Die Wirtschaft_02/2022

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Helfer bei der Arbeit

Designer und Musiker

Veggie und Fast Food?

Wie Exoskelette Mitarbeiter in der Industrie unterstützen.

Christian Blomenkemper entwirft Cover und Merchandise für Stars

Unternehmer Christian Eckstein im Wirtschaftstalk

Macher & Märkte – Seite 3

Leben & Leidenschaft – Seite 23

Veggie & Vegan – Seite 15

K Z ACer da iss

www.maler-schulte.de DONNERSTAG, 28. APRIL 2022 AUSGABE 02/22 | EINZELPREIS 1,90 €

OSNABRÜCK | EMSLAND | GRAFSCHAFT BENTHEIM

Soja-Schnitzel im „Fettfleck“ der Republik?

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Immer mehr Fleischhersteller setzen auf Alternativen. Bauernverband in Sorge um Landwirte in Deutschland? VON NINA KALLMEIER OSNABRÜCK/MEPPEN/LINGEN/ PAPENBURG Die Landwirte in Nie-

dersachsen produzieren jedes Jahr Waren im Wert von rund 13 Milliarden Euro. Damit ist das Bundesland Agrarland Nummer eins in Deutschland. Allerdings: Den größten Anteil daran hat die Tierhaltung – und immer mehr Menschen auch in Niedersachsen wollen künf-

Motive: Colourbox.de Layout: Matthias Michel

tig bewusst mehr auf Fleisch verzichten. Zahlen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) zufolge hat in Westdeutschland im vergangenen Jahr schon fast jeder Dritte öfter zu vegetarischen Alternativen von tierischen Produkten gegriffen. Gar 12 Prozent verzichten als Vegetarier oder Veganer ganz auf Fleisch beziehungsweise Milch, Eier, Honig und Co. Vergleichsweise häufig entscheiden sich Menschen unter 30 Jahren für diese Ernährung. Und mehr als die Hälfte der Deutschen ernährt sich flexitarisch, isst also nur gelegentlich Fleisch. Das gilt auch für Fast-Food-Fans. Selbst sie verzichten auf Fleisch: Der Burger-Kette Burger King zufolge ist schon heute jeder fünfte hierzulande verkaufte Whopper pflanzlich. 2023 könnten es 40 Prozent sein, teilte Burger-King-Deutschlandchef Cornelius Everke im vergangenen Jahr mit. Allerdings gibt es für Veganer einen Haken: Das Unternehmen kann nicht ausschließen, dass pflanzliche Pattys und Fleisch auf demselben Grill zubereitet werden. Der Gegenwind für die klassische Küche ist also da. Und er wird, flankiert von einer Debatte um Klimaschutz und Tierwohl, immer stärker. Das Resultat: Alternativen zu Fleisch, Fisch und Kuhmilch sind ein gutes Geschäft, auf das auch namhafte Hersteller mittlerweile setzen. Dazu zählt der TiefkühlkostHersteller Frosta. Die Bremerhavener haben vegane Fischstäbchen – panierte Gemüsemasse – auf den Markt gebracht. Und auch Produzenten klassischer Fleischprodukte haben das wirtschaftliche Potenzial der Alternativprodukte erkannt. Zu den Pionieren zählt das Bad Zwischenahner Unternehmen Rügenwalder Mühle, das Ersatzprodukte auf Basis von Hühnereiweiß – also eine vegetarische, nicht vegane Alternative – anbietet.

Die Niedersachsen erzielten zuletzt sogar mehr Umsatz mit fleischlosen Frikadellen, Schnitzeln und Wurst als mit klassischer Leberwurst und Co. Konkurrenz bekommt der Marktführer unter anderem von Schlachtriese Tönnies, der bis 2025 Umsätze in Höhe von 160 Millionen Euro mit alternativen Produkten erzielen will. Und auch Deutschlands zweitgrößter Wurstproduzent „The Family Butchers“ steigt mit einem Osnabrücker Tochterunternehmen und Produkten auf Basis von Weizenprotein in den Markt ein. Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, zufolge ist das Alternativgeschäft für klassische Hersteller von Fleischprodukten attraktiv: „Zumal die Rohstoffe deutlich billiger sind als echtes Fleisch – bei vergleichbarer Preisrange des Endproduktes“, sagt er. Doch was heißt das für die Landwirtschaft, die in Niedersachsen immerhin rund 135 000 Menschen Arbeit und Einkommen sichert? Die rund zwei Drittel ihres Umsatzes mit Fleisch- und

„Echtes Fleisch aus guter Tierhaltung wird einen Platz im Markt behalten.“ Bernhard Krüsken, Generalsekretär Deutscher Bauernverband

198252

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22002

In dieser Ausgabe:

STANDORTPORTRÄT SAMTGEMEINDE WERLTE

Schlingmann verstärkt Rasch-Team

Vom Kunden nachgefragt, für Firmen ein gutes Geschäft Zwölf Prozent der Deutschen ernähren sich vegetarisch oder vegan.

WWW.DIEWIRTSCHAFT-GN.DE

Milchprodukten erwirtschaftet und unter anderem bei Landmaschinenherstellern und Stalleinrichtungsfirmen ebenso wie im Agrarhandel für Aufträge sorgt? Auf den Trend zu pflanzlichen Alternativprodukten stellen sich Krüsken zufolge Landwirte in Deutschland ein. „Natürlich werden auch die Rohstoffe für die pflanzliche Ernährung von Landwirtinnen und Landwirten in Deutschland produziert. Dazu zählen auch Rohstoffe für Fleischimitate, allerdings mit Ausnahme der Zusatzstoffe und Hilfsstoffe, die in diesem Segment ja eine bedeutende Rolle spielen“, sagt Krüsken. Alternativen für Fleisch sind jedoch nur ein kleiner Teil des Marktes an vegetarischen und veganen Lebensmitteln. Auch Kuhmilch wird zunehmend ersetzt, wie das Beispiel Danone zeigt. Der Lebensmittelkonzern will etwa, dass bis 2025 jedes fünfte seiner Produkte auf pflanzlicher Basis steht. Und auch bei Milch selbst greifen Verbraucher immer öfter zu Alternativen, wie beispielsweise zu Hafermilch. „Auch hier liefern wir die Rohstoffe aus heimischem Anbau“, betont Bernhard Krüsken. Allerdings sieht er hier auch Nachteile gegenüber dem Kuh-Original. „Hafermilch erhält kein Grünland und nutzt keine Neben- oder Koppelprodukte aus der Lebensmittelherstellung, die nur auf dem Weg über die Fütterung zum Lebensmittel werden können“, gibt er zu bedenken. Sorgen macht sich der Bauernverband über die Entwicklung in der Ernährung der Deutschen noch nicht, im Gegenteil. „Echtes Fleisch aus guter Tierhaltung wird einen Platz im Markt behalten“, ist Bernhard Krüsken überzeugt. Entsprechend wolle man den Umbau der Tierhaltung auch nicht abhängig machen von der Marktentwicklung bei Ersatzprodukten. Zumal der Absatz – trotz immenser Steigerungsraten – eine Nische bleibt: Zwar stieg die Produktion von Fleischersatzprodukten laut Statistischem Bundesamt zuletzt auf gut 83,7 Tausend Tonnen. In Schlachtbetrieben wurde mit 7,8 Millionen Tonnen jedoch fast das Hundertfache an Fleisch produziert. Krüsken ist überzeugt: „Eine Landwirtschaft ohne Tierhaltung wird nicht funktionieren.“ Dennoch sieht der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands einen Wandel auf die Landwirte zukommen. „Die Betriebe werden sich weiterentwickeln, ihre Fruchtfolgen anpassen und auch Pflanzen anbauen, die zur Herstellung von Ersatzprodukten gebraucht werden.“ Als einen großen Faktor in der weiteren Entwicklung sieht Krüsken

den Verbraucher. „Vor nicht allzu langer Zeit gab es beispielsweise große Vorbehalte gegenüber dem Analogkäse.“ Allerdings zeigt die Erfahrung von Edeka Minden-Hannover, dass sich der Umsatz des veganen Sortiments weiterhin sehr positiv entwickelt. Vegane Molkereiprodukte, das vegane Tiefkühlsortiment und SBWurst wachse sogar zweistellig, wie eine Unternehmenssprecherin mitteilt. „Der Hauptgrund dafür ist das gestiegene Angebot an Produkten.“ Allerdings: Eine Forsa-Umfrage im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums könnte den Optimismus des Bauernverbands, was die Bedeutung von Fleischprodukten angeht, zumindest vorerst unterstreichen: Demnach haben 57 Prozent der Menschen Fleischersatzprodukte noch nie gekauft. Mehr zum Thema Veggie & Vegan gibt es im Spezial ab Seite 15.

BRAMSCHE Die Gebr. Rasch Tapetenfabrik hat ihr Führungsteam erweitert. Mit Michael Schlingmann lenkt nun seit Anfang April ein Trio die Geschicke des Mittelständlers aus Bramsche. Schlingmann kennt das Unternehmen gut. Der 40-Jährige hat bereits bei Rasch gelernt. Nach seiner Ausbildung mit begleitendem Studium übernahm er schnell Verantwortung. Er war zunächst im Finanzwesen als Controller und übernahm dann die Leitung der Abteilung IT/Organisation. Anschließend folgten auch die Bereiche Produktentwicklung, Marketing und E-Commerce. Auf diese Stationen folgte nun einer von drei Chefsesseln des Unternehmens. Innerhalb der Geschäftsführung werden die Schwerpunkte seiner Arbeit auf Organisation und strategischer Entwicklung liegen, wie das Familienunternehmen mitteilt. „Herr Schlingmann war bereits seit längerer Zeit sehr nah an der Führung dran“, so Co-Geschäftsführer Dario Rasch ergänzend. Ein Aufrücken sei da konsequent und folgerichtig. Mit der Tuchmacherstadt Bramsche, dem Sitz der Tapetenfabrik, ist Michael Schlingmann eng verbunden. Dort lebt er mit seiner Ehefrau und seinen zwei Kindern. nika

MichaelSchlingmann

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Foto:Rasch


DONNERSTAG, 28. APRIL 2022

MACHER & MÄRKTE MACHER & MÄRKTE

2 E D I TO R I A L

GELD & GESCHÄFT

NAHRUNG UND ERNÄHRUNG

3 | Helfer

9 | Bitcoin

Bei Rotpunkt Küchen nutzen Mitarbeiter seit einigen Jahren Exoskelette bei der Arbeit. Wie diese die Tätigkeiten unterstützen.

Die Kryptowährung Bitcoin ist auch mit der Region stark verbunden. In Herford gründete Oliver Flaskämper 2011 den Handelsplatz Bitcoin.de. Was seither passiert ist.

4/5 | Handel

10 | Investition

Frankreich gehört zu den wichtigsten Exportmärkten niedersächsischer Unternehmen. 500 Firmen aus der Region sind dort aktiv.

Die Emsland-Group ist der größte Produzent von Kartoffelstärke in Deutschland und weltweit die Nummer zwei. Am Standort Emlichheim wurden 30 Millionen Euro investiert.

6 | Tierfutter Die Schwarze Soldatenfliege ist ein hervorragender Proteinlieferant. Wie sie dazu beitragen kann, die stetig wachsende Bevölkerung zu ernähren.

7 | Wechsel Nach mehr als einem Vierteljahrhundert bei der IHK geht Eckhard Lammers in den Ruhestand. Was seine Nachfolgerin erwartet.

Foto: Jonas Schönrock

8 | Talente

11 | Wachstum

Was tun Unternehmen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und Mitarbeiter von sich zu überzeugen? Ein Blick auf Windel und Purplan.

Die Ingenieurgesellschaft Lindschulte hat sich bundesweit einen Namen gemacht. Die neue Firmenzentrale ist ein wichtiger Baustein für die weitere Entwicklung.

SPEZIAL

LEBEN & LEIDENSCHAFT

VEGGIE & VEGAN

15 | Wirtschaftstalk

23 | Designer

Unternehmer Christian Eckstein betreibt als Franchise-Nehmer 38 McDonald’s-Restaurants. Ein Gespräch über Fast Food und pflanzliche Burger-Alternativen.

Christian Blomenkemper hat schon für Stars von Kylie Minogue über Mickie Krause bis Comedian Mirja Boes designt. Ein Blick auf ihn und seine Arbeit.

16 | Fleischproduzent

24 | 3-D-Druck

The Family Butchers ist der zweitgrößte Produzent von Wurst- und Schinkenwaren in Deutschland. Ab Herbst soll es auch eine vegane Alternative geben.

Nicht nur Produktionsteile, auch Zahnersatz für Pferde lässt sich im 3-D-Drucker fertigen. Das Konzept dahinter hat ein Start-up aus Lohne entwickelt.

17 | Großküche

25 | Umwelt

Wie ist es, im XXL-Format fleischlos zu kochen – und wird es nachgefragt? Ein Blick auf Restaurants und Großküchen in der Region.

Der Müll, den Heißgetränke „to go“ verursachen, hat Sarah Schulte und Lara Wagemann gestört. Die Lösung: Ihr Start-up entwickelt essbare Becher.

18/19 | Grafik

26 | Perlen

Nicht jedem reicht allein der Fleischverzicht. Ein Blick auf unterschiedliche Ernährungstypen und wo sich tierische Inhaltsstoffe verstecken könnten.

Das Material Glas hat Ursula Schreck schon immer fasziniert. Die Glasmalerin entwirft und fertigt Schmuckstücke mit der Kremierungsasche von Haustieren.

20 | Social Media

27 | Schreibtisch

Die Emsländerinnen Sandra Tieben und Sonja Hessenius betreiben Blogs über vegetarische und vegane Rezepte. Ihre Tipps sind bei Laien und Profis gefragt.

Neue Arbeitsformen finden seit Beginn der Corona-Pandemie immer mehr Anhänger. Doch was zeigt eigentlich der Blick auf den Schreibtisch der Mitarbeiter?

22 | Forschung

28 | Gesichter der Wirtschaft

Das Deutsche Institut für Lebensmittelforschung und die Schweizer Firma Bühler machen beim Fleischersatz gemeinsame Sache. Ihr Ziel: Verbraucher überzeugen.

Von Meisterschulen, Botschaftern und Azubis des Jahres bis zu Erfolgen in Sachen Nachhaltigkeit hat die Wirtschaft in der Region viele Aushängeschilder.

