Gast sich wohlfühlt und den Besuch der Tankstelle in guter Erinnerung behält. Allein durch den Warenverkauf lasse sich das nicht erreichen. Doch auch das Ambiente bilde nur den Rahmen, am wichtigsten sei die Begegnung mit netten und kompetenten Mitarbeitern, so Ropohl. Bei Q1 in Osnabrück begann man 2011 mit der Arbeit an einem neuen Shop-Konzept, seit 2014 wird es nach und nach umgesetzt. Die Osnabrücker trennen das Tanken und die Dienstleistungen rund um das Auto deutlich von Shop und Bistro. Für den Außenbereich steht die Hausmarke Q1. Die Oase soll sich durch eine eigenständige Marken- und Farbwelt abheben.
„Von Ferne nimmt der Kunde uns als modern und klassischzeitlos wahr.“ Frederick Beckmann, Q1 Mineralöle AG
Das Tanken wird zur Nebensache: Reiner Ropohl vom Vorstand der Westfalen AG hat bei der Gestaltung der Tankstelle von morgen vor allem den Menschen im Blick.Dieser soll sich wohlfühlen,, weshalb das Dienstleistungsangebot stetig ausgebaut wird.
Überraschenderweise hat man entschieden, dass weniger mehr ist. Im Shop setzt das Unternehmen nur eine Handvoll Farben ein, auch bei den Ausbeschilderungen ist es sparsam. Die Produkte sollen für sich sprechen. Die Idee: Der Kunde soll sich so leichter orientieren. Es soll möglichst wenig Störfaktoren geben. Westfalen hat neben Licht und Farbe auch die Beschallung und Düfte in seine Überlegungen einbezogen. An den Tankstellen laufen unterschiedliche Musikprogramme. In der Studentenstadt Münster andere als dort, wo mehr ältere Leute verkehren. Beim Duft haben die Münsteraner die Erfahrung gemacht: Künstliche Düfte funktionieren nicht. „Der beste Duft ist der von frischem Kaffee und Brötchen“, sagt Ropohl. Der Manager definiert moderne Tankstellen als „Versorgungsorte für Mensch und Auto“. Früher sei es nur um Benzin und Öl gegangen, inzwischen sei das Thema Auto in den Hintergrund gerückt. „Der mobile Mensch muss sich bei uns wohlfühlen“, so Ropohl. „Er soll möglichst viele Dinge bei uns erledigen können: Impulskäufe, die nicht auf dem Zettel stehen, zum Beispiel kleine Snacks.“ Das Dienstleistungsangebot an der Tankstelle wird permanent ausgebaut. Oft gehört eine Reinigungsannahme dazu oder ein Paketshop. Das Tanken und Waschen passiert nebenbei. „Die Tankstelle von morgen wird ein vollkommen anderes Gesicht haben“, sagt Ropohl: „Es wird Angebote für diverse Antriebstechnologien geben: synthetische Kraftstoffe, Autogas, Ladestrom, Wasserstoff und die herkömmlichen Kraftstoffe. Eine professionelle Fahrzeugwäsche wird dazugehören und ein Shop mit breitem Sortiment. Die Tankstelle wird zum Nahversorger, damit trägt sie den neuen Verzehrge-
wohnheiten Rechnung.“ Seine Bistros rüstet Westfalen mit mobilen Arbeitsplätzen aus, inklusive Strom und W-Lan. Das Shopangebot charakterisiert Ropohl als Convenience. Weil er Zeit spare und Bequemlichkeit zu schätzen wisse, sei der Kunde gern bereit, einen geringen Mehrpreis zu zahlen. Die Handvoll Dinge, die er kurzfristig benötigt, kann er an der Tankstelle en passant mitnehmen. Q1 bietet in seinen Shops auch regionale Spezialitäten wie Biere oder lokale Lebensmittel an. Ganz viele Gedanken haben sich die Osnabrücker über ihre Gastronomie gemacht. In den Oase-Bistros gibt es einen Mittagstisch mit frisch zubereiteten Speisen. Q1 beschäftigt eine eigene Köchin. Roter Fußboden markiert den Verweilbereich am Fenster, das ist der Premiumplatz. Auch Q1 bietet den Gästen kostenloses W-Lan und Steckdosen an den Tischen. Das Shop-Angebot umfasst diverse Dienstleistungen, darunter etwa Bargeldautomaten oder einen Lotto-Service. An einem digitalen Verkaufsterminal kann der Kunde Verträge für Tankkarten abschließen oder seinen Energieanbieter wechseln. Noch aufwendiger sind die Pläne von Westfalen für eine neue Tankstelle in Gelsenkirchen: Auf 400 Quadratmeter Nutzfläche will man hier eine Gastronomie mit verschiedenen Modulen schaffen, ähnlich wie in manchen Einkaufspassagen. Für das Projekt mit dem Arbeitstitel „Die Lagune“ ist zudem eine multifunktionale Nutzung geplant. „Wir denken an Veranstaltungen wie Lesungen mit Künstlern aus der Region“, sagt Ropohl: „Die Tankstelle tritt damit in ganz anderen Bezug zu ihrer Umgebung, sie gewinnt eine neue Attraktivität.“ Mit ihren Konzepten stehen die beiden Betreiber aus der Region bei der Neustrukturierung der Branche an vorderster Front, und sie sind noch längst nicht fertig mit dem Umbau. Man versuche laufend zu antizipieren, was der Kunde wohl morgen oder übermorgen erwarten könnte, so Q1Chef Beckmann. Dabei spiele die demografische Entwicklung eine Rolle, die wachsende Zahl von Single-Haushalten oder der größere Anteil von Frauen unter den Autofahrern. Sein Kollege Ropohl rechnet für die nahe Zukunft mit weiteren Services an der Tankstelle. Als Beispiele nennt er das Carsharing, Mobile Payment oder Home Delivery. „Grundsätzlich sehen wir die Veränderung des Tankstellenmarktes als große Chance“, resümiert er: „Wer früh genug zukunftsfähige Konzepte erarbeitet, kann diese Chance nutzen. Als Mittelständler sind wir da klar im Vorteil.“ Beckmann ist ähnlich optimistisch. Er glaubt, dass es in Zukunft immer mehr spezialisierte Anbieter geben werde. Eine Tankstelle im ländlichen Raum werde anders aussehen als eine in der Stadt. „Für die großen Konzerne ist diese wachsende Komplexität teilweise unattraktiv“, sagt Beckmann: „Außerdem sind die Margen nicht mehr interessant für sie. Wir glauben, dass sie sich langfristig aus dem aktiven Tankstellengeschäft zurückziehen werden.“
Die ersten Tankstellen der Westfalen AG entstanden in den 50er-Jahren – so auch diese in Osnabrück-Fledder.
Fotos: Hermann Pentermann
90 Jahre Tankstellen Vom Fläschchen aus der Apotheke zum bundesweiten Tankstellennetz VON HERMANN PENTERMANN OSNABRÜCK/MÜNSTER. Die Tank-
stelle wird 90. Beim Blick zurück wird deutlich, wie stark das Auto und die ihm zugehörige Infrastruktur unsere Lebenswelt seitdem verändert haben. Auch die Wurzeln der beiden Tankstellenbetreiber aus der Region reichen weit zurück. Doch eigentlich begann alles in der Apotheke.
Cäcilie Bertha Benz hatte ihren eigenen Kopf und Mut zum Risiko. Um die Zuverlässigkeit der von ihrem Mann entwickelten Motorkutsche zu beweisen, setzte sich die resolute Frau im Jahr 1888 kurzerhand mit den beiden 15 und 13 Jahre alten Söhnen Eugen und Richard in den Wagen und machte sich auf den Weg von Mannheim nach Brötzingen bei Pforzheim – ohne Wissen ihres Mannes Carl. Auf der gut 100 Kilometer langen Strecke musste sie unterwegs Treibstoff nachfüllen. Den gab es damals nur in Apotheken. Kurz vor der nächsten in Wiesloch ging den dreien der Sprit aus. Doch wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg: Schiebend erreichten sie die Stadt-Apotheke von Willi Ocker. Bertha wollte mit zehn Litern volltanken, doch der Apotheker hatte nur knapp drei Liter in 0,1- und 0,2-Liter-Fläschchen. Auch das konnte die entschlussfreudige Frau nicht entmutigen, gegen alle Widernisse gelangte sie mit ihren Söhnen ans Ziel und auch wieder zurück nach Mannheim. Mit der legendären Langstreckenfahrt half sie, bis dahin skeptische Kunden zu überzeugen. Der Kraftwagen wurde zum wirtschaftlichen Erfolg.
Zwölf Jahre später gab es in Deutschland immerhin schon 3000 Kraftfahrzeuge, bis zu Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 waren es gut 93 000. Treibstoff gab es nun an rund 50 000 Benzinstationen. Vor Gaststätten und kleinen Läden, in Hinterhöfen und an Bretterbuden am Rande staubiger Dorfstraßen standen Fässer mit Handpumpen auf dem Bürgersteig. Der Verkauf erfolgte im Nebenerwerb. Die erste Tankstelle entstand am 11. August 1927 – vor 90 Jahren – in Hamburg: Die Anlage an der Hudtwalckerstraße hatte bereits alle Merkmale einer Großtankstelle: Es gab eine eigene Zu- und Abfahrt, einen Kassen- und Kundenraum sowie leicht erhöhte Tankinseln mit mehreren Zapfsäulen für verschiedene Kraftstoffarten.
Vor Gaststätten, in Hinterhöfen und an staubigen Dorfstraßen standen Fässer mit Handpumpen.
Zum Schutz vor Regen waren sie von einem auf Säulen ruhenden Vordach überdacht. Auf dem Bahnhofsplatz in Münster baute zu dieser Zeit auch die Westfalen AG ihre erste Tankstelle; ebenso wie die Brüder Julius, Werner und Wilhelm Beckmann an der Georgstraße in Osnabrück. Deren Nachbarn waren nicht begeistert von der Tankstation. Sie hatten Angst vor dem explosiven Benzin und dem Lärm der tankenden Wagen. Ein Gericht beschränkte die Zahl der zu betankenden Autos auf sieben am Tag. Mit der Tankstelle entstand ein neuer Beruf, der mittlerweile schon wieder verschwunden ist. Der uniformierte Tankwart tankte nicht nur, er wusch die Scheiben und prüfte den Luftdruck. In der angegliederten Werkstatt erledigte er Reparaturen und den Öl- und Reifenwechsel. Bis zum Jahr 1970 wuchs die Zahl der Tankstellen in der Bundesrepublik Deutschland auf gut 46 000. Dann kam die Ölkrise. 1973 und 1974 sprang der Preis für das Barrel Öl von drei auf zwölf US-Dollar. Innerhalb kurzer Zeit bereinigte sich das Tankstellennetz auf 26 000 Standorte. Weil sich die Menge der Autos gleichzeitig fast verdoppelte, versorgte jede Tankstelle nun 900 Fahrzeuge. Die Selbstbedienung wurde zum Standard. Das Serviceangebot wuchs. Eine Ausnahmeregelung genehmigte den Verkauf für den Reisebedarf. Inzwischen erwirtschaften die nun nur noch 14 000 Tankstellen im wiedervereinigten Deutschland den Großteil ihrer Gewinne nicht mehr mit Kraftstoffen, sondern über ihre Shops.
In den 50er-Jahren stand an der Alten Poststraße in Osnabrück eine Nitag-Tankstelle (heute Aral).Links im Hintergrund: Trümmerreste aus dem Krieg.
DONNERSTAG, 31. AUGUST 2017
VERLAGS-SONDERVERÖFFENTLICHUNG
UNTERNEHMENSNACHFOLGE
Fachkräftemangel trifft Unternehmermangel Mehr als zehntausend mittelständische Unternehmen der Region vor Nachfolgefrage pm BRAMSCHE. Mehr als 10 000 mittelständische Unternehmen mit rund 50 000 Beschäftigten im Kammerbezirk der IHK Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim stehen bis 2022 vor einem Generationswechsel. Dies ist das Ergebnis einer aktuellen Regionalstudie, die das bundesweit tätige Unternehmen K.E.R.N, das sich auf die Beratung zu Nachfolgeregelungen bei Unternehmen spezialisiert hat, durchgeführt hat. Das Ergebnis entspricht laut dem Unternehmen einem Anstieg von 60 Prozent gegenüber 2017. Die Studie zeige, so die Firma in einer Pressemeldung weiter, dass diese Entwicklung viele mittelständische Familienunternehmen und damit das Rückgrat der erfolgreichen mittelständischen Wirtschaft der Region betreffe: • Rund 4400 der betroffenen Unternehmen erwirtschaften einen Umsatz zwischen 250 000 und 5 Millionen Euro. • Rund 3600 dieser Unternehmen beschäftigen zwischen 5 und 200 Mitarbeiter. • Die Anzahl nachfolgebetroffener Firmen steigt branchenübergreifend um etwa 50 Prozent. In der
Baubranche und im IT- und Telekommunikationssektor ist laut der Studie sogar mit einem Anstieg von 64 bzw. 72 Prozent zu rechnen. „Rund 59 Prozent aller klassischen Mittelständler in der Region sind bereits heute älter als 50 Jahre und damit etwas älter als im Bundesdurchschnitt. Diese Entwicklung verschont keine Branche“, sagt Ingo Claus, der das Unternehmen von Bramsche aus vertritt. Er ergänzt: „Kleinere Betriebe mit bis zu fünf Mitarbeitern haben es schon heute eher schwer, eine erfolgreiche Nachfolge zu organisieren.“ Aktuell werde diese alarmierende Entwicklung noch von einer sehr guten Auftragslage im Mittelstand überdeckt. Sie gehe einher mit einem beständigen Rückgang innerfamiliärer Unternehmensnachfolgen und einem – aus der guten Beschäftigungssituation resultierenden – Unternehmermangel. In den kommenden Jahren wird diese Entwicklung, so die Prognose des Fachmanns, zu einem Überangebot nachfolgebetroffener Firmen führen. Die besten Chancen auf eine erfolgreiche Übergabe hätten Firmeninhaber, die ein attraktives Unternehmen anbieten
Mitarbeiterzahl der vor einem Generationswechsel stehenden Betriebe Anzahl der Mittelständler, bei denen die Unternehmensleitung oder die geschäftsführenden Gesellschafter älter als 55 Jahre sind. 10.000 8.000 100 - 499 MA
6.000
10 - 99 MA 5 - 9 MA
4.000
1 - 4 MA
2.000 0
2017
2022
Die Anzahl kleiner und mittelständischer Unternehmen, die im Kammerbezirk eine Nachfolge für ihren Chef organisieren müssen, steigt bis 2022 um rund 60% auf über 10.000. Dies betrifft bis zu 50.000 ArbeitsQuelle: Regionalstudie Generationswechsel im Osnabrücker Mittelstand l K.E.R.N. – Die Nachfolgespezialisten plätze in der Region.
