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DIE WICHTIGSTEN TERMINE SEITE 32
DONNERSTAG, 26. OKTOBER 2017
AUSGABE 05/17
Krankheitskosten für Betriebe auf Rekordniveau Fallen Teile der Belegschaft aus, kommt das die Unternehmen teuer zu stehen: Mehr als 50 Milliarden Euro geben Betriebe jährlich für Lohnfortzahlungen und Co. aus, Tendenz steigend. Wie viel Krankheit kostet und welche Maßnahmen helfen, Mitarbeiter fit zu halten, lesen Sie auf den Seiten 6 und 7.
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In dieser Ausgabe:
STANDORTPORTRÄT STADT BAD IBURG MACHER & MÄRKTE Diskreter Riese: JCK Holding betreibt weltweite Geschäfte Seite 3
SPEZIAL INNOVATIONEN & IDEEN Fleisch aus dem Labor, Züge ohne Abgase: So innovativ sind Firmen Seiten 12 bis 14
Foto: Alstom/ Wittwer
GELD & GESCHÄFT Blühende Geschäfte: Der Gartengigant Emsflower im Porträt Seiten 20/21
LEBEN & LEIDENSCHAFT In aller Munde: Wie das Kultgetränk Gin die Region erobert Grafiken : Colourbox.de · Montage: Matthias Michel
Berentzen braucht eine eigene DNA Neuer Vorstand Oliver Schwegmann empfindet Aufgabe als Herzensangelegenheit VON HERMANN-JOSEF MAMMES HASELÜNNE. Mit Oliver Schweg-
mann hat ein echter Bekenner zur Region am 1. Juni das Kommando der Berentzen-Gruppe im emsländischen Haselünne übernommen.
„Ich bin 20 Kilometer entfernt in Löningen aufgewachsen. Das ist ein echtes Homecoming für mich“, sagt der 43-jährige Vorstand und Diplom-Sportökonom. So sei das Angebot des Berentzen-Aufsichtsrates für ihn auch eine „absolute Herzenangelegenheit“ gewesen. Noch heute leben drei seiner sechs Geschwister und seine Mutter in Löningen.
Berentzen-Vorstand Oliver Schwegmann. Foto: Hermann-Josef Mammes
Schwegmann, Vater von drei Töchtern im Alter von fünf, sieben und neun Jahren, pendelt noch als bekennender Ostseefan zwischen Haselünne, Löningen, Timmendorfer Strand und Genf. In der Schweiz war er vor seinem Wechsel im Emsland als Manager beim
Weltmarktführer im Kosmetikbereich, L’ Oréal, tätig. Die Lebensmittelbranche kennt er von seinen anderen beruflichen Stationen bei den Süßwarenherstellern Storck und Mars sowie bei Hero, ein international tätiger Konzern im Bereich von Fruchterzeugnissen, Babynahrung und Müsliriegeln. Berentzen will sich im nicht alkoholischen Segment weiter profilieren. „Gesunde Ernährung ist Thema Nummer eins in den sozialen Netzwerken“, weiß Schwegmann. Er setzt auf die zuckerarme Mate-Limonade MioMio. „Unser Rohdiamant besitzt viel Potenzial.“ Er soll zum Unternehmensdiamant von Berentzen werden. Ähnliches gelte für die Marke Citroca-
sa. Mit der Berentzen-Fruchtpresse bereitet sich der Endabnehmer seinen Orangensaft – frisch gepresst, versteht sich – selbst zu. Trotz aller Innovation setze Berentzen weiter auf Spirituosen. Schwegmann, der gerne Tennis spielt und sich in Sportstudios fit hält, will die Teamfähigkeit der 500 Mitarbeiter in der BerentzenGruppe stärken. „Wir brauchen eine gemeinsame DNA.“ Das Vorstandsmitglied will hier ansetzen und Strukturen ändern und notfalls Mauern einreißen. Das komplexe Unternehmen benötige eine starke eigene Identität. Die neue Maxime und Firmenphilosophie liefert Schwegmann gleich mit: „Durst auf Leben.“
Seiten 28/29
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DONNERSTAG, 26. OKTOBER 2017
MACHER & MÄRKTE
2
SPEZIAL
MACHER & MÄRKTE
GELD & GESCHÄFT
INNOVATIONEN & IDEEN
E D I TO R I A L
LEBEN & LEIDENSCHAFT
1 | Oliver Schwegmann
9 | Wasser gegen Terror
17 | Grafik
25 | Mini-Häuser
„Berentzen“ braucht eine eigene DNA, findet der neue Vorstand des Haselünner Konzerns.
Indutainer entwickelt mobile Straßensperren.
Die 30 umsatzstärksten Unternehmen im Nordwesten.
Gildehauser Firma baut fahrbare „Tiny Houses“.
2 | Editorial
10 | Handwerk
18 | Luftfahrt
26 | Arbeitsmarkt
Berthold Hamelmann über Krankheit und Gesundheit am Arbeitsplatz.
Stiftung bringt Jungs und Handwerker a. D. zusammen.
Turbulenzen in der Luftfahrtbranche: Airlines an der Börse.
Ostercappeler Firma vermittelt Menschen mit Behinderung.
3 | JCK Holding
11 | Schoeller AG
19 | Husmann Umwelttechnik
27 | Ölförderung
Die Geschäfte ihres Betriebs umspannen die Welt, doch die Chefs meiden das Rampenlicht.
Wie sich der Papierhersteller selbst neu erfand.
Müllpressen mit Solarantrieb: Dörpener Unternehmen geht neue Wege.
Gemeinde Osterwald lebt mit und von der Ölindustrie.
6 | Was Krankheit kostet
12/13 | Ernährung
20/21 | Floristik
28/29 | Kultgetränk Gin
Mehr als 50 Milliarden Euro müssen Betriebe für ihre kranken Mitarbeiter zahlen.
Neue Küchenwelt: Ein Garten im Schrank, ein Burger aus aus Insekten.
Eine Branche, zwei Modelle: Blumengigant Emsflower und Kleinbetrieb Mösker.
Wie ein Trendgetränk mit Geschichte die Region erobert.
7 | Interview
14 | Mobilität
22 | Reisebranche
30 | Mode
Senkt Betriebliches Gesundheitsmanagement die Krankheitskosten?
Alstom entwickelt emissionslosen Zug in Niedersachsen.
Politik und ihre Folgen: Türkei-Tourismus in der Krise.
Bad Bentheimer Unternehmerin macht Bräute glücklich.
8 | Küchenhersteller
15 | Anonyme Bewerbungen
23 | Spedition M+F
31 | Teehaus Thiele
Küchenmeile an der A30 zeigt Licht und Schatten der Branche.
Wer den „falschen“ Namen trägt, wird oft Opfer von Vorurteilen.
Nordhorner Exporteur rüstet sich für den Brexit.
Franz Thiele führt Emdener Traditionsunternehmen mit Seele.
KRANK AM ARBEITSPLATZ
Mit dem Alter steigt das Risiko VON BERTHOLD HAMELMANN
D
Unternehmens- und Personenindex UNTERNEHMEN Agfa ...........................................................11 Agravis......................................................17 Agrilution................................................ 12 Air Berlin ................................................ 18 Aldi............................................................. 3 Alfsee GmbH..........................................26 Alfsee Piazza...........................................26 Allitalia.................................................... 18 Alno............................................................ 8 Alstrom-Konzern................................... 14 Ammerland ........................................ 3, 17 Apple.........................................................17 Badepark Bad Bentheim .....................32 BASF .........................................................17 Bauunternehmen Anton Meyer......... 10 Berentzen.......................................1, 17, 28 Big Dutchman.........................................17 Blumenkind Spirituosen .....................29 BMW .........................................................17 Boge...........................................................17 Booz & Campany..................................... 6 Bosch.........................................................17 BP ..............................................................17 BrautSchön.............................................30 Bugfoundation....................................... 13 Büntig .......................................................17 Bünting-Gruppe .................................... 31 Bürkle + Schock .....................................15 Cewe..........................................................17 CNPC.........................................................17 Continental..............................................17 Daimler ....................................................17 Danish Crown.........................................17 Daun & Cie ..............................................17 Dekra-Automobil .................................... 9 Deutsche Arbeitgeberverbände (BDA) 6 Deutsche Post .........................................17 Deutsche Telekom..................................17 Deutsches Institut für Lebensmitteltechnik (DIL)..... 12, 13 Deutsches Milchkontor ........................17 Edeka .................................................12, 29 Emsflower..................................................1 Emsflower...............................................20 Emsland-Stärke ......................................17 Enercon ....................................................17
Eon ............................................................17 Etihad ...................................................... 18 EWE ..........................................................17 Exor...........................................................17 Express Küchen....................................... 8 Exxon Mobil ......................................17, 27 Felix Schoeller Group...................... 11, 17 Felix-Burda-Stiftung............................... 6 Floristik Mösker.................................... 21 FTI............................................................22 Galeria Kaufhof .....................................29 Gartencenter Oosterik ......................... 21 Gazprom...................................................17 Gebr. Stolle ..............................................17 Gesellschaft für Finanzund Versorgungsberatung (FVB)....... 18 Gewinet ..................................................... 7 Glencore...................................................17 Glunz.........................................................17 GMH Holding .........................................17 Goldstück................................................30 Google...................................................... 12 Gordon ....................................................28 Grafschafter Rohrleitungsbau GmbH ...................................................... 27 Gründerhaus Osnabrück.....................32 Güldenpfennig......................................... 3 H&R ..........................................................17 Häcker ....................................................... 8 Hagebau ...................................................17 Handwerkskammer Osnabrück-Emsland-Bad Bentheim1, 6 Harting .................................................... 32 Heinrich Stobbe ....................................28 Hellmann .................................................17 Heristo......................................................17 Hero ............................................................1 Homann Feinkost ..................................17 Husmann Umwelttechnik................... 19 Husmann-Gruppe................................. 19 Hüttemann-Gruppe..............................23 Impossible Foods .................................. 12 Indutainer................................................. 9 Initiative Sinnvolle Arbeit (ISA)........26 Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW).................................................. 6 J+B Küpers............................................. 27 JCK Holding......................................... 1, 3
Kaiser‘s Tengelmann ............................ 12 KME ..........................................................17 Kodak........................................................11 Koersmann ............................................. 25 Konica.......................................................11 Köster .......................................................17 Krone ........................................................17 Kuipers CNC-Blechtechnik GmbH & Co. KG .................................... 18 L’Oréal ........................................................1 La Vie.......................................................28 LTU........................................................... 18 Lufthansa................................................ 18 M+F-Spedition.......................................23 Marken-Horst ........................................28 Mars ............................................................1 Memphis Meat....................................... 12 Metro ........................................................17 Microsoft................................................. 12 Monarch.................................................. 18 MUUUH! Group.................................... 18 Nobilia ....................................................... 8 Nolte Gruppe ........................................... 8 Nolte Küchen ........................................... 8 Nordland..................................................17 Öger Tours ..............................................22 OHB SE ................................................... 18 Onno Behrends...................................... 31 Osram ...................................................... 12 Paracelsus Kliniken ...............................17 Penig GmbH............................................11 PHW-Gruppe...........................................17 Piepenbrock ............................................17 Pino ............................................................ 8 Poggenpohl............................................... 8 Premium Aerotec ...................................17 Preußag ................................................... 27 Q1 Energie ...............................................17 Rana Plaza................................................ 3 Rational..................................................... 8 Rewe ........................................................ 12 Röchling Engineering Plastics............17 Rossmann ................................................17 Royal Dutch Shell ..................................17 Salzgitter AG ...........................................17 Schröder Getränkehandel...................28 Siemens ..............................................14, 17 Sinopec .....................................................17
Snaidero-Gruppe..................................... 8 Spirit 49 ..................................................28 Sprehe.......................................................17 Stadtwerke Osnabrück .........................17 State Grid.................................................17 Stobbe......................................................28 Storck..........................................................1 Strabag .................................................... 27 Strabag Konzern.................................... 27 Talanx ...................................................... 18 Technocell AG .........................................11 Tengelmann Ventures .......................... 12 The Bulldog ............................................28 Thiele & Freese...................................... 31 Thiele Tee................................................ 31 Thomas Cook .........................................22 Total ..........................................................17 Toyota .................................................14, 17 Trigema ...................................................32 Tschibo ...................................................... 3 Tui..............................................................17 TUI Group ..............................................22 UPM Nordland Papier ........................... 7 Vectron Systems AG ............................. 18 VW.............................................................17 Walmart ...................................................17 Weller Group..........................................32 Wellmann.................................................. 8 Wernsing..................................................17 Wollbrink ...............................................28
PERSONEN Adolphsen, Michael.............................. 27 Bäumer, Karsten...................................... 8 Beer, Henrike .........................................22 Beinke, Renate....................................... 10 Birkholz, Jockel ......................................15 Branson, Richard .................................. 12 Breitsprecher, Max......................... 28, 29 Brink, Bernhard .................................... 25 Brinkmann, Axel ..................................... 8 Brookmann, Harm................................ 27 Brookmann, Thomas............................ 27 Bürkle, Stefan .........................................15 Çelik, Çetin .............................................23
Drei Geschäftsfelder – eine starke Gruppe
Architecture
Diekjakobs, Johann .............................. 27 Ebermann, Michael .............................. 25 Eling, Thomas........................................26 Elisabeth I. .............................................28 Ellermann, Ben...................................... 18 Fiebig, Norbert .....................................22 Fischer, Daniel....................................... 27 Forster, Mark.......................................... 25 Frenzel, Michael ....................................22 Gallenkamp, Hans-Georg.....................11 Gallenkamp, Hans-Michael .................11 Gallenkamp, Hans-Christoph .............11 Gates, Bill................................................ 12 Gebert, Esther.........................................15 Gehring, Detlev ....................................... 3 Gödde, Eva................................................ 7 Gorbatschow, Michail ...........................11 Grupp, Wolfgang...................................32 Hagemann, Uwe...................................... 9 Hartung, Robert....................................32 Heinz, Volker.......................................... 12 Hesping, Cathrin...................................30 Husmann, Astrid................................... 19 Husmann, Gerhard............................... 19 Husmann, Gerrit................................... 19 Husmann, Hendrik............................... 19 Husmann, Heinz-Hermann ................ 19 Hüther, Gerald....................................... 10 Jacobs, Dirk............................................ 27 Jäger, Tobias...........................................26 Joostberends, Leon............................... 10 Kalisch, Carolin ......................................15 Kempin, Olaf...........................................15 Kennepohl, Jonas.................................. 10 Kircher, Christian ................................. 13 Klee, Thomas ........................................... 8 Koers, Stefan .......................................... 25 Köhler, Manfred ....................................23 Kollmann, Johannes............................... 3 Kollmann, Günter................................... 3 Kollmann, David ..................................... 3 Kredatus, Thomas................................... 8 Kühn, Benjamin ....................................26 Kuipers, Wilhelm .................................. 18 Kuipers, Michael ................................... 18 Kuipers, Tom..........................................20 Kuipers, Bennie .....................................20 Kuipers, Jan............................................20
Worklife
Kuipers, Bart..........................................20 Kunz, Alexander....................................29 Küpers, Joachim.................................... 27 Linke, Jochen........................................... 8 Linnemann, Jürgen ..............................26 Lübbersmann, Michael........................32 Max Lössl, Max...................................... 12 May, Theresa ..........................................23 Mittermaier-Neureuther, Rosi ...........32 Mösker, Helmut..................................... 21 Mösker, Hilke......................................... 21 Neureuther, Christian ..........................32 Over, Hermann ...................................... 27 Paulsen, Uwe.......................................... 10 Peter, Thomas ........................................ 27 Peters, Manfred ..................................... 10 Pistorius, Boris ......................................32 Pleisticker, Rebekka .............................30 Pleisticker, Sven.....................................30 Queen Mum............................................28 Rahe, Johannes...................................... 10 Roling, Malte.......................................... 10 Ruschhaupt, Sven ................................... 6 Rüter, Karin............................................22 Sander, Michael.....................................28 Scheer, Regina .......................................29 Schlömer, Hans-Tebbe............................ 7 Schneider, Steffen .................................26 Schraten, Friedrich ............................... 27 Schraten, Gerd....................................... 27 Schröder, Ralf ........................................28 Schwegmann, Oliver ...............................1 Siedenburg, Lüder .................................. 3 Siegbert, Martin ...................................... 9 Simons, Menno......................................28 Sprotte, Jens........................................... 14 Stobbe, Uta .............................................28 Stobbe, Peter ..........................................28 Strautmann, Jan-Hendrik...................29 Strohmann, Réne ..................................28 Stünckel, Susanne.................................22 Texter, Friederike ...................................11 Thiele, Franz .......................................... 31 Tillerson, Rex ......................................... 27 Wassmann, Birgit..................................29 Weichselbauer, Doris.............................15 Weller, Burkhard................................... 32 Wlotzka, Christian.................................11
er demografische Wandel lässt grüßen. Der Arbeitsmarkt wandelt sich dramatisch. Händeringend werden Fachkräfte gesucht. In vielen Regionen übersteigt die Nachfrage das Angebot – und da jüngerer Nachwuchs Mangelware ist beziehungsweise wird, steigt das Durchschnittsalter der Belegschaft unaufhaltsam. Älter werden heißt nicht automatisch kränker werden, doch das Risiko steigt beträchtlich. Neben den Kosten, die zu Buche schlagen, führen krankheitsbedingte Ausfälle in den Reihen der Mitarbeiterschaft zu vermehrtem Stress. Das Arbeitspensum erhöht sich nicht selten – Projekte müssen schließlich abgeschlossen werden. Da baut der jeweilige Chef oder die Chefin schon mal gehörigen Druck auf. Stimmt das Betriebsklima, sind solche Extremsituationen leichter zu überstehen. Gesund ist das aber alles nicht. Und wie überall klaffen auch beim Thema Gesundheitsmanagement riesige Lücken zwischen Theorie und Praxis. Das Arbeitsschutzgesetz enthält zum Glück viele Vorgaben, die zum Erhalt der körperlichen und psychischen Gesundheit beitragen sollen. Gesundheitsvorsorge im Rahmen eines betrieblichen Gesundheitsmanagements leisten sich aus gutem Grund größere Unternehmen, die den Nutzen längst erkannt haben. Nur verfügen sie auch eher über die finanziellen Möglichkeiten, entsprechende Ressourcen bereitzustellen. Kleinere Unternehmen tun sich da oft ungleich schwerer, obwohl die Problemlage identisch ist. Beim Thema Vorsorge darf aber nicht nur auf den Arbeitgeber geschielt werden: Bietet er etwa Grippeschutzimpfungen an, nutzt oft nur ein Bruchteil der Belegschaft das Angebot. Und bei der nächsten Grippewelle ist das Geschrei dann groß... Gesundheit bleibt ein spannendes Thema.
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DONNERSTAG, 26. OKTOBER 2017
MACHER & MÄRKTE
Diskreter Riese aus Quakenbrück Die Familie Kollmann betreibt mit ihrer JCK Holding weltumspannende Geschäfte, will selbst aber lieber im Hintergrund bleiben VON CHRISTOPH LÜTZENKIRCHEN QUAKENBRÜCK. Der Mittelständ-
ler JCK Holding bewegt sich vom Umsatzvolumen her auf Augenhöhe mit Firmen wie der Molkerei Ammerland aus Wiefelstede-Dringenburg. Dennoch sind die Holding und deren Eigentümer, die Quakenbrücker Familie Kollmann, außerhalb der niedersächsischen Kleinstadt kaum bekannt. Warum ist das so? Weshalb hat Familienpatriarch Günter Kollmann trotz der Bedeutung seines Unternehmens noch nie einem Journalisten ein Interview gegeben? Dazu später mehr.
Im Geschäftsjahr 2015 erwirtschaftete die JCK Holding Umsatzerlöse in Höhe von 628 Millionen Euro (Vorjahr: 583 Millionen), davon entfielen 469 Millionen Euro auf das Inland. Zum Vergleich: Die Molkerei Ammerland verbuchte 639 Millionen Euro Umsatz und belegte damit Rang 61 unter den nach ihrem Umsatz größten Unternehmen Niedersachsens. Der Jahresüberschuss nach Steuern der JCK belief sich 2015 auf 30 Millionen Euro. Kerngeschäftsfelder der Holding sind die Bereiche Bekleidung, Sport und Outdoor, Werbeartikel sowie Rehabilitationsmittel. Das Unternehmen beschäftigte 2015 insgesamt 1146 Mitarbeiter. Seine Holdingstruktur erhielt es 1992, als die Familie 30 Prozent der Anteile institutionellen Investoren überließ. Die Zusammensetzung der Geschäftsführung ist seit vielen Jahren stabil. Neben Seniorchef Günter Kollmann und seinem Sohn David (40) gehörten schon vor zehn Jahren Detlev Gehring als kaufmännischer Leiter und Lüder Siedenburg (Vertrieb) zu dem Gremium. Inzwischen ist mit Johannes Kollmann (31) auch der jüngste Sohn der Quakenbrücker Unternehmerfamilie Mitglied der Geschäftsführung. Die Verschlossenheit der Familie gegenüber der Öffentlichkeit ist Legende, doch Johannes Kollmann macht eine
Von Quakenbrück nach Schanghai, Paris und Delaware
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Mit eigenen Tochterunternehmen und assoziierten Unternehmen ist die JCK Holding in zahlreichen Ländern weltweit vertreten. Das Netzwerk wird laufend erweitert.
Kaltenkirchen Quakenbrück
Nacka Schweden Wa˛growiec Polen Paris Frankreich
Bielefeld Remscheid
Viernheim
Magdeburg Zeulenroda
Stockstadt am Rhein Crailsheim Wemding Albstadt
Delaware USA Günter Kollmann im März 2017. Foto: Rolf Kamper
Dhaka Bangladesch
Schanghai China
Hongkong China
Quelle: Konzernabschluss zum Geschäftsjahr 2015 der JCK Holding GmbH Textil KG · Grafik: Matthias Michel
Ausnahme und steht überraschend für Fragen zur Verfügung. Zur gemeinsamen Arbeit in der Geschäftsführung sagt er: „Die drei Familienmitglieder sind für die strategische Weiterentwicklung und Ausrichtung des Unternehmens verantwortlich. Untereinander haben wir keine feste Aufgabenverteilung, sondern arbeiten projektbezogen. Wichtige Entscheidungen treffen wir gemeinsam. Einer von uns ist immer der Hauptverantwortliche für ein Projekt, das kann beispielsweise eine neue Beteiligung sein.“ Wichtigste Konzernsparte ist das Geschäft mit Großkunden wie Lebensmitteldiscountern. Um welche Discounter es sich im Einzelnen handelt, will Johannes Kollmann nicht verraten. Die wichtigen Großkunden würden Diskretion von JCK erwarten. In früheren Publikationen wurden unter anderem die Ketten Aldi und Tchibo genannt. Die Discounter verkaufen Bekleidung unter eigener Markenbezeichnung und beziehen die Ware zum Großteil von der JCKTochter Güldenpfennig. Dieses Geschäftsmodell wird als „Private Label“ bezeichnet. JCK zählt europa-
weit zu den Schwergewichten in diesem Marktsegment. Unter dem Dach der Holding wurden 2015 insgesamt 37 Tochtergesellschaften weltweit konsolidiert. Die Beteiligungsphilosophie seiner Familie charakterisiert Kollmann so: „Sie stützt sich auf drei wesentliche Grundsätze: Wir investieren in Teams und wollen, dass diese langfristig erhalten bleiben. Wir streben langfristige Beteiligungen an. Diese sollen aber möglichst eigenständig bleiben.“ Die Holding unterstütze fallbezogen zum Beispiel bei gemeinsamen Softwareprojekten. Weitere wichtige Themen seien die Finanzierung, die Beschaffung oder der Zugang zu Märkten. Mit den Gründern neu hinzugekaufter Beteiligungen will man möglichst weiter zusammenarbeiten. Der Umsatz mit Werbemitteln wächst, doch nach wie vor ist das Geschäft mit Textilien für Großkunden zentral für JCK. Wichtige Produktionsstandorte sind China, Bangladesch, Indien, Pakistan, das Baltikum und Osteuropa. In Asien wurde die Branche in den vergangenen Jahren durch Skandale und tragische Unglücksfälle erschüt-
tert – zu nennen ist hier vor allem anderem der Zusammenbruch der Textilfabrik Rana Plaza im April 2013 in Bangladesch. Hatte JCK Geschäftsbeziehungen zu der Fabrik? „Wir haben 2010 mit einem Betrieb im Rana Plaza einen Testauftrag abgewickelt“, erklärt Johannes Kollmann: „Aufgrund der Einschätzung unseres Social Compliance Teams entschieden wir uns aber gegen eine Zusammenarbeit. Zum Zeitpunkt des Unfalls
„Wir investieren in Teams und beteiligen uns langfristig.“ Johannes Kollmann
hatten wir schon seit Jahren keine Geschäftsbeziehung mehr zu dem Anbieter.“ Die Überprüfung des Betriebes durch ein eigenes Social Compliance Team ist Teil der Standards der Business Social Compliance Initiative (BSCI), der JCK seit 2008 angehört. Hier wird deutlich, dass die aktive Überprüfung von Lieferanten gemäß Nachhaltigkeitsstandards tatsächlich funktionieren kann. Ursache für den Zusammenbruch des Rana Plaza waren unter anderem nachträgliche, unsachgemäße und nicht genehmigte Erweiterungen des Gebäudes. In ihren Social Compliance Teams beschäftigt die JCK Holding 20 Mitarbeiter; weitere zehn Mitarbeiter sind in Environmental Compliance Teams für das Unternehmen tätig, um Umweltstandards zu überprüfen und die Partner vor Ort in Umweltfragen zu beraten. In einem zertifizierten eigenen Labor führen die Quakenbrücker physikalische und chemische Produkt- und Materialtests durch. „Die Anforderungen und Vorschriften der BSCI werden bei jedem unserer Lieferanten durch ein unabhängiges Institut geprüft
und in der BSCI-Datenbank dokumentiert“, versichert JCK. Johannes Kollmann betont aber, dass man sich nie blind auf externe Audits verlasse. „Unsere Mitarbeiter vor Ort überprüfen die Plausibilität der Audits“, so Kollmann: „Sie beherrschen die Landessprache. Die Prüfung ist immer dreistufig, sie besteht aus einer Begehung, der Sichtung der Dokumente und Interviews.“ Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Nachhaltigkeitsstrategie erscheint anspruchsvoll. „Derzeit ist mein Vater noch voll in das operative Geschäft eingebunden“, sagt Johannes Kollmann. Gemeinsam treibe man das weitere Wachstum voran. Der inzwischen fast 70 Jahre alte ehemalige Basketball-National- und Bundesligaspieler ist seit vielen Jahren Sponsor des Quakenbrücker Basketballvereins Artland Dragons, lange sogar der wichtigste Sponsor. Dennoch gibt es keine Fotos, die ihn etwa zusammen mit der Mannschaft zeigen. „Er will einfach nicht in der Öffentlichkeit stehen“, sagt ein Kenner der Quakenbrücker Verhältnisse. Wenn jemand etwas über den 195 Zentimeter großen Vorzeigeunternehmer sagt, dann im Hintergrundgespräch oder streng vertraulich. Entweder will sich niemand mit Kollmann anlegen, oder jeder, der mit ihm enger zusammengearbeitet hat, fühlt sich ihm verpflichtet. Letzteres erscheint plausibel. Kollmann wird als Mensch mit „natürlicher Autorität“ beschrieben. Er sei entscheidungsfreudig, auf sein Wort könne man sich verlassen. Trotz des großen geschäftlichen Erfolgs sei er bodenständig geblieben. Der Patriarch sitzt noch fest im Sattel, doch immerhin ist die nächste Generation der Familie Kollmann schon fest im Unternehmen verankert. „Die Nachfolge ist geregelt“, sagt Johannes Kollmann. Auch über ihn und seinen Bruder David ist wenig bekannt. Sehr wahrscheinlich also, dass die JCK Holding auch nach dem Ausscheiden ihres Seniorchefs ein diskreter Riese bleiben wird.
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DONNERSTAG, 26. OKTOBER 2017
VERLAGS-SONDERVERÖFFENTLICHUNG
NEUES VON DER IAA 2017
Der unstillbare Hunger nach Hoch hbeinern
Auf der jüngsten Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt dominierte das Boomsegment der SUV-Modelle – Mehr als zwei Drrittel aller Neuheiten aus diesem Bereich
VON MARIO HOMMEN FRANKFURT. „Sehen, was morgen bewegt“ lautete das Motto der IAA 2007, die ökologisch korrekte Alternativantriebe in den Fokus stellte. Eher beiläufig feierten damals mit X6 und Tiguan zwei ökologisch ziemlich unkorrekte SUV-Modelle ihren Einstand. Angesichts der vor zehn Jahren geweckten Hoffnungen auf den Paradigmenwechsel zugunsten umweltfreundlicher Antriebe hätten heute massenhaft Elektroautos auf der IAA stehen müssen. Doch serienreife E-Mobile waren Mangelware. Dafür feiern gleich mehrere Dutzend SUV Premiere.
peppigen Aufmachung jüngere Kunden mit einem aktiven Lebensstil locken will. Im Vergleich dazu recht sachlich wirkte das Schwestermodell Karoq von Skoda, das weniger mit Lifestyle als mit strengem Schick punkten will. Technisch sind Karoq und T-Roc fast identisch. Marketingtechnisch irgendwo zwischen beiden ordnet sich der eine Nummer kleinere Seat Arona ein, der als erstes SUVModell des VW-Konzerns auf der neuen Polo-Plattform aufsetzt. Bei Größe und Preis dem Arona recht ähnlich ist ein koreanisches Doppelpack. Mit schicker Grunddynamik ausgestattet, ist der 4,17 Meter lange Hyundai Kona, dessen Robustbeplankung zudem Lust auf Abenteuer wecken will. Ähnlich wie VWs T-Roc will der Kia Stonic mit flippigen Farben und BicolorLackierung eine jüngere Klientel begeistern.
Ford hofft, beim Mini-SUV Ecosport mit einem weiteren Facelift nun den Geschmack des SUVMainstreams zu treffen – schließlich geht es bei den Hochbeinern vor allem um das moderne Erscheinungsbild. Dass Verkaufserfolg von Äußerlichkeiten abhängt, weiß man auch bei Citroën. Die Franzosen zeigen mit dem C3 Aircross den Nachfolger des C3 Picasso. Statt als vernünftiger Pampersbomber im kastigen Van-Format, kommt das kompakte Raumwunder mit markanter SUV-Optik – und mit dem Versprechen, dorthin fahren zu können, wo asphaltierte Wege enden. Gleiches gilt für den besonders günstigen Duster, den Dacia in seiner zweiten Auflage optisch und technisch auf Vordermann gebracht hat. Eine Nummer größer, aber immer noch kompakt, kommt die zweite Generation des Subaru XV
Volkswagen T-Roc. Fotos: Hersteller
Das Paket kommt direkt in das Auto: An dieser Zukunftsvision arbeiten verschiedene Fahrzeughersteller und Zulieferer.
Sechs clevere Mobilitätslösungen von der IAA
sen Marktstart die Japaner für 2018 ankündigen. Ebenfalls als Hybrid-Studie stellte Toyota den C-HR Hy-Power vor. 2020 plant VW, ein SUV mit rein elektrischem Antrieb auf den Markt bringen. Wie dieses Modell aussehen könnte, zeigte die Studie I.D. Crozz. Besonders mächtig fällt das
Plug-in-Hybrid-SUV X7 aus, das BMW als Studie präsentierte. Mit dem Sechssitzer beschreiten die Münchener nicht nur in Hinblick auf das Platzangebot neue Pfade, mit dem Allradriesen zeigt der Konzern außerdem neue Design-Ele-
mente wie eine deutlich gewachsene Kühlergrill-Niere oder ein besonders aufgeräumtes Cockpit. Für größeres Aufsehen auf der IAA sorgte der chinesische Hersteller Chery mit der seriennahen
SUV-Studie Exeed. Sowohl optisch als auch technisch braucht sich der Chinese hinter der etablierten Konkurrenz nicht zu verstecken. Für den Start in Europa, der in ein paar Jahren erfolgen soll, planen
die Techniker eine Hybrid-, Plugin- und Elektro-Version. Die Chinesen wissen: Auch im SUV-Segment werden die ökologischen Antriebe eine zunehmend wichtigere Rolle spielen.
Citroën C3 Aircross. Kia Stonic..
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Kraftstoffverbrauch (in l/100 km nach VO (EG) 7115/2007 und VO (EG) 692/2008 in der jeweils *1 Angebot gilt nur für Gewerbetreibende, alle Preise verstehen sich netto plus Umsatzsteuer;
E-Motor, App und Lademöglichkeit entwickelt, das sich auf zwei, drei und vier Räder adaptieren lässt. Eines der ersten Produkte auf dieser Basis ist nun die E-Schwalbe mit herrlicher Retro-Optik und einer Reichweite von 100 Kilometern. Mobilitäts-Dienste: Angenommen, man fliegt von Frankfurt nach München, nimmt am dortigen Flughafen die S-Bahn in die Innenstadt und steigt letztlich auf einen Caroder Bike-Sharing-Dienst um. Dann braucht man nicht weniger als drei oder vier Apps von verschiedensten Dienstleistern und muss eigentlich immer wieder von vorne anfangen. In Zeiten vernetzter Fahrzeuge eigentlich ein Unding – dachte sich auch „Entourage“. Das Unternehmen will nun eine Plattform entwickeln, auf der sich alle möglichen Mobilitäts-Dienste verbinden lassen. So soll sich mit nur wenigen Klicks eine ganze Reise-Route mit verschiedensten Fortbewegungsmitteln unterschiedlicher Anbieter planen, zahlen und umsetzen lassen. Das spart Zeit – und vor allem Nerven. Paketannahme für „Nine-toFive“-Arbeiter: Man bestellt sich etwas bei einem Online-Shop, weil man keine Zeit hat, selbst einkaufen zu gehen. Die Zeit, die allerdings draufgeht, wenn bei der Lieferung niemand Zuhause ist und man nach Feierabend noch in der langen Schlange der örtlichen Post anstehen muss, lässt diesen Vorteil in der Praxis häufig deutlich schrumpfen. Klar, Packstationen sind eine Lösung, aber auch diese muss man erst noch anfahren und entleeren. Praktischer wäre da schon ein Auto, das dem Postboten einfach den Kof-
ferraum öffnet und das Päckchen in Empfang nimmt. Dieses System zeigte VW auf der IAA unter dem Motto „we deliver“. Getestet wird die Idee schon bald, erst einmal in Berlin. Cleverere Navis: Vergleicht man aktuelle Navigationssysteme mit der Technik, die noch vor wenigen Jahren in unseren Autos verbaut war, lässt sich ein deutlicher Fortschritt erkennen. Doch die Reise ist noch nicht zu Ende. Auf der IAA war unter anderem das Unternehmen Here vertreten, das sich auf Navigationsdaten spezialisiert hat und auch in vielen Modellen der großen Hersteller vertreten ist. Im neuen Audi A8, der ebenfalls in Frankfurt zu sehen war, kommt erstmals eine neue Stufe der HereNavigation zum Einsatz. Das System bietet eine bessere Live-Verkehrsinformation und merkt sich außerdem, wo das Lieblingsrestaurant oder die am häufigsten angefahrene Tankstelle liegt. Autos, die sich selbst organisieren: Wäre es nicht schön, wenn einem jemand zumindest einen Teil des lästigen Papierkrams abnehmen würde? ZF, die Schweizer Bank UBS und das Software-Unternehmen IBM haben nun eine Plattform entwickelt, auf der sich Fahrzeuge in Zukunft selbst um mobilitätsbezogene Dinge kümmern können. Über das „Car eWallet“ bezahlen autonome Autos von Morgen beispielsweise Maut- oder Parkgebühren, ohne dass der Nutzer jedes Mal einen Befehl dazu geben muss. Und parkt das selbstfahrende E-Auto abends an der Ladesäule, übernimmt es am nächsten Morgen auch die Rechnung – ganz von selbst.