Ein „Weiter so“ ist wahrlich keine Alternative VON BERTHOLD HAMELMANN

D

er unsägliche Krieg, den Russlands Präsident Putin gegen die Ukraine führt, bricht Völkerrecht, bringt unendliches Leid über die Bevölkerung und löst neue Flüchtlingsströme aus. Als autokratischer Präventivkrieg geführt, verdeutlicht der Konflikt einmal mehr, dass es keine globalisierten Werte gibt. Vorsicht Infektionsgefahr! Politische Systeme wie in Russland oder China fürchten Demokratie und Liberalität wie der Teufel das Weihwasser. Das ist bekannt und wurde akzeptiert. Politik folgt eigenen Regeln. Schmerzlich werden gerade erneut wie schon bei der Corona-Krise die Folgen der globalisierten Weltwirtschaft sichtbar. Nicht mehr funktionierende und in der Öffentlichkeit wenig hinterfragte Zusammenhänge lösen vordergründiges Erstaunen aus. Gerne genutzte Vorteile verkehren sich ins Gegenteil. Erdgas, Erdöl und Kohle mutieren plötzlich zu politischen Waffen. Ein komplettes Umdenken hat eingesetzt. Doktrinen geraten ins Wanken. Ein wenig Genügsamkeit und Verzicht könnten Konsequenzen sein. Das gilt auch beim komplexen Thema Nahrungsproduktion und Ernährung. Gerade ist Sonnenblumenöl Mangelware. Der Nachschub aus der Ukraine und Russland, den wichtigsten Lieferländern, fehlt. Trotz der Lücken in Kaufhausregalen besteht kein Grund zur Panik. Verbraucher können jederzeit auf andere wichtige Speiseöle wie Rapsöl umsteigen – zu höheren Preisen. In Deutschland, einem Lebensmittelexporteur von Fleisch, Weizen und Milchprodukten, droht derzeit kein Versorgungsengpass. Abhängigkeiten und wirtschaftliche Wechselbeziehungen be-

Foto:GertWestdörp

Kurz notiert GESCHÄFTSFÜHRER: Axel Gleie und Jens Wegmann CHEFREDAKTION: Ralf Geisenhanslüke (Chefredakteur), Dr. Berthold Hamelmann (Vertreter des Chefredakteurs), Burkhard Ewert (Stellvertretender Chefredakteur) KOORDINATION: Nina Kallmeier AUTOREN DIESER AUSGABE: Stella Blümke, Sebastian Hamel, Berthold Hamelmann, Finja Jaquet, Nina Kallmeier, Johannes Kleigrewe, Volker Kühn, Christoph Lützenkirchen, Hermann-Josef Mammes, Mark Otten, Jonas Schönrock, Nadine Sieker, Nina Strakeljahn REDAKTION V.i.S.d.P.: Ralf Geisenhanslüke

ANZEIGEN-/WERBEVERKAUF: MSO Medien-Service GmbH & Co. KG, Große Straße 17–19, 49074 Osnabrück, Postfach 29 80, 49019 Osnabrück, Telefon 0541 310-500, Geschäftsführer: Sven Balzer, Anzeigen-/Werbeverkauf: Sven Balzer, Ansgar Hulsmeier, Marvin Waldrich ANZEIGENANNAHME: Geschäftskunden: Telefon 0541 310-510, Telefax 0541 310-790; E-Mail: auftragsservice@mso-medien.de ANZEIGEN-/WERBEVERKAUF für Ausgabe Grafschaft Bentheim: Grafschafter Nachrichten GmbH & Co. KG, Coesfelder Hof 2, 48527 Nordhorn, Telefon 05921 707-410, Verlagsleiter: Matthias Richter (V.i.S.d.P.)

FOTOGRAFEN: Sebastian Hamel, André Havergo, Finja Jaquet, Nina Kallmeier, Christoph Lützenkirchen, Hermann-Josef Mammes, Gerold Meppelink, Jonas Schönrock, Nadine Sieker, Nina Strakeljahn, Gert Westdörp

ANZEIGENANNAHME für Ausgabe Grafschaft Bentheim: Grafschafter Nachrichten GmbH & Co. KG, Telefon 05921 707-410; E-Mail: gn.media@gn-online.de, Leitung Mediaverkauf: Jens Hartert

VERLAG: Neue Osnabrücker Zeitung GmbH & Co. KG, Postfach 42 60, 49032 Osnabrück; Breiter Gang 10–16, Große Straße 17–19, 49074 Osnabrück, Telefon 0541 310330, Telefax 0541 310-266; Internet: www.diewirtschaft.noz.de; E-Mail: diewirtschaft@ noz.de

TECHNISCHE HERSTELLUNG: Druckzentrum Osnabrück, Weiße Breite 4, Osnabrück (Ausgabe Osnabrück/Emsland); Grafschafter Nachrichten, Coesfelder Hof 2, Nordhorn (Ausgabe Grafschaft Bentheim)

Ranking: Die Harting Technologiegruppe rangiert erstmals an der Spitze des deutschen Mittelstands. Das Informationsnetzwerk „Die Deutsche Wirtschaft“ (DDW) stuft das Unternehmen in seinem jüngsten Ranking auf Platz 1 der 10000 wichtigsten Mittelständler ein. Bewertet werden von dem Rechercheteam des DDW regelmäßig mittelständische Unternehmen, die mehrheitlich im Besitz deutscher Familienunternehmen sind und bis zu einer Milliarde Umsatz erzielen. Basis des Rankings sind gut zwei Dutzend Indikatoren. Dazu gehören der Umsatz, die Zahl der Mitarbeiter, der Aufwand für Forschung und Entwicklung, ISO-Zertifizierungen, das Angebot dualer Studiengänge sowie die Zahl der Forschungskooperationen und Hochschulpartnerschaften. In allen Punkten erhielt Harting Bestbewertungen.

Hervorgehoben wird in dem DDWRanking der „beachtliche Wachstumskurs“ des Global Players. Auszeichnung: Die Academy des Lengericher Maschinenbauers Windmöller & Hölscher (W&H) erhält zum fünften Mal in Folge vom Magazin „Focus“ die Auszeichnung als einer der besten Ausbildungsbetriebe Deutschlands. W&H erreicht dabei Platz 24 unter den großen Unternehmen im Branchenranking für den MaschinenundAnlagenbau.DieBewertungergibt sich aus dem Social Listening und der Auswertung von Fragebögen. Aktuell beschäftigt W&H 61 Auszubildende, darunter 15 duale Studenten, in sieben Ausbildungsberufen und fünf Studiengängen. Im letzten Jahr schloss ein Absolvent als Landesbester NRW im BerufTechnischerSystemplanerab,sechs

reiten dennoch Sorgen. Angesichts der unkalkulierbaren Entwicklung beim Erdgas sind etwa Ernteeinbußen möglich: Die Kosten für Erdgas, das zur Herstellung von Stickstoffdünger benötigt wird, explodieren. Das Produkt wird für Bauern fast zum Luxusgut. Erschwerend kommt hinzu, dass allein Russland 15 Prozent der weltweit gehandelten Stickstoffdüngemittel liefert. Ähnlich verhält es sich bei Futtermitteln. Die Nutztierhalter befinden sich im Krisenmodus. Die Preisspirale dreht sich in schwindelerregender Geschwindigkeit. Alternative Produkte stehen hoch im Kurs, sind aber nur begrenzt verfügbar. Vegetarische oder vegane Ernährung rücken als Themen nicht nur aus gesundheitlichen Überlegungen noch stärker in den Vordergrund. Wird sich unser Konsumverhalten krisenbedingt verändern? Nach Meinung von Bundesgesundheitsminister Lauterbach, einem überzeugten Vegetarier, kann man sich eine auf Fleisch basierende Ernährung nicht mehr leisten. Sie erzeuge zu viel Methan und CO2 und gefährde das Erreichen der Klimaziele. Steht damit ein Strukturwandel in Niedersachsen bevor? Immerhin 72 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe halten Tiere, vor allem Schweine und Milchvieh. Zwei Drittel der Masthühner stammen aus Niedersachsen. Vergleichsweise gut aufgestellt waren bis zur Corona-Krise und dem Ukraine-Konflikt Industriebetriebe wie die Grimme Landmaschinenfabrik, Krone, Kotte, Dammann und die Amazonen-Werke mit ihren Maschinen zur Bodenbearbeitung, zur Gemüse- und Getreidetechnik und für Transportzwecke. Ihre Erfolge und Innovationen geben die Richtung vor: Ein „Weiter so“ war noch nie eine Alternative.

weitere erreichten eine Abschlussnote mit Einser-Durchschnitt. Neubau: Die Osnabrücker HBBNGruppe feiert in diesem Jahr ihr 30jähriges Unternehmensjubiläum. Am 1. März 1992 gründete der Osnabrücker Karl-Heinz Herden die Steuerberatungs-/Wirtschaftsprüfungs- und Rechtsanwaltsgesellschaft. Mittlerweile gehören drei Gesellschaften an zwei Standorten mit rund 120 Mitarbeitern und zwölf Geschäftsführern dazu. Durch das fortlaufende Wachstum ist der aktuelle Standort an der Lengericher Landstraße jedoch zu klein geworden. „Wir haben uns daher entschieden, dass es nach 30 Jahren Zeit wird für den Umzug in einen größeren, moderneren Neubau – nur knapp zwei Kilometer entfernt in der Hans-Wunderlich-Straße“, so Herden.

Bleiben Sie immer informiert Über unseren Wirtschaftsnewsletter erhalten Sie auch zwischen den Ausgaben von „Die Wirtschaft“ einmal in der Woche einen Einblick in die regionale Wirtschaft in Osnabrück, Emsland und der Grafschaft Bentheim. Außerdem gibt es Wissenswertes zu allgemeinen Wirtschaftstrends mit dem Newsletter direkt per Mail. Die Anmeldung erfolgt kostenfrei über www.noz.de/ww. Die nächste „Die Wirtschaft“ erscheint am Donnerstag, 30. Juni 2022. Anzeigenschluss für diese Ausgabe ist Freitag, 10. Juni 2022. Weitere Informationen finden Sie im Internet unter der Adresse www.noz.de/wirtschaft.


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DONNERSTAG, 28. APRIL 2022

MACHER & MÄRKTE

Ein Rucksack, der bei der Arbeit hilft Exoskelette finden in der Industrie immer weitere Verbreitung / Unterstützung für Wirbelsäule und Muskeln

VON NADINE SIEKER BÜNDE Umgeben von gestapelten Schränken, steht Ajdar Amiti im schwarzen Poloshirt und mit roter Arbeitshose in der Produktionshalle der Firma Rotpunkt Küchen in Bünde. Der 48-Jährige stellt die Möbel für die Verladung zusammen. Schrank für Schrank hebt er täglich vom Band. Er stellt die Möbel auf dem Boden ab oder stapelt sie übereinander. Es ist eine körperlich anstrengende Arbeit. Seit knapp drei Jahren fällt sie ihm leichter: Amiti ist einer der Mitarbeiter, die im Frühjahr 2019 damit begonnen haben, Exoskelette auszuprobieren. Exoskelette sind eine mechanische Stütze für den Körper. Angetrieben durch eine Spezialfeder, unterstützen beziehungsweise verstärken sie die Bewegungen des Trägers. Zuerst wurden sie in der Automobilindustrie eingesetzt. In anderen Branchen sind sie noch relativ neu. In der Möbelbranche gehört Rotpunkt Küchen laut Betriebsratschef Tim Leese zu den Vorreitern. „Wir haben mit fünf Exoskeletten begonnen, inzwischen haben wir 18 im Einsatz“, sagt Leese. In keinem anderen Werk gibt es so viele im Vergleich zur Mitarbeiterzahl. 330 Menschen arbeiten an den beiden Firmenstandorten in Bünde und Preußisch Oldendorf. Offizielle Statistiken, in wie vielen Unternehmen Exoskelette eingesetzt werden, gibt es laut Sascha Wischniewski, Leiter der Fachgruppe Human Factors an der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, nicht. Doch es werden immer mehr. Die Nachfrage sei in der letzten Zeit stark gestiegen, sagt Klaus Westhoff, Geschäftsführer der Firma BGPM Forum, die sich um betriebliches Gesundheits- und Personalmanagement kümmert und auch mit Rotpunkt Küchen zusammenarbeitet. Dort werden Exoskelette von Mitarbeitern an Arbeitsplätzen genutzt, an denen die körperliche Belastung hoch ist und wo es keine andere Entlastungsmöglichkeit

SpürteineangenehmeUnterstützungdurch dasTragen einesExoskeletts: MichaelCaspelherr,Mitarbeiter beiRotpunkt KüchenimBereichSonderanfertigung.

gibt: in der Frontenkommissionierung, wo täglich viele Kilogramm an Fronten bewegt werden, bei körperlich einseitigen Tätigkeiten an Maschinen oder wenn Möbel auf Lkw verladen werden müssen, der körperlich schwersten Arbeit. Mit den 18 Exoskeletten komme man deshalb derzeit gut aus, wie Leese sagt. Eine Tragepflicht gebe es nicht, allerdings würden sie jedem, für den es infrage kommt, angeboten. Ein Exoskelett kostet etwa 5000 Euro.

ZUR SACHE: ROTPUNKT KÜCHEN Rotpunkt Küchen ist aus der 1930 gegründeten Kistenfabrik Rabe & Meyer entstanden. Heute arbeiten an den beiden Unternehmensstandorten in Bünde und Preußisch Oldendorf (Vorfertigung) rund 330 Mitarbeiter.

ZieheneinepositiveBilanzdesEinsatzesvonExoskeletten:RotpunktKüchen-FirmensprecherHendrik Fischer (links) und Betriebsratschef TimLeese.

Im vergangenen Jahr konnte das Unternehmen den Umsatz nach eigenen Angaben um 19 Prozent auf 87 Millionen Euro steigern. Der Großteil der Küchen – rund 80 Prozent – wird exportiert. Rotpunkt Küchen plant

derzeit, den Standort in Bünde auszubauen. Entstehen soll dort ein großes Fertigungslager. Die Arbeiten könnten noch in diesem Jahr beginnen. Wenn die neuen Hallen stehen, soll die Produktion neu organisiert werden.

