Die Wirtschaft_02/2021

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Wirtschaftstalk

Frauen in Führung

Etabliert und doch Start-up

Wie wohnen wir, und was bringt die Zukunft?

So erleben Frauen die Debatte um weibliche Vorstände.

Florian Stisser ist mit Schlecks nicht nur in Osnabrück erfolgreich.

Wohnen & Bauen – Seiten 18 und 19

Macher & Märkte – Seite 3

Leben & Leidenschaft – Seite 23

K Z ACer da iss

www.maler-schulte.de DONNERSTAG, 29. APRIL 2021 AUSGABE 02/21 | EINZELPREIS 1,90 €

OSNABRÜCK | EMSLAND | GRAFSCHAFT BENTHEIM

Rein ins Eigenheim?

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Immer weniger Menschen wohnen in den eigenen vier Wänden / Quote in der Region höher als im Bund Eigenheimquote ist in den vergangenen Jahren nicht gestiegen.

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In dieser Ausgabe:

Standortporträt Gemeinde Hilter

Jens Wollesen wird Vorstand bei Hellmann

In der Grafschaft leben die meisten in den eigenen vier Wänden. Zu wenig Rücklagen für den Kauf von Haus oder Wohnung? VON NINA KALLMEIER OSNABRÜCK/MEPPEN/LINGEN/ PAPENBURG/NORDHORN Obwohl

für viele die eigene Wohnung oder das eigene Haus ein Traum ist, besitzt mehr als die Hälfte der Deutschen kein Wohneigentum. Zuletzt lag die Eigentümerquote laut Statistischem Bundesamt bei 46,5 Prozent – Tendenz stagnierend, obwohl die Zinsen zur Finanzierung von Wohneigentum seit Jahren niedrig sind. Gleichzeitig steigen jedoch auch die Preise stark, trotz Pandemie. Wer unter den Voraussetzungen doch Eigentum bildet, den zieht es laut Statistik jedoch vor allem ins Einfamilienhaus. Ein Blick auf die Regionen zeigt: Wenn es um Wohneigentum geht, gibt es ein Land-Stadt-Gefälle. Dem Statistischen Bundesamt zufolge ist es die Grafschaft Bentheim, wo mit 77,9 Prozent (2018) die meisten Menschen in den eigenen vier Wänden wohnen, gefolgt vom Landkreis Emsland (69,8 Prozent) und dem Landkreis Osnabrück (57 Prozent). Schlusslicht ist die Stadt Osnabrück, hier leben mit 35,9 Prozent immerhin noch gut ein Drittel der Menschen im Eigenheim. Dass das Emsland so gut abschneidet, wundert Landrat MarcAndré Burgdorf nicht. „Wenngleich die Preise hier in den vergangenen Jahren ebenfalls angestiegen sind, ist das Eigenheim im Landkreis Emsland sehr beliebt.“ Die Gründe, die Burgdorf dafür nennt, sind vielfältig. Unter anderem sei das Eigenheim im Emsland nach wie vor gut finanzierbar, eine gute Altersabsicherung und biete eine größere ProKopf-Wohnfläche. Letztere lag, statistisch gesehen, zuletzt bei 47 Quadratmeter pro Person. Einen Trend sieht der Landrat allerdings: Ältere Menschen würden sich zunehmend räumlich verkleinern wollen und eine zentral gelegene, barrierefreie und altersgerechte Wohnung einem eigenen Haus vorziehen. Bislang jedoch dominiert der Statistik zufolge das frei stehende Einfamilienhaus im Eigentum deutlich. Nicht nur im Landkreis Emsland, sondern auch in der Grafschaft Bentheim und im Landkreis Osnabrück. Nur einen geringen Anteil des Wohneigentums machen Wonungen in Mehrfamilienhäusern aus. Anders ist es in der Stadt Osnabrück. Hier liegt das Eigentum an Einfamilienhäusern und Wohnungen in Mehrfamilienhäusern fast gleichauf. Wer in Osnabrück mietet, der wohnt hingegen fast ausschließlich im Mehrfamilienhaus. Wird es so ähnlich in Zukunft auch in den Landkreisen unserer

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Fotos: Colourbox.de Montage: Matthias Michel

Region aussehen und das Wohnungseigentum in Mehrfamilienhäusern zunehmen? Nach einem Interview des Grünen-Abgeordneten Anton Hofreiter ist eine Diskussion entbrannt und das Einfamilienhaus von einigen zum Auslaufmodell erklärt worden. Ein Blick auf aktuelle Planungen in der Region lassen einen solchen Trend jedenfalls noch nicht erkennen. Allein in der Stadt Lingen sollen im nächsten Jahr in Ortsteilen wie Damaschke 240 Bauplätze vergeben werden. Auch in Meppen ist die Nachfrage nach Baugrundstücken ungebrochen, weshalb das Baugebiet Kuhweide nun möglichst zügig um etwa 62 Bauplätze erweitert werden soll. „Auch im Emsland ist die Nachfrage nach passenden Baugrundstücken groß und kann nicht immer zufriedengestellt werden“, fasst Landrat Marc-André Burgdorf die Situation zusammen. Dennoch sei anzunehmen, dass im Emsland als ländlichem, nicht so sehr verdichtetem Gebiet noch mehr Baugebiete ausgewiesen würden als in urbanen Gegenden, wo Bauland knapp und teuer sei. In den Preisen zeigen sich tatsächlich die Unterschiede zwischen Stadt und Land deutlich. Im vergangenen Jahr lag der mittlere Verkaufspreis für ein durchschnittliches Haus im Emsland – Baujahr 1995, 160 Quadratmeter Wohnfläche, 700 Quadratmeter Grundstück – laut Grundstücksmarktbericht 2020 bei rund 220 000 Euro. In Os-

nabrück werden für nicht vie weniger Wohnungen verkauft. Entsprechend sagt Burgdorf: „Wenngleich seit 2010 der Preis für das Durchschnittshaus im Emsland um 61 Prozent gestiegen ist, können sich junge Familien Eigentum immer noch leisten.“ Hinzu komme eine solide Wirtschaftslage mit guten Arbeitsmarktdaten, was jungen Fa-

„Junge Familien können sich Eigentum im Emsland immer noch leisten.“ Landrat Marc-André Burgdorf

milien eine Baufinanzierung ermögliche. „Die derzeit niedrigen Zinssätze bei einer Kreditaufnahme tun ihr Übriges.“ Dass eine gute wirtschaftliche Situation Auswirkungen darauf hat, ob im Eigentum oder zur Miete gewohnt wird, zeigt auch die Statistik: Während bis zu einem Haushaltsnettoeinkommen von 3200 Euro mehr Menschen der Einkommensgruppen zur Miete als im Eigentum wohnen, ist die Situation ab diesem Verdienst umgekehrt. Wie sich die Corona-Pandemie auf die Wohneigentumsquote auswirken wird, wird sich zeigen. Die Nachfrage nach Baufinanzierungen jedenfalls ist ungebrochen und liegt im Plus. Allerdings bleibt eine Hürde der Vergangenheit bestehen: Ein Grund dafür, dass bislang wenig Haushalte Wohneigentum gebildet haben, war zuletzt einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) zufolge die Tatsache, dass zu wenig Rücklagen für den Immobilienkauf und Nebenkosten wie Grunderwerbsteuern zur Verfügung standen. Laut IW verfügte nur jeder sechste Mieter über ausreichend Eigenkapital. In der Gruppe der 25- bis 40-Jährigen, die das größte Potenzial an Erstkäufern stellen, verfügten sogar nur weniger als zwölf Prozent über ausreichend Startkapital. Somit bleibt Deutschland vorerst ein Mieterland. Im Flächenland Niedersachsen insgesamt lebt immerhin gut jeder Zweite in den eige-

nen vier Wänden – eine Quote, die lediglich in Rheinland-Pfalz und dem Saarland übertroffen wird. Zum Vergleich: In Berlin liegt der Schnitt bei 17 Prozent. Mehr zum Thema Wohnen und Bauen lesen Sie im Spezial ab Seite 15.

Osnabrück Das Vorstandsteam des Osnabrücker Logistikdienstleisters Hellmann Worldwide Logistics wächst – allerdings nicht sofort, sondern zum Jahreswechsel. Zum 1. Januar 2022 wird Jens Wollesen als Chief Operating Officer (COO) neben Reiner Heiken (CEO) und Martin Eberle (CFO) der Dritte im Bunde. In der neuen Vorstandsposition verantwortet Wollesen neben den vier Produktsegmenten Air, Sea, Road&Rail sowie Contract Logistics auch die Bereiche IT & Digital. Bevor der Diplom-Wirtschaftsingenieur zu Hellmann wechselte, war er fünf Jahre lang Mitglied des Vorstands der BLG Logistics Group und dort verantwortlich für den Bereich Kontraktlogistik. Zuvor war er zwölf Jahre Mitglied der Geschäftsleitung von Kühne + Nagel Deutschland und Central Europe sowie langjähriges Mitglied der Geschäftsleitung von Stute Logistics. Seine Ausbildung und Karriere startete Jens Wollesen bei J. H. Bachmann in Bremen. Mit der Berufung von Jens Wollesen durch den Aufsichtsrat und der damit einhergehenden Neuaufteilung der Ressorts will das Unternehmen den Vorstand stärken und eine Voraussetzung für eine stärkere Fokussierung auf die jeweiligen Aufgabenbereiche schaffen. nika

JensWollesen

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www.assmann.de

Foto: Hellmann


DONNERSTAG, 29. APRIL 2021

MACHER & MÄRKTE MACHER & MÄRKTE

2 E D I TO R I A L

GELD & GESCHÄFT

VOM BAUEN UND WOHNEN

Ist der Traum bald ausgeträumt?

3 | Frauen

9 | Zinsen

Wie es Angelika Schindler-Obenhaus und Marion Rövekamp ohne Quote in den Vorstand geschafft haben und wieso es sie dennoch braucht

Sind Negativzinsen ein Zeichen der Zeit? So gehen Geldinstitute in unserer Region mit dem Thema um.

4/5 | Russland

10 | Börsenporträt

Trotz EU-Russland-Sanktionen ist der Exportmarkt für regionale Unternehmen oft ein gutes Geschäft.

Die Finanzmärkte eilen von Rekord zu Rekord: Wie der Umbau der Wirtschaft die Börsen befeuert.

6 | Arbeitgeber

11 | Blockchain

Zahlen und Fakten kompakt in einer Grafik – das sind die umsatzstärksten Unternehmen im Nordwesten.

Nur für Bitcoin? Diese Bedeutung kann die Technologie auch in anderen Branchen spielen, und so wird sie eingesetzt.

7 | Familienunternehmen

12 | Beteiligung

Vor einem Jahr hat Hendrik Witte die Geschäftsführung der Firma seines Vaters übernommen. So ist es ihm im Corona-Jahr ergangen.

Mitarbeiter am Unternehmen beteiligen? Einige Start-ups in der Region haben sich für diesen Weg entschieden.

8 | Führung

13 | Innenstadt

So hat sich die Kommunikation mit Mitarbeitern bei Krone und Hellmann im Pandemie-Jahr verändert.

Ein Blick nach Osnabrück: Können Pop-up-Stores für eine Zwischennutzung leer stehender Gebäude sorgen?

SPEZIAL

VON NINA KALLMEIER

LEBEN & LEIDENSCHAFT

WOHNEN & BAUEN

15 | Bauindustrie

23 | Unternehmer

Im Interview spricht Baupräsident Thomas Echterhoff über die Branche in der Corona-Krise, Nachwuchs und vermeintlich teures Bauen.

Ohne gastronomische Vorkenntnisse hat Florian Stisser 2012 das Schlecks in Osnabrück eröffnet und das Cold-Stone-Konzept mittlerweile zum Franchise ausgebaut.

16 | Straßen

24 | Proteine

Trotz Investitionen des Bundes steigen die Baukosten – doch welche Faktoren führen dazu, dass Straßen immer teurer werden?

Wissenschaftler am Deutschen Institut für Lebensmitteltechnik (DIL) in Quakenbrück forschen an fleischähnlichen Produkten.

18/19 | Wirtschaftstalk vdw-Direktorin Susanne Schmitt und Vonovia-Vorstand Arnd Fittkau haben über Herausforderungen der Wohnwirtschaft und das Wohnen der Zukunft diskutiert.

20 | Günstig wohnen Der Bedarf an günstigen Wohnungen wächst. So helfen Genossenschaften und Investitionen der niedersächsischen Förderbank NBank.

25 | Cider

Foto: imago/Madeleine Steinbach

Kaum ein anderes alkoholisches Getränk erfährt aktuell weltweit solche Zuwachszahlen wie Cider. Auch Unternehmen aus der Region mischen mit.

21 | Nachwuchs

26 | Gastronomie

Die Lange im regionalen Bauhandwerk ist gut, dennoch bleiben viele Lehrstellen unbesetzt. Auch die Betriebsnachfolge ist ein Thema.

Trotz Corona-Krise haben zwei junge Nordhorner im vergangenen Jahr eine Gaststätte eröffnet. Noch sind sie optimistisch.

22 | Innovation

27 | Milchmann

Wie innovativ die Baubranche sein kann, zeigen drei Beispiele: ein 3-D-Haus, Expressbrücken und die Wiederverwertung von Bodenaushub.

Der Frischdienst Nordhorn ist mit mobilen Verkaufswagen unterwegs und bringt nicht nur Quark und Käse zu den Kunden.

Es ist schon verrückt: Fragt man die Bundesbürger, wie sie gerne leben wollen, ist für viele das kleine Haus im Grünen mit eigenem Garten und Platz zum Spielen für die Kinder der Traum. Es ist das klassische Bilderbuch-Bild einer glücklichen Familie, das allzu gerne in Werbebroschüren verwendet wird. Es suggeriert Ruhe, Idylle, Wohlstand – wer hätte das alles nicht gerne? Doch ist das realistisch? Wer im Emsland oder in der Grafschaft Bentheim wohnt, für den könnte der Blick aus dem Fenster diesem Bild ziemlich nah kommen. Immerhin liegt die Eigenheimquote in der Grafschaft Bentheim bei fast 80 Prozent, das Emsland kommt immerhin auf 70. Allerdings: Im Bundesschnitt wohnt nur etwa jeder zweite Bundesbürger im Eigenheim. Somit haben Wunsch und Wirtklichkeit oft wenig miteinander zu tun. Vor allem, wenn man bedenkt, dass es vor der Pandemie viele vor allem in die Städte zog. Heute lebt ein Drittel der Bundesbürger in einer Stadt mit mehr als 100 000 Einwohnern. Wer da – gerade im Innenstadtbereich – aus dem Fenster schaut, sieht mitnichten ins Grüne, sondern eher auf die Betonwand des Hauses gegenüber. Da ist es kein Wunder, dass gerade in der Corona-Pandemie, in der viel Zeit in den eigenen vier Wänden verbracht wird, der Wunsch nach einem Eigenheim – oder zumindest einer Wohnung mit großem Balkon, wie Vonovia-Vorstand Arnd Fittkau im Wirtschaftstalk verdeutlicht – groß ist. Daraus ergibt sich jedoch schon das nächste Problem: etwas passendes zu finden. Die Immobilienpreise sind in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen. Gleiches gilt für Mieten, auch wenn Susanne Schmitt als Direktorin des Verbands der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Niedersachsen-Bremen von Durchschnittsmieten knapp unter sechs Euro spricht und auch Arnd Fittkau die Durchschnittsmiete bei Vonovia-Wohnungen in Osnabrück mit 6,80 Euro beziffert. In der Praxis ist auf dem Markt für diesen Preis kaum etwas zu haben – schon gar nicht, wenn gerade neu gebaut wurde. Der Schlüssel zur Lösung des Dilemmas – sowohl hinsichtlich des Eigentums als auch einer passenden Mietwohnung – liegt darin, Angebot und Nachfrage wieder besser in Ein-

Foto:MichaelGründel

klang zu bringen. Das bedeutet: Es muss gebaut werden – und nicht nur „Luxus-Apartments“, sondern so, dass es sich Otto Normalverbraucher leisten kann, egal, ob die Wohnung oder das Eigenheim anschließend verkauft oder vermietet wird. Grundsätzlich bleibt jedoch die Frage: Wie werden wir in zehn Jahren wohnen? Bleibt das Haus im Grünen das Maß aller Dinge? Oder setzt sich ein weiterer gesellschaftlicher Trend durch: eher auf Minimalismus zu setzen? Das geht auch beim Wohnen, ein Tiny House zum Beispiel ist mit allem ausgestattet, was man zum Wohnen wünschen könnte. Und in einer Hinsicht ist es trotz fehlender Größe nah dran am Bilderbuch-Bild des Wohnens: Auch die Mini-Variante des Eigenheims steht klassischerweise eher im Grünen als in der dicht gedrängten Stadt. Es wird sicherlich eine Mischung vieler, vielleicht heute noch gar nicht denkbarer Wohnkonzepte sein, die sich je nach Lebenssituation unterscheiden. Eines geht jedoch völlig am Thema vorbei: die Diskussion um die Frage, ob der Bau von Einfamilienhäusern künftig verboten werden sollte. Ein Verbot würde nur eines bewirken: noch schneller steigende Immobilien- oder Mietpreise. Natürlich bietet ein Mehrfamilienhaus deutlich schneller eine Antwort auf fehlenden Wohnraum, gerade in den Städten. Doch das ist nicht der Lebensentwurf für jeden. An den Erwartungen der Bürger vorbeizuplanen wird das Wohnraum-Problem langfristig nicht lösen. Mit der Corona-Pandemie sind die Zeiten für einige Berufsgruppen vorbei, in denen der Wohnort in Pendeldistanz zum Arbeitgeber liegen musste. Die Arbeitswelt wird flexibler. Somit wird es die Menschen dorthin ziehen, wo sie ihre Träume verwirklichen können – egal, wie diese aussehen.

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DONNERSTAG, 29. APRIL 2021

MACHER & MÄRKTE

Frauen, traut euch! Vorstände: So haben es Angelika Schindler-Obenhaus und Marion Rövekamp geschafft VON NINA KALLMEIER OSNABRÜCK/HALLE/OLDENBURG

„Wir leben im 21. Jahrhundert und diskutieren immer noch darüber, dass Frauen in Vorständen mehr vertreten sein müssen. Manchmal wundert mich das etwas“, sagt Angelika Schindler-Obenhaus. Anfang des Jahres erst hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf verabschiedet, der per Quote mehr Frauen in die Vorstände börsennotierter Unternehmen bringen soll, sobald das Gremium aus mehr als drei Personen besteht. Für den Mittelstand gilt das Vorhaben nicht. Angelika Schindler-Obenhaus hat es ohne Quote bis nach ganz oben geschafft: Die 58-Jährige war zehn Jahre lang Vorstandsmitglied des Bielefelder Fashiondienstleisters Katag, bevor sie im vergangenen Jahr in den Vorstand des Haller Modekonzerns Gerry Weber gewechselt ist. Mit Ablauf der ordentlichen Hauptversammlung soll sie das Unternehmen als CEO führen. Damit wird die Wahl-Gütersloherin die erste Frau an der Spitze des Modeherstellers sein. „Für mich persönlich war das nie ein Riesenthema. Dass es das doch ist, habe ich mehr an den Reaktionen meines Umfeldes gemerkt“, sagt Schindler-Obenhaus. Eine ähnliche Erfahrung hat Marion Rövekamp gemacht. Auch sie ist Vorstandsmitglied eines Mittelständlers, der EWE AG. Ihren ersten Vorstandsposten hatte sie zuvor bei der DB Regio übernommen, einem Tochterunternehmen der Deutschen Bahn. „Ich habe weniger darauf geachtet, dass ich die einzige Frau in Vorstandsgremien war, als vielmehr darauf, wie ich meine Themen und Stärken einbringen kann“, sagt die 59-Jährige. „Vor diesem Hintergrund habe ich mir meine Aufgaben gesucht, zugegebenermaßen nicht immer die einfachsten. Aber ich habe immer an meine Möglichkeiten geglaubt und die Chancen genutzt, die ich bekommen habe.“ Nicht immer die einfachsten – das bedeutete für Marion Rövekamp unter anderem eine hohe Bereitschaft, den Arbeitsort zu wechseln und dort Herausforderungen anzunehmen, wo sie anstanden. Vor ihrer Vorstandstätigkeit hatte die heutige Wahl-Oldenburgerin 15 Jahre lang für die Deutsche Telekom gearbeitet. In ihrer Zeit als Personalchefin, unter anderem in Duisburg

und Dresden, ist sie viel gependelt. „Durch mein ausgeprägtes Engagement habe ich Unterstützung bekommen und bin befördert worden.“ Dass das Konsequenzen hatte und zum Teil eine zusätzliche Belastung war, daraus macht Marion Rövekamp keinen Hehl – ebenso wenig wie aus der Tatsache, dass es von der Lebensphase abhängt, wie flexibel man sein kann und möchte. Unter

„Sich mit beruflichen Veränderungen zu beschäftigen ist nicht verwerflich, sondern positiv.“ Marion Rövekamp, EWE-Vorstand

der Woche in der einen Stadt zu leben, am Wochenende in einer anderen – zu pendeln ist zeitintensiv. „Ich habe mich immer selbstkritisch gefragt: Tue ich für mich das Richtige? Füllt mich die Rolle noch aus?“ Als es Zeit für den nächsten Schritt war, zog sie einen Schlussstrich und machte sich selbstständig. Darüber kam sie letztlich auch zu ihrem ersten Vorstandsposten. „Sich mit beruflichen Veränderungen zu beschäftigen ist nicht verwerflich, sondern positiv. Man muss sich seiner eigenen Stärken bewusst sein, überlegen, welche Alternativen es gibt, und den Weg dann konsequent gehen“, ist sie überzeugt. Für Rövekamp war der Weg erfolgreich, sie ist seit mittlerweile zehn Jahren Vorständin in Unternehmen – und immer die einzige Frau. Als sogenannte Quotenfrau hat sie sich dabei aber nie gesehen und gefühlt, ebenso wenig wie Angelika Schindler-Obenhaus. Letztere sagt aber auch: „Ein Kollege hat mich mal als solche bezeichnet, das sollte wohl ein Scherz sein.“ Lustig fand die 58Jährige das allerdings nicht, auch wenn sie mittlerweile eine Frauenquote befürwortet, damit sich in den Vorständen endlich etwas ändert. „Der CEO sah das damals Gott sei Dank ähnlich, und damit war das Thema erledigt. Ich bin keine Quotenfrau, sondern habe aufgrund meiner Leistung eine Chance erhalten, die vielen hervorragend ausgebildeten Frauen verwehrt geblieben ist“, sagt Schindler-Obenhaus. Ähnlich sieht es auch Marion Rövekamp. „Eine Quotenfrau zu sein ist zwar nicht unbedingt negativ, wird aber oft so wahrgenommen und stigmatisiert.“ Dabei wirbt sie darum, in der Diskussion um Qualifikation und Leistung zu differenzieren. „Es muss immer um die Aufgabe gehen, die auszufüllen ist. Wenn man mir als Juristin eine technisch orientierte Aufgabe zuweisen würde, würde ich mich da sicherlich reinarbeiten, aber es wäre wahrscheinlich nicht einfach zu vermitteln.“ „Es geht ja letztlich darum, sein Team zu kennen und die jeweiligen Stärken weiterzuentwickeln – sei es ein Mann oder eine Frau“, ergänzt Angelika Schindler-Obenhaus. Doch gibt es für Frauen genug Möglichkeiten zur Weiterentwicklung? So etwas wie eine gläserne Decke hat Marion Rövekamp für sich nicht erlebt,

ebenso wenig wie Angelika Schindler-Obenhaus. Auch wenn Letztere sagt: „Diese gläsernen Decken gibt es für mich vor allem im Mittelstand, weil die Gremien, die zum Beispiel über Vorstandsposten entscheiden, nicht divers besetzt sind.“ Sie selbst habe über Limits nicht nachgedacht, sondern angepackt. „Ich habe mir genommen, wofür ich gearbeitet habe, um es zu erreichen“, sagt sie. „Es darf im 21. Jahrhundert kein Tabu mehr sein, dass Frauen sagen, was sie wollen. Ich war hartnäckig, wenn ich von einem Thema überzeugt war, und mit Sicherheit nie eine bequeme Mitarbeiterin. Frauen müssen von sich aus fordernder werden, damit sich mit den bislang noch immer vor allem männlich besetzten Aufsichtsräten und Beiräten etwas ändert.“ Selbstbewusstsein, Kompetenz und Leidenschaft, das sind für Angelika Schindler-Obenhaus Schlüssel gewesen, um dorthin zu kommen, wo sie heute ist. „Ob mein Weg heute noch genauso möglich wäre, weiß ich nicht. Ich habe nicht studiert, keinen Master gemacht, kann keinen Auslandsaufenthalt vorweisen. Dennoch ist mein Lebenslauf gradlinig verlaufen“, sagt sie im Rückblick – auch dank Förderern, Männern, die ihr Potenzial erkannt hätten. Dennoch sehen beide Frauen einen weiteren Faktor, damit es klappt, mehr Frauen in die Vorstände zu bringen: die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. „Kinderbetreuung ist ein riesiger Faktor für Frauen“, sagt Angelika Schindler-Obenhaus, die selbst keine Kinder hat. Nicht aufgrund ihrer Karriere, sondern weil sie sich bewusst gegen das Kinderkriegen entschieden hat, wie die 58-Jährige betont. „Aber auch ich bin auf die Unterstützung meines Mannes angewiesen, der mir den Rücken frei hält, damit ich meinen Job machen kann. Wenn dem nicht so wäre, würde ich wahrscheinlich an vielen Stellen scheitern“, sagt sie. So ist es auch bei Marion Rövekamp. Auch sie hat keine Kinder, Unterstützung bekommt sie von ihrem Mann. „Ohne Rückendeckung würde so etwas nicht funktionieren.“ Die Sorgen und Nöte der Frauen, die sich für Kinder entscheiden, haben beide dennoch im Blick. „Es müssen noch bessere Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit sich flexiblere Rollenverteilungen etablieren können“, sagt Marion Rövekamp. Für

Angelika Schindler-Obenhaus könnte gerade die Corona-Pandemie einen Beitrag dazu leisten, die Position von Frauen zu stärken. „Anwesenheitskultur in Unternehmen kam eher den Männern zugute. Auch wenn ich der Meinung bin, dass ein Vorstand im Büro sein muss, ermöglicht das mobile Arbeiten den talentierten Frauen, die in diese Rolle hineinwachsen wollen, Familienplanung und Job besser

„Es darf im 21. Jahrhundert kein Tabu mehr sein, dass Frauen sagen, was sie wollen.“ Angelika Schindler-Obenhaus, Gerry-Weber-Vorstand

unter einen Hut zu bekommen“, ist sie sich sicher. Den Vorstand als Teilzeitaufgabe sieht Rövekamp als herausfordernd – für die entsprechenden Haftungsfragen müssten erst Lösungen gefunden werden, damit auch eine Elternzeit abzubilden ist. Hier liegt für Angelika SchindlerObenhaus jedoch ein weiteres Problem der Gesellschaft. „Frauen, die sich entscheiden, schnell wieder in den Beruf zurückzukehren, dürfen nicht als Rabenmütter bezeichnet werden.“ Im Ausland sei man oft weiter – Skandinavien oder Frankreich nennt sie als Beispiel. Dort sei es ganz normal, dass Frauen mit mehreren Kindern Unternehmen führen. Dafür müssten Frauen vielleicht auch ihre Ansprüche an sich selbst zurückschrauben. „Beste Ehefrau, beste Mutter, beste Tochter, beste Chefin – an diesen Anforderungen an sich selbst müssen Frauen scheitern. Das setzt zusätzlich unter Druck“, sagt Schindler-Obenhaus. Und Marion Rövekamp ergänzt. „Es müssen nicht immer 110 Prozent sein, die gegeben werden. Manchmal muss man sich bewusst werden, dass 90 Prozent auch reichen.“ In einem sind sich die beiden Frauen einig: Diskutiert worden ist über Frauen im Vorstand genug, jetzt müssen dem auch Taten folgen, sagen sie. „Wir wollen als Gesellschaft vielfältig zusammengesetzte Teams, und dazu gehört auch mindestens eine Frau. Damit das klappt, braucht es eine grundsätzliche Haltung dazu im Unternehmen, und das fängt beim Vorstand an“, sagt Rövekamp. „Alle Argumente sind ausgetauscht. Ich hoffe, dass die Frauenquote der Politik nicht wieder eine Alibi-Veranstaltung bleibt, sondern sich dieses Mal wirklich etwas verändert“, ergänzt Schindler-Obenhaus. „Wir stehen in Sachen Gleichberechtigung hier immer noch ganz am Anfang. Es gibt noch viel Luft nach oben.“ Auch wenn der Gesetzentwurf der Politik Mittelständler nicht einschließt, eine Verbesserung der Situation für Frauen erwartet Marion Rövekamp dennoch. „Die Debatte hat eine Sogwirkung. Wer keine Frau im Vorstand hat, wird immer stärker begründen müssen, warum das der Fall ist.“

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DONNERSTAG, 29. APRIL 2021

MACHER & MÄRKTE

MACHER & MÄRKTE

Schon vor Sanktionen weniger Handel?

„Deutschland als Türöffner für andere EU-Staaten“ Interview mit dem Russlandkenner Rainer Seele

Für Unternehmen in Niedersachsen und in der Region sind Wirtschaftsbeziehungen zu Russland insgesamt ein gutes Geschäft 200 Unternehmen aus der Region sind in Russland aktiv.

bleibt das Geschäft interessant, es stagniert aber“, sagt Gnaß. Emco ist eines von etwa 200 Unternehmen im Bezirk der Industrie- und Handelskammer Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim, das Handelsbeziehungen zu Russland pflegt und nach wie vor haben die Lingener auch eine eigenen Repräsentanz dort. Ein Blick auf die niedersächsischen Handelszahlen zeigt: Schon bevor die EU-Russlandsanktionen 2014 in Kraft getreten sind, haben der Import und Export gelitten. „Die niedersächsischen Exporte in die Russische Föderation unterlagen in den letzten zehn Jahren einem steten Wandel“, sagt Timan Brunner, Sprecher Federführung International der Industrie- und Handelskammern Niedersachsen (IHKN). In den Jahren 2009 bis 2012 habe es eine dynamische Zunahme der Exporte gegeben, die vor allem durch die Erfolge der niedersächsischen Ernährungswirtschaft getrieben worden seien. „Es gab fast schon eine Euphorie, weil dann im Jahr 2012 auch endlich der Beitritt Russlands zur Welthandelsorganisation (WTO) vollzogen wurde – nach 18 Jahren Verhandlungszeit.“ Doch schon dann, zwei Jahre vor Einführung der EU-Russland-Sanktionen seien von russischer Seite immer neue Handelshemmnisse eingeführt worden, so Brunner. Als Beispiele nennt er Einfuhrverbote wie für Schweinefleisch, überhöhte Einfuhrzölle beispielsweise auf Papier, aber auch sogenannte Antidumpingzölle auf leichte Nutzfahrzeuge und Kfz-Teile sowie nicht tarifäre Abgaben wie

Schon vor den Sanktionen gab es Hemmnisse. Lokale Produktion hat für einige Firmen positive Auswirkungen. VON NINA KALLMEIER OSNABRÜCK/LINGEN/EMSBÜREN/ HASBERGEN Rund 2200 Kilometer lie-

gen zwischen dem Hauptsitz der Emco Gruppe in Lingen und Moskau. In der russischen Hauptstadt hätte das Unternehmen aus dem Emsland, das unter anderem Fußmatten und Badmöbel produziert, vor Jahren fast einen Produktionsstandort eröffnet. „Wir hatten uns schon ein Gebäude angeschaut. Als dann jedoch das Geschäft deutlich zurückging, haben wir die Pläne wieder verworfen und auch die eigens gegründete GmbH wieder stillgelegt“, sagt Emco-Geschäftsführer Christian Gnaß. Obwohl die Produkte des Unternehmens alles andere als saktionsrelevant seien, würden sich die EU-Russland-Sanktionen auf das Geschäft auswirken. „Bis sich die Beziehungen zwischen der EU und Russland abgekühlt haben, war das für uns ein sehr interessanter Markt mit guten Wachstumsraten. Aktuell

Recyclingabgaben für Fahrzeuge und Kfz-Teile, die nur für Importe erhoben worden seien. Dieser negative Trend sei dann von den EU-Sanktionen und Gegensaktionen infolge der Krim- und Ukraine-Krise noch einmal verstärkt worden. Unternehmer wie Franz-Josef Paus, Geschäftsführer der Hermann Paus Maschinenfabrik in Emsbüren, haben dennoch die Sanktionen als eine Art Zäsur erlebt. Seit 1975 ist das Familienunternehmen in Russland aktiv. „Rund 30 Prozent unseres Exports gehen dorthin“, so Paus. Zu Beginn der Sanktionen 2014 seien ihm Aufträge in Höhe von einer Million Euro verloren gegangen. Und das zu einer Zeit, in der der Boom im Markt für Bergbaumaschinen, wie die Emsländer sie liefern, ohnehin gerade vorbei war. Statt im Emsland Maschinen zu bestellen, hätten Kunden sich aufgrund der politischen Situation vor allem in China nach Ersatz umgeschaut, sagt FranzJosef Paus. „Uns wurde klar kommuniziert, dass von uns nicht mehr gekauft werden durfte und wir auch nicht bei Ausschreibungen berücksichtigt werden“, schildert der Unternehmer seine Erfahrungen. Und auch die Statistik zeigt: Obwohl die niedersächsischen Exporte nach Russland seit dem Peak 2012 gesunken sind – damals lag das Land auf Rang sieben der wichtigsten Exportpartner –, zeigt sich die Delle im Handelsvolumen 2015 noch einmal. Im ersten Jahr nach Einführung der Sanktionen rutschte Russland auf Rang 17 der Exportpartner ab. Seither hat sich die Lage weder verschlechtert

Foto:imago/Panthermedia,MontageNOZ Medien

noch verbessert. Auch wenn Emco die Pläne für eine eigene Produktion in Russland aufgegeben hat, aktiv ist das Unternehmen aus Lingen dort weiterhin. Es ist das Projektgeschäft, das die Emco Gruppe in Russland betreibt und was das Land für die Lingener als Markt interessant macht, sagt Gnaß. Unter anderem das Kaufhaus Gum in Moskau habe man mit Fußmatten ausgestattet, ebenso wie Flughäfen und Banken. „Wenn in Russland ein Flughafenterminal neu

So hat sich Niedersachsens Außenhandel mit Russland entwickelt Angaben in Mio. Euro