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SP-X FRANKFURT. Nicht nur die Autohersteller rücken auf einer Messe wie der IAA in Frankfurt ihre Produkte ins rechte Licht, auch Zulieferer und andere Unternehmen aus dem Umfeld der Autobranche nutzen die große Bühne, um ihre neuesten Ideen zu präsentieren. Die meisten drehen sich darum, künftig flächendeckende Elektro-Mobilität und autonomes Fahren für individuelle Nutzer zugänglich zu machen. Doch wer genauer hinschaute, entdeckte auch ein paar Dinge, auf deren baldige Umsetzung wir uns schon jetzt freuen können. Roboter-Taxis: Zwar sprechen die beiden beteiligten Unternehmen Daimler und Bosch lieber von „hochautomatisierten CarsharingFlotten“, die schon ab Anfang der nächsten Dekade über unsere Straßen rollen sollen, aber eigentlich steht der Start des Roboter-TaxiZeitalters kurz bevor. Ein kleiner Fingerzeig auf dem Smartphone soll genügen, um eines der fahrerlosen Autos zu sich zu rufen. Dann geht es ganz entspannt und schließlich auch ohne Parkplatz-Stress ins Kino, zum Einkaufen oder ins Büro. Für alle, die sich kein eigenes autonomes Elektroauto in die Garage stellen wollen. Die Rückkehr der Schwalbe: Alle, die irgendwann ab dem Jahr 1964 mit dem Mofa unterwegs waren, sollten nun hellhörig werden. Schließlich fand die originale Zweitakter-Schwalbe in 22 Jahren Bauzeit mit über einer Million Exemplaren reißenden Absatz. Nun kommt das Kult-Moped zurück, und zwar mit Elektrotechnik aus dem Hause Bosch. Der Zulieferer hat ein Baukasten-System mit 48Volt-Batterie, Steuergerät, Display,
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Das Motto der IAA hätte – ketzerisch formuliert – auch „SUV oder stirb“ lauten können. Die Industrie reagiert auf den scheinbar unstillbaren Hunger nach robust aussehenden Hochbeinern. In Deutschland führen SUVs mittlerweile die Zulassungsstatistik an: So lag ihr Marktanteil hierzulande im August zusammen mit der Kategorie Geländewagen bei mehr als 25 Prozent, während Fahrzeuge der Kompaktklasse – vormals das Bestseller-Segment – nur noch rund 24 Prozent der Neuzulassungen ausmachten. Nach Angaben des Marktforschungsunternehmens „focus2move“ ist der Anteil der SUV im ersten Halbjahr 2017 global sogar auf 36,7 Prozent gestiegen. Auf der IAA war die NeuheitenExplosion vor allem bei den kleinen und kompakten SUV zu besichtigen. Der VW-Konzern zeigte gleich drei Varianten: Schillerndster Vertreter war der vom Golf abgeleitete VW T-Roc, der mit einer
Ford Ecosport.
vorgefahren, der vor allem mit modernisierter Plattform und vielen neuen Assistenzsystemen punkten will. Ein völlig neues Modell auf allerdings alter Plattform ist der Jaguar E-Pace, mit dem die Briten bereits in naher Zukunft eine kleinere Alternative zum großen FPace anbieten. Unterm schicken Blechkleid der Katze steckt der Land Rover Evoque. Ebenfalls ein alter Bekannter in neuen Kleidern ist der Opel Grandland X, der technisch auf dem 3008 der neuen Konzernschwester Peugeot basiert. Und dann tummelten sich auf der IAA noch einige Neuauflagen von Klassikern der SUV-Szene, wie etwa die dritte Generation des Porsche Cayenne. Der weitgehend konventionell gestrickte Allrad-Riese will mit Leichtbau und einigen technischen Innovationen punkten. Ebenfalls ganz der Alte, doch in vielen Punkten modernisiert, ist die dritte Generation des BMW X3. Eher Geländewagen als SUV ist der Toyota Land Cruiser, der mit überarbeitetem Design und renoviertem Innenraum in Frankfurt zu besichtigen war. Ebenfalls mit einer Frischzellenkur auf den neuesten Stand hat Hyundai seinen Sorento gebracht. Auch bei den SUV sind alternative Antriebe ein Thema. Auf der IAA standen durchweg seriennahe Versionen. So zeigte Mercedes den GLC in der Brennstoffzellenvariante FCell, die mit Wasserstoff fährt. Es handelt sich um ein Vorserienmodell, der Marktstart erfolgt im Winter. Mit Benzin oder Strom fährt Hondas Prototyp CR-V Hybrid, des-
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MACHER & MÄRKTE
Was Krankheit kostet
Im Winter steigt die Zahl der Krankschreibungen aufgrund von Infekten.Auf Platz eins stehen jedoch Muskel- und
Fallen Mitarbeiter aus, haben auch die Chefs ein Problem: Sie müssen den Ausfall kompensieren und Lohnfortzahlungen leisten
VON MELANIE HEIKE SCHMIDT OSNABRÜCK. Die Zahl ist gigan-
tisch: Mehr als 50 Milliarden Euro geben Unternehmen jährlich für Lohnfortzahlungen und Co. aus. Und das, obwohl sich der Arbeitsschutz in den Betrieben stetig verbessert und Prävention einen immer höheren Stellenwert bekommt. Doch die Einflussnahme der Chefs auf krankheitsbedingte Ausgaben ist begrenzt. Der Grund: Nicht allein die Fehltage treiben die Kosten.
Am schlimmsten ist die Erkältungszeit. Alle Welt schnieft und schnupft, in den Büros und an den Werkbänken leeren sich die Reihen, immer mehr Mitarbeiter melden sich krank. Im Februar vergangenen Jahres, so eine Erhebung des Dachverbandes der Betriebskrankenkassen, war es besonders heftig. Der Krankenstand kletterte auf 5,7 Prozent – deutlich über dem Jahresschnitt von 4,3 Prozent. Woran das lag, wissen die Betriebskassen ebenfalls: an einer Erkältungswelle. Fast jeder vierte Arbeitsunfähige (24 Prozent) lag in diesem fatalen Monat mit einer Atemwegserkrankung flach. In Monaten ohne Erkältungswelle, etwa im August des gleichen Jahres, meldete sich gerade mal jeder Dreizehnte (7,8 Prozent) der ausfallenden Mitarbeiter aus diesem Grund krank. Doch selbst ohne eine Erkältungs- oder Grippewelle: Krankheit kostet Milliarden. Zur Kasse geben werden nicht nur die Erkrankten
über den Krankenkassenbeitrag, sondern auch ihre Chefs. So müssen Unternehmen nicht nur Arbeitsund Produktionsausfälle kompensieren, sondern auch Lohnfortzahlungen an ihre erkrankten Mitarbeiter überweisen. Diese erhalten in der Regel während der ersten sechs Wochen ihrer krankheitsbedingten Abwesenheit das volle Bruttogehalt. Dass es dabei nicht um Peanuts geht, beweist ein Blick in die Zahlen: Allein für die Entgeltfortzahlung haben die Unternehmen im Jahr 2015 rund 45 Milliarden Euro ausgegeben, berichtet das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW). Hinzu kamen die Beiträge zur Sozialversicherung, die mit 8,9 Milliarden Euro zu Buche schlugen. Unterm Strich mussten die Unter-
In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit sinkt der Krankenstand, ist die Lage entspannt, steigt er.
nehmen also rund 53,9 Milliarden Euro für ihre erkrankten Mitarbeiter aufwenden – erstmals überstieg diese Zahl die Grenze von 50 Milliarden Euro. Ähnlich, wenn auch leicht gesunken, sehen die Zahlen für 2016 aus, hier gaben die Arbeitgeber insgesamt 51,7 Milliarden Euro für ihre aufgrund von Krankheit ausfallende Belegschaft aus. Rechnet man dann noch die anteilige Finanzierung der Krankengeldzahlungen der Krankenkassen hinzu, haben die Betriebe 2016 Kosten von insgesamt 57,5 Milliarden Euro für krankheitsbedingte Fehlzeiten ihrer Mitarbeiter aufbringen müssen, teilte die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) Anfang Oktober mit. Zehn Jahre zuvor, im Jahr 2005, war die Summe mit 27 Milliarden Euro kaum halb so groß – und das, obwohl der Krankenstand heutzutage auf vergleichsweise niedrigem Niveau verharrt: 1970, dem Jahr, in dem die Lohnfortzahlung hierzulande eingeführt wurde, lag der Krankenstand noch bei 5,6 Prozent, 2016 bei 4,2. Die Veränderung ist historisch bedingt: In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Arbeitswelt gewandelt, aus einer hauptsächlich produzierenden Gesellschaft ist eine Dienstleistungsgesellschaft hervorgegangen. Weniger Schuften auf dem Feld, am Bau oder in den Fabriken bedeutet eine geringere körperliche Belastung der Mitarbeiter. Parallel dazu haben sich die Arbeitsbedingungen verbessert. Arbeiten ist heute weniger gefährlich, weil sich Gesetzgeber, Kassen, Berufsverbände und nicht zuletzt die Arbeit-
Skelettbeschwerden. Foto: imago/Schöning
geber verstärkt um Themen wie Sicherheit am Arbeitsplatz und die Gesundheit ihrer Belegschaft kümmern. Das schlägt sich nicht nur in geringeren Fehlzeiten nieder, sondern auch in weniger Arbeitsunfällen: Laut BDA verunglückten 1970 von 1000 Vollzeitbeschäftigten noch 103 bei der Arbeit, im vergangenen Jahr waren es nur noch 22 je 1000 Mitarbeiter. Ein ebenfalls nicht zu unterschätzender Faktor ist die Lage am Arbeitsmarkt: In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit sinkt der Krankenstand, ist die Situation entspannt, steigt er. Experten nennen diesen Effekt motivationsbedingte Fehlzeiten. Wer Angst hat um seinen Job, meldet sich weniger schnell krank. Doch wer glaubt, allein der Krankenstand beeinflusst die Kosten für die Betriebe, irrt. So sorgen Lohnerhöhungen dafür, dass im Krankheitsfall auch die Lohnfortzahlung höher ausfällt. Und selbst wenn der Krankenstand im Schnitt gleich bleibt, kann eine wachsende Be-
schäftigung die Kosten treiben. Der Grund: Sind mehr Mitarbeiter in Lohn und Brot, steigt auch die Zahl ihrer Ausfalltage – und damit die Krankheitskosten. Dass kranke Mitarbeiter, die sich beim Chef abmelden, um sich auszukurieren, die Wirtschaftsleistung schmälern, ist Fakt, aber selbstredend sinnvoll. Viel schlimmer und auch teurer ist es, wenn sie trotz Krankheit zur Arbeit gehen. Gründe dafür, sich beispielsweise mit einer dicken Erkältung in den Betrieb zu schleppen, gibt es theoretisch viele: Angst um den Job oder vor dem Chef oder davor, die Arbeit nicht zu schaffen oder die Kollegen zusätzlich zu belasten. Einen Namen hat das Phänomen: Präsentismus. Doch die Forschung dazu steckt noch in den Kinderschuhen. Eine der wenigen Studien zum Thema stammt von der Beratungsfirma Booz & Campany, entstanden 2011 im Auftrag der Felix-Burda-Stiftung. Die Ergebnisse waren alarmierend: Wer krank zur Arbeit geht, macht mehr
Fehler, ist stärker unfallgefährdet, steckt gegebenenfalls Kollegen an und fällt eventuell später länger aus, weil er seine Erkrankung verschleppt hat. Das kann teuer werden: Summierten sich laut der Analyse die Kosten für normale Fehlzeiten auf rund 1200 Euro pro Jahr und Mitarbeiter, schlagen die Kosten für Präsentismus mit knapp 2400 Euro zu Buche. Hochgerechnet mindert Präsentismus laut der Studie das BIP um neun Prozent – eine gewaltige Summe, die allerdings bisher nicht durch weitere Studien untermauert wurde. Dennoch scheint es sowohl menschlich als auch finanziell vernünftig, schnupfende Mitarbeiter heimzuschicken. Fazit: Kranke Mitarbeiter leisten weniger, zugleich steigen die Kosten. Auf den Betrieb zugeschnittene Vorsorgemaßnahmen sowie ein gutes Betriebsklima können helfen, das Team fit zu halten. Das lässt die Kosten nicht verschwinden, doch es kann sie merklich mindern.
Die Kosten der Lohnfortzahlung
DAS SAGT DIE HANDWERKSKAMMER
Ausgaben der Unternehmen für Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (Angaben in Mrd. Euro)
„Arbeitgeber sollte alle Möglichkeiten ausschöpfen“
Insgesamt davon:
Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber
Bruttoentgelte
Entgeltfortzahlung: einschließlich des gesetzlichen Mutterschaftsurlaubs Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber: einschließlich der gesetzlichen Unfallversicherung
36,1 34,2 27,8
4,5 23,3
’91
32,6
53,9 51,7
8,4 8,9 43,3 45,0
27,0 5,8 28,4
5,8 26,8
’95
’00
6,1 30,0 4,8 22,2
’05
’10
’15 ’16
Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales/Deutsche Rentenversicherung · Grafik: Matthias Michel
Auch für Handwerksbetriebe sind gesunde Mitarbeiter von zentraler Bedeutung. Im Fokus steht dabei nicht allein der Körper, denn die Zahl der Krankschreibungen aufgrund psychischer Erkrankungen steigt. Aber kann sich ein Handwerker, der zugleich Arbeitgeber ist, überhaupt um die seelische und emotionale Gesundheit seiner Mitarbeiter kümmern? Sven Ruschhaupt, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Osnabrück - Emsland Grafschaft Bentheim
(HWK): „Handwerksbetriebe haben in unserem Kammerbezirk eine durchschnittliche Personalstärke von 13 Beschäftigten. Insofern ist auch der Kontakt zwischen Chef und Mitarbeiter sehr direkt und eng, sodass natürlich auch seelische und emotionale, oft auch familiäre Themen eine Rolle spielen.“ Allerdings sei es „auch eine Frage des Menschentyps, ob Chef und Mitarbeiter darüber sprechen wollen oder können“, so Ruschhaupt. Klar ist: Krankheit kostet. Zu Buche schlagen
etwa die Lohnfortzahlung, der Ausfall der Arbeitskraft sowie die Kompensation des Ausfalls. Könnte ein Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) helfen? Ruschhaupt möchte hier differenzieren: „Ein BGM ist dabei sicherlich nur ein Baustein. Manchmal entsteht der Eindruck, dass viele Erkrankungen auf die Arbeit zurückzuführen sind und der Arbeitgeber für alles verantwortlich ist. Dem ist aber nicht so“, sagt Ruschhaupt. Und fügt hinzu: „Nichtsdesto-
trotz sollte ein Arbeitgeber alle Möglichkeiten ausschöpfen, um sich als Arbeitgeber für seine Beschäftigten attraktiv zu machen.“ Dies stehe auch im Zusammenhang mit dem großen Thema Fachkräftemangel: „Die Bindung von Fachkräften ist zurzeit ein TopThema in den Betrieben. Und wenn man als attraktiver Arbeitgeber gesehen wird, sind die Mitarbeiter insgesamt zufriedener und gesünder. Die Ausfallzeiten und -kosten reduzieren sich dann automatisch.“ mhs
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„Ressourcen gibt es in jedem Unternehmen“ Eva Gödde, Expertin für Betriebliches Gesundheitsmanagement, gibt Tipps
VON STEFANIE WITTE OSNABRÜCK. Beim Kompetenzzentrum Gesundheitswirtschaft Gewinet dreht sich alles um Gesundheit in Unternehmen. Der Dienstleister vernetzt Betriebe aus der Region, die mit dem Thema Gesundheit zu tun haben. Für den Bereich Betriebliches Gesundheitsmanagement ist Eva Gödde zuständig. Im Interview gibt sie Praxistipps für Chefs und Arbeitnehmer.
Vor welchen Herausforderungen stehen die Unternehmen in der Region in Sachen betriebliches Gesundheitsmanagement, und wie gehen sie damit um? Vielen Betrieben ist der Handlungsdruck bewusst, weil sie den Fachkräftemangel und die Folgen einer älter werden Belegschaft deutlich spüren. Die Betriebe, die sich dem Thema widmen, spüren die positiven Effekte bezüglich der Mitarbeiterbindung und Gewinnung, einer Verringerung der Fehlzeiten und einer erhöhten Leistungsbereitschaft. Sie sehen, dass sich die Investition lohnt. Dennoch sehen wir auch viele Betriebe, bei denen das Thema im Alltagsgeschäft untergeht. Zunächst müssen personelle, zeitliche und finanzielle Ressourcen geschaffen werden. Außerdem erleben wir Unternehmen, die gerne etwas für die Förderung der Mitarbeitergesundheit tun möchten, aber unsicher sind, wie sie das tun können. Dann hilft es, sich Experten zu suchen, die unterstützen. Was kann ein Arbeitgeber grundsätzlich tun, um die Gesundheit seiner Belegschaft zu fördern und zu erhalten? Wir müssen unterscheiden zwischen den Dingen, die ein Arbeitgeber tun muss, und denen, die er zusätzlich tun kann. Im Arbeitsschutzgesetz ist beispielsweise festgelegt, dass Betriebe Gefährungsbeurteilungen durchführen müssen zum Schutz der körperlichen und psychischen Gesundheit der Mitarbeiter. Auch Maßnahmen zur Arbeitssicherheit und Unfallverhütung sind Pflicht. Außerdem müs-
sen Betriebe ein Betriebliches Eingliederungsmanagament anbieten, um Mitarbeitern den Wiedereinstieg nach langer Krankheit zu erleichtern. Das Betriebliche Gesundheitsmanagement, kurz BGM, bezieht Pflichtleistungen und zusätzliche gesundheitsförderliche Maßnahmen ein. Gesundheitsgefahren und Ressourcen gibt es in jedem Unternehmen. Wer nachhaltig etwas für die Gesundheit seiner Mitarbeiter tun möchte, sollte sich für einen systematischen Ansatz entscheiden, der die Bedürfnisse der Mitarbeiter analysiert. Informationen gewinnt man durch die Analyse von Fehlzeiten über die Krankenkassen, die Gefährdungsbeurteilungen und von den Mitarbeitern selbst. Losgelöste Einzelmaßnahmen sind zwar erst einmal günstig und schnell umsetzbar. Leider verfehlen sie häufig das Ziel. Solche Herausforderungen sind nicht durch einen Kurs zum Thema Stressbewältigung allein zu bewältigen. Gibt es Fehler, die von Arbeitnehmern oder Arbeitgebern immer wieder gemacht werden? Oft haben die Mitarbeiter schon etliche Befragungen mitgemacht, ohne dass daraus spürbare Veränderungen entstanden sind. Wer die Mitarbeiter fragt, muss die Ergebnisse – vielleicht auch unbequeme – kommunizieren. Sie dürfen nicht einfach in der Schublade verschwinden, denn das frustriert. Die Mitarbeiter fühlen sich nicht ernst
„Wer krank ist, sollte zu Hause bleiben“, rät Eva Gödde.
Foto: Gewinet
Foto: Colourbox.de
genommen, und der Betrieb hat so die wichtigsten Experten für ein erfolgreiches BGM verloren. Die Entscheider müssen sich vor dem Start klar darüber sein, was sie anstoßen und erreichen möchten, damit das Thema nicht im Sande verläuft. Welche Unterschiede gibt es zwischen kleinen und größeren Betrieben? Größere Betriebe können umfangreichere Ressourcen zur Verfügung stellen und idealerweise eine Stelle schaffen, die sich konzentriert um das Thema Mitarbeitergesundheit kümmert, während das bei kleineren und mittleren Betrieben nicht möglich ist. Auch die Analysemethoden sind andere. Statistische Erhebungsmethoden wie umfangreiche, anonyme Mitarbeiterbefragungen oder die Einbeziehung von Fehlzeitendaten der Krankenkassen sind nur bei größeren Betrieben möglich. Kleinere Betriebe haben es dafür leichter, schon mit kleineren Maßnahmen positive Effekte zu erzielen. Die Wege sind hier kürzer und direkter. Welche Rolle spielen Büromöbel, Sportangebote und Angebote zur gesunden Ernährung? Büromöbel, die ergonomisch speziell für den Mitarbeiter angepasst sind, helfen Haltungsschäden zu vermeiden. Zusätzlich sollte jeder darauf achten, regelmäßig aufzustehen und die Position zu wechseln. Vielleicht ist ja die ein oder andere Übung für Nacken und Schultern in den Arbeitsalltag zu integrieren. Sportangebote sind nicht nur für die körperliche Fitness gut, sondern können auch den Teamzusammenhalt fördern. Ein Sportevent, auf das gemeinsam hingearbeitet wird, kann eine Möglichkeit sein. Je nach Größe des Unternehmens können Sportkurse organisiert und angeboten werden, oder es werden Zuschüsse für eine
„Permanenter Druck macht krank“ Was Firmenchefs tun können, um ihre Mitarbeiter fit zu halten VON MELANIE HEIKE SCHMIDT OSNABRÜCK. Immer älter, immer
kränker: Kommt die Belegschaft in die Jahre, müssen Chefs mit längeren Ausfallzeiten ihrer Mitarbeiter rechnen. Wie es gelingen kann, das Team möglichst fit und arbeitsfähig zu halten, weiß Betriebsarzt Dr. Hans-Tebbe Schlömer.
Fünf Tage die Woche kümmert sich Dr. Hans-Tebbe Schlömer, Betriebsarzt aus Papenburg, um erkrankte Arbeitnehmer größerer und kleiner Betriebe, drei Tage seiner Arbeitswoche verbringt er bei der UPM Nordland Papier in Dörpen (1300 Mitarbeiter) vor Ort. „Nahezu alle Betriebe haben das gleiche Problem: Die Mitarbeiter werden immer älter. Sie sind also
nicht nur öfter krank, sondern die Krankheiten sind auch gravierender und dauern länger.“ Insbesondere mit Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems („Rücken“) hat Dr. Schlömer häufig zu tun. „Einseitige Tätigkeiten, Zwangshaltungen und zu wenig Bewegung sind ein großes Problem.“ Prävention zahle sich aus, sagt Dr. Schlömer. „Der Arbeitgeber muss versuchen, seine Mitarbeiter zu motivieren, sich aktiv und fit zu halten“, erklärt er. Große Firmen wie Nordland beschäftigen dazu mittlerweile eigene Gesundheitsmanager, veranstalten Gesundheitstage für die Belegschaft oder bieten Sportangebote an. „Auch in kleineren Betrieben gibt es Möglichkeiten“, meint Dr. Schlömer, indem etwa Arbeitsplätze ergonomisch gestaltet werden. „Viele Betriebe sind
auf einem guten Weg“, stellt der Betriebsarzt fest. „Hat ein Mitarbeiter beispielsweise Knieprobleme und kann nicht mehr treppauf, treppab laufen, kann er vielleicht als Staplerfahrer eingesetzt werden.“ Immer öfter seien es „seelische Probleme, die krank machen“, weiß der Betriebsarzt. Auslöser sei meist zu hoher Arbeits- und Leistungsdruck oder eine persönliche Krise. „Permanenter Druck macht krank“, sagt der Arzt. „Wichtig ist die Stimmung im Betrieb: Wer mit Bauchschmerzen zur Arbeit geht, wird sich häufiger krankschreiben lassen.“ Dr. Schlömer appelliert auch an die Führungsetagen: „Alle Präventionsmaßnahmen nützen nichts, wenn die Führungsebene nicht dahintersteht und es selbst nicht vorlebt.“
Mitgliedschaft in Sportvereinen gewährt. Auch die Ernährung ist ein wichtiger Baustein bei Maßnahmen der Gesundheitsförderung. Dabei kann etwa in der Kantine eine Kennzeichnung nach dem Ampelsystem helfen. Können flexible Arbeitszeiten in den Unternehmen hilfreich sein? Flexible Arbeitszeiten können dabei unterstützen, Freizeit und Beruf besser miteinander zu vereinbaren. Viele Unternehmen haben bereits Gleitzeitmodelle, die bei den Mitarbeitern gut ankommen. Allerdings ist hier Vorsicht geboten. Flexibilität ist gut für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Im Hinblick auf die Gesundheit darf das aber nicht bedeuten, dass der Arbeitnehmer jederzeit verfügbar ist und sich dann sogar im Urlaub verpflichtet fühlt.
Was sollten kranke Arbeitnehmer keinesfalls tun? Wer krank ist, sollte zu Hause bleiben und sich auskurieren. Falsch verstandener Ehrgeiz kann den Arbeitgeber teuer zu stehen kommen. Schlimmstenfalls werden die Kollegen angesteckt und multiplizieren die Fehltage.
War ein Arbeitnehmer länger krank, kann es ihm schwerfallen, sofort wieder zu einhundert Prozent zu arbeiten. Wie sollte ein Arbeitgeber vorgehen? Der Arbeitgeber kann den Mitarbeiter durch einen stufenweisen Wiedereinstieg unterstützen. Wenn der Betrieb, der behandelnde Arzt und die Krankenkasse zustimmen, besteht die Möglichkeit, langsam wieder in den Beruf zurückzufinden und dabei zunächst weiterhin krankgeschrieben zu bleiben. Gera-
de bei psychischen Erkrankungen kann das eine große Hilfe sein. Verpflichtend ist ein Betriebliches Eingliederungsmanagament, wenn die Fehlzeiten innerhalb von zwölf Monaten insgesamt sechs Wochen überschreiten. Das Angebot ist für die Beschäftigten freiwillig und hat das Ziel, die aktuelle Krankheitsphase zu überwinden und eine erneute Erkrankung zu verhindern. Hier ist es wichtig, dass es einen zentralen, vertrauensvollen Ansprechpartner gibt. Worauf sollten Unternehmen in der Winterzeit achten? Um Erkältungskrankheiten zu vermeiden und der Grippewelle zu entfliehen, können Grippeschutzimpfungen angeboten und Hygienemaßnahmen unterstützt werden.
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Licht und Schatten in der Küchenwelt Zwischen Umsatzminus und Überstunden: Bei der Messe „Küchenmeile A30“ präsentiert sich eine Branche unter Spannung NORBERT MEYER MELLE. Von wegen bunte Jahres-
zeit: Die Trendfarben bei Küchen in diesem Herbst sind Schwarz, Weiß und Grau. Tatsächlich sind es gar keine Farben. Spannend geht es in der Branche trotzdem zu, auch für das Osnabrücker Land.
Zwei Millimeter sind es, die Karsten Bäumer stolz wirken lassen. So dünn ist die Echtbeton-Oberfläche einer gerade präsentierten neuen Küche des Herstellers Häcker im ostwestfälischen Rödinghausen. Häcker war einer der größten Akteure der gerade beendeten Küchenmeile A 30, einem Verbund von Hausmessen der vielen Anbieter im niedersächsisch-westfälischen Grenzgebiet entlang der Autobahn 30. Den Beton, der manchen Häcker-Küchenfronten den angesagten urbanen Industrielook verleiht, gibt es in dunkel oder hell. Zur dunklen Variante passt die Nachricht vom Branchenverband VdDK, der ein Umsatzminus von 2,1 Prozent für die deutsche Küchenmöbelindustrie in der ersten Jahreshälfte festgestellt hat. Zum hellen Farbton liefert PR-Chef Bäumer die passende Nachricht: Per Ende August habe Häcker den Umsatz im Vorjahresvergleich um 7,5 Prozent gesteigert. Ein Indiz dafür, dass Häcker mit annähernd 1500 Mitarbeitern aktuell ein Gewinner der Branche ist, war der Andrang des Fachpublikums in der neuen Ausstellung während der Küchenmeile. Seit einigen Jahren meldet das Unternehmen regelmäßig Rekordumsätze, 2016 lag der Erlös bei 512 Millionen Euro. Mehr erzielten in Deutschland nur die Mitbewerber Alno (Pfullendorf) und Nobilia (Verl). Doch Alno mit seinen Töchtern Wellmann im ostwestfälischen Enger und Pino in Coswig/SachsenAnhalt ist pleite. Nach dem Schei-
Will bei Poggenpohl ein neues Markenbild schaffen: Firmenchef Thomas Kredatus.
Darf hier auch gekocht werden? Designerküche in der Ausstellung von Rational in Melle.
tern eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung wurde die Produktion genau zum Start der Küchenmeile erneut gestoppt – die Hausmesse in Enger fand aber noch statt. Allein dort bangen 450 Beschäftigte um ihre Arbeitsplätze, in der Alno-Gruppe sind es rund 1900. Wie sich die Marktanteile des Branchenriesen bei dessen möglicher Zerschlagung verteilen werden, ist derzeit in Fachkreisen ein großes Thema. Pino wurde vom Insolvenzverwalter in einem ersten Schritt Anfang Oktober an den Marktführer Nobilia verkauft. Zu den Gewinnern könnte auf längere Sicht auch Häcker gehören. Im vergangenen Sommer hat das Unter-
nehmen den Neubau einer Fabrik in Ostercappeln-Venne im Landkreis Osnabrück bekannt gegeben. Was genau auf dem mehr als 200 000 Quadratmeter großen Grundstück produziert werden soll, vermag Häcker-Manager Bäumer noch nicht zu sagen. Nur so viel, dass es sich um „das modernste Küchenmöbelwerk in Europa“ handeln und die Zahl der Mitarbeiter bei einer solchen Fabrik „mindestens zwischen 150 und 200“ liegen werde. Licht und die Grauschattierungen der Branche kennt man im Osnabrücker Land schon. Bei einem der einst größten KüchenmöbelHersteller dieser Region, Rational in Melle-Riemsloh, wird seit sieben Jahren nicht mehr produziert, weil der Eigentümer, die italienische Snaidero-Gruppe, die Fertigung in seinem Heimatland gebündelt hat. „Wir sind aber nach wie vor ein deutsches Unternehmen mit einer eigenständigen technischen Entwicklung, einem eigenständigen Design und eigenem Charakter“, betont Co-Geschäftsführer Thomas Klee. Für die fast 50 Mitarbeiter in Riemsloh hat ihr Chef die gute Botschaft parat, dass 2017 die Reihe von Verlustjahren beendet und Rational bei einem stabilen Umsatz
Fotos: Norbert Meyer
von rund 35 Millionen Euro voraussichtlich mit einem Ergebnis „knapp über null“ abschließen werde. Klees Strategie des profitablen Wachstums deckt sich mit der seines Kollegen Thomas Kredatus bei
„Unsere Mitarbeiter in der Produktion leisten seit dem Frühsommer Überstunden.“ Thomas Kredatus, Managing Director Poggenpohl
Poggenpohl in Herford. Bei Durchschnittspreisen zwischen 30 000 und 40 000 Euro pro Küche je nach Land gibt der Heimatmarkt für diesen Luxusanbieter allerdings nur wenig Wachstumspotenzial her, wodurch sich die hohe Exportquote von über 80 Prozent erklärt. Im vergangenen Jahr setzte Poggenpohl gut 100 Millionen Euro um. Der nach einem Eigentümerwechsel erst seit Februar an der Spitze stehende Kredatus will bis zur Mailänder Messe Eurocucina im April 2018 ein „neues Markenbild“ für Poggenpohl erarbeiten – ebenso ein Konzept für die StudioGestaltung. Zur Küchenmeile gab sich das 125 Jahre alte Unternehmen zurückhaltend, was technische Neuerungen angeht. Stattdessen setzt Poggenpohl in seiner Ausstellung auf Emotionalität und stellt den Menschen als Individuum und seine Familie in den Mittelpunkt. Das Unternehmen beschäftigt weltweit 500 Mitarbeiter, produziert aber ausschließlich in Herford, wo 350 Personen für Poggenpohl tätig sind. Kredatus erklärt dazu: „Zurzeit sind wir voll ausgelastet, und unsere Mitarbeiter in der Produktion leisten seit dem Frühsommer Überstunden.“
Bei Küchen mit immer größerem Komfort (etwa serienmäßig gedämpften Schubkastensystemen) zu Einsteigerpreisen hat sich derweil der Hersteller Express Küchen aus Melle-Bruchmühlen einen Namen gemacht. Dabei handelt es sich um ein 2010 gegründetes Tochterunternehmen der etablierten Nolte Gruppe, die schräg gegenüber dem Express-Gelände mit Nolte Küchen eine weitere moderne Küchenfabrik im Osnabrücker Land betreibt. 260 Beschäftigte arbeiten in Bruchmühlen für Express Küchen, die vorrangig in SB-Abholmärken und Vollsortimentshäusern, aber auch im Fachhandel verkauft werden. Nebenan im Nolte-Werk sind mehr als 500 Mitarbeiter vor allem bei der Endmontage und im Logistikbereich beschäftigt. Laut Express-Produkt- und Marketingmanager Jochen Linke und Nolte-Marketingleiter Axel Brinkmann wird auch in Bruchmühlen kontinuierlich investiert und weiteres Personal benötigt. Und sollte die AlnoGruppe tatsächlich zerschlagen werden, würden davon auch Nolte und Express Küchen profitieren, die bei einer gemeinsamen Jahresproduktion von 250 000 Küchen schon jetzt zu den drei größten deutschen Küchenmöbelherstellern gehören.
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INNOVATIONEN & IDEEN
Wasser statt Beton Die Firma Indutainer aus Greven entwickelt mobile Straßensperren zum Schutz vor Terrorangriffen mit Fahrzeugen
Die Wucht dieses Kleinbusses fangen die Indutainer IBC Straßensperren wirksam ab.Im Test konnte selbst ein 50 Stundenkilometer schneller 7,5-Tonnen-Lkw ausreichend gebremst werden.
Foto/Screenshot: Indutainer /Montage: Michel
Das faltbare System lässt sich sehr schnell aufbauen. Die wassergefüllten Container können einen 7,5-Tonner stoppen. In einen Pkw Kombi passen bis zu acht Indutainer IBC. VON HERMANN LINDWEHR GREVEN/BIELEFELD. Ob Nizza, Berlin oder London – die Gefahr terroristischer Anschläge, in denen Lkw als Waffen gegen Menschenmengen eingesetzt werden, scheint allgegenwärtig. Die Sicherheitsvorkehrungen bei Großveranstaltungen werden immer umfangreicher. Ein innovatives Schutz-Konzept hat jetzt das Unternehmen Indutainer aus Greven entwickelt: eine mobile Straßensperre, bestehend aus Wassertanks.
Großer Pluspunkt des Systems „Indutainer IBCs“: Es kann sehr schnell aufgebaut werden, weil es aus faltbaren Containern besteht. „Die ersten Versuche auf dem Übungsgelände des Fahrtechnikund Ausbildungszentrums in Holsterfeld sind sehr positiv verlaufen“, sagte Martin Siegbert, Ge-
schäftsführer von Indutainer: „Es hat uns nicht überrascht, dass wir sogar einen 7,5-Tonnen-Lkw aufhalten konnten.“ Das Team der Indutainer hatte die Straßensperre in kurzer Zeit aufgebaut. Sie bestand aus sechs faltbaren Containern, die miteinander verbunden und mit jeweils 1500 Liter Wasser gefüllt wurden. „Unser Ziel ist es, für Veranstaltungen eine leichte, faltbare Straßensperre zur Verfügung zu stellen“, erklärte Siegbert: „Diese reduziert den logistischen Aufwand erheblich, der zum Beispiel bei starren Containern, mit Sand gefüllten Big Bag’ s oder Betonklötzen besteht.“ Zusätzlich dazu besteht bei der mobilen Straßensperre die Möglichkeit, eine Rettungsgasse für Einsatzkräfte zu bilden. Dies sei mit möglichst geringem
Aufwand und in kurzer Zeit machbar. Ein weiterer Test der Indutainer IBCs wurde unter realen Bedingungen in der Crash-Anlage auf dem Gelände der Dekra-Automobil in Bielefeld durchgeführt. Als Testfahrzeug diente ein unbesetzter, mit Kamera und Messgeräten ausgestatteter Lkw. Von dem Fahrzeug hatte man im Vorfeld sämtliche Flüssigkeiten abgelassen, er wurde von einem Seil gezogen und fuhr autonom mit einer Geschwindigkeit von circa 50 Stundenkilometern in die mobile Straßensperre. Die Indutainer IBC Straßensperre habe den Lkw ausreichend gebremst, bestätigte Uwe Hagemann, Unfallsachverständiger der Dekra, die Weiterfahrt sei verhindert worden. „Sehr positiv ist, dass sich beim Aufprall des Fahrzeugs
„Eine einzelne Person kann das System in 30 Sekunden aufbauen.“ Martin Siegbert, Geschäftsführer Indutainer
auf die mobile Straßensperre kaum lose Bauteile gelöst haben, die Personenschäden verursachen könnten“, so Hagemann weiter. Man habe bei den Indutainer IBCs ein sehr gutes Gefühl. „Die Indutainer IBCs haben halb starre Seitenwände und absorbieren die Aufprallenergie des Lkw“, sagt Martin Siegbert. Anders als bei starren Barrieren werde beim Aufprall keine Energie umgelenkt, die ähnlich wie beim Billardspielen beschleunigt werden könne und eine zusätzliche Gefahrenquelle darstelle. Weitere Vorteile seien das Leergewicht von sieben bis elf Kilogramm, ein Aufnahmevolumen von bis zu 1500 Liter Wasser, ein fester, textiler Boden und ein Oberboden mit verschließbarem Einfüllstutzen. „Eine einzelne
Person kann das System in etwa 30 Sekunden aufbauen. Eine Mehrfachnutzung ist möglich“, so Siegbert: „Zusammengelegt können bis zu acht Indutainer IBC in einem Pkw-Kombi angeliefert werden.“ Der einfache, selbsterklärende Aufbau des Systems könne problemlos durch einen Laien durchgeführt werden, erläutert Siegbert. Wenn eine Rettungsgasse gebraucht werde, lasse sich in der Reihe der Indutainer IBCs eine rund 2,5 Meter breite Spur frei halten. Die Dekra hat Indutainer Ende August ein Zertifikat ausgestellt, das die Wirksamkeit der mobilen Straßensperre bestätigt. Damit verfüge man über die erste, von einem unabhängigen und anerkannten Prüfinstitut geprüfte, mobile Straßensperre, sagte Siegbert. Indutainer-Straßensperren wurden bisher an neun Städte und Gemeinden sowie zwei Veranstalter geliefert. Sie kamen bereits mehrfach zum Einsatz, unter anderem in Emsdetten, Hamm, Lemgo und Saerbeck (Nordrhein-Westfalen), Bad Homburg, Friedrichsdorf, Kronberg und Obertshausen (Hessen) sowie Ehingen (Baden-Württemberg). Die mobilen Straßensperren wurden weiterhin beim Stadtflohmarkt und dem Friedensfest in Osnabrück, beim deutschen Katholikentag 2017 in Münster und bei einer Messe in Offenburg aufgestellt.
WASSERGEFÜLLTE STRASSENSPERRE
Einfache Handhabung, sichere Wirkung
Bis zu 1500 Liter Wasser fasst ein einzelner Indutainer IBC, sein Leergewicht beträgt nur sieben bis elf Kilogramm.