Mittlerweile sei die Akzeptanz der Exoskelette groß, so Leese. Doch nicht jeder wolle eines tragen. Leese gibt zu: Anfangs gab es bei vielen Kollegen Bedenken. Da sei die Angst gewesen, von anderen belächelt zu werden, und die Angst vor dem Unbekannten. Außerdem sei das Exoskelett etwas sperrig. Dennoch seien einige Mitarbeiter bereit gewesen, sie auszuprobieren. Neben Amiti gehört dazu auch Johann Krispin, der im Frontenlager Holztüren vom Vorlieferanten einlagert und sie für die Weiterverarbeitung zusammenstellt. Heißt: Er hebt eine Front nach der anderen vom Gabelstapler und hievt sie in das entsprechende Regal – oder andersrum. Krispin habe direkt zugestimmt, als er hörte, dass ihn das Exoskelett entlasten soll. „Ich will ja fit bleiben“, sagt der 34-Jährige, der bereits Rückenprobleme gehabt habe. „Die Arbeit merkt man nach ein paar Jahren in den Schultern.“ Anfangs habe er das Exoskelett als „sehr unangenehm“ empfunden, sagt er. „Man ist breiter damit, ich habe öfter andere Kollegen ange-

stoßen.“ Mittlerweile trägt Krispin das Exoskelett regelmäßig. „Wenn ich es ausziehe, merke ich, dass ich den Rücken auch weiter gerade halte.“ Durch eine längenverstellbare Stütze der kompletten Wirbelsäule aus Carbon sorgt das Exoskelett für die richtige Körperhaltung, die Wirbelsäule wird passiv entlastet, die Muskulatur bleibt hingegen aktiv. Spannfedern im Schulterbereich, die auf Bewegungsimpulse reagieren, unterstützen bei Hebetätigkeiten – je nachdem, welche Stufe der Träger auswählt, stärker oder weniger stark. Zu Beginn wog ein Exoskelett knapp vier Kilo. Dank der Erfahrung, die bei Rotpunkt Küchen mit ihnen gesammelt wurde, habe der Hersteller sie weiterentwickelt, so Leese. Die neuen Modelle wiegen nur noch 2,9 Kilo. Getragen wird das Exoskelett wie ein Rucksack. Mit etwas Übung und gegebenenfalls Hilfe von einem Kollegen ist es in knapp zwei Minuten an- oder ausgezogen. Im Sommer gibt es Kühlwesten damit es dem Träger nicht zu warm wird. Klaus Westhoff begleitet das Projekt von Anfang an als externer Berater des betrieblichen Gesundheitsmanagements. Den Anstoß dazu habe der damalige Betriebsratsvorsitzende gegeben, sagt er. Zusammen mit einer Kollegin habe er die Mitarbeiter eingewiesen und die richtige Anwendung trainiert. Einmal in der Woche ist jemand aus seinem Team nun noch im Unternehmen, um die Mitarbeiter mit den Exoskeletten zu unterstützen. „Die Erfahrung hat gezeigt, dass man das Produkt nicht nur erwirbt und den Mitarbeitern gibt. Man muss die Leute darauf vorbereiten und erklären, wo der medizinische Nutzen ist“, sagt er. Zum Teil seien die Exoskelette personalisiert, teilweise teilten sich Kollegen eines. Zwar brauche es eine gewisse Konstanz, um sich mit dem Gerät zu arrangieren. Aber

Fotos:NadineSieker

ZUR SACHE: FÖRDERUNG BEIM KAUF VON EXOSKELETTEN In der Region Osnabrück sammeln laut der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Osnabrücker Land (Wigos) vereinzelte Unternehmen erste Erfahrungen mit Exoskeletten. „Wir beobachten die Entwicklung gespannt und sehen durch den

Einsatz der Hilfsmittel große Chancen für die Mitarbeiterbindung und das Gesundheitsmanagement in den Unternehmen“, sagt André Schulenberg vom WigosUnternehmensservice. Für die Anschaffung von Exoskeletten können

man „zieht es auch nicht an und trägt es dann die ganze Woche durch“, sagt Leese. Etwa drei Stunden am Tag nutzt Michael Caspelherr das Exoskelett. In der Sonderanfertigung bekantet er verschiedene Teile – eine körperlich sehr einseitige Arbeit. Der 53-Jährige ist froh über die Unterstützung. „Es ist sehr angenehm, und ich habe weniger Rückenschmerzen“, sagt er. Die Geschäftsführung lege Wert auf die Gesundheit der Mitarbeiter,

„Es ist sehr angenehm, und ich habe weniger Schmerzen im Rücken.“ Michael Caspelherr, Mitarbeiter bei Rotpunkt Küchen

Unternehmen unter Umständen eine Förderung aus dem Innovations-Investitionsprogramm „INNO-OS“ des Landkreises Osnabrück erhalten. Schulenberg zufolge unterstützt der Wigos-Unternehmensservice Unternehmen dabei.

wie Unternehmenssprecher Hendrik Fischer betont. Die Exoskelette seien nur ein Baustein des betrieblichen Gesundheitsmanagements und um die körperliche Belastung zu reduzieren. „Sie sind nicht das Nonplusultra. Nur mit Exos ist uns nicht geholfen“, sagt er. Diesen Ansatz würde Sascha Wischniewski wohl gutheißen. Er sieht Exoskelette zwar als eine innovative Technologie mit einer Daseinsberechtigung. „Sie sollten aber nicht das erste Mittel der Wahl sein.“ Zunächst sollte überprüft werden, ob es technische oder organisatorische Alternativen gibt, mit denen die Arbeit erleichtert werden könnte. Schließlich wird das Exoskelett direkt am Körper getragen. Zwar haben erste Laboruntersuchungen gezeigt, dass gewisse Muskelgruppen entlastet werden, wenn man das Exoskelett mehrere Stunden benutzt. Doch es fehlten auch im Hinblick auf mögliche Gefahren noch Langzeitstudien. Eines ist Betriebsrat Leese noch wichtig: Die Exoskelette seien nicht dafür da, dass die Mitarbeiter mehr schaffen sollten. Leese betont, dass es darum gehe, die körperliche Belastung zu reduzieren: „Wie sagte ein Kollege so schön: Ich fühle mich damit nach 7,5 Stunden so, als hätte ich nur fünf Stunden gearbeitet.“


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DONNERSTAG, 28. APRIL 2022

MACHER & MÄRKTE

MACHER & MÄRKTE

Läuft Frankreich als Exportmarkt Großbritannien bald den Rang ab?

Deutschland ist wichtigster ausländischer Investor in Frankreich 3000 Unternehmen im Nachbarland aktiv

Außenhandel mit Frankreich eine verlässliche Bank in Pandemie und Krisen VON NINA KALLMEIER

Fast 500 regionale Unternehmen in Frankreich aktiv. Firmen schätzen Beständigkeit der Geschäftsbeziehungen. Krone und Hellmann mit weiteren Wachstumsplänen. VON NINA KALLMEIER OSNABRÜCK/MEPPEN/LINGEN/ PAPENBURG/NORDHORN Unterbro-

chene Lieferketten, Materialengpässe, hohe Kosten – Unternehmen in der Region haben angesichts der Auswirkungen von Pandemie und Krieg mit vielen Herausforderungen zu kämpfen. Ein Resultat: „Wir beobachten bei vielen Unternehmen einen deutlich stärkeren Fokus auf die Nachbarmärkte in der EU“, sagt Tilman Brunner, Außenwirtschaftsexperte der Industrie- und Handelskammer Niedersachsen. Insbesondere das Geschäft außerhalb Europas sei unter anderem aufgrund von Reiseeinschränkungen für Mitarbeiter und brüchige Lieferketten in den vergangenen Jahren belastet gewesen, so Brunner. Durch den Ukraine-Krieg kämen weitere Störungen der Lieferketten hinzu, die noch nicht in vollem Ausmaß abzuschätzen seien. „In solchen Krisen-

Markt in den vergangenen Jahren sehr erfreulich entwickelt und konnte seine Position als Nummer 2 unter den Exportmärkten festigen“, teilt das Unternehmen aus dem Emsland mit. Im Nutzfahrzeugbereich zähle das Nachbarland – ähnlich wie Polen, Italien und Spanien – zu den vier wichtigsten internationalen Märkten. Erst seit sechs Jahren hat das Familienunternehmen Krone eine eigene französische Tochtergesellschaft. Der Standort der Bernard Krone France SAS liegt in St. Arnoult-en-Yvelines, etwa 50 Kilometer südlich von Paris. Im Bereich Landtechnik beschäftigt Krone in Frankreich aktuell 49 Mitarbeitende, im Bereich Trailer sind es 20. Das Unternehmen aus dem Emsland hat jedoch nicht erst mit der Gründung der Tochtergesellschaft mit der Erschließung des französischen Marktes begonnen. Zuvor hatte Krone im Bereich Landtechnik viele Jahre mit den Amazonen-Werken aus Hasbergen kooperiert. „Da aber in beiden Unternehmen die Landmaschinen technisch immer komplexer wurden, waren insbesondere Themen wie Schulungen und Service nicht mehr aus einer Hand abzubilden“, erklärt Krone die Entscheidung für eine eigene Gesellschaft auf beiden Seiten. „Diese Strategie – noch näher an den Kunden zu

zeiten suchen auch Unternehmen erst einmal nach Verlässlichkeit, und die finden sie am ehesten innerhalb der EU“, sagt der Außenwirtschaftsexperte. Und das unter anderem im Nachbarland Frankreich. Insgesamt 479 Firmen im Bezirk der Industrie- und Handelskammer Osnabrück – Emsland – Grafschaft Bentheim sind dort wirtschaftlich aktiv, für die meisten von ihnen ist Frankreich vor allem ein Exportmarkt. 22 Unternehmen haben jedoch auch eigene Niederlassungen, zwölf eine Produktionsstätte. Zu diesen Firmen zählt der Hersteller von Landtechnik und Nutzfahrzeugen Krone. „Im Bereich Landtechnik hat sich der französische

„In solchen Krisenzeiten suchen auch Unternehmen erst einmal nach Verlässlichkeit.“ Tilman Brunner, Außenwirtschaftsexperte IHK Niedersachsen

Niedersachsens Außenhandel mit Frankreich Angaben in Mrd. Euro 6,53

Ausfuhr

Einfuhr 6,48

6,27

6,07

5,66

3,89

2017

4,05

2018

3,92

2019

3,97

3,43

2020

2021

Quelle: Statistisches Bundesamt · Grafik: Matthias Michel

Grafik: Colourbox.de, Matthias Michel

rücken – hat sich bislang für beide Unternehmen positiv ausgewirkt.“ Für Krone bedeutet das: Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen im Bereich Landtechnik in Frankreich rund 83 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet. Und auch im Bereich Nutzfahrzeuge ist Krone im Nachbarland erfolgreich. Hier habe man ebenfalls seit rund einem Jahrzehnt den Ausbau von eigenen Tochtergesellschaften in ganz Europa forciert. „Auch hier sehen wir in allen Ländern, dass das der richtige Weg ist“, so Krone. In Frankreich belief sich der Umsatz hier 2021 auf 54 Millionen Euro. Niedersachsenweit lag das Handelsvolumen mit Frankreich bei rund zehn Milliarden Euro, wobei Unternehmen traditionell höhere Warenwerte exportieren als importieren, wie die Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen. Kfz und deren Teile, Nahrungs- und Futtermittel, Maschinen und Anlagen – insbesondere Branchen, in denen Niedersachsen

insgesamt gut aufgestellt ist, liegen bei den Ausfuhren weit vorne. Andersherum liefert Frankreich nach Niedersachsen vor allem chemische Erzeugnisse, Kfz und Teile sowie Maschinen und Anlagen. Einen Teil dieser Waren transportiert der Osnabrücker Logistikdienstleister Hellmann Worldwide Logistics. Das Unternehmen hat im Nachbarland mittlerweile vier eigene Standorte aufgebaut. Ähnlich wie Krone hat es jedoch auch Hellmann vergleichsweise spät mit einer eigenen Niederlassung nach Frankreich gezogen. Während die erste eigene asiatische Niederlassung 1982 in Hongkong eröffnete, kam die erste Luftund Seefrachtniederlassung in der Nähe des Flughafens Charles-deGaulles (Paris) in Frankreich erst 2019 hinzu. Tätig war Hellmann dennoch: „Frankreich ist die zweitgrößte Volkswirtschaft in Europa und für uns ein strategisch wichtiger Markt.

Wir waren dort 28 Jahre lang über unseren französischen Partner Heppner vertreten“, erklärt Jens Tarnowski, Regional CEO Europe, die Hintergründe. Das Ende der Zusammenarbeit habe Hellmann die Möglichkeit gegeben, die eigene Marke in Frankreich als Teil des globalen Partnernetzwerkes zu etablieren. Da Frankreich nach Deutschland

„Frankreich wird ein stabiler Absatzmarkt für Krone Landtechnik bleiben.“ Krone-Gruppe

Stilvolle Akzente bis ins Detail

der zweitgrößte Logistikmarkt in Europa ist, sei es strategisch wichtig, dort selbst vertreten zu sein, betont Tarnowski. „Wir haben uns für eine Neugründung statt Übernahme eines bestehenden Unternehmens entschieden, um schnell und nachhaltig unsere eigenen Aktivitäten entwickeln zu können. Die organische Erschließung eines Marktes ist zwar aufwendiger, langfristig aber der richtige Weg, um mit einem eigenen Kundenportfolio zu wachsen“, sagt er. Der Fokus habe zunächst auf multinationalen Kunden aus der Pharma-, Automotive- und Fashionindustrie gelegen. „Auf dieser Basis wollen wir jetzt in den bestehenden Bereichen schnell und nachhaltig weiterwachsen“, gibt der CEO Europe das Ziel aus. Auch bei Krone ist man zuversichtlich, dass das Unternehmen sowohl im Bereich Landtechnik als auch im Bereich Nutzfahrzeuge weitere Marktanteile hinzugewinnen kann. „Frankreich wird ein stabiler Absatzmarkt für Krone Landtechnik bleiben; zum einen wegen seiner vielen Dauergrünland-Gebiete, aber auch wegen der Professionalisierung der Milcherzeugung im Nordwesten“, heißt es aus Spelle. Insbesondere in dieser Region seien zudem die Bedingungen für den Anbau von Mais günstig, wodurch sich weitere Möglichkeiten für Landmaschinen des Familienunternehmens ergeben würden.

Und den Markt für Nutzfahrzeuge in Frankreich bewertet Krone aufgrund seiner durch viele kleine und mittlere Transport- und Speditionsunternehmen geprägte Struktur sowie die eher nationale Prägung als weniger krisenanfällig. „Insofern können wir von einer stabilen Auftragslage sprechen, die in der heutigen Zeit als sehr wertvoll zu betrachten ist“, teilt das Unternehmen mit. Daher sei und bleibe Frankreich für Krone ein wichtiger Markt. „Wachstumspotenzial sehen wir neben dem Neuwagengeschäft natürlich auch im Bereich unserer Serviceleistungen wie Spare Parts, spezielle ServicePakete usw. sowie rund um die

„Unser Ziel ist es, bis 2024 eine flächendeckende Struktur zu etablieren.“ Jens Tarnowski, CEO Europe Hellmann Worldwide Logistics

Themen Trailer-Digitalisierung und -Telematik.“ Aus Sicht des Logistikdienstleisters Hellmann ist der französische Markt aufgrund seiner Struktur jedoch auch „nicht ganz einfach zu bespielen“, sagt Jens Tarnowski. Wenngleich der französischen Markt mit Blick auf die Wirtschaftskraft hohes Potenzial habe. „Unser Ziel ist es, bis 2024 eine flächendeckende Struktur zu etablieren. Denn ,business is local‘. Das heißt, wir planen, in den kommenden Jahren ein bis zwei neue Standorte jährlich aufzuschalten“, stellt Tarnowski in Aussicht. Insbesondere in der Kontraktlogistik sieht der Hellmann-Manager in den nächsten Jahren große Wachstumschancen. Und der niedersächsische Handel insgesamt? „Frankreich ist bei den Exportmärkten für niedersächsische Unternehmen traditionell unter den Top 3, derzeit hinter den Niederlanden und Großbritannien“, sagt Außenwirtschaftsexperte Tilman Brunner. Insbesondere die große Beständigkeit – viele Beziehungen bestünden schon seit langer Zeit – würden die niedersächsischen Unternehmen schätzen. „Gleichzeitig ist Frankreich aber auch ein Markt, der Kreativität liebt und so auch für innovative Neueinsteiger gute Chancen bietet“, so Brunner weiter. „Perspektivisch erwarten wir, dass Frankreich sehr bald Großbritannien bei den niedersächsischen Exporten den Rang ablaufen wird, da der Neueinstieg im Vereinigten Königreich durch den Brexit etwas schwerer geworden ist.“

DerSpellerLandtechnik-HerstellerKroneisteinesvon fast 500 UnternehmenausderRegion,die wirtschaftlichin Frankreichaktivsind.