Ausfuhr

Einfuhr 330,6

287,6

270,4

205,0 158,5

173,2

172,1

198,8

191,0

163,0

135,8

127,5

114,3 88,9

2009

2010

2011

2012

2013

2014

172,5

161,6

2015

171,2

168,1

157,9

138,2 95,7

2016

110,0

2017

97,4

2018

2019

91,6

2020

Quelle: Statistisches Bundesamt · Grafik: Matthias Michel

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gebaut wird, hat das eine ganz andere Dimension als in Münster/Osnabrück. Wir konzentrieren uns dort auf große Projekte wie Bahnhöfe, Flughäfen, Einkaufszentren oder Stadien.“ Kunden seien große, internationale Architektenbüros, die direkt in Lingen ordern und von dort aus ab Werk beliefert würden, so Gnaß. Auch für Franz-Josef Paus bleibt der Markt interessant, obwohl das Geschäft mit Partner komplizierter geworden sei. „Der Markt ist groß“, so der Geschäftsführer. Und liefern darf das Unternehmen, von einem Embargo betroffen sind die Maschinen nicht. Doch der Wettbewerb wird größer. „Wir konkurrieren nicht mehr nur mit Firmen aus dem Ausland, sondern zunehmend auch mit russischen Betrieben.“ Ob es das Geschäft einfacher machte, wenn vor Ort produziert würde? „Das ist bei uns seit längerer Zeit ein Thema. Irgendwann werden wir uns etwas einfallen lassen müssen, um ein lokaler Produzent zu werden“, sagt Paus. Den Schritt zum lokalen Produzenten sind die Amazone-Werke schon gegangen. „Wir haben uns Mitte der 1990er-Jahre an einem Kooperationsprojekt in Samara beteiligt“, sagt Amazone-Geschäftsführer Christian Dreyer. Nach der Öffnung der Grenzen sei schnell klar gewesen, dass Russland ein bedeutender Markt für Landtech-

nik werden würde, der bis dahin vor allem auf eigene Technik gesetzt habe. „Der Investitionsbedarf war hoch“, so Dreyer. Kontakte in die ehemalige Sowjetunion habe es schon länger gegeben. Aus dem Projekt in der Industriestadt im Südosten Russlands, rund 2400 Kilometer vom Firmensitz in Hasbergen entfernt, ist der heutige Produktionsstandort der Unternehmensgruppe hervorgegangen, an dem die Hasbergener rund 200 Mitarbeiter beschäftigen. Großflächensämaschinen, Bodenbearbeitungsgeräte, Düngestreuer oder Pflanzenschutzspritzen, Amazone fertige wesentliche Teile des Angebots in Russland. Einige Komponenten würden aber unter anderem aus Hasbergern zugeliefert, so Dreyer. Der Anteil lokaler Wertschöpfung habe sich seit Beginn der Sanktionen jedoch erhöht – und sei von staatlichter Seite in Russland gefördert worden. So weit ist man bei Paus noch nicht – doch es gibt ein klares Bekenntnis des Familienunternehmens aus dem Emsland zum russischen Markt: Als Reaktion auf die Sanktionen habe man 2014 das Büro vor Ort zu einer Tochtergesellschaft ausgebaut. „Damit wollten wir ein Signal setzen“, so Franz-Josef Paus. Auch bei Emco hat man den russischen Markt trotz Sanktionen und politischer Unsicherheiten nicht auf-

gegeben. „Auch wenn die Wachstumsraten nicht gut sind, wir sind froh über jede Matte, die wir verkaufen“, sagt Geschäftsführer Christian Gnaß. Und auch für andere Unternehmensbereiche der Gruppe ist Russland ein Markt, wie für Novus Dahle. „Wir arbeiten mit einem großen Importeur von Büroausstattung zusammen. Im Behördengeschäft sind unter anderem unsere Hochsicherheitsaktenvernichter aufgrund der geringen Partikelgröße, die sie erzeugen, gefragt.“

„Aktuell bleibt das Geschäft interessant, es stagniert aber.“ Christian Gnaß, Geschäftsführer der Emco Gruppe

Insgesamt ist mit Blick auf das Russland-Geschäft für IHKN-Experte Tilman Brunner viel zusammengekommen innerhalb der letzten Dekade, was Exporte niedersächsischer Unternehmen nach Russland beeinflusst hat. „Das ist sehr schade, denn die niedersächsischen Unternehmen haben traditionell besonders gute Verbindungen zu ihren russischen Partnern gepflegt. Vieles davon droht verloren zu gehen, insbesondere, wenn die beidseitigen Sanktionen noch lange Bestand haben“, so Brunner. Und die Aussichten auf eine Verbesserung der Geschäftslage wurden laut jüngster „Going-International“-Umfrage der IHKN in den vergangenen Jahren nie so schlecht beurteilt wie jetzt. Es drohe sich eine Entfremdung in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zu verfestigen, so das Fazit. Je länger die Situation andauere, desto eher gingen die traditionell guten Kontakte der niedersächsischen Unternehmen und infolgedessen auch der Markt dauerhaft verloren zugunsten vor allem der asiatischen Unternehmen. Emco ist da etwas optimistischer. „Russland wird für uns auch weiterhin ein interessanter Markt bleiben. Wir sehen, dass wir neue Partner finden, das ist vielversprechend für die Zukunft“, sagt Christian Gnaß. Und auch Amazone-Chef Christian Dreyer ist positiv gestimmt. Das Geschäft lief im

vergangenen Jahr gut, und auch wenn sich die Exportquote von rund 80 Prozent auf 70 Länder aufteile, sei Russland neben Frankreich und Großbritannien einer der wichtigsten Exportmärkte, sagt Dreyer. „Wir gehen davon aus, dass Russland nach wie vor Wachstumspotenzial hat, und auch die Länder drum herum wie Kasachstan und die Ukraine werden sich entwickeln.“ Die Produktion in Russland baut Amazone Schritt für Schritt aus, erst jüngst wurde ein Investitionsprojekt in mehr Hallen- und Produktionskapazität freigegeben. „Die Maschinen werden größer, sodass wir mehr Platz brauchen. Aber auch die Stückzahlen erhöhen sich“, sagt Christian Dreyer. Derweil bleiben die Sanktionen bestehen. Bewirkt haben sie aus Sicht des Amazone-Geschäftsführers politisch nichts – weder zum Guten noch Schlechten. Dreyer, der selbst nur ein paar Brocken Russisch spricht, wie er sagt, betont: „Weltweit mit Menschen zusammenzuarbeiten, sich auszutauschen, das ist wichtig.“ Laut Industrie- und Handelskammer Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim ist der Zeitpunkt gekommen, den Sinn der Santkionen zu überdenken. „Die Sanktionen sind unnötig und kontraproduktiv. Sie sind zu einem beliebigen politischen Instrument geworden“, sagte Hauptgeschäftsführer Marco Graf jüngst bei der Vorstellung einer ifo-Studie, die den volkswirtschaftlichen Schaden der Sanktionen untersucht hat. Und auch IHK-Präsident Goebel kritisierte: „Wenn die Politik mit diplomatischen Mitteln nicht weiterkommt, wechselt sie beliebig das Feld. Die Konsequenzen für ihr Handeln müssen anderen tragen.“ Wie Franz-Josef Paus. „Aus meiner Sicht haben wir uns in Europa einen Bärendienst erwiesen, denn wir haben Russland quasi dazu gezwungen, das zu tun, was sie längst hätten tun sollen, und zwar ihre eigene Wirtschaft zu diversifizieren und auf eigene Füße zu stellen.“ An vielen Stellen seien so Kompetenzen entstanden. An die Innovationskraft aus Deutschland kämen diese jedoch in vielen Fällen noch nicht ran, so der Geschäftsmann. „Bislang fehlt ein Zuliefernetzwerk. Aber wir haben einen Startschuss gegeben.“ Würden die Sanktionen aufgehoben, hätte das einen positiven Effekt auf die Volkswirtschaft, so das Ergebnis der Ifo-Studie. Demnach könnte das Bruttoinlandsprodukt allein im Regierungsbezirk Weser-Ems um 124 Millionen Euro steigen. Insgesamt spricht die Studie von einer möglichen BIP-Steigerung von 5,4 Milliarden Euro für Deutschland.

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VON NINA KALLMEIER Seit März 2012 ist Rainer Seele, Vorstandsvorsitzender der OMV Aktiengesellschaft, Präsident der Deutsch-Russischen Außenhandelskammer. Im Interview spricht er über das Marktpotenzial und Sanktionen.

MOSKAU

Insbesondere der Maschinenbau unserer Region sieht in Russland gute Geschäfte. Welche Bedeutung hat das Land insgesamt für die deutsche Wirtschaft – und andersherum der deutsche Markt für die russische Wirtschaft? Trotz lahmender Konjunktur, Corona, Sanktionen und Protektionismus ist und bleibt Russland ein wichtiger Markt für deutsche Unternehmen. In den vergangenen drei Jahren hat die deutsche Wirtschaft rund fünf Milliarden Euro im größten Flächenstaat der Erde investiert, und zwar netto – das heißt, wenn wir die Summe der investierten Gelder mit den aus Russland abgezogenen Geldern gegenrechnen. Das ist eine stolze Zahl. Im Land selbst sind knapp 4000 deutsche Firmen registriert. Dass die deutsche Wirtschaft weiter in den russischen Markt vertraut, zeigen auch die Ergebnisse der jüngsten Geschäftsklimaumfrage der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK) vom Dezember. Demnach bewerten 89 Prozent der befragten Firmen ihre gegenwärtige Geschäftslage in Russland als sehr gut, gut oder befriedigend. Jede dritte Firma will im laufenden Jahr sogar mehr Mitarbeiter einstellen. Gut die Hälfte glaubt, dass die Bedeutung Russlands für ihr Business perspektivisch zunehmen wird. Auch für Russland ist der deutsche Markt enorm wichtig. Mehr als fünf Prozent aller russischen Exporte entfallen auf Deutschland, ein großer Teil davon sind Öl und Gas. Aus welchen Branchen bekommt die Deutsch-Russische Auslandshandelskammer insbesondere Anfragen zum Russlandgeschäft? Aus den unterschiedlichsten Branchen, aber meistens geht es um deutsche Technologien, die russischen Industrieunternehmen dabei helfen, moderner und effizienter zu werden. Viele Firmen kommen aus dem Maschinen- und Anlagenbau. Aktuell wird vor allem Ausrüstung in den Bereichen Umwelttechnik, Lebensmittelverarbeitung und -verpackung, Holzverarbeitung, Bergbau, Medizintechnik und Landtechnik angeboten. Auch für Autobauer und Automobilzulieferer bleibt Russland in der Perspektive nach wie vor ein interessanter Markt. Es gibt gewaltigen Nachholbe-

Foto: AHK

darf, da der Pkw- und Lkw-Fuhrpark in vielen Regionen veraltet ist. Außerdem haben wir immer wieder Anfragen zu Pharmazeutika und Lebensmittelzusatzstoffen. Auf der digitalen B2B-Plattform Germantech, die von der AHK mit Unterstützung des Bundesumweltministeriums entwickelt wurde, bieten deutsche Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen im Bereich Umwelt an, um Russland bei der Umsetzung einer groß angelegten Abfallreform zu unterstützen. Seit nunmehr fast sieben Jahren bestehen die EU-Russland-Sanktionen. Hat sich das Interesse deutscher Unternehmen am Markt verändert? Wie steht es um Investitionen? Die Sanktionen sind eine große Belastung für die Wirtschaftsbeziehungen. Der bilaterale Handel ging vor allem in der Landwirtschaft, im Bergbau und im verarbeitenden Gewerbe zurück. Dies belegt eine Sanktionsstudie des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, die von deutschen Industrie- und Handelskammern und von der AHK Russland in Auftrag gegeben wurde. Deutschland ist unter den westlichen Staaten der Hauptleidtragende und verliert laut Ifo 0,16 Prozent des BIP, was 5,45 Milliarden Euro entspricht. Als wirtschaftlicher und politischer Kollateralschaden der Sanktionen setzt Russland zunehmend auf Importsubstitution, koppelt sich vom Westen ab und wendet sich China zu. Für deutsche Firmen in Russland gibt es immer mehr Hürden. Die Regierung setzt auf Druck und Investitionsanreize, um ausländische Firmen zum Aufbau einer Produktion in Russland zu bewegen. Als Auslandshandelskammer unterstützen Sie auch russische Unternehmen in ihrer Zusammenarbeit mit oder in Deutschland. Wie steht es aktuell um das Interesse russischer Firmen am deutschen Markt? Russische Unternehmen sind sehr interessiert am Markteintritt in Deutschland. Der niedrige Rubelkurs

macht es sowohl für deutsche, andere ausländische, aber auch für russische Unternehmen attraktiv, aus Russland heraus zu konkurrenzfähigen Preisen zu exportieren. Deshalb haben wir als AHK eine Kontaktstelle für Export nach Deutschland eingerichtet. Das Interesse betrifft alle typischen Exportbereiche wie Lebensmittel, Industriekomponenten, Rohstoffe und Güter wie Schnittholz. Einerseits gilt Deutschland als Premiummarkt, andererseits als Türöffner für andere europäische Länder. Wer erfolgreich nach Deutschland exportiert, kann auch erfolgreich in die EU liefern. In welchen Bereichen sehen Sie – auf beiden Seiten – Chancen für Wachstum und Zusammenarbeit? Laut unserer Geschäftsklimaumfrage in der Gesundheitswirtschaft, in der IT und Telekommunikation sowie in der Land- und Ernährungswirtschaft. Im Energiesektor kommt es darauf an, die seit Jahrzehnten bewährte und verlässliche deutsch-russische Energiepartnerschaft bei klassischen Energieträgern wie Öl und Gas im 21. Jahrhundert mit Zukunftstechnologien wie Wasserstoff fortzuschreiben. Auch der Transportsektor bietet große Möglichkeiten, etwa die Entwicklung eines Schienennetzes für Hochgeschwindigkeitszüge in Russland mithilfe von deutschem Know-how und deutschen Technologien. Unter dem Dach der AHK haben sich deutsche Unternehmen wie die Deutsche Bahn und Siemens zur Deutschen Initiative für Hochgeschwindigkeitsverkehr in Russland zusammengeschlossen. Das Investitionsvolumen für die geplante Hochgeschwindigkeitszugstrecke Moskau–St. Petersburg liegt bei rund 20 Milliarden Euro. Auch im Bereich Digitalisierung sehe ich Synergien. Deutschland ist führend im Bereich Industrie 4.0, Russlands IT-Ingenieure und die IT-Branche zählen zur besten der Welt. Sie haben hohe Kosten der Sanktionen angesprochen. Ist eine Belebung der Handelsbeziehungen wieder in Sicht? Die Aufhebung der EU-Sanktionen gegen Russland würde sich tatsächlich positiv auf das deutsche Bruttoinlandsprodukt auswirken und der deutschen Wirtschaft Aufträge in Milliardenhöhe bringen. Im russischen Außenhandel ist Deutschland immer noch auf Platz 2. Aber um dieses Niveau zu halten und auszubauen sowie eine langfristige Abwendung Russlands in Richtung Asien zu verhindern, brauchen wir neue Impulse und eine deutliche Verbesserung der politischen Beziehungen.

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DONNERSTAG, 29. APRIL 2021

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Das sind die umsatzstärksten Firmen im Nordwesten

Nach Umsatz 2019 in Mio. Euro* Energie, Versorgung Ernährung, Genussmittel Automobil und Zulieferer sonstiges verarbeitendes Gewerbe

35. Neuenhauser Maschinenbau Neuenhaus 2122 36. Berentzen-Gruppe Haselünne 498 368 33. Sonae Arauco (ehem. Glunz) 375 Meppen 1338 401 32. Coppenrath & Wiese Osnabrück 2968 420 32. Gebr. Stolle Visbek 1088 31. Amazone Hasbergen 1900 30. Stadtwerke OS Osnabrück 623 29. Grimme Damme 2681 28. Bunte Papenburg 1420

Dienstleistungen, Handel sonstige Branchen

6071 2687

1. EWE Oldenburg 8831

2. PHW-Gruppe Visbek 7032

2578 3. KME Osnabrück 4667

435

2470 4. Hellmann Osnabrück 10 190

467

488

Nordenham

492

2240 5. Krone Spelle 5222

493

Leer

27. Emsland-Stärke Emlichheim 1208

Beschäftigte

Wiefelstede

590

1902 5. GMH Holding Georgsmarienhütte 7205

Oldenburg 26. Piepenbrock Osnabrück 26 403

Papenburg

606

Dörpen 25. Q1 Energie Osnabrück 270

1740 7. Bünting Leer 2984

612

Visbek

Haren-Altenberge 24. Homann Feinkost Dissen 2500

630

Meppen

Vechta

Essen

1350 8. Wernsing Essen (Oldb.) 4380

Haselünne

Emlichheim

23. Danish Crown Essen (Oldb.) 429

Cappeln

655

Neuenhaus

22. Nordland Dörpen 1284

Damme

706

1328

Spelle

21. Cewe Oldenburg 4200

Salzbergen

715

Osnabrück 1300

20. Felix Schoeller Osnabrück 2276

9. heristo Bad Rothenf. 3087

Hasbergen

735

19. Sprehe Cappeln 2169

Georgsmarienhütte Dissen

Bad Rothenfelde

753 795

18. Boge Damme 3889

1120 1075

838

847

17. Premium Aerotec Nordenham 3096

16. Röchling Engineering Plastics Haren-Altenberge 3959

999 905 15. Wellergruppe Osnabrück 1880

986

14. Big Dutchmann Vechta 3486

10. Köster Osnabrück 2000

11. Rothkötter-Gruppe Meppen 2878

12. H&R Salzbergen 1625

13. Molkerei Ammerland Wiefelstede 529 * nach Firmensitz, z.T. Geschäftsjahre, ohne Versicherungen und Banken; Quelle: Nord/LB

Die größten Unternehmen … nach Umsatz 2019

… in Niedersachsen in Mrd. € VW Wolfsburg Continental Hannover Tui Hannover

… in Deutschland in Mrd. € 252,6

44,5 18,9

VW Wolfsburg

233,8 162,3

Daimler Stuttgart BMW München

Salzgitter AG Salzgitter 8,5

Siemens München

Agravis Hannover 6,5

… in Europa in Mrd. $

96,4

… weltweit in Mrd. $

Royal Dutch Shell GBR

352,1

Walmart USA

524,0

VW GER

282,8

Sinopec CHN

BP GBR

282,6

State Grid CHN

384,0

CNPC CHN

379,0

407,0

80,9

Glencore SUI

Dt. Telekom Bonn

74,5

Daimler GER

Rossmann Burgwedel 6,4

Bosch Gerlingen

71,9

Total FRA

176,2

Saudi Aramco SA

EWE Oldenburg 6,1

Uniper Düsseldorf

60,9

Exor ITA

162,8

VW GER

282,8

Hagebau Soltau 6,0

Deutsche Post Bonn

28,6

Gazprom RUS

118,0

BP GBR

282,6

Dt. Milchkontor Zeven 5,8

BASF Ludwigshafen

58,4

BMW Group GER

116,6

Amazon USA

280,5

Hoyer Gr. Visselhövede 4,2

Bayer Leverkusen

Lukoil RUS

114,6

Toyota JPN

275,3

1

42,8

215,1 193,3

Royal Dutch Shell GBR

352,1 329,8

1) und Berlin; ohne Versicherungen, Banken und Handesldienstleister; Quelle: Nord/LB, boerse.de, Statista


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DONNERSTAG, 29. APRIL 2021

MACHER & MÄRKTE

„Ich bin ins kalte Wasser gesprungen“ Kurz vor Beginn der Pandemie ist Hendrik Witte als Gesellschafter und Geschäftsführer ins Familienunternehmen eingestiegen VON NINA KALLMEIER Als Hendrik Witte Anfang 2020 als Gesellschafter und Geschäftsführer in die H. Witte Gruppe eingestiegen ist, war noch nicht abzusehen, was die Corona-Pandemie für die Wirtschaft bedeuten würde. Heute blickt der 28-Jährige auf ein ungewöhnliches Jahr zurück, das er sich als Chef eines Familienunternehmens durchaus etwas ruhiger gewünscht hätte. „Aber man lernt auch unglaublich viel. Ich bin ins kalte Wasser gesprungen und habe mich weiterentwickelt. Es ist eine Herausforderung, aber ich denke immer: Es gibt andere Firmen, denen geht es deutlich schlechter als uns.“ Die H. Witte Gruppe, die Hendrik Witte seit Beginn vergangenen Jahres zusammen mit seinem Vater und Firmengründer Hermann Witte leitet, ist ein Handwerksbetrieb, tätig im Bereich Gebäudetechnik und Anlagenbau in der Elektrotechnik. Die Arbeit einstellen musste der Familienbetrieb mit seinen fast 80 Mitarbeitern also nicht, „auch Kurzarbeit mussten wir nicht anmelden oder Corona-Hilfen beantragen. Nur die Badausstellung ist im zweiten Lockdown wieder geschlossen“, sagt Hendrik Witte. Dennoch sei die Situation nicht einfach, erzählte der Junior-Chef schon vor einem Jahr. „Es ist eine sehr intensive Zeit. Man trägt die RHEDE

Verantwortung für den Betrieb und die Mitarbeiter mit und muss sich in die neue Situation hineinfuchsen.“ Bereut oder infrage gestellt habe er die Entscheidung bis heute jedoch nicht, so Hendrik Witte. Dass er einmal die Firma übernehmen würde, stand für den heutigen Mitgesellschafter früh fest. „Ich bin im Unternehmen groß geworden, habe in meinen Schulferien und zwischen den Semestern schon mitgearbeitet.“ Zumal seine beiden Schwestern immer etwas anderes machen wollten und für sie ein Einstieg in den Betrieb nicht infrage kam. Der Übergang in die eigene Firma war für Hendrik Witte fließend. Zwei Jahre war er nach dem Studium zunächst in Vollzeit bei Voss Gebäudetechnik beschäftigt. „Die machen im Prinzip das Gleiche wie wir, sind aber deutlich größer“, so Witte. Ab September 2018 teilte der Wirtschaftsingenieur seine Zeit zwischen Voss und dem Unternehmen seines Vaters, bevor er – zunächst als Arbeitnehmer – ganz ins Familienunternehmen wechselte. „Es war für mich wichtig, auch ein anderes Unternehmen kennengelernt zu haben. Jetzt im eigenen Betrieb hat man aber noch einmal deutlich mehr Gestaltungsspielraum“, sagt der 28-Jährige. Das gilt auch für die Corona-Krise. Ein Familienunternehmen zu sein, das sieht Hendrik Witte derzeit als Vorteil. „Man ist flexibler, findet für jeden Mitarbeiter

Kurz vor der Corona-Pandemie ist HendrikWitte ins Familienunternehmen eingestiegen, mittlerweile hat seinVater das Zepter ganz an den Sohn übergeben. Um denKontaktzudenMitarbeitern zu halten,istHendrikWitteviel aufdenBaustellenunterwegs. Foto: Witte

eine maßgeschneiderte Lösung. Das kommt uns zugute.“ Die Zeit erlebt er als äußerst schnelllebig, wie er sagt. „Wird eine Baustelle doch stillgelegt? Bleiben alle Mitarbeiter gesund? Da macht man sich schon viele Gedanken“, sagt Hendrik Witte. Nach einem Jahr wisse er zwar mit dem Druck umzugehen, daran gewöhnt habe er sich aber nicht. „Man sehnt sich

nach einem Stück Normalität“, fasst er die aktuelle Situation zusammen. „Es war ein Jahr, in dem man immer wieder die Hoffnung hatte, dass die Pandemie in zwei oder drei Monaten vorbei sein würde. Dann kamen die zweite und dritte Welle.“ Um den Kontakt zu den Mitarbeitern nicht zu verlieren, sei er immer noch oft auf den Baustellen unter-

wegs. Um innerhalb des Unternehmens die Ansteckungsgefahr zu verringern, wurden feste Montagetrupps gebildet, die zu unterschiedlichen Uhrzeiten losfahren. Auch in der Verwaltung wurden die Bereiche getrennt. Für einige Verwaltungsmitarbeiter habe das Unternehmen mittlerweile Homeoffice ermöglicht, mittels Teams bleibe man in Kontakt. Was die Digitalisie-

rung angehe, habe die Pandemie dem Handwerksbetrieb einen Schub gegeben, so Witte. Insgesamt ist der Junior-Chef mit dem Jahr ganz zufrieden. Es habe wenig Quarantäne- oder Krankheitsfälle gegeben. Das habe man auch den Mitarbeitern zu verdanken, betont Hendrik Witte. „Sie haben mitgezogen und sich an die veränderten Arbeitszeiten und Arbeitsweisen angepasst.“ Auch wirtschaftlich ist der 28-Jährige zufrieden. Man habe sogar einige Mitarbeiter auf den Baustellen einstellen können im vergangenen Jahr – trotz einer kleinen Delle im Umsatz. „Es könnte schlimmer sein.“ Auch jetzt sei die Auftragslage gut, man habe viele öffentliche Aufträge. „Die Nachfrage im Neubausektor ist durch die Pandemie nicht über Nacht verloren gegangen.“ Größtenteils wickele das Unternehmen langfristige Aufträge im Umkreis von 250 Kilometern ab. Mittlerweile hat der 28-Jährige das Zepter komplett in der Hand. Sein Vater habe sich ein wenig zurückgezogen, auch wenn er noch fast täglich im Büro sei. Ob ihm trotz aller Zuversicht durch den Kopf gegangen ist, dass das Unternehmen nach ihm keine Zukunft haben könnte? „So weit will man nicht denken. Man ist immer bestrebt, Lösungen zu finden“, betonte Hendrik Witte schon im vergangenen Jahr.

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DONNERSTAG, 29. APRIL 2021

MACHER & MÄRKTE

Wie führt man auf Distanz? Weniger Kontrolle, mehr Vertrauen: Wie die Corona-Pandemie Chefs und ihre Art zu steuern verändert hat

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VON CORINNA CLARA RÖTTKER Es war eine Mammutaufgabe, vor der die Krone Gruppe vor gut einem Jahr stand: Von jetzt auf gleich mussten 1800 Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt werden, rund 30 Prozent der Belegschaft. Die Corona-Pandemie ließ den Verantwortlichen des Landmaschinen- und Trailer-Herstellers keine andere Wahl. Zum Schutz der Mitarbeitenden wurde fortan – dort, wo es ging – von zu Hause aus gearbeitet. Betroffen waren vor allem Abteilungen wie Controlling, Entwicklung und der Vertrieb. Für sie galt es im Rekordtempo Heimarbeitsplätze zu ermöglichen, diese in die Firmen-Infrastruktur zu integrieren und alte Systeme aufzurüsten. Ein gewaltiger Veränderungsprozess, für den es nur wenig Vorbereitung gab. „Glücklicherweise hatten wir 2019 bereits im Krone Business Center erstmals neue Arbeitszeitmodelle, inklusive Homeoffice eingeführt, davon haben wir profitiert, auch wenn die Dimensionen im März 2020 natürlich anders waren“, sagt David Frink, Vorstandsvorsitzender der Bernard Krone Holding. Wie dem Landmaschinenhersteller erging es Tausenden anderen Unternehmen in Deutschland. Die technische Infrastruktur war nicht die einzige Herausforderung. In schneller Taktung mussten Firmen alte Strukturen und Prozesse ad acta OSNABRÜCK/SPELLE

legen und neue, digitale Kommunikationswege für die Arbeit von zu Hause aus finden. Dabei stieg eine zuvor argwöhnisch betrachtete Notlösung zum Mittel der Stunde auf: das Führen auf Distanz. Denn wer remote arbeitet, braucht auch eine Remote-Führung, entsprechend schnell mussten Chefs lernen, ihren Führungsstil umzustellen. „Lange war die Führungslandschaft in Deutschland durch Kontrolle geprägt“, sagt Professorin Julia Müller, die den Lehrstuhl Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Unternehmensführung an der Universität Osnabrück leitet. „Führungskräfte delegieren Aufgaben an ihre Mitarbeiter und haben typischerweise vor Ort deren Leistung kontrolliert.“ Doch mit dem Umzug ins Homeoffice sind viele Mitarbeiter aus dem Blickfeld der Vorgesetzten verschwunden, mit der Folge, dass kontrollbasierte Führungsstile nicht mehr funktionieren. Denn was Führungskräfte früher im Büro ganz nebenbei mitbekamen, nämlich wie Teammitglieder arbeiten, entfällt jetzt mit dem Ende der Präsenzkultur. „Die Corona-Krise geht für viele Vorgesetzte mit einem Kontrollverlust einher“, sagt Müller. „Jetzt gilt es, sich von der InputKultur zu verabschieden, in der Führungskräfte durch Kontrolle prüfen, wie und woran Mitarbeiter arbeiten, und stattdessen eigenverantwortliches und ergebnisorientiertes Arbeiten zu fördern. Dies gelingt auf Distanz nur durch Vertrau-

en und mit guter Kommunikation.“ An Chefinnen und Chefs stellt dies andere Anforderungen als bisher. „Statt den Fokus auf die Arbeitsergebnis-Kontrolle zu legen, müssen unsere Führungskräfte jetzt viel stärker menschlich und vor allem individueller führen“, sagt Krone-Vorstandsvorsitzender Frink. „Manche Mitarbeitenden haben Probleme, sich im Homeoffice zu organisieren, andere brauchen mehr den persönlichen Kontakt oder haben eine Doppelbelastung durch zusätzliche Kinderbetreuung

„Corona-Krise geht für viele Vorgesetzte mit einem Kontrollverlust einher.“ Julia Müller, Professorin in Osnabrück

– diese unterschiedlichen Bedürfnisse muss man als Vorgesetzter erkennen und darauf eingehen.“ Entsprechend haben sich auch die notwendigen Kompetenzen verändert, die Führungskräfte für diese Aufgabe benötigen. Statt klassischer Attribute wie Durchsetzungsvermögen oder Ergebnisorientierung, die früher dem typischen Chef zugeschrieben wurden, sind nun vor allem die sogenannten Soft Skills gefragt – Fähigkeiten wie Empathie, Fürsorge, Einfühlungsvermögen und nicht zuletzt Kommunikationskompetenz. „Wir setzen auf eine bewusste und individuelle Kommunikation. Denn wenn der persönliche Kontakt und die Benefits vor Ort im Büro wegfallen, ist die Wertschätzung der entscheidende Faktor für die Mitarbeiterbindung und -motivation“, sagt Frink. Mehr Vertrauen und Verständnis, weniger Kontrolle und vor allem sich bewusst Zeit nehmen für die Mitarbeiterführung: Diese Charakteristika, die Corona mit sich bringt, werden auch bei Hellmann Worldwide Logistics in Osnabrück gefördert. „Durch den Wegfall der zufälligen Begegnungen am Arbeitsplatz müssen Führungskräfte im Homeoffice besonders aufmerksam zuhören und beobachten, um Probleme und Missstimmungen frühzeitig zu erkennen“, sagt Friedericke Prasuhn, die bei dem Logistikdienstleister für den Bereich Learning und Development verantwortlich ist.

Doch wie gelingt das in der Praxis? Wie können Vorgesetzte den Kontakt zum Team halten? Wie können sie sicherstellen, dass es den Mitarbeitenden gut geht und niemand hintenüberfällt? Hellmann hat hierfür unter anderem seine Regelkommunikation verändert: Anstelle von größeren Besprechungen finden digitale Meetings nun häufiger, dafür in kleineren Runden und mit kürzerer Dauer statt – und auch dann, wenn man kein konkretes Besprechungsziel hat. „Hierfür wird explizit Zeit eingeräumt und terminiert“, sagt Prasuhn. Dadurch erhöhe sich zwar der Organisationsaufwand, aber eben auch der Austausch, bei dem es sich bewusst nicht nur um fachliche Aspekte dreht. Stattdessen wird in den Online-Meetings auch schon mal nachgefragt, ob es den Kollegen gut geht oder was sie oder ihn in der Vorwoche glücklich gemacht hat. Neben den regelmäßigen Teammeetings werden virtuelle Kaffeepausen und Mittagessen angeboten, aber auch gemeinsame Sportaktivitäten, Spaziergänge oder Kochabende wurden von den Vorgesetzen ins Leben gerufen – alles digital und manchmal mit überraschendem Ausgang. „Die gemeinsame Kochaktion sollte anfangs nur eine Stunde gehen“, erzählt Prasuhn, „erstreckte sich dann aber über einen ganzen Abend.“ Der Vorteil: Das Team spricht über andere Themen als die Arbeit, lernt sich ganz nebenbei besser kennen und wird in sich gestärkt.

PIG WHAT?!