Der Einsatzzweck mobiler Straßensperren besteht darin, Fahrzeuge verschiedener Klassen, Größen und Massen situativ an der Befahrung bestimmter Straßenabschnitte zu hindern und im Fall diesbezüglicher Zuwiderhandlungen wirkungsvoll zu stoppen. Dabei werden folgende
Anforderungen an die Handhabung und Wirkung gestellt: • Möglichst geringer Lagerraum • Anlieferung an den Einsatzort/Abtransport ohne schwere Nutzfahrzeuge • Aufstellung ohne Beschädigung des Fahrbahnbelages
• Aufstellung auf üblichem Straßenbelag (Beton, Teer und Pflasterdecke) • Anpassung der Straßensperre an den Untergrund (Reibungserhöhung) auch bei Unebenheiten in der Fahrbahn • Einrichtung ohne mechanische oder chemi-
sche Fixierungsmittel auf der Fahrbahn • Kein Verbund der mobilen Straßensperre mit dem Untergrund • Schnelle Notdemontage zur Bildung einer Rettungsgasse innerhalb von zwei Minuten ohne schweres Hebegerät durch eine Person
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SPEZIAL INNOVATIONEN & IDEEN
Werkstattprojekt für Jungs und Rentner Die Osnabrücker Ursachenstiftung will Schüler für das Handwerk gewinnen
VON AXEL ROTHKEHL NEUENHAUS. Handwerksberufe
haben ein Imageproblem. Die Betriebe können längst nicht mehr alle Ausbildungsplätze besetzen. Diesem Trend begegnet die Ursachenstiftung aus Osnabrück mit dem innovativen Projekt „GenerationenWerkstatt“. Dort konzentriert man sich gezielt nur auf Jungen.
Die breiten Schultern gestandener Bauarbeiter haben sie noch nicht, die Motivation schon. Für die drei Achtklässler mussten erst noch passende Arbeitsanzüge und Sicherheitsschuhe bestellt werden. Zwei Monate lang kommen Jonas, Leon (beide 13) und Malte (14) immer donnerstags nach der Schule zum Bauunternehmen Anton Meyer in Neuenhaus. Sie nehmen am Projekt „GenerationenWerkstatt“ der Osnabrücker Ursachenstiftung teil. In der Halle der Beton- und Stahlbetonbauer haben sie gerade Schalungen von zwei Betonwürfeln abgenommen. Eine Woche zuvor hatten sie den Fertigbeton angerührt und eingefüllt. Leon kam heute gespannt aufs Betriebsgelände. „Der Beton sackt mit der Zeit etwas nach, und ich wusste nicht, ob wir noch spachteln müssen.“ Jetzt pinselt er Holschutzfarbe auf einige Latten, die die Blöcke zu einer Bank verbinden sollen. Das fertige Produkt soll später auf dem Pausenhof ihrer Wilhelm-Staehle-Schule in Neuenhaus stehen.
Mischmaschine, Brecheisen und Akkuschrauber. Nur an den Winkelschleifer („Flex“) lässt Betonbauer Manfred Peters die Realschüler nicht ran: „Wenn der hoch rutscht, wird es gefährlich.“ Die Jugendlichen haben es ihm verziehen. „Manfred ist cool“, schwärmt Jonas, „wir dürfen ihn sogar duzen“. Peters ist seinerseits begeistert von den Schülern: „Die haben keine Angst, etwas falsch zu machen. Wenn etwas schiefläuft, dann läuft es eben schief.“ Manfred Peters ist noch aktiv in seinem Beruf. Meist leiten Pensionäre die Jugendlichen in der GenerationenWerkstatt an. Gerade diese Männer sollen zu Vorbildern werden. Das gehört zum Konzept. Johannes Rahe, der Vorsitzende der Ursachenstiftung, hat es mit dem bekannten Hirnforscher Professor Gerald Hüther entwickelt. „Jungen sind die Bildungsverlierer der Gesellschaft“, sagt Hüther. In der Schullandschaft würden sie leichter untergehen, Talente und Stärken würden nicht immer erkannt. Das sei eine provozierende These, sagt Rahe: „Lehrer haben das aber immer wieder bestätigt. Unsere Zielgruppe sind Jungen ab der achten Klasse, also bevor sie in die Pubertät kommen.“ In dem Alter seien sie leichter für Neues wie das Handwerk zu begeistern. „Unsere erste Säule ist die junge Generation“, erklärt er: „Dann kommen die Aktiven: die mittelständischen Unternehmen, die
Johannes Rahe (r.),Gründer der „Ursachenstiftung“,begeisterte Uwe Paulsen für sein Projekt.
An die Flex dürfen sie noch nicht. Betonbauer Manfred Peters leitet für die GenerationenWerkstatt die Realschüler Malte Roling, Leon Joostberends und Jonas Kennepohl (v.l.) an. Fotos: Axel Rothkehl
das Bruttosozialprodukt in die Spur bringen. Die dritte Säule sind die Unruheständler, die ihre Erfahrung für die Teilnehmer einbringen.“ Rahe nennt das eine „Win-win-win-Situation“. Und die Schüler würden „nicht nur wie im Praktikum rumstehen“, sondern selbst etwas schaffen. Uwe Paulsen, Prokurist und Personalleiter bei Anton Meyer, hatte erst Vorbehalte, weil die Schüler noch so jung sind. Jetzt unterstützt er bereits das dritte Projekt. Der Betrieb lässt sich das etwas kosten: Arbeitskleidung, Baumaterial und Lohn für den Mitarbeiter. „Wir haben das nicht budgetiert“, betont Paulsen: „Das wird bei uns durchgezogen.“ In der Firma arbeiten 230 Mitarbeiter. Im letzten Jahr landeten auf seinem Tisch aber nur zwei Bewerbungen für Ausbildungsplätze. Für das kommende Jahr hat er noch keine bekommen. „Mit der GenerationenWerkstatt können wir die Schüler heranführen“, hofft er. Früher sei das einfacher gewesen. Paulsen gibt zu, dass er heute Schüler einstellt, die er früher nicht ge-
nommen hätte. „Die Bauberufe eignen sich auch für Hauptschulabsolventen.“ Heute ist die Verlockung groß, die Schullaufbahn nach der 10. Klasse zu verlängern. Und es ist im Vergleich zu manchen Handwerksberufen vielleicht auch bequemer. Für wen es zum Abitur am Gymnasium nicht reicht, der versucht nicht selten, die Hoch-
„Die Zielgruppe sind Jungen ab der achten Klasse.“ Johannes Rahe, Vorsitzender Ursachenstiftung
schulzugangsberechtigung an einer Gesamtschule zu erreichen. Fachleute sprechen schon von „Pseudo-Akademisierung“. Das Handwerk leidet darunter. „Wir möchten den Trend zur Ehrenrunde nach der zehnten Klasse, der oft nichts für die folgende Berufstätigkeit bringt, durchbrechen“, erklärt Reiner Brinkrolf, Ausbildungsberater bei der Handwerkskammer Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim: „Wenn die Jugendlichen nach der mittleren Reife eine Ausbildung machen, kann es anschließend über das Meister- oder Gesellenabitur in ein Studium gehen.“ Bei den Elektro- und Bauberufen sowie im Bau- und Nahrungsmittelbereich gebe es einen „Riesenmangel“. Finanziell ist eine Karriere im Handwerk übrigens durchaus interessant. Das ergab eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft: Etwa 30 Prozent der Meister und Techniker verdienen mehr als ein durchschnittlicher Akademiker. Seit drei Jahren bewirbt Johannes Rahe sein Projekt in Schulen und Betrieben mit so viel Begeisterung, dass die gar nicht anders
können, als sich anzuschließen. Bei den Firmen unterstützt ihn seine Koordinatorin Renate Beineke; sie leitete früher das Sekretariat für Präsident und Geschäftsführung der Handwerkskammer. Rahe selbst baute ab 1984 in Melle das Unternehmen „cool it“ für Kältetechnik auf, das er bis 2009 als Geschäftsführender Gesellschafter leitete. Der heute 73-Jährige könnte die Beine hochlegen, doch er wollte der Gesellschaft mit der Ursachenstiftung etwas zurückgeben. Dafür stellte er eine Million Euro Stiftungskapital bereit, das nicht anzutasten ist. „Du lebst also von Erträgen aus dem Kapitalstock und Spenden“, rechnet Rahe vor, „unser Problem sind die zurzeit niedrigen Zinsen“. Die Akzeptanz für sein Engagement ist hoch. Bis Dezember feiert er mit der einhundertsten GenerationenWerkstatt Jubiläum. Die Stationen reichen von Papenburg über Lingen bis Nordhorn und Melle. Rahe lädt zur Auftakt- und Abschlussveranstaltung immer die Eltern ein. Zum Ende gibt es neben einigen Lobhudeleien oft Getränke und Schnittchen, manchmal auch nur einen warmen Händedruck. Aber immer verteilen Rahe und Renate Beineke Zertifikate, die jede Bewerbungsmappe schmücken. Rahe: „Das ist der Beleg, dass es nicht nur schlechte Klassenarbeiten gibt. Die Jungen haben etwas gemeinsam gebaut, und die Schule profitiert davon.“ So sind für die Schulen bereits Sitzgruppen mit Akustikdecken, Vitrinen und Bootshäuser entstanden. Zurück nach Neuenhaus: Prokurist Uwe Paulsen hat sich bei Manfred Peters regelmäßig über die drei Realschüler informiert und sie in der Betonbauerhalle besucht. Als Tagesexkursion schickte er die Jugendlichen nach Ostfriesland auf die Baustelle für eine Gasverdichterstation. Beim letzten gemeinsamen Termin will Paulsen sie zur Seite nehmen und die verschiedenen Ausbildungswege im Unternehmen erläutern. „Mich interessiert der Beruf“, sagt Leon Joostberends, „mein Vater ist auch in der Richtung beschlagen. Der ist Maurer.“ Der 13-Jährige urteilt schon wie ein Großer. „Ich habe Vertrauen in das Unternehmen.“
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DONNERSTAG, 26. OKTOBER 2017
SPEZIAL INNOVATIONEN & IDEEN
Die Zukunft selbst bauen Wie die Felix Schoeller Group die digitale Revolution für sich nutzte VON THOMAS WÜBKER OSNABRÜCK. Die Felix Schoeller
Group ist von den Folgen der Umstellung von Analog- auf Digitalfotografie hart getroffen worden. Doch die Zeichen der Zeit wurden früh erkannt. Heute ist das Osnabrücker Traditionsunternehmen Weltmarktführer bei Foto- und Dekorpapieren, ruht sich darauf aber nicht aus. Es ist auf der Suche nach weiteren Geschäftsfeldern.
„Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ Dieser Satz des ehemaligen Staatspräsidenten der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, kann nicht nur auf die ehemalige DDR, sondern auch auf einstige Branchenriesen wie Kodak, Agfa oder Konica angewendet werden. Als in den Achtzigerjahren die ersten Digitalkameras auftauchten, wurde diese Entwicklung unterschätzt, vernachlässigt oder gar ganz ignoriert. Die Unternehmen Kodak, Agfa und Konica sind heute weitestge-
PAPIERHERSTELLER SEIT 1885
Alles in der Familie 2322 Menschen arbeiten an weltweit acht Standorten in dem 1895 in Osnabrück von Felix Schoeller gegründeten Unternehmen. Seit dem 1. Januar 2017 wird es von Hans-Christoph Gallenkamp geführt, der seit 1997 im Familienunternehmen tätig und seit Oktober 2012 als Technischer Geschäftsführer Mitglied der
Geschäftsführung ist. Er ist der Enkel von Hans-Georg Gallenkamp, der in die Familie einheiratete und 1945 ins Unternehmen eintrat, und der Sohn von Hans-Michael Gallenkamp, dem langjährigen CEO des Unternehmens, der heute den Beiratsvorsitz innehat. Seit 122 Jahren ist die Papierfabrik in fünfter Generation nun in Familien-
hand. Möglicherweise liegt es an der familiären Atmosphäre, dass die Felix Schoeller Group in einer Studie des Nachrichten-Magazins „Focus“ auf Rang 6 im Bereich „Herstellung und Verarbeitung von Werk- und Baustoffen, Metallen und Papier“ zu einem der besten Arbeitgeber Deutschlands gewählt wurde. tw
hend vom Markt verschwunden. Den weltweiten Durchbruch der digitalen Fotografie beobachtete man auch im Osnabrücker Stadtteil Gretesch. Das 1895 von Felix Hermann Maria Schoeller gegründete Unternehmen stellte traditionell Papier für die analoge Fotografie her. „Bis zum Ende der Achtzigerjahre betrug die Abhängigkeit von diesem Geschäftsfeld über 80 Prozent“, so Hans-Christoph Gallenkamp, COO der Felix Schoeller Group. Mit Beginn der Neunzigerjahre wurde jedoch eine strategische Weichenstellung und Neuausrichtung des Unternehmens vorgenommen. Damit wurde das Ziel verfolgt, die hohe Abhängigkeit vom Stammgeschäft zu reduzieren. „Zielrichtung waren weiterhin Spezialpapiere, und zwar Dekorpapiere für die Holzwerkstoffindustrie sowie Inkjet-Papiere für den hochwertigen digitalen Fotodruck“, so Gallenkamp weiter. Der Niedergang der Analog-Fotografie traf das Unternehmen dennoch hart. Der Absatz im Fotopapier-Geschäft brach um 80 Prozent ein. „Dieser Einbruch hatte nicht nur Auswirkungen auf die Ertragskraft und Leistungsfähigkeit der Felix Schoeller Group, sondern auch dramatische Effekte auf die Auslastung und Nutzbarkeit bestehender Anlagen“, sagt Gallenkamp. Dies betraf vor allem die sogenannte
AirportPark FMO Unser Standort. Ihr Erfolg. Udo Schröer, Geschäftsführer © AirportPark FMO GmbH
Schumacher Packaging und Airportpark FMO: das passt! Schumacher Packaging mit Stammsitz im fränkischen Ebersdorf investiert ei
Teamsitzung bei der Felix Schoeller Group: Christian Wlotzka (Mitte) verantwortet das Innovationsmanagement.
PM 1, die 1986 als leistungsstärkste Papiermaschine für den Fotopapier-Weltmarkt gebaut worden war. Sie sei damals ein entscheidender Meilenstein zum Erreichen der Marktführerschaft gewesen, so Gallenkamp. „Durch die Marktveränderungen war diese Papiermaschine auf einmal obsolet und wurde in der Folge in den Jahren 2009/2010 in eine Dekorpapiermaschine umgebaut.“ Die Osnabrücker hatten aber bereits Anfang der Neunzigerjahre auf den Wandel reagiert. Mit dem Kauf der Papierfabrik zu Penig GmbH 1991 und der zwei Werke der Technocell AG in Pasing und Günzach 1993 stellte die Felix Schoeller Group die Weichen auf die Produktion von Dekorpapieren. Das ist heute neben der Herstellung von Foto- und Digitaldruckpapieren,
Vlies, Release Linern und weiteren Spezialpapieren eins von fünf Geschäftsfeldern des Unternehmens, das 2016 einen Umsatz von 757 Millionen Euro erzielte. Heute ist die Felix Schoeller Group Weltmarktführer bei der Produktion von Fotound Dekorpapieren. Jedes zweite Foto, das weltweit gedruckt wird, basiert auf einem Felix-SchoellerProdukt. 95 Prozent aller Dekorpapier-Verarbeiter sind Kunden der Schoeller-Tochter Technocell. Das Dekorgeschäft ist laut Gallenkamp heute das bei Weitem stärkste Geschäft. Ausruhen will sich auf den positiven Zahlen niemand. Vor fünf Jahren wurde das sogenannte Business Development Team bei der Felix Schoeller Group gegründet. Zu seinen Aufgaben zählt Gallenkamp das Innovationsmanagement, den
Foto: Alexander Boehle
Stage-Gate-Prozess und die Geschäftsmodellentwicklung. Ergebnisse dieses Entwicklerteams sind unter anderem das „p_e:smart“Spezialpapier für die gedruckte Elektronik, die Integration neuer Funktionen in Papier, leitfähige, flexible Beschichtungen und Papiere sowie funktionale Beschichtungen auf Basis innovativer Thermoplasten, Dispersionen und Polymere. Die von Gorbatschow getadelten Zu-spät-Kommer scheint es bei der Felix Schoeller Group in Osnabrück nicht zu geben. Selbst wenn sich die Zeit zurückdrehen würde und analoge Technik wie bei der Renaissance der Schallplatte auch in der Fotografie wieder gefragt wäre, so könnte laut Unternehmenssprecherin Friederike Texter in Gretesch wieder Papier dafür produziert werden.
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SPEZIAL INNOVATIONEN & IDEEN
SPEZIAL INNOVATIONEN & IDEEN
Fleisch aus dem Reagenzglas, Salat aus dem Kücchenschrank
Das ass Deutsche Institut für Lebensmitteltechnik fördert Ideen im Bereich Ernährungswirtschaft
Wie Clean Meat und Gärten im Küchenschrank die Lebensm mitt ttelbranche t umkr krempeln r
QUAKENBRÜCK. Ob Burger mit In-
Bei „Memphis Meat“ gibt es Fleisch, für das kein Tier sterben muss. Microsoft-Gründer Bill Gates und andere Superreiche investieren. Salat könnte bald da wachsen, wo er benötigt wird: in der Küche. VON DIRK FISSER OSNABRÜCK. Der Salat der Zu-
kunft wächst in der eigenen Wohnung im Einbauschrank neben der Spülmaschine. Und das Fleisch für den Hamburger kommt aus der Petrischale. Technisch ist all das möglich. Der radikale Wandel in der Lebensmittelproduktion hat begonnen. Es ist auch eine Wette auf die Zukunft. Viele Hundert Millionen Euro und Dollar fließen in Forschungsprojekte und Start-ups.
Microsoft-Gründer und Multimilliardär Bill Gates schrieb bereits 2013 in seinem Blog, es sei unmöglich, genug Fleisch für neun Milliarden Menschen zu produzieren. Und man könne auch nicht jeden bitten, Vegetarier zu werden. Also müssten neue Wege gefunden werden, ohne die Erde auszubeuten. Der britische Milliardär Richard Branson teilt diese Auffassung. Er sei überzeugt, ließ er „Bloomberg News“ wissen, dass wir in vielleicht 30 Jahren keine Tiere mehr töten müssten, um Fleisch zu essen. Die Superreichen zählen zu den Investoren, die Millionenbeträge in das Unternehmen „Memphis Meat“ gesteckt haben – eine der Firmen, die am Fleisch der Zukunft arbeiten. Aus Stammzellen will das junge Unternehmen Fleisch herstellen, das nur ein Prozent der Landfläche und nur zehn Prozent der Wassermenge verbraucht wie die konventionelle Tierhaltung. Kein Schwein, kein Rind müsste mehr für Fleischgenuss sterben. So die Utopie. In der Heimatregion von „Memphis Meat“ – dem sogenannten Sili-
con Valley in Kalifornien, von dem auch schon die Internetrevolution ausging – erzählt man sich, Suchmaschinen-Gigant Google habe das Unternehmen kaufen wollen. Von einem Preis von bis zu 300 Millionen US-Dollar war die Rede. Die Gründer aber lehnten ab. Angeblich war ihnen das Angebot zu gering. Ein Ausdruck des Selbstbewusstseins der Lebensmittelrevolutionäre. Die Konkurrenz auf dem Markt wächst – und die Preise für das Endprodukt sinken. Der Hersteller „Impossible Foods“ (zu Deutsch in etwa „unmögliche Lebensmittel“) lud kürzlich zum Testessen in ein trendiges New Yorker Hamburger-Restaurant. Eine Journalistin des „Guardian“ war begeistert vom „Fake-Fleisch“, räumte aber auch ein, dass die Geschmacksexplosion psychosomatischer Natur gewesen sein könnte. Jedenfalls kostete der Burger mit dem Bratling aus dem Labor zwölf US-Dollar. Bislang erhältlich in New York, demnächst auch in San Francisco. „Mein Burger ist besser als deiner“, schrieb ein Instagram-Nutzer und Testesser zu seinem Burger-Foto. Moralisch ist das Fleisch aus der Petrischale der konventionellen Produktion überlegen. Doch die Skepsis der Europäer und besonders der Deutschen hinsichtlich künstlich veränderter oder erzeugter Lebensmittel ist hinlänglich bekannt. „Clean Meat“ dürfte es schwerer haben, hier Fuß zu fassen, als in den USA. Weiter noch als beim Fleisch ist die Neuerfindung der Produktion beim Grünzeug gediehen. Vertical Farming lautet die neue Anbauweise. Gemüse wird in Glaskästen direkt dort angebaut, wo es benötigt wird. Im Restaurant beispielsweise oder im Supermarkt. An vielen Orten der Welt gibt es das schon. Besonders in Großstädten wird das Konzept vorangetrieben. Die Gemüseproduktion wird Stück für Stück dezentralisiert. Einzelne Start-ups gehen noch einen Schritt weiter. In der Zukunft kann jeder sein Gemüse selbst in der Küche anbauen. So zumindest der Plan des Münchner Unternehmens „Agrilution“. 17 Menschen vom Maschinenbauer über Elektrotechniker bis hin zu Biologen arbeiten an einer Art Mi-
„Milliardeen Menschen essen Insekten“ VON NADINE GRUNEWALD fleisch l oder Lebensmitt ttel t sektenfl aus Kart rtoff t ffelschalen: f Christian Kii Kircher vom Deuts tschen s Institu tut u für ü Lebensmitt tteltechnik t (DIL) fü kennt sich aus mit innovativen Ideen, die irgendwann vi vielleicht i den Hunger der Welt stillen view i erkl klärt l rtt er, könnten. Im Intervi waru rum u der Ekel vor derart rtigem t Essen nur vorü rübergehend ü ist.
Herr Ki Kircher, i was ass verbirgt gtt sich hinter dem Projekt Food2020? Food2020 ist ein deutsch-niederländisches Kooperationsprojekt, mit dem wir die Ernährungswirtschaft in der deutsch-niederländischen Grenzregion fit für die Zukunft machen wollen. Wir unterstützen kleine und mittelständische Unternehmen bei der Umsetzung innovativer Ideen und führen Machbarkeitsstudien durch, aus denen sich möglicherweise weitere Innovationsprojekte ergeben können. Leadpartner ist das Deutsche Institut für Lebensmitteltechnik (DIL), die regionalen Koordinatoren helfen bei der Verteilung der Mittel und mit ihrem Netzwerk.
Frikadelle im Reagenzgla as: Aus Stammzellen lässt sich Fleisch züchten, für das kein Schwein oder Rind mehr sterben muss. Foto: dpa
ni-Gewächshaus, das in jede Küche implementiertt werden kann. Der Name ist – natürlich – englisch: Plantcube. Und dieser Pflanzwürfel kann n per Smartphone gesteuert und kontrolliert werden. Das Handyy sagt, wann es Zeit zur Ernte oder zum Gießen ist. Testgeräte seien bereits im Umlauf, erzählt Firmengründer Max Lössl. „Über die genaue Anzahl reden wir aber nich ht. Auch nicht, wer sie hat.“ Ab Herbst erhalten
Der Salat wächst che, in der Küc und das Handy sagt, wann es Zeit zum Gießen oder Ernte en ist.
Der Pflanzwürfel für die Küche, genannt Plantcube, ist derzeit in der Testphase. Über das Smartphone wird mitgeteilt, ob es Zeit zum Gießen oder Ernten ist. Fotos: Agrilution
Kunden die Gemüseschränke, die sich vorab registriert haben. Mehrere Tausend sollen es sein, die pro Plantcube 2000 Euro zahlen. 2018 soll dann der große Durchbruch auf den freien Markt erfolgen. Zunächst mit Augenmerk auf das Premiumsegment, aber: „Das soll eine Massentechnologie werden“, gibt Lössl die Marschrichtung vor. Auch im Bereich des „Vertical Farming“ geht es längst um Millionen-Beträge. Agrilution konnte zuletzt siebenstellige Beträge vom Glühbirnenhersteller Osram und Tengelmann Ventures einsammeln. Hinter Letzterem steckt der ehemalige Besitzer der an Edeka und Rewe verkauften Supermarktkette Kaiser’ s Tengelmann. Das Geschäftsmodell der Münchener beschränkt sich dabei nicht nur auf den weißen Kasten. Agrilution bietet Nährboden, Dünger und Samen für den Würfel an. Nach jeder Ernte kann der Kunde Nachschub bestellen. „Wir bieten auch alte, ausgefallene Sorten an, die es so im Supermarkt gar nicht gibt“, sagt Lössl. Nächstes Ziel seien Erdbeeren. Auch das junge Start-up aus Bayern nimmt für sein Produkt in Anspruch, dass es besser sei als die herkömmliche Produktion. Gerade gegenüber aus dem Ausland importierter Ware sei die Ökobilanz besser, wenn der Salat in der eigenen Küche wächst, betont Gründer Lössl. Volker Heinz vom Deutschen Institut für Lebensmitteltechnik (DIL) beobachtet die Entwicklungen sehr genau. Er kennt die hohen Hürden und wirtschaftlichen Nachteile, die sowohl dem sauberen Fleisch als auch dem Vertical Farming noch im Wege stehen. Der Fachmann geht nicht von einem schnellen Umbruch der Produktion aus. Beim Fleisch aus der Petrischale sagt er, dass es „möglicherweise zunächst als Nischenprodukt mit relativ geringem Marktanteil seinen Platz im Handel finden und mit bestehenden traditionellen Fleischwaren koexistieren“ werde. Die Zukunft hat also begonnen. Bis sie zum Standard wird, dauert es allerdings noch einige Jahrzehnte.
große Ähnlichkeit mit Grashüpfern. Aber wir sind daran gewöhnt, Garnelen zu essen. Das A und O ist, dass das Produkt schmeckt und gut aussieht – und man die Insekten vielleicht nicht erkennt.
Waru rum u ist so ein Projekt notwendig? Mit nur 0,27 Prozent wird ein verschwindend geringer Teil der Umsätze in der Ernährungswirtschaft für Forschung eingesetzt. Aber wir stehen hier vor verschiedenen Herausforderungen bei Themen wie der Lebensmittelsicherheit, der Versorgung der Bevölkerung, der Nachhaltigkeit sowie der Gesundheit. Die Frage ist, wie kleine und mittelständische Unternehmen sich vor diesem Hintergrund gegen große behaupten können. Wir wollen sie dabei unterstützen, Nischenprodukte zu entwickeln, mit denen sie den Herausforderungen gerecht werden und die am Ende auf dem Markt bestehen können. Wie steht es um die Lebensmitt ttelwi t wirts i tschaft s ftt in der Region? Ich glaube, wir sind als Region sowohl hier im Nordwesten als
Christian Kircher ist am DILin Quakenbrück verantwortlich für das Projekt Food2020. Foto: Kubus Fotografie
auch in den Niederlanden sehr gut aufgestellt. Die Welt guckt zu uns auf, was wir für qualitativ hochwertige und sichere Lebensmittel produzieren. Aber die Ernährungswirtschaft ist für 25 Prozent des CO2-Ausstoßes verantwortlich. 50 Prozent der Weltbevölkerung sind zu dick, und wir schmeißen ein Drittel der Lebensmittel weg. Hier sitzen die Unternehmen, die sich mit ihren Produkten und Produktionsarten in Nordeuropa durchgesetzt haben und die auch diese Herausforderungen lösen können. Diese Stärken müssen wir stärken. Wo sehen Sie das größte Entwicklungspotenzial? Das sehe ich bei alternativen Proteinquellen beziehungsweise der Nutzung von Nebenströmen, also die sogenannte Kreislaufwirtschaft. Dabei werden etwa Kartoffelschalen, die wir heute noch wegschmeißen, genutzt, um hochwertige Inhaltsstoffe für Lebensmittel zu gewinnen. Eines der von Food2020 unterstützten Projekte ist „Bugelicious Future“. Dahinter steckt das Osnabrücker Start-up Bugfoundation, das Insektenburger auf den Markt gebracht hat. Warum ist dieses Projekt ausgewählt worden?
Die Bugfoundation war in einem Vorgängerprojekt in einer Machbarkeitsstudie, bei der sich gezeigt hat, dass es sich einer globalen Herausforderung annehmen kann und eine Chance besteht, dass sich das Startup am Markt etabliert. Bislang verkaufen sie ihre Produkte nur in Belgien und den Niederlanden, weil hier noch die gesetzlichen Grundlagen fehlen. Da ist aber gerade etwas im Wandel. Die Produktion insektenhaltiger Lebensmittel ist nachhaltiger, und bei einer immer schneller wachsenden Bevölkerung sind aus Insekten gewonnene Proteine eine Alternative. Wir sind stolz, dass wir so ein Projekt hier entwickeln. Was muss passieren, damit die Akzeptanz für Insekten als Nahrungsmittel hier steigt? Sie spielen auf den Ekelfaktor an. Wenn einem Produkte regelmäßig gezeigt werden, man sie sieht und probiert, denkt man irgendwann anders darüber. Das ist Gewöhnungssache. Rund zwei Milliarden Menschen sind es gewohnt, Insekten zu essen. Sie würden die frittierte Heuschrecke immer der Salzstange vorziehen. Aber auch in Europa hat fast jeder schon Insektenprodukte oder Produkte, die Insekten sehr ähnlich sehen, gegessen; Honig zum Beispiel ist ein Insektenprodukt oder Garnelen. Hier hat das Ursprungsprodukt
Und was ist Ihr Favorit? Bei mir steht regelmäßig Fleisch auf dem Speiseplan, aber auch ein vegetarisches Schnitzel oder Ähnliches, um meiner Verantwortung gerecht zu werden. Wenn ich in Brüssel bin, würde ich dort immer den Insektenburger vorziehen, weil ich den woanders nicht bekomme. Ich bin noch stärker auf das Produkt Fleisch fokussiert, stelle aber fest, dass da bei mir eine Veränderung stattgefunden hat. 60 Prozent der Bevölkerung sind Flexitarier – und genau die können eher eine Veränderung bewirken als die 0,2 Prozent Veganer. Sie sind essenstechnisch also schon experimentierfreudig? Das bringt eine Mitarbeit im DIL mit. Nur wenn man gegenüber neuen Dingen aufgeschlossen ist, kann man den Herausforderungen der Zukunft gerecht werden. Ich würde aber sagen, dass die Niederländer deutlich aufgeschlossener gegenüber neuen Produkten sind. Der deutsche Konsument ist sehr preisfixiert und hält an dem fest, was er kennt. Deshalb versucht eine bekannte Marke auch, mit einem vegetarischen Schnitzel ein Schnitzel zu imitieren. Das ist auch okay, anders bekomme ich diese Produkte nicht in den Markt. Food2020 läuft von 2015 bis 2018. Wie geht es danach weiter? Es war von Anfang an vorgesehen, dass das Projekt nach den drei Jahren in eine zweite Phase gehen könnte. Derzeit prüfen wir, aus welchen Machbarkeitsstudien neue Innovationsprojekte werden können, die in einer zweiten Phase umgesetzt werden. Gerade haben wir nach weiteren fünf Millionen Euro Budget angefragt. Im November erwarten wir eine Entscheidung darüber, wie es weitergeht.
NEUE IDEEN FÜR DEN LEBENSMITTELMARKT
Diese Innovationsprojekte unterstützt Food2020 Auch Rinder tragen zur Klimaerw rwärmung w bei: Sie stoßen Methan aus, das etw twa w 25-mal stärker auf die Atmosphäre wirkt als CO2. Fotos: Colourbox.de, imago/blickwinkel Montage: M.Michel
Bugelicious Future – Creating Insect Valley. Ein Osnabrücker Start-up hat einen Insektenburger entwickelt, den es bereits in Belgien und den Niederlanden verkauft. Im Rahmen des Projektes soll analysiert werden, welche Barrieren in der westlichen Welt zwischen den Konsumenten und der Lebensmittelindustrie bestehen und wie diese minimiert werden können. Future Food Drying. In diesem Projekt wird eine Anlage entwickelt, mit der Produkten bei einem innovativen und nachhaltigen Trocknungsprozess Feuchtigkeit entzogen werden soll, um deren Haltbarkeit zu verlängern. Die Qualität soll hinsichtlich Farbe, Geschmack, Geruch und Inhaltsstoffen erhalten bleiben. So sollen Produkte verwendet werden können, die aufgrund ihres Aussehens bislang auf dem Müll landen.
Sch haumtechnologie. Ein niederländisches Untern nehmen entwickelt seit 200 05 eine Schaumtechnologie, mit der Tiere würdevolll und ohne Schmerzen getötet werden können, die aufgrund von Krankheit ode er Schwäche nicht bis zurr Schlachtung leben würrden. Sie werden mittels Stic ckstoff betäubt, der in Form von Schaum in die Lufftröhre des Tieres eingesch hleust wird. So sollen die viellen manuellen Tötungen untterbunden werden. In Foo od2020 wird dieses Verfahren optimiert. Bio obasierte Verpacku ungslösungen. Mit diesem m Innovationsprojekt solll ein Schritt in Richtung biobasierter und kompostierrbarer Verpackungen gem macht werden. Auch qua alitativ hochwertige Biopro odukte werden derzeit in herrkömmlichen „Erdöl“Foliien verpackt. Fas stdrop2safelyflavour. In diesem Projekt geht es um das Thema Lebensmit-
Interactive Urban Farming. Dieses Projekt zielt darauf ab, ein digitales Label für Pflanzen zu entwickeln, auf dem Informationen über die Inhaltsstoffe und den Geschmack dieser hinterlegt werden. Darüber soll Kunden sich über den Geschmack und die Verwendung der Pflanze informieren. So soll die Einen Burger, bestehend aus 40 Prozent Insekten, hat das Osnabrücker Wahl des richtigen ProUnternehmen Bugfoundation entwickelt. Foto: Michael Gründel dukts erleichtert werden. telsicherheit. Es werden Möglichkeiten erarbeitet, um den Fermentierungsprozess bei Rohwurstprodukten zu optimieren. So soll erreicht werden, dass das Produkt schneller in den unkritischen pH-Bereich überführt wird, in dem sich schädliche Keime nicht vermehren können. LCA in Food. Bei diesem Projekt erhalten kleine und mittelständische Unternehmen aus der Projektregion eine kostenlose Analyse der Ökobilanz eines Produktes oder Prozesses.
Dabei werden zehn dieser Unternehmen bei der Entwicklung eines Konzeptes zur Verbesserung der Nachhaltigkeit in ihrem Betrieb unterstützt.
E.Knax. In diesem Innovationsprojekt wird eine App entwickelt, die die Weiterbildung von Mitarbeitern auf spielerische Weise unterstützen soll.
Hygiene in Dairy Chain. Ziel dieses Projektes ist es, die Hygiene in milchverarbeitenden Betrieben zu verbessern. Dazu sollen innovative Prozess- und Produktinnovationen entwickelt werden, die sowohl ein höchstes Maß an Sicherheit garantieren als auch die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter verbessern.
International Traineeship Program. Food2020 unterstützt bei diesem Projekt Firmen finanziell, die Hochschulabsolventen oder Studenten für eine bestimmte Zeit in ihrem Unternehmen einsetzen. So können Firmen neue Fachkräfte finden und die Studenten sich für einen Arbeitsplatz qualifizieren. ngr
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DONNERSTAG, 26. OKTOBER 2017
SPEZIAL INNOVATIONEN & IDEEN
„Genauso sicher wie wii ein normaler Dieselzug“ Erster serienreifer Wassserstoff ffzug f kommt aus Niedersachsen VON STEFANIE WITTE SALZGITTER. Es ist eine Weltpre-
miere: Zum ersten Mal soll im kommenden Jahr ein serienreifer Regionalzug mit Wasserstoff im Tank fahren – und zwar in Niedersachsen. Nachdem Toyota mit dem Mirai das erste serienreife Brennstoffzellenauto herstellt, zieht der französische Alstom-Konzern, der aktuell wegen einer Fusion mit Siemens in den Schlagzeilen ist, mit einem Zug nach.
Die Idee entstand 2012. Schon vier Jahre später stellte Alstom einen Prototyp aus seinem Werk in Salzgitter vor. Anfang kommenden Jahres soll der Zug regulär auf der Strecke von Buxtehude über Bremerhaven bis Cuxhaven eingesetzt werden. Auch in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg soll dieser Zugtyp künftig fahren. Ein Interview mit dem Leiter des Geschäftsbereichs Stadtverkehr & Infrastruktur, Jens Sprotte: Woran wird ein Fahrgast merken, dass er in einem Wasserstoffzug sitzt? Das ist ganz einfach zu beantworten: Das Fahrzeug ist 60 Prozent leiser als ein Dieselfahrzeug und im Fahrverhalten deutlich dynamischer. Ansonsten ist es ein ganz normaler Zug. Was macht den Wasserstoffzug attraktiv? Das Wichtigste ist, dass das Fahrzeug lokal emissionsfrei ist. Es entsteht nur Wasserdampf. Wir können hier endlich zwei Sektoren koppeln, nämlich die Mobilität mit dem Energiesektor. Somit können wir zum Beispiel Windenergie direkt emissionsfrei in Wasserstoff speichern und dann direkt für die Mobilität nutzen. Grundsätzlich haben wir uns vorgenommen, Weltmarktführer bei emissionsfreien Antrieben zu werden. Dazu haben wir uns angeschaut, welche Technologie auf der Schiene für die Zukunft am vielversprechendsten ist. Wir gehen davon aus, dass es die Verbindung von Brennstoffzelle und Batterie sein wird. Für den Laien: Wie funktioniert eine Brennstoffzelle? Wasserstoff aus Tanks an Bord verbindet sich mit Sauerstoff aus der Umgebungsluft und liefert da-
Von außen sieht er aus wie ein ganz normaler Zug. Dennoch handelt es sich beim iLint um eine Weltneuheit: Der Regionalzug soll bald im ganz normalen Personenverkehr eingesetzt werden.
bei elektrische Energie. Diese Energie wird in Lithium-IonenBatterien gespeichert, wenn sie nicht für den Antrieb oder die Bordsysteme benötigt wird. Wenn der Zug bremst, wird die dadurch entstehende kinetische Energie ebenfalls gespeichert. Wie gefährlich sind Wasserstoff und Batterien bei einem Zugunglück? Dieses Medium ist absolut sicher für den Fahrgast. Wasserstoff kommt schon in U-Booten und Nutzfahrzeugen zum Einsatz. Trotzdem machen wir viele Tests, um zum Beispiel zu simulieren, was passieren kann, und um gefährliche Situationen auszuschließen. Am Ende werden wir eine ganz normale Zulassung vom Eisenbahnbundesamt bekommen. Damit können wir im gesamten deutschen Netz fahren. Die Tanks befinden sich auf dem Dach. Inwieweit sind sie gesichert? Das sind carbonverstärkte Komponententanks mit Sicherheitsventilen. Im Falle eines Lecks lässt der Tank sofort seinen Wasserstoff ab. Anders als Benzin ist Wasserstoff ja innerhalb von Millisekunden verschwunden. Entzünden kann er sich nur, wenn unter Druck Funken dazukommen. Die Verkettung unglücklicher Umstände müsste schon extrem sein. Wir sind sicher, dass dieses System genauso sicher ist wie ein normaler Dieselzug.