und somit ein möglichst risikoarmes Invest für einen Käufer darstellen. Was können Unternehmer tun? Gerade bei familienexternen Nachfolgen wird die Nachfolgersuche zu einem Kampf um die besten Köpfe, meint der Experte. Unternehmensnachfolger gehen bei der Auswahl und Analyse möglicher Kaufobjekte sehr rational und strukturiert vor. Aus die-
Unternehmen ist leichter zu übergeben. • Frühzeitige Nachfolgeplanung: Eine gute Vorbereitung braucht Zeit und sollte Rückschläge mit einkalkulieren. Der DIHK empfiehlt eine erste Beschäftigung mit dem Thema ab spätestens dem 55. Lebensjahr. • Nachfolgespezialisten einbinden: Transaktionserfahrene Begleiter erarbeiten ein Nachfolgekonzept und begleiten den Prozess über die steuerliche und rechtliche Beratung hinaus von A bis Z. Sie sichern eine hohe Diskretion bei der Nachfolgersuche, erkennen Konflikte frühzeitig und verringern durch eine stringente Prozessbegleitung die Gefahr teurer Neustarts oder Projektabbrüche. Eine gute Vorbereitung des Generationswechsels zahlt sich nicht nur für den Unternehmen aus, erklärt der Experte. Denn: Jede ungelöste Unternehmensnachfolge gefährde Arbeitsplätze und schwäche die Wirtschaftskraft als auch den Wohlstand der Region. Somit sei die erfolgreiche Lösung der Unternehmensnachfolge im Mittelstand der Region eine der wichtigsten Zukunftsfragen im Osnabrücker Land, dem Emsland und der Grafschaft Bentheim.
sem Grund zahlt es sich aus, die Nachfolgefähigkeit eines Unternehmens frühzeitig herzustellen. Dies erfolge u. a. über die folgenden Maßnahmen, weiß der Fachmann: • Zukunftsfähigkeit sicherstellen: Das bestehende Geschäftsmodell absichern und zukunftsfit machen. • Wirtschaftlichen Erfolg absichern: Ein nachhaltig profitables
Unternehmen zahlt einen marktüblichen Unternehmerlohn, verzinst das Eigenkapital positiv und preist das unternehmerische Risiko mit ein. • Übergabefähigkeit herstellen: Wenn möglich, sollten Firmeninhaber bereits vor der Übergabe versuchen, sich vom operativen Geschäft zu lösen. Ein im Tagesgeschäft von der Unternehmerpersönlichkeit unabhängiges
bungspunkten verbunden ist. So haben Sohn oder Tochter eventuell andere Vorstellungen, in welche Richtung sich das Unternehmen entwickeln soll. Gut sei, während der Übergangsphase die jeweiligen Vorstellungen anzusprechen. Und Vater und Mutter müssen auch akzeptieren, wenn ihr Kind Neuerungen vorhat – und sich vor Augen halten, dass Änderungen manchmal nötig und gut sind. Eine Möglichkeit, damit Vater oder Mutter den Betrieb nicht
Das eigene Werk an die Kinder weitergeben ist ein Wunsch vieler Chefs mittelständischer Betriebe.Nicht ganz unproblematisch.Ein Beirat kann für alle Beteiligten hilfreich sein. Foto: iStock
Betriebsübergabe in der Familie Durch Beirat Erfahrungswerte nutzen dpa BERLIN. Das eigene Werk an die Kinder weitergeben – ein Wunsch vieler Chefs mittelständischer Betriebe. Aber heute ist es nicht mehr die Regel, dass die Kinder die Firma tatsächlich übernehmen wollen. Es hilft, schon früh den richtigen Eindruck vom Unternehmertum zu vermitteln. In vielen mittelständischen Betrieben wünschen sich die Chefs, das Unternehmen in der eigenen Fa-
milie zu halten. Damit die Sprösslinge dem Wunsch tatsächlich nachkommen, müssen die Eltern aber selbst etwas tun: Der Nachwuchs muss zum Beispiel schon früh merken, dass die Arbeit Freude macht, sagt Marc Evers vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Spürt er nur, dass der Job Stress und Ärger verursacht und Zeit raubt, haben Vater oder Mutter schlechte Karten, den Nachfolger in der eigenen Familie zu finden.
Den Vorteil in der Familiennachfolge sehen viele Mittelständler darin, dass das Kind den Betrieb womöglich besser kennt als ein fremder Manager, erklärt Evers. Außerdem geht der Wunsch damit einher, dass die Übergabe dem Patriarchen so leichter fällt als ein Verkauf an einen Fremden. Dieser Wunsch erfüllt sich aber nicht zwangsläufig: „Das Loslassen fällt schwer“, weiß Evers. Man dürfe nicht unterschätzen, dass auch die Übergabe in der Familie mit Rei-
ganz verlassen müssen, dem Nachfolger aber auch nicht zu stark hineinreden, ist das Schaffen eines Beirats für das Unternehmen. Durch ihn könne man sich den Er-
fahrungswert zunutze machen und Vater oder Mutter die Verbindung zum Unternehmen gewähren, ohne dass sie zu viel Druck ausüben.
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GELD & GESCHÄFT
Die Sparschweinerei Die Deutschen verfügen über ein Billionenvermögen, aber sie tun zu wenig, um es zu erhalten. Warum das so ist und was dagegen hilft.
VON SABRINA WENDT OLDENBURG. Die Zinsflaute
bringt Sparer um ihre Rendite. Zugleich scheuen viele davor zurück, risikobehaftete Wege einzuschlagen und beispielsweise in Aktien zu investieren. Dabei könnte das erfolgversprechend sein – sofern sie einige Tipps beachten.
Mal angenommen, Ihr Dünger wirkt nicht mehr. Triebe bleiben aus. Blüten verkümmern. Die Pflanzen überleben, aber sie wachsen kaum noch. Nun gibt es da diesen neuen Dünger: Er sorgt für Wachstum, ist aber weniger verbreitet. Probieren Sie den aus? Oder schauen Sie Ihren Pflanzen weiter beim Darben zu? Die Mehrzahl der Deutschen entscheidet sich offenbar für Letzteres. Laut Bundesbank liegt das meiste Geld hierzulande auf Girokonten, Sparbüchern oder steckt in Lebensversicherungen. Der größte Posten waren Ende 2016 Bargeld, Geld auf Girokonten oder Spareinlagen mit insgesamt 2200 Milliarden Euro. In Aktien investiert hingegen nur eine Minderheit. Nach Angaben des Deutschen Aktieninstituts (DAI) lag die Zahl der Aktionäre im vergangenen
Jahr knapp unter neun Millionen. Dabei hat der Dax in den vergangenen drei Jahren um knapp 30 Prozent zugelegt. Die Zinsen hingegen dümpelten in dieser Zeit auf historisch niedrigem Niveau. Wer Glück hat, gleicht mit den mageren Erträgen die Inflation aus. Vielen gelingt nicht mal das. Weshalb aber schauen die sprichwörtlich sparsamen Deutschen dabei zu, wie ihr Vermögen an Wert verliert? „Deutsche Anleger sind historisch, ja quasi genetisch sicherheitsorientierte Anleger“, sagt Carsten Brömstrup, Finanzmarktexperte bei der Olden-
Das meiste Geld liegt hierzulande auf Girokonten, Sparbüchern oder steckt in Versicherungen.
burgischen Landesbank: „Unsere Eltern und Großeltern waren fleißige Sparer und haben die Erfahrungen der Großen Depression in den 30er-Jahren und der Nachkriegszeit an die folgende Generation weitergegeben.“ Geht es um geringfügig weniger konventionelle Anlageformen, komme die „German Angst“ ins Spiel, bekräftigt von negativen Erfahrungen wie der geplatzten Dotcom-Blase im Jahr 2000, der Lehman-Brothers-Pleite acht Jahre später und dem folgenden Börsencrash, dessen Auswirkungen bis heute in Form von Nullzinsen zu spüren sind. Auch 21 Jahre nach dem Börsengang der Telekom und der Geburt der Volksaktie fremdeln die Deutschen noch immer mit Wertpapieren. Die Zahl der direkten Aktionäre, also jener Anleger, die nicht mittelbar über Aktienfonds investiert haben, sondern direkt Wertpapiere halten, lag im vergangenen Jahr mit 4,4 Millionen niedriger als 1998. Dabei zeigen Berechnungen des DAI: Allein beim Dax konnten sich Anleger im vergangenen Jahr über eine Gesamtrendite von 6,9 Prozent freuen. Gerechnet auf 20 bis 30 Jahre, lagen die jährlichen Renditen in der
Foto: Colourbox.de
Vergangenheit trotz Schwankungen zwischen sechs und neun Prozent. Davon können die 40 Prozent der Bundesbürger, die laut GfK ihr Geld auf einem Sparbuch lagern, nur träumen. Und Besserung bei den Zinsen ist kaum in Sicht. Während die USA zuletzt in Trippelschritten den Leitzins angehoben haben, belässt die Europäische Zentralbank ihren Satz bislang bei null. Gut möglich also, dass der Leidensdruck die Sparer bald doch an die Börse treibt.
„Höhere Renditen sind nur durch mehr Risiko zu erzielen“, sagt Brömstrup „aber je länger Sie anlegen und je breiter Sie Ihre Anlagen streuen, desto eher gleichen sich die Schwankungen bei der Wertentwicklung aus.“ Die beständigsten Ergebnisse ließen sich dann erzielen, „wenn Sie Ihrer Strategie langfristig treu bleiben – und nur im Notfall groß umschichten“. Schon bevor das Wort Diversifikation Karriere machte, empfahlen vorsichtige Kaufmänner: Leg nicht alle Eier in denselben Korb. Dem
pflichtet Brömstrup bei. „Wenn Sie bereits größere Beträge in sicheren Anlageformen wie Tages- oder Festgeld besitzen, ist es vernünftig, einen guten Teil in höherverzinsliche Anleihen und Aktien zu investieren“, sagt der Finanzexperte. Ein ausreichendes Liquiditätspolster könne Anleger davor bewahren, bei finanziellen Engpässen verkaufen zu müssen. Anschließend gehe es darum, das Geld zwischen sicheren und renditestarken Anlagen aufzuteilen. Das Depot sollte global ausgerichtet sein, „neben Europa gehört auf jeden Fall auch ein US-Anteil sowie ein Schwellenländeranteil dazu“, sagt Brömstrup. Ratsam sei eine Gleichgewichtung dieser drei Regionen. „Wir empfehlen unseren Kunden, sich zunächst auf die einfachsten, liquidesten und transparentesten Anlageklassen zu beschränken. Das sind vor allem Investmentfonds, sowohl aktiv gemanagte als auch passive Fonds, die einen Aktien- oder Rentenindex abbilden“, erklärt Brömstrup. Ein neuer Dünger muss kein Abenteuertrip sein. Richtig eingesetzt, kann er über karge Zeiten helfen. Mit etwas Fingerspitzengefühl verwendet, sorgt er vielleicht sogar für neue Ernterekorde.
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LEBEN & LEIDENSCHAFT
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Schick und modern: Fünf der sieben Tischreihen im neu gestalteten Landtag in Hannover wurden bereits montiert.Entstanden sind die Möbel beim Nordhorner Objekteinrichter Rosink GmbH.
Foto: Guido Bangen
Rosink möbelt neuen Landtag auf Objekteinrichter aus Nordhorn baut 198 Tische und Pultanlagen für den neuen Plenarsaal im Leineschloss Hannover
Wichtigste Frage: Wie muss ein zeitgemäßer Arbeitsplatz aussehen? Herausforderung für die Einrichter: Jeder Tisch hat andere Maße. Computergesteuerte Maschinen helfen bei der Auftragsabwicklung. VON ROLF MASSELINK NORDHORN/HANNOVER. Am 27.
Oktober soll es so weit sein: Nach vierjähriger Umbauzeit kehrt der Niedersächsische Landtag nach der Wahl vom 15. Oktober in neuer Zusammensetzung zurück ins Leineschloss. Im neuen „Plenarsaal mit Stadtbezug“ nehmen die Abgeordneten Platz an Arbeitstischen, die in Nordhorn entstanden sind – beim Objekteinrichter Rosink GmbH.
Mehr als 53 Millionen Euro gibt das Land Niedersachsen zurzeit für die Modernisierung des denkmalgeschützten Landtagsgebäudes in Hannover aus – eine Kernsanierung, die einem Neubau sehr nahe kommt: Zwar bleibt das äußere Erscheinungsbild des Leineschlosses weitgehend erhalten, aber im Inneren ist kaum ein Stein auf dem anderen geblieben. Im Juli 2014 begannen die Bauarbeiten, nach gut dreijähriger Bauzeit geht der Umbau nun seiner Vollendung entgegen. Im 200 Kilometer entfernten Nordhorn sind die Arbeiten am
neuen Plenarsaal bereits weitgehend abgeschlossen. Hier wurde im Frühjahr mit Hochdruck am neuen Landesparlament gearbeitet. Bei der Firma Rosink Objekteinrichtungen GmbH entstanden in solider Tischlerarbeit 198 Abgeordnetentische und sonstige Tischanlagen für den neuen Plenarsaal. Als Zulieferer für den Innenausbauer des Leineschlosses hat der Nordhorner Objekteinrichter alle Tische und Pulte für das Gebäude gebaut. Inzwischen stehen die Möbelstücke im Plenarsaal, ab Mai haben Rosink-Mitarbeiter sie dort aufgebaut. Wie muss ein zeitgemäß und funktional gestalteter Arbeitsplatz für einen Landtagsabgeordneten aussehen? Welche Technik muss er bieten? Wie sollen die Tische angeordnet werden? Diese Fragen standen früh im Mittelpunkt der Überlegungen für den Landtagsumbau. Ergebnis ist ein siebenreihiges Halbrund aus schlicht wirkenden cremeweißen Abgeordnetentischen, gruppiert um das Red-
nerpult. Dahinter wurden die Plätze für Präsidium und Regierungsvertreter positioniert. Diese Anordnung schafft nicht nur beste Sichtverhältnisse von allen Plätzen, sondern setzt auch bewusst die Transparenz des Gebäudeentwurfs ins Innere des Plenarsaals fort.
Für den Schallschutz mussten 500 000 Löcher gebohrt werden.
Passt alles? Im November nehmen die frisch gewählten Landtagsabgeordneten an den neuen Tischen Platz. Foto: Werner Westdörp
Nahezu jeder Abgeordnetenplatz ist ein Unikat, das sich in seinen Maßen von den anderen unterscheidet. Denn jeder Einzeltisch muss sich einfügen in das exakt abgezirkelte Halbrund des neuen Sitzungssaals. Das heißt: Die Einzeltische für die Abgeordneten sind nicht rechteckig, sondern leicht gerundet, und je nach Position im Raum hat die Rundung unterschiedliche Radien. Die an der Kopfseite des Plenarsaals angeordneten Tische für das Landtagspräsidium, für die Landesregierung und die Landesbehörden werden hingegen gerade ausgeführt. Allen diesen cremeweißen, schlichte Eleganz ausstrahlenden Tischpulten gemeinsam ist ihre senkrechte, mit feinen Bohrungen versehene Front. Sie soll schallschluckend wirken. „Dafür mussten wir insgesamt 500 000 Löcher von fünf und sechs Millimeter Durchmesser bohren“, sagt Rosink-Geschäftsführer Dirk Brandt. „Wir“, das ist in diesem Fall ein computergesteuerter Fräsautomat in der Rosink-Werkstatt an der Marienburger Straße. „Ohne CAD-Design, EDV-gesteuerte Arbeitsabläufe und modernste Bearbeitungsmaschinen sind solche Aufträge gar nicht abzuwickeln“, so Brandt. Das Geheimnis der Möbelstücke steckt im Detail. Das beginnt mit dem Werkstoff – kein Holz, sondern ein neuartiger schlag- und kratzfester Verbundwerkstoff. Dahinter steckt jede Menge unsichtbarer Technik, vor allem die Vorrüstungen für Kommunikationsund Datentechnik, die in der Vorderwand und unter der Tischplatte verbaut ist. Zu dem „Tischsystem“ gehören auch spezielle Sessel, die nicht in
Skizzen für den Plenarsaal des neuen Landtags betrachten Rosink-Geschäftsführer Dirk Brandt (links) und Möbelbauer Heinz-Friedrich Hofste. Foto: Stephan Konjer
Nordhorn gebaut werden. Sie werden auf einem ausgeklügelten Verschiebesystem montiert, das fest am Boden verankert wird. Unter diesem Boden verbirgt sich übrigens die aufwendige Klimatechnik des Parlaments. Inzwischen ist die Möblierung des Plenarsaals weitgehend abgeschlossen. Die komplizierte Technik ist kaum mehr zu sehen. Im neuen Plenarsaal des Landtags wirkt das Halbrund der Tischreihen funktional und unaufdringlich. Hier ist inzwischen alles bereit, damit an den neuen Tischen und Pulten schon bald Politik gemacht werden kann. Nach der offiziellen Eröffnung des neuen Plenarsaals am 27. Oktober sollen die 137 Abgeordneten dort im November zu ihrer ersten regulären Sitzung zusammenkommen. Vor mehr als vier Jahren hatte die Baukommission des Landtages
sich am 25. Juni 2013 einstimmig entschieden, den alten Plenarsaal im Leineschloss durch einen „Plenarsaal mit Stadtbezug“ zu ersetzen. Die Entscheidung, den Entwurf des Stuttgarter Architekturbüros Blocher Partners umzusetzen, zog den Schlussstrich unter jahrelange Diskussionen um Neubau oder Sanierung. Im Sommer 2014 begann der Umbau. Trotz einiger Verzögerungen soll er in diesem Herbst beendet sein. Die Neugestaltung orientiert sich an der Vorgabe, das Landtagsgebäude in seiner äußeren Gestalt zu erhalten, im Inneren aber grundsätzlich zu modernisieren und den heutigen Bedürfnissen anzupassen. Zu beachten war dabei außerdem, dass die Gestaltungsideen des ursprünglichen Gebäudeplaners Dieter Oesterlen aus den 1950er-Jahren erkennbar bleiben.