Hinzu kommt der Einblick ins Privatleben der Kollegen: Denn die digitalen Videokonferenzen dringen in private Räume ein und gewähren Einblicke auf die heimische Wohnzimmereinrichtung oder das Bücherregal. Mal springen Kinder ins Bild, dann bellen Hunde, oder der Partner ist zu sehen. „Man lernt Kollegen plötzlich von einer anderen Seite kennen“, sagt Prasuhn. Informelle Begegnungen wurden auch bei Krone in den digitalen Raum verlagert, wo man ebenfalls häufiger zusammenkommt. „Von den Mitarbeitern wird das sehr angenommen“, sagt Vorstandschef Frink. Dennoch könne dies den persönlichen Austausch nicht 1:1 ersetzen. „Die Gefahr der Entfremdung von der Unternehmenskultur besteht definitiv.“ Auch deswegen wird sich langfristig bei vielen Firmen eine Mischform aus Homeoffice und Präsenzzeiten im Büro einstellen – um das Beste aus beiden Welten zu vereinen: soziale Kontakte und Teamgefühl auf der einen Seite, mehr Flexibilität und Freiheit auf der anderen. Hellmann-Mitarbeiter sollen künftig nur noch 30 Prozent ihrer Arbeitszeit vor Ort sein müssen, bei Krone wird es ähnlich sein. Ein Zurück zur 5-Tage-Woche im Büro wird es in jedem Fall nicht mehr geben. „Der vertrauensbasierte Führungsstil wird definitiv bleiben“, sagt Frink. „Die vergangenen Monate haben gezeigt: Zu guter Führung muss nicht ständige Aufsicht gehören.“

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DONNERSTAG, 29. APRIL 2021

GELD & GESCHÄFT

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Negativzinsen ein Zeichen der Zeit? Zunehmend mehr Banken und Sparkassen bitten mittlerweile Privatkunden zur Kasse Meist erst Guthaben über 100 000 Euro betroffen. Anlage bei mehreren Banken als Ausweg? Oft verschiedene Regelungen für neue und alte Kunden. VON CORINNA CLARA RÖTTKER OSNABRÜCK/MEPPEN/LINGEN/ PAPENBURG/NORDHORN Die Deut-

sche Sparer müssen immer häufiger Negativzinsen zahlen. Zwar gilt das häufig erst ab einer gewissen Einlagenhöhe, doch auch die scheint zu sinken. Wie ist die Situation in der Region? Und was bringt die Zukunft? Ein Überblick. In der Corona-Pandemie halten viele Menschen ihr Geld zusammen. Der Grund: Sie fürchten Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit. Hinzu kommen geschlossene Geschäfte, ausfallende Familienfeiern sowie stornierte Urlaubsreisen und damit grundsätzlich die Gelegenheiten, Geld ausgeben zu können. Statt aber das angehäufte Geld zu investieren, lassen viele es einfach auf dem Konto liegen. Doch das wird immer teurer. Denn zunehmend mehr Banken und Sparkassen bitten Privatkunden mittlerweile zur Kasse und verlangen bei Giro- und Tagesgeldkonten sogenannte Negativzinsen. Damit sollen vor allem Neukunden davon abgehalten werden, größere Beträge anzulegen. Immerhin: Die Freibeträge, die von den Strafzinsen ausgenommen sind, sind für Privatkunden zum Teil noch recht hoch. Die Sparkassen in Osnabrück und Emsland beispielsweise verlangen erst dann 0,5 Prozent, wenn man mehr als 100 000 Euro auf dem Giro- oder Tagesgeldkonto hat. Das Verwahrentgelt wird dabei auf Grundlage des täglichen Kontosaldos ermittelt und nur auf das den Freibetrag übersteigende Guthaben berechnet. Eine Buchung des entsprechenden Betrages erfolgt dann im Rahmen des regelmäßigen Rechnungsabschlusses. „Bei dem Verwahrentgelt handelt es sich um keine Gebühr, an der wir Geld verdienen. Wir geben die Kosten, die uns an dieser Stelle entstehen, lediglich an den Kunden weiter“, heißt es dazu von der Sparkasse Osnabrück auf Anfrage. Hintergrund ist, dass die Institute für Einlagen, die sie bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken, selbst 0,5 Prozent Negativzinsen zahlen müssen. 120 Millionen Euro entrichteten so allein die Sparkassen im Jahr 2020 an die EZB, 9 Millionen Euro davon die niedersächsischen Institute. Bei der Emsländischen und Osnabrücker Volksbank fällt der Strafzins ebenfalls ab 100 000 Euro an. „Der Negativzins frisst sich durch nahezu alle Aktivposten unserer Bilanz. Diesem Marktzinsniveau kann sich kein risikobewusster Kaufmann entziehen“, sagt Beate Jakobs, Vorstandsmitglied der Volksbank Osnabrück. „Würden wir auf die Erhebung von Negativzinsen gänzlich verzichten, wären wir gezwungen, andere Bankdienstleistungen dergestalt

Wohin mitdem Ersparten?Geradejetzt,inderCorona-Zeit,gibtes wenigerGelegenheiten,sein Geldauszugeben.Wennsichaufdem KontoeingrößererBetrag ansammelt,sollteman mitseiner Bank sprechen.

zu verteuern, dass unsere Zinskosten auf diese Art wieder eingenommen werden.“ Für Privatkunden der Oldenburgischen Landesbank (OLB) gilt auf dem Tagesgeldkonto ebenfalls eine Grenze von 100 000 Euro. Ab diesem Betrag berechnet das Institut seit dem 1. April 0,5 Prozent Zinsen. Bei Einlagen auf dem Girokonto gilt eine Grenze von 500 000 Euro. Nach Auskunft von Britta

„Der Negativzins frisst sich durch nahezu alle Aktivposten unserer Bilanz.“ Beate Jakobs, Vorstandsmitglied der Volksbank Osnabrück

Silchmüller, der Leiterin der OLBUnternehmenskommunikation, hat diese Regelung für rund 99 Prozent der Privatkunden praktisch keine Auswirkung. 100 000 Euro oder mehr – so viel Geld haben ja auch viele Verbraucher gar nicht auf dem Konto und sind entsprechend von der Strafabgabe nicht betroffen. Auffällig ist jedoch, dass immer mehr Banken einen Strafzins einführen. Nahezu täglich kommt eine weitere dazu. Und auch die Zahl der Geldhäuser, die bereits bei kleineren Summen ansetzen, steigt. Das bestätigt auch Beate Jakobs: „Zur Wahrheit gehört auch, dass diese Freibeträge bundesweit immer weiter absinken und wir auch darauf reagieren müssen.“ Jüngstes Beispiel ist die SpardaBank West, deren Geschäftsgebiet sich von Nordrhein-Westfalen bis zu den Ostfriesischen Inseln erstreckt. Die Genossenschaftsbank verlangt neuerdings ein Verwahrentgelt von 0,5 Prozent ab 25 000 Euro Einlagen auf dem Girokonto. Dem Vergleichsportal Biallo.de zufolge gewähren schon jetzt 50 Banken nur noch einen Schwellenwert von 10 000 Euro oder weniger, 21 langen bereits ab einem Euro zu. Insgesamt kassieren in Deutschland bereits rund 370 Institute Negativzinsen im Privatkundenbereich, ihre Freibeträge reichen dabei von einem Euro bis zu Millionenbeträgen. 200 davon haben den Strafzins erst im vergangenen Jahr eingeführt. Die Entwicklung scheint unaufhaltsam und rasant, denn allein seit Jahresanfang

sind 80 Geldhäuser neu dazugekommen, so das Portal. „Die Sparkassen wollten ihren Kunden nie etwas für ihre Einlagen abknöpfen. Aber wenn die Europäische Zentralbank den Marktzins abschafft und den Negativzins quasi zum neuen Marktzins erklärt, können wir uns dieser Entwicklung nicht entziehen“, erklärt Thomas Mang, Präsident des Sparkassenverbandes Niedersachsen. Nach seiner Einschätzung erhebt derzeit die Hälfe der niedersächsischen Sparkassen Verwahrentgelte oder Negativzinsen in Höhe von rund 0,5 Prozent bei

Einlagen, die mehrheitlich zwischen 100 000 und 250 000 Euro liegen. Davon würde wiederum nur die Hälfte Verwahrentgelte für Neukunden erheben. Mit ihnen werden die Modalitäten im Einzelnen besprochen. Will eine Bank auch ihren Bestandskunden Negativzinsen berechnen, muss sie das mit den Betroffenen individuell vereinbaren. So müssen laut Stiftung Warentest Kunden mit laufenden Vertragsbeziehungen den Negativzinsen zustimmen. Verbraucherschützer kritisieren jedoch, dass die Institute Betroffene unzureichend informieren. Zudem können die Geldhäuser ihren unwilligen Kunden

Foto: imago/ChristianOhde

auch kündigen. Diesen Schritt ging zuletzt etwa die Stadtsparkasse Düsseldorf, die 26 Kunden rausschmiss, die hohe Einlagen auf ihren Konten hatten und die Strafabgabe nicht akzeptieren wollten. Eine Trendwende ist vorerst nicht in Sicht. Im Gegenteil: Corona hat den bestehenden Trend zu Negativzinsen noch einmal beschleunigt. „Nach dem historischen Konjunktureinbruch im Zuge der Corona-Pandemie sind höhere Zinsen auf absehbare Zeit kein Thema“, sagt Oliver Maier, Geschäftsführer des Internetportals Verivox Finanzvergleich GmbH, das regelmäßig die Zinssätze von Banken vergleicht. „In den kommenden Wochen und Monaten rechnen wir mit weiteren Banken, die Negativzinsen einführen.“ Experten raten Privatkunden, die dennoch kurzfristig viel Geld auf dem Konto haben und Negativzinsen vermeiden wollen, den Betrag auf Konten bei verschiedenen Banken zu verteilen. Auch ausländische Banken können hier für einige eine Option sein. Dabei lohnt es sich, nicht nur verschiedene Anbieter und deren Konditionen zu vergleichen, sondern vor allem auf die Einlagensicherung zu achten und zu prüfen, bis zu welcher Höhe das Geld im Fall einer Bankenpleite geschützt ist. In Europa ist eine Sicherung von 100 000 Euro üblich. Insofern empfiehlt die Stiftung Warentest. sowieso nicht mehr Geld anzulegen.


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DONNERSTAG, 29. APRIL 2021

GELD & GESCHÄFT

Umbau der Wirtschaft befeuert Börsen Lockdown als Booster für digitale Wirtschaft / Auch klassische Industrie im Aufwind / Finanzmärkte eilen von Rekord zu Rekord VON STEFAN WOLFF Die Finanzmärkte eilen derzeit von Rekord zu Rekord. Allein der Deutsche Aktienindex (Dax) hat seit Jahresbeginn um über zehn Prozent zulegen können. Beobachter sind sicher, dass das so weiter geht. Schon zu Ostern hat der Dax fast sämtliche Prognosen geschlagen. 14 000 Punkte hatten die Analysten der großen Bankhäuser dem Index zugetraut, wenn auch erst zum Jahresende 2021. Auch das Kursziel „15 000“ wurde eiligst kassiert. Im Auge der Corona-Krise sind Aktien gefragt wie selten. Der Erfolg hat viele Väter. Einer davon ist die Hoffnung auf einen lang anhaltenden Aufschwung nach dem Ende der Krise. Die Corona-Pandemie hat den Volkswirtschaften dieser Welt schwer zugesetzt, doch vielerorts weniger stark als befürchtet. Die Erholung fiel danach umso steiler aus. Mit dafür verantwortlich sind massive Konjunkturprogramme der Regierungen und der Notenbanken (wobei letztere offiziell keine Konjunktursondern Geldpolitik betreiben). Besonders entschlossen ging dabei die US-Regierung vor, die ein zwei Billionen Dollar schweres Paket durch Kongress und Senat peitschte. Gegen die 2000 Millliarden Dollar erscheint der deutsche „Wumms“ wie ein „Wümmschen“. OSNABRÜCK

Das Geld steckt die Regierung in die Infrastruktur, also in Straßen, Flughäfen, Wasserversorgung und schnelles Internet, um nur einige Ziele zu nennen. In vielen Teilen des Landes präsentieren sich die USA marode. Das hat sich auch unter Bidens Vorgänger Trump nicht geändert: „America first“ – diesbezüglich ein Lippenbekenntnis. Vom erwarteten Wachstum in den USA möchte sich so mancher eine Scheibe abschneiden. Das gilt insbesondere für exportlastige Volkswirtschaften wie die deutsche. Gleichzeitig läutet die Wirtschaft einen Wandel ein, den es selten zuvor gegeben hat. Der Lockdown war ein wahrer Booster für die digitale Wirtschaft. Lockdown-Zeit ist eben virtuelle Zeit. Kochboxen und Lieferdienste ersetzten den Restaurantbesuch, Online-Shopping das Ladengeschäft um die Ecke. Der Hype hat dazu geführt, dass das Lieferunternehmen Delivery Hero den Aufstieg in die höchste deutsche Aktien-Liga hat. Doch auch andere Unternehmen spielten ihre Stärken aus. Amazon, Zalando und Co. profitierten vom Boom beim Online-Shopping, Netflix und viele Anbieter von Computerspielen unterhielten ihr Publikum mehr als sonst. Kurzum: Die Geschäftsmodelle funktionierten besser. Das hat Entwicklungen beschleunigt, die ohnehin schon im Gang

Bleiben Sie Kurz notiert immer informiert Ausschreibung: Für den InnovaÜber unseren Wirtschaftsnewsletter erhalten Sie auch zwischen den Ausgaben von „Die Wirtschaft“ dreimal die Woche einen Einblick in die regionale Wirtschaft sowie Wissenswertes zu allgemeinen Wirtschaftstrends direkt per Mail. Die Anmeldung ist kostenfrei über www.noz.de/newsletter. Die nächste „Die Wirtschaft“ erscheint am Donnerstag, 24. Juni 2021. Anzeigenschluss für diese Ausgabe ist Freitag, 4. Juni 2021. Weitere Informationen finden Sie im Internet unter der Adresse www.noz.de/wirtschaft.

GESCHÄFTSFÜHRER: Axel Gleie und Jens Wegmann CHEFREDAKTION: Ralf Geisenhanslüke (Chefredakteur), Dr. Berthold Hamelmann (Vertreter des Chefredakteurs), Burkhard Ewert (Stellvertretender Chefredakteur) KOORDINATION: Nina Kallmeier AUTOREN DIESER AUSGABE: Marcus Alwes, Susanna Austrup, Sebastian Hamel, Wilfried Hinrichs, Nina Kallmeier, Bastian Klenke, Christoph Lützenkirchen, Hermann Josef Mammes, Mark Otten, Carinna Clara Röttker, Nina Strakeljahn, Jürgen Wallenhorst, Stefan Wolff REDAKTION V.i.S.d.P.: Ralf Geisenhanslüke FOTOGRAFEN: Christian Belling, David Ebener, Daniel Gonzales-Tepper, Michael Gründel, Sebastian Hamel, André Havergo, Swaantje Hehmann, Christoph Lützenkirchen, Jörn Martens, Markus Scholz VERLAG: Neue Osnabrücker Zeitung GmbH & Co. KG, Postfach 42 60, 49032 Osnabrück; Breiter Gang 10–16, Große Straße 17–19, 49074 Osnabrück, Telefon 0541 310-330, Telefax 0541 310-266; Internet: www.diewirtschaft.noz.de; E-Mail: diewirtschaft@ noz.de ANZEIGEN-/WERBEVERKAUF: MSO Medien-Service GmbH & Co. KG, Große Straße 17–19, 49074 Osnabrück, Postfach 29 80, 49019 Osnabrück, Telefon 0541 310-500, Geschäftsführer: Sven Balzer, Anzeigen-/ Werbeverkauf: Sven Balzer, Ansgar Hulsmeier, Dirk Riedesel, Marvin Waldrich ANZEIGENANNAHME: Geschäftskunden: Telefon 0541 310-510, Telefax 0541 310-790; E-Mail: auftragsservice@mso-medien.de ANZEIGEN-/WERBEVERKAUF für Ausgabe Grafschaft Bentheim: Grafschafter Nachrichten GmbH & Co. KG, Coesfelder Hof 2, 48527 Nordhorn, Telefon 05921 707410, Verlagsleiter: Matthias Richter (V.i.S.d.P.) ANZEIGENANNAHME für Ausgabe Grafschaft Bentheim: Grafschafter Nachrichten GmbH & Co. KG, Telefon 05921 707-410; E-Mail: gn.media@gn-online.de, Leitung Mediaverkauf: Jens Hartert TECHNISCHE HERSTELLUNG: Druckzentrum Osnabrück, Weiße Breite 4, Osnabrück (Ausgabe Osnabrück/Emsland); Grafschafter Nachrichten, Coesfelder Hof 2, Nordhorn (Ausgabe Grafschaft Bentheim)

tionspreis Niedersachsen 2021 suchen das niedersächsische Wirtschaftsministerium und das niedersächsische Wissenschaftsministerium zusammen mit dem Innovationsnetzwerk Niedersachsen Innovationsprojekte und Erfolgsgeschichten aus Niedersachsen. Die drei Siegerprojekte erhalten unter anderem ein Preisgeld von jeweils 20 000 Euro. Infos: https://www. innovationsnetzwerk-niedersach sen.de/innovationspreis-nieder sachsen-2021.html. Die Bewerbungsfrist endet am 4. Mai 2021.

Auszeichnung: Das Garten- und Landschaftsbauunternehmen Boymann in Glandorf hat im Bereich bepflanzte Innenwände und Fassaden mit Unterstützung der Wirtschaftsförderung des Landkreises, WIGOS, eine besondere Auszeichnung erhalten: Nach umfangreichen Prüfungen hat die zu Beginn des Jahres 2021 durch RAL Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V. anerkannte Gütegemeinschaft Vertikalbegrünungen e.V. ihre ersten Gütezeichen an das Glandorfer Unternehmen verliehen. Wettbewerb: Der Verein für Wirtschaftsförderung in Osnabrück e.V. (VWO) stellt den Osnabrücker Wirtschaftspreis 2021 unter das Motto „Beständig innovati“. Verliehen wird der Preis zum achten Mal. Eine unabhängige und sachverständige Jury mit Mitgliedern der Osnabrücker Wirtschaft wählt den Träger des Preises aus. Bis zum 15.07.2021 können alle Osnabrückerinnen und Osnabrücker Unternehmen für den Wettbewerb nominieren. Einzige Bedingung: Der Firmensitz der Nominierten muss in Osnabrück liegen oder das Unternehmen muss eine rechtlich selbstständige Niederlassung in Osnabrück haben. Nach Entscheidung der Jury werden die Preisträger im Herbst benachrichtigt. Die Preisverleihung findet dann im vierten Quartal statt (Infos: www.wfo.de).

ProfitiertvonderKrise: EssenlieferantDeliveryHero.

waren. Im Zuge der Coronakrise scheinen sie endgültig unumkehrbar zu sein. Inzwischen spielt aber auch wieder die klassische Industrie ihre Stärken aus. Autohersteller erleben dabei ebenso ihr Comeback wie Energieversorger. Sie haben gerade jetzt deutlich gemacht, wie sich für sie der Wandel darstellt. Bei VW ist erstmals der Eindruck entstanden, dass der Konzern die Herausforderungen der Zukunft tatsächlich annimmt. Darauf haben Anleger geradezu euphorisch reagiert. Erstmals seit 2015 lagen die Aktien wieder über 200 Euro. Vor

Foto: imago/STPP

kurzem stieg der Konzern sogar zum wertvollsten Dax-Konzern auf und löste damit das Softwareunternehmen SAP ab, das diese Rangliste über einen langen Zeitraum angeführt hatte. Für Volkswagen war es ein langer Leidensweg vom aufgeflogenen Dieselbetrug bis heute. Trotzdem lagen nur wenige Wochen zwischen dem Image als brachliegendem Industrieriesen und dem aktuellen Hype, in dem Anleger VW als “neues Tesla“ feiern. VW hat eine milliardenschwere Elektro-Offensive angekündigt, will mit Partnern

mehrere Batteriefabriken errichten und plant eine europaweites Netzwerk an Ladestationen. Analysten zeigten sich größtenteils begeistert von den Projekten. Sie trauen VW durchaus zu, bei der Elektromobilität eine führende Rolle zu spielen. Einen ähnlichen Führungsanspruch formulieren auch die großen Energieversorger für sich. Jahrelang haben sie sich von der Energiewende treiben lassen. Inzwischen – so scheint es – nehmen sie das Heft des Handelns in die Hand. Erstmals wurde von RWE mehr Strom aus Wind als aus Kohle erzeugt. Mehr als 80 Prozent aller Investitionen zielten auf Nachhaltigkeit, heißt es im Geschäftsbericht. Umbauten kosten Geld. Während VW die Kosten der Elektromobilität mit dem Verkauf von klassischen Verbrennern finanzieren will, setzen andere auf Teilverkäufe. So hat der Siemens-Konzern im vergangenen Jahr mit dem Börsengang der Energiesparte dem Umbau vorerst abgeschlossen. Zuletzt hat Vantage Towers den bisher größten Börsengang dieses Jahres in Europa hingelegt. Die Funkmasten-Tochter des Mobilfunkanbieters Vodafone spülte 2,3 Milliarden in die Firmenkasse. Auch abgesehen davon ist der Börsengang bedeutsam. Das auf den ersten Blick langweilige Geschäft mit Funkmasten verspricht langfristig kalkulierbare Mietein-

nahmen. Durch die Emanzipation vom Mutterkonzern kann Vantage Towers auch an andere Konzerne vermieten. Generell dürfte also diese Entwicklung auch die Digitalisierung insgesamt vorantreiben, während die Telekom realisieren könnte, dass sie mit ihrer Tochtergesellschaft Deutsche Funkturm GmbH auf einem Milliardenschatz sitzt. Nach Überwindung der Finanzkrise sind Wirtschaft und Börsen in ein goldenes Jahrzehnt eingetreten. Dieses geht dank großzügiger Stützungsmaßnahmen nun in die Verlängerung. Zumindest wird dies so erwartet. Anleger gehen davon aus, dass sich diese Entwicklung fortsetzen kann. Die Rahmenbedinungen scheinen günstig. Die Zinsen sind niedrig, und sie werden unten bleiben. Der Preis dafür ist hoch. Die aufgewendeten Steuergelder und Kredite für die staatlichen Programme müssen irgendwie wieder reingeholt werden. Doch die Regierungen nehmen Risiken und Nebenwirkungen bewusst in Kauf und das nicht zum ersten Mal. Bislang ist beherztes Anpacken stets belohnt worden. Dabei ist dieses Mal das Ende der Fahnenstange gar nicht in Sicht. In den USA sind weitere Programme in Arbeit. Sie sollen für breit angelegtes, zukunftsfähiges Wachstum sorgen. Die Unternehmen und die Börsen stellen sich darauf ein.

Volkswagen startet mit E-Mobilität durch Expansion: Der global tätige Full-Service Dienstleister Hellmann Worldwide Logistics erschließt im Mittleren Osten neue Absatzmärkte: Nachdem 2020 das operative Geschäft im Oman aufgenommen wurde, hat das Unternehmen im Rahmen einer virtuellen Einweihungszeremonie nun auch in Ägypten seine erste Niederlassung in Betrieb genommen. Ziel des Markteintritts in die beiden strategisch wichtigen MESAStaaten ist es, das regionale Hellmann-Netzwerk über alle Produktbereiche hinweg auszubauen sowie neue Kundengruppen und Geschäftsfelder im Mittleren Osten nachhaltig zu erschließen. Firmenneugründungen: Niedersachsen punktet mit einer gegenüber dem Vorjahr deutlich gestiegenen Start-up-Gründungsaktivität und hohem Gründerinnenanteil, im Bereich Wachstum stehen niedersächsische Start-ups noch vor Herausforderungen. Zu diesen Ergebnissen kommt der Niedersachsen Start-up Monitor, mit dem die Landesinitiative startup.niedersachsen im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung erstmalig ein Monitoring der jungen niedersächsischen Unternehmen umsetzt (Infos: www.startup.nds.de). Neubau: Mit der Grundsteinlegung für das Werk Rosenau II erfolgte jetzt der offizielle Startschuss für den Bau des modernsten und energieeffizientesten Trockenmörtel-Wersk Europas. Die Sievert SE, marktführender Anbieter von Premium-Baustoffen in Europa mit Hauptsitz in Osnabrück, investiert am Produktionsstandort Mamming-Rosenau gemeinsam mit der Karl Mossandl GmbH & Co. über zehn Millionen Euro, um dort ab dem Frühjahr 2022 nachhaltige Trockenbaustoffe der Marken quick-mix, akurit, tubag und strasser zu produzieren – mit einer Jahreskapazität von über 100 000 Tonnen.

Die PNE AG brauchte jetzt mehr Rückenwind

VON JÜRGEN WALLENHORST WOLFSBURG/CUXHAVEN Zwei niedersächsiche Unternehmen, die von Deutschland aus ihre Aktivitäten engagiert steuern, stehen hier im Fokus: der Volkswagen-Konzern als internationaler Global Player der Autobranche und die PNE-Gruppe als international agierender WindparkProjektierer. Während VW seine EAuto-Angebote immer erfolgreicher in die Märkte bringt, kämpft PNE für eine saubere, nachhaltige Energieerzeugung. Der Wolfsburger Autobauer feierte auf der jüngst beendeten Auto Show Schanghai 2021, einer der wichtigsten Automobilmessen für den riesigen Fahrzeugmarkt China, mit seinen Neuvorstellungen einen viel beachteten Erfolg – vor allem auch mit seiner immer breiter werdenden E-Auto-Flotte. Hatte man noch vor Kurzem die Befürchtung, dass der zuletzt im vergangenen Jahr nach Absatz zweitgrößte Automobilhersteller die E-Mobiliät verschlafen haben könnte, so zeigten die vergangenen Monate, dass der Konzern seine Hausaufgaben gemacht hat. Der Autohersteller hat im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahresquartal mehr als 20 Prozent mehr Autos verkauft. Volkswagen erwartet, dass die Umsatzerlöse des Konzerns und des Bereichs Pkw im Jahr 2021 signifikant über dem Vorjahreswert von rund 222,9 Milliarden Euro liegen werden. Diese positiven Nachrichten schlagen sich auch in den Prognosen von Fachleuten nieder: Die Aktie bekam zuletzt Unterstützung bei rund 220 Euro. Am vergangenen Donnerstag zog das Papier wieder an. Jetzt gelte es, das Hoch bei 251,75 Euro zu nehmen. Breche die Aktie über diese Marke aus, laute das nächste Etappenziel in einem freundlichen Gesamtmarkt 275 Euro, so Experten. Einige von ih-

Volkswagen AG

Angaben in Euro 240 230 220 210 200 190 180 170 160 150

Jan.

Februar

März

PNE Wind AG

April Angaben in Euro

8,5 8,4 8,3 8,2 8, 1 8,0 7,9 7,8 7,7 7,6 7,4 7,3 7,2

Jan.

Februar

nen trauen der Aktie noch erheblich mehr zu. Die PNE-Gruppe als Projektierer von Windparks an Land und auf See will sich zu einem „Clean Energy Solutions Provider“, einem Anbieter von Lösungen für saubere Energie, entwickeln. Von der ersten Standorterkundung und der Durchführung der Genehmigungsverfahren über die Finanzierung und die Errichtung bis hin zum Betrieb und dem Repowering nach Laufzeitende umfasst das PNELeistungsspektrum alle Phasen der Projektierung und des Betriebs von Windparks. Zukünftig sollen Fotovoltaik, Speicherung und die Power-to-

März

April

Gas-Technologie mit einem Schwerpunkt bei Wasserstoff Teil ihres Angebotes sein. Mit dieser Erweiterung einher geht auch eine regionale Ausweitung der Aktivitäten – hin zu Schwellenländern in Lateinamerika, Afrika und dem Mittleren wie Fernen Osten. PNE hat das Jahr 2020 sehr erfolgreich abgeschlossen: Der Geschäftsbericht des Konzerns weist für 2020 Umsatzerlöse in Höhe von 109,7 Millionen Euro aus (Vorjahr: 132,8 Millionen Euro), seit Jahresbeginn zeichnet sich ein Abwärtstrend ab. Die Anleger sind vorsichtig, obwohl die Gruppe wegen der Erweiterung jetzt Rückenwind brauchte.


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GELD & GESCHÄFT

Blockchain-Einsatz: Große Veränderungen am Horizont Mittel zur Kostensenkung bei Unternehmen / Es geht um fälschungssichere Transaktionen / Rechtlicher Rahmen fehlt noch

Nichtnur fürdieKryptowährungBitcoin relevant:Bislang kommtdie Blockchain-TechnologieerstseltenzumEinsatz.Daskönntesichaber bald ändern.

VON MARK OTTEN OSNABRÜCK/MEPPEN/LINGEN/ PAPENBURG/NORDHORN Seit dem

Hype um die Kryptowährung Bitcoin ist der Begriff Blockchain ein Thema. Vereinfacht verbirgt sich dahinter eine Art Kommunikationsprotokoll, das Informationen fälschungssicher speichern soll. Potenzial für die Technologie sahen Vertreter der Wirtschaft jedoch früh nicht nur in ihrer Nutzung für Transaktionen von Bitcoin, sondern auch in anderen Bereichen. Dennoch heißt es in einem im Sommer 2019 veröffentlichten Bericht des Verbands der Internetwirtschaft zum Stand der Blockchain im Mittelstand: „Bei allem Potenzial der Technologie gibt es derzeit nur wenige Mittelständler, die die Blockchain-Technologie für eigene Produkte und Prozesse einsetzen.“ Rund zwei Jahre später hat sich trotz der Schlagzeilen um die Kryptowährung Bitcoin daran nicht viel geändert – auch in der Region. Eine der wenigen Ausnahmen im Mittelstand ist die Lingener Firma Certivation, eine Tochter der RosenGruppe. Über die Certivation-Plattform können Bildungsinstitute und Weiterbildungseinrichtungen auf Grundlage der Blockchain-Technologie fälschungssichere Zertifikate ausstellen und verwalten. Laut einem Unternehmenssprecher können Absolventen „nicht nur die Authentizität ihrer Daten jederzeit ohne amtliche Beglaubigung“ nachweisen, sondern auch Zertifikate auf direktem Weg teilen. Auf der anderen Seite können Unternehmen die Echtheit der Zeugnisse direkt und verlässlich prüfen. Dieses Angebot wird laut Firmenangaben bereits von „unterschiedlichen Partnern“ genutzt. Weniger Zulauf hat das Angebot des Hotels Appart in Osnabrück: Dort können Gäste seit Anfang 2018 auch mit Bitcoin bezahlen. Laut Josef Stührenberg, der sich um die Buchhaltung des Hotels kümmert, haben das seitdem drei Gäste genutzt – dennoch ist er weiterhin begeistert von der Blockchain-Technologie. Noch beschäftigen sich vor allem Forschung und Start-ups mit dem Kommunikationsprotokoll, das Transaktionen in dezentralen Datenbanken verschlüsselt und transparent und manipulationssicher speichert. Eines dieser jungen Unternehmen ist BlockAxs. Die Firma kümmert sich um Vertragsmanagement und hat ihren Sitz gerade erst von Berlin nach Osnabrück verlegt, um näher an

Kunden aus dem Mittelstand zu sein. Neben dem hohen Grad an Verschlüsselung sei die Blockchain auch aus einem anderen Grund die beste Lösung für die Firma gewesen, sagte Geschäftsführer Fabian Pohl: „Wir senken mit der Technologie unsere Kosten und können am Markt einen besseren Preis erzielen.“ Dennoch meint der Emsländer, dass die Technologie noch Jahre brauchen wird, bis sie flächendeckend zum Einsatz kommt: „Bitcoin ist das öffentliche BlockchainFlaggschiff – und selbst das ruft bei den meisten Menschen noch Fragezeichen hervor. Das sagt aus meiner Sicht alles über die aktuelle Verbreitung der Technologie aus.“ Bei Start-ups und in der Forschung geht es deshalb vor allem darum, Wissen zu erwerben, Ideen zu entwickeln und Nachweise für den hilfreichen Einsatz zu liefern. Frank Teuteberg, Leiter des Blockchain-Kompetenzzentrums am Fachgebiet Unternehmensrechnung und Wirtschaftsinformatik an der Universität Osnabrück, sagt: „Wir schauen in Richtung Geschäftsmodelle: Wie kann man die

„Blockchain bietet vor allem für Branchen wie Banken, Logistik, Immobilien und Verwaltung viele Möglichkeiten.“ Frank Teuteberg, Wissenschaftler an der Universität Osnabrück

Blockchain-Technologie einsetzen? Was macht das mit digitalen Ökosystemen? Und was macht das mit bisherigen Geschäftsmodellen? Wir sehen da sehr großes Potenzial.“ Für Teuteberg bietet Blockchain vor allem für Branchen wie Banken, Logistik, Immobilien, Verwaltung oder den Handel mit digitalen Kunstobjekten viele Möglichkeiten: „In diesen Bereichen entstehen disruptive Geschäftsmodelle“, so der Forscher. Transaktionen würden zwar nicht beschleunigt, aber sie könnten sicher, nachvollziehbar, dezentral und ohne Mittelsmänner abgewickelt werden. Beispiel Immobilienmarkt: Dank der Technologie müssen Anleger nicht länger ein ganzes Haus oder eine Wohnung kaufen, sondern können einen kleinen Anteil einer Immobilie erwerben – direkt vom Eigentümer und ohne Makler. Über digitale Wertmarken, sogenannte Token, sind die Besitzverhältnisse transparent auf der Blockchain gespeichert und verifiziert. In der Finanzbranche bräuchte es in der Theorie keine Banken als Intermediär, da Geschäftstransaktionen direkt und verifiziert abgewickelt werden können. Und im Vertragsmanagement könnten Notare überflüssig werden. Schon diese drei Anwendungsbereiche zeigen, dass viele Unternehmen ihre Geschäftsmodelle überprüfen oder anpassen müssen, wenn sie nicht vom Markt gewischt werden wollen. Teuteberg sagt: „Ich kann auf jeden Fall verstehen, dass Menschen die Blockchain-Technologie als Bedrohung wahrnehmen, zumal die Unerfahrenheit mit dieser Technologie von Kriminellen auch ausgenutzt wird. Wenn Unternehmen diese Technologie aber verantwortungsvoll einsetzen, wird sie zahlreiche Branchen verändern.“ BlockAxs-Geschäftsführer Pohl erklärt dazu: „Natürlich fallen durch Digitalisierung Arbeitsplätze weg. Aber man darf dabei nie vergessen, dass an anderer Stelle auch Arbeitsplätze entstehen.“ Große Umbrüche wird es nicht von heute auf morgen geben – auch, weil der rechtliche Rahmen für Blockchain noch fehlt. Das liegt laut Pohl nicht nur an der Komplexität des Themas, sondern auch an dem starken Veränderungspotenzial, dass die Technologie mitbringt: „Die Blockchain tritt einigen großen Lobbys auf den Schlips.“ Doch die Politik hat das Thema im Blick. Jüngstes Beispiel: Der Auftrag des Bundes für den digitalen Corona-Impfpass ging unter anderem an ein Unternehmen, das

Foto: Colourbox.de

den Impfstatus in verschiedenen Blockchains speichert. Noch sind viele Fragen unbeantwortet. Was passiert zum Beispiel, wenn der Besitzer eines Tokens stirbt und niemand das Passwort für die Festplatte kennt, auf dem die Wertmarke liegt? Brauchen Immo-

bilien-Anteilskäufer eine der für Kursschwankungen anfälligen Kryptowährungen oder klappt der Kauf mit Euro? Welche Blockchains sind für den Masseneinsatz geeignet, ohne dabei massenhaft Energie zu verbrauchen? Forschung, Unternehmen und Politik werden Ant-

worten finden müssen. Auch deshalb sagt der Emsländer Pohl: „Ich kann nur alle Unternehmen dazu aufrufen, etwas Zeit und Geld in Blockchain zu investieren und mal was auszuprobieren. Nur so kommt die Technologie voran, und nur so gewinnt sie an Glaubwürdigkeit.“

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DONNERSTAG, 29. APRIL 2021

GELD & GESCHÄFT

Mitarbeiter am Unternehmen beteiligen – eine Alternative? Start-ups in der Region haben sich teilweise für dieses Modell entschieden / Osnabrücker Jurist sieht „Phantom Stocks“ positiv VON CHRISTOPH LÜTZENKIRCHEN Start-ups sind cool. Ziemlich angesagt und sehr erwünscht. Allerdings sitzen diese, im Idealfall schnell wachsenden, jungen Unternehmen in einer Zwickmühle. Für das schnelle Wachstum brauchen sie gute Mitarbeiter. Die wissen um ihren Marktwert, erhalten lukrative Angebote von weitaus größeren Unternehmen und erwarten eine gute Bezahlung. Geld haben die jungen Unternehmen meist eher wenig; um mehr zu verdienen, brauchen sie aber die guten Mitarbeiter. In der Start-up-Wiege Silicon Valley löst man das ganz lässig über Mitarbeiterbeteiligungen. Da wird es dem deutschen Gesetzgeber dann aber doch zu unübersichtlich. Der habe immer die Sorge, dass Mitarbeiter zu günstig zu Geld kommen, sagt der Osnabrücker Jurist und Berater Professor Heiko Hellwege von PKF WMS BrunsCoppenrath & Partner. Deshalb würden auf Mitarbeiterbeteiligungen Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge erhoben. Das Vorgehen sei vergleichbar mit der Behandlung von Dienstwagen und anderen Annehmlichkeiten, mit denen Arbeitgeber Mitarbeiter belohnen wollen. Im Unterschied zum Dienstwagen hat der Mitarbeiter aus seiner Beteiligung zunächst aber weder Ersparnis noch Gewinn. Der Berliner Digitalverband Bitkom kritisiert denn auch, dass die Steuer zu einem Zeitpunkt fällig werde, zu dem der Mitarbeiter die Anteile in aller Regel noch nicht veräußern könne. Damit fehlten die notwendigen Erlöse, um die Forderungen des Finanzamtes zu bedienen. Die Problematik wird auch als „dry income“ bezeichnet. Vor diesem Hintergrund sind Beteiligungsprogramme aus Sicht von Bitkom für viele Mitarbeiter unattraktiv. Laut aktuellen Plänen der Bundesregierung soll die Besteuerung künftig erst beim Verkauf der Anteile stattfinden; allerdings auch nach spätestens zehn Jahren oder beim Ausscheiden des Mitarbeiters aus dem Unternehmen. Damit würde das „dry income“ letztlich nur verschoben. Entsprechend fordert Bitkom-Präsident Achim Berg: „Diese Sonderregelungen sind überflüssig und bürden den Mitarbeitern ein finanzielles Risiko auf. Besteuerung sollte grundsätzlich erst dann stattOSNABRÜCK