Woher kommt der Wasserstoff ? Wir gehen zwei Wege: Zum einen nutzen wir Bestandswasserstoff. Der kommt als Abfallprodukt zum Beispiel in großen Raffinerien und der chemischen Industrie vor. Außerdem gibt es aktuell ganz viel Windenergie, die nicht genutzt werden kann. Wir sehen das als ideale Möglichkeit, diese Energie in Elektrolyseure umzuleiten, also den Strom zur Gewinnung von Wasserstoff zu nutzen. Eine große Herausforderung für die Zukunft ist dabei noch die EEG-Umlage. Die macht den Wasserstoff, der aus Elektrolyseuren kommt, teuer und damit unattraktiv. Auf den Straßen haben sich Wasserstoffautos bislang nicht durchgesetzt. Warum sollte das beim Zug anders sein?
Jens Sprotte, Leiter des Geschäftsbereichs Stadtverkehr & Infrastruktur.
Foto: Alstom
Wir sehen schon, was gerade in der Automobilindustrie nicht funktioniert – es fehlen zum Beispiel Tankstellen. Deswegen wollen wir den Kunden ein All-inclusive-Paket bieten, indem wir Fahrzeuge bauen, sie warten und mit großen Partnern aus der Energiebranche Wasserstoff produzieren und zur Verfügung stellen. Bei allen Projekten legen wir großen Wert darauf, auch mit lokalen Partnern zusammenzuarbeiten. Wir werden den Wasserstoff zu Beginn per Lkw transportieren. Ein Lkw wird pro Tag eine ganze Flotte bedienen können. Aber perspektivisch suchen wir schon den Einstieg in die Elektrolyse und das Tanken vor Ort. Bei Autos mangelt es an einer Tankstelleninfrastruktur für Wasserstoffautos. Wäre es möglich, dass Privatpersonen Ihr Netz anzapfen? Wichtig zu wissen ist: Wir nutzen das 350-bar-System. Die Autos – bedingt durch weniger Platz – komprimieren den Wasserstoff mit 700 bar. Aber natürlich begrüßen wir es, wenn man zum Beispiel Busse andocken könnte. Wir sehen uns als Pionier des emissionsfreien Verkehrs auf der Schiene, aber freuen uns auch, wenn die Individualmobilität ein Stück weit umsteigen würde. Wie hoch sind die Kosten im Vergleich zu Diesel?
Foto: Alstom/Michael Wittwer
dockt. Der gesamte Tankvorgang dauert etwa eine Viertelstunde.
Zurzeit schauen wir alle nur auf den Preis. Perspektivisch ist aber auch die Vermeidung von CO2 ein wichtiger Faktor. Und da würde ich mir schon mehr Fingerspitzengefühl der Politik wünschen. Ein Beispiel: Wenn man jetzt direkt 15 von unseren Coradia iLints einsetzen würde, würde man über 11 000 Tonnen CO2 im Jahr sparen. Das entspricht etwa 6000 Pkw. Das ist eine Reduzierung, die sie in keiner Ausschreibung wiederfinden.
Woher kommt denn eigentlich der Name „Coradia iLint“? Die Coradia ist bei uns eine Regionalplattformfamilie, und der Lint ist unser Dieseltriebwagen. Die Abkürzung steht für „Leichter innovativer Nahverkehrstriebwagen“. Das „i“ steht für intelligent. Das ist uns ganz wichtig, denn das Fahrzeug hat tatsächlich eine hohe Intelligenz. Das Energiesystem wird durch das Brennstoffsystem nur so weit geladen, dass wir die Batterien immer im Mittelmaß halten – also nie überladen und nie ganz entladen, sodass wir eine hohe Lebenserwartung haben. Außerdem lernt dieses Energiesystem. Wenn das Fahrzeug im Einsatz ist, können wir dem Triebfahrzeugführer direkt Hinweise geben, wie er am energiesparendsten fahren kann.
Also ist ein iLint im Moment teurer als ein vergleichbares Dieselmodell? Der Wasserstoffzug ist dem Diesel wirtschaftlich über den Lebenszyklus nicht unterlegen. Wir gehen davon aus, dass der Wasserstoffpreis perspektivisch noch weiter sinken wird. Eine neue Technologie hat natürlich einen gewissen Preis und läuft mit gewissen Förderungen an. Aber wir sehen jetzt schon, dass der Zug den Dieseltriebzügen in nichts nachstehen wird. Wir hätten dieses Produkt nicht so weit nach vorne gebracht, wenn wir nicht davon ausgehen würden, dass es wirtschaftlich ist.
Zuerst hieß es, der Zug solle im Dezember 2017 regulär fahren, dann ist es Anfang 2018 geworden. Warum ist das so, und wie ist der Stand der Dinge? Wir sind gerade noch in Gesprächen mit der Landesnahverkehrsgesellschaft, wie wir diese beiden Prototypen in den Betrieb einspielen. Da muss ein Teil der Werkstatt umgerüstet werden, ein Teil der Triebfahrzeugführer wird geschult, und außerdem warten wir auf die Zulassung vom Eisenbahnbundesamt, die Ende des Jahres kommen soll.
Wie groß ist die Reichweite? Das kommt auf die Fahrweise und die Streckenprofile an. Im Schnitt sind es 800 bis über 1000 Kilometer pro Tankfüllung. Der Tankprozess ist an die Dieselvariante angelehnt. Das Fahrzeug fährt zur Tankstelle, und dort werden ganz normale Tankrüssel ange-
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DONNERSTAG, 26. OKTOBER 2017
SPEZIAL INNOVATIONEN & IDEEN
Sandra hat, was Meryem fehlt Anonyme Bewerbungsschreiben könnten Vorurteile bei Personalern ausgleichen – Privatwirtschaft zögert VON CAROLA FELCHNER OLDENBURG. Selbst bei bester Qualifikation erschweren Vorurteile vielen Bewerbern den Zugang zum Arbeitsmarkt. Einige Personaler wollen das ändern: mit Inkognitobewerbungen. Schließlich profitieren auch die Arbeitgeber davon.
Alleinerziehend, etwas älter, ausländisch klingender Name: alles Stolpersteine auf dem Weg zu einem neuen Job. Denn Personaler sind auch nur Menschen. Und die haben Vorbehalte, wie ein Versuch aus dem vergangenen Jahr gezeigt hat: Die Ökonomin Doris Weichselbaumer hatte gut 1500 fiktive Bewerbungen an deutsche Unternehmen verschickt. Wenn die Absenderin darin als „Sandra Bauer“ auftrat, kam in 18,8 Prozent der Fälle eine Einladung zum Vorstellungsgespräch zurück. Bei „Meryem Öztürk“ waren es trotz ansonsten exakt gleicher Unterlagen nur 13,5 Prozent. Und wenn die Bewerberin auf dem Foto ein Kopftuch trug, fiel die Quote sogar auf 4,2 Prozent. Die Folge: Längst nicht jede Stelle wird mit dem besten Kandidaten besetzt. Eine objektivere Personalauswahl wäre daher nicht nur im Interesse von Arbeitnehmern, sondern auch in dem von
Arbeitgebern. Aber wie lassen sich Vorurteile überwinden, die den Personalern vielleicht nicht einmal bewusst sind? Ein erster Schritt dazu könnten anonyme Bewerbungsschreiben sein. Sie enthalten nur Angaben wie die fachliche Eignung, bisherige Erfahrungen und Leistungen. Aussehen, Alter, Geschlecht und Herkunft werden ausgeklammert. Bei der Verwaltung der Stadt Celle ist man von dem System überzeugt. „Sympathien zum Beispiel durch die Optik werden ausgeschlossen, man objektiviert Dinge besser“, erklärt Jockel Birkholz, Fachdienstleiter Personal, der bereits seit einiger Zeit damit arbeitet. Viele Nachahmer haben die Celler nicht. Im Nordwesten gibt es nur vereinzelt Arbeitgeber, die anonyme Bewerbungen praktizieren. Einer der wenigen ist die Backhaus Kinder- und Jugendhilfe, die etwa in Oldenburg und im Emsland pädagogische Zentren betreibt. „Wir leben und pflegen in unserer Organisation ein Wertesystem, das auf Chancengleichheit beruht und Vielfalt wertschätzt und fördert“, sagt Pressereferentin Esther Gebert. Backhaus hat im Rahmen eines Pilotprojekts auf diese Weise die Stelle des Integrationsbeauftragten neu besetzt. Mit Erfolg: Seit fünf Monaten verstärkt Carolin
Kalisch das Team. Eine Wahl, die auf traditionellem Wege vielleicht nie getroffen worden wäre. Die Pädagogin, die aus privaten Gründen von Düsseldorf nach Meppen ziehen wollte, wurde aufgrund ihres weit entfernten Wohnorts von vielen Unternehmen trotz passender Qualifikation nicht eingeladen. „Sie fürchteten, dass ich mich auf dem Land nicht wohlfühle und nach ein paar Monaten wieder kündige“, erzählt Kalisch. Über die Chance zur anonymen Bewerbung war sie deshalb sehr froh. Anonyme Bewerbungen könnten allerdings aufwendiger sein. „Weil beim anonymisierten Verfah-
Wie lassen sich unbewusste Vorurteile überwinden?
ren Einschätzungen zur Persönlichkeit oder der Kreativität des Bewerbers schwerlich zu erhalten sind, werden mehr Vorstellungstermine vereinbart“, sagt Olaf Kempin, Geschäftsführer der Darmstädter Jobvermittlung Univativ. Einige Personaler vermissen die persönlichen Angaben allerdings gar nicht. Etwa Stefan Bürkle, Chef des Elektrotechnikherstellers Bürkle + Schöck in Stuttgart, der seit 2012 mit anonymisierten Verfahren arbeitet. Im Gegenteil: Bürkle hat dadurch schon Azubis eingestellt, die er im klassischen Verfahren nicht eingeladen hätte. Im öffentlichen Dienst, etwa bei Stadtverwaltungen und Behörden, ist das anonymisierte Verfahren häufiger anzutreffen als in der Privatwirtschaft. Dort scheint man sich nur schwer vom klassischen Weg trennen zu können. Ob ein erster „blinder“ Schritt tatsächlich zu mehr Gerechtigkeit in der Jobvergabe führt, ist allerdings noch unklar. Sobald sich Personaler und Bewerber gegenübersitzen, ist kein Kandidat mehr inkognito und die Entscheidung erneut stark von subjektiven Einschätzungen beeinflusst. Zumindest, solange die Unternehmensführung nicht vorlebt, dass sie Wert auf ein diskriminierungsfreies Verhalten legt – zum Beispiel durch Aufklärung und Schulungen.
Anonyme Bewerbungsschreiben enthalten nur Angaben wie die fachliche Eignung, bisherige Erfahrungen und Leistungen.
Foto: Malte Knaack
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Innovation ist der Antriebsmotor für die dynamische Entwicklung der FRIMO Unternehmensgruppe, die ihren Hauptsitz in Lotte bei Osnabrück hat. Vor 55 Jahren als kleiner Garagenbetrieb mit nur fünf Mitarbeitern gestartet, ist FRIMO heute ein Global Player mit Standorten in Europa, Amerika und Asien und einem Netzwerk von 1.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Angefangen hat die Entwicklung mit dem Modellbau und ersten Werkzeugen für Instrumententafeln, die mit Polyurethan (PUR) hinterschäumt wurden, um eine weiche, hochwertige Anmutung im Fahrzeuginnenraum zu erreichen. Darauf aufbauend hat sich das Unternehmen kontinuierlich weiterentwickelt und das Produktund Leistungsspektrum für die Automobilindustrie komplettiert. Die Kompetenz erstreckt sich heute von der Beratung bei der Entwicklung fertigungsgerechter Bauteile über die Auslegung, Konstruktion und Realisierung von Werkzeugen, Maschinen und Fertigungslinien bis hin zur Begleitung der Serienproduktion und zum After Sales Service. Dazu hat FRIMO ein einzigartiges Technologiespektrum in der Unternehmensgruppe gebündelt und ist marktführender Komplettanbieter von Fertigungssystemen zur Herstellung hochwertiger Kunststoffkomponenten. Wer sich sein Fahrzeug einmal genauer anschaut, kommt an FRIMO nicht vorbei. Ob Instrumententafeln, Türverkleidungen, Mittelkonsolen, Seitenverkleidung und Dachhimmel oder auch Sitze, Teppiche, Kofferraum bis hin zu Teilen unter der Motorhaube oder Strukturbauteilen für die Karosserie. All diese Komponenten und viele mehr werden rund um den Globus mit FRIMO Equipment in hoher Qualität in Serie hergestellt. Den Schlüssel zum Erfolg sieht CEO Hans-Günter Bayer in der Kontinuität verbunden mit der Bereitschaft zum Wandel und dem Willen zur Innovation: „Immer wieder musste FRIMO sich von Neuem auf die Anforderungen des Marktes einstellen. Immer wieder haben wir auf die Fragen unserer Kunden neue Antworten gegeben. Und immer wieder hatten wir den Mut, neue Wege einzuschlagen.“ Und auch aktuell sind die Veränderungsprozesse in der Automobilindustrie mit den Megatrends wie autonomem Fahren, dem Leichtbau und der Modellvielfalt so dynamisch wie in kaum einer anderen Branche.
Ein einzigartiges Technologiespektrum aus einer Hand Mit Polyurethan fing alles an. Und so ist das Technologieangebot von FRIMO für die Fertigung von Polyurethan-Bauteilen auch heute noch eine wichtige Säule im Portfolio. Zum Lieferumfang gehört das komplette Spektrum Dosiermaschinen, Mischköpfe, über Werkzeuge und Werkzeugträger bis hin zu kompletten Anla-
gen, alles was die Automobilhersteller und deren Zulieferer brauchen. Ist der erste Produktionsschritt mit FRIMO Technologie abgeschlossen, müssen die Bauteile häufig gestanzt und/oder beschnitten werden. Mit FRIMO FlexTrim Anlagen können die vielfältigen Beschnittaufgaben besonders flexibel gelöst werden. Dazu bietet das Unternehmen passend zum jeweiligen Projekt alle gängigen Schneidverfahren wie Fräsen, Ultraschallschneiden, Klingenschneiden und Wasserstrahlschneiden an, auch als Ergänzung oder in Kombination mit Stanzoperationen. Für den Airbag-Bereich der Instrumententafel, wo die Dekorhaut gezielt aufreißen soll, wird diese von hinten geschwächt. Für diese sicherheitsrelevanten Bereiche sind die so genannten FRIMO FlexTrim Scoringanlagen führend. Mehr als einhundert Systeme weltweit stellen dies im Serieneinsatz tagtäglich unter Beweis. Viele Komponenten im automobilen Innenraum sind mit Dekormaterialien wie Textilien, genarbten Folien oder echtem Leder veredelt. Die maßgeschneiderten Maschinen und Anlagen von FRIMO zum Vakuum- oder Presskaschieren sorgen für erstklassige Oberflächen. Gerade die Verarbeitung von hochwertigem Echtleder für höhere Stückzahlen stellt besondere Herausforderungen an die Werkzeug- und Anlagentechnik. Um saubere Kanten und Abschlüsse zu haben, wird das Dekormaterial meistens in einem nachfolgenden Prozess an der Rückseite des Bauteils befestigt. Für diesen Prozess, das Umbugen, haben die FRIMO Spezialisten ausgeklügelte Technik entwickelt, um einwandfreie Kanten prozesssicher und ohne Nacharbeit zu realisieren. Und auch für das spätere Zusammenfügen von Baugruppen aus Kunststoffteilen entwickelt und baut FRIMO entsprechende Fügeanlagen. Das Produkt- und Leistungsportfolio ist konsequent am Kundenbedarf ausgerichtet. Meistens sind dies ganz individuelle Lösungen, in denen auch unterschiedliche Technologien mit hohem Automatisierungsgrad kombiniert werden, um Prozesse zu vereinfachen und zu beschleunigen. Fast einhundert Entwicklungen wurden patentiert und bringen somit vorteilhafte Lösungen, welche es in dieser Form nur bei FRIMO gibt. Aufgrund der enormen Technologievielfalt am Markt, können Trends mitgestaltet werden. Vor dem Hintergrund der Entwicklung zur Elektromobilität werden heute Fahrzeuge mit einem geringen Ressourcenverbrauch benötigt, d.h. Leichtbau wo immer möglich. Dabei spielen Faserverbundwerkstoffe, sogenannte Composites, eine zentrale Rolle. Kohlenstofffasern oder Naturfasern werden hierbei mit Kunststoffen gebunden und ergeben zugleich feste und leichte Bauteile. Mit Blick auf die großserientaugliche Fertigung von Leichtbaukomponenten trägt FRIMO in Forschungsprojekten wie SMiLE, Leika und iComposite 4.0 zur Weiter-
entwicklung bei. Im eigenen Kooperationsprojekt Street Shark wird die Entwicklung von multifunktionalem 3D Sandwich-Leichtbau und der Serieneinsatz hochwertiger, sogar bionischer Oberflächen vorangetrieben.
Voller Einsatz – Und die Zukunft im Blick Bei einem Technologiespezialisten wie FRIMO ist das individuelle Know-how der Fachkräfte extrem wichtig, reicht aber in Zeiten von Digitalisierung und Industrie 4.0 allein nicht mehr aus. In der Personalentwicklung wird deshalb besonderer Wert auf überfachliche Kompetenzen in den Teams gelegt. Diese sind in globalen und digitalen Arbeitswelten zunehmend gefordert. Was bedeutet es, in diesem Umfeld zukunftsfähige Fertigungslösungen zu entwickeln? FRIMO 4.0 steht für die technische Umsetzung in aktuellen Projekten, Entwicklung von neuen Technologien und Lösungen, aber auch für neue Services, die den Kunden einen entsprechenden Mehrwert liefern. So werden die Produktionseinrichtungen selbst die Bediener einer Anlage immer mehr auch aktiv unterstützen, um die Sicherheit und Stabilität ihrer Fertigungsprozesse zu optimieren und Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen vorausschauend zu planen. Dafür werden schon heute modernste Visualisierungstechniken eingesetzt, die dem Anwender anschaulich helfen können. Die automatische
Erhebung von Daten aus der Produktionsumgebung wird immer mehr dazu dienen, die Produktion kontinuierlich zu begleiten und zusätzlich selbstlernend und sich selbst regulierend direkt Einfluss auf die Qualität der Produkte zu nehmen und diese zu verbessern. Dafür ist FRIMO permanent auf der Suche nach qualifizierten Fachkräften im In- und Ausland. Für den Nachwuchs aus den eigenen Reihen werden Werkzeug-, Zerspanungs- und Industriemechaniker, Mechatroniker und Elektroniker und auch Industriekaufleute und Technische Produktdesigner ausgebildet. Der Anspruch des lebenslangen Lernens fängt bei Auszubildenden und Berufseinsteigern an, gilt aber genauso für Fach- und Führungskräfte. Wissenstransfer und Wissensmanagement spielen dabei eine zentrale Rolle. Durch eine Vielzahl praxisnaher und maßgeschneiderter Trainings und Nutzung von E-Learning werden kontinuierliche Verbesserungen erreicht, die sich in Produkten und Leistungen und der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit Kunden widerspiegeln. „Gemeinsam mit unseren Partnern aus der Industrie wollen wir die Möglichkeiten, die moderne Kunststoffe bieten, durch innovative Verarbeitungstechnologien immer wieder neu entdecken. Mit Kreativität und dem Gespür für die Bedürfnisse unserer Kunden werden wir weiter die technische Entwicklung vorantreiben“, so Hans-Günter Bayer zum Abschluss.
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DONNERSTAG, 26. OKTOBER 2017
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Die größten Unternehmen im Nordwesten nach Umsatz 2015 in Mio. €*
Energie, Versorgung Ernährung, Genussmittel Automobil und Zulieferer sonstiges verarbeitendes Gewerbe
29. Glunz Meppen 1433 28. Gebr. Stolle Visbek 388 27. Stadtwerke OS Osnabrück 901 26. Danish Crown Essen (Oldb.) 430
3929
Beschäftigte
2. Enercon Aurich 613
3416
32. Berentzen Haselünne 491
30. Paracelsus Kliniken Osnabrück 3587
sonstige Branchen
1. EWE Oldenburg 8855
Die 30 umsatzstärksten Unternehmen im Überblick
31. Daun & Cie Rastede 2200
Dienstleistungen, Handel
7819
3. Hellmann Osnabrück 10904
372
372 2383
388
4. PHW-Gruppe Visbek 6619
419 436
2297 5. GMH Holding Georgsmarienhütte 10 687
436
457 2100
25. Piepenbrock Osnabrück 26703
6. Bünting Leer 4100
507
24. Q1 Energie Osnabrück 174
516 1975
23. Premium Aerotec Nordenham 2935
7. KME Osnabrück 4922
540
22. Emsland-Stärke Emlichheim 1123
547
21. Cewe Oldenburg 3698
1638
8. Krone Spelle 2817
554
20. Homann Feinkost Dissen 2442
1465
631
19. Molkerei Ammerland Wiefelstede 390
9. Heristo Bad Rothenfelde
639
2841
983
18. Röchling Engineering Plastics Haren-Altenberge 3026
672
10. H&R Salzbergen
950
683
930
725
17. Sprehe Cappeln 1989
16. Felix Schoeller Osnabrück 2294
740 15. Boge Damme 3535
11. Wernsing Essen (Oldb.)
781
768 14. Nordland Dörpen 1430
12. Köster Osnabrück
13. Big Dutchman Vechta 2688
1550
3140
1500
* nach Firmensitz, z. T. Geschäftsjahre, ohne Versicherungen und Banken; Quelle: Nord/LB
Die größten Unternehmen … … in Niedersachsen nach Umsatz 2015 in Mrd. €
… in Deutschland 213,3
VW Wolfsburg Continental Hannover Tui Hannover
… in Europa
nach Umsatz 2015 in Mrd. $
1
39,2
237
VW Wolfsburg
166 129
Eon Düsseldorf 2 Siemens München3
Agravis Hannover 6,9
Bosch Gerlingen
78
Exor ITA
Hagebau Soltau 5,5
BASF Ludwigshafen
78
Total FRA
Rossmann Burgwedel 5,0
Dt. Telekom Bonn
77
Eon GER
Dt. Milchkontor Zeven 4,6
Metro Düsseldorf
71
BMW GER
Deutsche Post Bonn
68
Gazprom RUS
Quelle: Nord/LB
Walmart USA
299 294
171
Sinopec CHN
Daimler GER
166
Royal Dutch Shell GBR Exxon Mobil USA
143 129 102 99
330
CNPC CHN
Glencore SUI
153
482
State Grid CHN
226
BP GBR
EWE Oldenburg 7,8
88
237
VW GER
BMW München
Enercon Aurich 3,9
102
272
Royal Dutch Shell GBR
8,6
Salzgitter AG Salzgitter
nach Umsatz 2015 in Mrd. $1
1
Daimler Stuttgart
20,0
… weltweit
nach Umsatz 2015 in Mrd. $
1
1) z.T. Geschäftsjahre, ohne Versicherer und Banken, 2) und Essen, 3) und Berlin; Quelle: Nord/LB, Statista
272 246
VW GER
237
Toyota JPN
237
Apple USA
234
BP GBR
226
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DONNERSTAG, 26. OKTOBER 2017
GELD & GESCHÄFT
Riskante Investments am Himmel Finanzielle Bruchlandungen, lukrative Höhenflüge: Die Luftfahrtwerte an der Börse präsentieren sich derzeit besonders turbulent VON STEFAN WOLFF BERLIN/KÖLN. Viele Höhenflüge und drei Pleiten. Über den Wolken ist im Moment eine Menge los. Aktionäre von Luftfahrtwerten können dieser Tage viel Geld gewinnen, es aber genauso schnell auch wieder verlieren.
In ein paar Tagen ist Schluss. Wenn der letzte Flieger von Air Berlin landet, war es das mit der „zweitgrößten“ deutschen Fluggesellschaft. 8600 Menschen bangen um ihren Job. Und unzählige Aktionäre erleben eine Bruchlandung. Seit Air Berlin am 15. August Insolvenz angemeldet hat, ist der Kurs von 78 Cent um über 80 Prozent eingebrochen. Und das ist nur der Höhepunkt einer langen Leidenszeit. Als die Airline im Jahr 2006 an die Börse ging, war sie den Anlegern zwölf Euro je Aktie wert. Der Kauf des Ferienfliegers LTU ein Jahr später sollte der Startschuss für einen selten zuvor gesehenen Höhenflug werden. Es kam anders. In den vergangenen acht Jahren schaffte es das Unternehmen gerade einmal, einen Überschuss auszuweisen. Zuletzt überlebte die Gesellschaft nur noch dank großzügiger Finanzspritzen der Großaktionärin Etihad. Die arabische Fluggesellschaft hatte 2013 knapp 30 Pro-
zent von Air Berlin übernommen. Der Plan: Die Deutschen sollten die großen Drehkreuze bedienen, von denen aus Etihad auf Langstreckenflüge ging. Nun also das „Aus“ und damit des anderen Freud. Die Lufthansa wird insgesamt 81 Air-Berlin-Maschinen und 3000 Mitarbeiter übernehmen; und damit auch heiß begehrte Start- und Landerechte (so genannte Slots) erhalten. So sollte der Kranich den deutschen Markt sehr viel ungestörter beherrschen als bisher. Lufthansa-Aktien haben in den vergangenen Monaten alle abgehängt, selbst den deutschen Aktienindex (Dax). Seit Jahresbeginn haben sich die Papiere des Kranichs glatt verdoppelt und das nicht nur wegen der Konkurrenten-Pleite. Erst vor Kurzem gelang der Lufthansa eine lang angestrebte Tarifeinigung. Diese zeigt aber auch das Dilemma, in der sich die Airlines befinden. Drei volle Jahre hatten die Lufthansa und die Pilotengewerkschaft Cockpit miteinander gerungen. Streiks hatten zu Ausfällen geführt, die die Bilanz wie die Nerven der Fluggäste gleichermaßen belasteten. Gleich mehrmals hatte die Lufthansa deswegen ihre eigentlich angekündigten Ertragsziele kassieren müssen und deshalb an der Börse ordentlich Prü-
gel bezogen. Erst in den vergangenen Monaten erfolgte das Comeback. Hinzu kommt, dass Luftfahrtgesellschaften generell sehr stark von der Konjunkturentwicklung abhängen. Läuft es nicht gut in der Wirtschaft, wird weniger Fracht transportiert. Es finden weniger Dienstreisen statt; und Verbraucher sparen am Urlaub. Zu einem existenziellen Fiasko wurde diese Konjunktursensibilität nach den Anschlägen vom 11. September 2001. Auf einen Schlag brach der Markt für Geschäftsreisen komplett zusammen. Im Jahr 2001 machten alle Fluggesellschaften zusammen nach Angaben des Branchen-Dachverbands Iata 13 Milliarden Euro Verlust. Gleich mehrere Gesellschaften mussten Insolvenz anmelden oder flohen in den US-Paragrafen Chapter Eleven in den Gläubigerschutz. Auch die Finanzkrise 2008/ 2009, die viele Beobachter als eine direkte Auswirkung der Anschläge sehen, setzte den Airlines stark zu. Iata beziffert den Rückgang der weltweiten Einnahmen für diesen Zeitraum auf 14 Prozent. Seitdem übrigens steigen bei den meisten Airlines die Zahl der Buchungen und die Auslastung der Flieger. Für Anleger sind Aktien der Airlines eine unsichere Wette.
Wechsel: Der 34-jährige Digitalisierungsexperte Ben Ellermann hat die IT-Tochter des hannover-
schen Versicherungskonzern Talanx verlassen, um einen neuen Geschäftsbereich beim Osnabrücker Kundenmanagement-Spezialisten MUUUH! Group zu übernehmen. Übernahme: Die Talanx Deutschland AG übernimmt die Gesellschaft für Finanz- und Versorgungsberatung mbH (FVB) mit Sitz in Osnabrück, die mehr als Stefanie Witte, Stefan Wolff, Inga Wolter, Thomas Wübker, Oliver Wunder REDAKTION V.i.S.d.P.: Ralf Geisenhanslüke
GESCHÄFTSFÜHRER: Joachim Liebler und Axel Gleie CHEFREDAKTION: Ralf Geisenhanslüke (Chefredakteur), Dr. Berthold Hamelmann (Vertreter des Chefredakteurs), Burkhard Ewert (Stellvertretender Chefredakteur), Dr. Anne Krum (Mitglied der Chefredaktion) KOORDINATION: Melanie Heike Schmidt AUTOREN DIESER AUSGABE: Carola Felchner, Dirk Fisser, Berthold Hamelmann, Gerhard Herrenbrück, Andreas Krzok, Hermann Lindwehr, Christoph Lützenkirchen, Hermann-Josef Mammes, Rolf Masselink, Norbert Meyer, Andé Partmann, Maike Plaggenborg, Axel Rotkehl, Melanie Heike Schmidt, Anja Steinbuch, Katja Steinkamp, Jürgen Wallenhorst,
FOTOGRAFEN: Alexander Boehle, Swaantje Hehmann, Ludger Jungeblut, Rolf Kamper, Iris Kersten, Malte Knaak, Stephan Konjer, Norbert Meyer, Marta Mlejnek, Hermann Pentermann, Axel Rotkehl, Werner Scholz, Katja Steinkamp, Kai Steinkühler GRAFIK: Matthias Michel VERLAG: Neue Osnabrücker Zeitung GmbH & Co. KG, Postfach 42 60, 49032 Osnabrück; Breiter Gang 10–16, Große Straße 17–19, 49074 Osnabrück, Telefon 0541/310-330, Telefax 05 41/310-266; Internet: www.diewirtschaft.noz.de; E-Mail: diewirtschaft@noz.de ANZEIGEN-/WERBEVERKAUF: MSO Medien-Service GmbH & Co. KG, Große Straße 17–19, 49074 Osnabrück, Postfach 29 80, 49019 Osnabrück, Telefon 05 41/310-500, Geschäftsführer: Sven Balzer, Sebastian
Unsere Heimat von ihrer schönsten Seite
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Kaum eine Branche präsentiert sich an der Börse ähnlich anfällig für Schwankungen, trotz des kontinuierlichen Wachstums, das der Luftverkehr hinlegt. Streiks, Naturkatastrophen, Kerosinpreise und nicht zuletzt die Politik (die ja vor ein paar Jahren eine Luftverkehrsteuer aus dem
Hut gezaubert hat), sind nur schwer berechenbar. Erfolgsgeschichten wie der Aufstieg der Ryanair zu Europas größtem Carrier können sich zwar langfristig in den Kursen niederschlagen. Kurz- und mittelfristig ist aber die Gefahr von Rückschlägen groß.
Dass auch in Zukunft in einem immer angespannteren Wettbewerb Anbieter auf der Strecke bleiben werden, ist mehr als wahrscheinlich. Anfang Oktober hat es Monarch erwischt. Es war nach Air Berlin und Allitalia die dritte Pleite einer europäischen Fluggesellschaft in diesem Jahr.
Raketenantrieb und Schlingerkurs
Kurz notiert Übergabe: Der bisherige Firmenchef Wilhelm Kuipers übergab die Geschäftsführung der Kuipers CNC-Blechtechnik GmbH & Co. KG in Meppen an seinen Sohn Michael Kuipers. Der Fachbetrieb für Blechbearbeitung beschäftigt 285 Mitarbeiter.
Turbulenzen bei Fluggesellschaften: Während einige Flieger am Boden bleiben müssen,starten andere Gesellschaften durch. Foto: Colourbox.de
300 Vermittler in den Geschäftsbereich Privat- und Firmenversicherung Deutschland einbringt. Neue Messe: Vom 5. bis 7. Juni 2018 findet in Rheda-Wiedenbrück die „KUTENO – Kunststofftechnik Nord“ als neue regionale, kompakte Zulieferermesse für die gesamte Prozesskette in der kunststoffverarbeitenden Industrie statt. Schon vornotieren! Kmoch (V.i.S.d.P.), Anzeigen-/Werbeverkauf: Sven Balzer, Hubert Bosse, Dirk Riedesel, Wilfried Tillmanns, Marvin Waldrich ANZEIGENANNAHME: Geschäftskunden: Telefon 05 41/310-510, Telefax 05 41/310-790; E-Mail: auftragsservice@mso-medien.de ANZEIGEN-/WERBEVERKAUF für Ausgabe Grafschaft Bentheim: Grafschafter Nachrichten GmbH & Co. KG, Coesfelder Hof 2, 48527 Nordhorn, Telefon 05921/707-410, Verlagsleiter: Matthias Richter (V.i.S.d.P.) ANZEIGENANNAHME für Ausgabe Grafschaft Bentheim: Grafschafter Nachrichten GmbH & Co. KG, Telefon 05921/707-410; E-Mail: gn.media@gn-online.de, Leitung Mediaverkauf: Eva-Christin List TECHNISCHE HERSTELLUNG: Druckzentrum Osnabrück, Weiße Breite 4, Osnabrück (Ausgabe Osnabrück/Emsland); Grafschafter Nachrichten, Coesfelder Hof 2, Nordhorn (Ausgabe Grafschaft Bentheim)
Nr. 4 | Herbst/Winter 2017
| D 3,90 €
Grafschafter Unsere Heimat von ihrer
schönsten Seite
OHB strebt nach „Höherem“, Vectron Systems verliert an Power VON JÜRGEN WALLENHORST OSNABRÜCK. Während die Bremer OHB SE als börsennotierte Technologiegruppe mit Aktivitäten in der Raum- und Luftfahrt seit geraumer Zeit aktienkursmäßig „durch die Decke geht“, kommt der einstige Kassenschlager, die Münsteraner Vectron Systems AG, als Anbieter von Kassensystemen und Kassensoftware zur Vernetzung von Filialbetrieben nicht so richtig in die Spur und verliert im dritten Quartal an Power.
Die Geschäftsfelder des 2002 gegründeten Unternehmens mit Sitz in Bremen und München umfassen Telematik und Satellit, Raumfahrt und Sicherheit, Nutzlasten und Wissenschaft, Internationale Raumfahrt sowie Raumtransport und Aerospace-Strukturen. Mit ihren über 2300 Mitarbeitern erwirtschafte der Raumfahrtkonzern eine Bilanzsumme von über 730 Mio. Euro (Stand Juni 2017). Volle Auftragsbücher und nicht nur wichtige Orders veranlassten das Familienunternehmen nicht nur, hohe Investitionen z. B. in neue Fertigungshallen zu tätigen, sondern lassen das Unternehmen generell sehr optimistisch in die Zukunft zu schauen: Die Orderbücher der OHB SE weisen zurzeit einen Auftragsbestand von 2,2 Milliarden Euro auf. Acht weitere Satelliten für das im Aufbau befindliche europäische globale Satellitennavigations- und Zeitgebungssystem Galileo finden sich darin, vier weitere Satelliten orderte die Europäische Kommission am 5. Oktober 2017. Das freut nicht nur den OHB-Vorstand und die Mitarbeiter an den verschiedenen Standorten, sondern auch die Analysten und die Aktionäre des Unternehmens.
Kursverlauf OHB SE
Angaben in Euro 46 44 42 40 38 36 34 32 30
Juli
August
September
Kursverlauf Vectron Systems AG
Oktober Angaben in Euro
34 32
28 26 24 22 20
Juli
August
Die Ursprungsgesellschaft der heutigen Vectron Systems AG mit Sitz in Münster wurde 1990 als Vectron Systems Datentechnik GmbH gegründet. Heute ist sie nach eigenen Angaben einer der größten europäischen Hersteller von Kassensystemen und z. B. Marktführer im Bereich der Bediengastronomie sowie hochwertigen Lösungen für Bäckereifilialisten im deutschsprachigen Raum. Nachdem das Unternehmen noch für 2016 einen Umsatzrekord in der Firmengeschichte vermelden konnte, verlief das Jahr 2017 eher holperig, unentschlossen auf und
September
Oktober
ab. Doch das dritte Quartal von Vectron verlief nach Meinung von Experten miserabel. Das Unternehmen rutschte in die Verlustzone. Das Management möchte mit einer breit angelegten Marketingkampagne den „Turnaround“ angehen und umsatzmäßig wieder zulegen – so eine Pressemeldung. Das Potenzial sei vorhanden, so die Aussage, 30 bis 40 Prozent der Kunden seien immer noch nicht auf die neuen Kassensysteme umgestiegen. Eine Belebung des Geschäfts bei Vectron ist dringend nötig. Die Kennzahlen der Aktie sind zurzeit ohne „Power“.
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DONNERSTAG, 26. OKTOBER 2017
GELD & GESCHÄFT
Über Schneckenpressen, Walzenverdichter und Schredder Die Dörpener Husmann-Gruppe liefert Spezialmaschinen zur Müllbehandlung – bis nach Mekka VON MAIKE PLAGGENBORG DÖRPEN. Müll ist das zentrale
Thema der Husmann Umwelttechnik. Wie sammelt man ihn? Wie presst, verdichtet und zerreißt man ihn? Für seine Kunden weltweit baut das Dörpener Unternehmen maßgeschneiderte Maschinen für all diese Aufgaben. Bei dem familiengeführten Mittelständler tritt aktuell die dritte Generation an. Für 2017 hat Husmann Umwelttechnik Rekordumsätze in Aussicht gestellt.