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LEBEN & LEIDENSCHAFT
Von der Verantwortung, anderen zu helfen Als Mitbegründer der Nordhorner Semcoglas-Gruppe feierte Rolf Sawatzki Erfolge. Nun, als Ruheständler, macht er sich für Arme stark.
VON JONAS SCHÖNROCK BAD BENTHEIM/NORDHORN. Rolf
Sawatzki ist Mitbegründer der Nordhorner Semcoglas-Gruppe. Als Ruheständler hat er es sich auf die Fahnen geschrieben, Menschen zu unterstützen, die im Leben weniger Glück hatten als er.
Die vielen Kinder auf der Steintreppe vor dem Krankenhaus sind ihm damals in Bolivien sofort aufgefallen. Rolf Sawatzki ist mit einer Gruppe Nordhorner Ärzte nach Camargo geflogen, um sich die kleine Klinik anzusehen, die die Mediziner dort gegründet haben. Er sucht eine neue Aufgabe, nachdem er sich mit 70 Jahren in den Ruhestand verabschiedet hat. Hier findet er sie. Die Kinder, erzählt man ihm, sind die Söhne und Töchter armer Bauern, die sie zur kostenlosen Behandlung in das Krankenhaus gebracht haben. Viele Eltern holen ihre Kinder jedoch gar nicht wieder ab, weil sie wissen, dass sie dort viel besser versorgt werden. „Habt ihr hier ein Grundstück? Ich baue euch da
etwas hin.“ Das ist so ein typischer Sawatzki-Satz. Er überlegt nicht lange, gründet eine Stiftung und baut ein Kinderheim. 2009 wird Eröffnung gefeiert, 45 Kinder leben aktuell dort. Jedes Jahr steckt er rund 25 000 Euro hinein. „Das Geld geht zu 100 Prozent in die Stiftung, ohne Verwaltungskosten“, sagt Sawatzki. Seine Ziele hat Rolf Sawatzki immer energisch verfolgt. Das hat ihn zum erfolgreichen Unternehmer werden lassen. Die von ihm mit gegründete Semcoglas-Gruppe ist der drittgrößte Hersteller für Isolierglas in Deutschland, 20 Betriebe, 1400 Mitarbeiter. „Es ist doch die Verantwortung von uns, die wir mehr haben als andere, zu helfen. Ich halte das für unabdingbar, wenn man so gut durch das Leben gekommen ist.“ Sätze, die man viel zu selten hört von großen Wirtschaftsbossen. „Ich bin selber durch die Armut gegangen. Das habe ich nicht vergessen“, sagt der heute 81-Jährige. Als Kind erlebt Rolf Sawatzki das Leid im Zweiten Weltkrieg hautnah mit, flieht mit seiner Mutter aus seiner Heimatstadt
Gelsenkirchen ins Münsterland. Der Vater ist in Gefangenschaft. Nach Kriegsende, zurück in Gelsenkirchen, geht er im Alter von 18 Jahren unter Tage: 40 Grad Hitze, Staub, Unfälle – ein Knochenjob. „Ich habe mir nach einer Weile gesagt: Mein lieber Rolf, das kann nicht alles sein“, erinnert sich Sawatzki. Er geht zur Bergschule, heute Bergingenieurschule – drei Tage Arbeit, drei Tage Unterricht. In der Zeche verdient er als Hauer Sonderprämien. Sawatzki wird Steiger, hat die Aufsicht über bis zu 40 Arbeiter. Aber auch das wollte er nicht für den Rest seines Lebens machen. „Ich habe neben der Arbeit mein Abitur nachgemacht und anschließend in Aachen Maschinenbau und Bergbaukunde studiert“, sagt er. „Ich habe Tag und Nacht gearbeitet und das Diplom schließlich mit ‚Sehr gut‘ abgeschlossen. Für seine Doktorarbeit geht Sawatzki zurück nach Gelsenkirchen, wo sein Vater in Schalke in einer Glashütte arbeitet. Rolf Sawatzki wird Betriebsleiter, später Direktor mit zehn Betrieben und 2000 Leuten unter sich.
Langjähriger Unternehmer, Kunstliebhaber, Museumsgründer: Semcoglas-Mitbegründer Rolf Sawatzki engagiert sich für diejenigen,die weniger haben als er. Foto: Iris Kersten
Es folgt der Schritt in die Selbstständigkeit. Mit der Firma Nowak aus Marl baut er einen Isolierglasbetrieb auf. Nach Unstimmigkeiten mit seinem Partner steigt Sawatzki aus. Sein Weg führt ihn in die Grafschaft Bentheim, wo er
1983 in Nordhorn mit Isoglas einen kleinen, insolventen Betrieb kauft. Doch er schafft die Wende, expandiert, baut drei weitere Betriebe mit 350 Mitarbeitern auf. „Dafür habe ich jeden Tag zwölf Stunden hart gearbeitet“, sagt er.
1997 kommt es zur Fusion der Isoglas-Gruppe mit dem Unternehmen Schüller-Qualitätsglas aus Westerstede zur Semcoglas-Gruppe. Mit 70 Jahren steigt Sawatzki aus dem operativen Geschäft aus. Doch mit Nichtstun wollte Rolf Sawatzki seinen Ruhestand nicht verbringen. Das Kinderheim in Bolivien ist nur eines seiner Betätigungsfelder. Seit seiner Studienzeit hegt der 81-Jährige eine große Liebe zur niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts. Weil es billiger war, lebte er damals nicht in Aachen, sondern in den Niederlanden. „An den Wochenenden habe ich dann immer die Museen besucht. Ich war wirklich überrascht, dass 80 Prozent aller Maler im 17. Jahrhundert in den kleinen Niederlanden konzentriert waren.“ Über die Jahre hat Rolf Sawatzki, der in Bad Bentheim und an der spanischen Mittelmeerküste lebt, eine beachtliche Sammlung niederländischer Meister zusammengetragen. Einen Teil hat er in eine weitere Stiftung übergeben: 2013 kauft der Unternehmer ein Haus auf dem Herrenberg, unterhalb der Burg in Bad Bentheim, und renoviert es. Jedes Jahr kommen zwei Gemälde hinzu. Seine neueste Errungenschaft ist ein echter Ruisdael: „Wasserfall mit Burg Bentheim von Nordwesten“ des niederländischen Meisters Jacob van Ruisdael (1628–1682). Nach seinem Tod, so hat Sawatzki verfügt, geht das Museum in den Besitz der Stadt Bad Bentheim über. Und Rolf Sawatzki wäre nicht er, wenn er nicht schon das nächste Projekt in Angriff genommen hätte: In Indien möchte er helfen, dass arme Bauern ihre Töchter zur Schule schicken können.
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LEBEN & LEIDENSCHAFT
Saubere Sache Die Firma German Oekotec aus Melle produziert Reinigungsmittel –die sind bei den Sportfreunden Lotte und sogar in Asien beliebt VON THOMAS WÜBKER MELLE. German Oekotec stellt
Reinigungsmittel her, die für Mensch und Umwelt verträglich sind. Davon gibt es schon viele. Die Melleraner behaupten aber, ihre Produkte seien binnen eines Tages biologisch abbaubar. Davon überzeugt wurden schon das vietnamesische Gesundheitsministerium und die Sportfreunde Lotte. Dennoch gilt es, noch einige Hürden zu überwinden. Aber die Melleraner sind gewiss: Die Zeit arbeitet für sie.
Mit dem Spruch „Nicht nur sauber, sondern rein“, warb die Schauspielerin Johanna König als Klementine in einem Werbesport für das Waschmittel Ariel. Das Versprechen können viele Unternehmen, die Reinigungsmittel produzieren, bis heute nicht halten. Sie setzen Mittel ein, die zwar für Sauberkeit sorgen, aber zugleich für Mensch und Umwelt giftig sind. Dass es auch anders geht, glaubt Burkhard Ponitz. Er hat die Rezeptur für die Reinigungsmittel von German Oekotec entwickelt und somit Klementines Spruch wahr gemacht, ist er überzeugt. Die Verträglichkeit der Produkte von German Oekotec für Mensch und Umwelt ist mehrfach von dem Institut dermatest in Münster bestätigt worden. Die biologische Abbaubarkeit der Reinigungsmittel der Melleraner wurde vom Chemischen Laboratorium Dr. Stegemann in Georgsmarienhütte untersucht. Die Behauptung der Melleraner, ihre Mittel seien innerhalb eines Tages biologisch abbaubar, wird in der Branche angezweifelt. „Wir setzen bewusst eine Biopflanzenseife ein, um eine komplette und schnellere Abbaubarkeit zu erreichen – im Gegensatz zu petrochemischen Tensiden. Unsere Reiniger verkleben nicht die Zellmembranen der für den Abbau zuständigen Mikroorganismen“, sagt Ponitz. Zusätzlich verzichte seine Firma bei ihren Fliesen- und Fugenreinigern auf jegliche Art von organischer Masse, so Ponitz weiter. „Dadurch belasten wir kein Abwasser und lösen keine CSB- oder TOC-Werte aus.“ So werden die Werte der organischen Stoffe und des Kohlenstoffs im Abwasser bezeichnet. Danach werden auch Abwassergebühren berechnet. Ponitz führt German Oekotec zusammen mit Guido Blum, kennengelernt haben sie sich vor vier Jahren. Blum leitete bis dahin ein Entsorgungsunternehmen in Melle. Bei einer Vorführung sah er, wie Ponitz den Lack eines Ford Mustang, Baujahr 1965, mit seiner Rezeptur säuberte. „Das Ergebnis war beeindruckend“, sagt Blum. Steine kamen ins Rollen – und sie gründeten German Oekotec.
So wie Blum müssen auch die Kunden überzeugt werden. „Wenn wir eingeladen werden, um unser Produkt zu demonstrieren, sind wir schon glücklich“, sagt Blum und erklärt, welche Hürden er und Ponitz überwinden müssen, um ihre Mittel an den Mann zu bringen: Skepsis einem neuen Produkt gegenüber; Gewohnheit, weil das alte Mittel ja immer funktioniert habe; Ignoranz, weil es Unternehmer gibt, die denken, dass durch giftige Stoffe und Dämpfe in Reinigungsmitteln erkrankte Mitarbeiter durch neue ausgetauscht werden können. Blum ist dennoch zuversichtlich: „Ein Bewusstsein für die Umwelt setzt sich nach und nach auch in Unternehmen durch.“ Allerdings dauert das. Manche Firmen und viele Schulen seien durch langfristige Verträge gebunden, sagt Blum. Die Sportfreunde Lotte haben sich bereits überzeugen lassen. Dort wird mit dem Eiweißlöser Fliesen- und Fugenreiniger Careox geputzt. „Die älteren Fliesen sind bei gleichem Aufwand ab der ersten Anwendung deutlich heller und sauberer geworden“, wird Marco Prütz aus dem Marketing und Vertrieb der Sportfreunde in einer Presse-Mitteilung zitiert. Dort kommt auch Reinigungskraft Gudrun Schulte zu Wort, die berichtet, dass sie sich nun keine Sorgen mehr um gereizte Haut und Atemwege machen müsse. Bisweilen kommt es vor, dass sich Kunden an German Oekotec wenden, wenn ihnen das Wasser bis zum Hals steht, erzählt Vertriebsleiter Jörg Wohlsen. Das vietnamesische Gesundheitsministerium kam auf die Melleraner zu, als Krankenhäuser in dem asiatischen Land mit Keimen verseucht und mit herkömmlichen Reinigungsmitteln nicht mehr zu bändigen waren. Ponitz erklärt, dass Mittel mit petrochemischen Zusätzen zwar oberflächlich reinigen und einen frischen Duft verbreiten würden. „Aber die Keime können in den Zwischenräumen der
Südeuropäer lieben Düfte, Nordeuropäer eher weniger.
Nicht nur sauber: Jörg Wohlsen,Vertriebsleiter bei German Oekotec,probiert Lederpflegemittel aus eigener Produkten auf einem Autositz aus., Fotos: Gert Westdörp
Glänzendes Geschäft: German-Oekotec-Geschäftsführer Guido Blum,Vertriebsleiter Jörg Wohlsen und Geschäftsführer Produktion Burkhard Ponitz verkaufen Reinigungsmittel.
Schaumblasen überleben“, sagt er. Die Mittel von German Oekotec, die aus Natrium, Calcium, Magnesium, Salzen und Seifen bestehen, entziehen den Keimen den Nährboden und hinterlassen keine Ölrückstände, fügt er an. Bei vielen Verbrauchern herrsche der Eindruck, dass Reinigungsmittel nur dann etwas taugen, wenn sie ordentlich schäumen und frisch duften, bedauert Ponitz. „Produkte ohne Duftstoffe haben begrenzte Marktchancen, da oft andere Inhaltsstoffe nicht so angenehm riechen“, sagt Ismene Jäger, die die Firma Ökologische Netze in Freiburg leitet, die kleine und mittelständische Unternehmen in Umweltfragen unterstützt. Bei der Frage des Geruchs gebe es große Unterschiede zwischen Südeuropäern, die viel Duft lieben, und Nordeuropäern, die weniger Duft bevorzugen. In Südostasien ist die Frage des Dufts eher zweitrangig. In Vietnam geht es vor allem um die Wirksamkeit. Eine Delegation aus dem Land war im Oktober 2016 im emsländischen Emstek bei dem Bio-Geflügel-Produzenten Biofino. Dort werden die Careox-Reinigungsmittel aus Melle seit 2014 eingesetzt. Das Gefahrenpotenzial der Verkeimung sei dort um ein Vielfaches geringer geworden, heißt es in einem Empfehlungsschreiben. Zudem konnten durch den Einsatz des Eiweißlösers die Abwasserwerte erheblich verbessert werden, was vom kommunalen Abwasserversorger in Emstek bestätigt wurde, heißt es weiter. Und einen weiteren positiven Effekt verzeichneten die Emsländer: „Die Reizungen der Schleimhäute und Haut unserer Mitarbeiter durch die früher eingesetzten Reinigungsmittel sind nicht mehr vorhanden.“ Der Betriebsleiter von Biofino, Siegfried Bohmann, bringt einen weiteren Aspekt ins Spiel. Das neue Reinigungsmittel sei zwar zunächst teurer als andere. Mittelfristig rentiere sich die Umstellung aber. Die Lebensdauer der Maschinen mache sich durch den geringeren Verschleiß von Betriebsmitteln zum Beispiel bei Laufbändern bezahlt.