Eine IdeefüraufgeschlosseneFirmeninhaber:DenMitarbeitern gehörteinStück vomUnternehmen–dasbindetsie anihrenArbeitgeberund spültGeld in dieFirmenkasse. C

finden, wenn beim Mitarbeiter auch ein Erlös entstanden ist.“ Laut einer Bitkom-Umfrage unter 206 Start-ups bieten unter den aktuellen Bedingungen nur wenige Unternehmen ihren Mitarbeitern Beteiligungen an. Demnach nutzen aktuell nur vier von zehn Start-ups (40 Prozent) in irgendeiner Form Mitarbeiterbeteiligungsmodelle. Jeder zweite Gründer würde seine Mitarbeiter gern beteiligen, setzt dies aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen jedoch nicht um. Wie relevant ist das Thema Mitarbeiterbeteiligungen für Osnabrücker Start-ups? Haben sie eine Lösung für die Probleme bei der Besteuerung gefunden? Anfrage bei Tim Siebert, Geschäftsführer des Start-up-Zentrums Seedhouse. Et-

BeteiligenihreAngestelltenamUnternehmen:FirmengründerHansKnöchelundAnjaNiehoff –hier aufeinerWeltkarte,die zeigt,woaufderWelt ihreApp schon läuft. Foto: Chr.Lützenkirchen

wa die Hälfte der Mitglieder seines Netzwerks würden sich mit der Frage beschäftigen, sagt Siebert. Dabei gehe es den Unternehmen nicht nur darum, Mitarbeiter durch Beteiligungen zu bezahlen, sondern auch um die Bindung der Mitarbeiter, und ihre Motivation. Schon recht weit auf dem Weg zur Beteiligung ihrer Mitarbeiter sind die Unternehmen VisioLab und Lambus. Beide setzen auf einen sogenannten VSOP (Virtual Stock Ownership Plan). Heiko Hellwege spricht etwas allgemeiner von „Phantom Stocks“. Diese seien als flexibles Instrument zur Beteiligung von Mitarbeitern gerade in Start-ups entwickelt worden. „Genau genommen sind das nicht existierende, virtuelle, aber vertraglich ausgestaltete Anteile am Unternehmen“, sagt der Jurist: „Sie bewirken, dass der Mitarbeiter zu einem bestimmten Zeitpunkt, in der Regel beim Verkauf des Unternehmens, so gestellt würde, als wenn es sich um existierende Anteile gehandelt hätte.“ Im Unterschied zu anderen Beteiligungsmodellen beispielsweise Aktienoptionsplänen, müssten die Mitarbeiter für Phantom Stocks kein eigenes Geld einsetzen, sagt Hellwege. Die virtuelle Mitarbeiterbeteiligung könne unentgeltlich eingeräumt werden. Damit ist sie auch nicht als geldwerter Vorteil zu besteuern. Sie bietet lediglich die Chance auf künftige „virtuelle“ Dividenden oder „virtuelle“ Veräußerungsgewinne. Der Experte sieht die virtuellen Beteiligungen entsprechend als probates Mittel für die jungen Unternehmen gegen die manchmal unsittlichen Angebote großer Konzerne im Wettbewerb um die besten Mitarbeiter. Die echte Beteiligung von Mitarbeitern am Unternehmen mit stimmberechtigten Anteilen könne auch zu Problemen führen, gibt er zu bedenken. Beispielsweise wenn Mitarbeiter berechtigt sind mitzureden, die das Unternehmen bereits

verlassen haben. Eine virtuelle Beteiligung durch Phantomstocks lasse sich demgegenüber maßgeschneidert entwerfen. „Ich rate den Start-ups, nur den Kern der harten Gründer mit stimmberechtigten Anteilen am Unternehmen zu beteiligen“, so Hellwege: „Für die zweite Managementebene bieten sich virtuelle Anteile an. Die kosten zunächst nichts, müssen nicht sofort versteuert werden, bringen kein zusätzliches Risiko für den Mitarbeiter mit sich. Erst wenn sie monetär realisiert werden, müssen sie mit dem persönlichen Steuersatz versteuert werden. Im Zweifelsfall kann das allerdings ziemlich ernüchternd sein.“ Sowohl Lambus als auch VisioLab haben Beteiligungsmodelle für ihre Mitarbeiter entwickelt, die mit den Empfehlungen des Juristen konform gehen. Allerdings ist Hans Knöchel, Geschäftsführer von Lambus, eher unzufrieden mit der Lösung. „VSOP ist für uns eine Zwischenlösung, weil es aufgrund der steuerlichen Behandlung unattraktiv ist, die Mitarbeiter direkt am Unternehmen zu beteiligen“, sagt Knöchel. Bevorzugen würde er aber Mitarbeiterbeteiligungen im Rahmen eines sogenannten „ESOP“ (Employee Stock Ownership Plan). Hier handelt es sich um zukünftige Eigentumsrechte an Aktien oder GmbH-Anteilen, die Begünstigten müssten sie zum Zeitpunkt der Zuteilung versteuern. Weitere Kritikpunkte von Knöchel betreffen das Dry-IncomeProblem – dieses sei nur teilweise gelöst – und die Fälligkeit der Steuer im Fall der Kündigung eines Mitarbeiters. „Wenn da nichts passiert, laufen die Gründer irgendwann aus Deutschland weg“, sagt Knöchel, der einige Jahre in Kalifornien gelebt und gearbeitet hat: „Im Silicon Valley sind die Bedingungen diesbezüglich ideal.“ Lambus vertreibt eine Handy-App, die es mehreren Personen im Urlaub ermöglicht, ihre Reiseunterlagen und Bu-

chungen miteinander zu koordinieren. Die Reiseplanung soll durch einen virtuellen Raum erleichtert werden, der alle relevanten Reisedaten, Wegpunkte und anstehende Kosten enthält. Die App ist in 144 Ländern verfügbar. Die Anzahl der Nutzer liegt im sechsstelligen Bereich. Seit Beginn der Corona-Krise hat sich ihre Zahl verdoppelt. 80 Prozent der Nutzer kommen aus dem Ausland. „Wir finanzieren uns bisher über Venture-Capital Investoren“, sagt Hans Knöchel: „Die Krise wollen wir nutzen, um das Produkt zu verbessern. Ziel ist es, als Gewinner aus der Krise hervorzugehen. Das Geschäftsmodell ist weltweit angelegt. Die Zielgruppe ist zwischen 18 und 34 Jahren alt.“ Laut

„Besteuerung sollte grundsätzlich erst dann stattfinden, wenn beim Mitarbeiter auch ein Erlös entstanden ist.“ Achim Berg, Bitkom-Präsident

Foto: Colourbox.de

Angaben von Mitgründerin Anja Niehoff arbeiten zurzeit sechs Mitgründer für Lambus, vier Angestellte und vier freie Mitarbeiter. „Nach einer Frist von zwölf Monaten haben auch die Angestellten die Chance, über eine Mitarbeiterbeteiligung aktiv am Erfolg des Unternehmens teilzuhaben“, so Niehoff. Tim Niekamp von VisioLab sieht VSOP schlicht als das Beteiligungsprogramm, das sich aktuell am Markt durchgesetzt hat. Jedes Programm habe Stärken und Schwächen, vor allem die steuerlichen Rahmenbedingungen seien herausfordernd. Das eigene Konzept für die Mitarbeiterbeteiligungen habe man zunächst mit den Investoren besprochen, berichtet Niekamp: „Mit ihnen haben wir ausgehandelt, dass zehn Prozent der Geschäftsanteile zurückgehalten werden. Die Geschäftsanteile kommen aus dem Bestand der Gründer. Sie bilden als Pool das Gegenstück zu den VSOP, die die Mitarbeiter erhalten sollen.“ Man wolle natürlich möglichst viele Mitarbeiter über die Beteiligung an das Unternehmen binden, so Niekamp, dennoch werde man das Angebot nicht jedem der aktuell knapp 16 Mitarbeiter machen. Auch hier sollen die Investoren mitentscheiden. Mitarbeiter, die besonders viel Erfahrung mitbringen und meist in Führungspositionen tätig sind, sollen größere Pakete erhalten. Zudem werde es bei VisioLab trotz des Mitarbeiterbeteiligungsprogramms auch in Zukunft regelmäßige Gehaltsverhandlungen geben. „Dabei orientieren wir uns an Meilensteinen, die bereits benannt sind“, sagt der Geschäftsführer des Start-ups. Mithilfe von künstlicher Intelligenz ermöglicht sein Unternehmen den Aufbau von autonomen Kassensystemen für Kantinen und Caterer. „Mit Visiolab können Kunden ihre Speisen unter das iPad legen, bezahlen und genießen“, heißt es auf der Homepage des Unternehmens.


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DONNERSTAG, 29. APRIL 2021

GELD & GESCHÄFT

Ziel: Innenstädte lebendig halten Pop-up-Stores sorgen für Zwischennutzung leer stehender Geschäfte / Gute Erfahrungen in Osnabrück VON CHRISTOPH LÜTZENKIRCHEN OSNABRÜCK Der Zutritt zur Schatz-

kiste ist aktuell streng reglementiert. Corona-Krise, nur Click and Collect. Der Reporter ist da im Vorteil, an der Großen Hamkenstraße gegenüber der Kamp-Promenade darf er sich ein eigenes Bild von der Vielfalt des Angebots im Pop-upStore „Zwischenzeit 3.0“ machen. Bis Ende Juni nutzen dreizehn Kreative aus Osnabrück und Umgebung ein leer stehendes Ladenlokal gegenüber dem Einkaufszentrum. Entstanden ist eine Schatzkiste mit überraschend originellen und eigenwilligen Produkten aus der Region – alles handgemacht und nachhaltig. Die farbenfrohen Drucke von Martina Schulte fallen sofort ins Auge. Fröhlich und robust sind die Taschen, die Simone Brüggemann für Kinder fertigt. Es gibt Ringe aus Muranoglas, Drechselarbeiten, handbedruckte Öko-Textilien, nachhaltige Kosmetik und weitere kreative Produkte. Der muntere Strauß an Ideen macht Spaß und zeugt vom schöpferischen Reichtum der Region. Mit dem Begriff Pop-up-Store assoziiert mancher womöglich ein Geschäft für Popcorn. Gemeint sind aber Läden, die zeitlich befristet in leer stehenden Geschäftsräumen eröffnet werden. Man spricht auch von Zwischennutzung.

Das Thema sei besonders unter Corona interessant, sagt Alexander Illenseer vom Citymarketing Osnabrück: „Pop-up bietet die Möglichkeit, Leerstände zu vermeiden und dadurch wichtige Bereiche der Innenstadt lebendig zu erhalten, die sonst Gefahr liefen zu veröden.“ In Osnabrück hat alles schon im Herbst 2018 angefangen. Vier Ladenlokale in der Theaterpassage durften als Store genutzt werden. Gemeinsam mit Simone Brüggemann und Martina Schulte hat Christine Rother das Projekt initiiert. Es wurde aus Mitteln des Forschungsprojekts des WuppertalInstituts „Wirtschaftsförderung 4.0“ unterstützt, für das Rother in Osnabrück verantwortlich zeichnete. „Wir waren die erste Stadt, in der diese Strategie erprobt wurde“, erzählt sie: „Später wurden dann auch in Witten, Wuppertal und Witzenhausen Pop-up-Stores eröffnet.“ Den ersten Osnabrücker Laden gab es nur einen Monat. Die 25 Produzenten mussten nichts bezahlen. In Räumen, die die Volksbank Osnabrück bereits angemietet hatte, jedoch noch nicht nutzte, gab es 2019 den ersten Pop-up-Store unter dem Namen „Zwischenzeit“ in der Theaterpassage. Zwölf Aussteller hatten sich dafür zusammengeschlossen. Von September bis Dezember 2020 folgte Zwischenzeit 2.0 in der Kamp-Promenade, seit März der aktuelle Store Zwischen-

Schon zum zweiten Mal gibt es in Osnabrück einen Pop-up-Store. Unter anderem Martina Schulte (MIENE STRATEN) und Simone Brüggemann (Dümmerkind)nutzendasAngebot. Foto: Swaantje Hehmann

zeit 3.0. Hier finanzieren die Anbieter alles selbst. Wirtschaftsförderung und Citymarketing Osnabrück sind nur noch als Schnittstelle zu den Immobilieneigentümern aktiv. „Unsere Aufgabe ist es, ihnen die Vorteile einer Zwischennutzung nahezubringen“, sagt Christine Rother, die mittlerweile bei der Wirtschaftsförderung angestellt ist. Es gibt viele Vorteile für die Eigentümer: Die Betriebskosten werden ge-

deckt und die Geschäftsräume geheizt. Die öffentliche Aufmerksamkeit für den Laden kann potenzielle Dauermieter anlocken. Zudem wird die mögliche Wertminderung durch längeren Leerstand abgewendet. „Am Beispiel der Theaterpassage konnten wir beobachten, wie das Konzept wirkt“, sagt Alexander Illenseer. Die Laufwege der Passanten hätten sich erkennbar verändert.

„Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass es Zwischennutzungsprojekte in Osnabrück gibt“, berichtet Christine Rother: „Uns erreichen immer mehr Anfragen aus der Kunst- und Kulturszene. Vermieter melden sich bei uns. Auch überregional haben wir für das Projekt viel Resonanz erhalten.“ Für die Zwischennutzung kämen nicht nur Produzenten infrage, auch Werkstätten, Gründer, Start-ups

Die digitale Zukunft gestalten

oder Kulturschaffende. Die Zeiten für die Zwischennutzung werden mit den Vermietern individuell ausgehandelt. Ihnen ist oft wichtig, dass es eine kurze Kündigungsfrist gibt. Falls sich eine Chance für eine erneute Dauervermietung bietet, wollen sie handlungsfähig bleiben. Die Einrichtung eines temporären Pop-up-Stores sei durchaus nicht die einzig denkbare Variante für die kreative Leerstandszwischennutzung, regt Christine Rother an. Möglich seien beispielsweise auch „feste“ Pop-up-Stores, die für begrenzte Zeiträume an wechselnde Anbieter vermietet werden. Verschiedentlich wurden zudem Konzepte auf Flächen in einem Geschäft umgesetzt, sogenannte „interne“ Pop-ups. Attraktiv könnten auch kurzfristige Zwischennutzungen im Rahmen von Veranstaltungen sein. Alexander Illenseer sieht das Leerstandsmanagement als Aufgabe für die ganze Stadt. „Es ist wichtig, dass wir in den nächsten zwei bis drei Jahren Bereiche am Laufen halten, die jetzt gefährdet sind“, sagt er: „Wir haben alle Eigentümer in der Innenstadt angeschrieben und versuchen sie davon zu überzeugen.“ Die Landesregierungen in Hannover und Düsseldorf hätten aktuell Förderprogramme für die Zwischennutzung entwickelt. Im deren Rahmen würden zum Beispiel Nebenkosten übernommen. – ANZEIGE –

Thorsten Treidel und Jan Eike Carstens designen moderne Informationstechnik für ihre Kunden. Was das bedeutet und wie wichtig die Sicherheit dabei ist, erklären die Inhaber von CT Cloud Design im Interview. Osnabrück / Hilter-Wellendorf Thorsten Treidel und Jan Eike Carstens kennen einander schon seit 17 Jahren. Anfang 2021 sind sie ganz bewusst den Schritt in die Selbstständigkeit gegangen. Bei der CT Cloud Design beraten sie ihre Kunden in Sachen Informationstechnik (IT) und bringen Unternehmen auf die nächste Entwicklungsstufe.

Carstens: Unser Hauptaugenmerk liegt dabei darauf, das Beste aus den beiden Welten On-Premise (Vor-Ort IT) und Cloud zu vereinen. Dies sind Lösungen, bei denen die Daten von jedem Ort aus und mit dem Fokus auf sicheren Zugriff erreichbar sind. Also weg vom Rechenzentrum im eigenen Haus, hin zu einer hybriden Lösung. Unsere Kunden kommen aus allen Branchen und wir passen die Lösungen dann den spezifischen Anforderungen der Unternehmen an. Jan Eike Carstens

Thorsten Treidel

Durch die Covid-Pandemie sehen sich mehr Unternehmen dazu gezwungen, ihre Prozesse zu digitalisieren. Spüren Sie einen gewissen Rückenwind? Treidel: Ja, auf jeden Fall. Videokonferenzen, Chats oder das Thema Cloudcomputing waren vor der Krise bei Unternehmen nur mit viel Überzeugungsarbeit zu platzieren. Mittlerweile ist das Gegenteil der Fall: Jeder will die Digitalisierung vorantreiben, damit nicht nur die Prozesse optimiert werden, sondern auch die Mitarbeiter im Homeoffice direkten Zugriff auf die Daten und Anwendungen erhalten. Wie können Sie Ihren Kunden dabei behilflich sein?

Was sind die Vorteile solch einer hybriden Lösung genau? Carstens: Die Unternehmen können z.B. Webserver, Datenbanken und Testumgebungen in einer Cloud installieren, was besonders attraktiv ist, wenn diese nur vorrübergehend dort installiert werden. Denn diese Dienste können sehr einfach wieder entfernt werden und Unternehmen zahlen nur das, was sie auch tatsächlich benutzen, statt hohe Investitionen zu tätigen. Treidel: Wir möchten das Beste aus beiden Welten kombinieren. Ge-

rade im Bereich der Informationssicherheit gibt es einige Lösungsansätze, die aus der Cloud heraus ihren Dienst lokal beim Kunden verrichten. Zum Beispiel KI-gestützte Scanner (KI = künstliche Intelligenz), die Verhaltensabweichungen bei Benutzern automatisch erkennen. Gerade vor Corona hatten einige Skeptiker Sicherheitsbedenken. Wie gehen Sie damit um? Treidel: An die Sicherheit denken wir von Anfang an mit. Wir beraten die Kunden und führen auch Analysen und Sicherheitschecks durch, um bedarfsorientiert agieren zu können. Oft ist die Geschäftsleitung von Beginn an offen für die Themen rund um Cloudcomputing. Carstens: Bei unseren Checks können wir oft schnell herausfinden, dass die IT-Infrastruktur einiger Unternehmen veraltet ist oder Sicherheitslücken aufweist. „Historisch gewachsen nennen die Kunden das.“ An dieser Stelle können wir dann mit unserer Expertise anknüpfen. Können Sie ihre Security-Dienstleistung an einem Beispiel erläutern? Treidel: Gerne. Wir hatten zum Beispiel schon Fälle, bei denen wir feststellen konnten, dass unautorisierte Anmeldeversuche an der Unternehmens-IT stattfinden. Ein Mitarbeiter aus der Buchhaltung, welcher typischerweise vom Büro aus arbeitet, kann sich normalerweise nicht morgens um 08:00 Uhr aus Osnabrück und um 08:10 Uhr aus dem Ausland an den IT-Systemen anmelden. Bei allem Fortschritt: das „Beamen“ ist noch nicht erfunden worden. Solche An-

omalien im Anmeldeverhalten erkennen KI-gestützte Securitysysteme sofort und blockieren den Anmeldeversuch bzw. schränken den Zugriff ein. Wie ist das eigentlich bei Ihnen? Nutzen Sie selber Clouds? Treidel: Selbstverständlich. Wir leben konsequent auch das vor, was wir unseren Kunden anbieten. Wir haben Laptops, eine Firewall und alle unsere Anwendungen und Daten in der Cloud. Dadurch sind wir extrem flexibel was unseren Arbeitsort angeht. Carstens: Wir haben zehn Mitarbeiter, die überwiegend von zu Hause aus arbeiten und das hat nichts mit

der aktuellen Lage durch die Corona-Pandemie zu tun. Für uns gehört das zur Unternehmenskultur flexibel und ortsunabhängig agieren zu können. Genauso flexibel sind wir auch für unsere Kunden – hier spielt es keine Rolle, wo der Firmensitz ist. Eine Cloudlösung lässt sich von überall aus einrichten und betreuen. Digitalisierung ist ohne Frage ein Zukunftsthema. Wo sehen Sie sich in zwei bis drei Jahren? Treidel: Wir haben einen klaren thematischen Fokus und einen detaillierten Businessplan: Innerhalb der nächsten zwei Jahre werden wir die Zahl der Mitarbeiter ver-

doppeln und unsere Kompetenzen in dem Themenbereich „Mit Sicherheit in die Cloud“ – deutlich ausbauen. Carstens: Das stimmt. Wir bekommen schon jetzt viel Zuspruch. Wir müssen zurzeit eher nicht aktiv auf die Suche nach motivierten Mitarbeitern gehen. Sie kommen zurzeit auf uns zu und haben Interesse, mitzugestalten.


DONNERSTAG, 29. APRIL 2021

VERLAGS-SONDERVERÖFFENTLICHUNG

MOBILITÄT

Die Mobilitätswende trotz Corona fest im Blick Landrätin Anna Kebschull: „Die Menschen im ländlichen Raum müssen nicht auf moderne Mobilitätsangebote verzichten“ VON CHRISTOPH LÜTZENKIRCHEN OSNABRÜCK Mit Anna Kebschull wurde im Landkreis Osnabrück im Juni 2019 die erste grüne Politikerin Deutschlands zur Landrätin gewählt. Die 47-jährige Unternehmerin setzte sich ambitionierte Ziele für die Region. Unter anderem will sie die Weichen für eine moderne und nachhaltige Verkehrsinfrastruktur stellen. Dann kam Corona und forderte die volle Aufmerksamkeit der Landrätin. Ihre mittelfristigen Ziele hat sie darüber nicht aufgegeben, das wird im nachfolgenden Interview mit Anna Kebschull deutlich.

Frau Landrätin, eines Ihrer Kernanliegen beim Amtsantritt war die Mobilitätswende. Die Stadt Osnabrück sollte zur Naturmetropole werden. Welche Vision verbinden Sie mit diesem Begriff ? Der Begriff ist mir weniger wichtig als seine Bedeutung: Wir sind eine Region, die in Teilen ländlich und durch Vielfalt in der Natur geprägt ist, aber auch städtische Merkmale aufweist. Die Menschen der Region sind in beiden Umgebungen zu Hause, und wir wollen Strukturen schaffen und erhalten, die den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger Rechnung tragen und beide Welten verbinden. Gleichzeitig gilt es, den natürlichen Charakter der Region zu bewahren. Das bedeutet konkret, dass alle

Menschen im Landkreis Zugriff auf Mobilitätsangebote haben müssen, die ihnen eine soziale und kulturelle Teilhabe ebenso sichern wie den Weg zur Arbeit und zurück. Dazu brauchen wir gut angebundene Ober- und Mittelzentren, gleichzeitig aber auch verbesserte Verbindungen zwischen den Gemeinden. Es ist uns wichtig, die Strukturen vor Ort wie etwa Sportvereine und medizinische Angebote zu stärken. Dazu müssen sie erreichbar sein. Wir möchten damit auch sagen, dass die Menschen im ländlichen Raum nicht auf moderne Mobilitätsangebote verzichten müssen, nur weil sie nicht in Berlin oder Hamburg leben. Dass auch bei uns innovative Konzepte möglich sind, haben wir schon gezeigt: Carsharing, Handytickets und digitale Routenberechnung können wir auch! Dabei dürfen wir die Umweltverträglichkeit nicht vergessen, damit wir die vielfältigen Naturräume des Landkreises stärken. Ich bin daher der festen Überzeugung, dass ein ausgebauter Verkehrsverbund mit einem zuverlässigen und flexiblen ÖPNV als Rückgrat, guten und vernetzten Radwegen und natürlich auch weiterhin Pkw-Verkehren diese Idee Realität werden lassen kann. In den Berichten über Ihre Pläne ist viel vom ÖPNV, von Sharing-Angeboten und der Verbesserung der Infrastruktur für das Fahrrad die Re-

de. Inwiefern spielt auch die Elektromobilität eine Rolle, die vom Bund massiv gefördert wird? Ganz ohne den Pkw wird es insbesondere im ländlichen Raum nicht gehen. Wir wissen aber, dass wir die CO2-Emissionen massiv reduzieren müssen. Der Verkehrssektor hat hier noch Nachholbedarf. Die Elektromobilität ist eine Technologie, die eine Brücke bauen kann. Daher hat der Landkreis in den vergangenen Jahren bereits viel unternommen, um für den Umstieg zu werben. Viele Wege, für die Bus oder Fahrrad nicht infrage kommen, können mit Elektroautos zurückgelegt werden. Gleichzeitig möchte ich betonen, dass auch E-Bikes eine Form der Elektromobilität sind. Diese Fahrräder werden immer beliebter, sie schaffen enorme Reichweite und sind komfortabel. Gleichwohl wird die Elektromobilität voraussichtlich nicht das einzige Antriebskonzept der Zukunft sein. Für wie aussichtsreich halten Sie andere alternative Antriebsformen wie die Brennstoffzelle, synthetische und biogene Kraftstoffe oder e-gas (synthetisches Methan)? Es wird sicherlich Anwendungen für jede dieser Technologien geben. In der Zukunft werden wir wohl einen Mix aus unterschiedlichen Antriebsformen und Treibstoffen sehen. Dabei muss aber dringend darauf geachtet werden, welche Antriebsform für welche Anwendung

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sinnvoll und auch effizient ist. Gerade bei den synthetischen Kraftstoffen sind hohe Umwandlungsverluste zu beachten. Das macht sie für die meisten Pkw weniger interessant, da hier Batterien effizienter sind. Bei Bahn und Schiff kann die Situation anders aussehen, da hier Batterien mittelfristig nicht ausreichend Energie zur Verfügung stellen können. Wasserstoff kann gerade für Nutzfahrzeuge eine spannende Alternative werden. Dabei ist aber wichtig, dass der Wasserstoff auch lokal erzeugt wird. Wasserstoff sollte dabei nur aus Überproduktion an grünem Strom gewonnen werden. Die Umwandlungsverluste sind hoch. Der Absatz von Fahrrädern kletterte in der Krise von Rekordhoch zu Rekordhoch. Sie suchen nach Möglichkeiten für Fahrradwege, die deutlich günstiger und viel schneller zu planen sind als Fahrradschnellwege. Können Sie hier bereits Erfolge verbuchen? Wir wollen, dass sich Radfahrerinnen und Radfahrer schnell, sicher und komfortabel im Landkreis bewegen können. Dazu braucht es ein verknüpftes und gut ausgebautes Radverkehrsnetz. Ob ein Radweg dabei offiziell als Radschnellweg bezeichnet wird, hat eher Relevanz für die Fördermittelgewinnung als für die Radfahrerinnen und Radfahrer. Es ist auch nicht so, dass wir bei null starten. Viele Gemeinden und auch der Landkreis sind hier seit Jahren sehr aktiv. Was wir aber tun müssen: die Strecken besser miteinander verbinden, die Qualität und die Beschilderung punktuell ausbauen und so ein einheitliches, kreisweites Radhauptroutennetz schaffen. Das kann der Kreis nicht allein stemmen, denn viele Streckenabschnitte liegen in der Verantwortung unserer Gemeinden oder von Land und Bund. Wir holen deshalb alle Akteure an einen Tisch und entwickeln ein gemeinsames Konzept. Erste Gespräche dazu haben schon stattgefunden. Ihr Projekt „Modellregion Naturmetropole Osnabrücker Land – Mobilitätsgarantie für alle“ sah ein Vorgehen in drei Phasen vor. Corona hat alle Planungen ad absurdum geführt. Wann und wie wollen Sie die Initiative weiterführen? Die Initiative wurde nie gestoppt, nur verzögert. Wir haben wichtige Schritte vorwärts gemacht. Wir sind gerade dabei, ein Projekt zu starten, bei dem wir weitere Grundlagen für unsere Mobilitätsentwicklung gewinnen werden. Gemeinsam mit einem Fachbüro werden wir etwa ab Mai damit beginnen, die Datengrundlage über die Verkehrsbewegungen im Landkreis erheblich zu verbessern und erste Analysen zu Verbesserungspotenzialen anzustellen. Gleichzeitig starten wir mit der Vorbereitung eines Bürgerdialoges, der im Herbst, sofern Corona dies zulässt, durchgeführt werden soll. Wir möchten mit den Bürgerinnen und Bürgern, den Unternehmen und den Kommunen in einen Dialog eintreten: Wir werden unsere Ansätze vorstellen und gemeinsam diskutieren, wie die Mobilität im Landkreis in Zukunft aussehen soll. Gleichzeitig haben wir im März einen Förderantrag auf einen Aufruf des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur gestellt. Inhalt unserer Projektidee ist eine deutliche Verbesserung des ÖPNV im Landkreis, mit ausgedehnten Angebotszeiten der Busse und flexiblen On-Demand-Verkehren zu den Busknotenpunkten. Wir hoffen, mit unserem Konzept erfolgreich zu sein und schon bald vom BMVI zu hören. Um die Wirtschaftskraft der Region zu erhalten und weiterzuentwi-

Möchte dieWeichen für eine moderne und nachhaltigeVerkehrsinfrastruktur stellen:Anna Kebschull, LandrätindesLandkreises Osnabrück. Foto:LandkreisOsnabrück

ckeln, braucht es eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur für Waren, Dienstleistungen und Güter. Wie wollen Sie hier für mehr Nachhaltigkeit sorgen? Wir brauchen eine intelligente Steuerung von Verteil- und Transportsystemen. So würden Transporte besser gebündelt und effizienter gesteuert. Außerdem sollten wir das Verkehrsnetz und die eingesetzten Technologien betrachten. Das gilt besonders für die Schiene: Wir haben im Landkreis ein hervorragendes Schienennetz, das leider in den vergangenen Jahrzehnten zu sehr aus dem Fokus geraten ist. Natürlich können wir auch über die Antriebssysteme der Transportfahrzeuge sprechen. Batterieelektrische Fahrzeuge und Brennstoffzellenantriebe sind ein wichtiger Schritt vorwärts in Einsatzgebieten, in denen wir nicht auf Autos verzichten können. Gleichzeitig sollten wir uns auch darüber Gedanken machen, welche Dienstleistungen in Zukunft digital durchgeführt werden können. Wir haben da sehr viel gelernt während der Pandemie. Natürlich denken wir nicht an den Maler oder Handwerker, sondern eher an Beratungsleistungen oder Sprechstunden. Für die Zukunft denken wir auch daran, Perso-

„Ganz ohne den Pkw wird es insbesondere im ländlichen Raum nicht gehen.“ Anna Kebschull, Landrätin im Landkreis Osnabrück

nen- und Warenverkehre zu kombinieren, besonders im Nahbereich mit den On-Demand-Verkehren. Sie fordern ein neues Geschäftsmodell und Nutzungskonzept für den Flughafen Münster/Osnabrück. Hintergrund ist die Erwartung, dass das Fluggastaufkommen nicht mehr den Stand vor Corona erreichen wird. Wie könnte die Nutzung des Flughafens aus Ihrer Sicht in Zukunft aussehen? Der Flughafen Münster/Osnabrück (FMO) ist derzeit eine bekannte Infrastruktureinrichtung für die regionale Wirtschaft. Unternehmen in der Region nutzen den FMO als Ausgangspunkt weltweiter Verbindungen, insbesondere über die Drehkreuze Frankfurt und München. Zudem werden auch innerdeutsche Ziele für Business-Termine wahrgenommen. Der Anschluss unserer Region an die internationalen Drehkreuze ist sehr wichtig. Die Frage, wie und mit welchen Verkehrsmitteln diese Drehkreuze zukünftig angebunden sein müssen, um den Anforderungen unserer Region gerecht zu werden, wird zu prüfen sein. Der FMO muss sich wie alle Regionalflughäfen dem gesellschaftlichen Wandel in Richtung klimafreundlichen Handelns und den alternativen Verkehrsformen wie der Bahn stellen. Erste Auswirkungen des Klimapakets zeigen schon heute: Innerdeutsche Flüge werden teurer und – bei einem entsprechend guten Alternativangebot der Bahn – zunehmend kritisch gesehen. Die bereits vom FMO geplante Anpassung an einen klimaneutralen Betrieb des Flughafens ist schon sehr zu begrüßen. Weiter müssen alternative Nutzungsmöglichkeiten von Gebäuden und Außenflächen ebenso geprüft werden wie eventuelle Kooperationen mit anderen Dienstleistern oder Unternehmen. Die Nutzung der Flächen und Gebäude kann etwa auch zu Testzwecken von autonomen Fahrzeugen dienen. Möglicherweise wird der Flughafen auch eine gewisse Nutzung durch kleine Shuttle-Flugzeuge erfahren, die perspektivisch über regenerativ erzeugte Treibstoffe angetrieben werden. In diesem Kontext werden sich die Flughäfen wie die gesamte Luftverkehrsbranche weiterentwickeln und neu aufstellen müssen.