Foto: Krone

OSNABRÜCK/MEPPEN/LINGEN/

Marktgröße, Infrastruktur, Ausbildung der Ingenieure, Steuervergünstigungen für Forschung (CIR) und insbesondere Innovation und Kreativität – all das schätzen deutschen Unternehmen an Frankreich. Entsprechend hoch fallen Investitionen hiesiger Firmen im Nachbarland aus. Mit fast 300 Projekten war Deutschland im vergangenen Jahr der wichtigste ausländische Investor in Frankreich – vor den USA (247 Projekte) und Großbritannien (151 Projekte). Zusammen stehen die drei Länder damit für fast die Hälfte aller Investitionsprojekte im vergangenen Jahr, von denen Business France etwa 1600 verzeichnete. Die Investitionen kommen nicht von ungefähr. Frankreich ist für hiesige Firmen traditionell ein ertragreicher Markt. Wie eine Umfrage der Wirtschaftsprüfer EY im Auftrag der Deutsch-Französischen Handelskammer zeigt, bewerteten 92 Prozent der befragten deutschen Firmen ihren Umsatz vor Beginn der CoronaPandemie als zufriedenstellend oder gut – das waren mehr als noch 2018. Und: Mehr als ein Drittel erwarteten zu 2022 beziehungsweise 2024 eine Umsatzsteigerung, die mit einer Erhöhung des Personalbestands und der Investitionen einhergehen sollte. Und nicht nur mit den Umsätzen waren hiesige Unternehmen zufrieden: Vor der Pandemie gaben 45 Prozent der Befragten an, dass sie einen Anstieg ihrer Gewinne verzeichneten. Wie überall in der Welt kamen deutsche Firmen in der Corona-Krise auch an einem Dämpfer ihrer Geschäfte in Frankreich nicht vorbei. 90 Prozent der Befragten meldeten einen Umsatzrückgang. Für 46 Prozent von ihnen wird der Rückgang im Jahr 2020 auf mehr als 20 Prozent geschätzt. Allerdings tut das der Bedeutung des Auslandsmarktes für Unternehmen aus Deutschland keinen Abbruch. Und trotz verschiedener Ereignisse im Nachbarland wie der Gelbwesten-Proteste ist Frankreich für deutsche Unternehmen heute attraktiver denn je. Das hat auch mit einem Faktor zu tun, der erst in ein paar Jahren voll zur Geltung kommen wird. Der EY-Umfrage zufolge sehen Geschäftsführer einen Zukunftsschwerpunkt, der Frankreich von Deutschland unterscheidet: die Demografie. Im Jahr 2018 betrug die Geburtenrate in Frankreich dem Nationalen Institut für demografische Studien und Eurostat zufolge etwa PAPENBURG/NORDHORN

Deutsche Firmen in Frankreich beschäftigen rund 325 000 Mitarbeiter.

1,84 Kinder pro Frau, in Deutschland waren es nur 1,57 Kinder pro Frau. Das ist jedoch Zukunftsmusik. Dass der Markt nach der Pandemie zu alter Stärke zurückfindet, zeigt auch bereits der Anstieg der Investitionen im vergangenen Jahr. Im Vergleich zu 2020 sind sie der Außenhandelskammer zufolge um 48 Prozent gestiegen. Dabei konzentrierten sich die Investitionen aus Deutschland vor allem auf zwei Bereiche: die Industrie und den Handel. Der Deutsch-Französischen Industrie- und Handelskammer zufolge sind von den fast 300 Projekten 28 Prozent industrielle Produktionsstätten. 27 Prozent können dem Handelssektor zugeordnet werden. Transport und Logistik spielten im vergangenen Jahr eine eher untergeordnete Rolle und sorgten für 9 Prozent der Investitionen. Besonders beliebt bei deutschen Unternehmen waren die Regionen Ile-de-France (46 Projekte), Grand Est (48 Projekte) und AuvergneRhône-Alpes (39 Projekte). Und die Investitionen schaffen auch Arbeitsplätze: Von den rund 45 000 Jobs, die Business France zufolge im vergangenen Jahr in Frankreich entstehenden sind, entfallen mehr als 8000 auf Unternehmen aus Deutschland. Die Deutsch-Französische Industrie- und Handelskammer und Business France schätzen, dass es in Frankreich mehr als 2500 deutsche Unternehmen gibt. Insgesamt beschäftigen sie rund 325 000 Mitarbeiter. Die Banque de France geht von einem deutschen Kapitalstock von 86 Milliarden Euro aus.

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DONNERSTAG, 28. APRIL 2022

MACHER & MÄRKTE

Sichern Larven die Welternährung? Regionale Unternehmen setzen auf die Schwarze Soldatenfliege / Nachhaltige Produkte vor wirtschaftlichem Durchbruch

VON BERTHOLD HAMELMANN OSNABRÜCK Hermetia illucens, die Schwarze Soldatenfliege, besitzt einen breiten Kopf und einen langen, schmalen Körper. Sie fliegt nicht einmal besonders schnell. Die Männchen werden bis zu 14 mm, die Weibchen bis zu 17 mm groß. Alles recht unspektakulär. Und doch erzeugt diese Insektenart inzwischen eine Aufbruchsstimmung. Genauer gesagt, sind es die Larven, die den ökologischen oder ökonomischen Pulsschlag vieler anregen. Als hervorragende Proteinlieferanten können sie dazu beitragen, die stetig wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Verarbeitet etwa zu Tierfutter für Schweine, Hühner oder Fische, stellen die Larven eine Option dar. Daneben sind sie Rohstoff für weitere Industrieprodukte, etwa als separiertes Fett als Ersatz für Palmoder Fischöl. Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen: Geforscht, getestet und im kleinen Rahmen produziert wurde seit Jahrzehnten. Jetzt scheint der industrielle Durchbruch bevorzustehen. Denn die Wirtschaftlichkeit ist kein Wunschtraum mehr. Nachhaltigkeit kann sich angesichts neuer Rahmenbedingungen rechnen. Ganz vorne mit dabei sind Unternehmen aus der Region. Nutztiere, die auf dem menschlichen Speiseplan stehen, benötigen Proteine im Futter. Häufig erfolgt das über ein Beimischen von Soja oder Fischmehl. 2020 wurden fast 3,9 Millionen Tonnen Sojabohnen überwiegend aus Nord- und Südamerika nach Deutschland importiert. Zur weiteren Einschätzung: 2019 wurden 31 Millionen Tonnen Sojabohnen und Sojaschrot in die Europäische Union verschifft. Ohne diese Importe wäre die Erzeugung tierischer Lebensmittel auf dem derzeitigen Niveau nicht möglich. Denn Europa produziert zu wenig eiweißreiche Futterpflanzen, um die großen Nutztierbestände ernähren zu können. Die Kritik an dieser Praxis gewinnt immer mehr an Schärfe: Die Zerstörung von Wäldern zugunsten von Soja-Anbauflächen vor allem in Brasilien, Paraguay und Uruguay oder der hohe CO2-Ausstoß bei langen Transportwegen sind für viele längst nicht mehr akzeptierbar. Gleiches gilt für Fischmehl als Eiweißlieferant für Tierfutter. Hauptproduzenten sind hier Chile und Peru. Die damit einhergehenden Probleme der Überfischung haben längst das ökologische Gleichgewicht der Meere ins Wanken gebracht. Die winzige Fliege und ihre Larven wecken riesige Erwartungen und Hoffnungen. Hermetia illucens also ein Heilsbringer? Ihre Eigenschaften qualifizieren sie als nachhaltige Alternative zur konventionellen Beimischung von Soja oder Fischmehl. Hier werden sprichwörtlich mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Die benötigten Produktionsanlagen kommen mit geringen Flächen aus. „Eine Tonne SchwarzeSoldatenfliegen-Larven lebt auf

DieSchwarze Soldatenfliege stammtvermutlich ausSüdamerika. Sieistheutefast weltweit verbreitet. IhreLarvensindals biologische Allesfresser und hochwertige Proteinlieferanten seit Langem im Fokusder Wissenschaft. Foto: dpa/A.Detert

einem Raum, der nur so groß ist wie der Innenraum eines Smart“, verdeutlicht ein Hersteller. Die Fliege selbst lebt nur wenige Tage, kommt ihrer Aufgabe zur Reproduktion aber vorbildlich nach: Das Insekt legt oft weit über 500 Eier. Als wahrer Nimmersatt ernährt sich die Fliegenlarve von biologischen Abfällen, die in unserer Wegwerfgesellschaft in Hülle und Fülle zur Verfügung stehen. Die Larven wandeln diese Nahrung in hochwertiges Protein um – eine Verwertungschance für Lebensmittelreste, die sonst auf Deponien, Komposthaufen oder Biogasanlagen landen. In rund zwei Wochen wachsen die „Resteverwerter“ um das 15 000-Fache. Und kommen im Gegensatz zu Nutztieren fast ganz ohne Wasser aus – die Feuchtigkeit im Futter reicht ihnen. Womit eines der zentralen weltweiten Probleme, die Verfügbarkeit von Wasser, ganz nebenbei eher eine untergeordnete Rolle spielt. Die Schwarze Soldatenfliege regelrecht ins Herz geschlossen hat Dirk Wessendorf, Geschäftsführer der „Illucens“ im westfälischen Alstätte (Landkreis Borken). Der 50-jährige Bauingenieur beschäftigt sich seit zwölf Jahren mit der Zucht von Fliegen und Larven. Ungefähr zehn Kilometer nordwestlich von Ahaus, direkt an der niederländischen Grenze, steht – von der Öffentlichkeit überhaupt nicht wahrgenommen – die hochmoderne, voll automatisierte Produktionsanlage in den Hallen einer ehemaligen Textilfirma. Vier Patente hat Wessendorf inzwischen für die Bereiche Verarbeitung und Mast angemeldet. Seit 2018 ein Investor einstieg, wird ernsthaft produziert. Nach Ausbauende sollen in der Alstätter Anlage jährlich 5000 Tonnen an Fertigprodukten hergestellt werden. Die besten Ideen versanden, wenn kein wirtschaftliches Konzept vorliegt. Ein Baustein ist die strategische Partnerschaft zwischen der Illucens GmbH und der Agravis Raiffeisen AG (Münster), einem Agrarhandels- und Dienstleistungsunternehmen mit rund 6,4 Milliarden Euro Umsatz. Der Mischfutterhersteller fühlt sich aufgrund seiner genossenschaftlichen Strukturen in besonderem Maß der Landwirtschaft verpflichtet, die händeringend nach neuen wirtschaftlichen Perspektiven sucht. „Das verarbeitete Mehl von Larven der Schwarzen Soldatenfliege kann in Spezialfuttermitteln als nachhaltig erzeugter Proteinersatz eingesetzt werden“, verdeutlicht Michael Ermann, Agravis-Produktmanager. Die Veredelungswirtschaft als gigantischer Absatzmarkt? Wird aus einem Schweine- ein Larvenmäster? Ermann ist über das Echo dieser Idee erstaunt. Gerade junge, zukunftsorientierte Landwirte bekundeten starkes Interesse. Konkret seien zwei Betriebe in der Umsetzungsphase einer Larvenmastanlage. Die gehandelte Menge Hermetia-Mehl werde von dem Heimtier- und Aquakulturmarkt stark nachgefragt. Noch sei die

Ökologischanspruchslos undauch deshalb sehrgefragt: DieLarvenderSchwarzenSoldatenfliegewandelnorganischeReststoffein hochwertigesEiweiß um.

Komponente im klassischen Nutztierfutter nicht wirtschaftlich, Ein Grund: Erst im September 2021 wurde in Deutschland verarbeitetes tierisches Insektenprotein beim Schweine- und Geflügelfutter neu zugelassen. „Konkrete Umsatzziele haben wir noch nicht“, sagt Ermann. Im ersten Schritt gehe es in dem Projekt „auch um die Validierung eines Geschäftsmodells“. Was den Satz von Illucens-Geschäftsführer Dirk Wessendorf erklärt: „Unser Tier ist das moderne Schwein.“ Dem Gedanken der Nachhaltigkeit und Ökologie verpflichtet, hat er eine mögliche deutschlandweite Umsetzung seiner Vision längst konkretisiert: In einem auf etwa 35 Kilometer begrenzten Einzugsbereich produzieren Landwirte Larven, die zur Weiterverarbeitung an einen nahen Produktionsstandort gebracht werden. Kurze Transportwege, Kostenvorteile und eine gleichbleibende Qualität unterstützen die Idee, mit heimisch erzeugten Futtermitteln den Eiweißbedarf in der Tierernährung zumindest teilweise zu decken.