Sie sind zu viert, und sie sind verwandt. Zur Geschäftsführung der Husmann Umwelttechnik gehören Astrid Husmann, ihr Schwager Gerhard Husmann – beide 62 Jahre alt – und ihre Söhne Gerrit (23) und Hendrik Husmann (29). Der Wirtschaftsingenieur berichtet von „großem Vertrauen“, das man genießt, wenn man mit der Familie zusammenarbeitet. Sein Bruder Gerrit studiert derzeit noch in Köln, wird aber in Kürze ebenfalls dauerhaft zum Unternehmen dazustoßen. „Es ist schön, wenn man zu zweit ist. Ich hatte das auch mit meinem Bruder“, sagt Gerhard Husmann mit Blick auf die Firma, die sei „kein Kleinbetrieb“. Das Konzept scheint aufzugehen. Husmann Umwelttechnik
prognostiziert für 2017 Umsatzerlöse in Höhe von 80 Millionen Euro, das wäre ein Rekordwert seit Gründung des Unternehmens im Jahr 1953. Es begann in Niederlangen bei Dörpen mit einem Weidemelkwagen. 1965 baute das Unternehmen seine erste 800-Quadratmeter-Halle in Dörpen, wo es heute seinen Hauptsitz hat. Im selben Jahr startete es mit der Umwelttechnik. Offene Container für Bauschutt – sogenannte Mulden – gehörten fortan zum Programm. 1980 stiegen Sohn und Namensvetter Gerhard Husmann und sein im vergangenen Jahr verstorbener Bruder Heinz-Hermann Husmann in das Unternehmen des Vaters ein. So weit die Historie. Heute hat die Husmann-Gruppe Standorte in Lathen (Emsland), Crailsheim (Baden-Württemberg), in Lübben (Spreewald) und Heiligengrabe (Brandenburg). Insgesamt beschäftigt sie mehr als 350 Mitarbeiter. Mitverantwortlich für den Erfolg dürfte das Konzept sein, eigene Innovationen auf den Weg zu bringen. Husmann Umwelttechnik projektiere und entwickele sie anhand der Kundenbedürfnisse, erklärt Astrid Husmann: „Wir bekommen viele Anregungen aus der Kundschaft.“ Für die Haddsch nach Mekka etwa hat der Betrieb eine sogenannte „Unterflur-Schne-
Offen für Projekte nach Kundenwunsch: Gerhard (von links),Astrid und Hendrik Husmann.
ckenpresse“ entwickelt. Darin wird der Müll, der durch eine Art Trichter eingeworfen werden kann, in einem Behälter in zwei bis drei Meter Tiefe gesammelt. Dort wird er gepresst. Seit zwei Jahren gebe es in den USA eine modifizierte Form des sogenannten „Walzenverdichters“,
so Astrid Husmann weiter. Das ist demnach eine zahnbewehrte Metallrolle, die an einen Arm montiert ist. Die Walze zerkleinert und verdichtet den Inhalt eines Containers. „Die kann ganze Sofas klein machen“, sagt Husmann. Für Kunden in Übersee hat das TechnikUnternehmen diesen Verdichter
Fotos: Werner Scholz
als dieselbetriebene Variante mit einem eigenen Antrieb entwickelt. In ländlichen Regionen ist elektrische Energie dort nicht überall verfügbar. Noch in der Nische befindet sich derzeit ein solarbetriebener, selbstpressender Behälter, den die Husmann Umwelttechnik zwar
nicht selbst entwickelt hat, aber zumindest vertreibt. „Für Deutschland ist das vielleicht nicht so interessant“, meint Gerhard Husmann. Und auch im Rest der Welt funktioniert das Prinzip nicht überall. Für Händler in Dubai bedeute die Anlage schmelzende Solarzellen, erklärt Astrid Husmann: „Und der Kunde in Finnland kann nicht so viel damit anfangen, weil es dort an Sonne fehlt.“ Mehr als 80 Prozent der Husmann-Kunden sind Entsorger. „Wir verkaufen die Anlagentechnik, der Kunde kann sie bei uns aber auch mieten und leasen“, sagt Astrid Husmann. Die übrigen 20 Prozent sind Direktkunden wie etwa Möbelhäuser oder Unternehmen aus der Automobilbranche. Die Exportquote liegt bei 50 Prozent, davon entfallen 40 Prozent auf Europa, die übrigen zehn Prozent auf Russland, China, Amerika, Afrika und Australien. Pressen aller Art bilden den Schwerpunkt im Produktsortiment der Husmann Umwelttechnik, darunter auch komplette Umladestationen. Die kommen beispielsweise auf einigen Ostfriesischen Inseln zum Einsatz. Dort wird der Müll vor Ort gepresst und erst dann aufs Festland transportiert. Eine weitere wichtige Produktgruppe sind Zerkleinerungsmaschinen wie Holzhäcksler oder Schredder.
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DONNERSTAG, 26. OKTOBER 2017
GELD & GESCHÄFT
GELD & GESCHÄFT
Mit Hightech und Innovation zum Blumengiganten Wie ein deutsch-niederländisches Unternehmen aus Emsbüren den Blumenmarkt dominiert
Emsflower produziert jährlich 500 Millionen Pflanzen. Zu den Kunden aus ganz Europa zählen große Discounterketten. Am Standort Emsbüren wurden 140 Millionen Euro investiert. VON ANDRÉ PARTMANN EMSBÜREN. Ob Frühling, Sommer,
Herbst oder Winter – Blumen gehen immer. Wenn es allerdings um die saisonalen Vorlieben der Kunden geht, entpuppt sich der Markt oft als eine flexible Variable. Das deutsch-niederländische Unternehmen Emsflower mit seinem Hauptsitz in Emsbüren hat einen Weg gefunden, sich in dem schnelllebigen Geschäft an der Spitze zu behaupten. Als Branchenprimus produziert Europas – nach eigenen Angaben – größte Gärtnerei je nach Auftragslage bis zu 500 Millionen Pflanzen jährlich.
Im Frühjahr wünscht sich der Hobbygärtner Stiefmütterchen und Hornveilchen. In den warmen Sommermonaten sind Begonien als Hingucker auf dem Balkon gefragt. „Big Deluxxe Red Green Leaf “, also großes, luxuriöses, rotgrünes Blatt, nennt sich die allerneueste Trendsorte im Jahr 2017. Und wenn es demnächst auf die kalten Wintermonate zugeht? „Dann greifen die Kunden in den von uns belieferten Discountern
und Großmärkten gerne zu bunten Primeln oder Pflanzen wie dem Weihnachtsstern“, weiß Tom Kuipers. Von eben jenen Weihnachtssternen mussten zuletzt knapp eine Million Exemplare in Geschäfte nach ganz Europa ausgeliefert werden. Tom Kuipers, den JuniorChef von Emsflower, und die rund 250 Mitarbeiter am Hauptstandort des Unternehmens in Emsbüren bringen solche Tage allerdings nicht mehr aus der Ruhe. Großaufträge wie diese sind in der XXLGärtnerei die Regel, und entsprechend vorbereitet ist auch die Belegschaft am Tag des Versands. Ohnehin ist bei Emsflower vom Beginn der Produktion bis zur Auslieferung der Ware alles bis ins kleinste Detail durchgeplant. „Wir produzieren niemals auf eigenes Risiko, sondern lediglich nach Auftrag“, sagt Kuipers. Die Bestellung der Weihnachtssterne etwa hatten Emsflowers Kunden bereits zu Jahresbeginn vorgenommen. Mit dieser Philosophie ist es Emsflower gelungen, zu einem Giganten der Blumenbranche aufzusteigen: Aus der 1954 im niederländischen Denekamp, direkt an der deutschen Grenze bei Nordhorn, gegründeten Familiengärtnerei ist längst ein global operierendes Unternehmen geworden. Den größten Anteil daran hat zweifelsohne Bennie Kuipers, der als Nachfolger seines Vaters Jan stets auf eine kontinuierliche Wachstumsstrategie gesetzt hatte und noch heute dem Unternehmen vorsteht. Bennie Kuipers war es auch, der 2004 das Potenzial des deutschen Marktes erkannte und die Firmenzentrale von Denekamp nach Emsbüren verlegte. Der Standort in unmittelbarer Nä-
Exoten im Emsland: Rund 1000 Schmetterlingsarten leben im Emsflower-Tropengarten.
Zum Tagesgeschäft eines Floristen gehören Blumen,originelle Dekorationsartikel und ausgefeilte florale Wohnraumkonzepte.
he zur Autobahn 31 sei ideal für den europaweiten Vertrieb – und gleichzeitig nah an der holländischen Heimat der Familie. Dass seinerzeit sowohl die lokalen Politiker die Ansiedlung unterstützten als auch ausreichend Flächen zur Verfügung standen, habe schließlich den Ausschlag gegeben. Mittlerweile hat Emsflower allein in den emsländischen Standort 140 Millionen Euro investiert. Auf 64 Hektar des insgesamt 100 Hektar umfassenden Firmenareals wird unter Glas produziert. Unter der Leitung des zweiten Junior-Chefs Bart Kuipers betreibt Emsflower in Emsbüren zudem seit 2014 ein Gartencenter, auf dessen Flächen eigene Blumen,
„Wir produzieren niemals auf eigenes Risiko.“ Tom Kuipers
Fotograf: Ludger Jungeblut
Dekorationsartikel und Gartenmöbel angeboten werden. Für das Unternehmen ist das Center ein riesiger Erfolg, allein im vergangenen Jahr besuchten knapp 300.000 Menschen den UnternehMittelständische mensstandort. Blumengeschäfte der Region hingegen fürchteten nach der Eröffnung um ihre Existenz – und mussten ihre eigene Nische finden. Der Erfolg Emsflowers ist eng verknüpft mit der hohen Stückzahl an produzierten Pflanzen: Hightech, niedrige Energiekosten und ein grüner Daumen machen möglich, dass Emsflower derzeit bis zu 500 Millionen Pflanzen pro Jahr kostengünstig ausliefern kann. „Nur so ist es möglich, dass die Ware zu einem niedrigen Preis im Discounter angeboten werden kann“, sagt Tom Kuipers, dessen Unternehmen jährlich rund 45 Millionen Euro umsetzt. Emsflower treibt die Branche dabei ständig mit neuen Innovationen an: So sind in Emsbüren seit einigen Jahren automatische Steckroboter im Einsatz, die die am Unternehmensstandort in Tansania produzierten Stecklinge automatisch einpflanzen. „Bei voller Auslastung schafft die Maschine bis zu 35.000 Stecklinge pro Stunde“, erklärt Kuipers. Dahinter steckt ein ausgeklügeltes System: Nachdem die Stecklinge auf ein Förderband gelegt werden, erkennen Kameras, wo der Stiel des jeweiligen Stecklings ist. Die Maschine berechnet die Position, greift zu und setzt den Steckling schließlich in die Saatkiste. Der automatische Vorgang sorgt für gleichbleibende Qualität und spart Zeit. Kuipers: „Früher musste diese Arbeit noch von Menschenhand übernommen werden.“ Auch autonomes Fahren gehört zu den Innovationen bei Emsflower: 60 computergesteuerte „Rhinos“ sind ständig auf vorgegebe-
Emsflower-Juniorchef Tom Kuipers umgeben von einer Auswahl an Blumen und Gemüsen,die Emsflower in Dörpen kultiviert. Fotos: Swaantje Hehmann
nen Induktionsschleifen unterwegs, um Pflanzen und Stecklinge zum Umtopfen von einer Produktionshalle in die nächste zu transportieren. „Leere Flächen gibt es bei uns selten“, erklärt Tom Kuipers, der die elektronischen Zugmaschinen als studierter Techniker eigenhändig programmiert hatte. „Das System ermöglicht einen fließenden Übergang in der Produktion, und die Mitarbeiter gewinnen Zeit, um sich anderen Aufgaben zu widmen.“ Seit 2010 betreibt Emsflower ein eigenes Biomasseheizkraftwerk, das mit nachwachsenden Brennstoffen Strom erzeugt. „Wir kaufen unbehandeltes Holz aus der Landschaftspflege auf “, erklärt Kuipers das Prinzip. Das Kraftwerk liefert seinen Angaben zufolge jährlich 8000 Megawattstunden Strom. Dies reiche aus, um den ge-
samtem Betrieb und zusätzlich noch 2000 Haushalte mit Ökostrom zu versorgen. Die Restwärme nutzt das Unternehmen demnach komplett für die Beheizung der Gewächshäuser. Das Regenwasser von den riesigen Dachflächen wird in Lagunen gesammelt. So lässt es sich für die Bewässerung der Pflanzen in den Gewächshäusern verwenden und deckt laut Tom Kuipers ganzjährig den Wasserbedarf der Gärtnerei. „Unsere Produktion ist sehr nachhaltig“, zeigt er sich überzeugt. Deutlich wird dies vor allem auch im Bereich der Gemüseproduktion, die die XXL-Gärtnerei vor vier Jahren neben dem Blumengeschäft erneut aufgenommen hat. Zwar handelt es sich bei dem angebauten Emsflower-Gemüse nicht um Bioprodukte, allerdings verwendet das Unternehmen keine Insektizide, um Schädlinge zu bekämpfen. Stattdessen werden Nützlinge wie Marienkäfer oder Hummeln eingesetzt.
Pläne für die Zukunft gibt es laut JuniorChef Tom Kuipers reichlich: „Wir planen, für unsere Saisonarbeiter ein Hotel auf dem Firmengelände zu errichten, allerdings gibt es noch einige Probleme mit der Politik.“ Auch soll in absehbarer Zeit ein Geothermie-Projekt umgesetzt werden. 40 Millionen Euro will Emsflower dafür investieren. Allerdings sind die Kuipers derzeit noch auf der Suche nach einem Bürgen, der bereit ist, das Risiko im Falle eines Misserfolgs abzusichern. „Das können wir selbst nicht tragen“, meint Kuipers. In einem mehrstöckigen Gebäude wird in einem umfangreichen Versuchsfeld erforscht, wie Pflanzen auf LED-Licht reagieren. Damit ließe sich in erheblichem Umfang Fläche einsparen, hofft man bei Emsflower, die Pflanzen könnten auf mehreren Etagen produziert werden. Was die Zukunft der Unternehmensstandorte angeht, wurden die Weichen gestellt: Der Betrieb in Fretzdorf bei Berlin ist bereits veräußert worden, ebenso besiegelt ist der Verkauf des Standorts in Denekamp. „Wir wollen uns auf den Standort Emsbüren konzentrieren, um effizienter zu sein“, erklärt Tom Kuipers. Allerdings plane man, den Gemüseanbau erheblich auszubauen und insgesamt weitere 100 Hektar in Betrieb zu nehmen. Ob dies in Emsbüren realisiert werden könne, sei derzeit noch offen. Denkbar sei auch der Aufbau eines weiteren Großstandortes in Süddeutschland. „Wir müssen schauen, was für uns die beste Lösung ist“, sagt Tom Kuipers.
EMSFLOWER
Stecklinge vom Kilimandscharo, Forschung in Dörpen Die Unternehmensgruppe Emsflower beschäftigt durchschnittlich 400 Mitarbeiter an den Standorten Emsbüren, Erica (NL), Denekamp (NL) und Moshi (Tansania). Die niederländischen Betriebe sollen im Zuge der Konzentration
s Emsland aufgeauf das geben werden, w der ort in Tansania Standor steht ni nicht zur Debatte. Dort zie eht Emsflower ner Farm am Fuße auf eine des Kilim imandscharo in 1500 Meter M Höhe seine inge heran, die Stecklin für die spätere s ProdukEmsbüren vertion in E wendett werden. Neben der Prod oduktion von Blund Gemüse für men un Discoun unter und Großhandels lsketten setzt
Emsflower auch auf eigene Pflanzenforschung: Im Mini-Emsflower, einem Schaugarten, wird Züchtern vom Mai bis Herbst die Gelegenheit geboten, neue Pflanzen zu testen und alte zu verbessern. Ziel des Schaugartens ist es, die Sorten und Pflanzen herauszufiltern, die während des Wachstums die besten Leistungen zeigen. Dabei schauen
wöchentlich Experten der Branche in Emsbüren vorbei, um die Blumen zu fotografieren und zu bewerten. Auch Besucher dürfen sich mit einem Fragebogen beteiligen. Am Ende des Jahres werden die Daten ausgewertet und eine Top 10 gekürt. Diese Pflanzen werden in der darauffolgenden Saison im Gartencenter zum Verkauf angeboten.
Fotos: Hermann Pentermann
Punkten in der floristischen Nische Das Familienunternehmen Mösker setzt auf Braut- und Grabschmuck VON ANDRÉ PARTMANN LOHNE/WIETMARSCHEN. Der Blu-
menmarkt in Deutschland und Europa ist hart umkämpft. Die Pflanzenpreise sinken seit Jahren. Großgärtnereien und ihre Massenproduktion profitieren von der Entwicklung, kleinere Blumenfachgeschäfte stoßen oft an ihre Grenzen. Das Beispiel des Familienunternehmens Mösker zeigt, wie Kleinbetriebe doch überleben können.
Als im November 2013 am Autobahnkreuz Schüttorf in Emsbüren die Bauarbeiten für ein XXL-Gartencenter angelaufen waren, horchten die Blumenfachgeschäfte der Region auf: Emsflower, das Unternehmen, das sich bis dato auf die Produktion von Pflanzen für Großkunden konzentriert hatte, investierte rund 17 Millionen Euro in sein neues Vorhaben. Der Plan: Vordringen in einen lukrativen Markt, auf deutscher Seite sollte ein Pendant zum niederländischen „Gartencenter Oosterik“ in Denekamp errichtet werden. Seit der Fertigstellung im Frühjahr 2014 wird in Wirtschaftskreisen vom „Kampf der Blumengiganten“ gesprochen – gleichzeitig kreist die Marktmacht der beiden Gartencenter wie das Schwert des Damokles über den Köpfen der lokal ansässigen Floristen mit ihren Kleinbetrieben. Einer dieser Kleinen ist Helmut Mösker aus Lohne in der Gemeinde Wietmarschen. Seit über 19 Jahren betreibt der Floristikmeister mit seiner Frau Hilke sein Blumenfachgeschäft in dem rund 8000 Einwohner zählenden Dorf in Westniedersachsen. Der Betrieb der Möskers liegt nur knapp 15 Kilometer Luftlinie entfernt vom Emsflower-Firmenareal; entsprechend groß waren vor vier Jahren die Sorgen. „Wir fragten uns, inwieweit sich die Pläne auf unseren Familienbetrieb auswirken“, so der 49-Jährige. Heute weiß Helmut Mösker, dass seine Bedenken unnötig waren: „Uns geht es nach wie vor gut, unsere Kunden sind uns treu geblieben.“ Dass der Familienbetrieb ob der zusätzlichen Konkurrenz weiter auf gesunden Beinen steht, hat allerdings Gründe: Mösker hat es geschafft, in Zeiten sinkender Pflanzenpreise Nischen im hart umkämpften Blumenmarkt zu besetzen. Neben dem Tagesgeschäft mit Blumen, Dekorationsartikeln und
floralen Wohnraumkonzepten setzt Mösker auf Braut- und Grabschmuck. „Die individuelle Beratung der Kunden ist dabei unsere große Stärke“, erklärt der Unternehmer. Was genau er damit meint, macht der dreifache Familienvater an konkreten Beispielen deutlich: Wird in der Gemeinde geheiratet, ist Mösker oft die erste Anlaufstelle für florale Gestaltungsfragen. „In der Regel treffe ich mich mit Angehörigen vor Ort in der Kirche und stehe ihnen beratend zur Seite“, sagt Mösker. Dabei muss er auf viele unterschiedliche Faktoren Rücksicht nehmen: Junge Leute etwa hätten andere Vorlieben als ältere Kunden. Auch die Gestaltung von Brautsträußen und Hochzeitssälen übernimmt Mösker in Absprache mit seinen Kunden. „Wir beobachten, dass viele Paare sich dafür entscheiden, in großen Zelten im Garten zu heiraten.“ Diese müssten dann entsprechend dekoriert und vorbereitet werden. Das Blumenfachgeschäft aus Lohne hat sich mit der guten Beratung einen Namen gemacht – mittlerweile sind ganze Fotoalben mit Beispielen entstanden, die das Familienunternehmen seinen Kunden als Inspiration zur Verfügung stellt. Mit Erfolg: „Wir bekommen nicht nur Aufträge aus der Gemeinde, son-
dern auch aus umliegenden Städten wie Lingen und Nordhorn.“ Heute beschäftigt das Familienunternehmen zehn Angestellte, von denen zwei eine dreijährige Ausbildung absolvieren. Die Leidenschaft für den Beruf sei der Schlüssel zu diesem Erfolg, glaubt Mösker: „Als Florist braucht man ein gutes Farbempfinden, räumliche Vorstellungskraft und Kreativität, vor allem aber die Fähigkeit, offen mit Kunden umzugehen.“ Wer heute 08/15-Blumenschmuck abliefert, gewinnt laut Helmut Mösker kaum mehr einen
„Die Qualität der Blumen ist das A und O.“ Helmut Mösker
Hilke und Helmut Mösker sind leidenschaftliche Floristen (links unten). Ihr Blumensortiment beziehen sie von ausgewählten Lieferanten (links oben). Typisch Mittelstand: das Blumenfachgeschäft der Möskers (rechts oben). Die Floristen bieten ihren Kunden dort auch florale Wohnraumkonzepte an (rechts unten).
Strauß. „Die Qualität der Blumen ist das A und O“, sagt er. Dies sei der einzige Weg, sich von der Konkurrenz aus dem Discounter abzusetzen. Deshalb besucht der Grafschafter Floristikmeister jedes Jahr diverse Messen und sucht sich seine Lieferanten sorgfältig aus. Der Erfolg gibt ihm recht: Das Familienunternehmen aus Lohne beschäftigt heute zehn Angestellte, von denen zwei eine dreijährige Ausbildung absolvieren. „Anders als andere Handwerksbetriebe haben wir noch keine Probleme, Auszubildende einzustellen“, sagt Mösker, der gleichzeitig auch Vorsitzender des Prüfungsausschusses der IHK Osnabrück ist. Er ist stolz darauf, dass seine Auszubildenden oft die besten Prüfungsergebnisse erzielen und gelegentlich sogar Top-Platzierungen bei Landesmeisterschaften der Floristen erreichen. So wie der Chef, der 1996 Deutscher Meister wurde und anschließend sein Geschäft in der Grafschaft eröffnete. Für andere Kleinbetriebe seiner Branche ist der Floristikmeister Inspiration und Vorbild. Er hält Vorträge bei Großhändlern und teilt sein Wissen. Ganz wichtig ist ihm, am Puls der Zeit zu agieren. „Wer sich behaupten will, muss up to date sein“, betont er. Ein Gespür für Trends ist gefragt – Mösker hat es längst bewiesen.
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DONNERSTAG, 26. OKTOBER 2017
GELD & GESCHÄFT
Türkei kämpft mit Last-minute-Angeboten um Urlauber Veranstalter und Hotels leiden unter der politischen Krise im Land – Verunsicherung der Reisenden ein großes Thema Die türkische Riviera und andere Orte in der Türkei sind weiterhin beliebt..Allerdings besuchen derzeit eher Reisende aus Russland,weniger aus Deutschland,das Land am Bosporus.
VON ANJA STEINBUCH HANNOVER. Die deutschen Reise-
veranstalter sind besorgt über den starken Rückgang bei Reisen in die Türkei. Verunsicherung ist unter Urlaubern ein großes Thema, auch wenn das Land noch immer zu den Top Fünf der beliebtesten Reiseziele der Deutschen zählt. Statt der Deutschen kommen jetzt wieder mehr Russen in das Land. Die Hoffnung der Branche: Die Türkei soll sich wieder fangen, so wie Griechenland es bereits geschafft hat.
Eigentlich sind es Traumziele: Bodrum und Antalya mit breiten, feinen Sandstränden, Istanbul mit pulsierendem Nachtleben und bunten Basaren oder Kappadokien mit seinen einzigartigen Tuffsteinformationen. Eigentlich – das ist das beherrschende Wort, wenn es in der Reisebranche um die Türkei geht. Denn viele Besucher meiden auch dieses Jahr wieder die türkischen Hotels, Restaurants und Geschäfte. Dabei verzeichnete das Land in der Reisesaison 2015, laut DRV Deutscher Reiseverband, noch einen Rekord von 5,6 Millionen Besuchern aus Deutschland. Nach dem Putschversuch 2016 und Terroranschlägen brachen die Buchungen dann auf 3,9 Millionen ein. Das sind rund 30 Prozent weniger. Und auch 2017 sieht es nicht besser aus. Laut Norbert Fiebig, Präsident des DRV in Berlin, liegen die Buchungen derzeit für das Gesamtjahr noch unter den Werten von 2016. „Wir stellen auch in diesem Jahr teilweise eine Verlagerung der Urlaubsströme fest“, kommentiert Fiebig vorsichtig. Bleiben 2017 an der bei den Deutschen einst so beliebten Türkischen Riviera die Hotelbetten und Strandliegen leer – mit Auswirkungen nicht nur auf die deutschen Reiseveranstalter, sondern auf die gesamte türkische Reisebranche mit Hotellerie und Restaurants? Nein, denn Stammgäste und Touristen aus anderen Län-
dern kommen weiterhin. Licht am Ende des Tunnels sieht man auch bei der Thomas-Cook-Tochter Öger Tours, einem führenden Veranstalter für Türkei-Reisen. Hier fällt die Bilanz für diesen Sommer teilweise positiv aus: „Die Buchungen lagen insgesamt über den Zahlen vom Vorjahr“, sagt Sprecherin Katrin Rüter. Und auch das Geschäft für die Herbstferien lief besser als 2016: „Wir sehen in der Nebensaison eine eher preisgetriebene Entwicklung mit einem hohen Last-minute-Anteil.“ Das beliebteste Ziel deutscher Gäste ist nach wie vor die Türkische Riviera. Bodrum wird gern von deutsch-türkischen Urlaubern angesteuert. Weniger populär ist derzeit die lykische Küste, die über den Flughafen Dalaman erreicht wird. „Reisen an die Riviera werden im Vergleich günstiger an-
Nach dem Putschversuch im Jahr 2016 und Anschlägen brachen die Buchungen ein.
geboten“, erklärt Rüter. Eine leichte Verbesserung – allerdings noch auf niedrigem Niveau – verzeichnet Öger Tours bei Städtetouren in die Metropole Istanbul. Der Veranstalter erhält sehr positives Feedback von Reisenden. Sie berichten von großer Gastfreundschaft, einem für sie günstigen Wechselkurs von einem Euro zu vier türkischen Lira. Positiver Nebeneffekt der Besucherflaute: Die Warteschlangen vor den Sehenswürdigkeiten sind kurz. „Abgemildert wird das Zögern der deutschen Urlauber in der Türkei durch einen erneuten Besucherstrom aus Russland“, erklärt ein Sprecher des DRV. Doch die 30 Prozent weniger Buchungen an den Bosporus gehen als Umsätze auch in den deutschen Reisebüros verloren, heißt es weiter beim DRV. Dafür konnte Moskau durch das Aufheben der Türkei-Sanktionen die Hotels an der Türkischen Riviera wieder mit russischen Touristen füllen. Auch Urlauber aus Israel und aus den Niederlanden haben das Land als familienfreundliches Reiseziel entdeckt. Auch beim größten deutschen Reiseveranstalter, der Tui Group in Hannover, ist eine leichte Entspannung beim Thema Türkei zu erkennen. „Punkten konnte das Reiseziel Türkei in der Hochsaison bei kurzfristigen Buchungen und zählte in diesem Sommer zu den gefragtesten Last-minute-Zielen“, sagt Tui-Sprecherin Susanne Stünckel. Insgesamt gehöre das Land am Bosporus zu den Top Fünf der beliebtesten Ziele deutscher Urlauber, betont Stünckel. Doch sie räumt ein, dass seit Ende August wieder verhaltener gebucht wird. Die Tui setzt auf alternative Ziele wie Griechenland, Spanien und Zypern – mit Erfolg, wie es aus Hannover heißt. Die Zahl der Gäste liege hier vier Prozent höher als zuvor. Auf die Verschiebung der Nachfrage für einzelne Urlaubsländer sei man bei Tui vorbereitet. Das schwächere Interesse an Reisen in die Türkei wurde schon bei
Foto: imago/Steffen Schellhorn
der Planung des Sommer-Programms 2017 berücksichtigt. „Durch zusätzliche Angebote in anderen Zielländern konnte dieser Faktor voll ausgeglichen werden“, sagt Stünckel. „Die Türkei muss zurückkommen“, hofft man beim DRV – so wie Griechenland es auch geschafft hat: Während Hellas noch vor zwei Jahren wegen der Finanzund Flüchtlingskrise für negative Schlagzeilen sorgte, gehören heute das griechische Festland und die Urlaubsinseln zu den beliebtesten Zielen sonnenhungriger Nordeuropäer und melden Besucherrekorde. Oft erholen sich sogar von Terroranschlägen betroffene Destinationen schnell. Während Istanbul als Ziel für Städtereisen derzeit praktisch ausfällt, sind die Metropolen in unserem Nachbarland Frankreich nur ein Jahr nach
ter Niedersachsen und SchleswigHolstein. „Verunsicherung ist ein großes Thema, und die Branche muss sich aktiv damit befassen“, sagt Michael Frenzel, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Tourismuswirtschaft. Anbieter sollten zusammen mit dem Auswärtigen Amt offen und fair informieren – und im Notfall flexibles Umbuchen ermöglichen. „Das klappt in den meisten Fällen“, meint Frenzel. Der Münchner Reiseveranstalter FTI bietet deshalb nur Ziele an, die vom Auswärtigen Amt als sicher eingestuft werden. Allerdings kann die Behörde keine Anschläge voraussagen. Auf die Gefahr terroristischer Anschläge und Entführungen weltweit weist die Behörde zwar hin. Absolute Sicherheit für Urlauber gibt es aber nicht.
dem verheerenden Terroranschlag von Nizza bei Reisenden wieder beliebt. Sogar das Krisenland Ägypten wird wieder stärker gebucht, berichten deutsche Reiseveranstalter. Deutsche Urlauber lassen sind von Anschlägen und politischen Krisen die Reiselust nicht verderben. Die Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) in Kiel hat in Umfragen die Ströme deutscher Urlauber analysiert. Zwar verlieren Türkei, Nordafrika und Frankreich deutlich an Popularität, und Spanien und Griechenland machen mehr Geschäfte. „Aber trotzdem bleiben die Türkei und Ägypten bedeutende Urlaubsziele der Deutschen“, sagt Henrike Beer von der FUR. Zuwächse verzeichnen auch Ziele in Deutschland – ganz vorne MecklenburgVorpommern und Bayern, dahin-
Wichtigste Reiseziele der Jahre 2015 und 2016 im Vergleich Deutliche Rückgänge in der Türkei, in Nordafrika und in Frankreich
Basis: Urlaubs- und Kurzurlaubsreisen der deutschen Bevölkerung (14 Jahre und älter)
Skandinavien* + 14%
Niederlande + 3%
Frankreich – 15%
Deutschland + 3%
Österreich + 4%
Italien + 2% Spanien + 8 %
Türkei – 23 % Griechenland + 18 %
Nordafrika – 29 %
*Skandivavien = Dänemark, Schweden, Finnland, Norwegen, Island
Quelle: RA 2017, face-to-face & online · Grafik: Matthias Michel
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DONNERSTAG, 26. OKTOBER 2017
GELD & GESCHÄFT
„Dann schreiben wir eben wieder Zollanträge“ Der Nordhorner England-Spediteur M+F erwartet lange Verhandlungen um den „Brexit“ – und mehr Arbeit VON ROLF MASSELINK NORDHORN. Der Austritt der Bri-
ten aus der EU wird den Warenverkehr mit den Britischen Inseln teurer und komplizierter machen, kann aber auch neue Chancen bieten. Davon geht die M+F-Spedition aus. Die Nordhorner machen mehr als ein Viertel ihres Umsatzes mit England-Transporten.
Jeden Tag rollen vom Hof der Nordhorner M+F-Spedition sechs bis acht Lastzüge in Richtung Großbritannien. Transportierten sie Ende der 1970er-Jahre noch überwiegend Textilien auf die Britischen Inseln, so werden heute Spielwaren, Kosmetikartikel, Schreibwaren, Textilien und sonstige Konsumgüter aller Art als Sammeltransporte ins Vereinigte Königreich geliefert. Seit ihrer Gründung im Jahre 1978 ist die M+F-Spedition Spezialist für das England-Business. Das war anfangs das Hauptgeschäft des Unternehmens. Heute macht es noch gut 27 Prozent des Umsatzes aus. Die M+F-Trucks beliefern nicht nur Firmen im Großraum London, sondern steuern auch Ziele an der englischen Ostküste und in Mittelengland an. „Großbritannien ist ein Verbrauchermarkt. Wir liefern wesentlich
mehr Waren dorthin als von dort aufs Festland zurück“, sagt M+FGeschäftsführer Çetin Çelik. Welche Auswirkungen hat der angekündigte „Brexit“ auf dieses England-Geschäft? „Anfangs gab es eine große Verunsicherung. Da hatten wir sogar einige Anfragen von britischen Kunden nach einer Niederlassung auf dem Festland“, berichtet Manfred Köhler, Geschäftsführer der M+F-Dachgesellschaft Hüttemann-Gruppe. Auch der Kurseinbruch des britischen Pfund nach der Brexit-Ankündigung habe Auswirkungen gehabt. Aber diese „Delle“ sei längst wieder ausgeglichen. Das Tagesgeschäft laufe normal. Die Verunsi-
„Am Ende wird irgendetwas Hektisches beschlossen.“ Manfred Köhler, Geschäftsführer
cherung sei einem kritischen Abwarten gewichen. Dass die Briten sich mit ihrem Entschluss, der EU den Rücken zu kehren, „keinen Gefallen getan“ haben, steht nicht nur für Manfred Köhler fest. Auch die meisten britischen Geschäftspartner sähen den Brexit als Fehler, sagt er. Großbritannien sei der drittgrößte Konsummarkt in Europa. Das Land sei auf Importe angewiesen, und die Hälfte dieser Importe komme aus EU-Ländern. Köhler: „An diesen Warenströmen wird sich kaum etwas ändern.“ Sie werden nur teurer, wenn Großbritannien tatsächlich in einem „harten Brexit“ aus der EU austritt. „Wenn das so kommt, dann schreiben wir eben wieder Zollanträge.“ Dann werde es zwar teurer und komplizierter, Waren nach England zu liefern. Aber geliefert werde auch weiterhin, im Warenverkehr mit der Schweiz funktioniere das ja auch. Womöglich eröffne gerade dieser zukünftige Zollaufwand auch neue Chancen. Gefragt seien dann Unternehmen, die diese Formalitäten schnell und zuverlässig abwickeln. Und die brauchten dafür womöglich sogar zusätzliche Arbeitskräfte. Die großen Fragen „Wann kommt der Brexit?“, „Wie sieht er aus?“, „Wie geht’ s dann weiter?“
Veränderte Rahmenbedingungen, aber auch neue Chancen für ihr England-Geschäft erwarten Manfred Köhler, Hüttemann-Gruppe (links), und Çetin Çelik,M+F-Spedition,als Folge des britischen EU-Austritts.
sehen Köhler und Çelik mit Gelassenheit. Zunächst einmal werde sicher lange um den Brexit verhandelt. Köhler und Çelik vermuten, dass die zweijährige Verhandlungsfrist kaum ausreicht. „Am Ende wird die Zeit knapp, und es wird irgendetwas Hektisches beschlossen“, meint Manfred Köhler. Niemand könne heute vorhersagen, ob Premierministerin Theresa May und ihre Regierung dann überhaupt noch im Amt seien.
Mehr Sorgen als in Nordhorn macht man sich offenbar auf den Britischen Inseln selbst. „Viele unserer Geschäftspartner sind verunsichert. Sie wissen zum Beispiel nicht, was der Brexit für ihre ausländischen Mitarbeiter bedeutet“, berichtet Köhler. Keine Antwort haben sie bisher auch auf die Frage, welche Auswirkungen der Brexit auf den Warenverkehr mit Irland haben wird. Auch dorthin liefert M+F
Foto: Konjer
regelmäßig – bisher ausschließlich über Großbritannien. Wird das Vereinigte Königreich dann zum Transitland für solche Transporte? Oder werden dort fiskalische Hürden aufgebaut, die zu einem Direktverkehr nach Irland zwingen? „Man überlegt sich schon mögliche Szenarien“, so Köhler. „Aber wir werden uns den neuen Herausforderungen stellen, wenn es so weit ist.“
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DONNERSTAG, 26. OKTOBER 2017
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Kleine Häuser auf Rädern Ein junges Unternehmen aus Gildehaus baut fahrbare „Tiny Houses“ für Kunden im In- und Ausland
Nach der Finanzkrise in den USA wuchs der Trend zum Tiny House. Eine Vorliebe zum minimalistischen Leben beflügelt die Branche. Hersteller setzen auf umweltverträgliche Baustoffe. VON OLIVER WUNDER GILDEHAUS. Bei fahrbaren Häu-
sern denkt fast jeder zuerst an Wohnmobile und -anhänger. Doch was Michael Ebermann und Stefan Koers in Gildehaus bauen, soll nicht nur das Wohnen auf Zeit ermöglichen, sondern für viele Jahre als Zuhause dienen. Die beiden Männer entwickeln und bauen seit Anfang des Jahres unter dem Firmennamen „Koersmann“ sogenannte „Tiny Houses“.