DONNERSTAG, 29. APRIL 2021

SPEZIAL WOHNEN & BAUEN

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„Der Wirtschaftsbau ist im freien Fall“ Thomas Echterhoff beklagt im Interview „unglaubliche digitale Armut“ der öffentlichen Verwaltung Zahl der Auszubildenden um fünf Prozent gestiegen. Sehr niedrige Infektionsquote in der Branche. Baukosten durch politische Vorgaben getrieben? VON NINA KALLMEIER OSNABRÜCK/MEPPEN/LINGEN/ PAPENBURG/NORDHORN Der Osna-

brücker Unternehmer Thomas Echterhoff ist Präsident des Bauindustrieverbands Niedersachsen-Bremen. Im Interview hat er unter anderem über die Branche in der Corona-Krise, Nachwuchs, Image und vermeintlich teures Bauen gesprochen. Herr Echterhoff, die Baubranche boomt weiter – trotz Corona. Wie optimistisch sind Sie nach einem Jahr Pandemie gestimmt? Es hat sich bewahrheitet: Wir sind die Einäugigen unter den Blinden. Für uns hat sich insgesamt nicht viel geändert. Deshalb würde ich auch nicht von Boom sprechen. Allerdings muss man den Bau etwas differenziert betrachten. Zur Branche gehören im Wesentlichen drei Säulen: der Wohnungsbau, der etwa ein Drittel des deutschen Baus ausmacht, der öffentliche Hochbau und der öffentliche Infrastrukturbau sowie der Wirtschaftsbau als dritte Säule. Beim Wohnungsbau gab es 2020 im Vergleich zum Vorjahr tatsächlich keinerlei Einbrüche – wobei wir politische Entscheidungen wie den Mietendeckel in Berlin spüren. Das hat zu Zurückhaltung, sowohl beim Bau als auch bei Sanierungsaufträgen, geführt. Beim Infrastruktur- und öffentlichen Hochbau gab es wenig Veränderungen aufgrund der Pandemie. Jetzt, zu Beginn des neuen Jahres, fehlt allerdings der Auftragsnachschub etwas, da die Autobahn GmbH nicht so recht in Gang kommt und Ausschreibungen rückläufig sind. Im Rahmen der Gesamtwirtschaftssituation gibt es aber keinen Grund zum Jammern. Viele Firmen kämpfen mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie – wie steht es da um den Wirtschaftsbau? Im vergangenen Jahr waren die Zahlen noch super. Wer ein Projekt begonnen hatte, hat dieses aufgrund der Pandemie nicht abgebrochen. In diesem Jahr sieht das allerdings anders aus, da sind die Rückgange massiv – in Niedersachsen liegen die Auftragseingänge im Wirtschaftshochbau bei 13,1 Prozent unter dem Vorjahr. Das war jedoch auch nicht anders zu erwarten, wenn Firmen seit über einem Jahr im Krisenmodus sind, werden Investitionsprojekte auf Eis gelegt. Die Auswirkungen der Corona-Krise werden wir aber in anderen Bereichen ebenfalls spüren,

Setzt sichfür saubereund transparenteVergabeverfahrenein:ThomasEchterhoff,PräsidentdesBauindustrieverbands Niedersachsen-Bremen.

denn ich sehe auch die Gefahr, dass die öffentliche Hand Investitionen verschieben wird. Allerdings: Wenn wir in diesem Land weiterhin einen gewissen ökologischen Umbau betreiben wollen, auch in Richtung ÖPNV, in Richtung Bahn, werden wir viel Geld in die Hand nehmen müssen. Insgesamt bin ich für die Bauwirtschaft weiter positiv gestimmt. Es wird derzeit viel darüber diskutiert, wo die Gefahr, sich mit dem Coronavirus anzustecken, besonders hoch ist. Oft wird dabei der Arbeitsplatz genannt. Auf dem Bau wird zwangsläufig eng zusammengearbeitet – wie ist und war die Infektionslage in der Branche? Zum Glück konnten wir die ganze Zeit weiterarbeiten. Anders als in anderen Branchen sind uns beim Bau keinerlei größere Ausbrüche oder Baustilllegungen bekannt, die Kranken- und Infektionsquote ist und war in der Bauwirtschaft sehr niedrig. Es wird und wurde in der Politik viel über den Beitrag der Wirtschaft zur Eindämmung des Infektionsgeschehens diskutiert – und kritisiert. Zu Recht? Wir haben durch die gesamte Branche vernünftige und effiziente Maßnahmen zum Schutz der Mitarbeiter getroffen. Die Firmen und die Wirtschaft haben schon früh ihren Mitarbeitern deutlich mehr Masken zur Verfügung gestellt, als Herr Spahn sie hätte einlagern können. Wir haben Transportkapazitäten verändert, Containerkapazitäten vergrößert, Pausenzeiten entzerrt, und in vielen Betrieben wurde ein Schichtbetrieb eingeführt. Mobiles Arbeiten war bei vielen üblich und ist verstärkt worden. Allerdings: Im Bereich der öffentlichen Verwaltung haben wir eine unglaubliche digitale Armut gesehen, wodurch unter anderem Baugenehmigungen deutlich länger gebraucht haben. Wir haben ein großes Interesse, unsere Arbeitnehmer zu schützen, sie sind unser Produktionskapital. Niemand hat etwas davon, wenn eine ganze Kolonne ausfällt, nur, weil 20 Euro für

Masken gespart wurden. Es gibt auch viele Betriebe, die testen – ganz freiwillig, ohne Regelungen oder Unterstützung der Politik. Während Sie 2020 mit einem guten Polster ins Jahr gestartet sind, stand der Jahreswechsel dieses Mal ganz im Zeichen der nächsten Corona-Welle. Wie sind die Vorzeichen für 2021? Wir erwarten ein ausgeglichenes Jahr, ohne große Umsatzsteigerungen. Es weist alles darauf hin, dass wir im Wohnungsbau mit einem leichten Rückgang rechnen müssen, denn die Baugenehmigungen gehen zurück. Das ist aber kein Wunder, wenn seitens der Verwaltung aufgrund fehlender Digitalisierung weniger geschafft wird. Der Wirtschaftsbau ist im freien Fall. Wie hier das Jahr verläuft, wird ganz gewaltig davon abhängen, wie die gesamte Wirtschaft wieder auf die Füße kommt. Der Wirtschaftsbau ist nicht nur von ein paar großen Konzernen abhängig, sondern von einer breiten Masse an mittelständischen Firmen und Handwerksbetrieben. Tut der Branche dieser massive Rückgang weh? Es fängt an. Der schwächelnde Wirtschaftsbau führt zu Marktverschiebungen. Wenn dort keine Aufträge zu bekommen sind, bewegen sich Hochbauer in andere Segmente, sodass ein Preiswettbewerb stärker zu spüren ist. Auch im Straßenbau liegen die Gebote wieder enger beieinander. Bedrohlich ist das aber noch nicht. Wie steht es um den Nachwuchs in der Branche? Finden Sie genug Azubis? Aktuell sieht es ganz ordentlich aus. Im Großen und Ganzen haben wir keine großen Probleme, und die Zahl der Lehrlinge ist auch im vergangenen Jahr nicht zurückgegangen. Ganz im Gegenteil, unsere Ausbildungszentren verzeichnen fünf Prozent mehr Azubis als im Vorjahr, insgesamt werden 2700 junge Menschen in Bauberufen ausgebildet. Das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung. Wir dürfen

aber auch nicht nachlassen, und natürlich haben wir Probleme, in der Pandemie die Auszubildenden zu erreichen, weil keinerlei Berufsmessen oder Berufsorientierung mehr stattfindet. Und heute bewerben sich die Betriebe quasi bei den Auszubildenden und nicht mehr andersherum. Die Pandemie hat jedoch gezeigt, dass der Bau ein attraktives und krisensicheres Ausbildungsfeld ist, und auch bei der Vergütung müssen wir uns nicht verstecken. Fünf Prozent mehr Auszubildende – hat der Bau damit sein schlechtes Image überwunden? Wir arbeiten dran. Aber es bleibt nun einmal dabei: Auf dem Bau wird bei Wind und Wetter gearbeitet. In dieser Hinsicht können wir das Image nur bis zu einem bestimmten Punkt beeinflussen. Wir sind aber eine wesentlich modernere Branche geworden, insbesondere aufgrund des Maschinenparks, mit dem auf den Baustellen gearbeitet wird. Bagger sind – ähnlich wie Landmaschinen auf dem Feld – vollgestopft mit Elektronik und Technik. Wovon wir profitieren, ist eine Verschiebung innerhalb der Ausbildungsberufe. In den vergangenen Jahren hat zum Beispiel die Veranstaltungsbranche geboomt. Heute zeigt sich: Unter anderem der Bau ist deutlich krisensicherer. Sie sagen, die Branche ist deutlich moderner geworden. Wie steht es um das „moderne“, möglichst klimaschützende Bauen? Beim Thema Klimaschutz muss man sehr genau hinschauen. Es wird oft geklagt, dass der Bau für einen hohen CO2-Ausstoß verantwortlich ist. Allerdings: Die Werte sind nicht so hoch, wie es viele Statistiken darstellen, zumal man die Zahl auch vor dem Hintergrund der Lebensdauer eines Bauwerks wie beispielsweise Brücken sehen muss. Insgesamt gilt: Wir bauen das, was bestellt wird, da sind wir Dienstleister. Wenn der Auftraggeber ein Holz-Hybridhaus haben will, dann bauen wir ein HolzHybridhaus. Wer ein Haus aus Be-

ton bestellt, bekommt eines aus Beton. Es ist also auch ein Umdenken der Auftraggeber nötig – auch, wenn es um den Einsatz von Recyclingmaterialien geht. Die Mitarbeiter unserer Auftraggeber sind durch die ihnen gesetzten Rahmenbedingungen eher angehalten, neuwertiges Material einzusetzen als Recyclingstoffe. Nicht nur der Umweltschutz steht im Vordergrund, auch hohe Baukosten sind immer wieder ein Thema. Sind die Margen so viel größer geworden? Ich möchte eines gleich klarstellen: Die Gestehungskosten im Wohnungsbau sind nicht von der Gewinnsucht des Handwerks oder der Bauwirtschaft getrieben, sondern durch die erhöhten technischen Anforderungen, die politisch beschlossen sind. Wir können nicht so preiswert bauen wie Skandinavier, Niederländer oder Engländer, weil unsere öffentlichen Bauvorschriften für Wärmeschutz, Schallschutz, Brandschutz, Barrierefreiheit und vieles mehr das nicht zulassen. Die klassischen Rohbaukosten entwickeln sich im Rahmen der Inflation. Kostensteigerungen kommen durch die technische Ausstattung, und hier bekommen Investoren, Eigentümer oder Vermieter heute nun einmal mehr als noch in den 1960er-Jahren. Wohnungen von damals und von heute sind nicht mehr zu vergleichen – auch wenn man in beiden prima wohnen kann. Aber die Fenster damals waren eben zum Beispiel nicht dreifach verglast. Hinzukommen aktuell jedoch auch höhere Kosten für Baumaterialien und Lieferengpässe. Wie wirkt sich das auf die Industrie und das Bauen aus? In der Tat, wir erleben bei einigen Produkten erheblich größere Preisanstiege, als ansonsten üblich. Zum Beispiel Bauholz wird knapp und damit teuer. Es sieht so aus, als ob große Mengen in den Export gehen und dem hiesigen Markt damit nicht mehr zur Verfügung stehen. Bei Dämmmaterialien sind ebenfalls Lieferengpässe zu beobachten und auch die Preise für einfache Zu-

Foto: MichaelGründel

lieferprodukte wie KG Rohre gehen durch die Decke. Welche Auswirkungen haben die Preise, aber auch die Lieferengpässe auf die Branche aktuell? Im Moment trifft die Preisentwicklung in erster Linie die Bauunternehmen. Wer mit den Preisen von Jahresanfang kalkuliert hat, muss nun erheblich teurer einkaufen. Erst für künftige Bauvorhaben können die gestiegenen Preise berücksichtigt werden, dann wird es für die Auftraggeber teurer, obwohl keine Leistungsmehrung dahinter steht. Flächendeckender Stillstand auf Baustellen ist aktuell noch nicht festzustellen, Verzögerungen gibt es allerdings. Wir nehmen an, dass es sich bei dieser Entwicklung nicht nur um ein Strohfeuer handelt. Oftmals finden in den ersten Monaten des Jahres Preisrunden der Baustoffhersteller statt. Aber so etwas haben wir bislang noch nicht erlebt. Betonstahl in Stäben hat seit letztem Sommer um fast 30 Prozent zugelegt, Flachglas um 15 Prozent. Eine gute Nachricht für Bauherren: Das Preisniveau von Zement und Frischbeton bleibt bislang stabil. Im Zuge der Pandemie wurden in Niedersachsen die Wertgrenzen, nach denen die Politik Aufträge ohne Ausschreibung vergeben kann, hochgesetzt. Das Instrument wurde gerade erst verlängert. Müsste das Bauen damit nicht schneller gehen? Zu Beginn der Corona-Pandemie war man sich unsicher, wie sich die Situation auf die Vergabe auswirkt. Städte und Kommunen versprechen sich dadurch auch eine Entlastung von Bürokratie. Wir halten diese Maßnahme nicht für notwendig und sogar kontraproduktiv, denn die Gefahr besteht, dass Aufträge aus Gefälligkeit vergeben werden. Die Anhebung der Wertgrenze um den Faktor 40 für freihändige Vergaben von 25 000 Euro auf 1 Million Euro birgt die Gefahr von Korruption – auf beiden Seiten. Wir setzen uns für saubere und transparente Verfahren ein. Dann ist der Bauunternehmer im nächsten Tatort auch nicht wieder der Böse.


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„Die Ansprüche sind überall gewachsen und gestiegen“ Hohe Investitionen des Bundes – aber was lässt eigentlich die Kosten für Straßenbauprojekte immer mehr in die Höhe schnellen? VON MARCUS ALWES BRAMSCHE/WALLENHORST Laut Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer investiert Deutschland in diesen Tagen „so viel wie nie zuvor in unsere Schienen und Straßen“. 40 Milliarden Euro gebe die Bundesregierung allein für die Bundesfernstraßen aus, verkündete er bereits vor mehr als einem Jahr mit Blick auf den entsprechenden Rahmenplan 2019–2023 für die Verkehrsinfrastruktur. Der Erhalt von Straßen und deren Sanierung genieße dabei eindeutig Vorrang vor dem Trassenneubau, unterstrich Minister Scheuer. Doch diese Rekordinvestitionen sind offenbar auch bitter nötig, um überhaupt spürbar von der Stelle zu kommen. Denn der Straßenbau selbst ist zuletzt nicht unbedingt preiswerter geworden. Im Gegenteil, er wurde und wird eher teurer. Wer nach den Ursachen für diese Entwicklung fragt, bekommt die Antwort unter anderem von Thorsten Goerke geliefert. „Den Preis macht grundsätzlich der Markt“, sagt der Geschäftsführer der Dallmann Straßen- und Tiefbau GmbH aus Bramsche. „Steigt die Nachfrage, steigen auch die Preise.“ Er verweist beispielsweise auf die Kostenentwicklung beim Geräte- und Materialeinkauf – Asphalt/Bitumen, Mineralgemische oder Sand. Auch bei den Subunternehmer-

Straßenbauprojekte allerArt sindin denzurückliegendenJahren eherteurer geworden.Die Ursachen dafürsind durchausvielschichtig.

leistungen oder den Personalkosten seien die Ausgaben für Fachunternehmen spürbar gestiegen, so Goerke. Das alles mache sich dann später „bei den Preisen für Bauleistun-

gen bemerkbar“, erläutert der erfahrene Geschäftsmann. Goerkes Baumannschaften sind augenblicklich im Nordwesten des Landes an vielen Orten zu finden.

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Auf der B undesstraße 68 zwischen Pente und Wallenhorst ebenso wie in Esterwegen an der B 401 oder in Münster an der neuen Ostumgehung. In Dinklage und Diepholz sind die „Dallmänner“ zudem am Bau der Ortsdurchfahrten beteiligt. Gute 100 Millionen Euro betrug der Jahresumsatz des Bramscher Traditionsunternehmens in 2020. Rund 400 Mitarbeiter sind hier beschäftigt. Manfred Inden, der Geschäftsführer der Eiffage Infra-Nordwest GmbH aus Wallenhorst, führt neben gestiegenen Ausgaben bei Materialbeschaffung und Löhnen ausdrücklich auch die wachsenden Deponie- und Transportkosten an. Ähnlich wie Thorsten Goerke weist er auf die Mehrausgaben für die Gewerke bzw. Leistungen von Nachoder Subunternehmern hin. Letztgenannte – zum Beispiel die Stahlbauer – seien momentan als Partner auf den Baustellen nur schwer zu bekommen, so Inden. Deren Auftragsbücher seien mehr als voll. Das verzögere teilweise die Realisierung von Projekten und verteuere generell Vertragsabschlüsse mit Nachunternehmern. Einen weiteren Grund für die gestiegenen Straßenbaukosten sieht der Geschäftsführer in „oftmals nicht vollständig ausgeplanten und somit für die Bauunternehmen in den Ausschreibungen nicht ausreichend beschriebenen Projekten“. Das habe zur Folge, dass bei ausführenden Bauunternehmen wie Eiffage Infra-Nordwest – mehr als 620 Beschäftigte, Jahresgesamtumsatz rund 200 Millionen Euro – zusätzliche Leistungen vonnöten werden, erläutert Inden. Das mache am Ende alles noch einmal teurer. Ferner seien vorgegebene Zeitpläne kaum einzuhalten. Kann es da wirklich verwundern, dass zum Beispiel aus einer älteren und groben Kostenschätzung von rund 80 Millionen Euro für ein zehn Kilometer langes Autobahnteilstück bei Belm – der geplante Lückenschluss der A 33 zur Autobahn 1 bei Bramsche-Schleptrup – inzwischen eine konkretere Ausgabenberechnung in Höhe von circa 168 Millionen Euro geworden ist? Die Direktorin der noch jungen Autobahn GmbH Westfalen am Standort Osnabrück, Elfriede Sauerwein-Braksiek, nennt diese neuen Zahlen zur A 33-Nord immerhin „etwas Belastbares“. Und sie führt einige weitere Gründe an, warum Straßenbauprojekte in

Foto: Archiv/dpa/MarkusScholz

Deutschland momentan nicht gerade günstiger werden: Die Preise beim Erwerb von Flächen und Baugrund steigen, zudem würden im Laufe der Planungsprozesse mögliche Trassenführungen des Öfteren wieder verändert. Generell seien strengere Standards beim Lärm-, Arten- und Wasserschutz seien zu erfüllen. Hinzu kommen europäische Richtlinien bei Eingriffen in Flora und Fauna, immer mehr Auflagen bei ökologischen Ausgleichsmaßnahmen oder beim Brückenbau. Die Liste, warum ein Autobahnprojekt heute deutlich teurer sei als noch vor zwanzig oder dreißig Jahren, sei also durchaus lang, so Sauerwein-Braksiek. „Die Prozesse haben sich völlig verändert. Aber auch die Ansprüche sind überall gewachsen und gestiegen“, stellt die Direktorin der Autobahn GmbH fest. Ihr Unternehmen – eine „Tochter“ des Bundes – müsse das in die jeweiligen Planungen einfließen lassen. Gegebenenfalls gelte es, die Kostenaufstellungen zeitnah zu aktualisieren und anzupassen, sagt SauerweinBraksiek. Auch Manfred Inden spricht über die Umweltauflagen des Gesetzgebers, die am Ende bei der Abrech-

„Projekte sind oftmals nicht vollständig ausgeplant.“ Manfred Inden, Geschäftsführer Eiffage Infra-Nordwest

nung eines Gesamtprojektes zwangsläufig einen Kostenanstieg zur Folge haben müssen. Er nennt hier zum einen bauliche Maßnahmen, die dem Schutz bestimmter Tierarten oder Brutstätten dienen, aber er verweist zum anderen auch auf Richtlinien zur Verringerung von Lärm- und Abgasemissionen durch die Errichtung von Schutzwänden und Schutzwällen. Ferner, so der Eiffage-Manager, seien da noch die behördlichen Vorgaben und technischen Normen für die Arbeitsbläufe und das Geschehen auf den Baustellen selbst. Diese würden in Verträgen und Vereinbarungen zwischen den Auftraggebern und den Bauunternehmen sogar gesondert festgehalten. Dazu gehören eine dauerhafte Umweltbaubegleitung, aber auch konkrete Bautechniken, die anzuwenden seien, und die Nutzung von Baugeräten, die weniger Lärm-, Staub – und Abgasemissionen ausstoßen. „Wir begrüßen alle sinnvollen Maßnahmen, die dem Umwelt- und Naturschutz dienen“, sagt Manfred Inden, „es kostet aber eben auch mehr Geld, diese baulich umzusetzen.“ Wer in 2021 in Deutschland über die Sanierung der Infrastruktur oder speziell den Neubau von Straßen oder Autobahnen rede, müsse das wissen und berücksichtigen. Ein solcher Ausgabenanstieg trägt bei einem Autobahn-Vorhaben wie der A 33-Nord übrigens dazu bei, dass das sogenannte NutzenKosten-Verhältnis des Projektes von einem Wert von 3,8 auf 2,4 sinkt. Gegner der Schnellstraße fordern deshalb lautstark, ganz auf den Lückenschluss zur A 1 zu verzichten. Doch Landeswirtschaftsminister Bernd Althusmann will sich davon offenbar nicht irritieren lassen. Er bekräftigt, dieser Autobahnbau sei weiterhin vertretbar und werde „den Logistik- und Wirtschaftsstandort Niedersachsen leistungsfähiger und attraktiver machen“. Bundesverkehrsminister Scheuer stellt sich ähnlich auf, wenn er hervorhebt, wie wichtig es sei, „dass wir weiter auf Rekordniveau in unsere Verkehrsinfrastruktur investieren“. Und Manfred Inden? Der EiffageManager hält an seinem Fazit fest, „dass die regelmäßige Verteuerung der Infrastrukturprojekte nur bedingt an den Bauunternehmen liegt“. Vermutlich würde DallmannGeschäftsführer Thorsten Goerke ihm da nicht widersprechen.


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SPEZIAL WOHNEN & BAUEN

Mehr Fokus auf den Radverkehr? Bund und Land wollen Radwege stärker fördern / Kommunen planen einige Projekte VON NINA KALLMEIER, WILFRIED HINRICHS, HERMANN-JOSEF MAMMES UND SUSANNA AUSTRUP OSNABRÜCK/MEPPEN/LINGEN/

Wenn über den Ausbau von Infrastruktur gesprochen wird, steht das Verkehrsmittel Nummer eins im Vordergrund: das Auto. Doch nicht nur für motorisierte Verkehrsteilnehmer braucht es gute und sichere Wege, sondern auch für Radfahrer. Die jedoch haben unter anderem der Stadt Osnabrück beim jüngsten bundesweiten Fahrradklima-Test des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) gerade erst eine schlechte Note ausgestellt – unter anderem in puncto Sicherheit. Ein Blick auf das Radverkehrsnetz Osnabrück offenbart ein Spinnennetz an Haupt- und Nebenrouten quer durch die Stadtteile, Freizeitrouten und die Radschnellwege in Richtung Belm oder Lotte – wobei es wie beim Netz einer Spinne auch Bereiche gibt, in denen man ein Radverkehrsnetz vergeblich sucht. Dabei sind die Pläne des Landes Niedersachsen ehrgeizig: „Bis 2025 wollen wir den Radverkehrsanteil von 15 auf 20 Prozent steigern, Niedersachsen soll für Zweiräder noch attraktiver werden“, sagt zum Beispiel Wirtschafts- und Verkehrsminister Bernd Althusmann. „Dafür müssen die Radwege noch komfortabler und sicherer werden“, mahnt allerdings Johann Bardenhorst vom Grafschaft-Bentheim-Tourismus. Die Grafschaft verfüge kreisweit über ein gutes Radwegenetz. Und es soll weiter verbessert werden. Ein Beispiel nimmt man sich an den niederländischen Nachbarn, zu denen viele in der Grenzregion neidisch schauen, wenn es um das Thema Radwege geht. Wie dort würden zurzeit auch in der Grafschaft Radwege mit Knotenpunkten versehen und an die Netze angrenzender Regionen angebunden werden. Und: „Wir überlegen, Teile des touristischen Netzes alltagstauglich zu machen“, ergänzt Bardenhorst, doch insgesamt müssten die Radwege besser werden, also breiter und mit einem qualitativ hochwertigen Belag. „Außerdem müssen wir noch mehr für die Sicherheit tun“, sagt er. Das sahen in Osnabrück die Teilnehmer des Fahrradklima- Tests ähnlich und vergaben hier lediglich die Note 5,1. Dafür, dass es in puncto Radwege in den Niederlanden besser läuft als zum Beispiel in der Region, hat der Landschaftsarchitekt und TechniPAPENBURG/NORDHORN

NiedersachsensWirtschafts- undVerkehrsministerBerndAlthusmann siehtdasLandin SachenRadewege gut aufgestellt.Radfahrer stelltenunter anderemOsnabrück zuletzteineschlechteNoteaus.

sche Beigeordnete der Stadt Steinfurt, Hans Schröder, der viele Jahre in Enschede gearbeitet hat, eine einfache Erklärung: „In den Niederlanden sind die Finanzmittel für Fahrradmobilität höher als in Deutschland. Außerdem sind die Verkehrs-

„In den Niederlanden sind die Finanzmittel für Fahrradmobilität höher als in Deutschland.“ Hans Schröder, Landschaftsarchitekt und Technischer Beigeordneter der Stadt Steinfurt

Oft neidischer Blick in die Niederlande: Bei den Nachbarn sind Fahrradwege häufig deutlich besserausgebautalsin Deutschland. Foto:imago

planer in den Städten und Regionen sehr gut vernetzt, die Zusammenarbeit ist einfach besser.“ Das habe geholfen, die Radinfrastruktur überall einheitlich zu gestalten, während in Deutschland die Planung oft an den Landesgrenzen ende. Und er betont: „Wenn die Planung der Radwegeinfrastruktur in Deutschland klappen soll, muss sie mit der Stadtplanung einhergehen.“ Und das erfordere eine frühe Planung. Allerdings: Geht es um das ganze Bundesland, sieht Verkehrsminister Bernd Althusmann Niedersachsen gut aufgestellt. Im Vergleich zu anderen Flächenländern würden prozentual am meisten Wege mit dem Rad zurückgelegt, sagt der Minister. Und beim Anteil von Radwegen entlang von Bundes- und Landstraßen liege Niedersachsen hinter Schleswig-Holstein an zweiter Stelle. Laut Niedersächsischer Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr sind mehr als 4500 Kilometer der gut 8000 Kilomenter Landstraßen mittlerweeile mit einem straßenbegleiteten Radweg ausgestattet. Von den rund 4700 Kilometer Bundesstraßen durch Niedersachsen verfügen allerdings weniger als zwei Drittel über einen Radweg. Und auch Althusmann schaut auf die Nachbarn: Beispiele aus Ländern wie den Niederlanden und auch Dänemark würden zeigen, dass es gerade im Alltagsradverkehr noch viele Potenziale und damit viel zu tun gebe. Einige Projekte gehen die Kommunen in der Region in dieser Richtigung an. Das mit Abstand aufwendigste in Osnabrück ist in diesem Jahr die Ausstattung des Wallrings mit zwei Meter breiten Radwegen auf beiden Seiten. Ein Förderantrag beim Bund für das Vorhaben ist bereits gestellt, möglicherweise können 90 Prozent der Planungskosten erstattet werden. Die Entscheidung fällt in diesem Jahr. Kommt Osnabrück ins Förderprogramm, besteht die Chance, 2023 mit dem Ausbau des nördlichen Wallrings beginnen zu können. An der Pagenstecherstraße soll 2022 mit dem Bau eines neuen Radwegs begonnen werden. Und wenn im kommenden Jahr die Hannoversche Straße oberflächlich erneuert wird, soll dort auch das neue Radwegekonzept nach dem sogenannten ERA+-Standard (zwei

Meter breit plus Schutzstreifen) umgesetzt werden. Für den geplanten Radschnellweg zwischen Bramsche und Osnabrück sollen vor der Sommerpause die Planungsaufträge vergeben werden. Die Kosten von 4,7 Millionen Euro für die insgesamt 13,4 Kilometer lange Kanalstrecke will der Bund zu 90 Prozent übernehmen. Für das Teilstück auf städtischem Gebiet (5,7 Kilometer) müsste die Stadt einen Eigenanteil von 170 000 Euro aufbringen. Und auch im Emsland gibt es entlang der Kreisstraßen gleich mehrere Projekte. Auf 4,5 Kilometern soll unter anderem der Radweg entlang der Kreisstraße 321 von Wachendorf in Richtung Emslandautobahn saniert werden – für mehr als eine

halbe Million Euro. Zwischen Niederlangen und Oberlangen soll der Radweg entlang der Kreisstraße für 375 000 Euro ausgebaut werden. Entlang der Kreisstraße 168 von Renkenberge nach Kluse hingegen wird der Radweg auf einer Länge von 1,5 Kilometern saniert. Dafür plant der Landkreis Emsland 200 000 Euro ein. Für die Radfahrer in der Region sind diese und viele andere Projekte gute Nachrichten – ebenso für die Bauwirtschaft, die diese Aufträge umsetzen wird. Und damit der Radwegebau noch schneller vorankommt, wollen Bund und Land den Ausbau weiter unterstützen. Rund 65 Millionen Euro aus dem Bundesprogramm „Stadt und Land“ sollen

Foto:Jörn Martens

bis Ende 2023 nach Niedersachsen fließen. Ziel des Programms sei der Aufbau eines sicheren, möglichst lückenlosen Radnetzes mit schnellen Verbindungen, heißt es aus Hannover. Und auch das Land selbst hat im Nachtragshaushalt mehr Geld für den Neubau und Erhalt von Radwegen vorgesehen und will seine Förderung der Kommunen verbessern. Vorgesehen ist laut Wirtschaftsministerium, dass künftig alle kommunalen Radverkehrsmaßnahmen einheitlich mit bis zu 75 Prozent gefördert werden. Bislang lag der Fördersatz in Abhängigkeit vom Steueraufkommen der Kommune zwischen bis zu 60 und bis zu 75 Prozent.

INTERVIEW

Drei Fragen an den Mobilitätsexperten Bernhard Ensink Bernhard Ensink ist des Radverkehrs im Allstrategischer Berater tagsverkehr. bei Mobycon, einem Beratungsunternehmen In Deutschland werden viele Projekte mithilfe mit Hauptsitz in Delft, das sich auf Mobilitätsvon Fördermitteln finanziert. Wie sieht das lösungen im In- und Ausland spezialisiert in den Niederlanden hat. aus? In den Niederlanden Herr Ensink, Deutsch- wird mit einem ganzland gilt als Autoland. heitlicheren Ansatz als in Deutschland gearbeiDas Fahrrad ist zwar da, Radwege gibt es tet: Dieser Ansatz beauch, doch im Alltag ist deutet: kohärente Netzwerke mit direkten, atdas Auto die Nummer eins. Was machen die traktiven, sicheren und niederländischen Nach- komfortablen Routen. Diese Prinzipien sind in barn besser? Zunächst dies: Die Nie- Deutschland schwerer derlande sind auch ein durchzusetzen wegen Autoland, doch das vom der dominanten FokusAuto dominierte Land sierung auf die Verwurde ab Mitte der Sieb- kehrsleistung der Autoziger mehr und mehr infrastruktur und Pkwauch zum Fahrradland. Parkplätze und auf RadDurch langjährige syste- infrastruktur entlang matische Konzeptentder Autostraßen, wo es wicklung und struktuparallel dazu attraktiverelle Investitionen in re Trassen für Radfahrekomfortable Radvernde geben könnte. Nach kehrsinfrastruktur. Das den niederländischen Resultat: ein gutes Fahr- Planungsprinzipien ist radwegenetzwerk, gute Mischverkehr wo Autos Abstellanlagen und der höchstens 30 Kilometer weltweit höchste Anteil pro Stunde fahren sinn-

wachte wie bewachte Fahrradabstellanlagen investiert. Nicht nur an den Bahnhöfen. Zu Recht ist im neuen niedersächsischen Fahrradmobilitätskonzept auch die Verknüpfung mit anderen Verkehrsträgern ein wichtiges Handlungsfeld. In der Grafschaft Bentheim bedeutet hier die Wiederbelebung des SPNV auf der Strecke Bad Bentheim–Coevorden eine große Chance. Wie in den Niederlanden sollte es an allen Bahnhöfen hochwertige Abstellanlagen mit zukunftsorientierter Quantität geben – in einer Vorreiterstadt wie Nordhorn ergänzt mit einem Fahrradverleihsystem. Zum Schluss: Was muss sich Ihrer Meinung nach noch un- Deutschland wird auch bedingt tun, um den ein Auto- und FahrradDeutschen das Radfah- land werden. Und diese Region könnte dabei ren schmackhafter zu eine Vorreiterrolle machen? In den Niederlanden spielen. Grenzüberwird seit Ende der Neun- schreitende Zusamzigerjahre massiv in menarbeit könnte dabei qualitativ gute unbehelfen. voll, aber nicht, wo schneller gefahren wird. Dort braucht es physisch vom Autoverkehr getrennte, geschützte Radwege. Aber in Deutschland tut sich was. „Wir brauchen nicht die autogerechte Stadt, wir brauchen die menschengerechte Stadt; wir müssen den Platz umverteilen; das Auto muss Platz abgeben“, so Bundesverkehrsminister Scheuer im Jahre 2019. Dabei kündigte er Investitionen von 1,4 Milliarden für 2020 bis 2023 an, aber: Die Kommunen brauchen eine Finanzierung, mit der sie mittelfristig und langfristig planen können.


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SPEZIAL WOHNEN & BAUEN

SPEZIAL WOHNEN & BAUEN

„Es wird kieziger“ Im Wirtschaftstalk sprechen Susanne Schmitt und Arnd Fittkau über aktuelle Probleme der Wohnungswirtschaft und das Wohnen der Zukunft Sehnsucht nach Haus im Grünen oder Wohnung mit Balkon steigt. Bauminister, um das Thema Wohnen nach der Wahl voranzubringen? Künftig in Quartieren statt Einzelgebäuden denken. VON NINA KALLMEIER OSNABRÜCK/MEPPEN/LINGEN/ PAPENBURG/NORDHORN Stadtwoh-

nung oder doch das Häuschen im Grünen? Susanne Schmitt, Direktorin des Verbands der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Niedersachsen-Bremen (vdw), und Vonovia-Vorstand Arnd Fittkau haben auf diese Frage für sich persönlich ganz unterschiedliche Antworten. „Die Kinder sind bald aus dem Haus. Da wollen meine Frau und ich innenstadtnah wohnen, wo wir viel fußläufig erreichen können. Mir persönlich würde ein Balkon reichen, ein Garten macht im Alter nur Arbeit“, sagt Fittkau. Seit 2019 ist er im Vorstand des Bochumer Immobilienkonzerns Vonovia, dem rund 400 000 Wohnungen in Deutschland, Österreich und Schweden gehören, und wohnt in Essen. Für Susanne Schmitt ist die Lage etwas anders. „Wir wohnen heute mit viel Grün drum herum, was ich sehr liebe, denn ich bin eine passionierte Gärtnerin. Wir haben uns so eingerichtet, dass wir dort auch alt werden können, alles ist altersgerecht und barrierefrei“, sagt die Direktorin des Verbands der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Niedersachsen-Bremen. Dessen Mitgliedsunternehmen haben ebenfalls fast 400 000 Wohnungen im Bestand. Nach einem Interview des GrünenAbgeordneten Anton Hofreiter stand jedoch genau diese Art zu wohnen, das Einfamilienhaus, in der Kritik.

„Wenn die Baukosten bei 4000 bis 5000 Euro pro Quadratmeter liegen, kann nicht für sechs bis sieben Euro pro Quadratmeter vermietet werden.“ Susanne Schmitt, Direktorin Verband der Wohnungsund Immobilienwirtschaft Niedersachsen-Bremen

Überrascht hat Susanne Schmitt die anschließende Debatte nicht, wie sie im Wirtschaftstalk sagt: „Das ist verschiedenen Einflüssen geschuldet. Zum einen haben wir in den Städten mit erheblichen Flächeneinschränkungen zu kämpfen, sodass es zu wenig Grund und Boden für Neubau gibt. Zum anderen hat Corona gezeigt, wie wichtig der Rückzug ins Private und ein schönes Zuhause ist.“ Und wie sich Einschränkungen im Wohnbereich auswirken könnten, gerade auf Familien. „Was bedeutet es, wenn Familien mit Kindern über Wochen hinweg das Haus oder die Wohnung kaum verlassen können und dann ohne Balkon festsitzen? Dass da die Sehnsucht nach dem Häuschen im Grünen, nach dem Einfamilienhaus mit Garten, wo sich die Kinder draußen bewegen können, aufflammt, ist klar.“ Das jedoch steht in klarem Kontrast zur aktuellen Wohnsituation in Deutschland. Fast jeder dritte Bundesbürger lebt in einer Stadt mit mehr als 100 000 Einwohnern. Gibt es da überhaupt Platz für zusätzliche Einfamilienhäuser? „Das kommt darauf an“, sagt Susanne Schmitt. „Wir haben auch in den Innenstädten Brachflächen und Konversionsflächen. Wir haben leer stehende Kasernen, die umgenutzt werden müssen und wo man völlig neue Stadtteile entwickeln kann.“ Dass sich die Nachfrage potenzieller Mieter verändert hat, merkt Vonovia in den Großstadtregionen, in denen der Konzern vor allem vermietet, schon heute, wie Arnd Fittkau sagt. „Auch, wenn es abgedroschen klingt, es geht wieder vermehrt in die Richtung ,my home is my castle‘ Das Zuhause ist ein wichtiger Bestandteil geworden, und Mieter überall in Deutschland haben in den vergangenen zwölf Monaten vor allem nach Wohnungen mit großem Balkon oder Mietergarten gesucht. Da gibt es auch keinen Unterschied zwischen Stadt und Randbezirk“, so Fittkau. Ist die Einfamilienhaus-Diskussion – nicht einmal sechs Monate vor der Bundestagswahl – eher Vorbereitung auf den Wahlkampf oder doch der Corona-Situation geschuldet? „Beides“, sagt Arnd Fittkau. „Am Ende des Tages geht es jedoch um bezahlbare Mieten in Deutschland, egal, ob mit oder ohne Corona. Und es geht um die Frage, wie wir künftig leben wollen.“ Da steht für den Vonovia-Vorstand vor allem eines im Vordergrund: neuen Wohnraum zu schaffen. Doch dieses Ziel – neuen und vor allem bezahlbaren Wohnraum zu schaffen – ist für die Politik nicht neu. Wie kommt es, dass es immer noch auf der Tagesordnung steht? „Es wird schon gebaut, aber zu wenig“, sagt Susanne Schmitt, die Fittkau recht gibt: Die Lösung für bezahlbaren Wohnraum liege in der Schaffung von mehr Wohnungen und Häusern. Ein Grund für sie, warum es immer noch zu wenig bezahlbaren Wohnraum gibt: Es gebe wenig Grundstücke zu vertretbaren Preisen, hinzu kämen – aus unterschiedlichen Gründen – hohe Baukosten. „Neben den allgemeinen Kostensteigerungen sind auch die energetischen Maßnahmen teuer“, so Schmitt. „Verstehen Sie mich nicht falsch, wir wollen Klimaschutz. Wenn die Baukosten jedoch bei 4000 bis 5000 Euro pro Quadratmeter liegen, kann nicht für sechs bis sieben Euro pro Quadratmeter vermietet werden.“ Deshalb brauche es Mechanismen, die ein preisgünstiges Bauen ermöglichten. „Ein Aspekt wäre zum Beispiel, serielles Bauen voranzutreiben.“ Einige Projekte in diesem Bereich, wo man versuche, Außenhüllen seriell herzustellen, habe man bei Vonovia bereits, sagt Arnd Fittkau.