Entsprechend weniger Soja müsse importiert werden, der Regenwald werde geschont. Es sei nachhaltiger und gleichzeitig auch günstiger, Insekten- statt Schweineprotein herzustellen. Konkret: Würde eine Grillwurst unter Verwendung von Insektenmehl (nach noch ausstehender gesetzlicher Zulassung) erzeugt, müsste der Verbraucher weniger zahlen als für eine reine Schweinefleischwurst, hätte aber ein qualitativ mindestens ebenbürtiges Nahrungsmittel auf dem Teller. Die Schwarze Soldatenfliege beflügelt auch Big Dutchman. Das in Vechta beheimatete Unternehmen, nach eigenen Angaben weltweiter Marktführer für Geflügel- und Schweinestalleinrichtungen, sieht in der Insektenzucht einen neuen Markt, der als eigene Branche im Aufbau sei. „Da wollen wir von Beginn an dabei sein“, erklärt Kommunikationschef Andreas Böske die Firmenstrategie. „Das Ganze passt ausgezeichnet zu unseren Kernkompetenzen, und wir besitzen in der Unternehmensgruppe Zugriff auf eine Reihe passender, praxisbewährter Produkte.“ Dank des dänischen Klima- und Farm-Managementspezialisten SKOV und der 2016 übernommenen niederländischen Inno+, eines auf Abluftreinigungsund Wärmerückgewinnungsanlagen spezialisierten Unternehmens, ein Wettbewerbsvorteil, der unter dem Label „Better Insect Solutions“ ausgespielt werden soll. Das zu erwartende Umsatzpotenzial rechtfertige jedenfalls den Aufbau eines neuen Geschäftsbereichs jenseits der bisherigen Standbeine Legehennen, Geflügel und Schwein. Am Anfang werde der neue Markt vermutlich in Europa am schnellsten wachsen. „Für die Zukunft sehen wir Asien

als einen sehr interessanten Markt für größere Absatzmengen“, fasst Böske die hohen Erwartungen zusammen. Es gehe schließlich um eine nachhaltige Alternative zum Einsatz von Soja in Tierfutter und die Veredelung von organischen Abfällen wie Speiseresten und Lebensmittelabfällen. Bislang hätten in der Praxis „erst einige kleinere Insekten-Aufträge“ zu Buche geschlagen. Doch offensichtlich denkt Big Dutchman – vor der Corona-Krise mit einem jährlichen Umsatzziel von einer Milliarde Euro vor Augen unterwegs – jetzt auch in diesem Bereich groß. Das erste „Turn-

„Wir besitzen in der Gruppe passende, praxisbewährte Produkte.“ Andreas Böske, Marketing-Chef von Big Dutchman

Foto: dpa/Ame Detert

key-Projekt“, das in den Bereich der größeren industriellen Herstellung von Insekten für die Proteingewinnung eingeordnet werden könne, solle bis Ende 2023 in Dänemark realisiert werden, so Böske weiter. Das Land ist die Heimat von Enorm BioFactory A/S, Skandinaviens erster industrieller Insektenfabrik, mit der die Big-DutchmanGruppe seit 2020 eine Partnerschaft eingegangen ist und große Teile des Equipments liefert. Das Thema Nachhaltigkeit hat einen hohen Stellenwert: In Dänemark ist Enorm der Hauptantragsteller für ein bis Ende 2022 laufendes „Leuchtturmprojekt“, das die Umweltbehörde mit 15,9 Millionen dänischen Kronen bezuschusst. Ausgelegt ist die neue Anlage auf einer Fläche von 24 000 Quadratmetern für eine Jahresproduktion von bis zu 36 000 Tonnen Larven pro Jahr. Die Idee, die Larven der Schwarzen Soldatenfliege als Futtermittel einzusetzen, brachte dem im August 2020 gegründeten Bremer Unternehmen Farmcyle bereits 2021 die Nominierung für den Bremer Umweltpreis ein. Florian Berendt (34), geschäftsführender Gesellschafter der Startup-Firma, verarbeitet mit fünf Mitarbeitern derzeit monatlich 30 bis 40 Tonnen frische Larven. Absatzwege seien derzeit Heimtier- und Nutztierfutter. Nach der inzwischen erteilten Erlaubnis darf das Unternehmen aber auch für den Bereich Schweinefutter produzieren. Perspektivisch will der Agraingenieur die Larvenproduktion auf monatlich 100 Tonnen steigern. Nach seinen Angaben besteht eine Zusammenarbeit mit Vitakraft, einem in Bremen beheimateten Markenunternehmen der Heimtierbranche.


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DONNERSTAG, 28. APRIL 2022

MACHER & MÄRKTE

Nachwuchsgewinnung bleibt das Thema Juliane Hünefeld-Linkermann folgt als Leiterin des IHK-Bereichs Aus- und Weiterbildung auf Eckhard Lammers

VON NINA KALLMEIER OSNABRÜCK/MEPPEN/LINGEN/

Knapp 11 000 Auszubildende betreut die Industrie- und Handelskammer über alle Ausbildungsberufe und -jahre jedes Jahr in Osnabrück, dem Emsland und der Grafschaft Bentheim. Für sie alle, die fast 2500 ehrenamtlichen Prüfer sowie die mehr als 2600 Ausbildungsbetriebe in der Region ist ein Mann in den vergangenen fünf Jahren immer ein Ansprechpartner gewesen: Eckhard Lammers. Er selbst sagt: „Den Austausch mit den vielen Menschen in den vergangenen Jahren fand ich sehr bereichernd. Es war eine schöne Zeit, aber auch eine Zeit mit vollem Terminkalender.“ Letzterer wird für Lammers nun etwas übersichtlicher ausfallen, zumindest in beruflicher Hinsicht. Denn nach 27 Jahren Arbeit für die Industrie- und Handelskammer Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim, zuletzt als Leiter des Bereichs Aus- und Weiterbildung, hat sich der gebürtige Wersener in den Ruhestand verabschiedet. Den Staffelstab hat er sinnbildlich an seine Nachfolgerin Juliane HünefeldLinkermann übergeben, die seit 2009 für die IHK tätig ist. NORDHORN

„Es war eine schöne Zeit, aber auch eine mit vollem Terminkalender.“ Eckhard Lammers

Über sich selbst spricht Eckhard Lammers gar nicht gerne, lieber über die vielen Projekte für die Region, die er in mehr als einem Vierteljahrhundert begleitet hat. Wenn er davon erzählt, hat man den Eindruck, dass er noch mitten im Berufsleben steht. In Erinnerung geblieben ist ihm zum Beispiel: „Wir konnten einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass Projekte wie der Ausbau der A 33-Nord, die E 233 im Emsland oder der sechsspurige

Ausbau der A 30 in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen wurden“, erzählt Lammers, der am 1. Juni 1995 nach seinem Volkswirtschaftsstudium in Münster als wissenschaftlicher Mitarbeiter seine Karriere bei der IHK begonnen hat. Wie die Projekte erahnen lassen, war Lammers zunächst im Bereich Verkehr und Raumordnung tätig und leitete die Abteilung ab 1996. Ein Jahr später wurde er zum Geschäftsführer ernannt und hat auch den Bereich Tourismus übernommen. Ab 1999 verantwortete Lammers zudem die Bereiche Dienstleistungen und Handel als Abteilungsleiter für Standortentwicklung. Zehn Jahre später kam unter anderem die Zuständigkeit für die Industrie im neu geschaffenen Geschäftsbereich Standortentwicklung, Innovation und Umwelt dazu. Zur Ausbildung kam Lammers erst 2017. Seinem früheren Wirkungsbereich ganz den Rücken gekehrt hat er damit aber nicht. „Jugendliche für eine Ausbildung zu gewinnen hat auch viel mit der Attraktivität eines Standorts zu tun“, sagt er. Wohnortnahe Berufsschulen seien dabei nur ein Faktor. Besonders präsent sind Lammers die vergangenen Pandemie-Jahre. „Sie haben uns intensiv beschäftigt“, sagt er. Prüfungen so zu organisieren, dass die Azubis trotz allem pünktlich in den Beruf starten könnten, sei eine Herausforderung gewesen. Seine Nachfolgerin kennt Eckhard Lammers schon lange. Juliane Hünefeld-Linkermann – ausgebildete Landwirtin und Volljuristin – ist seit 2009 für die IHK tätig und war zuletzt Projektleiterin in Lammers’ früherer Wirkungsstätte, dem Geschäftsbereich Standortentwicklung, Innovation und Umwelt. Seit September 2021 arbeiten beide bereits eng zusammen. „Der Austausch ist wichtig“, sagt die 47-Jährige, die auch in den kommenden Wochen noch weiter mit Ruheständler Lammers in Kontakt bleiben wird. Vor ihrer Zeit bei der IHK hat Hünefeld-Linkermann berufliche Erfahrungen bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände in Berlin und den Unternehmerverbänden Niedersachsen in Hannover gesammelt. Wie schwer fällt es, jetzt loszulassen? „Ich hätte mir gewünscht, dass Corona vorbei ist“, sagt Lammers. „Aber ich habe ein gutes Gefühl, die laufenden Projekte in neue Hände zu geben.“ Damit gemeint ist unter anderem der Social-Media-Schwerpunkt, den die Industrie- und Handelskammer unter anderem mit der

DerStaffelstab istübergeben:EckhardLammersist in denRuhestandgegangen.DenBereichAus- undWeiterbildungderIHKleitetnunJulianeHünefeld-Linkermann.

„Moin Future“-Kampagne setzt, um junge Menschen noch besser zu erreichen und für eine Ausbildung zu begeistern. Denn ein Thema wird Juliane Hünefeld-Linkermann ebenso beschäftigen wie Eckhard Lammers: durch Nachwuchsgewinnung dem demografischen Wandel und Fachkräftemangel entgegenzuwirken. An dem Projekt hat HünefeldLinkermann schon maßgeblich mitgearbeitet. Genau hier will die 47-Jährige auch weiter einen Schwerpunkt setzen. „Es muss nicht jeder studieren. Dem Trend zu einer übersteigerten Bildungsaspiration wollen wir entgegenwirken und dabei die Vorteile einer Ausbildung noch stärker herausstellen.“ Nicht nur gegenüber den Jugendlichen, sondern auch gegenüber den Eltern. Auch zu ihnen werde der Kontakt gesucht. „Eltern haben immer noch einen großen Einfluss auf die Berufswahl ihrer Kinder “, sagt die neue Leiterin der Abteilung Aus- und Weiterbildung. Die Vergütung sei bei den Heranwachsenden gar nicht so das Thema, sondern vielmehr die Meinung des Umfeldes – auch wenn Angebo-

te wie das Azubi-Ticket oder die Azubi-Card gezielt beworben würden, so Hünefeld-Linkermann. Und noch einen Weg will die IHK gehen: „Wir wollen unter anderen mit jungen Menschen mit Migrationshintergrund eine neue Zielgruppe ansprechen.“

„Eltern haben immer noch einen großen Einfluss auf die Berufswahl ihrer Kinder.“ Juliane Hünefeld-Linkermann

Auch die Zusammenarbeit mit Sportvereinen sucht Juliane Hünefeld-Linkermann gezielt. „Hier haben wir in Osnabrück mit Kabinengesprächen begonnen, um sich in lockerer Atmosphäre auszutauschen. Dieses Angebot wollen wir jetzt auch ins Emsland und in die Grafschaft Bentheim bringen.“ Aufgabe sei es, alle Zielgruppen von Studierenden über die Abiturienten und schulisch schwächer aufgestellten Jugendlichen bis zu angehenden Azubis mit Migrationshintergrund zu erreichen. Denn nicht so viele junge Leute, wie Betriebe in der Region brauchen, entscheiden sich für eine Ausbildung. Jahr für Jahr bleiben Ausbildungsplätze unbesetzt – nicht erst seit es die Corona-Pandemie Betrieben schwerer gemacht hat, mit jungen Leuten in Kontakt zu treten. „Die Erwartung vieler ist, dass die Karrierechancen mit einer akademischen Ausbildung besser stehen. Die Chancen einer Ausbildung und die Durchlässigkeit der Systeme heute gehen dabei etwas unter“, sagt Eckhard Lammers. Ein großer Pluspunkt der Ausbildung ist für Lammers: Jugendliche

Foto:NinaKallmeier

würden schon früh Verantwortung übernehmen können. „Das motiviert“, ist er sicher. Und AzubiScouts – Auszubildende, die auf Augenhöhe Schülern ihren Beruf näherbringen – könnten dies am besten rüberbringen. Die Scouts sind unter anderem auf Ausbildungsmessen mit dabei oder gehen in Schulklassen. „Solche Besuche sind jetzt auch wieder möglich“, so Juliane Hünefeld-Linkermann. Ob sie dazu beitragen können, mehr junge Menschen für eine Ausbildung zu begeistern, sodass die Ausbildungszahlen in diesem Jahr weiter steigen, wird Eckhard Lammers von der Seitenlinie aus verfolgen. Langweilig wird ihm aber auch ohne Terminkalender nicht. Er wechselt im Ruhestand sozusagen die Branche und geht unter die Handwerker. „Der Sanierungsstau am Haus muss aufgelöst werden“, sagt Lammers. Also im Herzen doch ein Handwerker? „Ich arbeite gerne mit dem Kopf und den Händen. Ein Handwerker bin ich aber nicht, ich habe eher DIY-Wissen“, sagt er lachend. Er werde die Projekte mit fachlichem Rat angehen.

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DONNERSTAG, 28. APRIL 2022

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Eine Kantine, die keine mehr ist Was Firmen ihren Mitarbeitern bieten, damit sie sich wohlfühlen – und auch junge Leute als Azubis Interesse zeigen

VON JOHANNES KLEIGREWE Fragt man Fred Windel, Chef des Süßwarenherstellers Windel GmbH in Osnabrück, was er unternimmt, um seine Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden, nimmt er einen mit auf eine Tour durch den Neubau seiner Firma. Zwei Stockwerke geht es nach oben, dann steht man vor einer Glastür. Was dahinter liegt, erinnert aber nicht an ein Bürogebäude, in dem man sich eigentlich befindet, sondern an ein modernes Fitnessstudio. Hinter der Tür befindet sich „Windel Move“, das firmeneigene Fitnessstudio und der ganze Stolz von Fred Windel. Rechts ab geht es in einen Kursraum, links ein großer Raum mit modernstem Equipment: Hanteln, Laufbänder und verschiedene Trainingsgeräte stehen bereit. Empfangen wird man von Thorsten Kröner, dem Leiter des „Windel Move“. Er betreut, zusammen mit sechs weiteren Trainern, die Mitarbeiter, die hier hierherkommen. Um die Geräte zu benutzen, müssen sie Mitglied werden, wie in einem normalen Fitnessstudio. Allerdings zu einem symbolischen Beitrag, wie Kröner erklärt. Dieser liege unter dem Monatsbeitrag von Hansefit. „Ich habe das Konzept zusammen mit Thorsten Kröner entwickelt“, erklärt Fred Windel. In Kontakt kamen die beiden Männer vor fünf Jahren, als der Geschäftsführer etwas für seine eigene Fitness tun wollte und mit Kröner zu trainieren begann. Zunächst arbeitete Windel an sich, doch recht schnell kam ihm die Idee für das Firmenfitnessstudio. „Ich habe gemerkt, dass mir das Training sehr viel bringt, und die Mitarbeiter sollten auch davon profitieren“, erzählt er. Seit Oktober 2021 ist das „Windel Move“ in Betrieb und hat seitdem fast 100 Mitglieder. Es steht allen Mitarbeitern und deren Partnern offen. Trainieren können sie wochentags zwischen sechs und zwanzig Uhr und samstags zwischen zehn und sechzehn Uhr. Jedes Mitglied erhält einmal pro Monat ein Personal Training und bekommt einen persönlichen Trainingsplan erstellt. Neben den Geräten gibt es zudem ein Angebot von 14 Kursen. „Wir bieten auch Online-Kurse an für Kollegen, die schon zu Hause oder im Homeoffice sind“, berichtet Kröner. Trainieren können die Mit-

OSNABRÜCK/WALLENHORST

KeineeinfacheKantine, sonderneinhippesCafé:dasneueBetriebsrestaurant„frieda“beiderWindelGmbH.

arbeiter wann sie möchten, solange es zu ihrem Arbeitsalltag passt. Das Fitnessstudio ist dabei keine Einzelmaßnahme. Es fügt sich in eine Reihe an Maßnahmen ein, die dafür sorgen sollen, dass sich die Mitarbeiter wohlfühlen. Diesem Ziel diente auch die Renovierung der Kantine, die nun keine Kantine mehr ist, sondern „frieda“ heißt und aussieht wie ein hippes Café in der Innenstadt. Statt einheitlicher, langer Tische in einem schlichten Raum gibt es jetzt verschiedene Sitzmöglichkeiten, die Möbel sind in hellen Farben gehalten und eine Wand mit einer Tapete in Waldoptik verschönert. Die Idee zieht sich auch durch das Essensangebot. „Es gibt bei uns Frühstück und mittags drei Gerichte zur Auswahl, manchmal auch Currywurst und Pommes, aber eben immer auch vegetarische und gesunde Gerichte“, erklärt Fred

Für einen symbolischen Betrag können die Mitarbeiter im „Windel Move“ vor, während oder nachderArbeittrainieren.