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LEBEN & LEIDENSCHAFT
LEBEN & LEIDENSCHAFT
„Claqueure helfen einem nicht weiter“ Zwölf Jahre lang war Regina Halmich Box-Weltmeisterin – Im Interview spricht sie über Erfolge und Niederlagen und darüber, wie sich Frauen in männlich dominierten Branchen durchboxen können
Halmichs Karriere startete untypisch: mit einer Niederlage.
großer Beharrlichkeit. Das hat kurz- und auch langfristig geholfen. Vielleicht nicht ganz so extreme, aber dennoch ähnliche Probleme kennen viele Frauen aus der normalen Berufswelt, vor allem auf dem schwierigen Parkett der Führungsetagen. Haben Sie einen speziellen Tipp fürs Durchboxen in der männlichen Welt aus Konkurrenz und Erfolgsstreben? Was würden Sie jungen Frauen raten, die ins Berufsleben starten und einen Chefsessel im Visier haben? Fokussieren Sie unbedingt Ihr Ziel, leisten Sie immer Hervorragendes, und weisen Sie auf Ihre Leistungen auch deutlich hin. Frauen neigen leider immer noch dazu, sich selbst kleinzumachen, ihre Erfolge weniger an die große Glocke zu hängen als Männer und Misserfolge überzubewerten. Wenn Sie aber klasse sind, zeigen und sagen Sie es vernehmlich. Fordern Sie sichtbare Formen der Anerkennung und – nicht zu vergessen – „Belohnung“ ein. Lassen Sie sich nicht auf ein „nur“ reduzieren.
Rat der Weltmeisterin an Frauen im Beruf: auf Leistung hinweisen. Wer siegen will, muss trainieren – und Gegner einschätzen können. VON EVA TENZER OSNABRÜCK. Sie hat nicht nur das
Frauen-Boxen salonfähig und zum Medien-Ereignis gemacht, sondern sich auch innerhalb einer männlich dominierten Branche mit Beharrlichkeit und Coolness nach oben gekämpft: Regina Halmich. Im Interview erzählt die heute 40-Jährige, wie man Weltmeister wird , wie man es bleibt und wie man sich immer wieder neu zum Erfolg motiviert, selbst dann, wenn man doch mal in den Seilen hängt.
Frau Halmich, was bedeutet für Sie Erfolg? Wenn man sich ein Ziel gesetzt hat, alles dafür geleistet hat, um es zu erreichen, und dann erlebt, dass es sich gelohnt hat. Der Kampf, die kontinuierlichen Vorbereitungen, das Fokussieren auf dieses Ziel, vieles nur diesem unterzuordnen – und dann hat man es wirklich erreicht. Das ist ein wunderbares Gefühl von Erfolg! Was war Ihr größter Erfolg im Leben und welche Ihre bitterste Niederlage? Lassen Sie es mich in der umgekehrten Reihenfolge beantworten: Als ich in Las Vegas meinen allerersten WM-Kampf verlor. Es war so bitter. Ich hatte dieses große Ziel verfehlt – und ich erlebte eine ungeheure Schadenfreude um mich herum. Wer wollte schon Frauen im Ring sehen? So titelte damals eine große deutsche Tageszeitung. Aber ich bin wieder aufgestanden. Habe aus meiner Niederlage gelernt – und im wahrsten Sinne des Wortes neu angegriffen. Und gesiegt. Damit begann meine Karriere. Mein größter Erfolg also? Ich wurde Weltmeisterin und blieb es zwölf Jahre lang. Mir ist gelungen, es allen zu zeigen. Aus dem hämisch belächelten Nischendasein des Frauen-Boxens entwickelte sich eine ungeheure Popularität, die bis heute anhält. Frauen haben den Boxsport für sich entdeckt. In diesem Punkt möchte ich einmal ganz unbescheiden sein und sagen: Das ist auch mein Erfolg! Was hat Sie von klein an zum Erfolg motiviert – in einer längerfristigen Perspektive, aber auch kurzfristig, wenn man nach einem harten Schlag wieder aufstehen muss? Ich war immer schon eine Kämpferin. Bereits als kleines Mädchen wollte ich Dinge, die mich interessierten, nicht nur verstehen, sondern auch gründlich erforschen. Nicht immer zur Freude meiner Eltern übrigens. Schon sehr früh wusste ich, dass es sich lohnt, für seine Ziele zu kämpfen. Es ist nicht schlimm, mal zu verlieren – aber man muss wieder aufstehen können. Ich wollte nicht akzeptieren, dass Niederlagen grundsätzlich unvermeidlich und im Besonderen „unabänderlich“
tiger Grundsatz. Aber die Vorbereitung auf die Begegnung, die Analyse, die Strategie des Bezwingens hat vor dem eigentlichen Kampf stattgefunden. Im Ring muss der Kopf dann absolut klar und frei sein.
Haben Sie im Ring Dinge gelernt, die für die Kämpfe draußen hilfreich waren? Was lehrt das Boxen beispielsweise über Wettbewerb und Konkurrenz sowie den Umgang mit ihnen in der Welt außerhalb des Rings? Das Einschätzen des Gegners, das Analysieren seiner Stärken und Schwächen sind wichtig. Man muss sich eine eigene Strategie zurechtlegen. Das kontinuierliche Training, um das eigene Ziel zu erreichen, ist unerlässlich. Und auch: Auf Rat und Unterstützung des eigenen Teams zu hören, auch Unpopuläres anzunehmen und umzusetzen. Claqueure helfen einem nicht weiter.
Wie profitieren Sie vom Sport in Extremsituationen auch im Alltag? So extrem ist mein Alltag gar nicht mehr. Aber der Sport verhilft grundsätzlich zu einer „geraden“ und selbstbewussten Ausstrahlung. Und das hilft in vielen Alltagssituationen weiter. Auch erfolgsverwöhnte Spitzensportler kennen Niederlagen und Verletzungen, – wie steckt man Rückschläge weg, und was lernt man fürs Leben daraus? Die Lektion ist relativ klar: Man darf ruhig auch einmal in den Seilen hängen. Auf das wieder Aufstehen kommt es an.
sind. Besonders wenn dem vorausgeschickt wurde: „Das schaffst du nicht“ oder „das ist nun mal nichts für Mädchen“. Das spornt auch an.
Boxen ist allerdings nach wie vor eine Männerdomäne. Mit welchen besonderen Schwierigkeiten ist man dort als Frau konfrontiert? Als junges Mädchen wollte ich eigentlich Amateurin werden. Damals wurde allerdings allen Frauen vom Deutschen Amateur-Boxverband die Lizenz dazu verweigert. Also entschied ich mich, Profi
„Es ist nicht schlimm, mal zu verlieren – aber man muss wieder aufstehen können.“
zu werden. Das war damals eigentlich noch ein Ding der Unmöglichkeit. Und ich wurde zunächst nicht ernst genommen. Bei Universum Box Promotion (damals einer der größtem Profiställe, „Tiger“, Klitschko & Co.) bekam ich dann aber dennoch meine Chance, nachdem ich lange genug genervt hatte. Und diese Chance nutzte ich. Ich trainierte genausoso hart wie die „großen“ Jungs. Allerdings habe ich viele Jahre lang im Verhältnis zu den Männern nur ein sehr, sehr kleines Geld verdient. Doch die bösen Pressestimmen wurden allmählich immer leiser und schlugen schließlich in Anerkennung und eine (meist) faire Berichterstattung um. Als meine Kämpfe dann im ZDF gezeigt wurden, hatte ich es endlich geschafft: Ich wurde als Sportlerin wahrgenommen und nicht „nur“ auf das Thema Frau reduziert.
Was war in dieser Hinsicht die schwierigste Erfahrung, die Sie machen mussten? Und wie sind Sie damit umgegangen? Die Erfahrungen in dieser harten Zeit waren schon recht vielfältig. Eine Mischung aus Skepsis, offener Ablehnung, Sexismus und einer unwissenden Ignoranz. Lassen Sie mich ein kleines Beispiel erzählen: Ich kämpfte in Kiew, der Heimatstadt der Klitschkos. Nach meinem Kampf durfte ich aber nicht zur Pressekonferenz, weil der Bürgermeister der Stadt sagte: Frauen gehören an den Herd und ins Bett – aber nicht in den BoxRing. Wie ich damit umgegangen bin? Mit Leistung, Coolness und sehr
Welche Bedeutung hatte der Kampf gegen Stefan Raab in der Kölnarena für Sie? Der Kampf gegen Stefan Raab war sportlich gesehen überhaupt nicht von Bedeutung – aber eben medial. Ich konnte mich einem breiten Publikum präsentieren, das war schon wichtig. Man muss
auch mal ungewöhnliche Wege gehen. Ich habe die Aufmerksamkeit um meine Person positiv genutzt und das Beste daraus gemacht.
Wie und wo findet eigentlich eine Boxweltmeisterin Entspannung und Ausgleich und vielleicht auch Raum für ihre zarten und weichen Seiten? Da bediene ich doch gern das Klischee „Frau“: Wellness, Beauty, kochen mit und für Freunde und natürlich auch mal ein mega-weibliches Styling. Boxen und Beauty – das passt schon auch gut zusammen. Sie engagieren sich viel ehrenamtlich. Was treibt Sie bei dieser Arbeit an, und wie erleben Sie dieses Engagement? Ich habe so viel erreicht im Leben und auch sehr viel Glück gehabt. Es ist mir ein Bedürfnis, im Rahmen meiner Möglichkeiten diejenigen zu unterstützen, die nicht so viel Glück hatten.
Bis nach China, Vietnam und Dubai liefert das Unternehmen Notfallkoffer.de,das Claudia Wandtke leitet,seine Produkte.
Mittelständler brauchen in Zukunft mehr weibliche Führungskräfte
OSNABRÜCK/BAD IBURG. Lange
VITA
Königin im Ring Regina Halmich wurde 1976 in Karlsruhe geboren. Ihre Boxausbildung erhielt sie im Karlsruher Bulldog-GYM. Von 1995 bis 2007 war sie ungeschlagene Weltmeisterin im Fliegengewicht. Ihren letzten Kampf verfolgten fast neun Millionen Zuschauer. Von insgesamt 56 Profikämpfen gewann sie 46. Bekannt wurde sie zudem durch Fernsehauftritte wie
Wie hält man eigentlich die Schmerzen aus, die so ein Kampf mit sich bringt? Und welche Einstellung haben Sie zum Thema Schmerz? Durch das Adrenalin, welches der Körper ausschüttet, spürt man die Schmerzen während des Fights nicht so intensiv. Meine Einstellung zu Schmerzen: Vermeide sie! Wenn das nicht klappt, muss man da wohl oder übel durch und einfach aushalten. Wie viel Respekt muss man im Ring vor dem nächsten Gegner haben, und ab welchem Punkt ist es vielleicht besser, sich nicht zu viele Gedanken über das Gegenüber zu machen? Jeder Gegner muss ernst genommen werden. Das ist ein sehr wich-
Mit 15 Jahren griff Regina Halmich erstmals zu den Boxhandschuhen,1994 gab sie ihr Profi-Debüt,ein Jahr später wurde sie Weltmeisterin. Foto: dpa
zwei Show-Boxkämpfe gegen den Fernsehmoderator Stefan Raab. Der Dokumentarfilm „Königin im Ring“ zeigt Halmichs einzigartige Karriere. Bis heute engagiert sich die Ausnahmeboxerin zudem für karitative Organisationen, beispielsweise den Weißen Ring, den Deutschen Olympischen Sportbund, das Deutsche Kinderhilfswerk und im Tierschutz.
Foto: Almut Hülsmeyer
Chefinnen gesucht VON ALMUT HÜLSMEYER
Gibt es Unterschiede zwischen der weiblichen und der männlichen Boxwelt? Ja, wie woanders auch: vor allem die Bezahlung.
Mal Turnschuhe, mal Pumps: Boxen und Beauty passen gut zusammen, findet die ehemalige Boxweltmeisterin im Fliegengewicht,Regina Halmich. Foto: Regina Halmich
„Frauen neigen leider immer noch dazu, sich selbst kleinzumachen.“
Kann also der Spitzensport ein Modell sein für ein Scheitern mit Haltung? Scheitern gehört zum Leben. Aber es ist kein vorgezeichnetes Schicksal, um fortan beladen durchs Leben zu gehen. Wieder aufzustehen, aus seinen Fehlern zu lernen, möglicherweise auch sein Ziel zu korrigieren – das macht doch unser Leben aus. Nicht jeder ist berufen, Weltmeister zu werden. Das ist auch nicht so wichtig. Es kommt vielmehr darauf an, für sich selbst einen – den eigenen – Weg zu finden. Mein Lieblingsspruch ist: „Ich bin nie einen Schritt zurückgegangen – es sei denn, um Anlauf zu nehmen.“
nahm die Zahl von Chefinnen in kleinen und mittleren Unternehmen kontinuierlich zu. Doch der Einzug von Frauen in die Chefetagen des deutschen Mittelstands ist ins Stocken geraten. Dabei sind die Unternehmen in Zukunft noch stärker als bislang auf weibliche Führungskräfte angewiesen.