Ihr erstes Modell steht an der Straße Holter Diek im Gewerbegebiet an der A 1. Zwischen den riesigen Hallen ringsum sehen selbst große Lastwagen aus wie Spielzeuge. Das kleine Haus vor einer Werkstatt wirkt von Weitem wie ein Fremdkörper. Helles Fichtenholz zieht die Blicke auf sich. So fungiert das Häuschen perfekt als Aushängeschild für das junge Unternehmen. Autofahrer halten ab und an spontan an und lassen sich von den beiden Gründern die Produktion und das fertige Haus zeigen. Generell trifft das Vorhaben auf großes Interesse; Musiker wie Mark Forster und Bernhard Brink gastierten bei Auftritten in Nordhorn in einem Tiny House. Grund dafür seien die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten, meint Michael Ebermann. Das Tiny House sei als erste Wohnung für Paare ohne Kinder einsetzbar oder für Studenten, die in Großstädten keinen bezahlbaren Wohnraum finden. Dauercamper machen einen Zweitwohnsitz daraus. Im Garten eines Einfamilienhauses dient es als Gästehaus. Auch für Rentner und Aussteiger eigne es sich. Je nach Kundenwunsch gestalten die Gründer das Tiny House ganz individuell. Der Trend zu Kleinsthäusern schwappte vor ein paar Jahren aus den USA nach Deutschland herüber. Dort ist das Interesse an Tiny Houses seit der Finanzkrise 2007 gewachsen – vor allem wegen des im Vergleich zu einem normal gro-
Alles, was man zum Leben braucht, findet man auch in einem Tiny House: eine moderne Küchenzeile, ein geräumiges Bett, einen hellen Wohnbereich mit Esstisch. Die Außenwand besteht aus Fichtenholz. Bild Mitte rechts: Stefan Koers passt die Leiter zum Bett an,das sich über dem Sanitärbereich mit Dusche und WC befindet.
ßen Haus niedrigeren Preises. Für den englischen Begriff gibt es derzeit keine offizielle deutsche Übersetzung. Er fasst alle möglichen Kleinsthäuser von bewohnbaren Hütten über Baumhäusern bis zu Behausungen auf Anhängern zusammen. Allen gemein ist, dass die Wohnfläche sehr klein ist. Trotzdem bieten die Häuser modernen Komfort. In den meisten Varianten gibt es Wohn-, Schlaf-, Sanitär- und Essbereiche. Hinzu kommen Strom-, Gas-, Wasserund Abwasseranschlüsse, manchmal werden auch entsprechende Tanks eingebaut. Das in Gildehaus zu besichtigende Modellhaus ist 7,20 Meter lang
Michael Ebermann (l.) und Stefan Koers kannten sich vom Fußball „Er ist ein guter Kaufmann,ich bin ein guter Tischler“,sagt Koers.
und 2,55 Meter breit. An der höchsten Stelle misst es 3,96 Meter, die normale Raumhöhe ist 2,05 Meter. Das Modell bietet unter Einbezug einer zweiten Ebene, sie dient als Schlafbereich, 22 Quadratmeter Wohnfläche. Die Schlafnische ist wie ein Hochbett mit einer Leiter zu erreichen. Sie befindet sich über dem Sanitärbereich mit Dusche und WC. Ebermann und Koers setzen auf umweltverträgliche Baustoffe. Für die Verschalung nutzen sie Fichtenholz, das Dach besteht aus Aluminium; alles wird handgefertigt. Die Wanddämmung ist acht Zentimeter dick und verspricht auch im Winter angenehme Temperaturen im Haus. Ob Gastherme, Fotovoltaikanlage oder gar ein kleiner Kamin – fast alle Extrawünsche sind machbar. Nur das zulässige Maximalgewicht von 3,5 Tonnen darf nicht überschritten werden. Es umfasst das Zugfahrzeug plus den Anhänger mit dem Tiny House. Für größere Lasten werde ein Traktor als Zugmaschine benötigt. Ebermann und Koers achten penibel darauf. Die Tiny Houses gelten im Straßenverkehr als „Anhänger mit Sonderaufbauten“ und müssen wie Wohnwagen vom Tüv abgenommen werden. Dabei gab es bisher keine Probleme, auch wenn die bewohnbaren Aufbauten für die Sicherheitsprüfer etwas völlig Neues sind.
Zwischen sechs und acht Wochen dauert es, bis auf dem Anhängergestell ein Tiny House der Firma Koersmann steht. Als Erstes erfolgt der Rohbau, dann der Innenausbau; danach ist das Haus theoretisch ohne Dekoration bezugsfertig, das Unternehmen kann aber auch die Einrichtung übernehmen. So kommt es, dass ein Tiny House je nach Kundenwunsch und Ausstattung zwischen 35 000 und 50 000 Euro kostet. Deutlich günstiger als ein Einfamilienhaus, auch Wohnmobile sind meist teurer. Wer sparen möchte und handwerklich begabt ist, kann sein Kleinsthaus unter Anleitung der Fachleute in Eigenregie bauen. Arbeitshalle, Werkzeug und Tricks stellen die Profis. Ein Kunde nutzt das Angebot bereits. Wer kauft überhaupt so ein Kleinsthaus und warum? „Der Trend geht dahin, dass sich die Menschen verkleinern und minimalistisch leben wollen“, sagt Michael Ebermann. Ein Tiny House kann als Rückzugsort von der modernen, hektischen Welt dienen und bringt die Menschen dazu, ihren persönlichen Besitz auf das Wesentliche zu reduzieren. Es gebe allerdings keine typische Klientel. Das junge Unternehmen hat Kunden aller Altersstufen und gesellschaftlichen Schichten sowie aus dem Ausland. Bestellungen liegen beispielsweise aus Schweden und der Schweiz vor.
Fotos: Stephan Konjer
Die Idee zur Unternehmensgründung hatte Michael Ebermann. „Im Fernsehen lief ein Bericht über Tiny Houses. Ich kannte Stefan vom Fußball und hab ihn dann gefragt, ob er Lust hat, auch solche Dinger zu bauen“, sagt der 37-Jährige. Nach etwas Nachdenken hat Stefan Koers zugesagt. „Er ist ein guter Kaufmann, ich bin ein guter Tischler“, fasst Koers seine damaligen Überlegungen zusammen. Seitdem ist er begeistert dabei. „Es ist richtig toll, die Häuser zu bauen“, sagt Koers. Der 41-Jährige ist gelernter Tischler und seit acht Jahren selbstständig. Koers kümmert sich um die Produktion der Häuser, Ebermann um Kaufmännisches
Die Häuser kosten zwischen 35 000 und 50 000 Euro.
und Marketing. Der gelernte Industriekaufmann ist auch für die Zeichnungen der Häuser verantwortlich. Hauptberuflich arbeitet Ebermann als Angestellter bei einem großen Industriebetrieb. Beide Gründer wohnen in Gildehaus. Auf dem Markt haben sie derzeit nur wenige Konkurrenten. In ganz Deutschland gibt es fünf Anbieter für die Kleinsthäuser. Ebermann und Koers haben sie sich genau angesehen. Nach der Analyse waren sie sich sicher, dass sie mit dem Anspruch „qualitativ hochwertig, schön anzusehen und bezahlbar“ zu bauen, eine Marktnische gefunden haben. Inzwischen haben sie bereits das fünfte Haus gefertigt. Weitere sind im Bau. Die Halle im Gewerbegebiet an der A 1 bietet genug Platz, um fünf Häuser gleichzeitig zu bauen. Die beiden Gildehauser rechnen mit gut laufenden Geschäften. Im kommenden Jahr wollen sie 15 Exemplare ausliefern. Theoretisch halten die Tiny Houses genauso gut wie ihre großen Geschwister. Wenn das Außenholz gut gepflegt wird, kann es 20 bis 30 Jahre alt werden. Schäden seien relativ leicht zu beseitigen, die Schalung kann jederzeit ausgetauscht werden. Ihre größten Vorteile sind aber die Beweglichkeit und die flexiblen Einsatzmöglichkeiten. Wer umzieht, kann sein Tiny House gleich mitnehmen – als Anhänger am Umzugswagen.
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LEBEN & LEIDENSCHAFT
VON CHRISTOPH LÜTZENKIRCHEN OSTERCAPPELN. Der Name ist et-
was sperrig: „Initiative Sinnvolle Arbeit“ (ISA), so nennt sich ein Sozialunternehmen aus Ostercappeln, das mit wachsendem Erfolg Menschen mit Behinderung in feste Arbeitsverhältnisse vermittelt. Das Konzept: intensive Betreuung durch Jobcoaches. Möglich ist die auf Grundlage des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch (SGB 9) „Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen“. Die Erfahrungen aus der Arbeit der ISA machen Mut. Es gibt Alternativen zu Dauererwerbslosigkeit und Behindertenwerkstatt.
„Sind die Kollegen nett?“ Thomas Eling nickt und strahlt. Der 28Jährige ist angekommen. Er hat eine Aufgabe, er wird gebraucht, er darf teilhaben. Eling arbeitet als Spülhilfe im Restaurant Alfsee Piazza der Alfsee GmbH. Er hat dort ein mehrmonatiges Praktikum gemacht, inzwischen ist er fest angestellt. Dass das geklappt hat, ist zu großen Teilen das Verdienst des Jobcoaches Tobias Jäger und seiner Kollegen in der Initiative für sinnvolle Arbeit (ISA) in Ostercappeln-Venne. Die gemeinnützige Unternehmergesellschaft (gGmbH) hat sich das Ziel gesetzt, Menschen mit Unterstützungsbedarf zeitgemäß in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren. Grundlage ist die 2008 in Kraft getretene UN-Behindertenrechtskonvention, die in Deutschland 2009 im Sozialgesetzbuch umgesetzt wurde (SGB 9). Im Kern geht es um die Teilhabebedürfnisse von Menschen mit Behinderung. „Im ersten Schritt habe ich mich mit Thomas beiseitegesetzt und zugesehen, was in der Küche gearbeitet wurde“, sagt Jäger: „Als Nächstes habe ich dann selbst mitgearbeitet, Thomas hat zugesehen. Erst im dritten Schritt hat er selbst praktisch gearbeitet. Wir haben ihm das Arbeiten also konkret vorgelebt.“ Thomas Eling arbeitet inzwischen durchschnittlich 24 Stunden in der Woche. Anfangs waren es nur drei Stunden täglich, das Pensum wurde langsam gesteigert. Tobias Jäger ist weiterhin täglich vor Ort. „Die Begleitung ist der Schlüssel“, erklärt er: „Damit können wir Stressphasen puffern und Thomas Schritt für Schritt von langer Hand an neue Aufgaben heranführen.“ Aktuell bereitet er ihn darauf vor, dass er in nächster Zeit manchmal auch samstags
Geschafft! Mithilfe der Initiative Sinnvolle Arbeit (ISA) hat Thomas Eling eine Festanstellung in der Küche des Restaurants Alfsee Piazza gefunden.
Fotos: Swaantje Hehmann
Zukunftsprojekt Teilhabe Ein Sozialunternehmen aus Ostercappeln zeigt neue Wege zur Integration von Menschen mit Behinderung arbeiten muss. Trotz der intensiven Betreuung könne die Integration von Menschen wie Thomas aber nur dann gelingen, wenn das betriebliche Umfeld stimmig sei, betont Jäger: „Das Wohlwollen vonseiten des Betriebes ist für den Erfolg unserer Arbeit sehr wichtig; wenn das kommt, ist auch das Potenzial da.“ In Alfhausen gelingt das bestens. Laut Küchenchef Steffen Schneider ist das Haus ein Touristen-Hotspot. Die Küche sei durch Frühstück, Mittag- und Abendessen gut ausgelastet. In die Arbeiten am Vormittag lasse sich Thomas am besten integrieren. „Ich habe schon in anderen Küchen Menschen mit Handicap beschäftigt“, sagt Schneider: „So eine Unterstützung, wie wir sie jetzt durch die ISA erhalten, gab es dort aber nicht. Die Coaches sind wichtig, sie erleichtern die Integration von Menschen wie Thomas ganz erheblich. Dafür fehlt mir selbst im Arbeitsalltag die Kapazität.“ Auch Benjamin Kühn, Personalverantwortlicher der Alfsee GmbH, lobt die Arbeit der ISA. Er kannte das Unternehmen zuvor nicht. „Wir mussten das erst mal googeln“, erzählt er lächelnd: „Das erste Gespräch haben wir mit Herrn Jäger geführt.“ Die Arbeits-
Jobcoach Tobias Jäger besucht Thomas Eling täglich. „Damit können wir Stressphasen puffern und Thomas Schritt für Schritt von langer Hand an neue Aufgaben heranführen“,sagt er.
stelle von Thomas wird gefördert; im Umgang mit den komplexen Fördermechanismen bei der Finanzierung – die erfolgt über unterschiedliche Quellen – sei die ISA eine große Hilfe gewesen. Auch nach der Festanstellung von Thomas läuft die Betreuung durch Tobias Jäger zunächst weiter. Bis zum Sommer nächsten Jahres sind die Kosten gedeckt. „Dann schauen wir weiter“, sagt Jäger: „Die öffentliche Förderung unserer Arbeit verändert sich laufend. Es öffnen sich aber immer wieder neue Türen.“ Küchenchef Schneider weiß, dass man im Umgang mit Menschen wie Thomas Eling Geduld und einen langen Atem braucht. „Wir schätzen Thomas als zuverlässigen Mitarbeiter“, sagt er: „Was er macht, macht er gut. Mit Unterstützung der ISA arbeiten wir kontinuierlich daran, dass er sich auch in Details weiter verbessert.“ Schon während der Schulzeit wurde Thomas Eling aufgrund seiner Behinderung als erwerbsunfähig eingestuft. Noch vor wenigen Jahren hätte es für Menschen wie ihn nur zwei Optionen gegeben: die Arbeit in einer Behindertenwerkstatt oder die dauerhafte Erwerbslosigkeit. Das ist heute anders. „Die Region Osnabrück ist in Niedersachsen führend bei der Umsetzung des SGB 9. Hier hat man sich den personenzentrierten Ansatz auf die Fahnen geschrieben“, erklärt Jürgen Linnemann, Geschäftsführer und Gründer der ISA. In der praktischen Anwendung führt das zum sogenannten „Persönlichen Budget“, das umfangreiche Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet. Menschen mit Behinderung können beispielsweise individuelle Unterstützung erhalten, um ihren Platz im Berufsleben zu finden. Eine ambulante Betreuung hilft ihnen, gemäß ihren individuellen Vorstellungen zu wohnen. „Mit den Angeboten wollen wir unseren Teilnehmern diese Freiheiten ermöglichen“, sagt Linnemann: „Perspektivisch soll aus dem Teilnehmer ein Auftraggeber werden.“
Für die Finanzierung ihrer Arbeit nutzt die ISA viele unterschiedliche Quellen. Besonders intensiv ist die Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit. Zum Tragen kommen aber auch Eingliederungshilfen von Stadt und Landkreis Osnabrück, in Einzelfällen zahlen die Rentenversicherung und die Berufsgenossenschaften. Ganz wichtig ist die Unterstützung durch das Integrationsamt des Landes Niedersachsen, das mit Mitteln aus der Ausgleichsabgabe wirtschaftet. Besonderheit der Arbeit der ISA sind die durchweg individuellen Angebote. „Wir arbeiten mit unseren Teilnehmern nach dem ‚Empowerment-Prinzip‘ “, erläutert Geschäftsführer Linnemann: „Das bedeutet, dass wir gemeinsam mit ihnen herausfinden wollen: Was kannst du beitragen, worin bist du gut?“ Jeder Mensch verfüge über persönliche Stärken. Menschen mit geistigen Entwicklungsstörungen seien oft sehr freundlich, zuverlässig und auf ihrem Leistungsniveau konstant. Im Umgang mit Autisten komme es entscheidend darauf an, ihnen Planungssicherheit zu geben. Konkret umgesetzt wird die Betreuung durch zwei Coachingteams mit je drei Mitarbeitern.
Für jeden Fall arbeiten zwei von ihnen eng zusammen, einer ist hauptverantwortlich. „Das persönliche Verhältnis der Coaches zu den Teilnehmern ist sehr wichtig“, betont Linnemann: „Gemeinsam arbeiten sie die individuellen Stärken des Teilnehmers heraus und entwickeln Ideen, in welchem Zusammenhang diese zum Tragen kommen könnten. Als Arbeitsumfeld für unsere Teilnehmer sind kleine und mittelständische Betriebe besonders gut geeignet.“
„Was kannst du beitragen, worin bist du gut?“ ISA-Geschäftsführer Jürgen Linnemann
Die Arbeit der ISA ist langfristig angelegt. Im Mittel laufen Betreuungen über drei Jahre bis zu einer Festanstellung. Der wachsende Erfolg bestätigt das neuartige Konzept. Bis Ende 2017 wird die ISA eigenen Angaben zufolge 25 betreute Personen in sozialversicherungspflichtige und unbefristete Arbeitsverhältnisse vermittelt haben, davon allein voraussichtlich zehn Verträge in 2017. Er werde häufig aufgefordert, Filialen der ISA in anderen Regionen aufzubauen, sagt Geschäftsführer Linnemann. Dies hat er bisher konsequent abgelehnt. Er wolle die besondere Qualität der Arbeit sichern, erklärt er, die lasse sich nicht einfach so kopieren. Abgesehen davon steht das Sozialunternehmen in den Startlöchern mit einem Riesenprojekt in Venne. Die ISA will aus dem altehrwürdigen Gasthaus Linnenschmidt im Dorf ein Tagungshotel mit barrierefreiem Zimmerangebot machen. In einem landwirtschaftlichen Nebengebäude will man die eigenen Fachdienste unterbringen. Dort sollen zudem barrierefreie Wohnplätze für ambulant betreutes Wohnen entstehen. Vor allem aber will man Arbeitsplätze schaffen – für Menschen wie Thomas Eling.
INITIATIVE SINNVOLLE ARBEIT
Drei Fachdienste unter einem Dach Die Initiative Sinnvolle Arbeit gemeinnützige GmbH (ISA) wurde 2010 als Fachdienst zur beruflichen Integration mit fast ausschließlich schwerbehinderten Teilnehmern gegründet. Seit 2013 beschäftigt sich das Sozialunternehmen zusätzlich mit Leistungen zur sozialen Teilhabe in den Bereichen Freizeit, Mobilität, Verselbstständigung und
Wohnen. Seit Anfang 2017 wurde zudem ein Familienunterstützender Dienst aufgebaut (FUD). Hier geht es um die Entlastung von Familien mit schwerbehinderten Angehörigen. Die ISA beherbergt somit drei Fachdienste: die Dienste für Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gesellschaft sowie den Familienunterstützenden
Dienst. Seit der Gründung hat die ISA eigenen Angaben zufolge mit über hundert verschiedenen Betrieben zusammengearbeitet. Mit vielen von ihnen habe sich eine intensive und auch dauerhafte Zusammenarbeit ergeben. Viele Arbeitsund Arbeitserprobungsplätze sind in hauswirtschaftlichen Zusammenhängen mit Großküchen und Wä-
schepflege angesiedelt. Weitere Bereiche sind Tätigkeiten in der Geländepflege und als Hausmeisterhelfer, im Einzelhandel, in Lager und Logistik und in der Landwirtschaft. Zunehmend kommen auch Bürohelfer und reguläre Verwaltungstätigkeiten hinzu. Mit 22 Mitarbeitern bei acht Vollkontingenten betreut die ISA derzeit 60 Teilnehmer.
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LEBEN & LEIDENSCHAFT
Rex Tillerson schaffte es nicht bis Osterwald Früher galt das Dorf als reichstes im Land, heute stehen immer noch 23 Gewerbebetriebe in Partnerschaft mit dem Ölriesen Exxon Mobil VON GERHARD HERRENBRÜCK OSTERWALD. 20 Autominuten
nordwestlich von Nordhorn: flaches, weites Land, Gehöfte auf Abstand, Rohrleitungen kreuz und quer bis zum Horizont, nickende Ölpumpen im Weideland. Als Mitte der 1950er-Jahre das Erdöl zu sprudeln begann, galt Osterwald bald als reichstes Dorf Deutschlands. Ein Hauch von Dallas wehte durchs Land.
Dauerbaustellen. Innerhalb des Konzerns hat die Betriebsstätte in Osterwald eine exklusive Aufgabe, wie der kaufmännische Leiter Dirk Jacobs feststellt. Sie ist als einzige im Rohrleitungs- und Anlagenbau tätig. J+B Küpers und Strabag sind die beiden größten Unternehmen in Osterwald. Nach Auskunft von Dirk Jacobs und dem J+B Küpers-Prokuristen Michael Adolphsen kooperieren sie bestens. Man versteht sich in Osterwald auch persönlich gut. Mit einem Jahresumsatz von 30 Millionen beziehungsweise 24 Millionen Euro spielen die beiden Unternehmen in einer Liga, von der vor der Erdölzeit in Osterwald niemand auch nur eine ungefähre Vorstellung hatte. Und die Entwicklung geht weiter: Längst hat Joachim Küpers das Unternehmen um einen zusätzlichen Standort im Nachbarort Georgsdorf erweitert. Und im Moment entsteht gerade das Konzept eines Betriebsplatzes Emsland in Meppen für einen Industriewaschplatz: industrielle Reinigung von Anlagen und Gerät aus dem Bereich der Erdöl- und Erdgasindustrie. In den 80er-Jahren richtete die Gemeinde ein Gewerbegebiet ein, in dem inzwischen zehn Betriebe ein kleines Wirtschaftszentrum bilden: Handwerksbetriebe verschiedener Branchen; auch ein Schuhgeschäft, das wegen seiner Spezialisierung auf Übergrößen Kundschaft von weit her anzieht. Friedrich und Gerd Schraten betreiben dort ein Elektrofachgeschäft mit 17 Mitarbeitern. Dem SeniorChef merkt man die Freude an seinem innovativen Betrieb an. Elektroinstallation mit intelligenter Steuerung und individueller Softwarekonfiguration gehört zu seinem Alltag. Fotovoltaik-Anlagen ebenso. Exxon wurde für ihn und die anderen Handwerksbetriebe immer wichtiger, weil man dort vermehrt
Die Osterwalder, kaum mehr als 1000, gönnten sich seinerzeit sogar ein eigenes Hallenbad. Inzwischen ist das Dach eingestürzt. Zwar fließt das Erdöl auch nach dem Ende der Preußag-Ära reichlich. Für ExxonMobil, den jetzigen Operator in der Feldesentwicklung, der mit Wintershall und Engie ein Konsortium bildet, nennen Betriebsleiter Daniel Fischer und Fördermeister Thomas Peter beeindruckende Zahlen (siehe Infokasten). Aber aufgrund des rückläufigen Erdölpreises und veränderter Hebesätze in der Gewerbesteuer ist das Geld aus der Erdölindustrie für die Gemeinde knapper geworden. Doch es haben sich andere Quellen aufgetan: 23 Gewerbebetriebe sind in den vergangenen Jahrzehnten in der Nachbarschaft zum Erdöl entstanden. „Mitten hinein ins Erdölfeld“ haben die Eltern von JoaÖlförderung in Osterwald: Seit den 50er-Jahren weht ein Hauch von Texas durchs Land. chim Küpers, Chef von J+B Küpers, Fremdfirmen in Anspruch nahm ihren Betrieb gesetzt, der 1964 in und nimmt. Umgekehrt lässt er sich der Kreisstadt Nordhorn mit Mietund Leihwagen begann und der von der Exxon-Belegschaft gern für 0% Finanzierung1 Verkauf und Service von Hausgerädurch die Umsiedlung nach Oster€ 1.000,ten in Anspruch nehmen. wald sich zu einem leistungsstarGewerbebonus2 ken, industrienahen Dienstleister Gleich nebenan stößt man auf eine Branche, die man hier kaum verentwickelt hat: mit Umweltservice und Industriereinigung (Erdöl- und mutet hätte: ein Unternehmen für Werbetechnik. „Erster Eindruck – Biogasanlagen), mit Erdbau, Abstarker Auftritt“: Harm und Thobruch, Transport- und Kranarbeiten. Heute sind unter der Unternehmas Brookmann, Geschäftsführer der GmbH, befolgen diesen Rat an mensleitung von Joachim Küpers die Kundschaft auch beim eigenen 230 Mitarbeiter bei J+B Küpers täFirmensitz. Doch nicht nur der tig. Ein gigantischer Fahrzeug- und schöne Entwurf zählt, auch die Maschinenpark und eine hoch spezialisierte Mannschaft sind „regiopraktische Umsetzung, das Zimmern, Lackieren, die Kunststoff-, nal gewachsen und international im Ford Gewerbewochen Glas- und Metallverarbeitung, die Einsatz“. Das passende Gerät ist vorhanden, 200 Fahrzeuge und groElektrotechnik. Große Freude herrschte deshalb bei den Chefs ße Maschinen hat Küpers im Einsatz. Die Auftragslage ist glänzend und den 22 Mitarbeitern, als neulich eine Auszubildende mit ihrem und zu mehr als 50 Prozent beGesellenstück Bundessiegerin wurstimmt von industrienahen Dienstleistungen – tagtäglich auf den Ölde. FORD TRANSIT KASTENWAGEN FORD TRANSIT CUSTOM Was war das Erfolgsgeheimnis förderplätzen in Osterwald, im LKW BASIS KASTENWAGEN LKW BASIS für den Wirtschaftsstandort OsterEmsland und deutschlandweit. Bordcomputer, Beifahrer-Doppelsitz, 4Bordcomputer, Trennwand mit DurchEine ähnlich erfolgreiche Entwald? Altbürgermeister Johann fach verstellbarer Fahrersitz, Fensterlademöglichkeit, Zentralverriegelung Diekjakobs, der die Entwicklung bewicklung hat es bei der Strabag geheber vorn elektrisch mit Fernbedienung, Scheinwerfer-Abgeben, die zum weltweit operierengleitet hat, erklärt sich das blendlicht mit Ausschaltverzögerung so: „Vieles ist uns in den den Strabag Konzern Günstig mit Günstig mit Schoß gefallen. Aber wir mit der Unternehmens47 monatl. Finanzierungsraten von 47 monatl. Finanzierungsraten von zentrale in Köln gehört. haben den Schoß auch € € 1,2,3 1,2,4 aufgemacht.“ In der GeVor 13 Jahren ist sie an die Stelle der Grafmeinde habe man frühUnser Kaufpreis Unser Kaufpreis zeitig aufgehört, nur auf schafter Rohrleitungs23.700,- € (inkl. Überführungskosten) (inkl. Überführungskosten) 21.800,- € Landwirtschaft zu setzen, bau GmbH von Her48 Monate 48 Monate Laufzeit Laufzeit 80000 km 80000 km Gesamtlaufleistung Gesamtlaufleistung mann Over getreten und sich nicht gegen eine 0,00 % 0,00 % Sollzinssatz p.a. (fest) Sollzinssatz p.a. (fest) Wohnbebauung gesperrt. und hat auch deren Be0,00 % 0,00 % Effektiver Jahreszins Effektiver Jahreszins 3.784,03 € 3.480,67 € Anzahlung Anzahlung Osterwald bringt es in triebsgelände in der Ge19.915,97 € 18.319,33 € Nettodarlehensbetrag Nettodarlehensbetrag markung Alte Piccardie der Partnerschaft mit der 19.915,97 € 18.319,33 € Gesamtdarlehensbetrag Gesamtdarlehensbetrag Erdölindustrie zum geübernommen, nur weni219,- € 199,- € 47 Monatsraten à 47 Monatsraten à 9.622,97 € 8.966,33 € Restrate Restrate 90000 Barrel durschnittliche ge Hundert Meter von genwärtigen Zeitpunkt = 159 Liter) el Barr (1 ung rder esfö Jahr auf immerhin 613 ArJ+B Küpers entfernt. Abbildungen zeigen Wunschausstattung gegen Mehrpreis. beitsplätze – bei 1100 Zahl der Mitarbeiter des Mit 80766 t zählt Osterwald zu den zehn lands Konzerns weltweit: Einwohnern. Dem USproduktionsstärksten Ölfeldern Deutsch z Außenminister Rex Til11 500. In Alte Piccardie 235 Bohrungen, 70 km Rohrleitungsnet lerson, bis zu seinem sind es 210, die für Exxon bt ergi hub pen Pum ein : 98 Prozent Verwässerung Wechsel ins State Demit Dienstleistungen ser Was Autohaus Deymann GmbH & Co. KG ist Rest Öl; r Lite 1 durchschnittlich partment der Big Boss rund um die Förderanlatet ebeu ausg Belmfort 1 - 3 erst 50 Prozent des Vorkommens gen im Einsatz sind. Minvon Exxon Mobil, sind 49733 Haren (Ems) Ems der tlich wes Daniel Fischer und Thodestens 30 Mitarbeiter Erdölforderung Tel.: 05932/7230-0 land Fax: 05932/7230-30 mas Peter in Hannover sind in der Wartung und entspricht 21,41 Prozent von Deutsch E-Mail: info@auto-deymann.de Ems der 3 tlich wes Instandhaltung der Tiefmehrfach begegnet. 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LEBEN & LEIDENSCHAFT
LEBEN & LEIDENSCHAFT
Die Spuren des Gins führen nach Holland
Negroni Cocktail
als Aperitif Der Negroni ist ein klassischerweise im Italien servierter Cocktail, dessen Ursprung des 20. Jahrhunderts liegt.
Genever und Wacholder sind eng verwandt mit dem auch aus unserer Region stammenden Kultgetränk In zwei Jahren wurde Gin das Kultgetränk der Bar-Szene. Die Preise liegen oft zwischen 30 und 40 Euro pro Flasche. Wacholder ist das wichtigste Aroma-Gewürz für Gin. VON NORBERT MEYER UND KATJA STEINKAMP OSNABRÜCK. Ralf Schröder lächelt
beim Thema Gin. In seiner Branche hat der Getränkehändler aus Osnabrück schon manchen Hype erlebt. Dieser aber macht ihm schon lange Freude. „Vor sechs Jahren hatte ich vielleicht fünf Sorten Gin im Regal. Dann ist die Nachfrage richtig explodiert“, sagt der Fachmann. Heute bietet Schröder seiner Kundschaft etwa 50 verschiedene Sorten Gin an, darunter auch regionale Spezialitäten.
Hochprozentiges wird im Emsland, dem Osnabrücker Land und in Westfalen schon seit Jahrhunderten hergestellt und getrunken. Eigentlich ist diese Gegend bekannt für Korn. Der wurde früher viel zum Bier konsumiert. Weil das immer weniger der Fall ist, setzen auch die hiesigen Kornbrenner zunehmend auf Klasse statt Masse, wie es ihnen die Gin-Produzenten vormachen. Deren Preise im Endverkauf liegen oft zwischen 30 und 40 Euro pro Flasche. Auch in der Bar-Szene erreichte das Kultgetränk in den letzten zwei Jahren seinen vorläufigen Höhepunkt. Barkeeper Max Breitsprecher von der Osnabrücker Burger- und Hotdog-Bar „The Bulldog“ hat schon in verschiedenen Bars auf der Welt gearbeitet und weiß: „In Deutschland ist Gin sehr gefragt.“ Seine Kunden trinken am liebsten „Gin Tonic“, „Gin Basil Smash“ oder den „Negroni Cocktail“ mit Ursprung aus Italien. „Gin ist wirklich eine vielseitige Spirituose“, sagt Breitsprecher. Neben dem klassischen „Dry Gin“ gibt es Sorten wie den „Mediterra-
nean Gin“ mit Oliven oder Thymian oder den „Floral Gin“, der mit Lavendel, Rosen oder Holunder geschmacklich verziert wird. Gin sei eine schöne Grundlage für einen Drink. „Die Kunst besteht allerdings darin, den Geschmack von ihm nicht untergehen zu lassen, sondern ihn hervorzuheben.“ Mit regionalen Produkten wie „Gin 049“ aus Georgsmarienhütte arbeitet der Barkeeper gerne: „Es ist immer schön, regionale Produkte zu unterstützen. Die Bandbreite an Gin-Sorten ist aber so groß geworden, dass man nicht alles bedienen kann. Es gibt einfach momentan viel zu viel.“ Max’ Lieblingsgetränk ist der aus Italien stammende „Negroni“ der Zwanziger und Dreißiger-Jahre: „Das ist ein sehr ehrlicher Drink. Klare Linien, spezielle Geschmacksnuancen und das Schmelzwasser von den Eiswürfeln verändert den Geschmack in eine süßliche Richtung.“ Gin ist laut Wikipedia „eine meist farblose Spirituose mit Wacholderschnaps“. Der Name Gin leitet sich ab aus der botanischen Bezeichnung Juniperus für Wacholder, der als wichtigstes Aroma-Gewürz eingesetzt wird. In England gelangte Gin zur Berühmtheit. Queen Mum, Mutter der heutigen Königin Elizabeth II., war ihren Landsleuten auch wegen ihrer Vorliebe für Gin Tonic sympathisch. Geschadet scheint der Schnaps ihr nicht zu haben: Sie wurde 101 Jahre alt. Doch nicht immer genoss Gin in der britischen Monarchie ein hohes Ansehen. Im 19. Jahrhundert war sein Konsum dort lange verboten, weil die Obrigkeit sich um die Wehrfähigkeit britischer Männer sorgte und Fabrikbesitzer keine alkoholisierten Arbeiter wollten. Zuvor war Gin vor allem in der unteren Gesellschaftsschicht viel getrunken worden, sogar Kindern soll man ihn gegeben haben. Ein starkes Stück, denn nach heutigen EU-Regeln ist Gin mit mindestens 37,5 Volumenprozent eine alkoholreiche Spirituose. Ins britische Königreich gelangt war sie 1698, als Wilhelm III. von Oranien-Nassau 1698 den englischen Thron bestieg und Genever aus seiner niederländischen Heimat mitbrachte.
Zutaten:
• 3 cl Dry Gin • 3 cl Roter Wermut • 3 cl Campari • 1 Orangenzeste • Eiswürfel • 1 angebrannter Zweig Rosmarin
Zubereitung:
en Teilen 1. Gin, Wermut und Campari zu gleich in einen Tumbler mit einigen Eiswürfeln gießen, 2. mit einer Orangenzeste garnieren, (mit „Niemand Dry Gin“) arin sm 3. einen Zweig Ro Zutaten: leicht anbrennen, • 4 cl Gin (Breitsprecher nimmt dekorieren und servieren. Dry Gin von der Marke „Niemand“) • Tonic Water • 1 Apfel der Sorte „Granny Sm ith“ (laut Breitsprecher das beste Aroma) • Eiswürfel
Gin Tonic
Ein Zeremonienmeister in seinem Element: Max Breitsprecher ist Barkeeper der Osnabrücker Burger- und Hotdog-Bar „The Bulldog“.
Fotos: Katja Steinkamp
In England wurde Gin vor allem in London produziert. Ab 1769 stellte dort die Firma Gordon einen dreifach gebrannten Gin her, der unter Seeleuten beliebt war. Später etablierte sich der Begriff London Dry Gin für einen
Schnaps, der vierfach in Kupferkesseln destilliert wurde, wodurch er runder und trockener schmeckte als Genever. Noch heute ist Gordon’ s auch hierzulande ein weitverbreiteter Gin im Supermarkthandel. Weniger bekannt, aber geschichtlich bedeutend in diesem Zusammenhang ist der deutsche und ehemals westpreußische Ginhersteller Stobbe. Die heutige Markenrechte-Inhaberin Uta Stobbe entstammt der Familie von Peter Stobbe, der 1776 in Tiegenhof in der Weichselniederung bei Danzig (heute: Nowy Dwor Gdanski) eine Spirituosenfabrik gründete, die dort bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges existierte. Bekanntestes Produkt etwa zu der Zeit, in der die Freie Stadt Danzig als eigener Staat existierte (1920–1939), war der Wacholderschnaps „Stobbe Machandel“, der in bauchigen „Tönnchenflaschen“ abgefüllt wurde. Die Familie Stobbe gehört der mennonitischen Glaubensrichtung an, die auf den friesischen Reformator Menno Simons (1496–1561) zurückgeht. Dessen Täufer-Bewegung war in ihrer Heimat Verfolgungen ausgesetzt. Viele niederländische Mennoniten siedelten sich daraufhin im zur polnischen Krone gehörenden königlichen Preußen an, wo sie die Niederungen des Weichseldeltas kultivierten. Nach dem kriegsbedingten Verlust des angestammten Unternehmens gründete der damalige Inhaber 1951 die Firma Heinrich Stobbe in Oldenburg neu und nahm die Produktion von „Stobbe Machandel“ wieder auf. Bis zum Verkauf 1969 befand sie sich in Familienbesitz, danach wechselten die Markenrechte mehrfach. Zwischenzeitlich sicherten sich die Berentzen-Gruppe in Haselünne und das inzwischen insolvente Osnabrücker Unternehmen MarkenHorst diese Rechte. Doch 2014 kaufte Uta Stobbe sie zurück in ihre Familie und produziert seither Gin mit dem Stobbe-Logo. Auf der Homepage ihres Unternehmens heißt es, das Produkt Stobbe 1776 sei „als erster deutscher Gin unter
Queen Mum hatte eine Vorliebe für Gin Tonic.
Eine Wiege deutschen Gins ist dieses ehemalige Fabrikgebäude des Spirituosenherstellers Stobbe im heute polnischen Nowy Dwor Gdanski/Tiegenhof. Foto: Norbert Meyer
Zubereitung:
1. Ein Glas mit Eiswürfeln auffü llen, 2. den Gin in das Glas geben, 3. das Tonic Water langsam in da s Trinkgefäß füllen, damit möglichst wenig Ko hlensäure entweicht, 4. abschließend den Glasrand mi t einer Apfelscheibe garnieren oder wa hlweise die Fruchtscheibe in das Glas ge ben, 5. mit Lavendel dekorieren.