Windel. Körnerbrötchen kosten beispielsweise so viel wie normale Brötchen, um eine gesündere Ernährung zu erleichtern. Eine ganz ähnliche Vision schwebt Andreas Sandmann, dem Geschäftsführer des Wallenhorster Anlagenbauers Purplan, vor. Er hat ein Nachbargrundstück neben seiner Firma erworben und plant einen großen Neubau, jedoch nicht für weitere Montagehallen. „Im Erdgeschoss wird es ein Café mit Aufenthaltsqualität geben“, blickt er in die Zukunft, „daneben werden wir Co-Working-Spaces und Büros zum Mieten bauen.“ Ziel sei es, mehr Leben in das Firmenumfeld zu holen, um die Attraktivität für die Mitarbeiter zu steigern, so Sandmann. Initiativen wie die von Windel und Purplan werden zunehmend wichtiger für Unternehmen. Denn der Fachkräftemangel schlägt immer mehr durch. „In den handwerklichen Berufen ist es eine echte Herausforderung, Auszubildende zu finden“, berichtet Andreas Sandmann. Man sei zwar in engem Kontakt mit den Schulen, biete Praktika an, dennoch sei es schwer. Sandmann sieht vor allem zwei Probleme. Einerseits gebe es bei Schülern und ihren Eltern Ressentiments gegenüber dem Handwerk: „Azubis orientieren sich heute daran, sich persönlich zu entwickeln, Geld zu verdienen und an ihrer Freizeit“, erklärt Sandmann. Andererseits sei die Konkurrenz durch große Unternehmen stark. „Es ist ein Kampf Klein gegen Groß“, findet der Geschäftsführer. Die Erfahrungen des Wallenhorster Unternehmers decken sich mit Eindrücken der Industrie- und Handelskammer. Sie erfragt seit 2012 die größten Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung. Zu Beginn gab ein Drittel der befragten Unternehmen den Fachkräftemangel an, heute sind es bis zu 70 Prozent. Insbesondere fehlt es an Nachwuchs: „In unserer Wirtschaftsregion konnte zum Start des Ausbildungsjahres 2021/2022 jeder noch

„Wir bieten auch Online-Kurse an für Kollegen, die schon zu Hause oder im Homeoffice sind.“ Thorsten Kröner, Leiter des Fitnessstudios „Windel Move“

unversorgte Jugendliche aus über vier offenen Ausbildungsplatzangeboten wählen“, erklärt Juliane Hünefeld-Linkermann von der IHK Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim. Neben dem Geburtenrückgang spiele hier der Trend zu einer höheren Schulbildung und zum Studium eine Rolle, so die Leiterin des Geschäftsbereiches Ausund Weiterbildung. Für Andreas Sandmann folgt daraus, sich mehr mit seinen Mitarbeitern und ihren Bedürfnissen zu beschäftigen. „Wir müssen den ganzen Menschen betrachten“, erklärt er. Beim Thema Reisen führt das zu Anpassungen in zwei Richtungen. 2020 kam bei Purplan die Idee auf, einen internen Austausch zwischen den Standorten in Wallenhorst, den USA und China einzurichten. „Zwei unserer Auszubildenden sind für sechs Wochen nach Charlotte in unser amerikanisches Werk gefahren“, berichtet Hanna Sandmann, Prokuristin bei Pur-

Fotos:AndréHavergo

plan. Sie seien begeistert losgefahren und auch begeistert wiedergekommen, erzählt sie. Für die Auszubildenden Sven Janßen und Michel Stößner war die Reise in die USA nicht nur kulturell ein Abenteuer, auch arbeitstechnisch trafen sie auf eine neue Welt. „Einerseits ist da die Sprache“, erklärt Andreas Sandmann, „andererseits müssen sie da mit Inch und Zoll rechnen und lernen ein ganz anderes System kennen.“ Ganz ähnlich ging es ihren Kollegen, die im Winter 2021 aus Charlotte zu Gast in Wallenhorst waren. Purplan ermöglicht aber nicht nur Auslandsaufenthalte, sondern bemüht sich auch, diese da zu verkürzen, wo Mitarbeiter sich das wünschen. „Wir haben weltweit Montage-Projekte“, berichtet Andreas Sandmann. So ein Einsatz könne durchaus einen Monat oder länger dauern. „Es gibt einige, die das gerne machen wollen“, so Sandmann, „viele wollen aber auch schnell wieder zu Hause sein.“ Das hat dazu geführt, dass die Abläufe im Betrieb angepasst wurden. „Wir machen viel mehr Vormontage hier, sodass die Teile vor Ort im Prinzip nur noch zusammengesetzt

werden müssen“, erklärt der Geschäftsführer. Ziel sei es, dass Montageeinsätze, bei denen die Anreise länger als einen Tag dauert, maximal zehn Tage in Anspruch nehmen, so Sandmann. „Das erfordert eine ganz andere Produktion mit mehr Planung, und das hat am Anfang natürlich mehr Geld gekostet“, erklärt er. Was braucht es also, um Fachkräfte anzuwerben und zu halten? Für Andreas Sandmann ist klar, dass es auf die großen wie auf die kleinen Dinge ankommt. „Die Spannweite geht vom frischen Apfel in der Teeküche über Angebote wie Hansefit, Jobrad und flache Hierarchien im Betrieb bis hin zu einem USA-Trip“, erklärt er. Im Betrieb müsse eine gute Stimmung herrschen, und alle müssten sich wohlfühlen, findet er. Ganz ähnlich sieht das Juliane Hünefeld-Linkermann: „Das Gesamtpaket ist entscheidend, keine einzelne Maßnahme.“ Für Fred Windel ist ein gutes Betriebsklima ganz grundsätzlich wichtig. „Es macht mir Freude, wenn die Mitarbeiter zufrieden sind“, erklärt der Geschäftsführer der Windel GmbH lächelnd.

Waren im Ausland: Sven Janßen und Michel Stößner (v.l.) reisten im Rahmen des firmeninternenAustauschsvonPurplanin die USA. Foto:Purplan


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GELD & GESCHÄFT

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„Bitcoin.de ist ein E-Bay für Kryptowerte“ Virtueller Marktplatz 2011 in Herford gegründet / Inzwischen Marktkapitalisierung von rund 197 Millionen Euro Gesetzgeber mischen sich immer mehr in den Markt ein. Inzwischen größte deutsche Handelsplattform. Alle Server stehen in gesicherten Rechenzentren. VON MARK OTTEN Im April 2011 wurde ein Bitcoin erstmals für mehr als einen Dollar gehandelt. Die Kryptowährung war trotzdem nur den wenigsten Menschen in Deutschland ein Begriff. Einer davon war der Unternehmer Oliver Flaskämper. Noch im selben Jahr gründete er in Herford den Krypto-Marktplatz Bitcoin.de. Seitdem ist viel passiert. Kryptowährungen sind mittlerweile im Mainstream angekommen, ein Bitcoin kostet aktuell rund 40 000 Dollar – Ende 2021 waren es sogar rund 64 000 Dollar. Aus Bitcoin.de mit mehr als einer Million registrierten Nutzern ist die größte deutsche Handelsplattform für Kryptowährungen geworden. Außerdem ist sie mittlerweile Teil der Futurum Bank AG, einer 100prozentigen Tochter der börsennotierten Bitcoin Group SE. Und an deren Spitze steht seit 2018 nicht mehr Oliver Flaskämper, sondern Marco Bodewein mit zwei weiteren geschäftsführenden Direktoren. Im Gespräch mit unserer Redaktion sagt Bodewein: „Unser Gründer Oliver Flaskämper ist für mich ein Visionär. Er hat die Kryptowerte nach Deutschland gebracht.“ Die beiden hatten sich 2017 im Rahmen eines Projekts kennengelernt. Bodewein war zu der Zeit als Vorstand der ACON Actienbank AG für das operative Geschäft tätig. Weil Vision und Chemie stimmten, entstand die Idee, den Investmentbanker für den Vorstand der Bitcoin Group zu gewinnen. Bodewein sagt: „Ein Vorteil für mich war sicherlich, dass ich die Erlaubnis zum Leiten eines Finanzdienstleisters habe. Das war strategisch wichtig für den weiteren Weg des Unternehmens.“ Diese Voraussetzung ebnete den Weg für die Zusammenlegung des Kryptogeschäftsbereichs von Bitcoin.de mit der Futurum Bank aus Frankfurt im Jahr 2020. In der Bankenmetropole verbringt der 47-Jährige den Großteil seiner Arbeitszeit. Und er lebt etwas außerhalb der Stadt mit seiner Frau und zwei Kindern. Bodewein, der dem Fußballbundesligisten Eintracht Frankfurt die Daumen drückt, sagt: „Ich versuche eine gute ,Work-Life-Balance‘ hinzubekommen und mir Zeit für meine FaHERFORD

Überzeugt vonderDurchsetzungskraft desBitcoin: Marco Bodewein, Vorstandder Bitcoin GroupSE. FuturumBankAG. Foto: FuturumBank

So wiehieran derBörse vonSão Paulodargestellt, könnte einBitcoin aussehen.DieLinienzeigen denschwankendenWert derkünstlichenWährungan.

milie zu nehmen. Meine Kinder sind es gewohnt, dass ich viel und auch im Urlaub arbeite. Die Unterstützung meiner Frau hilft da natürlich ungemein.“ Frankfurt ist in den vergangenen Jahren immer wichtiger für die Bitcoin Group geworden. Doch zur Zukunft des Gründungsstandorts

„Bei allem, was wir tun, wollen wir sauber aufsetzen.“ Marco Bodewein, Vorstand der Bitcoin Group SE. Futurum Bank

stellt Bodewein klar: „Bitcoin.de als operative Einheit der Futurum Bank sitzt in Herford – das wird auch immer so sein, das wollen wir gar nicht aufbrechen.“ An Identifikation mit dem Standort scheint es dem Hessen auch persönlich nicht zu mangeln. Angesprochen auf die Pläne für den weiteren Weg des Krypto-Marktplatzes, erklärt er: „Wir sind Ostwestfalen und von Grund auf eher konservativ. Bei allem, was wir tun, wollen wir sauber aufsetzen.“ Obwohl Bitcoin.de damit bisher gut gefahren ist, mag es verwunderlich erscheinen, dass die Plattform trotz ihrer Vorreiterrolle und der wertvollen und einprägsamen Internetadresse heute nicht noch viel bekannter, größer und erfolgreicher ist. Ein Beispiel: Die Bitcoin Group steht aktuell bei einer Marktkapitalisierung von rund 197 Millionen Euro, die US-Krypto-Börse Coinbase bei umgerechnet rund 31 Milliarden Euro. Bodewein verweist bei diesem Vergleich auf die unterschiedlichen Geschäftsmodelle. Bitcoin.de sei „ein E-Bay für Kryptowerte“, aber eben keine Börse. „Wir haben uns damals für einen anderen Weg entschieden. Ich würde an der Stelle nicht von einem Versäumnis sprechen“, sagt der Frankfurter und ergänzt: „Wir schlafen aber auch nicht und arbeiten natürlich hinter den Kulissen daran, unsere Produktpalette in naher Zukunft zu erweitern.“ Was genau sein Unternehmen als Nächstes plant, darf der Vorstand eines börsennotierten Unternehmens nicht verraten. Allerdings hatte die Bitcoin Group bei Bodeweins Berufung 2018 selbst verkündet, dass der neue Vorstand Bitcoin.de zu einer Börse entwickeln soll. Gut möglich also, dass Coin-

base bald Konkurrenz aus Deutschland bekommt. Auf Plattformen wie Coinbase oder Binance können Nutzer Dutzende Kryptowerte handeln. Im Vergleich dazu ist das Angebot auf Bitcoin.de gering. Dafür steht neben den bekannten Werten wie Bitcoin und Ethereum auch dort unter anderem der in den sozialen Medien beliebte Dogecoin zur Auswahl – auf Wunsch der Kunden, so Bodewein. Der Banker, der vor der Arbeit gerne schwimmen geht, hält selbst ausschließlich Bitcoin und Ethereum: „Für risikobereite Investoren gibt es sicherlich tolle Coins auf dem Markt, aber das muss jeder für sich entscheiden. Wenn man sich zum Beispiel Dogecoin anguckt, läuft der Kurs natürlich wie eine

Foto: imago/ZUMAWire

Achterbahnfahrt.“ Das lag unter anderem an Tesla-Chef und KryptoFan Elon Musk. Der hatte den Dogecoin-Kurs in der Vergangenheit mit Beiträgen auf Twitter rauf- und runtergeschickt. Über den Amerikaner sagte Bodewein: „Elon Musk ist für mich ein guter Typ. Seine Art der Kommunikation muss man nicht mögen. Aber was er anpackt, das treibt er nach vorne, das finde ich beneidenswert.“ Der für Kursschwankungen bekannte Kryptomarkt rückt seit Jahren jedoch nicht nur in den Fokus von privaten und institutionellen Investoren, auch Regulatoren und Gesetzgeber mischen sich immer mehr ein. Bodewein hält Deutschland im Kryptobereich grundsätzlich für gut aufgestellt: „Die Bun-

desregierung darf aber auch nicht in einen Übereifer verfallen, denn man kann so einen Markt auch kaputtregulieren.“ Diese Gefahr sehe er aktuell jedoch nicht. Während Krypto-Hardliner sich praktisch gegen jede Form der Regulierung aussprechen, sieht Bodewein diesen Punkt wegen der Risiken der Terrorismusfinanzierung und der Geldwäsche etwas differenzierter. Der 47-Jährige sieht darin sogar Vorteile: „Wenn der Gesetzgeber die Spieregeln sauber definiert, wird sicherlich auch mehr institutionelles Geld in den Markt fließen. Das wird das Gesamtgeschäft beflügeln.“ Wichtig sei, dass die Gesetzgebung „nicht komplett konträr zum dezentralen Gedanken der Blockchain“ laufe, so Bodewein.