Anna Kuleba (41) gehört zu denen, die es geschafft haben: Von der angestellten Rechtsanwältin ist sie zur Partnerin der Osnabrücker Kanzlei Schoofs & Partner Rechtsanwälte aufgestiegen. Zusammen mit fünf Männern führt sie das Unternehmen mit weiteren 25 Mitarbeitern. In Deutschland gehört sie damit zu einer Minderheit: Von den rund 3,65 Millionen mittelständischen Unternehmen in Deutschland wurden laut einer Studie der KfW 2015 gerade einmal 660 000 von einer Frau geleitet. Allerdings ist der Mittelstand mit einem Chefinnen-Anteil von etwas weniger als einem Fünftel deutschen Großunternehmen deutlich voraus. Der Einzug von Frauen in die Führungsetage mittelständischer Unternehmen ist jedoch ins Stocken geraten. Lag der Anteil der Chefinnen im Mittelstand 2013 bei 19,4 Prozent, stagnierte er bei den jüngst erhobenen Zahlen in den Jahren 2014 und 2015 bei 18 Prozent. Michael Schwartz, Autor der KfW-Studie, sieht einen möglichen Grund für diese Entwicklung in der guten Arbeitsmarktlage. So sei die Zahl von Frauen, die ein Unternehmen gründeten, zurückgegangen. Nur 270 000 Frauen wagten 2016 den Schritt in die Selbstständigkeit, 17 Prozent weniger als 2015. Die geringere Zahl von Neugründungen bremse auch den Anstieg der frauengeführten Mittelständler. „Aus Studien weiß man, dass Frauen weniger risikofreudig agieren als Männer. Sie sind eher geneigt, ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis einzugehen als das Risiko einer Unternehmensführung oder -gründung“, sagt Schwartz. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein weiterer Grund dafür, dass Frauen nach wie vor unterproportional an der Spitze von Unternehmen vertreten sind. „Da sich immer noch mehr Frauen in der Hauptsache um Kinder kümmern, haben sie einen geringeren
Anteil an der Inhaberschaft von Unternehmen“, sagt Schwartz. Dass Familiengründung ein Karrierehindernis sein kann, weiß auch Kuleba. So habe sie eine Kanzlei kennengelernt, in der nur Männer arbeiteten. Frauen waren dort nicht gefragt. Die könnten schließlich schwanger werden und ausfallen. Natürlich würden Stellen immer für Männer und Frauen ausgeschrieben, sagt die Rechtsanwältin, die Ablehnung von Bewerberinnen ließe sich aber immer mit mangelnder persönlicher Qualifikation begründen. Von einer Frauenquote in der Privatwirtschaft hält sie trotzdem nichts. „Ich glaube, es macht niemanden glücklich, über eine Quote eingestellt zu werden.“ Wichtiger sei es, die Rahmenbedingungen für eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. „Junge Juristinnen müssen sich oft entscheiden, ob sie den Turbo einlegen und beruflich Gas geben oder ob sie eine Familie gründen wollen“, sagt Kuleba. Dass mehr Frauen im Mittelstand Führungsposten übernehmen, ist nach Ansicht von Michael Schwartz nicht nur wünschenswert, sondern auch notwendig. Aufgrund der demografischen Entwicklung würden in den kommenden Jahren viele ältere Unternehmer ausscheiden. Bis 2019 werden 15 Prozent aller mittelständischen Unternehmen entweder verkauft oder an einen Nachfolger übergeben. „Wenn die Unternehmen und die daran hängenden
„Frauen agieren weniger risikofreudig als Männer.“ Michael Schwartz, Autor der KfW-Studie
Ist Partnerin der Kanzlei Schoofs & Partner Rechtsanwälte: Anna Kuleba. Foto: Privat
Arbeitsplätze erhalten bleiben sollen, müssen auch Gruppen mobilisiert werden, die bislang weniger stark unter den Unternehmensinhabern vertreten sind. Eine dieser Gruppen sind Frauen“, so Schwartz. Damit das familieneigene Unternehmen erhalten bleibt, hat Claudia Wandtke vor zwei Jahren die Geschäftsführung von Notfallkoffer.de in Bad Iburg übernommen. Das Unternehmen, das mit neun Mitarbeitern Notfallausrüstungen herstellt und vertreibt, hat ihr Mann Thomas Wantdke 1989 gegründet. Kurz vor seiner Pensionierung sei die Nachfolgeregelung geplatzt, eine neue Lösung musste her. „Nachdem wir hin und her überlegt haben, haben wir uns dann dafür entschieden, dass ich das Unternehmen leite“, erzählt die 42-Jährige, die bereits vorher viele Jahre im familieneigenen Betrieb gearbeitet hat. Während ihr Mann sich als Rentner um Haushalt und die Erziehung der beiden Söhne kümmern musste, hatte Claudia Wandtke plötzlich die Verantwortung für neun Mitarbeiter und das Familieneinkommen. „Der Rollentausch hat bei uns nicht so ganz funktioniert“, gibt sie ehrlich zu. „Mein Mann war schon verwundert, wie viel Zeit die Kinder und der Haushalt beanspruchen. Er hatte erwartet, mehr Zeit für sich zu haben.“ Sie hingegen merke die Doppelbelastung durch Familie und Unternehmensführung. „Ich behalte weiter meine Mutterrolle, gleichzeitig müssen die Aufträge termingerecht erledigt werden. Da fehlt dann manchmal die Zeit für die Familie.“ Nach einem langen Arbeitstag Kraft und Energie für die Familie aufzubringen sei eine Herausforderung. Wenn alles läuft wie geplant, wird Wandtke vor ihrer Pensionierung die Firma an ihre Söhne übergeben. Chefinnen wie sie und Kuleba dürften dann im Mittelstand stärker vertreten sein als bisher.
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DONNERSTAG, 31. AUGUST 2017
LEBEN & LEIDENSCHAFT
Der Kampf um das perfekte Lächeln Die zwei größten Hersteller innen liegender Zahnspangen konkurrieren von Bad Essen aus um die Vorherrschaft auf dem Nischenmarkt
Im Gegensatz zu „gewöhnlichen“ Zahnspangen, die man außen an den Zähnen sieht,werden die Luxus-Spangen made in Bad Essen an der Innenseite getragen.Das schätzen nicht nur Schauspielerinnen.
VON CLAUDIA SCHOLZ BAD ESSEN. Im kleinen Ort Bad
Essen kämpfen zwei Hersteller von innen liegenden Zahnspangen um die Führung auf dem deutschen Markt. Hinter den Kulissen des perfekten Lächelns herrscht ein harter Wettbewerb um Kieferorthopäden und Marktanteile.
An einem Junimittag läuft eine Gruppe von zehn Japanern durch den niedersächsischen Ort Bad Essen: ein Mann und neun junge Frauen mit schwarzer Ponyfrisur. Der japanische Kieferorthopäde ist mit seiner Crew nicht wegen der beschaulichen Fachwerkhäuser angereist, sondern wegen einer Zahnspange des mittelständischen Unternehmens DW Lingual Systems, die an der Innenseite der Zähne getragen wird. Entwickelt hat sie der gebürtige Bad Essener Dr. Dirk Wiechmann. Seit Jahrzehnten forscht er in Labor und Praxis im Zentrum des Örtchens an der effektivsten Zahnkorrektur. Nur 1,3 Kilometer Luftlinie von ihm entfernt thront ein moderner Bau am Hang des Wiehengebirges. Hier werden ebenfalls „unsichtbare“ Zahnspangen entwickelt und hergestellt – unter der Regie des Weltkonzerns 3M. Zusammen dominieren die beiden Hersteller den deutschen und europäischen Markt. Dass die beiden Hauptkonkurrenten in dem 15 700-EinwohnerOrt so nah beieinander liegen, hat einen Grund. Vor neun Jahren, kurz vor der Lehman-BrothersPleite, kaufte der amerikanische Mischkonzern 3M die von Wiechmann gegründete Firma Top-Service für Lingualtechnik – wie Branchenkenner vermuten für einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag. Die Firma wuchs damals sprunghaft, die Mitarbeiterzahl stieg zwischenzeitlich auf über 180. Nachdem der Unternehmer noch drei Jahre als Berater im von 3M geführten Unternehmen geblieben war, gründete er 2012 seine neue Firma DW Lingual Systems und entwickelte ein neues Patent („Win“) für eine unsichtbare Zahnspange. Mittlerweile macht Wiechmann damit zehn Mil-
lionen Euro Umsatz im Jahr. Das Geschäft wachse jedes Jahr um 20 Prozent. Die Zahl der Mitarbeiter wuchs von 4 auf über 150. Mit der Übernahme der Bad Essener Firma Top-Service für Lingualtechnik und dem Patent „Incognito“ wollte 3M den Nischenmarkt der Premium-Spangen weltweit erobern. Das Erfolgsmodell des börsennotierten Mischkonzerns, das zuletzt 30,1 Milliarden Dollar Umsatz machte, ist es, Firmen mit hoch spezialisierten technischen Produkten aufzukaufen und damit neue Technologiewelten zu erschließen. Das Geschäftsmodell der innen liegenden Zahnspangen: beide Firmen liefern ihren Kunden, den Kieferorthopäden, vorgefertigte nutzerfreundliche Apparaturen als Komplettpaket – bis nach Dubai und Australien. Der Kieferorthopäde schickt zuvor ein Modell des Kiefers seines Patienten nach Bad Essen. Mittels hochkomplexer Technik werden individuelle Brackets hergestellt, also die kleinen Plättchen, die später auf den Zahn geklebt werden. Durch einen daran angebrachten, ebenfalls individuellen Draht kann der Kieferor-
Premium: Eine Behandlung kann bis 10 000 Euro kosten.
Gold- oder silberfarben: Die Zahnspangen der beiden Hauptkonkurrenten auf dem deutschen Markt ähneln sich auf den ersten Blick.Links die Apparatur „Incognito“ von 3M,rechts das Modell „Win“ von DWLingual Systems. Fotos: 3M,DWLingual Systems
thopäde die Zähne in seiner Praxis in die gewünschte Position bringen. Für den Laien sehen die beiden Konkurrenz-Zahnspangen auf den ersten Blick nahezu gleich aus, mit dem Unterschied, dass eine goldfarben ist, die andere silberfarben. Wiechmann tauschte bei seiner Zahnspange „Win“ die Edelmetalllegierung gegen eine Edelstahllegierung aus. Damit spare er Materialkosten und könne eine „leistungsfähigere Apparatur kostengünstiger“ anbieten. Was die Patente unterscheidet, ist vor allem der Herstellungsprozess. Bei der 3M-Tochter Top-Service sei nahezu alles digitalisiert, vom 3-D-Druck der Modelle bis zur Planung der zukünftigen Zahnstellung. „Wir haben eine der flachsten Apparaturen“, sagt Ralf Paehl, Entwicklungsingenieur bei 3M. Das habe positive Auswirkungen auf den Tragekomfort. Wiechmann wiederum sagt, dass seine Zahnspange genauer sei und weniger Korrekturen durch den Anwender notwendig seien, und beruft sich dabei auf Studien der Medizinischen Hochschule Hannover. Der Kundenkreis beider Firmen ist limitiert. Nur Kieferorthopäden, die ein Anwendertraining absolviert haben, dürfen die Produkte erwerben. „Unsere ist die meistproduzierte Zahnspange“, sagt Wiechmann, der ein Drittel seines Umsatzes in Deutschland macht. Im Monat würden mehr als tausend Aufträge bedient. Doch nur ein Bruchteil der deutschen Fachzahnärzte wendet die Technik auch regelmäßig an. Bei einer aktuellen Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Linguale Orthodontie (DGLO) gaben 20 Prozent an, pro Jahr 40 Patienten damit zu behandeln. Dr. Andreas Bartelt, Vorsitzender der DGLO, sagt: „Sollte der Markt noch steigen, dann sehr langsam.“ Ein Grund: Die Behandlung mit den Premium-Spangen für zwei Kiefer kann den Patienten bis zu 10 000 Euro kosten. Gesetzliche Krankenkassen übernehmen nur eine Zahnspange von außen. Und die privaten Krankenkassen
Foto: Colourbox.de
Der amerikanische Mischkonzern 3M (30,1 Milliarden Dollar Jahresumsatz) kaufte 2008 das Bad Essener Unternehmen Top-Service für Lingualtechnik,das damals sprunghaft wuchs. Foto: 3M Deutschland
Seit mehreren Jahrzehnten forscht Prof.Dr.Dirk Wiechmann in Bad Essen an der effektivsten Zahnkorrektur von innen. Seine neu gegründete mittelständische Firma DWLingual Systems beliefert Kieferorthopäden von München bis Singapur. Foto: Oliver Krato
scheinbar auch. Bisher gewann nur eine Patientin ihre Klage auf Kostenübernahme. Auf dem Nischenmarkt kämpfen die beiden Hauptproduzenten daher um jeden Anwender. Dabei gilt Wiechmann vielen als „Papst“ der Branche. Ein Kieferorthopäde, der nicht genannt werden will, bezeichnet ihn gar als Guru, zu dessen Workshops Hunderte Jünger „pilgerten“. Ein Patriarch sei er, neben dem es keine anderen Götter geben dürfe. Viele Zahnmediziner vertrauen ihm, auch aufgrund seiner wissenschaftlichen Autorität. Seit Jahren lehrt er als Professor an der Medizinischen Hochschule Hannover. Deutsche Kieferorthopäden in Hamburg oder München berichten, dass sie in den letzten beiden Jahren zur neuen Apparatur von Wiechmann wechselten, obwohl sie zuvor jahrelang Kunden des 3M-Konzerns gewesen waren. Wiechmann lockt sie mit seiner Erfahrung, mit dem Image des Neuen, aber auch mit niedrigeren Preisen als die Konkurrenz. Für Wechsler und Neukunden gibt es die Spangen deutlich günstiger. Eine Studie der Kieferorthopä-
din Claudia Obijou-Kohlhas vom März zeigt: Von 232 Anwendern in Deutschland verwendeten 2012 74,4 Prozent das Incognito-System der 3M-Tochter. Vier Jahre später waren es nur noch 36,5 Prozent. 37,8 Prozent gaben an, „Win“ von DW Lingual Systems zu benutzen. Dass dem 3M-Konzern durch die Neueinführung von Wiechmanns Apparatur Marktanteile weggenommen wurden, bestätigt Geschäftsführer Jörg Karthaus. Die Auswirkungen seien global gesehen vernachlässigbar. Ob die Entwicklung negative Auswirkungen auf Umsatz und Gewinn der 3MTochter Top-Service habe, wollte Karthaus nicht kommentieren. Er sagt: „Der Umsatz ist erfreulich.“ Auf dem Markt könnten mehrere vergleichbare Produkte nebeneinander bestehen, vergleichbar Mercedes und BMW auf dem Automarkt. Nicht nur ehemalige Kunden, auch Mitarbeiter der 3M-Tochter wanderten zu Wiechmanns neuer Firma über, 30 bis 40 an der Zahl. Der Unternehmer wirft dem Konzern vor, dass der sein ursprünglich entwickeltes Produkt im Laufe der Jahre in gewissen Bereichen verschlechtert habe. Die Geschäftsführung der 3M-Tochter ist
da anderer Meinung. Interne Qualitätsprüfungen hätten gezeigt, dass „die Qualität der Produkte kontinuierlich auf hohem Niveau“ sei, wie Geschäftsführer Karthaus sagt, der innerhalb der letzten drei Jahre schon der dritte Mann auf diesem Posten ist. Der Kampf der beiden Marktführer wird auch mit juristischen Mitteln ausgetragen. Seit 2014 befindet sich der Konzern 3M Deutschland in Rechtsstreitigkeiten mit Wiechmanns Firma. „Wenn man meint, dass vertragliche Vereinbarungen verletzt wurden, wehrt man sich mit rechtlichen Mitteln“, heißt es von 3M. Die Klagen wegen Vertragsverletzung seien im November 2016 überwiegend rechtskräftig abgewiesen worden, wobei noch ein Verfahren vor dem Bundesgerichtshof behandelt werde. Egal, wie der Streit ausgeht. Schon jetzt gibt es mehrere Gewinner. Die Gemeinde Bad Essen, in der die Branchenführer ihre Steuern zahlen und Arbeitsplätze schaffen. Zugleich profitieren Kieferorthopäden und ihre Kunden. Der harte Wettbewerb sorgt auf längere Sicht für hochwertigere Zahnspangen und ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis.
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DONNERSTAG, 31. AUGUST 2017
LEBEN & LEIDENSCHAFT
Aus Schrott wird Schmuck Bremerhaven-Lehe gilt als einer der heruntergekommensten Orte Deutschlands. Warum investiert Rolf Thörner ausgerechnet dort? VON ROBERT OTTO-MOOG BREMERHAVEN. Er zahlt für
Schrottimmobilien mehr, als sie wert sind, und heuert für die Sanierung sogar Stuckateure aus Polen an: Der Osnabrücker Rolf Thörner ist ein seltsamer Investor. Und ein Glücksfall für Bremerhavens heruntergekommenen Stadtteil Lehe.