Machandel – das Buch Der Untergang der DDR im Spiegel der Gebrüder Grimm VON NORBERT MEYER OSNABRÜCK. Machandel – der Na-
dem Namen Stobbe Machandel bekannt geworden“. Die geschichtlichen Spuren des Kultgetränks Gins führen also nach Holland. Doch wie ist die Situation heute? Nach Aussage von Rene Strothmann gibt es gegenwärtig etwa 300 Hersteller in Deutschland. Diese Zahl sei im Zuge des Booms der letzten Jahre gewaltig gestiegen – und die wenigsten, schätzungsweise zehn bis 15, könnten allein vom Geschäft mit Gin existieren. Strothmann muss es wissen, denn er gehört zusammen mit Michael Sander seit 2014 selbst zu den Produzenten aus unserer Region. Dafür drei Beispiele:
Spirit 49: So heißt die Firma von Strothmann und Sander mit Sitz in Georgsmarienhütte. Ihr Produkt nennt sich „Gin 049“ und ist laut Eigenwerbung ein 49-prozentiger „Pure Organic Gin aus unbehandelten Wacholderbeeren, bereichert um die würzig herbe Note der Deutschen Hopfenblüte und
unverwechselbar veredelt mit den floralen Essenzen des westfälischen Salbeis“. Strothmann räumt ein, dass auch dieses Geschäft bisher noch ein Hobby der Inhaber ist, die hauptsächlich ein Unternehmen für Kosmetik und Gesundheitsprodukte betreiben. Dennoch: Ihre „Familiendestille an den Ausläufern des Teutoburger Waldes“ (Eigenwerbung) hat schon einige Tausend Flaschen verkauft und zählt neben Bars, Hotels und Einzelhändlern zum Beispiel das Osnabrücker Sterne-Restaurant „La Vie“ zu ihren Kunden. Auf der Fachmesse Bar Convent am 10. und 11. Oktober in Berlin hat Spirit 49 sein neues Produkt „049 Eierlikör“ vorgestellt.
Wollbrink: Ebenfalls in Berlin vertreten war der Bersenbrücker Spirituosenhersteller Wollbrink, der in seiner Premium-Produktreihe „Artlander“ seit April 2016 auch Gin produziert – neben Korn und Whisky. Laut Firmenchefin
„Der Negroni aus Italien ist ein sehr ehrlicher Drink.“ Max Breitsprecher
Birgit Wassmann gehört Wacholderschnaps traditionell zum Sortiment des 1932 gegründeten Unternehmens Wollbrink, das bereits fast 2000 Flaschen „Artlander Gin“ verkauft hat. Besonders hat Wassmann bei diesem Produkt neben Fachhändlern und Gastronomen als Kunden die Reiter im Visier – auf den Etiketten ihrer Ginflaschen ist ein galoppierendes Pferd zu sehen. Auch wenn Premiumprodukte wie Gin nicht massentauglich sind, sieht Wassmann darin „klar die Zukunft“ für ihr Unternehmen aus dem nördlichen Osnabrücker Land.
Blumenkind Spirituosen: Aus der Unternehmerfamilie Strautmann in Bad Laer stammt JanHendrik Strautmann, der zusammen mit seinem früheren Schulfreund Alexander Kunz unter dieser Firmierung in Bonn den „Flowgin“ produziert – und ihn ebenfalls auf der Bar Convent präsentierte. „Herber Wacholder trifft auf
samtig weiche Rose“, heißt es in der Werbung für das Produkt. Laut Kunz handelt es sich auch bei diesem Unternehmen bisher um ein „Hobbyprojekt“, doch inzwischen habe nach selbstständigen Edeka-Händlern der erste Großkunde angebissen: „Bei Galeria Kaufhof ist unser Gin bundesweit in allen Gourmet-Märkten gelistet“, berichtet der Mitinhaber und kündigt einen Umzug vom Rhein nach Bad Laer, ein neues Flaschendesign und eine Umfirmierung noch bis zum Ende des laufenden Jahres an. Chancen rechnet Kunz dem erst 2016 gegründeten Unternehmen auch auf dem chinesischen Markt aus, nachdem „Flowgin“ auf einer maßgeblichen Messe in Hongkong gleich doppelt mit dem „China Wine and Spirits Award“ in Gold ausgezeichnet worden sei. Bisher wurde vom „Flowgin“ laut Kunz eine Flaschenzahl im „mittleren vierstelligen Bereich“ verkauft.
me klingt altertümlich. Dabei ist er nur die einst im norddeutschen Raum sehr gebräuchliche Bezeichnung für Wacholder. Das „Märchen vom Machandelboom“ stammt aus der Sammlung der Brüder Grimm. Es ist eine schauerlich-schöne Erzählung vom Kindsmord durch eine böse Stiefmutter, tiefe Geschwisterliebe und der dadurch ermöglichten Wiedergeburt in anderer Gestalt.
Ihren 2014 erschienenen Erstlingsroman „Machandel“ unterlegt Regina Scheer mit diesem Märchen, indem sie ihre Ostberliner Hauptfigur Clara, Jahrgang 1960, für ihre Doktorarbeit zu diesem Thema forschen lässt. Und zwar in den letzten Jahren vor dem Mauerfall. Den Namen Machandel trägt in dem Roman ein Dorf in der Mecklenburgischen Schweiz, das umgeben ist von Wacholdersträuchern. Hier verbinden sich die Fäden von Claras Familiengeschichte. Nachdem die Protagonistin 1985 diesen Ort gemeinsam mit ihrem 1946 dort
Regina Scheer
Foto: Marta Mlejnek
geborenen Bruder Jan als magisch wiederentdeckt hat, kauft sie in Machandel einen verfallenen Bauernkaten, in dem sie Ruhe haben will. Richtig gelingen wird dieser Plan nicht – trotz vieler Reisen mit dem Trabi dorthin. Schon am Tag nach ihrem gemeinsamen Besuch in Machandel verlässt ihr Bruder die DDR aus politischen Gründen. Für Clara ist das ein großer Verlust. Letztlich handelt Regina Scheers Roman von der Geschichte und vom Untergang des
ostdeutschen Staates, dessen Bürger mit ihren verschlungenen Lebensgeschichten und dessen gesellschaftlicher Wandel sich im Mikrokosmos des Dorfes Machandel widerspiegeln. Die Erzählung basiert auf fünf Ich-Stimmen: der von Clara, von Herbert (dem Freund ihres Bruders), von ihrem Vater Hans, der als ehemaliger KZ-Häftling die DDR mit aufgebaut hat und dort bis zum Minister aufgestiegen ist, von der ehemaligen sowjetischen Zwangsarbeiterin Natalja, die in Machandel sesshaft wurde, und von ihrer Tochter Lena, die erst nach der Wende ihren verschollenen ukrainischen Vater kennenlernt. Das alles ist an vielen Passagen bewegend, sodass sich nach der Lektüre vielleicht ein Schnaps aus Wacholder empfiehlt.
„Machandel“ Regina Scheer, Knaus Verlag, 480 Seiten, 22,99 Euro
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DONNERSTAG, 26. OKTOBER 2017
LEBEN & LEIDENSCHAFT
Unternehmerin will Bräute glücklich machen Cathrin Hesping verkauft in ihrem Fachgeschäft „BrautSchön“ in Bad Bentheim Brautkleider und ganz viel gute Atmosphäre VON ANDREAS KRZOK BAD BENTHEIM. Es soll ein einzigartiger, ein unvergesslicher Tag werden – der schönste im Leben: der Hochzeitstag. Im Mittelpunkt die Braut in ihrem hinreißenden Kleid. So ein Traumgebilde aus Tüll, Satin, Organza fällt allerdings nicht vom Himmel. Deshalb ist die unbestritten wichtigste Station im Vorbereitungsmarathon ein Fachgeschäft wie Cathrin Hespings „BrautSchön“ in der Bad Bentheimer Wilhelmstraße.
Etwa 500 Träume in Weiß verkauft Cathrin Hesping jedes Jahr in ihrem Laden „BrautSchön“ in Bad Bentheim.
Fotos: Kai Steinkühler
Wer hier eintritt, taucht ein in eine Wolke weißer Textilien. Die angehende Braut und ihre Entourage fühlen sich wie im Auge des Wirbelsturms. Hier ist es ruhig. „Ein Brautkleid zu kaufen ist etwas ganz Besonderes“, sagt Cathrin Hesping. „Darum wollen wir, dass die Braut hier ein schönes Erlebnis hat.“ Wie gut das der Chefin und ihren mittlerweile 15 Mitarbeiterinnen gelingt, ist in den vielen Facebook-Einträgen auf der „BrautSchön“-Seite nachzulesen. Das Bad Bentheimer Fachgeschäft entwickelte sich innerhalb weniger Jahre zu einer im weiten Umfeld bekannten Adresse. Die steht nicht nur für Hochzeitskleider samt allen Accessoires, sondern auch für
Bei BrautSchön setzt man auf kompetente Beratung: Auswahl und Anproben dauern oft mehrere Stunden.
ein erlesenes Angebot an festlicher Abendgarderobe. Das Sortiment umfasst 400 Brautkleider und über 1000 Abendkleider für alle nur denkbaren festlichen Anlässe. Dass sie einmal ein stark wachsendes Unternehmen führen und eigene Modenschauen auf Hochzeitsmessen choreografieren würde, war in Cathrin Hespings Lebensplanung nicht unbedingt vorgesehen. Die 36-Jährige wurde in Nordhorn geboren, nach Schule und Höherer Handelsschule sammelte sie in einem Versandunternehmen wertvolle Erfahrungen, die ihr heute zugutekommen. Ab 2010 bot Hesping auf einer Internetseite maßgefertigte Brautkleider an und verkaufte sie in Deutschland, Ös-
terreich und der Schweiz. Eines Tages aber stand die erste Kundin vor ihrer Haustür. Es blieb nicht bei der einen, und als im November 2014 über 30 Bräute anklopften, fiel die Entscheidung für den eigenen Laden in der Wilhelmstraße in Bad Bentheim. Mittlerweile werden auch mehrere benachbarte Immobilien genutzt. Aus einem Umkreis von circa 250 Kilometern finden die Kunden den Weg zu „BrautSchön“. Vereinzelte Kleider wurden auch nach Amerika, in die Schweiz oder die Niederlande verkauft. Aus den Niederlanden bezieht Hesping den größten Teil der Ware. Einzelne Designer-Kleider werden unter anderem in Paris geordert.
Mit dem Kauf des Kleides ist es in der Regel nicht getan. Letzte Feinkorrekturen sind Sache von Schneiderinnen und Schneidern. „BrautSchön“ arbeitet mit etlichen regional verteilten Firmen zusammen. „Unsere Kundinnen freuen sich über die kurzen Wege“, betont Cathrin Hesping. Umsatzzahlen verrät die Unternehmerin nicht, wohl aber, dass pro Jahr circa 500 Brautkleider zu Preisen zwischen 499 und 1700 Euro verkauft werden. Die Zahl der verkauften Abendkleider übertrifft die der Hochzeitskleider deutlich. Während bei den Bräuten Weiß dominiert, aber neben Vintage-Mode auch dezente Farbtöne gewünscht werden, leuchten Abendroben und Zeremoniekleidung oft in kräftigen Farben. Auch dem Bräutigam bietet „BrautSchön“ eine hochwertige Ausstattung von Kopf bis Fuß an. Und die Kinder? Cathrin Hesping lächelt: „Unsere Kollektion reicht vom Taufkleidchen bis zum Kommunionkleid. Wir statten auch die Blumenkinder aus, die immer die kleinen Stars im Brautgefolge sind.“ Fehlen nur noch die Eheringe. Die gibt es gleich nebenan bei Cathrin Hespings Schwester Rebekka Pielsticker. Zusammen mit ihrem Mann Sven betreibt sie dort das Trauringstudio „Goldstück“.
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DONNERSTAG, 26. OKTOBER 2017
LEBEN & LEIDENSCHAFT
Beim Meister der Emder Teezeremonie Franz Thiele ist Geschäftsführer, Teeverkoster und Teekomponist des ostfriesischen Traditionsunternehmens Thiele Tee VON INGA WOLTER EMDEN. Seit mehr als 140 Jahren trinken Ostfriesen Thiele Tee. Das Familienunternehmen verdankt seine starke Stellung in der Region der klugen Konzentration auf das Kerngeschäft und der Firmentradition. Unser Besuch bei Geschäftsführer Franz Thiele beginnt mit einer Einführung in die Kunst der Teekomposition. Und er endet mit einem gemeinsamen Tässchen, bei dem wir gegen sämtliche Regeln der ostfriesischen Teeetikette verstoßen.
Laut schlürfend steht Franz Thiele in der Herzkammer seines Unternehmens, der Probierküche. Er testet eine Tasse Assam nach der anderen. In Windeseile. Fast gleichzeitig hebt er die Döschen mit dem losen Tee an, um zu sehen, welche Sorte er gerade prüft. Er spuckt die Flüssigkeit in eine Schale wie bei einer Weinprobe. In der Hauptsaison findet er auf diese Weise heraus, welche Tees er bestellen will. Dann prüft er über 500 Tassen am Tag. Heute geht es um die Frage, welche Sorten er wie kombinieren kann. Jede Tasse eine Entscheidung. Hunderte Entscheidungen an einem Tag. Ja, er habe sich schon mal geirrt und eine Sorte bestellt, auf die er besser verzichtet hätte. „Die Kunst besteht darin, aus der Vielfalt die Originale auszusuchen.“ Franz Thiele hat lange trainiert, wie er seine Tees komponiert. Dazu gehöre viel Liebe, sagt der Unternehmer. Seinen ersten Tee verkostete der heute 60-Jährige schon 1978 – allerdings nicht im Unternehmen des Vaters, sondern in der Hamburger Speicherstadt. Eine kluge Entscheidung sei dieser Start in der Fremde gewesen – vielleicht die beste seines Lebens. Als einziger Sohn hätte er es sich auch einfacher machen können. Der Einstieg ins Familienunternehmen sei eine „veritable Möglichkeit“ gewesen. Zunächst wollte der junge Mann aber prüfen, ob ihm der Tee überhaupt Spaß macht. „Ich bin damit aufgewachsen“, sagt Thiele. „Aber um eine Berufsentscheidung zu treffen, musste ich herausfinden, ob ich das Gestaltungspotenzial habe.“ Nach der Ausbildung verbrachte er zwei Jahre als Trainee im „Tee“ in der Speicherstadt. Er lernte den internationalen Handel kennen,
Für die firmeneigenen Ostfriesenmischungen prüft Franz Thiele jedes Jahr zwischen 500 und 600 Sorten Tee. Fotos: Johannes Bichmann/SOUL-PHOTO
mischte und verarbeitete Tee. Außerdem lernte er, das bei der Verkostung Geschmeckte in Worte und Bewertungen umzusetzen – und damit in letzter Konsequenz auch in Entscheidungen. Mit Genuss erklärt er, welche geschmackliche und welche gedankliche Leistung es ist, die Qualität eines Tees zu beschreiben, um zur perfekten Komposition zu gelangen. „Das sinnliche Erleben muss ich mit der Ratio in Deckung bringen“, sagt er.
„Tee ist Sinnlichkeit, Runterkommen, Verbindlichkeit.“ Franz Thiele
Pools
Seine verschiedenen Teeproben nennt er „Musiker“. Die muss er zu einem wohlklingenden Orchester vereinen. In der Hauptsaison von Mitte Mai bis Ende Juni bewerben sich täglich 500 bis 600 Kandidaten bei ihm. Aus ihnen sucht Franz Thiele die Superstars heraus, die ersten Geigen, die zart spielenden Flöten. Das geschehe blind, um dem Selbstbetrug vorzubeugen, also sich nicht von einem Vorurteil leiten zu lassen – etwa, weil er schon gute oder schlechte Erfahrungen mit einer Sorte hat. Eine physisch und psychisch anstrengende Aufgabe. Vor allem wenn es im ostfriesischen Sommer mal heiß ist. Das Besondere dabei: Thiele kann keine Mischung, die er auf diese Weise komponiert hat, über einen langen Zeitraum verkaufen. Denn jede Teeernte ist endlich. Wenn eine Sorte aufgebraucht ist, muss ein neuer Musiker das Anschlussengagement im Orchester übernehmen. Ab und zu gibt es auch einen, „der viel besser vorgesungen hat“ und sich bei der zweiten Probe als durchschnittlich entpuppt. Das Unternehmen, das als Marktführer für Ostfriesentee gilt, arbeitet seit Jahrzehnten mit denselben Lieferanten zusammen. „Das ist sehr persönlich und ent-
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scheidend für die Qualität und Zuverlässigkeit“, sagt der Geschäftsführer. „Es gilt der Handschlag.“ Eine große Entscheidung sei es damals vor rund 20 Jahren gewesen, direkt bei den Teeproduzenten zu kaufen und nicht länger den Weg über die Importeure zu nehmen. Der direkte Handel sei für Thiele & Freese die schlankere und flexiblere Lösung gewesen. Von der Probierküche in einem unscheinbaren Backsteinbau in der Innenstadt schauen wir direkt aufs Wasser, in den beschaulichen, noch leicht verschlafenen Emder Morgen. Für einen traditionsbewussten Teeproduzenten ist das ein Standort wie aus einem Bilderbuch: ruhig, familiär, nah am Meer. „Meine zweite gute Entscheidung war, nach Emden zu gehen“, sagt Franz Thiele. „Hier geht es nicht um ein Start-up, sondern um ein Kulturgut.“ Später im Besprechungsraum des Unternehmens schenkt Thiele seinen Gästen Tee ein. Wir nehmen Kandis, aber auf das Wulkje, das typisch ostfriesische Sahnewölkchen, verzichten wir. Spätestens jetzt sind wir
enttarnt als echte Teeanfänger. Als wir dann auch noch umrühren, ist klar, dass wir nicht von hier kommen. „Tee ist Teil der ostfriesischen DNA“, sagt Thiele. Sein Vater prägte den Slogan „Ostfriesen trinken Thiele Tee“. Als Franz Thiele 1983 ins Unternehmen einstieg, ging es vor allem darum, sich auf diese Tradition zu besinnen. Nach dem Motto „Lieber ein großer Fisch im Teich als ein Hering in der Nordsee“ beschränkt sich Thiele auf echten Ostfriesentee und bietet nur wenige Zusatzprodukte an, Kekse und Bonbons etwa, Rooibusch oder Früchtetee. „Man muss wachsam und ausbalancierend sein, um sich am Markt behaupten zu können“, sagt Franz Thiele. Er fokussiert sich deshalb auf den regionalen Markt, wobei er das Geschäft mit der Zeit von Emden über Oldenburg und Bremen auf ganz Niedersachsen ausgedehnt hat. Die größten Konkurrenten in der Heimat sind die Bünting-Gruppe aus Leer und Onno Behrends aus Norden. Der meistgetrunkene Thiele Tee ist der „Broken Silber“, bekannt durch seine silberne Verpackung. „Echter Ostfriesentee ist eine der letzten guten Geschichten“,
sagt der 60-Jährige. Bei vielen Tees bestimmen heute große Anbieter den Markt. Die Beschränkung auf das eine Produkt sichert Thiele mit seinen heute gerade einmal 25 Mitarbeitern die Zukunft. „Tradition ist Pflicht, weniger Kür“, beschreibt Thiele es. Eine „extrem gute Entscheidung“ ist laut Thiele auch die Werbekampagne mit Bildern von Tee trinkenden Menschen. Seit fast 30 Jahren wirbt Thiele damit. Die Deutschen trinken im Jahr 28 Liter Tee, die Ostfriesen 300 – fast elfmal mehr als der Durchschnittsbürger. Dieses Kulturgut zu erhalten betrachtet Franz Thiele als ehrenvolle Aufgabe, die aber nur mit einer guten Mannschaftsaufstellung zu leisten sei: „Auch Jogi ist nur so gut wie sein Team.“ Thiele schätzt bei allen Herausforderungen die unternehmerische Freiheit und Selbstbestimmtheit, deren Voraussetzung Unabhängigkeit sei. Während Großkonzerne häufig die Zahlen zur ersten Messlatte für geschäftliche Entscheidungen machen müssten, habe er die Freiheit, in tolle Produkte zu investieren und für Qualität auch mal höhere Preise zu zahlen. Würde die Firma aus der Nische herauswachsen, könne diese Ausgangslage verloren gehen. „Limitiert ist das Unternehmen einfach stärker“, glaubt Franz Thiele. Die Werte von Freiheit und Selbstbestimmtheit gab ihm sein Vater mit auf den Weg. Genauso wie die Freude, „ein Nationalgetränk mitzutragen“. Diese unbändige Freude am Tee ist bis heute zu spüren – egal, ob man Franz Thiele bei der Teeverkostung zuschaut oder ein Tässchen mit ihm trinkt. Tee ist für ihn Sinnlichkeit, Runterkommen, Verbindlichkeit. „Chillen“ sei vielleicht das falsche Wort. „Aber der Mensch braucht etwas Atmosphärisches.“ Irgendwann komme im Leben das „Ende des Hipseins“, und da erinnere man sich vielleicht an ein schönes Getränk. Auf die Bindung der Ostfriesen zu ihrem Nationalgetränk setzt Thiele, egal ob sie in der Heimat leben oder woanders. Den Wert dieses Kulturguts sichtbar zu halten – das sei die Herausforderung für die Zukunft.
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DONNERSTAG, 26. OKTOBER 2017
LEBEN & LEIDENSCHAFT 10.11.2017 | 13.00 UHR
TERMINE
GTZ Nordhorn: Grundlagen der Selbstständigkeit
DER WIRTSCHAFT
GRAFSCHAFTER TECHNOLOGIEZENTRUM, NORDHORN
02.11.2017 | 18.30 UHR
11.11.2017 | 10.00 UHR
Was werden wir in Zukunft essen? (Vortrag: Stefan Töpfl)
13. Jobmesse Bielefeld (auch am 12.11.2017)
DBU ZENTRUM FÜR UMWELTKOMMUNIKATION, OSNABRÜCK
STADTHALLE BIELEFELD, WILLY-BRANDT-PLATZ
03.11.2017 | 14.00 UHR
13.11.2017 | 17.00 UHR
18. Grafschafter Messe „Lebens(t)räume 2017“
Gründerhaus Osnabrück: Rechtsform (Vortrag)
MESSE FÜR BAUEN, WOHNEN, LEBEN, ALTE WEBEREI, NORDHORN
Mehr als 15 000 Kilometer legt gten t die knapp 70 Teilnehmer der Fahrrad-Aktion „Met de Fiets to Utz“ zurück. f Unternehmen ihre Preise. Zehn Gewinner erhielten vom Schüttorf rfer
06.11.2017 | 14.00 UHR
Foto: Georg Utz GmbH
Über Verantw twort w rtung t sprach Trigema-Chef Wolfgang Grupp im NOZ-Medienzentrum. Foto: BVMW/H.Pentermann
DIE GESICHTER DER WIRTSCHAFT
Interkulturelle Sensibilisierung: Ticken wir unterschiedlich? KULTURBUNKER STADT EMDEN, EMS-ACHSE/JOBMOTOR NORDWEST
06.11.2017 | 17.00 UHR
ICO INNOVATIONS CENTRUM OSNABRÜCK
14.11.2017 | 17.00 UHR Emsland GmbH: Workshop Pressearbeit LANDKREIS EMSLAND, KREISHAUS II, MEPPEN
16.11.2017 | 15.00 UHR
Gründerhaus Osnabrück: Steuern – Experten-Vortrag
Ems-Achse: Runder Tisch „Die Mischung macht’ s“
ICO INNOVATIONS CENTRUM OSNABRÜCK
LOGABIRUMER STRASSE 10, LEER
07.11.2017 | 09.00 UHR Gründerhaus Osnabrück: IHK Seniorenexperten beraten
21.11.2017 | 09.00 UHR
Der Osnabrücker Landrat Michael Lübbersmann informiert rte t sich im CC ISOBUS über aktuelle Landtechnik. Foto: WIGOS
WIGOS: InnovationsImpulsgespräche WIGOS MBH, VOR ORT IM LANDKREIS
IHK OSNABRÜCK-EMSLAND-GRAFSCHAFT BENTHEIM, OSNABRÜCK Hart rtung t bei Hart rting: t Zusammen mit Christian Neureuther und Ehefrau Rosi (Mitte) gab Robert rtt Hart rtung t (links)
07.11.2017 | 15.00 UHR
Mitarbeitern des Espelkamper Unternehmens Tipps und Anregungen zum Fitbleiben.
Foto: Hart rting t
21.11.2017 | 17.30 UHR
MEMA-Netzwerk: Die Fachkräfte von morgen entwickeln!
it.emsland/MEMA-Netzwerk: Smart Services sicher im Einsatz
BIZ AGENTUR FÜR ARBEIT EMDEN-LEER, LEER
IT-ZENTRUM LINGEN, KAISERSTRASSE
08.11.2017 | 09.00 UHR
22.11.2017 | 09.30 UHR
MEMA-Netzwerk und andere: Zuliefermesse Maschinenbau
Firmenkontaktmesse Osnabrück: Chance 2017
MESSEZENTRUM BAD SALZUFLEN
HOCHSCHULE OSNABRÜCK, AULA UND FOYER
08.11.2017 | 13.00 UHR
Im Badepark Bad Bentheim wurde ein Anbau für Massagen
Zum zehnten Jubiläum des Gründerhauses Osnabrück wur-
Boris Pistorius (SPD) im Gasthaus Schnieders in Georgsdorf rff beim
und Wellnessangebote feierlich eröff ffnet. f
de der Internet-Auft ftritt t relauncht. Foto: WIGOS/E.Wiebrock
Pfannkuchenbacken.
Foto: GN
Foto: GN
Wachstumsregion Ems-Achse: Wirtschaftstag Nordwest 2017
GTZ Nordhorn: Rechtsanwaltssprechtag
FORUM ALTE WERFT, PAPENBURG
GRAFSCHAFTER TECHNOLOGIEZENTRUM, NORDHORN
23.11.2017 | 18.30 UHR
09.11.2017 | 14.30 UHR
WIGOS-Sprechtag: Fördermittel und Finanzierung
AOK und Ems-Achse: Betriebliches Gesundheitsmanagement
KREISHAUS OSNABRÜCK, SCHÖLERBERG
MASCHINENFABRIK BERNHARD KRONE GMBH & CO. KG, SPELLE
07.12.2017 | 14.00 UHR
09.11.2017 | 17.00 UHR Innovate 2017 – Convention und Award THEATER AM DOMHOF, OSNABRÜCK
23.11.2017 | 12.30 UHR
Kompakt-Seminar: „Marketing mit Storytelling“ Trotz Regenwetters und Wind hatten die Weller-Mitarbeiter viel Spaß bei der Drachenbootreg gatta auf dem Templiner See, zu der sie vom Chef eingeladen worden waren. Kein Wunder – waren sie zuvor doch von Burkhard Weller (links) als die besten Mitarbeiter aus Verkauf und Affter-Sales ausgezeichnet worden.
Fotos: Weller Group
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DONNERSTAG, 26. OKTOBER 2017
VERLAGS-SONDERVERÖFFENTLICHUNG
&
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TRANSPORT LOGISTIK
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Fragen an Herrn Rolf Meyer, 1. Vorsitzender KNI Was muss man sich unter diesem Netzwerk vorstellen? Das Kompetenznetz Individuallogistik e. V. ist ein Zusammenschluss verschiedener Logistikunternehmen, Hochschulen und öffentlicher Institutionen in der Region Osnabrück, Münster und Bielefeld. Ziel des KNI ist es, die Wahrnehmung der Logistikregion zu stärken, Menschen für die Logistik zu begeistern und bestehende Kooperationen auszubauen. Wir verfolgen eine regionale profilbildende Vernetzung der Logistikunternehmen, Institutionen und wissenschaftlichen Einrichtungen in der Logistikregion und fördern die Wahrnehmung der Logistikregion im nationalen und internationalen Netzwerk. Auch das Standort-
dung an das EUREGIO-Gebiet sind wir auch über die Landesgrenzen hinaus aktiv.
profitiert von ihrer Lage auf der Ost-West-Achse von den Niederlanden nach
EUREGIOisteindeutsch-niederländischerZweckverband,dem129Städte,Gemein-
Osteuropa und von den deutschen Seehäfen ins Ruhrgebiet. Die Region gilt somit
denundKreiseangehören.Hierleben3,4MillionenMenschenauf13.000km².Wirals
als erstes Drehkreuz im Hinterland von Europas größten Seehäfen. Die Auto-
Region verstehen uns als Bindeglied zu den internationalen Seehäfen (Amsterdam,
bahnen A1 (Hamburg, Bremen, Ruhrgebiet), A30 (Hannover, Amsterdam) und A33
Rotterdam und Antwerpen) sowie zu unseren nationalen Nordsee- und Binnen-
(Bielefeld, Paderborn), die Bahn-Linien mit ICE-Verbindungen zwischen Nord-Süd
häfen – hier ist an erster Stelle der Tiefseewasserhafen Jadeweserport zu nennen.
und Ost-West sowie der internationale Flughafen Münster-Osnabrück vernetzen
Wir sehen uns ebenfalls als wichtige Partner im „Hinterland“, die notwendige
die Logistikregion national und international.
Interaktionen zwischen den Versendern und den Empfängern der Seefracht steuern. Was viele nicht wissen ist, dass Export und Importverzollungen hier in der Region geleistet werden und in den Häfen „nur“ noch der reine Warenumschlag als Dienstleistung angeboten wird.
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Was sind denn die Logistik-Dienstleistungen, die die Mitglieder von KNI anbieten? Die in der Region Osnabrück, Münster und Bielefeld ansässigen Logistikunternehmen bieten das gesamte Spektrum logistischer Dienstleistungen im nationalen und internationalen Kontext an: Durch enge Verzahnung von Unternehmen und
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Möbel, Frische- und Tiefkühlprodukte)
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bildung von Beschäftigten. Des weiteren sind umfangreiche Kooperationen mit
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Lage und Infrastruktur
des Osnabrücker Hafens. Das Terminal wird auf dem alten Gelände der Winkel-
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TRANSPORT & LOGISTIK
Güterverkehr bleibt auch 2017 auf Wachstumskurs Fast drei Viertel aller Waren in Deutschland werden per Lkw befördert Transportweg Nr. 1: Auf den Straßen wurden etwas mehr Güter befördert. Fotos: dpa/iStock (3)
VON SIEGFRID SACHSE OSNABRÜCK. Handys aus Hongkong, Maschinenteile nach Kanada, Papier aus Schweden, Autos nach Indien, Jeans aus Bangladesch, Fabrikanlagen nach China oder Kuckucksuhren in die USA – das ist nur ein ganz kleiner Ausschnitt von Waren und Gütern, die täglich weltweit disponiert werden. Wenn beim grenzüberschreitenden Warenverkehr jedes Produkt genau dort ankommt, wo es gebraucht wird, haben in der Regel Kaufleute für Spedition und Logistikdienstleistung ihre Finger im Spiel.
Für ihre Auftraggeber aus Industrie und Handel organisieren und optimieren sie den Gütertransport und -umschlag rund um den Globus. Die Logistik ist in Deutschland der größte Wirtschaftsbereich nach der Automobilwirtschaft und den Handel. Rund 258 Milliarden Euro Umsatz wurden im Jahr 2016 branchenübergreifend erwirtschaftet. Logistik rangiert damit noch vor der Elektronikbranche und dem Maschinenbau. Mit mehr als 2,9 Millionen übertrifft sie des-
sen Beschäftigtenzahl um das Dreifache. Nur knapp die Hälfte der logistischen Leistungen, die in Deutschland erbracht werden, sind für jedermann sichtbar und wahrnehmbar, nämlich in der Bewegung von Gütern durch Dienstleister. Die andere Hälfte findet in der Planung, Steuerung und Umsetzung innerhalb von Unternehmen statt. In Deutschland wurden im vergangenen Jahr mehr Güter transportiert als je zuvor. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden stieg das Transportaufkommen gegenüber 2015 um 1,1 Prozent auf 4,6 Milliarden Tonnen. Zu diesem Wachstum trugen die Verkehrszweige Lastkraftwagen, Seeschiffe, Rohrleitungen und Flugzeuge bei. Beim Eisenbahnverkehr und bei der Binnenschifffahrt gab es dagegen Rückgänge. Insgesamt wuchs der Güterverkehr in Deutschland im vierten Jahr in Folge. Auf Straßen wurden nach einer externen Schätzung der im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur erstellten Mittelfristprognose im vergangenen Jahr 3,6 Milliarden
Tonnen und damit 1,5 Prozent mehr Güter befördert als 2015. Im Eisenbahnverkehr ging die Beförderungsmenge in der Berichtszeit dagegen um 1,6 Prozent auf 361 Millionen Tonnen zurück. Auch Binnenschiffe beförderten mit 220 Millionen Tonnen weniger Güter als im Vorjahr (minus 0,8 Prozent). Niedrigwasser führte hier im letzten Quartal 2016 zu starken Rückgängen des Transportaufkommens. Somit gewannen Lastkraftwagen Anteile im Güterverkehr hinzu, während Eisenbahnen und Binnenschiffe Einbußen hinnehmen mussten. Fast drei Viertel aller Güter werden per Lkw befördert. Im Seeverkehr stieg die Beförderungsmenge geringfügig um 0,3 Prozent auf 293 Millionen Tonnen. Der Transport von Rohöl in Rohrleitungen nahm um zwei Prozent auf 92 Millionen Tonnen zu. Das stärkste Wachstum aller Verkehrszweige wies die Luftfracht mit einem Plus von 3,3 Prozent auf – allerdings werden in Flugzeugen mit insgesamt 4,5 Millionen Tonnen nur 0,1 Prozent des gesamten Transportvolumens befördert. Der Güterverkehr in Deutschland setzt auch in diesem Jahr sei-
nen Wachstumskurs fort. Einer Prognose der SSP Consult zufolge, die im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur erstellt wurde, wird mit einer Zunahme im Jahr 2017 um zwei Prozent im Vergleich zum Jahr zuvor gerechnet. Der größte Schub entfällt dabei auf den Lkw: Auf der Straße wird ein Plus von 2,6 Prozent erwartet. Dabei würden ausländische Lkw mit einer Zunahme von 4,5 Prozent mehr am Wachstum teilnehmen als inländische mit 1,4 Prozent, heißt es in der Prognose. Die Bahn mit einem erwarteten Plus von 0,6 Prozent und die Binnenschifffahrt mit nur 0,2 Prozent entwickelten sich dagegen nur minimal weiter. Für 2018 und 2019 sind die Prognosen eher zurückhaltend. SSP Consult geht für das nächste Jahr von einem Gesamtwachstum von 1,3 Prozent, für das darauffolgende Jahr von 1,1 Prozent aus. Auch dabei wird die Straße mit einem Plus von 1,4 Prozent am besten abschneiden. Als Grund für das schwächere Wachstum wird das fehlende Personal genannt. Die Nachfrage steige kontinuierlich an, gleichzeitig werde es immer schwieriger, Fachkräfte zu finden.
Binnenschiffe transportierten etwas weniger Güter im Berichtszeitraum.
Auch bei der Eisenbahn mussten Rückgänge im Transportaufkommen hingenommen werden.
Verzeichnete das stärkste Wachstum aller Verkehrszweige: die Luftfracht.
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TRANSPORT & LOGISTIK
Logistikbranche sucht dringend Nachwuchskräfte Verband: Gute Karrierechancen – Keine Männerdomäne – Hoher Frauenanteil
Der Ausbildungsberuf „Kaufmann/-frau für Spedition und Logistikdienstleistung“ erfreut sich nach Angaben der Branche seit einigen Jahren wieder stärkerer Beliebtheit. 2016 entschieden sich 5610 Auszubildende für den Einstieg in diesen Beruf. Dass es sich beim Berufsbild nicht um eine Männerdomäne handelt, belegt der hohe Frauenanteil von 39 Prozent. Die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen hält laut des zuständigen Verbandes allerdings noch nicht mit dem Wachstum der Branche Schritt. „Die auch
bote zu entwickeln. Auch gute Deutschkenntnisse können bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz hilfreich sein, beispielsweise bei Informations- und Verkaufsgesprächen mit Kunden. Aber gute Noten in diesen Fächern sind laut der Analyse kein Muss. Duale Studiengänge werden bei Studierenden und Arbeitgebern immer beliebter. So auch in der Logistik. Immer mehr Unternehmen aus Industrie, Handel und Logistikdienstleistung bieten diese Qualifizierung in einem Rutsch an. Ob kaufmännisch oder technisch orientiert – das duale Studium ist sehr anspruchsvoll und erfordert eine hohe Lern- und Leistungsbereitschaft. Die beruflichen Perspektiven entschädigen jedoch für die Mühen. Die Grundidee des dualen Studiums ist schnell erklärt. Ein Studium wird mit längeren Praxisphasen in Unternehmen kombiniert. Dies heißt im Klartext: Wer „dual“ studiert, schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe. Am Lernort „Betrieb“ wird umfassend Praxiserfahrung in der Logistik gesammelt und am Lernort „Hochschule“ parallel Theorie gebüffelt. Duale Studiengänge, die Logistiker ausbilden, werden hauptsächlich von Berufsakademien bzw. Dualen Hochschulen und Fachhochschulen angeboten.
Faszinierende Einblicke in die Arbeitswelt bei Speditionen und Logistikunternehmen bietet die Ausbildung „Kaufmann/-frau für Spedition und Logistikdienstleistungen,die sowohl für Männer als auch Frauen geeignet ist.Auch die Zukunft in der Branche ist gesichert.