STECKBRIEF

Arnd Fittkau, Vonovia-Vorstand

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eit 2019 ist Arnd Fittkau Vorstandsmitglied von Vonovia und zunächst bis zur ordentlichen Hauptversammlung im kommenden Jahr bestellt. Seine Karriere im heutigen Vonovia-Konzern begann Fittkau 2002 als Leiter des Beteiligungscontrollings nach verschiedenen Controlling-Tätigkeiten bei MAN und Hochtief. 2005 verschlug es den studierten Diplom-Betriebswirt allerdings noch einmal für drei Jahre zur Gagfah Group, wo er als Head of Controlling tätig war.

Foto:Vonovia

Seit 2008 ist Fittkau nun als Geschäftsführer im Vonovia-Konzern und führte mehrere Geschäftsführer Mandate in Vorgänger- bzw. Tochtergesellschaften des Vonovia-Konzerns in Bochum, München, Frankfurt und Gelsenkirchen. Seit 2014 war er Geschäftsführer des Geschäftsbereichs West der Vonovia Immobilienservice GmbH. Zuletzt war er seit Anfang März 2018 Generalbevollmächtigter der Vonovia SE und fungierte als Vorsitzender der Regionalgeschäftsführungen.

STECKBRIEF

Susanne Schmitt, vdw-Verbandsdirektorin

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m Mai 2019 hat Susanne Schmitt die Leitung des Verbands der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Niedersachsen-Bremen übernommen. Damit ist sie die erste Frau an der Spitze der Interessenvertretung, in der mehr als 177 Wohnungsunternehmen zusammengeschlossen sind. In den rund 400 000 Wohnungen der Mitglieder leben laut Verband fast eine Million Menschen. In Niedersachsen gehört jede fünfte Mietwohnung zum Bestand der vdw-Mit-

„Wenn wir das weiter vorantreiben, müssen wir auch größer denken.“ Es gebe einige Millionen Gebäude in Deutschland, die beim Thema Energieeffizienz hohen Nachholbedarf hätten. Modernisierungen günstiger durchzuführen hätte auch für Mieter Vorteile, die bislang zum Teil hohe Mietsteigerungen aufgrund solcher Maßnahmen schultern müssen. Also Hand aufs Herz – wie teuer ist es zurzeit, eine Wohnung zu mieten? „In Osnabrück wohnt man bei uns im Durchschnitt für 6,80 Euro pro Quadratmeter netto Kaltmiete. Das halte ich für eine angemessene Durchschnittsmiete“, sagt Arnd Fittkau. Das sei etwa auch der Bundesschnitt. 12 Prozent der Wohnungen seien öffentlich gefördert und mietpreisgebunden. Bei den im vdw organisierten Wohnungsbaugesellschaften liegt die Durchschnittsmiete mit knapp unter sechs Euro etwas günstiger, wie Susanne Schmitt sagt. „Unsere Mitgliedsunternehmen – Genossenschaften und kommunale Wohnungsbaugesellschaften – haben aber auch eine etwas andere Struktur als private Wohnungsunternehmen“, gibt die vdw-Direktorin zu bedenken. Es stehe vor allem die Schaffung von Wohnraum in Vordergrund, weniger die Rendite – auch, wenn auch Genossenschaften Überschüsse erwirtschaften müssten. Dass Vonovia als private Wohnungsgesellschaft öfter in der Kritik steht, sieht Fittkau unter anderem der Größe des Unternehmens geschuldet. „Wir stehen als

größtes Wohnungsunternehmen in Deutschland mit 400 Standorten mehr im Fokus als andere. Da ist es vielleicht einfacher pauschal Kritik zu äußern, ohne auf die Datengrundlage zu schauen.“ Braucht es also Mietpreisbremsen und Mietendeckel gar nicht, um bezahlbaren Wohnraum anzubieten? „Die Instrumente Mietpreisbremse und Mietendeckel halten wir für absolut ungeeignet. Es muss einfach mehr gebaut werden, das ist der Schlüssel“, sagt Susanne Schmitt. In Berlin, wo der Mietendeckel jüngst gekippt wurde, wären rund 10 000 Vonovia-Wohnungen von einer Absenkung des Mietpreises betroffen gewesen, so Fittkau. Nachfordern wird Vonovia die entgangene Miete nicht, hatte Vorstandsvorsitzender Rolf Buch im Anschluss an das Gerichtsurteil bekannt gegeben. Die Vorteile einer Mietpreisbremse hingegen sieht Arnd Fittkau durchaus. „Ob man sie jetzt inhaltlich als richtig empfindet oder nicht, sie wirkt“, sagt der Vonovia-Vorstand. „Sie ist sicherlich ein Instrument, um Neuvermietungsmieten in Metropolen erschwinglich zu halten. Man sollte die Wirkung dieses Instruments überprüfen, das ist eine kommunale Aufgabe. Und nicht jedes Jahr eine neue Sau durchs Dorf treiben.“ Das hat für Arnd Fittkau vor allem einen Grund: „Wir reden hier von kapitalintensiven Megatrends, auf die sich die Branche einstellen muss – vom seniorengerechten Wohnen bis

Foto:vdw

gliedsunternehmen, im Land Bremen liegt der Anteil bei mehr als 40 Prozent. Allerdings verstehen sich die Mitgliedsunternehmen nicht nur als Vermieter, sondern sie bauen auch Miet- und Eigentumswohnungen, ebenso wie vereinzelt Gewerbeobjekte. Bevor Susanne Schmitt in die Wohnungswirtschaft wechselte, war sie seit 2016 Hauptgeschäftsführerin der Industrie- und Handelskammern Niedersachsen (IHKN).

zu Klimavorgaben für Neubauten. Da hilft es nicht, wenn jedes Jahr neue Vorgaben gemacht werden, und ein Mietendeckel hilft auch nicht weiter“, ist Arnd Fittkau überzeugt. Stattdessen würden bundesweit Bündnisse für Wohnen Maßstäbe setzen. „In Frankfurt haben wir zum Beispiel die Vereinbarung getroffen, die Bestandsmieten in den nächsten Jahren nur um ein Prozent zu erhöhen und anschließend die Mietpreisentwicklung an die Inflation zu koppeln.“ Fittkau sagt aber auch: „Die Rücknahme des Mietendeckels führt nicht zur Befriedung der hitzig geführten Debatte.“ Eine Debatte, die sich in manchen Teilen der Bevölkerung auch um eine Enteignung von Wohnungskonzernen wie Vonovia dreht. Davon hält Fittkau erwartungsgemäß nichts. „Eine Enteignung löst das Problem nicht. Neubau ist die Lösung. Mehr Angebote drücken auch die dynamische Mietenentwicklung.“ Man wolle ein Teil der Lösung sein, betont der Vonovia-Vorstand. In den kommenden Jahren werde Vonovia rund 3000 Wohnungen pro Jahr bauen. Allerdings: Auch der Wohnungskonzern habe Schwierigkeiten, bezahlbare Grundstücke zu finden. „Momentan bauen wir noch auf konzerneigenen Grundstücken“, so Fittkau. „Wir konkurrieren mit Bauträgern, die mit der Veräußerung der gebauten Wohnungen ihre Marge verdienen. Da können wir als Bestandshalter, der langfristig vermietet, kaum mithalten.“

Auch Susanne Schmitt sieht die Herausforderung, die Fondsgesellschaften oder Anleger mit sich bringen, die auf den Markt drängen und ihr Geld in Zeiten niedriger Zinsen in Betongold investieren. Das habe auch durchaus negative Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt. „In einigen Bereichen sehen wir ein großes Angebot höherpreisiger Wohnungen, die mitunter leer stehen. Diese Grundstücke, auf denen die Wohnungen gebaut werden, stehen für den sozial gebundenen Wohnraum, für den sie dringend gebraucht würden, nicht mehr zur Verfügung.“ Insbesondere im innerstädtischen Bereich. „Die Kommunen sollten hier eine kluge Bodenpolitik fahren und Grundstücke bevorraten. Das betrifft nicht nur die Ballungszentren, sondern auch die Mittelzentren“, ist Schmitt überzeugt. Wird die Bundestagswahl im September erste Weichen stellen, wie die Deutschen künftig wohnen werden? Aus Sicht von vdw-Verbandsdirektorin Susanne Schmitt: Ja. „Vielleicht nicht hinsichtlich der Frage, ob Einfamilien- oder Mehrfamilienhäuser gebaut werden, aber mit Sicherheit hinsichtlich der Frage, wie leicht in Deutschland preisgedämpfter Wohnraum geschaffen werden kann. Welche Rahmenbedingungen schafft die Politik?“, so Schmitt. Es brauche deutlich mehr Wohnungen im unteren Preissegment. „Da erwarten wir seitens der Politik Unterstützung und keine zusätzlichen Hürden. Jede Einschränkung der Mietpreisbil-

dung ist am Ende hemmend für Investoren“, sagt sie und spricht sich auch für eine Förderung der Holzbauweise aus. Auch für Fittkau wird der Holzbau ein großes Thema werden. „In vielen Unternehmen ist das präsenter als man denkt, ist ein tolles Thema.“ Er ergänzt: „Und wir dürfen nicht vergessen: Spätestens fünf Minuten nach Ende der Pandemie reden wir über Klimaschutz in Deutschland für die nächsten Jahre. Der Klimaschutz ist für alle Beteiligten sehr kapitalintensiv.“ Ökologisches Bauen, dazu gehören für den Vonovia-Vorstand unter anderem die Themen Strom und Wärme. Und das jedoch nicht nur auf das einzelne Haus bezogen, sondern auf ganze Quartiere. „Der Weg nach vorne ist auf Quartiersebene sehr zügig, Wärme und Strom neu zu denken. Die Quartiere müssen mit Blick auf Energie und Wärme autarker werden – auch wenn Stadtwerke das sicherlich nicht so gerne hören.“ „Bei dem Thema müssen wir auch an die Baustoffe denken und an Recycling“, ergänzt Susanne Schmitt, und zwar ebenfalls quartierbezogen. „Die alte Denke, bezogen nur auf die Hülle des einzelnen Gebäudes, wird uns nicht weiterbringen. Und es braucht eine intelligente Steuerung von Verbräuchen. Da hilft auch die Digitalisierung.“ Bei all den verschiedenen Facetten, die die Themen Wohnen und Bauen mit sich bringen, braucht es da in der nächsten Bundesregierung einen Bauminister. „Ich glaube, das wäre gut“, sagt Susanne Schmitt. „Bauen ist eine zentrale Frage unserer Gesellschaft. Ein Bauminister, der mit Blick auf den Klimaschutz die Frage stellt, wie Quartiere ertüchtigt werden können, wie Wohnen mit dezentraler Energieerzeugung und Versorgung direkt am Ort für die Mieter funktionieren kann und auch die Schaffung einer Ladeinfrastruktur mitdenkt, das wäre gut.“ So konkret festlegen will sich Arnd Fittkau nicht. „Das ist eine interessante Frage. Der Bund muss für die Wohnungswirtschaft Rahmenbedingungen schaffen, die für viele Jahre gelten. Auch wenn am Ende des Tages vieles in der Wohnungswirtschaft eine kommunale Aufgabe ist“, so der Vonovia-Vorstand. Und wie werden wir nun künftig wohnen? Für Susanne Schmitt liegt die Zukunft in einer vielfältigen Struktur. „Wir werden das klassische Einfamilienhaus haben ebenso wie bunte Quartiere. Was sich wesentlich ändern wird, ist, dass das Thema Arbeiten und Wohnen anders miteinander verbunden wird“, ist die vdwVerbandsdirektorin überzeugt. Wohnen werde über das Homeoffice und die Digitalisierung ein Stück weit mehr mit Arbeit verbunden werden. „Das kann zu neuen spannenden Konzepten führen.“ Grundsätzlich sieht Schmitt Mehrfamilienhäuser jedoch auch zunehmend für ländliche Regionen als ein Thema. „Zusammen in einer Gemeinschaft zu leben kann auch dort attraktiv sein. Nicht jeder will ein Einfamilienhaus.“ Grundsätzlich wird für Susanne Schmitt das Thema Wohnen mehr sein als nur ein Dach über dem Kopf zu bieten, wie sie sagt. „Wir haben in der Pandemie festgestellt, wie wichtig – jenseits der Fragen nach Einfamilien- oder Mehrfamilienhaus – gute Nachbarschaften sind. Unsere Unternehmen haben viel Kraft darangesetzt, diese Nachbarschaften zu befördern“, sagt die vdw-Verbandsdirektorin. „Dieses soziale Miteinander im Mieten sei ein großer Punkt. Als Wohnungswirtschaft sollten wir die Debatte viel mehr in diese Richtung lenken statt auf die Fragen nach Einfamilien- oder Mehrfamilienhäusern, Miete oder Eigentum. Wie kön-

„Ob man die Mietpreisbremse jetzt inhaltlich als richtig empfindet oder nicht, sie wirkt.“ Arnd Fittkau, Vorstand Vonovia

nen wir als Wohnungsunternehmen das Miteinander befördern?“, ist Susanne Schmitt überzeugt. Der Straßenzug, der sich kannte, die Gespräche über den Gartenzaun, verloren gegangen ist das in den vergangenen Jahren für Arnd Fittkau nicht. „Es ist vielleicht etwas anonymer geworden, aber der Zusammenhalt ist nicht verloren gegangen“, sagt der Vonovia-Vorstand mit Blick auf die Erfahrung, die das Unternehmen in seinen 580 Quartieren mit rund 500 Wohnungen pro Quartier gemacht hat. „Ich bin frohen Mutes. Man merkt, dass die Menschen in der Pandemie näher zusammengerückt sind.“ Susanne Schmitt verweist auch auf das Bündnis für gute Nachbarschaft, das erst jüngst in Niedersachsen gegründet wurde. „Das zeigt, dass man was tun kann und aktiv tun muss. Da ist in vielen Bereichen noch Luft nach oben, und wir können das als Wohnungsbaugesellschaft aktiv befördern und müssen das auch.“ Das erfordere auch mehr Kompetenzen seitens der Wohnungswirtschaft. Für Arnd Fittkau gibt es neben der Ökologie noch einen anderen Trend. „Das Wohnen wird kieziger, quartierbezogener, auch im Urbanen.“ Durch Corona geht Susanne Schmitt auch davon aus, dass das Wohnen in den Innenstädten wieder bezahlbarer wird. „Das war lange nicht der Fall und im Kern der Innenstädte zu wohnen auch nicht en vogue“, sagt sie. Man arbeite daran, das Wohnen in den Innenstädten wieder attraktiver zu machen. „Ein bunter Mix an Wohnanlagen, Ein- und Mehrfamilienhäusern und Projekte für Mietergemeinschaften wird die Städte künftig beleben“, ist Susanne Schmitt überzeugt. So geht's: 1. Code mit QR-Code-Leser scannen (gibt es im App-Store kostenlos), 2. Angezeigten Link öffnen, 3. Play drücken und zuhören.

Fotos: Colourbox.de


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SPEZIAL WOHNEN & BAUEN

Ziel: Ein bezahlbares Dach über dem Kopf Baugenossenschaften damals wie heute ein Erfolgsmodell / NBank hilft mit zinslosen Darlehen und Tilgungsnachlass VON SEBASTIAN HAMEL PAPENBURG/HASELÜNNE/

Der Bedarf an erschwinglichem Wohnraum ist groß: 40 000 neue Sozialwohnungen sollen deshalb bis zum Jahr 2030 in Niedersachsen entstehen, so das ehrgeizige Ziel des Landes. Die NBank fördert deren Bau mit zinslosen Darlehen sowie einem Tilgungsnachlass von 30 Prozent. Vermieter sind im Gegenzug für bis zu 35 Jahre an einen gedeckelten Mietpreis gebunden. Nicht selten werden Kommunen, Einrichtungen und Bürger vor Ort auch selbst aktiv, um die Schaffung entsprechender Wohnmöglichkeiten voranzubringen – und das mit Erfolg, wie zwei Beispiele für Wohnraumgenossenschaften im Emsland zeigen. Dass die Frage nach bezahlbarem Wohnraum kein neues Phänomen ist, zeigt die Geschichte des Bauvereins Papenburg eG, die in diesem Jahr ihr 100. Jubiläum begeht. „Die Wohnungssituation Ende des 19. Jahrhunderts war in Deutschland mehr als schlecht. Sehr teure und hygienisch unzureichende Wohnungen führten oftmals zu Krankheiten oder auch Unruhen im sozialen Bereich. Aus dieser Situation wurden erste Ideen geboren, frei von Gewinnstreben einfache Wohnungen für kleine und ärmere Leute zu schaffen“, berichtet Marita Siebrands, die dem Verein hauptamtlich vorsteht. Bis zum 1. Weltkrieg seien in vielen Regionen erste Genossenschaften entstanden, die sich oftmals als Hilfe zur Selbsthilfe verstanden. „In den früheren 1920er-Jahren entwickelte sich dann eine richtige Gründungslust zum Bau von kleinen Siedlungshäusern, um damit preiswerten Wohnraum bereitzustellen und zu vermieten.“ Ein denkwürdiges Datum für den Bauverein ist der 7. Februar 1921: An jenem Tag trafen sich Bürger der Stadt Papenburg, um über die damals herrschende große Wohnungsnot zu beraten und nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Schnell sei man damals zum Entschluss gekommen, eine Genossenschaft, den „Gemeinnützigen Bauverein zu Papenburg“, zu gründen – mit dem obersten Ziel, dass die Hilfe zur Selbsthilfe im Vordergrund stehen soll. Ein Prinzip, das bis heute Bestand hat. Genossenschaftliches Wohnen ist als eine Mischform zwischen Miete und Eigentum zu verstehen, erklärt Siebrands: Die Genossenschaft gehört den Mitgliedern und basiert auf den Strukturen der Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstbestimmung. Jedes Mitglied ist letztlich Miteigentümer des BauHERZLAKE

Früher Fabrikgelände,heuteWohngegend:NordhornsStadtbauratThiemoWeitemeieraufdem Grundderehemaligen Nino-Textilfabrik.

vereines und hat deshalb auch eine größere Sicherheit als nur ein Mieter. Nach Abschluss eines Mietvertrags hat jedes Mitglied ein lebenslanges Wohnrecht: So sind Kündigungen wegen Eigenbedarfs ausgeschlossen. „Zweck der Genossenschaft ist die Förderung ihrer Mitglieder vorrangig durch eine gute, sichere und sozial verantwortbare Wohnungsversorgung“, ist das Anliegen in der Satzung festgeschrieben – umgesetzt durch die drei Organe Vorstand, Aufsichtsrat und Mitgliederversammlung. Heute bewirtschaftet der Bauverein 630 eigene Mietwohnungen in Papenburg, davon befinden sich 96 Wohnungen in Seniorenwohnanlagen. 100 Wohneinheiten sind mithilfe der staatlichen Förderung entstanden. „Das Wohnangebot ist vielfältig und erstreckt sich über mehrgeschossige Mehrfamilienhäuser, Reihenhausanlagen, Doppelhaushälften bis zu SeniorenBungalow-Anlagen. Über 1000 Mitglieder haben uns ihr Vertrauen geschenkt und rund 3400 Geschäftsanteile gezeichnet“, freut sich Marita Siebrands. Der durchschnittliche Mietpreis beträgt aktuell lediglich 4,47 Euro pro Quadratmeter. Erst 2018 wurde zentrumsnah

ein Bauvorhaben mit 17 barrierefreien Wohneinheiten mit Zweiund Drei-Zimmer-Wohnungen, einem Mietertreff und einer Gewerbeeinheit fertiggestellt. In Letztere ist die Geschäftsstelle des Bauvereines eingezogen. Marita Siebrands sieht die staatliche Förderung für sozialen Wohnungsbau als wichtigen Baustein, kritisiert aber die aktuellen Bestimmungen in Niedersachsen. So werde etwa in den Vorschriften über Wohnungsgrößen nicht zwischen Ballungszentren und dem ländlichen Raum unterschieden. „Meines Erachtens sollte die Einhaltung der vorgeschriebenen Miethöhe pro Quadratmeter Wohnfläche durch den Vermieter und die Einhaltung der Einkommensgrenzen durch den Mieter ausreichen, um die Förderung zu rechtfertigen“, so Siebrands. Zudem sei das zinslose Darlehen aufgrund von Verwaltungsgebühren und Bearbeitungsentgelten eigentlich nicht zinslos, und der 30prozentige Tilgungszuschuss werde erst nach 20 Jahren dem Darlehenskonto gutgeschrieben. „Wir benötigen aber gerade jetzt eine Förderung mit echten Baukostenzuschüssen wie in den 70er-Jahren. Die Tilgungsnachlässe sollten als

ZUR SACHE

Sozialer Wohnungsbau in Niedersachsen und der Region In Niedersachsen unterliegt nur noch jede 25. Geschosswohnung der Sozialbindung. In konkreten Zahlen heißt das: Per 31. Dezember 2020 befanden sich noch 60 265 Mietwohnungen in der Belegungs- und Mietbindung (gebundener Sozialwohnungsbestand). Dem stehen 1 525 000 Geschosswohnungen gegenüber (Wohnungen in Gebäuden mit drei und mehr Wohnungen). Dies teilt die NBank mit Verweis auf das Landesamt für Statistik Niedersachsen

mit. Im Jahr 2020 hat die NBank den Bau von 1494 Sozialwohnungen gefördert (2015: 793; 2016: 1470; 2017: 1033; 2018: 1385; 2019: 1318). Investoren seien insbesondere Kommunen beziehungsweise kommunale Wohnungsunternehmen, Wohnungsbaugesellschaften und private Akteure. Ein Beispiel aus der Region: Die Stadt Lingen hat seit Jahren rund 100 Wohnungen im Segment „bezahlbarer Wohnungsbau“ in ihrem Bestand. Mit der Gründung der städtischen

Wohnbaugenossenschaft (Lingener Wohnbaugenossenschaft LWB) vor zwei Jahren wurden zusätzlich rund 75 neue Sozialwohnungen gebaut. Pro Jahr sollen etwa 40 weitere Wohnungen entstehen, so die LWB. Parallel ist in den neuen städtischen Vergaberichtlinien festgelegt worden, dass grundsätzlich 10 Prozent der von der Stadt vergebenen Grundstücke dem Segment sozialer Wohnungsbau zugeführt werden. Damit entstehen weitere rund 35 be-

zahlbare Wohnungen jährlich. Der Landkreis Grafschaft Bentheim verfügt aktuell über 209 geförderte Wohneinheiten (ohne Nordhorn). Derzeit sind 16 Wohneinheiten von der Belegungsbindung befreit. Der Landkreis erklärt dazu: Um Leerstand von gefördertem Wohnraum zu vermeiden, kann von der Belegungsbindung befreit werden. Dafür ist die „erfolglose“ Bemühung um passende Belegung nachzuweisen.

Baukostenzuschüsse bewilligt werden“, fordert sie. Als wesentliche Aufgaben der Zukunft sieht sie die Fragen der Klimaneutralität sowie der fortschreitenden Digitalisierung. Von großer Bedeutung ist für sie darüber hinaus – neben dem Gut Wohnung – ein gutes Miteinander zwischen den Mietern und Mitarbeitern sowie zwischen den Mietern untereinander. „Wir verstehen uns nicht als reiner Vermieter, sondern auch als Dienstleister für unsere Mieter, die mit ihren Anliegen rund um die Wohnung zu uns kommen können“, sagt sie. Dies gelte selbst dann, wenn der Bauverein für das konkrete Anliegen eigentlich gar nicht zuständig sei. Ein aktuelles Beispiel dieser Philosophie: „In Zusammenarbeit mit einem mobilen Pflegedienst vor Ort konnten wir allen über 80-jährigen Mietern des Bauvereins die Corona-Impfungen in einer Tagespflegeeinrichtung ermöglichen. Hierfür waren die Mieter uns sehr dankbar.“ Auch in der Stadt Haselünne und der Samtgemeinde Herzlake hat man sich für das Genossenschaftsmodell entschieden, um vor allem Personen mit dringendem Wohnungsbedarf versorgen zu können. Die Wohnungsbaugenossenschaft Hasetal eG ist allerdings noch vergleichsweise jung: Vor fünf Jahren ging das neue Bündnis an den Start – die zehn Gründungsmitglieder waren Stadt Haselünne, die drei Herzlaker Mitgliedsgemeinden Dohren, Herzlake und Lähden, die katholische Kirchengemeinde St. Vincentius, die Armenversorgungskommission Haselünne, die Volksbank Haselünne eG, die VR Immobilienservice GmbH, der Initiativkreis „Familienfreundliche Stadt“ sowie die Haselünner Kämmerin Annette Sabelhaus. Die Vorstandsarbeit erfolgt ehrenamtlich durch Annette Sabelhaus und Bernd Abeln. „Die Frage nach der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum stand schon länger im Raum“, erinnert sich Haselünnes Bürgermeister Werner Schräer, der dem sechsköpfigen Aufsichtsrat der Genossenschaft vorsitzt. Auf Antrag der örtlichen SPD erfolgte dann eine Prüfung auch mit Blickrichtung auf

Foto: Sebastian Hamel

eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft, die jedoch angesichts einer Einwohnerzahl von 13 000 in Haselünne als nicht zielführend betrachtet wurde. Laut Satzung steht allen Interessierten eine Mitgliedschaft in der Genossenschaft durch Übernahme eines Geschäftsanteils in Höhe von 500 Euro offen. Privatpersonen können dabei maximal zehn, Unternehmen bis zu 20 Anteile zeichnen. Aktuell wird eine Ausschüttung in Höhe von 1 bis 1,5 Prozent angepeilt. Den Initiatoren ist es jedoch wichtig, dass die Mitglieder zum größten Teil aus dem Gebiet der Genossenschaft stammen: „Schließlich ist es ein Projekt für die Region“, betont Bürgermeister Schräer. Unmittelbar nach der Gründung machte man sich ans Werk: Im Ortskern von Haselünne entstanden zwei Objekte mit jeweils sechs Wohneinheiten, das finanzielle Volumen betrug insgesamt 1,7 Millionen Euro. Im Oktober 2018 konnten die ersten Mieter einziehen. Der Bezug verlangt zwar keinen offiziellen Wohnberechtigungsschein, ist aber an die Einkommensverhältnisse gekoppelt, erklärt Annette Sabelhaus. Der Mietpreis von 5,60 Euro pro Quadratmeter entspricht dem

„Wir benötigen eine Förderung mit echtem Zuschuss für die Baukosten wie in den 70er-Jahren.“ Marita Siebrands, Vorsitzende des Bauvereins Papenburg eG

Niveau einer durch die NBank geförderten Sozialwohnung. Die Genossenschaft mit ihren inzwischen rund 90 Mitgliedern bezeichnet Schräer nach wie vor als „hervorragende Sache“. Wie aber lässt sich der genaue Bedarf an – bezahlbarem – Wohnraum ermitteln? Konkrete Aufschlüsse hierzu liefern sogenannte Wohnraumversorgungskonzepte. Die Stadt Nordhorn etwa hat im Jahr 2017 gemeinsam mit dem Landkreis Grafschaft Bentheim eine solche Erhebung anfertigen lassen. Das zentrale Ergebnis für die Grafschafter Kreisstadt: Bis 2030 werden 2740 neue Wohneinheiten benötigt – also rund 180 Einheiten pro Jahr. Während ein Drittel davon auf den klassischen Einfamilienhausbau entfällt, sollen zwei Drittel der Wohnungen im Rahmen der sogenannten Nachverdichtung entstehen. „Aus städtebaulicher Sicht ist das gut, weil somit Leerstände vermieden werden. Auch wenn sich dies – etwa aufgrund von Altlasten – nicht immer einfach gestaltet“, sagt Nordhorns Stadtbaurat Thimo Weitemeier. Aktuell befinde man sich voll im Soll. Sein besonderes Augenmerk gilt den Baulücken im Stadtgebiet: „Würden wir alle Lücken schließen, bräuchten wir zehn Jahre lang kein neues Baugebiet am Stadtrand auszuweisen.“ Mit Blick auf den geförderten Wohnungsbau lag die Angebotsquote im Jahr 2015 bei acht Prozent. „Wenn nichts geschehen würde, fiele diese Quote durch auslaufende Mietpreisbindungen bis 2030 auf drei Prozent“, so Weitemeier. Um den Wert zu halten, müssten pro Jahr durchschnittlich rund 21 Sozialwohnungen geschaffen werden. 2020 hat man diese Zahl sogar deutlich übertroffen: 60 geförderte Wohneinheiten wurden bezugsfertig. Viel Beachtung erfuhr dabei die Fertigstellung von 48 Wohnungen im Rahmen eines Wohnraumprojekts, das die Nordhorner GMPGruppe auf dem Gelände der früheren Textilfabrik Nino verwirklicht hat. Niedersachsens Bauminister Olaf Lies war im vergangenen Mai eigens in die Grafschaft gereist, um der Eröffnung beizuwohnen. Er sprach dabei von einem „Projekt, das Mut macht“ – landesweit stelle es aber leider noch eine Ausnahme dar, das Ziel von 4000 neuen Sozialwohnungen pro Jahr liege noch in weiter Ferne. In den optisch ansprechenden Bauten in guter Lage sieht Thimo Weitemeier einen Beleg dafür, dass sozialer Wohnungsbau möglich ist, ohne dass es wie ein Fremdkörper wirkt. Grundsätzlich ist es ihm wichtig, eine Stigmatisierung von Menschen mit begrenzten Mitteln zu verhindern. Abseits solcher Projekte, die durch private Investoren gestemmt werden, weiß die Stadt Nordhorn seit mehr als sechs Jahrzehnten die kommunale Gesellschaft für Wohnen und Bauen (Gewo) ihrer Seite, die über einen Bestand von rund 1600 Wohnungen verfügt – und damit laut Weitemeier den Großteil des Bedarfs an preisgünstigem Wohnraum abdeckt. Die Gewo hat darüber hinaus zugesichert, Objekte aus ihrem Bestand nötigenfalls als Sozialwohnungen zu vermieten, um die oben genannte Quote von acht Prozent in Nordhorn zu halten. Das bestehende Wohnraumversorgungskonzept soll noch in diesem Sommer aktualisiert werden. Der Stadtbaurat lobt das Konzept als hilfreiches Instrument: „Es bietet eine gute Grundlage für viele Entscheidungen – sowohl aus städtischer Sicht als auch für Investoren.“


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SPEZIAL WOHNEN & BAUEN

Gute Aussichten im regionalen Bauhandwerk Viele Lehrstellen dennoch unbesetzt / Sorgen um die Unternehmensnachfolge VON CHRISTOPH LÜTZENKIRCHEN OSNABRÜCK/MEPPEN „Ich könnte auf einen Schlag 15 bis 20 Bewerber für Ausbildungsplätze unterbringen“, sagt Axel Wortmann. Der Obermeister der Innung der Installateure- und Heizungsbauer Meppen-Lingen ist einer von drei Vertretern typischer Gewerke des Sektors Bau und Ausbau, die wir zur Auftragslage unter Corona, zur Situation auf dem Ausbildungsmarkt und zur Betriebsnachfolge befragt haben. „Fast jeder Betrieb würde mehr Auszubildende einstellen“, erklärt Heinrich Rahenbrock, Obermeister der Bau-Innung Osnabrück Stadt und Land. Und Wortmann macht deutlich: „Wir brauchen den Nachwuchs dringend. Der Altersquerschnitt in unserem Gewerk liegt zwischen 40 und 60.“ Etwas andere Akzente setzt Markus Heuger, Chef von Heuger Fliesen & Naturstein aus Glandorf. „In den vergangenen Jahren hatten wir konstante, teilweise sogar leicht steigende Ausbildungszahlen“, gibt der Obermeister der Fliesen- und Natursteinleger-Innung Osnabrück-Emsland zu Protokoll: „Wir schaffen bleibende Werte, wir arbeiten mit modernen Werkzeugen. Unsere Arbeit hält oft 30 Jahre und länger. Ich sehe uns als Künstler vom Bau.“ Lukas Kenobakka hat sich vor zweieinhalb Jahren für die Ausbildung zum Fliesenleger entschieden. Der 18-Jährige lernt im Betrieb von Dennis Kluhs in Osnabrück. „Im Lehrbetrieb sind wir sechs Leute, davon zwei Auszubildende im ersten und dritten Lehrjahr“, sagt der junge Mann: „Mein Chef schaut mir genau auf die Finger, der ist ein guter Ausbilder.“ Der Beruf sei herausfordernd, mache ihn aber glücklich, erzählt er lächelnd. Man brauche handwerkliches Geschick und müsse sich selbst anspornen. Am meisten Spaß bereitet ihm das Fliesenlegen an sich, inklusive des Putzens. Und natürlich gehöre auch viel harte Arbeit dazu. „Zu Beginn der Ausbildung habe ich Muskeln im Körper gespürt, die ich vorher gar nicht kannte“, so Kenobakka. Die Bundesregierung will mit einem Ausbildungsschutzschirm dafür sorgen, dass im zweiten Jahr der Corona-Krise genügend junge Menschen einen Ausbildungsplatz finden. Einer der Kernpunkte: Die Ausbildungsprämie soll für Unternehmen verdoppelt werden, die trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten entweder mehr ausbilden als im Vorjahr oder zumindest die Zahl ihrer Lehrstellen stabil halten. Die Prämien von bis zu 3000 Euro pro Ausbildungsplatz hatte die Regierung im vergangenen Jahr erstmals aufgelegt. Das hört sich gut an, doch Axel Wortmann ärgert sich gewaltig darüber: „Handwerksbetriebe kommen meist gar nicht in den Genuss dieser Förderung“, sagt er: „Sie müssen eigentlich schon vor der Pleite stehen, um Aussicht auf die 6000 Euro Zuschuss zu haben. Mit dem 6000 Euro kommen sie dann aber auch nicht weit. Im Moment bleibt sicher ein gutes Drittel der Ausbildungsstellen in unserem Gewerk unbesetzt.“ Trotz der Probleme beim Nachwuchs ist der Lingener Heizungs-

fachmann überzeugt davon, dass sein Beruf Zukunft hat. „Man wird uns immer brauchen“, so Wortmann. Die Arbeit sei hoch komplex und sehr interessant. Sie biete tägliche Herausforderungen und werde nie langweilig – selbst nach 40 Jahren nicht. Auch Heinrich Rahenbrock ist überzeugt von der Attraktivität seines Berufsstands. Die Bauwirtschaft bleibe ein Ausbildungsmotor und zahle nach wie vor die höchsten Ausbildungsvergütungen aller Berufe, sagt er. Auch unter Corona bleibe die Bereitschaft der Baubranche hoch, im Jahr 2021 wieder mehr Auszubildende und auch mehr Fachkräfte einzustellen. Vor zehn Jahren habe das Bauhauptgewerbe etwa 716 000 Menschen beschäftigt. Ende des Jahres 2020 waren es 880 000. „Das ist ein Zuwachs um mehr als 20 Prozent“, so Rahenbrock. Ausgebildet wird allerdings nur, solange es Ausbildungsbetriebe gibt. Die Frage der Unternehmensnachfolge bereitet Heinrich Rahenbrock einiges Kopfzerbrechen. Ein Großteil der Geschäftsführer sei älter als 55, sagt er, die Nachfolge sei überall ein wichtiges Thema. Man empfehle den Mitgliedern der Innung, das Problem früh anzugehen. „Hilfreich wäre es, wenn die Meisterprämie flächendeckend eingeführt würde“, fordert der Baufachmann: „Bislang gibt es die nur in Niedersachsen. Da könnte mehr passieren, außerdem geht es dabei auch um die Gleichstellung mit Akademikern, die während ihres Studiums von staatlicher Förderung profitieren.“ Sein Obermeisterkollege Markus Heuger ist froh, dass das Fliesenlegerhandwerk seit Anfang 2020 wieder zu den zulassungspflichtigen Gewerken gehört. Nachdem dies ab 2004 nicht mehr so war, hatte sich seinen Angaben zufolge die Situation in seinem Gewerk massiv verschlechtert. Es seien mehr schwarze Schafe am Markt unterwegs gewesen, so

„Mein Chef schaut mir genau auf die Finger, der ist ein guter Ausbilder.“ Lukas Kenobakka, Auszubildender zum Fliesenleger

Sein Berufmachtihn glücklich:Lukas Kenobakka,Azubiim Fliesenleger-BetriebvonDennisKluhsin Osnabrück.