Der Putz ist abgebröckelt, Balkongitter sind weggegammelt, eingeschlagene Fenster starren wie leere Augen auf die Pflastersteine. Selbst das Baugerüst vor der Fassade scheint morsch. Das „Taubenhaus“ ist ein Musterbeispiel für eine Schrottimmobilie. In einer anderen Stadt wäre das imposante Eckhaus längst saniert, jeder der fast 1000 Quadratmeter Wohnfläche wäre vermietet. Aber das hier ist Bremerhaven. Das hier ist Lehe. Die „Bild“-Zeitung schrieb vor einem Jahr über „Deutschlands ärmsten Stadtteil“, „Die Zeit“ nannte Bremerhaven 2011 die „Stadt mit den meisten Schrottimmobilien in Westdeutschland“. Auch Rolf Thörner sieht die eingeschlagenen Fenster, den Sperrmüll, die Autos ohne Kennzeichen. Aber Thörner sieht mehr, er sieht ein Viertel im Dornröschenschlaf. Der 60-Jährige – graues zurückgekämmtes Haar, imposante Statur – schaut auf das Taubenhaus. Auf sein Haus. „Das wird einmal das schönste Haus der Straße“, sagt er. Vor einem knappen Jahr ist der Osnabrücker nach Bremerhaven gekommen, seitdem hat er Gebäude gekauft, verwahrloste Immobilien.
Aufwendig: Statt sie zu ersetzen, lässt Thörner Türen aufarbeiten – für die Atmosphäre.
Zwei werden gerade saniert, das Taubenhaus muss warten. Eigentlich sollte das Taubenhaus gar nicht mehr stehen. Der ehemalige Leiter des Stadtplanungsamts, Norbert Friedrich, nannte das 1910 erbaute Gebäude einst die „Ikone der Schrottimmobilien“. Als Thörner nach Bremerhaven kam, wurde ihm das Haus gar nicht erst angeboten. Unrettbar. „Extrem reizvoll“, findet er. Kaum 100 Meter die Straße hinunter arbeiten bereits Handwerker an gleich zwei Häusern. Eines aus den Achtzigern, das andere mehr als 100 Jahre alt. An der Fassade ist der Stuck schon wieder wie neu, alles ohne Fertigteile. „So wie das vor 100 Jahren gemacht wurde“, sagt Thörner. Er hat seine Stuckateure aus Berlin mitgebracht, eine polnische Firma. „In Deutschland sind Stuckateure so gut wie ausgestorben.“ So klassisch wie die Fassade, so modern wird das Innere von Thörners Häusern. Alle Leitungen werden rausgerissen und neu verlegt. Was Thörner erhalten kann, wird aufgearbeitet: Terrazzofußböden, Treppengeländer, Türen. Das kostet zwar manchmal mehr als Neuanschaffungen, sagt er. „Aber die Atmosphäre ist viel besser.“ Zurzeit hakt es noch bei den Balkonen, aber im Herbst sollen die Wohnungen fertig sein. 75 Quadratmeter groß, jeder einzelne davon soll zwischen 5,50 und 7 Euro Miete kosten, im gelb gestrichenen 80erJahre-Bau vielleicht noch weniger. Selbst für Bremerhaven ist das nicht teuer. Im Altbau um die Ecke kostet der Quadratmeter zwar weniger, dafür sind die Erdgeschossfenster mit Spanplatten verrammelt. „Ich betrachte mich nicht als Gutmensch, ich sehe das wirtschaftlich“, sagt Thörner – und mittelfristig. Wer auf schnelle Rendite aus ist, saniert nicht so detailversessen. Trotzdem soll die Miete bezahlbar sein – und zwar von jedem Mieter selbst, nicht vom Amt. Die Häuser in der Goethestraße erzählen von einer anderen, besseren Zeit. Als Bremerhaven das Zentrum der deutschen Hochseefischerei war, als hinter dem Eingangstor der Rickmers-Werft Schiffe gebaut wurden. Heute vermitteln dort die Mitarbeiter der Arbeitsagentur Jobs. „Viele Häuser wurden von Leuten gekauft, die sich nicht dafür interessiert haben“, sagt Volker Heigenmooser. Der 62-Jährige ist vor mehr als 30 Jahren als Journalist nach
Mutig: Wo andere den Kopf schütteln, sieht Investor Rolf Thörner Chancen.
Hier gibt es noch viel zu tun: Über Bremerhavens maroden Stadtteil Lehe wurde schon viel gespottet. Investor Rolf Thörner aus Osnabrück nennt Lehe ein Viertel im Dornröschenschlaf. Fotos: Johannes Bichmann SOUL-PHOTO.co
Bremerhaven gekommen, heute ist er Pressesprecher der Stadt. Seine bayerische Herkunft hört man ihm noch immer an. „Für einen Zahnarzt in München war ein Haus in Lehe ein Superschnäppchen“, sagt er. Doch in den Superschnäppchen wollte kaum einer mehr leben, der selbst seine Miete zahlen kann. Ausgezogen, weggezogen, Leerstand, bröckelnder Putz, eingeschlagene Fenster. Vor 17 Jahren, im Jahr 2000, sagt Heigenmooser, da ist es richtig sichtbar geworden. Direkt neben Heigenmoosers Büro steht der Schreibtisch von Melf Grantz. „Die Chancen sind gut“, sagt er. „Ich bin mir sicher, dass in wenigen Jahren die Leerstände im Goethequartier vorbei sein werden.“ Grantz muss so etwas sagen, er ist seit sechs Jahren Oberbürgermeister von Bremerhaven. Der SPD-Politiker spricht aber auch von „fehlendem Nachfragedruck“. Die Alternative zu Sanierungen ist hier nur der Leerstand, sagt Grantz. Rolf
Thörner nennt er einen Gegenpol zu den Immobilienspekulanten, die sich in Lehe tummeln. Die Stadt selbst hat massiv eingegriffen und Schrottimmobilien per „Vorkaufsortsgesetz“ zurückgeholt.
„In zwölf Jahren drehe ich mich um und gucke, ob ich alles richtig gemacht habe.“ Rolf Thörner, Immobilien-Investor
„Eine Bremerhavener Idee“, sagt Heigenmooser. Besteht „dringender Handlungsbedarf“, darf die Stadt als Erste auf Grundstücke zugreifen. Das ist nicht immer ganz einfach, bei manchen Häusern sind die Eigentumsverhältnisse unübersichtlich, sagt Heigenmooser. Bisher hat Thörner auf eigene Kosten gearbeitet, etwa 1500 Euro pro Quadratmeter Altbau fielen an. Über Geld spricht Thörner allerdings ungern – nur so viel: Für das Taubenhaus hat er Fördermittel beantragt, zum ersten Mal in Bremerhaven. „Circa 20 Prozent der Baukosten“, sagt Thörner. Damit es sich rechnet. Seit Jahren schon fließen Gelder aus EU-Töpfen und Bundesförderprogrammen nach Bremerhaven. „Das ist extrem wichtig“, erklärt Volker Heigenmooser. Bremerhaven ist chronisch pleite. In die Seestadt ist Rolf Thörner über Umwege gekommen, genauso wie ins Baugewerbe. Angefangen hat der gelernte Kaufmann 1979 in
Osnabrück. Nach der Wende verschlug es ihn nach Berlin, weil dort die Immobilienpreise niedriger waren. Da sei es auch nass, kalt und grau gewesen, die Gründerzeithäuser ähnlich verwahrlost wie im Goethequartier. „Da war noch nichts hip“, sagt er. „Heute bekommen die Vermieter 2500 Euro für zwei Zimmer, Küche, Bad im Hinterhaus – kalt.“ Richtig findet Thörner das nicht, aber das Kapitel Berlin ist ohnehin abgehakt, seine sanierten Häuser längst verkauft – das macht er immer so: kaufen, sanieren, verkaufen. In seinem Lieblingshaus, dort, wo die Lutherstraße die Goethestraße kreuzt, will Thörner jedoch selbst wohnen. Zur Miete. „Mich interessieren Immobilien“, sagt Thörner, „nicht Eigentum“. Aktuell steht sein Bett in einem vier Jahrzehnte alten Haus in der Meidestraße zwischen Umzugskartons und Bildern in Luftpolsterfolie, keine 500 Meter von seinem Übergangsbüro entfernt, kaum weiter weg vom Taubenhaus. Erst dort will er die Kartons auspacken und die Bilder aufhängen. Das Eckhaus gegenüber hat er vor Kurzem auch gekauft, damit er aus seinem Fenster nicht auf eine Schrottimmobilie gucken muss. Ins Erdgeschoss seiner Häuser soll Gewerbe einziehen. So wie es früher war, sagt Thörner, „Nahversorgung“. Bäcker, Gemüsehändler, Fleischer. Denn was bringt ein seniorengerechtes Haus, wenn die Infrastruktur nicht stimmt? Sobald an der Goethestraße 50a die Arbeiten beendet sind, will Thörner zuerst einen Mieter für die Gewerbeeinheit suchen. Davor hätten viele potenzielle Käufer die größte Angst. Und wenn er das Haus trotzdem nicht verkaufen kann? „Dann beleihe ich es, und es bleibt im Bestand“, sagt Thörner. Auch wenn er lieber ein neues altes kaufen will, am besten einen hoffnungslosen Fall. Bremerhaven hofft auf weitere private Investoren, solche, die es ernst meinen. „Die Stadt verändert sich schnell“, sagt Heigenmooser. Die Hochschule wachse, immer mehr Industrie und Forschungsinstitute siedeln sich an. Auch Lehe wird davon profitieren, ist der Stadtsprecher sicher. „In zwei Jahren werden Sie im Goethequartier keine eingeschlagenen Fenster mehr sehen.“ Thörner gibt sich etwas mehr Zeit. Zwölf Jahre lang will er kaufen, sanieren, verkaufen. „Dann drehe ich mich um und gucke, ob ich alles richtig gemacht habe.“
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DONNERSTAG, 31. AUGUST 2017
LEBEN & LEIDENSCHAFT 19.09.2017 | 17.00 UHR
TERMINE
Industrie 4.0 – Wie verändert sich die Blechfertigung?
DER WIRTSCHAFT
MEMA UND INSTITUT FÜR DUALE STUDIENGÄNGE, LINGEN
05.09.2017 | 17.50 UHR
19.09.2017 | 17.00 UHR
Konfliktvorsorge und Notfallplanung ist Chefsache!
Gründerhaus-Workshop: Markterkundung
MEMA UND LANDKREIS EMSLAND, KREISHAUS II, MEPPEN
HWK OSNABRÜCK-EMSLAND-GRAFSCHAFT BENTHEIM, OSNABRÜCK
06.09.2017 | 17.00 UHR Gründerhaus Osnabrück: Marketing-Workshop ICO INNOVATIONS CENTRUM OSNABRÜCK
07.09.2017 | 09.00 UHR Schüler Messen Arbeitswelten (auch 8. 9. 2017) ALTE WEBEREI, VECHTEAUE 2, NORDHORN
19.09.2017 | 18.00 UHR Der Dachverband der deutschen Kongressbranche GCB traf sich zu seiner Mitgliederv rversammlung v 2017 in Osnabrück und wurde u.a.von einer Mitmachaktion vor dem Rathaus überrascht. Foto: Michael Pasternack
DIE GESICHTER DER WIRTSCHAFT
Unternehmensnachfolge erfolgreich gestalten Mit einem Esel, vollgepackt mit Abschiedsgeschenken, trat Hans-Jürgen Grobelny nach 22 Jahren bei der Grafschaft fter t Sparkassenstift ftung t seinen Ruhestand an. Foto: W.Westdörp
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21.09.2017 | 09.00 UHR Leadership Development Congress 2017 SALT AND PEPPER, WINKELHAUSENKASERNE, OSNABRÜCK
12.09.2017 | 19.00 UHR
23.09.2017 | 10.00 UHR
Marketing – Der Mix macht es
Abiturientenmesse: „ABI Zukunft“ Emsland
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Baustart rtt für das Kreuzfahrt rtschiff t fff „Spectrum of the Seas“ auf der Meyer Werf rft ft in Pagenburg.
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14.09.2017 | 14.00 UHR Erfinder- und Patentberatung in Nordhorn
Großer Bahnhof zum Start rtt der Eisenbahngesellschaft ftt Ostfriesland-Oldenburg (Egoo) im GVZ Dörpen mit dem Foto: Gerd Schade niedersächsischen Landtagspräsidenten Bernd Busemann (4.von links).
Marketing – Der Mix macht es!
IHK-BÜRO IM NINO-HOCHBAU, NORDHORN
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16.09.2017 | 09.00 UHR
18.10.2017 | 09.00 UHR
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Ems-Achse und Career Service: 1. Job-Achse-Karrieretag
VERSCHIEDENE UNTERNEHMEN, ENTLANG DER AUTOBAHN A 30
Mit dem „Standort rtgucker“ t zur Expo Ex x Real: Anbieter und Nut-
HOCHSCHULE EMDEN/LEER, CONSTANTIAPLATZ 4, EMDEN
16.09.2017 | 10.00 UHR
zer von GIS-Tours präsentieren die virt rtuelle t Tour samt passender VR-Brille in München. Foto: Anja Kückelmann
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FREIRAUM – ARCHITEKTEN / GARTEN- UND LANDSCHAFTSPLANER
Neue Ein- und Ausblicke Der modellierte Garten zeigt Höhen und Tiefen BGL BAD HONNEF. Wer einen Garten neu anlegt, vom Vorbesitzer übernimmt oder seit Langem endlich mal grundüberholen will, steht vor der Frage, wie man ihm eine harmonische, nach den eigenen Bedürfnissen ausgerichtete Struktur verleiht. Am Anfang steht die Entscheidung über die Raumaufteilung. Einzelne Gartenräume können unterschiedliche Funktion prägen: An einen geschützten Platz kommt die Terrasse, an einen sonnigen Standort ein Gemüsebeet und an einer exponierten Stelle eine blühende Staudenrabatte. Das gilt nicht nur für große Flächen. Indem man einen kleinen Garten in wenigstens zwei Berei-
che aufteilt, kann man ihm Tiefe verleihen, sodass er größer wirkt, als er eigentlich ist. Die Gartenräume lassen sich zum Beispiel mit Mauern oder Hecken gliedern. Noch wirkungsvoller ist es jedoch, wenn man höher und tiefer gelegene Ebenen schafft. Durch eine Niveaubildung lassen sich die Struktur und Aufteilung des Gartens zusätzlich betonen und ganz neue Ein- und Ausblicke schaffen. Nicht nur bei Hanglage: Durch die Höhenunterschiede wird die Aufteilung in unterschiedliche Gartenräume auf einen Blick klar erkennbar. Die Übergänge können dabei durchaus fließend sein. Bestes Beispiel ist ein großes Hochbeet mit Gemüsepflanzen und Beerensträuchern. Wenn man dies an den Sei-
ten zugänglich macht, kann man bequem auf Hüfthöhe pflanzen, pflegen und ernten. Aber auch mit Wasserbecken, Brunnen und Teichen lassen sich außergewöhnliche Effekte erzielen, wenn man sie erhöht anlegt. Bei einer Hanglage des Gartens ist für Wasserflächen ohnehin eine Terrassierung erforderlich. Je nach Gefälle lassen sich hier mehrere Stufen einbauen, die Platz für Sitzecken, Rabatten und andere gestalterische Elemente bieten. Statik und Gestaltung: Ob bei einer ebenen Fläche oder einem Hanggarten – eine Terrassierung ist ein bauliches Gestaltungsmittel, für das man sich am besten Rat und Tat eines Landschaftsgärtners zu Hilfe holt. Die Gartenprofis kennen sich nicht nur mit
Treppen, Stufen und Rampen gilt es, schon bei der Planung harmonisch in das Gesamtbild einzubinden (links). Höhenunterschiede bewirken ganz neue Ausblicke (rechts).
Treppen,Stufen und Rampen gilt es,schon bei der Planung harmonisch in das Gesamtbild einzubinden.