ZUR SACHE

Bei 21 Millionen Bitcoins ist Schluss Bitcoin ist eine der weltweit bekanntesten Kryptowährungen, aber lange nicht die einzige. Laut der Plattform CoinMarketCap gibt es aktuell mehr als 17000 dieser digitalen Währungen. Rund 80 von ihnen bringen es mittlerweile auf mehr als eine Milliarde Dollar Marktkapitalisierung, wobei unter anderem Ethereum und Tether zu den größten gehören. Die Kryptowährung Bitcoin gibt sie seit 2009 – wobei es bis Anfang 2011 gedauert hat, bis der Kurs bei einem

Dollar lag. Das Allzeithoch des Börsenkurses erreichte Bitcoin im vergangenen Oktober, als der Wert bei 66 000 US-Dollar lag und sich binnen drei Monaten mehr als verdoppelt hatte. Mittlerweile sind Bitcoin, kurz BTC, wieder deutlich weniger wert. Münzen oder Scheine der Währung gibt es nicht. Bitcoins existieren nur digital als virtuelle Zeichenfolgen in einem Computerprogramm. Alle Käufe, Verkäufe und Zahlungen mit Bitcoin sind in einer

ElonMuskliebtes,Aktien-undKryptokurseperTweetzumanipulieren. Foto: dpa/AP

sogenannten Blockchain, in aneinandergereihten Datenblöcken, gespeichert. Bisher gibt es nach Angaben

der Internetseite Coinmarketcap gut 18,8 Millionen Bitcoins, bei 21 Millionen soll Schluss sein.


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GELD & GESCHÄFT

Mit „WaltrAut“ in die Zukunft Stärkeproduzent Emsland-Group investiert am Standort Emlichheim 30 Millionen Euro / Verarbeitung von Kartoffeln und Erbsen

VON JONAS SCHÖNROCK

Ein eindrucksvollesBildergibtsichbeimBlickaufdieAnlagedesHauptstandortesder EmslandGroupin Emlichheim.

stellung von Kartoffelchips, Pommes, Fruchtgummis, Milchprodukten, Saucen, Suppen, Backwaren und Fruchtfüllungen oder Ketchup und Mayonnaise verwendet. Die Produkte aus Emlichheim befinden sich unter anderem in den bekannten

Pringles-Kartoffelchips oder in den Pommes der Fast-Food-Kette Burger King. Jährlich werden in den Fabriken der Emsland-Group 2,2 Millionen Tonnen Kartoffeln verarbeitet. Der Umsatz liegt nach Konzernangaben bei 650 Millionen Euro.

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EMLICHHEIM „Verwurzelt in der Region, in den Märkten sehr global“ – so beschreibt Christian Kemper die Philosophie seines Unternehmens. „60 Prozent unserer Mitarbeiter hier am Standort kommen aus der Samtgemeinde Emlichheim. Die Fluktuation ist gering“, sagt er. Kemper ist neben Stefan Hannemann und Gerrit-Jan Wesselink einer von drei Geschäftsführern der Emsland-Group. Gegründet 1928 als Emlichheimer Kartoffelfabrik GmbH, steht am Firmensitz in Emlichheim (Kreis Grafschaft Bentheim) heute die größte Kartoffeln verarbeitende Stärkefabrik Europas. Deutschlandweit gehören sieben Fabriken zum Konzern, die von 2000 Landwirten beliefert werden, und 1350 Mitarbeiter, wobei die vier Produktionsstätten der Emsland-Stärke GmbH mit dem Hauptwerk in Emlichheim den größten Teil der Gruppe bilden. Die Emsland-Group ist der größte Kartoffelstärke-Produzent in Deutschland, der zweitgrößte weltweit. Sogar global führend ist man in der Herstellung von Kartoffelflocken. Neben Kartoffeln werden auch Erbsen als Rohstoff verwendet, um Stärke oder Proteine herzustellen. Stärke, Flocken, Fasern oder Granulate werden in der Lebensmittelindustrie zum Beispiel für die Her-

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In die Schlagzeilen geraten war der Konzern zwischen 2019 und 2020, als sich unter anderem zwei ehemalige Geschäftsführer vor dem Landgericht Osnabrück verantworten mussten und schlussendlich wegen Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr zu Haftstrafen von vier Jahren und zwei Monaten beziehungsweise drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden waren. Beide Geschäftsführer hatten das Unternehmen 2014 wegen des Verdachts auf Unregelmäßigkeiten verlassen müssen. Sie hatten sich zwischen 2009 und 2014 Millionenbeträge als verdeckt agierende Teilhaber an einem Logistikdienstleister erschlichen, den sie als Geschäftsführer der Emsland-Stärke selbst mit Aufträgen versorgt hatten. Mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom März dieses Jahres ist das Urteil nun rechtskräftig und das Kapitel endgültig abgehakt. Die Produkte der Emsland-Group werden in mehr als 120 Länder geliefert, der Exportanteil lag im vergangenen Geschäftsjahr bei 76 Prozent. Mit der Emsland-Food GmbH stellt der Konzern im Werk in Hagenow (Landkreis Ludwigslust-Parchim) zudem unter der Marke „Mecklenburger Küche“ eigene Kartoffelprodukte wie Kartoffelpüree, Bratkartoffeln oder Klöße her. An Erbsen werden mehr als 80 000 Tonnen jährlich in den Werken verarbeitet. Der überwiegende Teil der Erbsenproteine wird in der Lebensmittelindustrie für die Herstellung von Fleischersatzprodukten verwendet. „Die Nachfrage in diesem Bereich ist groß“, sagt Christian Kemper. „Wir würden die Produktion gerne ausweiten.“ Doch der Investitionsbedarf ist hoch. „Insgesamt sind wir in drei Kernsegmenten tätig“, erklärt Geschäftsführer Kemper. Neben dem Lebensmittelbereich versorgt die EmslandGroup weltweit auch Hersteller von Tiernahrung mit Proteinen und Fasern aus den Rohstoffen Kartoffel und Erbse – sowohl für Haus- als auch für Nutztiere. Darüber hinaus beliefert die Emsland-Group im Spezialitätenbereich verschiedene Industriezweige mit Stärke – etwa die Textilindustrie oder die Kunststoffindustrie zur Herstellung von Bioplastik. Auch für Papierherstellung wird Stärke geliefert, ebenso wie für die Produktion verschiedener Bauzusatzstoffe wie Mörtel und Beton. Selbst hergestellt werden verschiedene Klebstoffe wie zum Beispiel Tapetenkleister mit Kartoffelstärke als Basis. In diesen Bereich hat die Emsland-Group am Standort

Foto: Gerold Meppelink

Emlichheim zuletzt kräftig investiert. Für 30 Millionen Euro ist ein 750 Quadratmeter großes und mehr als 33 Meter hohes Produktionsgebäude entstanden, in dem Walzentrocknungsanlagen und Autoklaven untergebracht sind. Daraus setzt sich der Namen der neuen Anlage zusammen: „WaltrAut“. Konzipiert worden ist sie für die Herstellung von pflanzlich basierten Produkten für die Bauzusatzstoffindustrie wie Tapetenkleister, Fliesenkleber oder Stärkeether. Jährlich sollen mehr als 60 000 Tonnen Kartoffeln aus rund 1400 Hektar Anbaufläche in dem Produktionskomplex zu Stärkespezialitäten verarbeitet werden. Die Investition in „WaltrAut“ ist nach Konzernangaben der Beginn der langfristig angelegten Investitionsoffensive „EmVision 2030“, in der die zum Teil in die Jahre gekommenen Anlagen in Emlichheim weiter modernisiert werden sollen, um modifi-

„Wir haben ein Drittel der Projektkosten in die lokale Wirtschaft investiert.“ Florian Schmidt-Hickmann, Projektmanager

zierte Stärken für spezielle Anwendungen weltweit zu produzieren. In einem eigenen Innovationszentrum wird in Emlichheim getestet, wie sich Inhaltsstoffe aus Kartoffeln und Erbsen auf die Rezepturen für die Lebensmittel-, Futtermittelund technische Spezialitätenindustrie auswirken. Mit „WaltrAut“, so betonen die Verantwortlichen, sei man nun in der Lage, die idealen Eigenschaften einer Rezeptur, zum Beispiel die Vereinbarkeit und Stabilität von Putzmörtel, auf die Produktionsanlage zu übertragen und im großen Maßstab zu produzieren. Der Nachhaltigkeitsaspekt habe bei dem Projekt „WaltrAut“ eine wichtige Rolle gespielt, betont man bei der Emsland-Group. „Wir haben Maßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass dieses Projekt nicht nur eine langfristige Investition für die Mitarbeiter der Emsland-Group und die lokalen Landwirte ist, die die Rohstoffe liefern, sondern auch eine Verpflichtung zur Minimierung der Umweltauswirkungen und zur Unterstützung der lokalen Wirtschaft“, sagt Projektmanager Florian SchmidtHickmann. So werde zum Beispiel die Energie für die Trocknung des Nassproduktes aus den benachbarten Altholz- und Strohkraftwerken verwendet, sodass bei diesem Prozessschritt CO2-Neutralität erreicht werden konnte. „Außerdem haben wir ein Drittel der Projektkosten, rund 10 Millionen Euro, in die lokale Wirtschaft investiert, indem wir viele lokale Unternehmen und Partner in diesem Projekt eingesetzt haben“, sagt Schmidt-Hickmann. Auf die Wurzeln in der Region legt man beim Großkonzern viel Wert.

Sindstolzaufihre30-Millionen-Investition:GeschäftsführerChristianKemper(links)undProjektleiterFlorianSchmidt-Hickmannvor„WaltrAut“. Foto: Jonas Schönrock


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DONNERSTAG, 28. APRIL 2022

GELD & GESCHÄFT

Breite Aufstellung als eine wichtige Basis Lindschulte Ingenieurgesellschaft beschäftigt 400 Mitarbeiter

VON JONAS SCHÖNROCK Ob Planungen von Industriebauten, Brücken und Straßen für die öffentliche Hand, Gutachten oder Vermessungen – in der Region sind diese Leistungen eng mit dem Namen Lindschulte verbunden. Doch die Ingenieurgesellschaft aus Nordhorn hat sich längst deutschlandweit einen Namen gemacht. Ein wichtiger Baustein für die weitere Entwicklung ist die im April vergangenen Jahres bezogene neue Firmenzentrale an der Nordhorner Nino-Allee. Mit dem Neubau ist ein weiteres Geschäftsgebäude auf dem ehemaligen TextilAreal entstanden, und Lindschulte hat nun einen zentralen Standort, statt wie zuletzt drei in der Nordhorner Innenstadt. „Dort sind wir aus allen Nähten geplatzt“, verdeutlicht Christian Vrielink aus der Geschäftsführung die Notwendigkeit des neuen Standortes. Der Bau ist dabei weit mehr als nur ein hochmodernes Arbeitsumfeld, vielmehr auch eine Art Referenzobjekt für die moderne Bauplanung. Denn die Planungsleistung ist komplett in eigener Hand geblieben. Die Anfänge des Unternehmens gehen auf das Jahr 1969 zurück. Entstanden aus einem kleinen Büro NORDHORN

mit zunächst vier Mitarbeitern um Heinrich Lindschulte, sind dort heute rund 400 Ingenieure, Architekten und Konstrukteure an zwölf Standorten in ganz Deutschland tätig, die einen Umsatz von rund 37 Millionen Euro erwirtschaften. „Wir sind kein Bauunternehmen, auch kein Generalübernehmer“, betont Christian Vrielink. „Lindschulte bietet Planungs- und Überwachungsleistungen.“ Zum Portfolio gehören die Bereiche Architektur

„Diese echte Generalplanung kommt bei unseren Kunden sehr gut an.“ Thomas Garritsen, Mitglied der Geschäftsführung

und Hochbau, Gebäudetechnik und technische Gebäudeausrüstung, Infrastruktur und Ingenieurbau, Bodenmechanik und Geotechnik, Gutachten und Prüfungen, Vermessung und Geoinformatik, Energie und Netze, Industrial Engineering sowie Wasser und Umwelt. Insbesondere auf die eigene Umweltplanungsabteilung ist man stolz. „Es gibt ja ein Spannungsverhältnis zwischen Bau und Umwelt, daher ist es schon ungewöhnlich, dass ein Haus neben dem Baubereich auch die andere Seite anbietet“, sagt Christian Vrielink. Die breite Aufstellung sieht man bei Lindschulte als wichtige Basis für den Erfolg. „Diese echte Generalplanung, alles aus einer Hand, das kommt bei unseren Kunden sehr gut an“, sagt Thomas Garritsen aus der Geschäftsführung. Zu den größeren Projekten, für die Lindschulte Planungsleistungen erbracht hat, gehören zum Beispiel eine Produktionsanlage für Bayer in Leverkusen, die BP-Europazentrale in Lingen, der Neubau für das ZDF in Mainz oder eine neue Trinkwasserleitung im Nordwesten. Für das Hochhaus Project One in Frankfurt am Main hat Lindschulte zudem das Projektcontrolling übernommen. In seiner Hei-

DieGeschäftsführung:ChristianVrielink(von links),ThomasGarritsen,DieterJäckeringund ReinerKoopmann.

matregion war das Unternehmen etwa mit der Reaktivierung des Schienenpersonennahverkehrs in der Grafschaft Bentheim befasst, mit dem Neubau der Nordumgehung in Nordhorn, einer Erdölleitung für Wintershall in der Grafschaft oder, als Pilotprojekt, mit der Planung einer Wasserstoffanlage in Werlte. Eine strategische Richtungsentscheidung wurde 2016 getroffen, als das Unternehmen an die Schweizer BKW Engineering verkauft worden ist, einen Konzern, der ursprünglich aus dem Bereich Stromerzeugung kommt, sich aber durch Zukäufe auf dem Engineering-Bereich erweitert hat. Lindschulte gehörte laut Geschäftsführung zu den ersten Zukäufen.