Heuger, das habe sich auch preislich widergespiegelt und das betriebswirtschaftliche Überleben erschwert. Nun müsse man wieder Meister sein, um sich als Fliesenleger selbstständig zu machen. „Viele ältere Unternehmer können den Betrieb nicht in der eigenen Familie weitergeben“, berichtet er: „Manche hören dann auf. Andere geben den Stab an einen Mitarbeiter weiter. Ich bin aber guter Dinge, dass es in nächster Zeit genügend Neugründungen geben wird. Die Meisterschule ist gut besucht.“ Um mangelnde Aufträge müssen sich potenzielle Nachfolger jedenfalls nicht sorgen. Laut Angaben von Heinrich Rahenbrock stiegen die Bauinvestitionen im vergangenen Jahr nominal um 3,2 Prozent. Insbesondere der Wohnungsbau bleibe auf einem hohen Niveau, bundesweit seien rund 300 000 Wohnungen neu errichtet worden. Der Wirtschaftsbau dagegen habe zum Teil deutlich nachgelassen. „Glücklicherweise fragt die öffentliche Hand zurzeit stabil nach“, sagt der Bauunternehmer: „Aktuell verzeichnen wir viele Aufträge für Schulen und andere öffentliche Einrichtungen.“ Durchweg positive Rückmeldungen zur Nachfrage kommen auch von Axel Wortmann und Markus Heuger. Die Auftragslage sei durchaus sehr gut, berichtet Heuger: „Unsere Geschäftskunden haben Zugang zu günstigem Geld. Unsere Privatkunden bekommen keine Zinsen für ihre Sparguthaben. Beide legen in Betongold an, auch für Renovierungen gibt es viele Aufträge. Viele Branchen leiden unter Corona, der Bau aktuell eher nicht.“ Von voll ausgelasteten Kollegen spricht Wortmann. Es würden viele neue Bäder ausgestattet und neue Heizungsanlagen installiert. Besonders die Sanierung habe zugenommen. Komfort und Design spielten dabei auch eine Rolle. Trotz derart rosiger Aussichten ist aktuell aber zusätzliches Wasser im Wein; zumindest in dem von Heinrich Rahenbrock. „Seit Januar steigen die Preise im Bau. Ich weiß nicht, woran es liegt“, schildert er die Lage. Die Verteuerung betreffe diverse Baumaterialien, darunter auch Kies und Baustahl. Die Situation sei sehr ungewöhnlich. „Jahrelang hatten wir im Bau eher deflationäre Verhältnisse und jetzt diese zweistelligen Preissteigerungen“, so Rahen-

brock. Ganz ähnlich äußerte sich im März der Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH). Man beobachte seit einiger Zeit eine massive Preissteige-

Foto: Christoph Lützenkirchen

rung sowohl bei EPS-Dämmstoffen als auch bei Lattholz, hieß es. ZVDH-Hauptgeschäftsführer Ulrich Marx sagte: „Die meisten Hersteller haben uns mitgeteilt, dass

sie zwar im Laufe des Jahres mit einer Stabilisierung der Lage rechnen, aber nicht von einer kurzfristigen Senkung des Preisniveaus ausgehen.“

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SPEZIAL WOHNEN & BAUEN

Flüssiger Boden, Expressbrücken und gedruckte Häuser So innovativ ist die Baubranche / Moderne Technik hilft, Zeit und Kosten zu sparen VON NINA KALLMEIER WESTERKAPPELN/OSNABRÜCK

Wenn über Innovationen gesprochen wird, steht selten die Bauwirtschaft im Fokus. Und doch gibt es auch dort innovative Projekte. Wie 3-D-Wohnhäuser, Expressbrücken und Flüssigböden einen Beitrag leisten. Stein auf Stein entsteht das Haus noch im bekannten Kinderlied. Die gut 20 Zentimeter langen Quader suchte man allerdings auf der Baustelle im westfälischen Beckum vergebens – ebenso wie eine Schar von Handwerkern unterschiedlicher Gewerke, die sonst am Rohbau arbeiten. Stattdessen ist in Westfalen – Schicht um Schicht – das laut Landesregierung NRW bundesweit erste Wohnhaus aus dem Drucker emporgewachsen. Mit einem mechanisch klingenden Zzzzt, Zzzzt dreht sich auf Befehl eine überdimensionierte Spritzdrüse nach rechts und links. Sie ist – ähnlich wie jene beim Backen – an einem bauchigen Behälter befestigt. Aus ihm kommt jedoch kein Zuckerguss, sondern das Baumaterial, mit dem die Wände des Wohnhauses hochgezogen werden. Behälter und Düse hängen an einem Portalkran – er ermöglicht dem Druckkopf letztlich, seine Bahnen zu ziehen. Und dann geht es auch schon los: Mit einem gleichtönigen Ratsch, Ratsch, Ratsch bewegt sich die Düse vorwärts und verteilt die erste Schicht des Betongemischs. Kurz bevor es in die Kurve geht, wird der Druckkopf langsamer, zieht eine präzise Rundung und wird wieder schneller. „Wir drucken mit einer Geschwindigkeit von etwa 25 Zentimetern pro Sekunde“, sagt Jan Graumann. Er arbeitet für die schwäbische Peri-Gruppe, international einer der größten Hersteller von Schalungs- und Gerüstsystemen. Das Unternehmen fertigt das Haus in Beckum ebenso wie Europas größtes 3-D-Wohnhaus in Bayern. Möglich wäre eine Höchstgeschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde. Aus Sicherheitsgründen jedoch wird das nicht ausgeschöpft, schließlich befinden sich noch Mitarbeiter auf der Baustelle. Durch eine Plane um das Gerüst ist die Baustelle vor neugierigen Blicken geschützt. Es habe auch schon mal der eine oder andere auf dem Gelände gestanden, um „mal zu gucken“. Immerhin ist es keine alltägliche Baustelle. „Momentan ist der Druck ganzer Häuser in Deutsch-

Die Fertigteilbauweise sorgt dafür,dasseine Brücke deutlich schnellergebaut werden kann. Eines dernächsten Projektewirdin derNähevon Osnabrückgebaut. Foto:Echterhoff

KeineEckenundKanten:Die einzelnenSchichten des3-D-Hausessinddeutlichzu sehen.

land noch ein Nischenthema“, sagt Frank Siebrecht, Vizepräsident des Bauindustrieverbands Niedersachsen-Bremen. Jedoch eines, das potenziell einen ganzen Strauß an neuen Möglichkeiten für Ideen und Konzepte birgt. „Das geht vom Material bis zum Design“, sagt Siebrecht. Vom völlig individuellen Bauen bis zu standardisierten Gebäuden aus dem Drucker. „Beides ist möglich.“ Ein Haus zu Drucken hat für Betriebswirt Jan Graumann gleich mehrere Vorteile. „Wir können schneller und kostengünstiger bauen.“ Insbesondere der Faktor Zeit – und damit Kosten – ist auch auf einer anderen Baustelle das ausschlaggebende Argument: wenn das Osnabrücker Bauunternehmen Echterhoff, das bundesweit 600 Mitarbeiter an acht Standorten beschäftigt, eine Brücke in Rekordzeit baut. Gerade einmal 19 statt 180 Ta-

ge brauchte das Osnabrücker Bauunternehmen, um eine Autobahnbrücke an der A 1 bei Unna zu bauen. Für die Erneuerung einer maroden Straßenbrücke über die Hauptverbindungsstrecke der Deutschen Bahn vom Ruhrgebiet über Münster nach Hamburg nahe Dülmen waren es 40, sodass eine bereits angesetzte Sperrpause der Bahn genutzt werden konnte. Möglich macht das eine Fertigteilbauweise, die sich das Osnabrücker Unternehmen hat schützen lassen. Für diese Bauweise geeignet wären fast alle Brückenbauwerke, sagt Geschäftsführer Thomas Echterhoff. „Etwa 90 Prozent aller Brückenbauwerke in Deutschland sind weniger als 40 Meter lang. Das gilt für Straße und Schiene.“ Bislang sei die Expressbauweise für Brücken von bis zu 38 Meter Länge geeignet – das entspreche der Querung einer vierspurigen Autobahn ohne Mit-

Foto:David Ebener

telunterstützung. „Wir arbeiten derzeit daran, die Fertigteilträger bis zu einer Länge von 54 Metern zu entwickeln“, so Echterhoff. Damit könnte dann auch die Querung einer sechsspurigen Autobahn ohne Mittelunterstützung realisiert werden. Dass sich das Osnabrücker Unternehmen mit Expressbrücken beschäftigt hat, hat mehrere Gründe. Dazu gehört unter anderem der große Bedarf an neuen Brückenbauwerken, da alte marode sind. Das Investitionsvolumen ist also hoch. Gleichzeitig sorgen Staus auf Autobahnen oder Sperrungen von Bahnstrecken jedoch immer wieder für Ärger – es soll also möglichst schnell gebaut werden, um die Belastung klein zu halten. „Der volkswirtschaftliche Schaden durch Stauzeiten geht jedes Jahr in die Milliarden. Und auch die CO2-Belastung durch Staus wäre vermeidbar“, so Echterhoff. Doch nicht nur mit Blick auf die Rahmenbedingungen stehen die Zeichen auf Schnelligkeit, auch der Bauwirtschaft selbst ist an einer schnellen Projektumsetzung gelegen, so der Geschäftsführer, unter anderem um Engpässen bei Personal- und Gerätekapazitäten zu begegnen oder Risiken und Beeinträchtigungen durch Witterungseinflüsse zu minimieren. „Durch die Vorfertigung einzelner Bauteile in Fertigwerken können wir unsere Ressourcen besser nutzen.“ Die Teile könnten in ortsnahen Fertigteilwerken gebaut werden. Beim Projekt in Dülmen hat die Firma Rekers aus Spelle die 40 Fertigteile produziert. Und die Kosten? Das Projekt an der A 1 sei etwas teurer gewesen als eine konventionelle Bauweise, sagt Echterhoff. „Allerdings musste auch deutlich weniger in den Verkehr eingegriffen werden.“ Insgesamt seien die Kosten von Vorhaben zu Vorhaben unterschiedlich. „In Dülmen war das Projekt dafür günstiger, als wenn konventionell gebaut worden wäre“, so Echterhoff. Eine der nächsten Expressbrücken wird im Osnabrücker Land ge-

baut werden, stellt Echterhoff in Aussicht. Ebenfalls in Osnabrück ist auch ein anderes Unternehmen innovativ unterwegs, allerdings baut der Handwerksbetrieb nicht in die Höhe, sondern in die Tiefe. Doch wohin mit den Tonnen an Aushub, die diese Arbeiten zutage fördern? Sobald der Boden die Baustelle verlässt, gilt er als Abfall. „Das Thema Wiederverwertung von Bodenaushub beschäftigt mich als Tiefbauunternehmer und umweltbewussten Bürger gleichermaßen“, sagt Geschäftsführer Christian Staub, dessen Unternehmen im vergangenen Jahr zu den Preisträgern des Förderkreises Innungsbetriebe Handwerk gehörte. Ressourcenschutz, Deponieverknappung, Grundwasserschutz und CO2-Einsparung, all das seien „Aufgaben unserer Zeit“. Insofern hat es sich das Unternehmen zur Aufgabe gemacht, den

„Bei uns werden bis zu 80 Prozent der Aushubböden wiederverwertet.“ Christian Staub, Geschäftsführer

Bodenaushub wieder einzusetzen. „In unserem gesamten Bodenmanagement werden bis zu 80 Prozent der Aushubböden wiederverwertet“, sagt Christian Staub. Das geschieht in unterschiedlicher Art und Weise. Zum einen wird der Boden analysiert – wobei gerade im innerstädtischen Bereich der Aushub selten belastet sei, so der Geschäftsführer. Gibt es grünes Licht, wird der Aushub in eine Anlage geladen, die das Erdreich quasi sortiert. Denn würde der Aushub in seiner ursprünglichen Form verwendet, könnten unter anderem die enthaltenen Steine zum Beispiel Glasfaserkabel beschädigen. „Die Anlage siebt beziehungsweise sortiert Böden in verschiedene Korngruppen“, erklärt Staub in einem Video über den Preisträger. Für das erste Jahr geht Staub von einem Jahresumschlag von 20 000 Tonnen Aushub aus, die weiterverarbeitet werden. Ausgelegt sei die Anlage auf 50 000 Tonnen. Den Aushub wiederzuverwerten, statt zu deponieren, gehört für Christian Staub zur Nachhaltigkeit und zum Umweltschutz dazu. Darauf zahle auch ein weiteres Verfahren ein, mit dem sich das Tiefbauunternehmen beschäftige: Eine weitere Anlage produziert sogenannten Flüssigboden. Unter anderem mit Wasser versetzt, wird der Boden fließfähig gemacht. Ein Betonmischer bringt das Gemisch dann zu den Baustellen. In den vergangenen Jahren habe man viele unterschiedliche Projekte in Osnabrück mit Flüssigboden – also selbst verdichtendem Boden – ausgeführt, so Staub. Unter anderem ein Vorteil: Hohlräume werden vermieden. Der Geschäftsführer sagt aber auch: „Es bedarf weiterer Aufklärung über die Einsatzmöglichkeiten, wenngleich viele Versorgungsunternehmen sich aktuell intensiv mit dem Thema Flüssigboden auseinandersetzen.“ Die Politik müsse, insbesondere bei der Neufassung der Mantelverordnung und Ersatzbaustoffverordnung, mehr Unterstützung leisten.


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„Mit Eis kann man Leute glücklich machen“ Warum Florian Stisser auf der einen Seite das Schlecks etabliert sieht und sich auf der anderen als Start-up-Unternehmer fühlt Vom Ergotherapeuten zur Selbstständigkeit in Osnabrück. Für den Bramscher ist es die zehnte Saison im Schlecks. Immer auf der Suche nach neuen Franchise-Partnern. VON NINA KALLMEIER Gastronomisches und kaufmännisches Wissen? Davon habe er vor Eröffnung des Schlecks wenig gehabt, gibt Florian Stisser ohne Umschweife zu. Und doch steht der sportliche 37-Jährige mit den kurzen dunkeln Haaren in diesem Jahr in der zehnten Saison hinter dem Tresen seiner Eisdiele in Osnabrück und hat das Cold-Stone-Konzept mittlerweile zum Franchise ausgebaut. Aus diesem Grund ist Florian Stisser auch etwas zwiegespalten: Auf der einen Seite hat sich das Schlecks in der Osnabrücker Innenstadt etabliert, auf der anderen steht er als Franchise-Unternehmer noch ganz am Anfang. „Ich habe Eis schon immer geliebt und habe als Kind die Eisdielen im Bramsche abgegrast“, blickt Florian Stisser zurück. Doch die Faszination zum Beruf zu machen? Das sei eigentlich nicht das Ziel gewesen. „Nach der Schule war ich planlos. Ich bin erst einmal gereist und habe in Australien ,work and travel‘ gemacht. Das bedeutete: ganz viel Mango ernten oder Wein zurückschneiden“, erinnert sich Stisser. Über seinen anschließenden Zivildienst in einer Schule für Geistigund Körperbehinderte in Oldenburg habe er gemerkt, dass ihm die soziale Arbeit Spaß macht. „Ich habe dann eine Ausbildung zum Ergotherapeuten absolviert“, sagt Stisser. In dem Beruf hat er gut fünf Jahre gearbeitet – etwa ein Jahr auch selbstständig als freier Mitarbeiter in einer Praxis. „Das hat auch Spaß gemacht. Und vor allem war es verlockend, nach der Zivi- und Reisezeit ein volles Gehalt zu bekommen und nicht mehr von der Hand in den Mund zu leben.“ In der Zeit habe er jedoch gemerkt, dass er doch Lust auf Selbstständigkeit, auf Gastronomie und einen kleinen Laden habe. Um aus seiner Komfortzone herauszukomOSNABRÜCK

OhneErfahrungin derGastronomiehatFlorianStisserdas OsnabrückerSchlecksgegründet.Die Ideefür Cold-Stone-Eishater voneinem Schüleraustauschin denUSAmitgebracht.

men, wie Florian Stisser es nennt, habe er mit seinem damaligen Arbeitgeber in Lengerich eine Auszeit vereinbart – mit der Option, im Anschluss zurückzukommen. Um sich neu zu orientieren, flog der Bramscher nach Südostasien. „Durch den Abstand habe ich gemerkt, dass ich nicht wieder zurück in den Job, sondern den Schritt in die Selbstständigkeit wagen will.“ Ähnlich wie sein Vater, der selbstständig war, ebenso seine drei Geschwister. Stisser nutzte die Reisezeit, um „abends am Strand beim Bierchen“ Ideen zu sammeln und an einem groben Konzept zu arbeiten. „Damals war ich 27, hatte weder gastronomische noch kaufmännische Erfahrungen.“ Nur den Traum von der eigenen, etwas anderen Eisdiele, denn ein Cold-Stone-Konzept kannte er bislang nur aus dem Ausland, vor allem aus den USA. Während eines Schüleraustauschs mit 16 war er zum ersten Mal damit in Berührung gekommen. „Aus Deutschland kannte ich nur die typischen italie-

nischen Eisdielen, Spaghettieis und Pinocchio-Becher. Und plötzlich sieht man: Da geht noch so viel mehr.“ Voll ins Risiko ist Florian Stisser jedoch mit dem Schlecks in Osnabrück 2012 nicht gegangen. „Das Risiko, einen Kredit aufzunehmen, war mir zu groß. Es gab ja keine Vergleichsmöglichkeiten. Ich wusste nicht, ob das Konzept aufgehen würde.“ Stattdessen hat er eine kleine Erbschaft eingesetzt, die ihm sein Vater, der damals verstarb, hinterließ. „Rückblickend würde ich heute mit der Summe keinen Laden mehr aufmachen“, sagt der Unternehmer. Mit einfachsten Mitteln habe er damals das erste Schlecks in der Redlingerstraße ausgestattet. Es gab nur einen Cold Stone und günstige Arbeitsplatten von Ikea statt hochwertiger Gastromöbel. „Am Tag der Eröffnung war das Konto bei null, aber ich habe an das Konzept geglaubt.“ Und das, obwohl die ersten Rechnungen noch auf dem Tisch lagen.

ZUR SACHE

Zuletzt 135 Milliarden Euro Umsatz im Franchise-System Ob Mode, Fast Food, Möbel oder eben Eis, in welchen Branchen Franchise-Systeme angeboten werden, ist heutzutage vielfältig. Das Konzept bedeutet, dass weiterhin selbstständige Unternehmer gegen eine Gebühr ein etabliertes Geschäftskonzept nutzen dürfen. Laut Bundeswirtschaftsministerium sind gut die Hälfte aller Franchise-Anbieter hierzulande Mitglieder im Deutschen Franchise-Verband. Auch das Schlecks gehört dazu. Auch Eis gibtes imFranchise-System.

Insgesamt 930 unterschiedliche Systeme gibt es laut Deutschem Franchise-Verband bundesweit mit zuletzt mehr als 138 000 Partnern. Die Zahl der Franchise-Betriebe lag im vergangeben Jahr bei 176 240. Insgesamt beschäftigten sie mehr als 749 000 Mitarbeiter. Das Potenzial des Vertriebskonzepts ist groß, der Gesamtumsatz der Branche ist im CoronaJahr erneut gestiegen und lang bei 135 MilFoto:André Havergo liarden Euro.

Begleitet hat Florian Stisser in dieser Zeit Freundin Claudia Wessendorf, die damals gerade ihren Bachelor als Biologin abgeschlossen hatte. „Eigentlich wollte sie mir nur zwei oder drei Wochen unter die Arme greifen, jetzt stehen wir beide vom ersten Tag an Vollzeit hier im Laden und haben Spaß daran. Das ist unser gemeinsames Lebensprojekt geworden“, sagt der 37-Jährige. Ein Projekt, bei dem er auch Lehrgeld habe zahlen müssen. „Wir haben viele Anfängerfehler gemacht und die Preise in den ersten Jahren oft korrigieren müssen. Wenn ich heute sehe, wie günstig wir das Eis angeboten haben, wundert micht nicht, dass nichts hängengeblieben ist, damals.“ Und das, obwohl sich schnell Schlangen gebildet hätten. Expertise habe er sich durch Mitarbeiter, die BWL studiert hatten, dazugeholt. Eine der ersten Fragen: Was kostet eigentlich so ein Eisbecher – inklusive Holzlöffel und Serviette? „Wir hatten uns an den Preisen anderer Eisdielen orientiert, ohne zu bedenken, dass bei uns ein ganz anderer Arbeitsaufwand dahintersteckt. Aber man lernt dazu. Was mich die ganze Zeit motiviert hat, ist, dass das Schlecks angenommen wurde.“ Und weiter angenommen wird. Im Rekordjahr 2018 lag der Umsatz bei mehr als 400 000 Euro. Im Corona-Jahr war es deutlich weniger. Doch warum den Schritt gerade in Osnabrück wagen und nicht in einer Metropole? „Manchmal sind kleinere Städte etwas dankbarer, um etwas Neues zu probieren. In den Großstädten macht jede Woche an irgendeiner Ecke ein hipper neuer Laden auf“, so Stisser. Außerdem sei er in der Region – obwohl es ihn immer wieder für Reisen ins Ausland zieht – verwurzelt. „Hier fühle ich mich wohl, hier habe ich meinen großen Freundeskreis und meine Familie. Und ich mag die Stadt Osnabrück“, sagt der Unternehmer. Und mittlerweile gebe es das Schlecks auch nicht mehr aus-

schließlich in Osnabrück, sondern auch in Hamburg, Bremen und Münster. Allerdings nicht als Filialen, sondern als Franchise-Unternehmen. „Wir hatte überlegt, eigene Filialen aufzumachen. Ich hänge jedoch an Osnabrück und wollte mich nicht zu sehr zerreißen“, erklärt Florian Stisser den Schritt, selbstständige Unternehmer als Partner ins Boot zu holen. Anders als für das Schlecks hat der Bramscher für den Ausbau des Franchise-Systems einen Kredit aufgenommen. Schwarze Zahlen schreibe die eigens gegründete GmbH bislang allerdings noch nicht. „Ich bin aber guter Dinge, es kommen neue Partner hinzu.“ Nach einer Pause im Corona-Jahr soll das Schlecks-Netz in diesem Jahr weiter wachsen. Trotz des Erfolgs steht Florian Stisser auch heute noch gerne selbst hinter dem Tresen seiner Eisdiele. „Coronabedingt sogar wieder mehr als sonst.“ Er habe zwar auch Bürozeiten, schließlich müsse er den

„Am Tag der Eröffnung war das Konto bei null, aber ich habe an das Konzept geglaubt.“ Florian Stisser, Gründer und Geschäftsführer des Schlecks

Partnern zur Verfügung stehen. „Aber die Arbeit am Kunden mache ich schon gerne. Deshalb habe ich den Laden ja aufgemacht.“ Normalerweise beginnt ein Tag zur Hochsaison morgens um 7 Uhr, dann werde das Obst angeliefert – und 20 Kilo Erdbeeren wollen geschnitten werden. Eis müsse nach vorne gebracht und Waffeln aufgestellt werden, bevor um 11 Uhr geöffnet wird. Über den Tag verteilt sind unterschiedlich viele Mitarbeiter im Laden, bis gegen 22 Uhr Feierabend ist. Die meiste Zeit des Jahres sieben Tage die Woche im Laden zu stehen – vermisst man da das Angestelltensein? „Ich bin ehrlich, natürlich gibt es Phasen, wo es viel ist, wo es anstrengend ist, wo man sich auch manchmal wünscht, ein normales Leben zu führen“, sagt Florian Stisser. Vor allem, wenn man am Wochenende arbeite und die Menschen sehe, die frei hätten und vorbeischlenderten. „Aber unterm Strich, nein, ich bereue es nicht. Ich mag die Abwechselung, ich liebe die Freiheit. Ich kann mir mein eigenes Team aussuchen und – theoretisch – auch meine Arbeitszeiten setzen. Das sind Freiheiten, die ich nicht mehr missen will. Ein Angestelltenverhältnis kann ich mir heute nicht mehr vorstellen.“ Eine Auszeit nimmt sich Florian Stisser im Winter, wenn das Schlecks spätestens ab Mitte November geschlossen ist und auch erst frühestens Mitte Februar wieder aufmacht – und gibt dafür im Sommer sieben Tage die Woche Vollgas. „Das ist meine Motivation durch den Sommer, und da verzichte ich auch gerne auf eine Auszeit vorher.“ Der asiatische Raum reize ihn unter anderem weiterhin. Entspannen kann der 37-Jährige jedoch auch in Bramsche, wo er mittlerweile wieder wohnt. „Ich bin vor eineinhalb Jahren zurückgezogen und genieße es, auf dem Land zu leben.“ Ruhig, ohne viele Nachbarn – ein Kontrast zur Zeit, die er in Osnabrück verbringt.


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Es kommt auf den Biss an Wissenschaftler in Quakenbrück forschen an fleischähnlichen Produkten / Hoher Proteingehalt als Ziel VON NINA STRAKELJAHN QUAKENBRÜCK In eine frisch gegrillte Bratwurst zu beißen ist etwas anderes als in ein Schnitzel. Gyros schmeckt anders als ein Burger-Patty. Das liegt natürlich an der Würzung der einzelnen Produkte, vor allem aber ist es auch die Konsistenz. Eine Bratwurst ist weicher, Gyros knusprig. Viele Menschen verzichten mittlerweile auf Fleisch oder versuchen zumindest, weniger davon zu essen. Der Fleischkonsum sei in den vergangenen Jahren in die Kritik geraten, sagt Volker Lammers vom Deutschen Institut für Lebensmitteltechnik (DIL) in Quakenbrück. „Hoher Fleischkonsum hat einen nachteiligen Einfluss auf Umweltbedingungen, es wird viel Land und Wasser benötigt. Auch Tierwohl spielt eine Rolle“, erklärt er. Während es dem einen nichts ausmacht, auf Fleisch zu verzichten, hat der andere hingegen hin und wieder doch mal das Verlangen auf einen Burger oder ein Schnitzel. „In unserer westlichen Welt spielt Fleisch eigentlich eine große Rolle“, sagt Lammers. Deshalb stellt sich die Frage nach Alternativen. Sie sollten dem Original möglichst nahe kommen, schmackhaft sein, ähnliche sensorische Eigenschaften haben und noch nachhaltig hergestellt sein. Genau daran forscht derzeit das DIL, und das auch schon seit einiger Zeit. Seit vielen Jahren gebe es zwar schon Alternativen, die für Veganer ganz selbstverständlich seien. Doch: „Tofu oder Seitan sind nicht für alle Verbraucherschichten gleich attraktiv“, so Lammers. Seine Forschung beschäftige sich eher damit, die Menschen davon zu überzeugen, mehr pflanzliche Produkte zu essen und nur hin und wieder Fleisch, also Flexitarier zu werden – „ohne dass man das Gefühl hat, auf etwas zu verzichten“. Gelingen kann das mithilfe technischer Verfahren. Als Rohstoff werden Erbsen, Hafer, Sonnenblumen, Ackerbohnen, Soja oder Weizen genutzt. Sie sind reich an Proteinen. Anfangs sei viel Soja verarbeitet worden, das aber in die Kritik geraten sei, weil es nicht heimisch ist und die Anbaubedingungen teilweise fraglich. Daher habe man sich nach anderen Rohstoffquellen umgeschaut, die auch regional angebaut werden können. Die pflanzlichen Proteine liegen in Form eines Mehls vor. „Das ist aber kein normales Mehl wie man es zum Backen verwendet“, erklärt Lammers. Normales Weizenmehl hat in der Regel einen Protein-Anteil von zehn Prozent. Das Mehl, das das DIL benutzt, hat einen Anteil von 50 bis 60 Prozent.

Fleisch, odernichtFleisch?:DieFleischersatzproduktesollendemOriginalsehrnahekommen.

„Das Proteinmehl wird mit Wasser, vielleicht noch einem Öl in einem Gerät unter sehr hohen Temperaturen und Drücken gemischt, zu einem Teig geknetet und dann durch eine Düse gedrückt“, erklärt der Fachmann. Am Ende entsteht eine Faserstruk-

„Tofu oder Seitan sind nicht für alle Verbraucher gleich attraktiv.“ Volker Lammers, Wissenschaftler beim Deutschen Institut für Lebensmitteltechnik

AusdemExtruder wirddie Masse herausgedrückt,ausdem dieProdukteentstehen.

tur. „Die Herstellung dieser kleinen, feinen Faserstrukturen ist der Schlüssel bei der ganzen Technik, um ein fleischähnliches Mundgefühl beim Verzehr zu erzeugen.“ Denn wenn man an Wurst, Burger oder ein Steak denkt, sei immer das, was es ausmacht, die Struktur, „der Biss“. Der Geschmack spielt für die Forschung im DIL daher nur eine untergeordnete Rolle. Die Maschine, die dafür genutzt wird, ist ein Extruder. Extruder werden in der Lebensmittelbranche schon seit Jahrzehnten eingesetzt, zum Beispiel zur Herstellung von Teigwaren, Frühstückscerealien oder Maisflips. Und die texturierten Fleischprodukte, wie der korrekte wissenschaftliche Begriff lautet, können ebenfalls so erzeugt werden. Diese werden dann zu verschiedenen Fleischprodukten weiterverarbeitet. Das DIL verfolgt dabei den Ansatz, die Rohstoffe, die vorhanden sind, durch Technologie und weniger durch Chemie so natürlich wie möglich umzuwandeln, so Lammers. Auch vor einigen Jahren gab es schon solche Produkte, damals sei die Technik aber eben noch nicht so weit entwickelt gewesen und die Produkte entsprechend nicht so gut. „Wenn der Verbraucher einmal die Produkte kauft, aber sie nicht mag, weil sie nicht schmecken, kauft er sie nie wieder.“ Mittlerweile gebe es bessere Produkte. „Man ist vielleicht noch etwas davon entfernt zu sagen, dass sie ganz perfekt sind und man keinen Unterschied mehr merkt, aber insgesamt ist es schon besser geworden, auch die Auswahl und Vielfalt.“ Daher sei es auch kein „Hype“ mehr, findet Volker Lammers, sondern ein nachhaltiger Trend, von dem das DIL auch ausgeht, dass er bestehen bleibt. Das unterscheide auch diese Arbeit von anderen Forschungsprojekten, die sich auf Produkte aus Insekten konzentrieren. „Die Akzeptanz beim Verbraucher ist schwierig“, erklärt er dazu, obwohl auch dabei weiter geforscht wird. Die Herstellung solcher Produkte sei aber durchaus ähnlich.

Fotos: DIL

„Die Nachfrage nach den Produkten ist jedenfalls steigend“, sagt er. 20 bis 25 Kunden hatte das DIL im vergangenen Jahr etwa. Das DIL unterstützt die Lebensmittelunternehmen, darunter viele Start-ups bei den Entwicklungsprozessen. Auch andere Firmen setzen auf die pflanzlichen Proteine. Air Liquide zum Beispiel ist in diesem Jahr eine Kooperation mit dem Quakenbrücker Institut eingegangen. Das Unternehmen stellt technische Gase für Industrie, Medizin und Umweltschutz her. Ein großes Feld sei aber auch der Lebensmittelmarkt, sagt Christine Kasten von Air Liquide, die im Bereich Lebensmit-

telanwendungen, Forschung und Entwicklung tätig ist. Auch Air Liquide, dessen Hauptsitz in Frankreich ist, sieht in den pflanzlichen Proteinen einen Markt der Zukunft und arbeitet nun gemeinsam mit dem DIL und Kunden an Lösungen. Beim DIL werden in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen die Gase einerseits genutzt, um Produktionsprozesse weiter zu optimieren, denn die Produkte müssen beispielsweise wieder abgekühlt, teilweise gefroren werden. „Flüssigstickstoff ist sehr gut geeignet“, sagt Lammers. Aber auch, um die Struktur der

Produkte aufzulockern, spielen Gase eine wichtige Rolle. Der Markt ist also für viele interessant. Doch noch sind die Produkte relativ teuer. Ein Blick ins Kühlregal zeigt, dass Fleisch oft noch günstiger ist. Ziel sei es daher, die Produktion zu optimieren, und gerade die gemeinsame Entwicklung mit Konzernen wie Air Liquide spielt dabei eine große Rolle. „Es ist wichtig, dass wir Air Liquide als Partner haben, um auch die Sachen, die wir in einem kleinen Labor entwickeln, die funktionieren und die vielversprechend sind, in einem größeren Maßstab abbilden zu können“, betont Lammers.

Dieses proteinreiche MehldienstalsGrundlage.