Pflanzen sehr gut aus, sie bringen auch schweres Gerät, Erfahrung und Fachwissen mit, die für die Modellierung eines Grundstücks notwendig ist. Landschaftsgärtner wissen, wie gebaut werden muss, damit bei Höhenunterschieden die statischen Voraussetzungen erfüllt sind und die Einbauten langfristig stabil bleiben. Insbesondere bei Hanglagen beachten sie auch die Statik des Hauses, damit das Gebäude unbeschadet bleibt. Außerdem wissen sie, wie sich Betonmauern verstecken lassen, die für eine ausreichende Standfestigkeit von größeren baulichen Höhenunterschieden notwendig sind. Sie verschwinden etwa hinter Naturstein, Holzverkleidungen oder
werden dekorativ mit Kletterpflanzen überwachsen. Treppen, Stufen, Rampen: Ob ein geometrisch-formaler Garten oder eine naturnahe Gestaltung – mit professionell angelegten Höhenunterschieden lässt sich der jeweilige Gartenstil in seiner Wirkung verstärken. Die Profis für Garten- und Landschaftsbau helfen dabei, individuelle Lösungen zu finden, um Funktion und Optik sowie pflanzliche und bauliche Gestaltung in Einklang zu bringen. Dazu gehören auch die Übergänge zwischen den verschiedenen Ebenen: Treppen, Stufen und Rampen gilt es, schon bei der Planung harmonisch in das Gesamtbild einzubinden.
Fotos: BGL
Hochbeete und Terrassen: Erhöhungen können auch rein dekorativen Charakter erfüllen. Beispielsweise lässt sich eine Terrasse mit Hochbeeten umranden, die mit Rosen, Stauden oder immergrünen Gehölzen bepflanzt einen attraktiven Rahmen und einen mehr oder weniger blickdichten Sichtschutz bieten. Eine weitere Variante ist es, mehrere blühende Rabatten in Terrassen anzulegen, wobei eine die jeweils andere überragt. Hier können spannende Farb- und Formenakzente kombiniert werden, die im Wechsel der Jahreszeiten immer wieder ein neues Gesamtbild ergeben. Weitere Informationen sind auf www.mein-traumgarten.de zu finden.
Hohe Erwartungen an den öffentlichen Raum Grün macht Architektur lebendig und Städte lebenswert BGL BAD HONNEF. Der Trend zur Urbanisierung ist ungebrochen. Die Dichte der Städte wird als attraktiv empfunden, kurze Wege zur Arbeit, zu Sport- und Freizeitangeboten und allen anderen Infrastrukturen ziehen die Menschen an. Ein wesentliches Motiv sind auch ökologische Gründe, man hat erkannt, dass das Landleben mehr Energie und Ressourcen verbraucht als das Leben in der Stadt. Immer mehr Menschen wollen ohne eigenes Auto leben, vielmehr im Bedarfsfall Carsharing-Angebote nutzen und ihre persönliche CO2-Bilanz verbessern. Es ist für junge Familien wie auch für ältere Menschen angenehm, fußläufig Zugang zu Kultur- und Bildungsangeboten wie auch zu Einkaufs-
stätten oder ärztlicher Versorgung zu haben. All das führt dazu, dass der Druck auf die Freiräume wächst und Stadtraum zu einem knappen Gut wird. Insbesondere in wachsenden Städten und Metropolregionen werden Konzepte zur Nachverdichtung umgesetzt, vorhandene Bebauung wird aufgestockt, dennoch steigen die Preise für Wohnraum. Architektur und Grün wachsen zusammen: Unter dem Titel „Architektur und Grün wachsen zusammen“ fand im Oktober 2016 im Frankfurter Architekturmuseum eine Diskussionsveranstaltung statt, bei der Architekten, Landschafts- und Städteplaner, Gebäudebegrüner und Praktiker sich über Konsequenzen und Möglichkeiten einer grünen Stadtentwicklung austauschten. Eine der span-
nenden Fragen war dabei, wie Kommunen gleichzeitig dem Zwang zur Nachverdichtung und dem wachsenden Bedürfnis der Öffentlichkeit nach Grün in den Städten gerecht werden. Mit der Nachverdichtung und dem Wunsch nach mehr lebendigem Grün in direkter Umgebung zeigt sich, dass die Bauwerksbegrünung im Wortsinn wachsende Bedeutung erfährt. Neue Techniken und Verfahren zur Dach- und Fassadenbegrünung einerseits und offene Bauweisen, die optisch das Grün im Wohnbereich erlebbar machen andererseits, erleichtern die notwendige Fusion von Innen und Außen. Dr. Robert Kloos, Hauptgeschäftsführer des Bundesverband Garten-, Landschaftsund Sportplatzbau e. V. (BGL), der die Veranstaltung initiiert hatte,
rief dazu auf, die Erkenntnisse über den Wert von lebendigem Grün im Wohnumfeld endlich auch in der Planungspraxis der Architekten und in der Wohnbauförderung der Kommunen konsequent umzusetzen. Privater versus öffentlicher Raum: Aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass in den ersten neun Monaten 2016 der Neu- und Umbau von 276 300 Wohnungen genehmigt wurde. Dies entspricht fast einem Viertel mehr Genehmigungen als im Vorjahreszeitraum und ist der höchste Wert seit 16 Jahren. Einen besonders starken Zuwachs im Vergleich zu 2015 gab es bei Neubauwohnungen in Mehrfamilienhäusern: Hier stieg die Zahl der Baugenehmigungen um 27,5 Prozent auf knapp 124 000. Bei jüngeren
MIt LEIDENScHAFt
Wie werden Kommunen gleichzeitig dem Zwang zur Nachverdichtung und dem wachsenden Bedürfnis der Öffentlichkeit nach Grün in den Städten gerecht.
Wohnungsbauprojekten zeigt sich außerdem, dass die tendenziell steigenden Preise für Wohnraum zu stärkerer Nachfrage nach kleineren Einheiten führen. Gleichzeitig sind mit dieser Schrumpfung des privaten Raums zwangsläufig steigende Erwartungen an den öffentlichen Raum verbunden. Teile des Freizeitlebens verlagern sich auf Plätze sowie in
GEStALtEN WIr GrüNE
Schwerpunkt unserer Arbeit ist die Garten- und Land-
schaftsarchitektur. Wir planen und realisieren Freianlagen im privaten und öffentlichen raum. unser Spektrum reicht von Hausgärten über Spielplätze, Schulhöfe, Gewerbeanlagen, Sportplätze bis zu öffentlichen Grünund Parkanlagen in allen Leistungsphasen der HOAI. Das Arbeitsspektrum reicht dabei vom kleinen Stadthausgarten über Spielplätze, Schulen bis zur Planung von öffentlichen Parkanlagen und Sportplätzen. In enger Zusammenarbeit mit den Bauherren entwickeln wir individuelle Konzepte, die genau auf Sie und Ihre persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Die anschließende Planung erfolgt unter Einbeziehung der Ansprüche der Nutzer, den räumlichen Vorgaben, sowie der Geschichte des Ortes. Seit einiger Zeit arbeiten wir dabei eng mit unseren Büropartnern Dipl.-Ing. (FH) Mikko Feickert (Freiraum Feickert) und Dipl.-Ing. (FH) Helmut Grüning
Parks und Gemeinschaftsgärten. August Forster, Präsident des BGL, sieht hier schon heute eine deutliche Veränderung: „Die Aufgaben des Garten- und Landschaftsbaus liegen immer öfter in Projekten zur Wohnumfeldverbesserung und Revitalisierung von Siedlungen oder in der Modernisierung von Spiel- und Freizeitanlagen.“
LEBENSräuME
(Planungsbüro Grüning) aus Osnabrück zusammen. Mit unseren unterschiedlichen Arbeitsschwerpunkten ergänzen wir uns bei vielen Projekten erfolgreich. Vor Beginn der eigentlichen Planungsphase eines neuen Projektes findet zunächst ein erstes Beratungsgespräch statt. Dieses ist für uns von besonderer Bedeutung, um einen ersten Eindruck von unseren Kunden und dem Ort des Bauvorhabens zu gewinnen. Im Anschluss folgt die eigentliche Planung, in der wir mit fundiertem Praxiswissen, viel Feingefühl in der Detailplanung und einem besonderen Auge für Materialien und Pflanzen erste Ideen in ein passendes Konzept umsetzen. Wir freuen uns, wenn Sie uns Ihr Vertrauen schenken und wir Ihnen auf dem Weg zu Ihrer grünen Oase beratend zur Seite stehen dürfen. Auf unserer Homepage www.mueller-dams.de finden Sie viele weitere Informationen zu unserem Planungsbüro und bereits realisierten Projekten.
Foto: BGL
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FREIRAUM – ARCHITEKTEN / GARTEN- UND LANDSCHAFTSPLANER
Er macht auch den Handwerkern Dampf
Gut geplant in den eigenen Laden Eine Gewerbeimmobilie finden
Architekten planen nicht nur
dpa ERFURT. Ein Architekt ist teuer, meinen viele Bauherren. Sie verzichten deshalb auf die Leistungen dieses Berufsstandes. Doch mit diesem Vorurteil vergeben sie nicht nur die Möglichkeit, ihr Haus individuell und ideenreich zu gestalten. Sie verschenken unter Umständen auch viel Geld. Denn ein Architekt kann helfen, sparsam und effizient zu bauen. „Bauen ist ein hochkomplexes Thema“, sagt eine Expertin einer Architektenkammer. „Viele Menschen, die nur einmal im Leben damit konfrontiert werden, sind damit allein überfordert.“ Ein Architekt hilft dabei – vor allem direkt an der Baustelle, also lange nachdem er ein Gebäude am Reißbrett entworfen hat. Er kontrolliert die Handwerker und ihre Arbeit und schützt so vor Baumängeln, die die Rechnung nach oben treiben. „Das können die wenigsten Bauherren selbst machen“, sagt ein Experte vom Verbraucherschutzverein Wohnen im Eigentum. Eine Baustelle mit ihren vielen Gewerken ist für Laien schwer zu durchschauen. Ein Architekt weiß, welche Handwerker mitmischen und in welcher Reihenfolge sie arbei-
ten müssen. Er kann auch Mängel fachmännisch einschätzen. Die Arbeit des Architekten besteht sogar zum großen Teil aus recht bodenständigen Tätigkeiten: Sie holen Genehmigungen ein, planen den Bauablauf, betreuen die Ausschreibungen der Gewerke, berechnen die Kosten. „Damit können sie die Stellschrauben beim Bauablauf beeinflussen, wachen über Termine und Kosten“, zählt die Fachfrau der Architektenkammer auf. Wer bauen will, sollte sich durchaus schon in einer frühen Phase an den Architekten wenden – zum Beispiel, bevor die Interessenten sich für ein Grundstück entscheiden. Denn der Fachmann kann einschätzen, ob sich die Vorstellungen des Bauherren an diesem Platz überhaupt umsetzen lassen. Er prüft Bebauungspläne und Rahmenbedingungen. Wenn etwas nicht passt, hilft er bei der Suche nach Alternativen. Wer aber aus Kostengründen nicht den gesamten Bauablauf von einem Architekten betreuen lassen will oder kann, sollte wenigstens bei der Bauabnahme einen unabhängigen Sachverständigen hinzuziehen. „Das kostet nicht viel Geld, und der Bauherr ist auf der siche-
ren Seite, dass keine gravierenden Mängel übersehen werden“, betont der Verbraucherschützer. Auch Bauherren, die kein selbst entworfenes Haus bauen, sondern es schlüsselfertig von einem Bauträger errichten lassen, sind gut beraten, zusätzlich einen eigenen Architekten einzuschalten. Zwar stecken schon in der Planung des Bauträgers Architektenleistungen. Doch es kommt nicht selten vor, dass die Interessen des Käufers ungenügend berücksichtigt wurden. „Oft ist die Baubeschreibung lückenhaft, oder die Leistungen sind nicht exakt beschrieben“, weiß der Bauexperte. Wenn zum Beispiel von einer Doppelverglasung der Fenster die Rede ist, reiche das nicht aus. Vielmehr müsse genau beschrieben werden, welche Fenster, welchen Typs und in welcher Energieklasse verwendet werden. Ähnliches gelte auch für Innentüren. „Da gibt es große Qualitätsund Preisunterschiede“, sagt der Bauarchitekt. Architekten wird nachgesagt, dass sie gern ungewöhnliche oder verrückte Ideen haben. Natürlich möchten sie ihre Kreativität umsetzen und neue Ideen verwirklichen. Aber das kann immer nur
dpa AACHEN/BERLIN. „Zu vermieten“: In Innenstädten und Gewerbegebieten hängt dieses Schild derzeit in vielen den Schaufenstern. Kleinunternehmer und Gründer haben daher gute Chancen, Geschäftsräume zu finden. Um sich vor unliebsamen Überraschungen schützen, sollten Lage, Mietvertrag und Nutzungsmöglichkeiten des Objekts genau geprüft werden.