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OSNABRÜCK. Gütermobilität und Logistik bilden das Rückgrat unseres gesamten Wirtschaftssystems. Industrie und Handelsunternehmen haben hohe Ansprüche. Jedes Produkt soll zur richtigen Zeit in der richtigen Menge am richtigen Ort sein. Dafür zu sorgen, dass alles rundläuft, ist der Job von Spediteuren und Logistikern, und zwar über Ländergrenzen und Kontinente hinweg. Ob Automobilindustrie, Versandhandel, Mode oder Elektronik, bei Großveranstaltungen bzw. im Onlinehandel – überall spielt die Logistik eine entscheidende Rolle.
zukünftig stark expandierende Logistikbranche sucht dringend Nachwuchskräfte. Je nach Engagement und interner Qualifikation sind nach der Ausbildung die Karrierechancen in der Logistikbranche auch ohne zusätzliches Studium sehr hoch“, betont Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes. Viele ehemalige Auszubildende würden bereits nach kurzer Zeit in leitenden Positionen arbeiten, nicht selten auch in Auslandsniederlassungen ihrer Betriebe. Kaufmann für Spedition und Logistikdienstleister kann man theoretisch mit jedem Schulabschluss oder sogar auch ohne Abschluss werden. Die meisten Azubis starten mit (Fach-)Abitur in die Ausbildung, ermittelte das Bundesinstitut für Berufsbildung. Danach folgen Auszubildende mit Realschulabschluss, und ein kleiner Teil beginnt mit einem Hauptschulabschluss. Azubis ohne Schulabschluss sind allerdings die Ausnahme. Gute Noten und Kenntnisse in Mathematik und Wirtschaft zahlen sich den Angaben zufolge bei der Bewerbung um einen Arbeitsplatz aus, denn sie helfen dem Berufsanfänger zum Beispiel beim Kalkulieren von Laufzeiten und um marktgerechte Leistungsange-
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TRANSPORT & LOGISTIK
Güterverkehr auf der Schiene soll wieder attraktiver werden Bahn-Frachttochter Cargo will an früheren Erfolg anknüpfen – Wichtige Weichenstellung für die Zukunft VON SIEGFRID SACHSE OSNABRÜCK/BERLIN. Noch in den
Jahren 2003 bis 2011 wuchs der Schienengüterverkehr stärker als der Gütertransport auf der Straße. Inzwischen ist dieser Erfolgstrend allerdings ins Stocken geraten. Angesichts der schwierigen Wettbewerbsbedingungen haben die Güterbahnen erhebliche Mühe, den Marktanteil so leidlich zu halten.
Im vergangenen Jahr wurden 364 Millionen Tonnen Güter auf dem Schienennetz des öffentlichen Verkehrs in Deutschland transportiert, dies bedeutete einen Rückgang der beförderten Gütermenge von 1,0 Prozent gegenüber 2015. Im Vergleich zum Jahr 2011 beträgt die Einbuße sogar 3,0 Prozent, als mit 375 Millionen Tonnen der bislang höchste Wert des Gütertransports auf Schienen der letzten zehn Jahre erreicht wurde. Insbesondere der Binnenverkehr, auf den etwa zwei Drittel des ge-
samten Güterverkehrs entfallen, musste 2016 einen Rückgang um 2,8 Prozent hinnehmen. Dagegen erreichte das Frachtaufkommen bei deutschen Lkw-Speditionen 2016 einen neuen Rekord. Die Menge der per Lkw transportierten Waren belief sich auf 3,1 Milliarden Tonnen, ein Plus von 2,5 Prozent gegenüber dem Jahr zuvor. Mit gut 71 Prozent Anteil werden also fast drei Viertel aller Güter mit Lastwagen befördert – 17,6 Prozent sind es per Schiene. Und die Prognosen gehen davon aus, dass die Verkehrsleistung auf der Straße weiter zunimmt. Dem Schienengüterverkehr ginge es viel besser, wenn nicht seit Jahren eine straßenfreundliche Politik betrieben würde, kritisiert die Organisation Allianz pro Schiene. In der Tat bestehen einige Ungereimtheiten, die die Wettbewerbsbedingungen unter den Verkehrsträgern verzerren. Während die Güterbahnen zum Beispiel für jeden auf dem Schienennetz zurückgelegten Kilometer eine Maut be-
zahlen müssen, zahlen die Lkw in Deutschland lediglich auf Autobahnen und einigen Bundesstraßenabschnitten ihren Obolus – und dies auch erst ab einem zulässigen Gesamtgewicht von 7,5 Tonnen. Kein Wunder also, dass die Bahn in ihrer Frachtsparte in den vergangenen Jahren tiefrote Zahlen schrieb. Inzwischen, so scheint es jedenfalls, hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt die Dramatik der Lage erkannt. Der CSU-Politiker verkündete zur Jahresmitte einen „Masterplan Güterverkehr“, der die Bahn konkurrenzfähiger machen soll. Vorgesehen ist unter anderem eine Halbierung der Trassenpreise, die Güterzugbetreiber zahlen müssen und rund 15 Prozent der Transportkosten ausmachen. Dafür will der Bund 350 Millionen Euro bereitstellen. Dobrindt machte deutlich, dass es sich nicht um eine einmalige Aktion, sondern um jährliche Preissenkungen auch über 2018 hinaus handeln solle. Vorgesehen ist in dem Plan außerdem eine Abgabenentlas-
Ein leichter Lichtschein am Horizont ist sichtbar im deutschen Güterverkehr per Eisenbahn.Darauf will man aufbauen.
tung beim Bahn-Strom. Im Blick steht auch, das Schienennetz für einen Einsatz längerer Güterzüge von bis zu 740 Metern auszurüsten, etwa durch zusätzliche Überholgleise. Das Bahn-Forschungsprogramm soll sicherstellen, dass die technische Entwicklung auf der Schiene mit der auf der Straße mithalten kann. So soll im Rangierbahnhof München-Nord ein Testfeld für die automatisierte Zusammenstellung einzelner Waggons zu Güterzügen starten. Die Bahn begrüßt die Pläne von Dobrindt, die „einen erheblichen Innovationsschub“ auf die Schiene bringen würden. Dadurch werde
der Schienengüterverkehr deutlich attraktiver, betonte Verkehrsvorstand Berthold Huber. Niedrigere Trassenpreise sollten schnell umgesetzt werden und sowohl für Hauptkorridore als auch für weitere Strecken in der Fläche kommen. Auch der Verband der Bahnindustrie spricht von einem „großen Schritt auf dem Weg zu einer ökologisch und ökonomisch nachhaltigen Logistik“. Die Allianz pro Schiene, die an der Ausarbeitung des „Masterplans“ beteiligt war, zeigt sich vor allem über die Senkung der Trassenpreise erfreut. Die Güterbahnen litten unter Kostennachteilen, die die Politik zu verantworten ha-
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be, und deshalb sei ein solcher Schritt richtig, erklärt der Verband. Allerdings kritisiert die Organisation Dobrindts Pläne als zu spät: „Besser wäre es gewesen, er hätte für die Umsetzung schon vor drei Jahren die Ärmel hochgekrempelt.“ Angesichts der brummenden Konjunktur hat die Deutsche Bahn unterdessen den Sparkurs bei der Frachttochter korrigiert. DB Cargo werde im operativen Geschäft keine Stellen abbauen, sondern zusätzliche Arbeitsplätze und Transportkapazitäten schaffen, hieß es. Außer neue Loks wird auch in einem Ausbau des Güterwaggonnetzes investiert.
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TRANSPORT & LOGISTIK
„Fahrermangel gefährdet Versorgungssicherheit“ Deutscher Speditions- und Logistikverband schlägt Alarm: Rahmenbedingungen für die Branche verbessern
VON SIEGFRID SACHSE BERLIN/OSNABRÜCK. Der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV) schlägt Alarm. Hauptgeschäftsführer Frank Huster befürchtet in Europa Versorgungsengpässe, wenn es nicht gelingt, die aktuelle prekäre personelle Situation entscheidend zu verbessern. Derzeit fehlen der Logistikbranche allein in Deutschland bis zu 45 000 Fahrzeugführer. Den Angaben zufolge würden Speditionen zunehmend über Sendungen berichten, die dem Handel heute trotz Lieferzusagen wegen Fahrermangels nur mit mehrtägiger Verzögerung zugestellt werden.
Beim deutschen Speditions- und Logistikverband schrillen die Alarmglocken. Durch den sich zuspitzenden Mangel an qualifizierten Lkw-Fahrern drohen schwerwiegende Auswirkungen auf die Volkswirtschaft, mahnt die Organisation. Herr Huster, derzeit fehlten der Logistikbranche allein in Deutschland bis zu 45 000 Fahrzeugführer, mit schnell steigender Tendenz. Welche Gründe sind für diese Entwicklung verantwortlich? Der Fachkräftemangel ist kein isoliertes Problem der Speditionsund Logistikbranche. Derzeit suchen viele Branchen händeringend Fachkräfte. Aber im Vergleich zu anderen Berufen hat der Fahrerberuf inzwischen ein relativ schlechtes Image. Dies liegt auch an schlechten Rahmenbedingungen. Eine Wertschätzung Dritter und ein respektvoller Umgang vor allem auch der Logistikkunden aus Handel und Industrie an Be- und Entladeplätzen ist kaum vorhanden. Die Straßen sind überfüllt und staubelastet, dadurch steigt das Stressempfinden. Im Fernverkehr kommen die tagelange Abwesenheit vom Wohnort und die teilweise belastende Situation an Autobahnparkplätzen mit schlechten
auf dem Weg dahin sind nicht nur technische, sondern auch rechtliche Hürden zu nehmen, wie die Ergebnisse des vom BMVI (Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur) eingesetzten Ethikrats ja zeigen. Als Zwischenschritt werden mindestens gut ausgebildete Fahrzeugführer als technische „Supervisor“ den Transport begleiten. Auf Sicht werden Transporte also weiterhin von Menschen durchgeführt. Kurzfristig wird der Fahrermangel dadurch nicht geheilt werden können.
oder nicht vorhandenen sanitären Einrichtungen hinzu. In der Öffentlichkeit wird diese Situation regelmäßig medial selektiv und einseitig negativ verstärkt. Verschwiegen werden darf das in der Vergangenheit vergleichsweise schlechte Lohnniveau natürlich auch nicht. In den kommenden 15 Jahren werden mehr als 60 Prozent der dem Markt heute zur Verfügung stehenden Fahrer in den Ruhestand gehen. Und der demografische Faktor wird die Lücke vergrößern. In welchen Bereichen macht sich der Fahrermangel besonders bemerkbar? Dort, wo die Negativkriterien am stärksten ausgeprägt sind, also im gewerblichen Straßengüterfernverkehr. Aber auch der regionale Verkehr und die Logistik zur Versorgung der urbanen Ballungsräume suchen Fahrer. Ihr Verband befürchtet Versorgungsengpässe, wenn es nicht gelingt, die prekäre personelle Situation zu verbessern. Wird hier nicht zu schwarz gesehen? Nein, auch wenn der Konsument es heute vielleicht noch nicht unmittelbar spürt. Speditionen berichten aber zunehmend über Sendungen, die dem Handel heute trotz Lieferzusagen nur mit mehrtägiger Verzögerung zugestellt werden können, weil Fahrer fehlen. Punktuell sind bereits bis zu zehn Prozent der Fahrzeugflotten nicht mehr einsetzbar. Es gibt keine Branche, die ohne Logistikunterstützung existieren kann. Dies gegenüber der verladenden Wirtschaft und der Öffentlichkeit deutlich auszusprechen ist also dringend erforderlich. Wie kann die Attraktivität des Berufsbilds der Fahrzeugführer gesteigert werden? Indem man die Ursachen für das negative Image und die Rahmenbedingungen nachhaltig ändert. Grundsätzlich ist der Fahrer-
Die Lkw bei Speditionen stehen bereit – nur geeignete Fahrer fehlen.
Frank Huster ist Hauptgeschäftsführer des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes.
beruf viel interessanter als das Image, das er in der Öffentlichkeit genießt. Auf die Fahrer warten technisch hochmoderne, sichere und komfortable Fahrzeuge, also ein Arbeitsplatz mit großer Verantwortung. Es ist bereits ein spürbarer Anstieg der Lohnsituation zu verzeichnen, dadurch steigen natürlich die Logistikkosten, und das Preisgefüge auf dem Transportmarkt ist in Bewegung geraten. Die flächendeckende Versorgung mit Waren hat eben ihren Preis! Welche Forderungen zur Verbesserung der Lage stellen Sie an die Politik? Die Politik muss die externen Rahmenbedingungen herstellen, um den Arbeitsplatz Lkw zu stärken. Zunächst ist der Zustand der Straßen schnell und effizient zu verbessern, Planungsfehler der Vergangenheit zu vermeiden, und Haushaltsmittel hierfür sind in konstanter Höhe bereitzustellen. Hierzu gehört auch der kontinuierliche Ausbau von sicheren Park-
Hoffnungsträger für die gesamte Branche: die Luftfracht.
plätzen, damit Fahrer gesetzlich vorgeschriebene Ruhezeiten auch einhalten können. Daneben muss die Einhaltung der Sozialvorschriften europaweit dicht und effizient kontrolliert werden, damit ausufernder Wettbewerb nicht auf dem Rücken der Fahrer geschieht. Die Nachwuchsförderung kann durch Förderprogramme und eine deutliche Flexibilisierung des Arbeitsrechts für Bewerber aus Drittstaaten verbessert werden. Nach einer Studie der Universität Duisburg-Essen braucht über die Hälfte der befragten Fahrer abends im Durchschnitt 30 bis 60 Minuten, um einen Parkplatz zu finden, 28 Prozent benötigen mehr als eine Stunde. Können in diesem Zusammenhang flexiblere Arbeitszeiten zur Entspannung der unerfreulichen Parkplatzsituation beitragen? Die Tätigkeit des Fahrers ist mobil und ortsungebunden und deshalb per se nicht mit der anderer Arbeitnehmer vergleichbar. Er
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muss ein eng getaktetes Zeitmanagement erfüllen, das von den engen Be- und Entladezeitfenstern der Kunden, von der Pflicht zur Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten und von der allgemeinen Verkehrssituation beeinflusst wird. Eine gewisse Flexibilität der gesetzlichen Arbeitszeiten kann helfen, die Situation zu entschärfen. Die Entwicklungsabteilung von Daimler erprobt Systeme zum autonomen und vernetzten Fahren, die den Güterverkehr auf der Straße effektiver machen sollen. Wie beurteilen Sie das komplett führerlose Fahren, dass sicherlich in nicht allzu ferner Zeit Realität werden dürfte? Möglicherweise werden in Zukunft Lösungen zum automatisierten und später auch zum autonomen Fahren, d. h. die digitale Vernetzung von Fahrzeugen untereinander und mit der Verkehrsinfrastruktur dazu beitragen, die heutige Situation zu entschärfen. Doch
Hatte auch Anteil am Branchen-Rekordumsatz : die Binnenschifffahrt.
Noch ein paar Worte zur wirtschaftlichen Lage der deutschen Speditions- und Logistikunternehmen. Wie hoch schätzen Sie für 2016 den Umsatz der Branche, und mit welcher Entwicklung ist für dieses Jahr zu rechnen? Die konjunkturelle Entwicklung hat für 2016 für Rekordumsätze gesorgt. Der Trend setzt sich 2017 voraussichtlich fort. In 2016 erzielte die Logistik als der drittgrößte Wirtschaftsbereich branchenübergreifend einen Umsatz in Höhe von 258 Milliarden Euro. Allerdings blieben die Margen des Speditionsgeschäfts mit einer Umsatzrendite von durchschnittlich unter drei Prozent nach wie vor gering. Wie sieht es mit dem Konzentrationsprozess im Bereich Speditionen und Logistik in Deutschland aus? Insbesondere in der Stückgutlogistik setzt sich der Konzentrationsprozess der letzten Jahre fort. Die Herausforderung besteht im Erhalt dichter und flächendeckender Systemnetze, die sowohl von Konzernanbietern wie auch von Mittelstandskooperationen betrieben werden. Insbesondere für den inhabergeführten Mittelstand besteht das Problem der Unternehmensnachfolge, die sich angesichts der zuvor beschriebenen Rahmenbedingungen und der eher bescheidenen Renditeerwartungen nicht leichter gestaltet.
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TRANSPORT & LOGISTIK
„Den Pkw-Fahrern werden Lang-Lkw kaum auffallen“ Speditionschef Ulrich Boll sieht zahlreiche Vorteile der Fahrzeuge
Die Luftfracht trägt auch weiterhin maßgeblich zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland bei, während der Binnenschifffahrt für die Zukunft ein großes Wachstumspotenzial beigemessen wird.
Zur Stärkung des Standorts
s.sa./IHK OSNABRÜCK. Der Güterverkehr in Deutschland wird auf Wachstumskurs bleiben. Nach einer Prognose der Bundesregierung wird allein der Straßengüterverkehr bis 2030 gegenüber dem Jahr 2010 um rund 40 Prozent zunehmen. Dies bedeutet im Klartext: Alle Verkehrsträger müssen noch effizienter und umweltschonender werden. Infrastrukturengpässe müssen beseitigt, moderne Verkehrsmanagementsysteme eingesetzt und die Verkehrsträger noch stärker vernetzt werden. Der Einsatz des Lang-Lkw wird von den Befürwortern als ein wichtiges Instrument angesehen, um den wachsenden Güterverkehr zu bewältigen. Bei einem nicht unwesentlichen Teil der Bevölkerung bestehen allerdings nach wie vor Vorbehalte gegen den 25-MeterTruck. Als Hauptgründe werden von den Gegnern des Lang-Lkw ein größeres Unfallrisiko und ein erhöhter Aufwand für Umbauund Reparaturarbeiten des Straßennetzes genannt. Nach einer dieser Tage in Stuttgart veröffentlichten Studie zur Klimabilanz des Lang-Lkw verursachen diese Fahrzeuge nur geringe Verlagerungen von der Schiene auf die Straße. Und: Sie sorgen gegenüber dem Transport in konventionellen Lkw für eine deutliche Reduzierung der CO2-Emissionen. Die Gutachter – Prognos AG, Basel, und Thinkstep AG, Leinfelden-Echterdingen – haben im Auftrag des Landes Baden-Württemberg und der Daimler AG reale Betriebsabläufe beim Stuttgarter Autokonzern ausgewertet und zudem den bundesweiten Feldversuch Lang-Lkw untersucht. Mit Blick auf die von vielen befürchtete Rückverlagerung von der Schiene auf die Straße erwarten sie für 2030 in Deutschland lediglich gut 400 Tonnen mehr Treibhausgase als ohne den Einsatz von LangLkw. Durch die Verlagerung von Gütern vom konventionellen auf den Lang-Lkw würden hingegen 2030 mehr als zwei Millionen Lkw-Fahrten eingespart – das verringere die Treibhausgasemissionen um über 113 000 Tonnen pro Jahr. Mit dem Einsatz und Befürchtungen von Gegnern des LangLkw befasst sich im Nachfolgenden Ulrich Boll, Vorsitzender der IHK-Ausschüsse Verkehr und Landkreis Emsland sowie Geschäftsführender Gesellschafter der Georg Boll GmbH & Co. KG, Meppen: Danach entstand schon vor mehr als 20 Jahren die Idee, Lang-Lkw einzusetzen. Seit 1996 existiert eine EU-Verordnung, die den Einsatz längerer Nutzfahrzeuge bzw. Fahrzeugkombinationen auf speziell dafür freigegebenen Strecken regelt. Dabei kommen verlängerte Anhänger oder auch Sattelzüge mit einem kurzen Anhänger zum Einsatz. Diese Fahrzeuge dürfen bis zu 25,25 Meter lang und damit bis zu 6,50 Meter länger als ein Standard-Gespann sein. Die Idee ist bestechend, weil zwei Lang-Lkw das Ladevolumen von drei Lastzügen ersetzen. Das Fahrzeugwerk Krone in Werlte war einer der Pioniere bei der Entwicklung. Bereits im Jahr 2005
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Luftfracht: Mit der Welt verbunden – Binnenschifffahrt: Viel Potenzial
VON SIEGFRID SACHSE OSNABRÜCK. Wenn von der Luft-
fahrt die Rede ist, denkt man oftmals in erster Linie an Passagiere, die mit dem Flugzeug rund um den Globus in den Urlaub fliegen oder auf Geschäftsreisen sind. Doch Flugzeuge verbinden nicht nur diesen Personenkreis mit der ganzen Welt, sie befördern auch Waren, die für unseren Alltag benötigt werden. Dabei kann es sich um Ersatzteile für die Hochtechnologie ebenso handeln wie um Medikamente oder frische Lebensmittel und Delikatessen.
Ulrich Boll ist Vorsitzender der IHK-Ausschüsse Verkehr und Landkreis Emsland sowie Geschäftsführender Gesellschafter der Georg Boll GmbH & Co.KG,Meppen. Foto: IHK
wurden dort erste Testfahrten durchgeführt. Wegen der zahlreichen Vorteile haben sich seinerzeit die regionalen Unternehmen Hellmann, Meyer & Meyer, Rigterink, SLK und Boll an einem niedersächsischen Pilotprojekt beteiligt und den Lang-Lkw auf die Straße gebracht. Im Anschluss an diese regionale Erprobung hat das Bundesverkehrsministerium einen auf fünf Jahre angelegten Feldversuch durchgeführt. Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) hat diesen Feldversuch wissenschaftlich begleitet und die Vorteile voll bestätigt. Der Lang-Lkw ermöglicht durch den Verzicht auf zusätzliche Fahrten Effizienzgewinne. Die Einsparung von Kraftstoffen und damit von Klimagasen und Luftschadstoffen liegt zwischen 15 und 25 Prozent je transportierter Tonne. Die Verkehrsverlagerung von der Schiene oder Wasserstraße auf die Straße durch den Lang-Lkw beträgt nur 0,1 bis 0,3 Promille und ist damit nicht fühlbar. Eine Verschlechterung der Verkehrssicherheit und ein höherer Verschleiß der Verkehrsinfrastruktur waren ebenfalls nicht feststellbar. Aufgrund der guten Testergebnisse wurde der Lang-Lkw nach Abschluss des fünfjährigen Feldversuchs Anfang 2017 für den Regelbetrieb freigegeben. Weiterhin dürfen nur speziell freigegebene Strecken, das sogenannte Positivnetz, genutzt werden. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Autobahnen oder Kraftfahrstraßen. Auch die sonstigen Rahmenbedingungen aus dem Feldversuch wurden beibehalten. So müssen die Fahrzeuge auf dem aktuellen Stand der Sicherheitstechnik sein und dürfen nur von besonders zuverlässigen und für diesen Einsatz speziell geschulten Fahrern bedient werden. Hinsichtlich des zulässigen Gesamtgewichts gelten für die Lang-Lkw weiterhin die gleichen Vorgaben wie für die üblichen Fahrzeuge: 40 Tonnen beziehungsweise 44 Tonnen im Kombinierten Verkehr Straße/Schiene. Aufgrund dieser Rahmenbedingungen wird der Lang-Lkw trotz
seiner Vorteile kaum ein Massenphänomen auf unseren Straßen. Besonders geeignet ist er für Stückgutverkehre zwischen den Knoten der Logistiknetzwerke, den sogenannten Hubs, sowie für den Transport von großen Mengen leichter Güter wie Wellpappe oder Zellstoff z. B. zwischen Fabriken und Häfen. Damit haben die Befürchtungen von Gegnern des Lang-Lkw, dass Kunden massenhaft von der Schiene auf die Straße umsteigen würden, keine Grundlage. Auch Bezeichnungen wie „Monster-Lkw“ führen in die Irre. Den meisten Pkw-Fahrern werden Lang-Lkw auf der Autobahn kaum auffallen. In Innenstädten sind sie nicht anzutreffen, ganz im Gegensatz zu den dort immer häufiger eingesetzten Linienbussen mit Anhängern, die es auf eine Gesamtlänge von 23 Metern bringen. Viel selbstverständlicher gehen z. B. unsere niederländischen Nachbarn mit dem Lang-Lkw um. Dort sind diese Fahrzeuge unter der Bezeichnung „Entlaster“ oder Ökokombi schon deutlich weiter verbreitet. Im hiesigen Wirtschaftsraum ist der Lang-Lkw trotz der geleisteten Pionierarbeit von Hersteller und Logistikern dagegen kaum zum Einsatz gekommen. Grund war die über lange Zeit ablehnende Haltung des Landes NRW. Große Abschnitte der wichtigen Fernstraßen A 1 und A 30 führen über nordrhein-westfälisches Gebiet und konnten daher nicht genutzt werden. Die IHK Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim hat sich wiederholt dafür eingesetzt, dass zumindest für den Transitverkehr auf diesen regional bedeutsamen Strecken eine Zulassung erfolgt. Zu Beginn dieses Jahres hat man in NRW endlich umgedacht und will nun einen Großteil des Fernstraßennetzes für den Lang-Lkw freigeben. Jetzt muss nur noch der Bundesverkehrsminister das Positivnetz entsprechend erweitern, dann kann der Lang-Lkw auch in unserer Region die Straßen, die Umwelt und die Unternehmen entlasten.
Die Luftfracht macht es möglich, dass Deutschland rund um die Uhr an internationale Produktionsketten angebunden ist. So vorteilhaft dies für die Wirtschaft auch ist, es kann aber vorkommen, dass die weltweite Produktions- und Lieferkette durch plötzliche Ereignisse empfindlich in Mitleidenschaft gezogen wird. Fliegen keine Flugzeuge, können Produktionsbänder verschiedentlich nicht mehr so reibungslos laufen, oder sie stehen sogar still, weil wichtiges Material der Zulieferer fehlt. Dies war zum Beispiel im Jahr 2010 der Fall, als eine isländische Aschewolke nicht nur den Luftverkehr in Europa zu einem wesentlichen Teil lahmlegte, sondern auch die deutsche Automobilindustrie vorübergehend zu Zwangspausen zwang. Die Waren werden übrigens nicht nur in reinen Frachtmaschinen transportiert: Knapp 50 Prozent der Fracht wird in den „Bäuchen“ von Passagierflugzeugen verschickt. Oftmals handelt es sich dabei um zeitsensible, schnell verderbliche Produkte, für die der Weg über das Land oder Meer keine Alternative ist. Für den europäischen Handel spielt die Luftfracht allerdings nur eine untergeordnete Rolle. Dies verwundert nicht, da innereuropäische
Waren auch relativ schnell über Straße oder Schiene transportiert werden können. Eine Ausnahme bildet jedoch die sogenannte Expressfracht, die über Nacht auf einzelnen Drehkreuzflughäfen, zum Beispiel Leipzig/Halle oder Köln/Bonn, umgeschlagen und auf europäische Flüge verteilt wird. Der Empfänger kann die Expressware somit bereits am Folgetag in Empfang nehmen. Der weltweite Frachtluftverkehr wuchs im ersten Halbjahr 2017 um 10,4 Prozent. Das ist eine deutlich positivere Bilanz als im Vorjahr, wo der Frachtverkehr mit 0,5 Prozent weitgehend stagnierte. Die europäischen Fluggesellschaften sind in den ersten sechs Monaten dieses Jahres mit einem Plus von 13,6 Prozent sogar stärker gewachsen als der weltweite Schnitt. Ausschlaggebend dafür war die starke Nachfrage zwischen Europa und Asien. Fazit: Die deutsche Luftverkehrswirtschaft trägt mit dem Transport von Außenhandelswaren im Wert von über 200 Milliarden Euro zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland bei. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist auch das Engagement der heimischen Binnenschifffahrt, die 2016 mit 8,1 Prozent am deutschen Güterverkehr beteiligt war. Insgesamt wurden nach Angaben des Statistischen Amtes Waren für insgesamt 221,3 Millionen Euro auf den hiesigen Binnenwasserstraßen transportiert – damit verzeichnete die Branche gegenüber dem Jahr zuvor eine Stagnation. Negativ beeinflusst wurde diese Entwicklung unter anderem durch Niedrigwasserstände auf dem Rhein, die für den Transitverkehr in mehreren Monaten zu zweistelligen Einbrüchen führten. Das Geschäft der Binnenschifffahrt wird von Massengütern dominiert, auf die ein Anteil an der Gesamtmenge von rund 70 Prozent entfällt. Dazu zählen etwa Baustof-
fe, Erze, Kohle und Stahl. So setzt die rohstoffintensive Stahlindustrie am Niederrhein auf das Binnenschiff und wickelt 40 Prozent ihres Frachtaufkommens über das Wasser ab. Ein weiterer wichtiger Geschäftszweig ist der Transport von Gefahrgut. Darunter entfallen u. a. brennbare flüssige Güter wie Benzin, Heizöl, chemische Grundstoffe (z. B. Methanol), Endprodukte wie Säuren und verflüssigte Gase (z. B. Ammoniak). Der Rhein stellt die mit Abstand wichtigste und verkehrsreichste Binnenwasserstraße in Europa dar. Rund 80 Prozent des Güterverkehrs in der Binnenschifffahrt findet auf dieser internationalen Magistrale statt, die die westlichen Seehäfen mit dem Hinterland verbindet. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang: Der Niederrhein wird jährlich von knapp 200 000 Schiffen befahren. Die Binnenschifffahrt sieht nach Angaben ihres Bundesverbandes (BDB) noch viel Potenzial für die Bewältigung des Güterverkehrs der Zukunft. Die Standesorganisation plädiert deshalb gemeinsam mit den weiteren am System Wasserstraßen Beteiligten (Häfen, Spediteure, Wirtschaft) für einen bedarfsgerechten Erhalt und Ausbau der Flüsse und Kanäle. Dabei seien ökonomische und ökologische Ansprüche möglichst in Einklang zu bringen, heißt es hierzu. Bedauert wird vom Verband, dass dem Zustand der Wasserstraßen in der Vergangenheit von der Politik zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Ausbaumaßnahmen wie etwa an der Mosel würden über Jahrzehnte gestreckt. Und auch der Erhalt habe gelitten: 30 Prozent der Schleusen haben danach das technische Lebensalter von 100 Jahren bereits erreicht. Ein Drittel aller Schleusen befindet sich Untersuchungen zufolge in einem nicht mehr ausreichenden Zustand. Die Standesvertretung fordert deshalb ein energisches Gegensteuern.
DONNERSTAG, 26. OKTOBER 2017
VERLAGS-SONDERVERÖFFENTLICHUNG
TRANSPORT & LOGISTIK
„Lkw-Fahrer brauchen bessere Ruhezonen“ Gewerkschaft Verdi fordert noch mehr Parkplätze – Rahmenbedingungen für Fahrzeugführer verbessern
VON SIEGFRID SACHSE BREMEN/OSNABRÜCK. Die Ge-
werkschaft Verdi fordert bessere Ramenbedingungen für Lkw-Fahrer. Nach Auffassung von Thomas Warner, Leiter des Landesfachbereichs Postdienste, Spedition und Logistik in Niedersachsen/Bremen, sind noch mehr Parkplätze erforderlich, gleichzeitig müsste auch die Qualität der Rastanlagen verbessert werden. Rastanlagen sollten weiter von der Autobahn entfernt liegen und eine Ruhezone darstellen. Hier sei nicht nur die Politik gefordert, auch Unternehmen hätten eine Fürsorgepflicht.
Herr Warner, der Speditionsund Logistikverband schlägt Alarm. Danach fehlen bereits jetzt in Deutschland bis zu 45 000 Fahrzeugführer. Es wird damit gerechnet, dass sich die personelle Situation weiter verschlechtert. Wie beurteilt Ihre Gewerkschaft die Lage? Das Problem ist nicht neu, seit über 15 Jahren sind die Szenarien immer wieder beschrieben worden. Früher hat die Branche die Fahrer von der Bundeswehr ausgebildet bekommen, dann haben die Firmen über ihre Außenstellen in Osteuropa Fahrer angeworben, und nun gehen immer mehr Fahrer in den Ruhestand.
Es werden sogar Versorgungsengpässe befürchtet, wenn es nicht gelingt, die prekäre personelle Situation zu verbessern. Sind Sie auch dieser Meinung? Versorgungsengpässe sehe ich zwar nicht, aber es wird sich etwas ändern müssen. Wir sind es momentan gewohnt, dass Waren aus der ganzen Welt an der nächsten Ecke zu bekommen sind. Es kann dazu führen, dass wir uns eventuell wieder auf Lieferzeiten einstellen müssen und nicht alles immer täglich verfügbar ist. Wir haben uns an ein „just in time“ gewöhnt und müssen gegebenenfalls umdenken. Welche Gründe sind aus Ihrer Sicht dafür ausschlaggebend, dass sowohl im Fern- als auch im Nahverkehr so viele Fahrzeugführer fehlen? Dass die Branche in der Vergangenheit zu wenig ausgebildet hat, ist ein Grund, dieses wäre jedoch zu kurz gegriffen. Die Attraktivität eines Berufszweigs hat viele Gesichter. Die Löhne, die Arbeitszeiten, die Monotonie, wenig Weiterentwicklungsmöglichkeiten und auch der Umgang mit den Fahrern sind hier ein paar Aspekte. Aber auch ein extremer Unterbietungswettbewerb in der Branche, bei dem die Nachhaltigkeit keine Beachtung gefunden hat. Wir befinden uns hier in einem neoliberalen Markt, da zählen nur Kosten.
Welche Maßnahmen sind erforderlich, damit es gelingen kann, wieder mehr qualifizierte Kräfte für den Beruf des Fahrzeugführers zu interessieren? Es wäre notwendig, dass sich die Rahmenbedingungen verbessern. Wir haben zwar in fast allen Bundesländern Flächentarifverträge, leider waren die Tarifverhandlungen auch immer von kleinen Betrieben bestimmt. Sie müssen jeden Euro dreimal umdrehen, hängen häufig am Tropf von Großunternehmen und hangeln sich als Subunternehmer von Ausschreibung zu Ausschreibung. Da ist es sehr schwierig, das Tarifniveau nach oben zu korrigieren. Die Großunternehmen müssten wieder mehr auf Eigenbeschäftigung setzen. Leider war die Branche auch immer davon geprägt, dass die Kapitäne der Straße wenig bereit waren, sich in Gewerkschaften zu organisieren und für ihre Rechte einzutreten. Wir haben in den Tarifverträgen Arbeitszeiten zwischen 38 und 40 Stunden pro Woche geregelt. Die tatsächliche Arbeitszeit wird jedoch durch die Lenkzeitverordnung bestimmt, hier beträgt die max. Lenkzeit 90 Stunden in der Doppelwoche. Hinzu kommen noch weitere Arbeitszeiten und Bereitschaftszeiten. Somit beträgt der Arbeitstag im Fahrbereich nicht selten 12 bis 13 Stunden.
Thomas Warner ist bei Verdi der Leiter des Landesfachbereichs Postdienste,Spedition und Logistik in Niedersachsen/Bremen.
Verschiedentlich wird kritisiert, dass die Fahrer oftmals auch zu Be- und Entladungstätigkeiten beim Kunden herangezogen werden. Wie berechtigt ist diese Kritik? Eigentlich ist es ja positiv, wenn jemand neben der monotonen Fahrtätigkeit auch andere Tätigkeiten ausführt. Leider sind dieses jedoch immer Tätigkeiten, die zusätzlich zu den 90 Stunden
Transport & Logistik
Verlags-Sonderveröffentlichung am Donnerstag, 26. Oktober 2017 Herausgeber: Verlag Neue Osnabrücker Zeitung GmbH & Co. KG, Breiter Gang 10–16, 49074 Osnabrück, Telefon 05 41/310-0 Redaktion: Neue Osnabrücker Zeitung GmbH & Co. KG V.i.S.d.P.: Ralf Geisenhanslüke Konzeption und Umsetzung: NOW-Medien GmbH & Co. KG, Große Straße 17–19, 49074 Osnabrück, Jürgen Wallenhorst, Siegfrid Sachse Titelgestaltung: Manfred Vogelsang ANZEIGEN-/WERBEVERKAUF: MSO Medien-Service GmbH & Co. KG, Große Straße 17–19, 49074 Osnabrück Geschäftsführer: Sven Balzer, Sebastian Kmoch (V.i.S.d.P.) Verantwortlich für Anzeigen-/Werbeverkauf: Sven Balzer, Marvin Waldrich (E-Mail: anzeigen@mso-medien.de) Druck: NOZ Druckzentrum, Weiße Breite 4, 49084 Osnabrück
Versierte Fahrer gesucht – die Attraktivität des Berufszweiges müss-
Auch der Mangel an Parkplätzen entlang der deutschen Autobahnen
te dringend verbessert werden.
in Deutschland ist noch nicht zufriedenstellend gelöst.
Fotos: iStock
Lenkzeit und der Bereitschaftszeit noch erledigt werden müssen. Das Arbeitszeitgesetz wird in diesem Bereich mit Füßen getreten. Somit ist die Kritik voll berechtigt. Die Kontrollbehörden haben häufig das Nachsehen, da viele Fahrer diese Arbeitszeiten als Bereitschaftszeiten aufzeichnen und somit das Gesetz umgehen. Noch ein paar Worte zum Mangel an Parkplätzen an den Autobahnen: Die Fahrer benötigen oftmals viel Zeit, um zu den Nachtstunden einen Stellplatz für ihr Fahrzeug zu finden. Hat die Politik nicht früh genug die Weichen für eine Verbesserung der Situation gestellt? Die Politik hat reagiert und vermehrt Rastplätze ausgebaut, leider noch nicht ausreichend genug. Problematisch ist, dass Deutschland ein Transitland ist und LkwFahrer auf der Durchreise übernachten müssen. Solange der Transport mit dem Lkw günstiger ist, als die Waren auf andere Ver-
Foto: Ver.di
kehrsträger zu verlagern, wird sich diese Situation nicht entspannen. Die Politik hat den EU-Binnenmarkt gewollt, den Transport der Waren jedoch den freien Kräften des Marktes überlassen. Schiene und Binnenschifffahrt wurden vernachlässigt. Welche Forderungen stellen Sie an die Politik, die Rahmenbedingungen für Fahrzeugführer an den Autobahnen in puncto Parkplatzsituation zu verbessern? Wer will schon gerne an der Autobahn übernachten oder ausruhen. Es muss neben der Anzahl auch die Qualität der Rastanlagen verbessert werden. Rastanlagen müssen weiter von der Autobahn entfernt liegen und eine Ruhezone darstellen, die Sicherheit für die Menschen muss erhöht werden. Die Forderungen richten sich jedoch nicht nur an die Politik, nur weil sich die Fahrer nicht auf einem geschlossenen Firmengelände befinden, können die Unternehmen nicht aus ihrer Führsorgepflicht entlassen sein.
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