ZUR SACHE

Die Verbraucher und ihr Fleischkonsum Für viele Verbraucher ist klar: Zu einer richtigen Mahlzeit gehört Fleisch. Es scheint allerdings immer weniger Zeitgenossen zu geben, für die das gilt. Nach einer aktuellen Untersuchung der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung vom März dieses Jahres geht der Fleischkonsum seit Jahren zurück: Pro Kopf beziffert die Statistik für 2020 einen Verbrauch von 57,3 Ki-

logramm – das ist seit Jahrzehnten der niedrigste Wert. 25 Jahre zuvor waren es mit 62,1 Kilo fast fünf Kilogramm mehr pro Kopf. Der deutliche Rückgang seit 2015 (61,1 Kilo) ist allein auf den Verzicht auf Schweinefleisch zurückzuführen – hier war der Konsum mit 32,8 statt 37,9 Kilo pro Kopf im vergangenen Jahr deutlich niedriger. Dafür legte der Verzehr von Rind- und Kalbfleisch (9,8 statt

9,5 Kilo) und vor allem Geflügelfleisch (13,3 zu 12,0 Kilo) deutlich zu. Außerdem trägt eine andere Einstellung zum Tierwohl und zum Fleischkonsum allgemein zu dem Rückgang der letzten Jahre bei. Tierfreunden wird gefallen, dass 2020 im Vergleich zum Vorjahr, bezogen auf das Schlachtgewicht ,fast 15 Prozent weniger lebende Tiere importiert und 11 Prozent weniger exportiert wurden.

Eine bewusstere Lebensweise hat immer mehr Bürger zu sogenannten Flexitariern werden lassen – Menschen, denen tierische Wurst auf dem Brot weniger wichtig sind. Nach einer Umfrage im Auftrag des Bundesernährungsministeriums waren das 2020 gut 55 Prozent der Befragten. Außerdem ernähren sich immer mehr Bürger vegetarisch (fünf Prozent) oder vegan (ein Prozent). gp


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Mit Cider zum nächsten Trend Weniger Alkohol und eine Alternative zum Bier? / Auch in der Region wird in das Getränk investiert VON BASTIAN KLENKE HASELÜNNE/OSNABRÜCK/LINGEN/

Kaum ein anderes alkoholisches Getränk erfährt aktuell weltweit solche Zuwachszahlen wie Cider. Dabei profitiert das Getränk vom Craft-Trend und kann zugleich wie Apfelwein als Naturprodukt punkten. Daneben kommt Cider bei Männern und Frauen gleichermaßen gut an. Doch wie entwickelt sich das Produkt Cider in Deutschland und der Region? Die reinen Absatzzahlen zu Cider für den deutschen Markt sind nur schwer zu greifen. Denn die Verwendung der Produktbezeichnung ist bislang noch nicht gesetzlich geregelt. „Daher lässt sich Cider als Segment nicht klar abgrenzen“, erläutert Klaus Heitlinger, Geschäftsführer des Verbands der deutschen Fruchtwein- und Fruchtschaumwein-Industrie (VdFw). „In anderen Ländern, wie Südafrika, gibt es auch Getränke auf Alkoholbasis mit Zucker und Farbstoffen, und das wird als Cider verkauft.“ Heitlinger sieht den neuen Cider auch nicht im Wettbewerb zum klassischen Apfelwein, sondern zum Bier. Dafür spricht, dass immer mehr Craft-Beer-Brauer einen eigenen Cider brauen beziehungsweise keltern. „Der neue Cider als ein Bieralternative für das weibliche Geschlecht“, so Heitlinger. „Der traditionelle Apfelwein ist eher trocken und wird eher von Männern getrunken. Wird es allerdings süßer, greifen auch Frauen zum Produkt.“ Der Verband rechnet daher auch mit einem zunehmenden Cider-Markt, auch eher in der süßen Variante. Zusätzlich erfährt der CiderMarkt eine Push durch großen Brauerei-Gruppen, wie Carlsberg oder Heineken, die massiv in den Markt hineindrängen. Beide gehören mittlerweile zu den größten Cider-Produzenten weltweit. „Allein durch die finanzielle Macht der großen Brauereien wird der CiderMarkt ansteigen“, meint Heitlinger. Diesen Trend hat man auch im Emsland entdeckt. Die BerentzenGruppe aus Haselünne hat vergangenes Jahr die österreichische Cider-Marke Goldkehlchen übernommen. „Die Modern-Cider-Konzepte zeigen seit einigen Jahren ein extrem gutes Wachstum“, sagt ThorsMEPPEN/NORDHORN

GleichmehrereUnternehmenin der RegionsetzenaufdenCider-Trend.

ten Schmitt, Leiter Unternehmenskommunikation der BerentzenGruppe. Das liegt für ihn vor allem an zwei Dingen: Die Verbraucher wünschen sich mehr Produkte mit einem eher niedrigen Alkoholgehalt und Produkte, die bequem und schnell zu konsumieren sind – sogenannte Ready-to-Drink-Konzepte. Schmitt sieht hier klare Parallelen zu den Biermixgetränken, die in den vergangenen Jahren ein starkes Wachstum in Deutschland verzeichnet haben und „da einen ähnlichen Trend bedienen.“ Als Gründe sieht er die Probierlust und Experimentierfreude der Konsumenten. „Das ist auch für uns ein spannen-

FrischvonderObstwiese:MarenBorkowskiarbeitetmiteinerKeltereizusammen,dieihreÄpfel direktvon Bio-Apfelbauern bezieht.

des Segment.“ Um den Kunden ein möglichst vielfältiges Angebot zu machen, war Goldkehlchen für Berentzen eine Möglichkeit, in einen Wachstumsmarkt zu investieren. „Wir stellen uns als Unternehmensgruppe immer sehr breit auf: mit den Spirituosen einerseits, den alkoholfreien Getränken und dann die Frischsaftsysteme als drittes Standbein.“ Dabei muss allerdings auch immer die richtige Zeit passen. Denn bereits vor zehn Jahren hat die Unternehmensgruppe in den Cider-Markt investiert. Damals mit der eigenen Marke Cidr. „Das war das richtige Konzept zum falschen Zeitpunkt“, erklärt Schmitt. „Aber es ist jetzt nicht so, dass wir konkret auf der Suche nach einem Premium-Cider waren.“ Bei der Übernahme von Goldkehlchen war der erste Markterfolg schon sichtbar, aber nicht so groß, dass globale Player Interesse daran hatten, dieses Unternehmen zu kaufen. „Das ist das Spannungsfeld, in dem man sich letztlich bewegt“, erklärt Schmitt. „Das hat Goldkehlchen einfach gut bedient – das hat gepasst.“ Aber auch im Norden gibt es Cider. Ole Klann, Jan Thie und Jannick Kirchner haben in Oldenburg 2021, quasi erntefrisch, die Firma Nordappel gegründet. Thie und Kirchner kommen aus der Gastronomie, Klann ist der Mann hinter den Rezepten. Die drei haben sich im Oktober 2020 kennengelernt und waren sofort auf einer Wellenlänge. Klann keltert bereits seit seinem 21. Lebensjahr Cider. Daraus ist eine Passion geworden, und er ist dem Getränk sogar nach England „nachgereist“, um vor Ort zu lernen. Dadurch kam auch die Idee, selbst im größeren Rahmen Cider zu produzieren. Der Apfelsaft kommt bei Nordappel direkt aus einer Safterei in Lutten. Die Äpfel bezieht das Unternehmen vornehmlich von Streuobstwiesen aus der Region. „Wir werden nie mit Konzentraten arbeiten“, sagt Thie.

Foto: imago/Alex9500

Der Nordappel Cider ist ein direktes Erzeugnis aus der Region ohne lange Wege. „Die Produktion ist Ende November angelaufen, und im Februar haben wir abgefüllt“, sagt Thie. „Seit März sind wir durchgängig on Tour.“ Die drei sind permanent unterwegs und stellen ihren Kunden den Cider direkt vor die Tür. „So können wir auch mit unseren Kunden schnacken und bekommen positive Rückmeldungen.“ Aktuell gibt es zwar nur eine Sorte, aber besonders Klann läuft vor Ideen über. Ob ein gehopfter Cider, ein Grünkohl-Cider oder sogar Schwarztee-Cider: Die Jungs von Nordappel gehen kreative Wege. Auch für die Zeit nach der Pandemie haben die drei vorgesorgt: „Wir haben sehr gute Kontakte in die Gastronomie und werden auch die ein oder anderen Events mit ,becidern‘. Wir sind startklar.“ Bereits seit knapp zehn Jahren am Markt ist die Hamburger Firma Elbler. Jan Ockert und der ehemaligen HSV-Torwart Stefan Wächter, Gründer und Geschäftsführer der Elbler GmbH, haben bereits lange vor dem Trend angefangen, Cider zu produzieren. „Man tut sich ja immer ein bisschen schwer mit dem Begriff Pionier, gerade wenn es auch nur eine Geschichte von zehn oder zwölf Jahren ist“, erklärt Ockert. „Wir haben das sehr früh erkannt, dass da quasi eine Lücke ist.“ Ockert ist durch sein Studium in Finnland erstmalig so richtig mit Cider in Berührung gekommen. „Ich habe mich gewundert, dass, obwohl die Deutschen eine gute und ausgeprägte Trinkkultur haben, Cider bis zu dem Zeitpunkt gar keine Rolle spielte“, sagt Ockert. „Als wir angefangen haben, mussten wir auf jeder Veranstaltung, die Begrifflichkeit Cider fast jedem erklären – das ist heute vorbei.“ Am Anfang war es für die beiden viel harte Arbeit. „Die klassische Garagenstory war bei uns die Transporterstory: Wir haben quasi ein Jahr im Transporter gelebt, gearbeitet, gewohnt“, sagt Ockert. „Wir hat-

ten dann das Glück, dass wir im Alten Land den Sohn des ältesten Fruchtsaftmeisters Deutschlands kennengelernt haben.“ So fand das erste Treffen in der ursprünglichen Kelterei mitten zwischen den Tanks im Alten Land statt. „Das sah zwar alles richtig rustikal aus, war aber aus einem Guss, und so haben wir angefangen“, erinnert sich Ockert. Auch Maren Borkowski hat Cider von ihren Reisen mitgebracht. „Ich habe Cider immer schon selber gern getrunken“, betont die Gründerin und Geschäftsführerin der Hamburger Cider-Marke Kernhaus. „Ich habe eine Weile in England gearbeitet, und dort trinkt man Cider ja wie

„Die ModernCider-Konzepte zeigen seit einigen Jahren ein extrem gutes Wachstum.“ Thorsten Schmitt, Leiter Unternehmenskommunikation der Berentzen-Gruppe

Bier aus dem Fass.“ Und da sie und ihr Mann in Deutschland keine vernünftigen Alternativen gefunden haben, haben sie begonnen, sich mit dem Thema Cider zu beschäftigen. „Das, was man hier im Lebensmitteleinzelhandel bekommt, ist oftmals stark gesüßt oder mit Aromastoffen versetzt“, erklärt Borkowski. „Das, was wir machen, ist halt ein ganz klassischer, naturbelassener Cider.“ Dafür arbeitet Kernhaus mit einer Kelterei zusammen, die ihre Äpfel direkt von BioApfelbauern bezieht. Gerade der Bio-Gedanke zieht sich bei der deutschen Modern-Cider-Generation durch. „Die Äpfel für unseren Apfelwein kommen von den Bauern aus der Region“, sagt Jan Kemker, von der Brauerei Kemker Kultuur aus Alverskirchen bei Münster. „Cider war schon immer ein tolles Getränk, und wir machen die Getränke, die wir selber trinken wollen.“ Nach der Ernte werden die Äpfel geschreddert und mazeriert, das heißt, sie werden für eine gewisse Zeit – zwischen drei Stunden oder ein paar Tagen – gelagert. Durch das Eigengewicht entsteht eine homogene Masse, die am Folgetag gepresst werden kann. Mit einer Hydropresse presst Kemker den Most, der anschließend ins Barrique kommt. „Bei uns kommt keine Hefe hinzu, wir vergären spontan. Das heißt, wir packen den Apfelmost ins Barrique und ,vergessen‘ den dann für knapp ein halbes Jahr.“ Erst nach vier Monaten nimmt Kemker die erste Probe und entscheidet, wie es weitergeht. Besonders die Nachhaltigkeit seiner Produkte liegt Kemker am Herzen: „Apfelbäume und Streuobstwiesen sind ein wichtiges Kulturgut und wichtig für Insekten und Vögel, und daher macht es Sinn diese Form von Landwirtschaft zu erhalten. Daher haben wir auch selbst bereits 200 Bäume veredelt und setzen so auf historische deutsche Apfelsorten.“ Kemkers Ziel: mit Apfelwein und Cider historische Apfelsorten retten.


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LEBEN & LEIDENSCHAFT

Mit Elan und Ideen der Krise trotzen Zwei junge Männer eröffneten im vergangenen Jahr ihre Gaststätte in Nordhorn VON SEBASTIAN HAMEL NORDHORN Die Gastronomie zählt zu den Branchen, die am schwersten von der Corona-Krise getroffen wurden. Doch während einige im Zuge des Lockdowns ihren Betrieb schließen mussten, gibt es andere, die mitten in der Pandemie ein neues Projekt wagen. Zur letzteren Gruppe zählt Dominik Pütz aus Nordhorn: Ende Mai 2020 eröffnete der 27-Jährige zusammen mit seinem Partner Patrick Eersink das „P15 Bistro & Steakbar“ auf dem Gelände des Grafschafter Sport- und Freizeitparks – und erfüllte sich damit einen Kindheitstraum. Pütz und sein Team servieren dort verschiedene Steak- und Burger-Variationen und bieten zudem wechselnde, eigens kreierte Signature-Gerichte an. „Wir wissen, dass wir nicht die günstigsten sind, und das ist auch gut so“, heißt es selbstbewusst auf der Webseite des Lokals. Qualität – also regionale Produkte, die fachmännisch zubereitet werden – habe schließlich ihren Preis. „Ich wollte schon immer Koch werden“, sagt Dominik Pütz, der in der Lebensmittelbranche aufwuchs: Sein Vater hatte 2002 eine Fleischerei in Nordhorn übernommen. Nach der Schule geht es für den damals 16-Jährigen allerdings erst einmal nach Hamburg, wo er in einem Restaurant eine Kochlehre in Angriff nimmt. Nach drei Monaten beendet er das Experiment vorzeitig und kehrt zurück nach Nordhorn, wo er im elterlichen Betrieb eine Ausbildung zum Fleischereifachverkäufer absolviert. „Mit der Ausbildung konnte ich gleich mehrere Bereiche abdecken, wie Service, Kochen und Catering“, sagt Pütz. „Das Kochen war für mich aber immer die erste Wahl.“ Schon während der Ausbildung übernimmt der junge Grafschafter Anteile der Firma und steigt bald darauf als zweiter Geschäftsführer in die Betriebsleitung ein. Sein Anliegen, das Geschäft zu modernisieren, treibt er stetig voran und erweitert unter anderem das Außer-Haus-Angebot durch einen Grill- und Spanferkel-Service. Ein

Erfolgreiches Gespann:Dominik Pütz(vorn) und sein PartnerPatrick Eersink inihrem Restaurant in Nordhorn. Foto: S.Hamel

besonderes Augenmerk gilt auch dem Mittagstisch: 2015 erfolgt die Eröffnung eines kleinen Bistros mit dem Namen „P15“ am Standort der Fleischerei. Die Gäste können dort zwischen verschiedenen Gerichten wählen und werden am Platz bedient. Über die eigens gegründete „P15 Bistro & Eventlocation GmbH“ verwirklicht Dominik Pütz weitere eigene Projekte, pachtet unter anderem ein Veranstaltungslokal am Grafschafter Sport- und Freizeitpark und ist mit einem umgerüsteten Grillwagen auf dem Nordhorner Weihnachtsmarkt vertreten. Er macht jedoch keinen Hehl daraus, dass es zwischen ihm und seinem Vater im Laufe der Jahre auch zu Differenzen über die Art und Weise der Betriebsführung kam. Schließlich folgt der endgültige Ausstieg: 2020 verlässt er zusammen mit Patrick Eersink, der auch bereits einige Jahre in dem

Fleischereibetrieb mitgearbeitet hatte, das heimische Geschäft – und aus dem Veranstaltungslokal in direkter Nachbarschaft zum Freibad wird eine Gaststätte mit festen Öffnungszeiten.

„Vom ersten Tag an kamen mehr Leute als erwartet.“ Dominik Pütz, Restaurant-Betreiber

„Früher dachte ich, dass ich vielleicht mit 50 Jahren ein eigenes Restaurant haben könnte“, erinnert sich Dominik Pütz lachend. Nun ist es doch früher gekommen. Innerhalb von zwei Monaten werden die Räumlichkeiten aufwendig umgebaut, für die neue Nutzung hergerichtet und nach eigenen Vorstellungen gestaltet. Zudem entstehen eine Terrasse sowie ein Separee, welches etwa für kleinere Feiern genutzt werden kann. Der Anspruch mit Blick auf das Ambiente: Die Gäste sollen sich fühlen wie im eigenen Wohnzimmer. Abseits der Fleischgerichte wird auch eine Auswahl vegetarischer und veganer Speisen gereicht. Dies gewinnt immer mehr an Bedeutung, weiß Pütz: „Die Leute gehen speziell in Restaurants, die gute Alternativen bieten. Wenn zum Beispiel ein Veganer in der Gruppe ist, möchte der ja nicht

Kräfte zählen aktuell zum Team, saisonal unterstützt durch mehrere Aushilfen. Und ganz obendrein müssen Pütz und Eersink, die seit sechs Jahren ein Paar sind, den Spagat bewältigen, in der Beziehung Berufliches und Privates unter einen Hut zu bekommen. „Man zickt sich schon mal an, aber das ist auch schnell wieder gut“, sagt Patrick Eersink. Auch der erneute Lockdown konnte die Leidenschaft für die Gastronomie nicht bremsen. Als die Restaurants im November wieder schließen mussten und man die Gäste nicht mehr vor Ort bewirten durfte, richtete das „P15“ einen Lieferservice an vier Abenden pro Woche ein. Was die Zukunft bringt, lässt Dominik Pütz entspannt auf sich zukommen. Neuen Projekten gegenüber ist er jedenfalls nicht abgeneigt: „Ich bin offen und spontan.“

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„Was mich motiviert? Bunt!“

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nur gemischten Salat essen.“ Seiner kulinarischen Kreativität lässt Pütz in der bewusst offen gehaltenen Küche freien Lauf. Der Start in der frühsommerlichen Jahreszeit gelingt: „Vom ersten Tag an kamen mehr Leute als erwartet“, berichtet Pütz. Profitieren können er und Eersink von einem breiten Kundenstamm, der in den Vorjahren aufgebaut wurde. Bisweilen gerät die Gaststätte an ihre Kapazitätsgrenzen, Samstagabende sind bis zu zwei Wochen im Voraus ausgebucht. Die Gäste kommen aus der gesamten Grafschaft, aber auch aus dem Emsland und den angrenzenden Niederlanden. Die Gastronomen stemmen Arbeitstage, die nicht selten von 8 Uhr morgens bis Mitternacht reichen. Neben dem Hauptlokal betreiben sie auch drei Imbisse am Freibad und am Hallenbad in Nordhorn sowie am Waldbad in Uelsen. Sechs feste

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DONNERSTAG, 29. APRIL 2021

LEBEN & LEIDENSCHAFT

ZurkundennahenVersorgungaufdem Landund in derStadtbetreibtderFrischdienstNordhornseineVerkaufswagenflotte–daswichtigsteStandbeinderNordhornerNahversorger.

Foto: FrischdienstNordhorn

Mit dem Milchmann per Du Mitarbeiter von Frischdienst Nordhorn bringen nicht nur Quark und Käse / Schnack mit den Kunden VON CHRISTOPH LÜTZENKIRCHEN Muzaffer Cimen und Lieselotte Michel sind per Du. Die beiden kennen sich mehr als zehn Jahre. Seit 2009 ist der 46-jährige gelernte Groß- und Einzelhandelskaufmann Verkaufsfahrer bei Frischdienst Nordhorn und besucht Lieselotte Michel jeden Dienstag pünktlich um neun Uhr. „Früher hieß das ja Butterwagen“, sagt die rüstige 85-Jährige: „Der kommt seit mehr als 40 Jahren zu uns.“ Sie lebt mit ihrem Mann auf dem gemeinsamen Hof im Bissendorfer Ortsteil Stockum. Bei Muzaffer Cimen kauft sie vor allem Frischprodukte, darunter Butter, Quark und Käse. Vorbestellen würde sie selten, erklärt Michel: „Meist finde ich auch so, was ich brauche. Falls ich aber etwas vergessen habe, kann ich immer noch meine Tochter anrufen.

NORDHORN

Kennen sichseit mehr als10Jahren und haben einVertrauensverhältnis aufgebaut: Die Bissendorferin LieselotteMichelund MuzafferCimen. DerVerkaufsfahrer kommt jedeWoche am gleichenTagzur möglichst gleichen Zeit beiseinenKundenvorbei. Foto: Christoph Lützenkirchen

Bei der hält Muzaffer etwas später am Tag.“ Ihren Korb mit den Einkäufen bringt sie selbst ins Haus. Wenn eine Kiste Wasser dabei ist, trägt Muzaffer Cimen sie ihr hinein. „Mit der Zeit lernt man seine Kunden kennen“, sagt er: „Den ersten fahre ich zu morgens acht Uhr an. Für die einzelnen Termine rechne ich etwa fünf bis zehn Minuten Aufenthalt ein, da bleibt dann auch genügend Zeit für ein kurzes Gespräch.“ Man habe bei Frischdienst ganz bewusst ein Konzept mit festen Tagen bei einzelnen Kunden entwickelt, erklärt Vanessa Wefelshütten, Pressesprecherin des Unternehmens. Für den Kunden sei das sehr komfortabel – besonders jetzt unter Corona – er hat den ganzen rollenden Supermarkt für sich allein. „Es gibt keine Warteschlange vor der Kasse. Bezahlt werden kann auch bargeldlos, indem der Kunde uns

zuvor eine Einzugsermächtigung erteilt“, so Wefelshütten: „In unseren Frischemobilen sitzt nicht jedes Mal ein anderer Kassierer anonym an der Kasse und scannt die Produkte ein, um dann schnell den nächsten Kunden abzufertigen. Unsere Fahrer kennen die Kunden teilweise schon seit Jahrzehnten.“ Die 25 Verkaufswagen des Unternehmens sind ihren Angaben zufolge unterschiedlich bestückt. Die Fahrer wählen aus einem Produktsortiment von rund 1800 Artikeln ihr jeweiliges, individuelles Sortiment aus. Je nach Tour befänden sich zwischen 600 und 900 Produkte an Bord. Alle 14 Tage gibt es zudem einen Verkaufsprospekt mit Sonderangeboten. Einen großen Teil der Waren bezieht Frischdienst laut der Sprecherin von regionalen Erzeugern. So kommt das Eis von der Eismanufaktur Gelato Classico aus Hilter am Teutoburger Wald. „Vor einigen Jahren gab es einmal einen gemeinsam organisierten Ausflug der Landfrauen dorthin, um die Produktion des Herstellers kennenzulernen“, sagt Wefelshütten. Lieselotte Michel kann sich gut daran erinnern: „Da bin ich auch dabei gewesen!“ Sie hat auch eine klare Meinung zum Eis von Muzaffer Cimen: Das sei super. Der 46-jährige lächelt, der Kontakt zu seiner Kundin macht ihm sichtlich Spaß. Außerdem gefällt ihm an seiner Arbeit, dass er immer viel frische Luft bekommt, reichlich Abwechslung hat und für sein Frischemobil größtenteils selbst verantwortlich ist. Der Kontakt zu den Kunden sei schon persönlich, sagt er: „Das Vertrauen ist groß. Wenn unsere Kunden zum vereinbarten Termin einmal nicht zu Hause sind, finde ich nicht selten einen Zettel vor. Da steht dann drauf, was der Kunde braucht, und ich stelle es entsprechend einer Absprache ab.“ Im Laufe der Woche besucht Cimen etwa 275 verschiedene Haushalte. Zusammen beliefern die Frischemobile des Unternehmens wöchentlich circa 6000 Haushalte. Vor Beginn der Corona-Krise war der Großteil der Kunden 60 Jahre und älter. Durch Corona sind viele junge Familien hinzugekommen. Für sie sei es in der Krise interessant gewe-

sen, zusätzlich zu Homeoffice und Homeschooling nicht auch noch einkaufen gehen zu müssen, sagt Unternehmenssprecherin Wefelshütten: „Wenn dann das Frischemobile kommt und den Einkauf vor der eigenen Haustür ermöglicht, unterstützt das im Alltag ungemein. Die meisten Kunden, die unseren Service einmal kennengelernt haben, bleiben uns auch langfristig treu.“ Viele neue Kunden gewinne man über Mund-zu-Mund-Propaganda. Außerdem würden die Fahrer für Frischdienst Nordhorn akquirieren. Vor Corona war die Anzahl der Kunden bedingt durch die hohe Altersstruktur leicht rückläufig, seit Corona verzeichnen die Nordhorner ein Kundenwachstum von sechs Prozent sowie eine Umsatzsteigerung von vierzehn Prozent. Das Handelsunternehmen beschäftigt rund 80 Mitarbeiter am Hauptstandort Nordhorn sowie den Nebenstellen Löningen, Neubörger und Osnabrück. Neben den Frischemobilen werden Großverbraucher wie Gastronomiebetriebe

„Früher hieß das ja Butterwagen. Der kommt seit mehr als 40 Jahren zu uns.“ Lieselotte Michel, Kundin

Nah dran anden Kunden:Dasist einerder Grundsätze der„Milchmänner“,die ihreWagen regelmäßigbeiihrer Klientelvorfahren. Foto: Christoph Lützenkirchen

beliefert, Altenheime, Krankenhäuser, Bäckereien, Eiscafés und Feinkostläden. Die Frischemobile haben einen Anteil von 60 Prozent am jährlichen Umsatzvolumen, der Großhandel unter der Bezeichnung „Frischdienst“ 40 Prozent. „Dank der corona- und lockdownbedingten Zuwächse an Kunden und im Umsatz bei den Frischemobilen konnte der Jahresumsatz 2020 trotz rückläufiger Erlöse im Großhandelsbereich nicht nur stabil gehalten, sondern mit Blick auf den Deckungsbeitrag auch gesteigert werden“, sagt Vanessa Wefelshütten: „In 2019 und 2020 haben wir jeweils einen Jahresumsatz von rund zwölf Millionen Euro erzielt.“

Nach einem Management-Buyout durch Geschäftsführer Harald Vrielink ging Frischdienst Nordhorn zum 1. September 2004 aus der Vorgängerorganisation Nordmilch eG hervor. Vrielink ist alleiniger Eigentümer und geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens. Die regionalen Wettbewerber bei den rollenden Supermärkten seien „Einzelkämpfer“, erklärt die Unternehmenssprecherin. Deutschlandweit stehe man in diesem Bereich an zweiter Stelle. Lieselotte Michel hat miterlebt, wie das Sortiment des Frischdienstes über die Jahre immer größer wurde. „Beispielsweise gibt es jetzt Brot, Tiefkühlware und Gemüse“ sagt sie: „Ich habe auch schon Oberhemden für meinen Sohn gekauft, die waren gut.“ In der kommenden Woche wird die Kundin auf den gewohnten Service verzichten müssen. Am Verkaufswagen hängt ein Schild, mit dem das Unternehmen dringend nach neuen Mitarbeitern sucht. Aufgrund von Personalmangel und Krankheit muss der Frischdienst Nordhorn zumine dest zeitweilig einzelne Touren .d x lourbo Foto:Co streichen.


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DONNERSTAG, 29. APRIL 2021

LEBEN & LEIDENSCHAFT

TERMINE

27.05.2021 | 17.00 UHR Finanzplan bei Firmengründung (Online-Seminar)

DER WIRTSCHAFT

GRÜNDERHAUS OSNABRÜCKER LAND, ONLINE MIT ANMELDUNG

04.05.2021 | 17.00 UHR

28.05.2021 | 14.30 UHR

Einstieg in die Existenzgründung (Online-Seminar)

Sinnorientierte Unternehmensführung (Ems-Achse-Seminar)

GRÜNDERHAUS OSNABRÜCKER LAND, ONELINE MIT ANMELDUNG

05.05.2021 | 10.00 UHR Digitale Zukunft im Maschinenund Anlagenbau (Online) IT.EMSLAND MIT VDMA NORD, MEMANETZWERK, MIT ANMELDUNG

06.05.2021 | 12.00 UHR Fachkräfteeinwanderung und Corona (Online-Seminar) WFO OSNABRÜCK, MIT ANMELDUNG (WWW.EDUDIP.COM)

HISTORISCH-ÖKOLOGISCHE BILDUNGSSTÄTTE (HÖB), PAPENBURG

ErläutertenimRatssitzungssaaldieHintergründezumStart-updesGründerzentrumsOsnabrückerHealthcare Accelerator (OHA): WFO-Geschäftsführer Ralf Minning, Oberbürgermeister Wolfgang Griesert, OHA-Beirat Dr. Erik BeekeundOHA-Gesellschafterund -GeschäftsführerJan-FelixSimon.

31.05.2021 | 17.00 UHR

Foto:WFO/IngmarBojes

DIE GESICHTER DER WIRTSCHAFT

Ein neues Arbeitsschiff für das Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA)inMeppen:MargretSchepers,dieEhefraudesSchiffsführers Günter Schepers, war es vorbehalten, die „Hilter“ auf demWSA-Geländezutaufen. Foto:Daniel Gonzalez-Tepper

Bei Lohnpfändung und -abtretungen aufgepasst (Seminar) WIGOS MBH, KREISHAUS OSNABRÜCK, AM SCHÖLERBERG (MIT ANMELDUNG)

09.06.2021 | 14.30 UHR

Social Media richtig nutzen (Online-Seminar per Zoom)

Digitale Assistenzsysteme entwickeln und einführen (Online)

WIGOS OSNABRÜCKER LAND MBH, MIT ANMELDUNG: ANMELDUNG@WIGOS.DE

EMS-ACHSE, MITTELSTAND 4.0-KOMPETENZZENTRUM LINGEN (ANMELDUNG)

06.05.2021 | 17.00 UHR

10.06.2021 | 14.00 UHR

Bussinessplan (Online-Seminar)

11.05.2021 | 11.00 UHR

Alles hat seinen Preis (Online-Seminar per Zoom) Ein eigenes Schwein ohne eigenen Bauernhof? Auf der grünen Weide unweit des landwirtschaftlichen Hofes in DersumlebendieTierevonLandwirtHermannKuperundFreundinElenaFehrmann.SiebietenneuerdingsTiere zumLeasenan –auch um InteressierteneinenEinblickin die Landwirtschaftzugeben. FotoChristianBelling

OsnabrückerAgentur sec ausgezeichnet: Manuela Maria Lagemann nahm den Concepts for Change Award des Marketing ClubsMünster-Osnabrücke.V. entgegen. Foto:sec

Urban Offline Forum 2021 (auch am 17.06.2021 ab 9 Uhr)

WFO OSNABRÜCK, MIT ANMELDUNG (WWW.EDUDIP.COM)

OSNABRÜCK-HALLE, SCHLOSSWALL, HYBRID-MESSE (ONLINE/TEILNEHMER)

12.05.2021 | 14.30 UHR

19.06.2021 | 09.00 UHR

Digitale Assistenzsysteme analysieren und gestalten

Abi Zukunft Lohne (Messe für Abiturienten und deren Eltern)

MITTELSTAND 4.0-KOMPETENZZENTRUM LINGEN (ONLINE)

Diversity Management: Eine Strategie der Fachkräftesicherung

WIGOS OSNABRÜCKER LAND MBH, MIT ANMELDUNG: ANMELDUNG@WIGOS.DE

16.06.2021 | 09.00 UHR

Onboarding – Ausländische Kolleg*innen an Bord holen

20.05.2021 | 11.00 UHR

GRÜNDERHAUS OSNABRÜCKER LAND, ONLINE MIT ANMELDUNG

03.06.2021 | 14.00 UHR

06.05.2021 | 14.00 UHR

GRÜNDERHAUS OSNABRÜCKER LAND, ONLINE MIT ANMELDUNG

Social Media – Marketing (Online-Seminar)

Ostercappeln ist „AusgezeichneterWohnort“: IHK-Geschäftsbereichsleiter Öffentlichkeitsarbeit Frank Hesse (l.) übergab dieUrkundeanBürgermeisterRainerEllermann.

Foto:IHK

2100 Mitarbeiter auf freiwilliger Basis auf das Coronavirus getestet: Kräfte des DRK Spelle halfen mit bei denTestungenderKrone-Mitarbeiter.ZielderAktionwar,möglicherweisesymptomloseInfiziertezuerfassenundsoeine unkontrollierteAusbreitungzuvermeiden.AlleTestshatteneinnegatives Ergebnis. Foto:DRK Spelle

JF MESSEKONZEPT, LOHNEUM, VECHTAER STRASSE, LOHNE

30.10.2021 | 10.00 UHR NEU: 14. Jobmesse Emsland

(auch am 31.1.2021 ab 11 Uhr)

WFO OSNABRÜCK, ONLINE MIT ANMELDUNG (WWW.EDUDIP.COM)

BARLAG MESSEN, EMSLANDARENA, LINDENSTRASSE, LINGEN

20.05.2021 | 14.00 UHR

13.11.2021 | 10.00 UHR

Im Einkauf liegt der Gewinn (Online-Seminar per Zoom)

NEU: 13. Jobmesse Hannover

WIGOS OSNABRÜCKER LAND MBH, MIT ANMELDUNG: ANMELDUNG@WIGOS.DE

BARLAG MESSEN, HCC HANNOVER, THEODOR-HEUSS-PLATZ

26.05.2021 | 17.00 UHR

27.11.2021 | 10.00 UHR

Marketing 1 / Marktanalyse (Online-Seminar) GRÜNDERHAUS OSNABRÜCKER LAND, ONLINE MIT ANMELDUNG

(auch am 14.11.2021 ab 11 Uhr)

NEU: 14. Jobmesse Münster BeimProjekt„Keks4.0“desLandesNiedersachsenistauchdieBBSLingen,Technikund Gestaltung dabei:Jürgen Korte (l.), Leiter der BBS, und Stephan Rommel,AbteilungsleiterfürElektrotechnikundIT.DieSchülersollenneueKompetenzenerwerben. Foto:BBS

Lastenräder wie dieses werden inzwischen immer öfter von Unternehmen eingesetzt. Über die Vielfalt der E-Mobilität sprachen (v.l.) WFO-Geschäftsführer Ralf Minning, Unternehmer ChristianLiebigund OberbürgermeisterWolfgangGriesert. Foto:WFO

Lüftungs- und Klimatechnik

Saubere Luft - sichere Räume Es war nicht das erste Virus, mit dem wir uns diesen Planeten teilen, und es wird nicht das letzte gewesen sein... eine langfristige Strategie bietet daher - heute und in ZUKUNFT - Sicherheit für Kunden und Personal.

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Bald neue Webseite!

Anlagen- und Apparatebau

IR-Heiztechnologie CNT

(auch am 28.11.2021 ab 11 Uhr) BARLAG MESSEN, HALLE MÜNSTERLAND, ALBERSLOHER WEG

Service und Regelsysteme

Mobile & stationäre LUFTREINIGER. Restaurant/Kantine

Senioren-/Pflegeheim

Lassen Sie sich - kostenlos & unverbindlich unsere PDF-Infobroschüre zusenden:

Geschäftsräume

Hallen/Lager

Tel.: 05401 8606-0 • Mail: info@poetter-klima.de Oeseder Feld 9 - 15 • 49124 Georgsmarienhütte


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