Eine Baustelle mit ihren vielen Gewerken ist für Laien schwer zu durchschauen. Ein Architekt weiß, welche Handwerker wie arbeiten müssen. Er kann auch Mängel fachmännisch einschätzen. Foto: dpa/Kai Remmers
in dem Maße geschehen, in dem der Bauherr ausdrücklich damit einverstanden ist. Deshalb ist es wichtig, ein Vertrauensverhältnis herzustellen, bei dem Bauherr und Architekt auf Augenhöhe kommunizieren. „Bauherren müssen dem Architekten deutlich sagen, was sie wünschen und was sie auf gar keinen Fall wollen“, betont die Fachfrau der Architektenkammer. Umbauten, Modernisierungen und energetische Sanierungen sind ebenfalls bei erfahrenen Praktikern in guten Händen. „Hausbesitzer sollten sich nicht scheuen, dafür einen Architekten zu beauftragen“, sagt Eva Reinhold-Postina vom Verband Priva-
ter Bauherren (VPB). Wenn größere Eingriffe geplant sind, die die Statik und Form des Hauses, die Energietechnik oder baurechtliche Fragen berühren, ist ohnehin die Mitarbeit eines Sachverständigen vorgeschrieben. Auch die KfWFörderbank fordert für die Inanspruchnahme vieler ihrer Förderprogramme die Begleitung durch sachkundige Experten. Gerade Vorhaben wie der barrierefreie Umbau der Wohnung oder ökologisches Bauen brauchen die Erfahrung eines Architekten, der über die entsprechende Zusatzqualifizierung verfügt. Nicht jeder Architekt beschäftigt sich allerdings mit solchen Projekten. Oft sind es kleinere Büros, die sich
darauf spezialisiert haben. „Beim VPB und bei den Architektenkammern kann man sich nach geeigneten Experten erkundigen“, sagt Reinhold-Postina. Auch Referenzen aus der Nachbarschaft sind hilfreich. Angst, dass die Beratung das Budget sprengen könnte, brauchen Bauherren nicht zu haben. Die Vorabberatung wird nicht nach der Honorarordnung für Architekten, sondern stunden- oder tageweise abgerechnet. „Der Bauherr ist völlig frei“, erläutert Reinhold-Postina. „Wenn er das Gefühl hat, er kommt mit dem Experten nicht zurecht, kann er den Auftrag jederzeit beenden und sich einen neuen Partner suchen.“
Häuser aufstocken
Eine gründliche Analyse des Standorts steht an erster Stelle. Wie verläuft der Kundenstrom? Wie ist die Verkehrsanbindung? Wo sitzt die Konkurrenz? Das sind einige Kriterien, die vor der Unterschrift unter den Mietvertrag zu klären sind. Denn er wird oft über zehn Jahre abgeschlossen und ist selbst nur dann schwer kündbar, wenn der Laden pleitegeht. „Zehn Jahre sind verhängnisvoll, gerade für Gründer, die ihre Geschäftsentwicklung nicht absehen können“, sagt Nadin Mourad, Rechtsberaterin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Aachen. Im schlimmsten Fall stünden Kleingewerbetreibende mit ihrem Privatvermögen für die fällige Miete ein. Sie rät deshalb zum Abschluss von maximal Fünf-Jahresverträgen mit Option auf Verlängerung. Die Kontraktdauer gehört laut dem Rechtsanwalt und Fachautor Jürgen Fritz aus Düsseldorf zu den Fallstricken im Gewerbemietrecht. Gründer sollten bereits im Kreditge-
spräch mit ihrer Bank Acht geben: „Institute knüpfen ihre Darlehen oft an einen Zehn-Jahresvertrag. Das ist völliger Unsinn.“ Um der Falle zu entgehen, sei in den Verhandlungen sowohl mit der Bank als auch mit dem potenziellen Vermieter Hartnäckigkeit angebracht. Neben einer kürzeren Laufzeit eignet sich eine Ausstiegsklausel als Alternative oder eine Kombination beider Möglichkeiten. Schlechte Karten haben laut Fritz diejenigen, deren Unternehmen als „1-Euro GmbH“ oder „Ltd.“ firmiert. Deren knappe Kapitalausstattung mache Vermietern oft misstrauisch. Auf jeden Fall sollte der Vertrag schriftlich abgeschlossen werden. Ort, Lage, Umfang, Räumlichkeiten und deren Nutzung als Schuhladen, Bistro, Büro, Praxis oder Werkstatt werden genau beschrieben. Darüber hinaus dokumentiert das Papier, welche Parkplätze und Freiflächen dazu gehören. Schaukästen, Reklameflächen oder Leuchtbänder sind ebenfalls Teil der Vereinbarung. Die Miete wird nach Quadratmetern berechnet und angegeben. Es empfiehlt sich, „vor Mietbeginn gemeinsam die Vermessung der Mietflächen vorzunehmen“, heißt es in Merkblättern, die die Handelskammern bundesweit ins Internet gestellt haben. Üblicherweise bestimmt die Lage den Preis. Ein Mietspiegel für Geschäftsräume existiert nach Auskunft des Immobilienverbands Deutschland (IVD) in Berlin
nicht. Orientierung bieten jedoch von lokalen Kammern und Maklerverbänden online publizierte Listen. Bei anderen Details wie Renovierung, Ausstattung, Vergünstigungen und Kaution gibt es viel Spielraum. Unternehmerisches Verhandlungsgeschick ist gefordert. Das gilt genauso für die Suche nach einem Nachmieter. Typische Fälle sind Geschäftsaufgabe oder das Verlassen von Büro- und Praxisgemeinschaften von Ärzte, Anwälte, Architekten oder Journalisten. „Die Übriggebliebenen müssen die volle Miete übernehmen – es sei denn, der Vertrag erlaubt einen neuen Mitmieter“, sagt ein IVD-Fachmann. Individuell vereinbar ist eine Konkurrenzschutz-Klausel: Danach darf ein Vermieter keine Firma mit dem gleichen Hauptsortiment in das gleiche Objekt aufnehmen. Das spielt unter anderem bei Flächen eine Rolle, die in Einkaufszentren nach dem Shop-in-Shop-System angeboten werden. Trotz der Vielfalt an Gestaltungsvarianten warnt der Makler aus rechtlichen Gründen vor selbst gebastelten Verträgen. Stattdessen könnten Standardmietverträge modifiziert werden. Ob das Objekt der Begierde tatsächlich für gewerbliche Zwecke geeignet ist, dafür steht zunächst der Vermieter gerade. Auf dessen Auskunft „Hier können Sie ruhig Ihre Pizzeria eröffnen“ muss der Interessent sich laut IVD ebenso verlassen dürfen wie auf Auskünfte eines Mak-
Gute Zeiten für die Immobiliensuche: Derzeit stehen viele Gewerbeflächen leer.
lers oder eines Exposés. Muss die Pizzeria dichtmachen, weil das Ordnungsamt Einwände erhebt, können Mieter u. U. Schadensersatz geltend machen. Genau hinsehen sollten sie dennoch. Besonders, wenn sie Mitarbeiter einstellen wollen. Ein Ladenlokal allein reicht dann oft nicht. „Sozialräume, Ruheraum, das muss man bedenken“, erläutert IHK-Expertin Mourad. Bei Publikumsverkehr geht es zudem um Brandschutz. Mourad rät, sich über solche Vorgaben vor der Unterschrift bei Berufsgenossenschaften, Ämtern für Arbeitsschutz und -sicherheit oder in der Gründerberatung schlauzumachen.
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Maßgeschneiderte Konzepte für Gewerbeimmobilien aus dem Ingenieurbüro Schlattner
Nicht nur die Statik muss stimmen
Flexibilität in der Planung für Immobilienbetreiber immer wichtiger dpa AUGSBURG. Baugrundstücke sind in Ballungsgebieten besonders teuer. Mancher Hausbesitzer spielt deshalb mit dem Gedanken, das Dach als „Baugrund“ zu nutzen. Auf diese Weise kann zusätzlich benötigter Raum entstehen. „Aufstocken macht vor allem Sinn bei Gebäuden in Innenstadtlagen“, sagt der Architekt und Fachbuchautor Thomas Drexel aus Augsburg. Aber auch viele Einfamilienhäuser aus den sechziger Jahren und Walmdachbungalows, deren Dächer nicht ausbaubar sind, seien geeignet.
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„Wer mit dem Gedanken spielt, ein Haus aufzustocken, sollte zuerst einen Architekten verpflichten“, rät Drexel, der ein Buch über Umbauen, Erweitern und Renovieren geschrieben hat. Ein wichtiges Kriterium bei der Architektenwahl: Die Chemie zwischen Bauherr und Planer sollte stimmen. Im ersten Schritt kann der Architekt klären, ob eine Aufstockung überhaupt möglich ist. Alternativen wie Anbauten oder Dachausbauten sind in manchen Fällen die bessere Lösung. Vor einer Aufstockung muss eine präzise Kosten-Nutzen-Kalkulation gemacht werden. Dabei müsse geklärt werden, ob sich der Aufwand wirtschaftlich rechnet, erklärt Ulrich Zink, Architekt und Geschäftsführer des Bundesarbeitskreises Altbauerneuerung in Berlin. Aufstockungen seien ein erheblicher Eingriff in die Bausubstanz. In der Praxis bedeute dies, dass die bautechnischen Voraussetzungen durch teure Baumaßnahmen erst geschaffen werden müssen. In Extremfällen kann zum Beispiel das Fundament zu schwach sein. Damit die Statik trotzdem stimmt, muss es aufwendig verstärkt werden.
Nach oben ist noch Platz – durch Aufstocken lässt sich der Wohnraum im Eigenheim erweitern. Foto: Velux/dpa
„Bei einer Aufstockung hat auch die Baubehörde mitzureden, die das Projekt genehmigen muss“, sagt der Architekt Holger Reiners aus Hamburg. Die Baubehörde überprüft, ob das Bauvorhaben mit dem örtlichen Bebauungsplan vereinbar ist. Sie entscheidet auch, ob das Grundstück durch die Erweiterung nicht überbaut wird und ob das erweiterte Gebäude noch ins Stadtbild passt. Wenn die architektonischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen stimmen und die Behörden grünes Licht geben, stellt sich die Frage nach der Bauweise der Aufstockung: „Aus Gründen der Statik ist eine Aufstockung oft nur in Leichtbauweise mit vorgefertigten Holzbauelementen zu realisieren“, erklärt Drexel. Deren Vorteil im Vergleich zu Stein oder Beton sei das geringe Gewicht. „Alte Flachdachbungalows, deren Dachdichtung im Laufe der Zeit gelitten hat und die nicht
mehr dicht sind, werden gern mit einem Schrägdach aufgestockt“, sagt Reiners. Der dadurch gewonnene Raum kann zu Wohnzwecken ausgebaut werden. Nach Abtrag der Kiesschichten könne ein Flachdach meist als Geschossdecke dienen. Dies müsse allerdings ein Statiker berechnen. „Um eine bessere Wohnqualität unterm Dach zu erzielen, kann statt eines klassischen Daches mit Holzkonstruktion und Ziegeln ein sogenanntes Massivdach geplant werden“, erklärt Diethelm Bosold von der InformationsZentrum Beton GmbH in Beckum (Nordrhein-Westfalen). Unter diesem Dachtyp komme es selbst bei heißem Sommerwetter aufgrund der Speicherkapazität der massiven Materialien nicht zu dem oft unerträglichen „Barackenklima“. Fachbuchautor Drexel sieht Massivdächer jedoch kritisch: „Vom Kostenaufwand sind Massivdächer gegenüber Holzkonstruktionen oft teurer.“ Zudem lasse die Statik des vorhandenen Gebäudes ein Dach in massiver Bauweise nicht zu. Auch bautechnisch hätten Holzkonstruktionen gegenüber Betonkonstruktionen Vorteile, da sie luftdurchlässiger konstruiert werden könnten als Beton. Bei einer Aufstockung muss auch über den Stil des Neubaus nachgedacht werden. „Bei Häusern im neutralen Stil kann der Neubau so gewählt werden, dass sich die Wohnerweiterung bewusst vom vorhandenen Baukörper absetzt“, sagt Drexel. Die Aufstockung sei dann auch ein Blickfang. Alternativ könne auch der Stil des ursprünglichen Gebäudes wieder aufgenommen werden, sodass Alt- und Neubau miteinander verschmelzen. Beide Varianten seien reizvoll.
Foto: dpa/Armin_Weigel
WOHNEN IN GEWERBERÄUMEN
Mietvertrag wird ungültig In Gewerberäumen zu wohnen ist normalerweise nicht möglich – selbst dann nicht, wenn Unternehmer in der Startphase aus finanziellen Gründen ihr Schlafzimmer lieber direkt neben dem Ladenlokal einrichten wollen. Sie würden
damit gegen die Regel verstoßen, wonach Gewerberaum grundsätzlich nur zu gewerblichen Zwecken vermietet werden darf. Entfällt der gewerbliche Zweck, wird der Mietvertrag normalerweise ungültig. Die Kombination von Woh-
nen und Arbeiten ist trotzdem möglich: etwa wenn zur Werkstatt eine Wohnung gehört und beides zusammen vermietet wird. Wer dagegen Wohnraum kurzerhand in Büros oder Läden verwandelt, riskiert Ärger mit den Behörden. dpa
Ein entscheidender Trend in der Planung von Gewerbeimmobilien besteht heute darin, deren Nutzungsmöglichkeiten – insbesondere im Fall von Neubauten, aber auch bei Sanierungen und Umnutzungen – durch maximale Flexibilität für den Betreiber offen zu halten. Laut dem Ingenieurbüro Schlattner aus Osnabrück ist die genaue Mieterstruktur bzw. Nutzung der Immobilie im Vorfeld häufig noch nicht endgültig definiert. Daher sind immer häufiger Konzepte gefragt, die eine einfache Anpassung der Raumzuschnitte an sich verändernde Anforderungen ermöglichen. So zum Beispiel beim Neubau eines Bürogebäudes direkt am Dortmund-Ems-Kanal in Münster: Im Auftrag der ortsansässigen „eleVAtion“ Architekten kümmerte sich das Ingenieurbüro Schlattner hier neben dem Brand- sowie dem Schall- und Wärmeschutz auch um die Tragwerksplanung. Vom Ein-Zonenmodell zur multiplen Nutzung auf jeder Etage Die Herausforderung: Auf jeder der drei Ebenen musste bis zum Bezug die Option offen bleiben, die jeweilige Etage in eine, zwei oder drei Nutzungseinheiten aufzuteilen. Dies bedurfte sowohl im Bereich des Brandschutzes und der Statik als auch im Wärmeschutz eines besonderen Maßes an Kreativität im Planungsprozess. „Tragende Wände oder Stützen können wir nur unter Erschwernissen verschieben oder entfernen. Somit mussten wir die Lasten möglichst elegant und für den Nutzer unsichtbar in die Gründung führen. Im EnEV-Nachweis wurde das Gebäude als Ein-Zonenmodell vorbilanziert, um die gewünschte Flexibilität möglichst lange aufrechterhalten zu können. Die in diesem Verfahren aufgeschlagenen zehn Prozent wurden als Berechnungspuffer genutzt und werden in der endgültigen Berechnung noch einmal optimiert“, erklärt Junior-Inhaber Cornelius Schlattner. Das so gewählte Verfahren ermöglicht eine offene, aber dennoch kontrollierte und normkonforme Begleitung während der weiteren Planung. Sonderlösung für filigrane Balkone und Fassade Eine weitere Herausforderung bei der Planung ergab sich durch die schachbrettartig facettierten Fassaden des Gebäudes. Hier galt es, die Lasten in dem Aufsehen erregenden Wechsel aus Fenstern und Klinkerelementen jeweils sicher abzufangen. Außerdem sind an der Wasserseite des Komplexes durchgängige Fensterflächen als Pfosten-Riegel-Konstruktion vorgesehen. Die davor installierten Balkone waren laut Architektenentwurf optisch sehr dezent zu gestalten. Dies erforderte eine besondere Lösung für die Tragkonstruktion, da keine Wärmebrücken entstehen durften, die oft mit Balkonkonstruktionen einhergehen. Die Ingenieure von Schlattner lösten diese Aufgabe durch das Konstruieren von gedämmten Konsolen, die in die Decken eingespannt wurden, und über filigrane, konisch zulaufende TProfile die Lasten aus den Balkonen aufnehmen. 190 Pfähle für ein sicheres Fundament Die hohe Flexibilität des Planungsbüros zeigte sich auch beim Neubau des Gesundheitszentrums im nordrhein-westfälischen Lüdinghausen. Hier stießen die beteiligten Firmen auf bis zum Baubeginn noch unbekannte Altlasten: Immer wieder neue Funde von Leitungen und Kellergewölben im weichen Untergrund haben die Arbeiten auf dem ehemaligen Gelände des St. Marien-Hospitals mehrfach verkompliziert. Doch nicht zuletzt durch den reaktionsschnellen Einsatz des Ingenieurbüros Schlattner wurde hier eine solide Basis für den Projekterfolg geschaffen. „Nach den ersten statischen Berechnungen wussten wir, dass der vorhandene Untergrund es erfordert, von einer normalen Flachgründung Abstand zu nehmen. In enger Absprache mit dem Bodengutachter haben wir uns für eine Pfahlgründung entschieden. Hierfür wurden rund 190 Stahlbetonpfähle vorgesehen“, erinnert sich Cornelius Schlattner. Ähnlich wie beim Münsteraner Projekt am Dortmund-Ems-Kanal musste die endgültige Raumnutzung so lange wie möglich offen gehalten werden. Da zu Planungsbeginn beispielsweise noch nicht entschieden war, auf welcher Etage eine radiologische Praxis einschließlich MRT eingerichtet werden sollte, mussten die aus der tonnenschweren Medizintechnik resultierenden Lasten bei der Ausbildung der Stahlbetondecken in den potentiellen Bereichen berücksichtigt werden. Neben der Statik war auch die Erfüllung der Schallschutzanforderungen eine diffizile Aufgabe, die es durch den Einbau von massiven Bauteilen zu lösen galt. Die Verteilung der Praxen konnte so bis zum Baubeginn sehr variabel gestaltet werden. So führen die Osnabrücker auch anspruchsvolle Bauvorhaben landes- und bundesweit durch langjährige Erfahrung, ausgeprägtes Know-how und enge Kooperation mit den Auftraggebern sicher zum Ziel.
Kontakt
Ingenieurbüro Schlattner GbR Weißenburger Straße 9 49076 Osnabrück Fon 0541 941 66 - 0 E-Mail: info@schlattner.de Internet: www.schlattner.de
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