Der Neubau an der Nino-Allee sorgt für Entlastung in vielen Bereichen und schafft außerdem Platz für dringend benötigte neue Mitarbeiter. „Das Gebäude ist die Basis für die weitere Entwicklung“, sagt Christian Vrielink. Rund 190 Arbeitsplätze hält der Neubau bereit. Die Angestellten waren dabei von Beginn an in den Planungsprozess eingebunden. „Wir haben sie frühzeitig mitgenommen, um zu schauen, wie sie künftig arbeiten möchten“, sagt Christian Vrielink. Es gibt Open Work Spaces, abgeschlossene Arbeitsbereiche und auch Entspannungsmöglichkeiten. An jedem einzelnen Arbeitsplatz kann per App die Temperatur, die Lüftung oder die Beleuchtung geregelt werden. Auf den vier Etagen des Gebäudes, jeweils mit zwei Zü-

Foto:JonasSchönrock

gen links und rechts des zentralen Treppenhauses, könnte jede Einheit vom Eigentümer, der Grafschafter Volksbank mit ihrer Grafschafter Immobilien GmbH, separat vermietet werden. Die Auftragslage ist nach Angaben der Geschäftsführung sehr gut. Sorgen macht man sich hingegen, was das Personal betrifft: „Der Fachkräftemangel ist die größte Herausforderung, vor der wir stehen“, sagt Reiner Koopmann. „50 offene Stellen fehlen uns real.“ Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, setzt Lindschulte insbesondere auf die eigenen Praktikanten und Azubis als die Fachkräfte von morgen. „Die Hälfte der zuletzt eingestellten Ingenieure sind ehemalige Auszubildende“, sagt Koopmann.

vr.de/weser-ems

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METALL- & MASCHINENBAU

„Keiner von uns kann im Moment sagen, wohin sich die Preise entwickeln werden“ Beim Bersenbrücker Unternehmen Wurst Stahlbau analysiert man die Weltlage illusionslos und blickt dennoch nach vorne

VON CHRISTOPH LÜTZENKIRCHEN BERSENBRÜCK Sprunghafte Preissteigerungen, wachsende Unsicherheiten in der Lieferkette, unkalkulierbare geopolitische Risiken und all das nach zwei Jahren Corona – bei Wurst Stahlbau hätte man allen Grund zu klagen. Im Interview halten sich die drei Brüder und Geschäftsführer Christian (53), Michael (50) und Thomas (47) Wurst damit aber nicht auf. Ihr erklärtes Ziel ist es, das Familienunternehmen auf Kurs zu halten. Dazu gehört die schonungslose Analyse der Gefahren, immer aber auch der Blick auf mögliche Chancen und Potenziale.

Unternehmen wir eine kleine Zeitreise: Wie war Ihr Blick auf die vor Ihnen liegenden Monate zu Beginn des Jahres 2020? Thomas Wurst: Ich habe schon Anfang Januar 2020 – da war Ischgl noch nicht in aller Munde – gesagt, dass das eine harte Story wird und wir uns darauf vorbereiten müssen. Angesichts der Bilder aus China war klar, dass es auch bei uns zu einem Lockdown kommen könnte. Wir haben dann unseren Pandemie-Notfallplan in Gang gesetzt. Christian Wurst: Zu Anfang haben wir uns alle vierzehn Tage zu einer Krisensitzung getroffen. In der Folge hat sich das dann verstetigt, und wir sind wöchentlich zusammengekommen. Seit Februar 2020 waren wir im Krisenmodus. Michael Wurst: Unser Krisenstab tagt noch immer jede Woche. Woran haben Sie diese Prognose zu diesem frühen Zeitpunkt festgemacht? War das reiner Instinkt? Christian Wurst: Thomas ist unser Seher. Aufgrund von Indices, externen Informationen, Expertisen, aber wohl auch einem Bauchgefühl hat er die Fähigkeit, gesellschaftliche Probleme und mögliche Gefahren für das Unternehmen Wurst relativ früh zu erkennen. Thomas Wurst: Ich bin da wie ein Seismograf. Das hat aber auch den Nachteil, dass ich manchmal Dinge zu kritisch und zu schwarz einschätze. Dann brauche ich meine Brüder, die das etwas herunterkochen. Christian Wurst: Wir haben 2020 nicht nur den Notfallplan aktiviert, sondern konkrete Maßnahmen er-

griffen, um unser Unternehmen leistungsfähig zu erhalten. Es wurden Arbeitspläne umgebaut, Gruppen von Beschäftigten wurden voneinander separiert, das Thema Videokonferenzen wurde hochgefahren. Wir haben Hygienepläne aufgestellt und persönliche Schutzausrüstung beschafft. Sobald es möglich war, wurden Testszenarien etabliert. Auch Impfaktionen haben wir im Unternehmen geplant, angeboten und durchgeführt. Michael Wurst: Damals war noch nicht absehbar, wie lange uns das beschäftigen würde. Christian Wurst: Der Notfallplan betraf nicht nur das Innenverhältnis. Wir sind aktiv auf unsere Kunden zugegangen. Wir haben mit den Banken gesprochen, um unsere Liquidität durch Sonderkredite zu sichern. Das war schon ein breites Spielfeld, das wir da beackert haben. Michael Wurst: Unsere Mitarbeiter haben wir gebeten, sich so weit wie möglich aus dem öffentlichen Leben zurückzuziehen. Thomas Wurst: Die Kommunikation mit unseren Mitarbeitern war besonders wichtig. An Einträgen in entsprechenden Bewertungsportalen konnten wir ablesen, dass die sich auch gut abgeholt fühlten. Unser Ziel war es, sie in der Krise möglichst resilient zu machen. Es ist wichtig, auch ein so schwieriges Thema wie Corona anzunehmen. Das ist in der derzeitigen Situation mit dem Krieg im Osten nicht anders. Es macht keinen Sinn, dann

„Wenn es so weitergeht, besteht die große Gefahr, dass Russland vollständig destabilisiert wird.“ Christian Wurst

Die GeschäftsführungdesBersenbrücker UnternehmensWurstStahlbau(v.l.):Christian,Thomasund MichaelWurst.

nur darüber zu klagen, dass der Sprit teurer geworden ist. Stattdessen sind wir froh darüber, dass wir hier noch in Frieden leben und arbeiten können. Christian Wurst: Auch als Omikron kam, haben wir schnell reagiert. Unter anderem, indem wir die Maskenpflicht an den Arbeitsplätzen wieder hochgefahren haben. Das hat dazu beigetragen, dass wir bei der Ansteckungsrate glimpflich davongekommen sind. In der Hochphase waren maximal acht bis zehn Prozent der Belegschaft erkrankt. Für uns ist das ein normaler Wert während einer Grippeperiode aus der Vergangenheit. Thomas Wurst: Im letzten Jahr hatten wir eine Gesundheitsquote von 96,5 Prozent. Der Krankenstand lag niedriger als in den Vorjahren. Christian Wurst: Die Separierungsmaßnahmen aus dem Aktionsplan von Anfang 2020 laufen noch immer. Die werden wir auch beibehalten, einfach weil die Erfahrungen positiv sind. Wie war Ihre Stimmung zu Beginn des Jahres 2022? Thomas Wurst: Auch wir haben nicht vorausgesehen, dass Putin die

Ukraine überfallen würde. Unsere Sorge war allerdings noch größer. Dazu gehört das Szenario im Hintergrund, die wirtschaftlichen Daten, die Verschuldung der Staaten, geopolitische Konflikte, schwer bewaffnete Soldaten an den Grenzen. Das sind die gleichen Daten, wie wir sie auch 1914 und 1939 hatten. Von der Analytik her sind wir kurz vor dem dritten Weltkrieg. Eigentlich müsste man sogar sagen, dass wir schon mittendrin stehen, denn wir führen einen Wirtschaftskrieg gegen Russland – und Russland gegen uns. Christian Wurst: Wenn es so weitergeht, besteht die große Gefahr, dass Russland zusammenbricht, also vollständig destabilisiert wird. Thomas Wurst: Wir konnten in Deutschland beobachten, was das bedeuten kann. Die gerade einmal 1,4 Millionen Flüchtlinge haben 2015 dazu geführt, dass wir seitdem politische Verwerfungen im Bundestag haben. Was wird passieren, wenn allein nach Deutschland drei bis vier Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine kommen? Was bedeutet das politisch, wenn unsere Gesellschaft weiter nach dem Motto „Erst ich, dann die anderen“ arbeitet? Wenn ein Unternehmen strategisch so handeln würde, wie es die Bundesregierung noch nach der Besetzung der Krim getan hat, dann könnte man da den Laden zumachen. Das fing mit Schröder an und wurde konsequent weiterverfolgt. Ich hatte immer den Eindruck, dass man jeden Konflikt mit Russland vermeiden wollte. Die kritische Infrastruktur wissentlich in die Hände eines kritischen Partners zu geben, das kommt einem Suizid gleich. Was für konkrete Folgen hat der Krieg für Ihr Unternehmen? Thomas Wurst: Anfang des Jahres kam im Baubereich Goldgräberstimmung auf, es gab einen regelrechten Boom. Mit dem Krieg folgte dann ein schlagartiger Abbruch der Nachfrage. Die Rohstoff- und Lieferantenmärkte sind kritisch geworden. Lieferketten sind gestört, Preissteigerungen gibt es in einem Maße, wie wir das in der Bundesrepublik noch nicht gesehen haben. Haben Sie dazu ein paar konkrete Beispiele für uns? Christian Wurst: Wir kaufen profilierten Stahl und Stahlbleche ein.

Die Preissteigerungen liegen teilweise bei 50 bis 100 Prozent. Bei einigen Materialspezifikationen sogar bei 250 bis 300 Prozent. So weit zum Stahl. Dämmstoffe haben sich schon um mindestens 50 Prozent verteuert; Tendenz weiter steigend. Bei den Feinblechen ist die Lage noch nicht ganz so dramatisch. Das wird sich aber ändern, sobald die Automobilindustrie wieder Feinbleche abfordert. Da ist im Moment ja wenig los. Michael Wurst: Die haben zurzeit einen Bestellstopp. Christian Wurst: Hinsichtlich der Materialverfügbarkeit wird es in den nächsten Monaten noch schwieriger werden, davon gehe ich aus. Keiner von uns kann im Moment sagen, wohin sich die Preise entwickeln werden. Thomas Wurst: Die Inflationsraten von fünf bis sieben Prozent, die wir gerade sehen, die werden sich zum Ende des Jahres hin mindestens verdoppeln. Christian Wurst: Das sagt mein Bruder Thomas als unser Seismograf. Von der Prognose müssen wir 20 bis 30 Prozent abziehen, es wird aber was kommen. Thomas Wurst: Die Zinsen steigen. Menschen werden sagen, dass

Fotos:WurstStahlbau

sie eine Lohnerhöhung brauchen, um ihre Kosten zu decken. Es besteht die Gefahr einer Stagflation. Tarifkonflikte drohen. Glücklicherweise haben die Gewerkschaften die Brisanz der Situation erkannt. Aus einer Stagflation würden wir nicht so schnell wieder herauskommen, das zeigt die Entwicklung der letzten Jahre in Japan. Christian Wurst: Eine weitere große Gefahr droht uns als Unternehmen, weil unsere Auftragsbücher voll sind. Es könnte zu Restriktionen der Bundesregierung kommen, die uns daran hindern würden, die Aufträge abzuarbeiten, beispielsweise wenn Energie rationiert wird. In der Folge könnten wir unseren Verpflichtungen nicht mehr zu 100 Prozent nachkommen. Dieses Krisenszenario braut sich gerade zusammen. Thomas Wurst: Je schlimmer der Konflikt wird – vor allem auf der menschlichen Seite –, desto wahrscheinlicher wird es, dass Deutschland sich der Haltung der überwiegenden Mehrzahl der EU-Mitglieder anschließen muss. Die befürworten ein Embargo für russisches Gas und russische Rohstoffe. Die Wirtschaft würde kollabieren. Fortsetzung nächste Seite

EinblickindierobotergestützteFertigungdesUnternehmens:Seit 2019 sindbeiWurstfünf Roboter in derProduktionim Einsatz.


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METALL- & MASCHINENBAU

„Wir wollen unbedingt lieferfähig bleiben“ Fortsetzung Sie entwerfen ein Horrorszenario?! Christian Wurst: Das werden Sie in ähnlicher Form von jedem Industriebetrieb hören, der auf ausreichende Energieversorgung angewiesen ist. Viele werden unter diesen Umständen nicht weiterarbeiten können, sondern ihre Fabriken schließen. Thomas Wurst: Aktuell lässt sich noch nicht abschätzen, was passieren wird. Seismografisch gesprochen, wird es stark auf die Intensität des Einschlags ankommen. Letztlich hängt das von der Entwicklung des Konflikts in der Ukraine ab. Selbst wenn sich die Ukraine und Russland am Ende auf eine wie auch immer geartete Friedenslösung einigen, erwarte ich, dass die Beziehungen der EU zu Russland dauerhaft gestört sein werden. Es könnte 10 oder 20 Jahre dauern, bis wir wieder zu einer normalen Kommunikation mit Russland zurückfinden. Das bedeutet, dass die wirtschaftlichen Themen langfristig gestört sein werden. Ich sage aber auch: Wo etwas gestört ist, findet sich ein neuer Weg. Das kann Energie aus Südafrika sein, Stahl aus Brasilien oder Indien. Auch wenn sich das alles sehr dramatisch anhört, wir sind bei Wurst Stahlbau offensiv unterwegs und versuchen, das Beste aus der Situation zu machen. An welcher Stelle sind Sie durch den Ausfall ukrainischer oder russischer Lieferanten in besonderer Weise betroffen? Thomas Wurst: Betroffen sind wir vor allem durch Vorprodukte wie Stahlbrammen, also massive, lange Blöcke aus Stahl. Daraus werden verschiedenste Arten von Blechen hergestellt. Christian Wurst: Die Brammen für den europäischen Markt kamen bisher zu 50 Prozent aus der Ukraine. Dort wurden sie unter anderem mit russischer Kohle und russischem Erz produziert. Diese Lieferperformance ist weg. Auch in den nächsten zwei oder drei Jahren wird es die nicht wieder geben, selbst wenn es zu einem Frieden kommt. Thomas Wurst: Das wird irgendwann substituiert; die Frage ist, wie lange das dauert. Wirtschaftsforscher glauben, dass das ein bis zwei Jahre braucht. Christian Wurst: Selbst die Ersatzteilversorgung der europäischen Stahlwerke ist gefährdet, weil ein Großteil der Walzgerüste in der Ukraine hergestellt wird. Thomas Wurst: Das Ganze bedeutet auch – das haben wir schon in der Pandemie gelernt –, dass bestimmte Lieferketten nicht in die Globalisierung gehören. Christian Wurst: Daraus könnten

Glä

für uns als Unternehmen Chancen erwachsen. Als Folge einer De-Globalisierung, die möglicherweise auf uns zukommt, müssten in Deutschland und im europäischen Ausland neue Produktionsstandorte hochgezogen werden. Alle Stahlbau- und Bauunternehmen wollen daran natürlich partizipieren. Diese Investitionen werden kommen. Michael Wurst: Dazu gehört auch die Chipfabrik, die bei Magdeburg entstehen soll. Oder die Erneuerbare-Energien-Projekte, die jetzt angestoßen werden. Wie gehen Sie als Unternehmen praktisch mit der unübersichtlichen Gesamtlage um? Thomas Wurst: Wir versuchen, unsere Beschaffung abzusichern. Das macht im Moment eine Menge Arbeit; viele Mitarbeiter sind komplett unter Wasser, was das angeht. Wir wollen aber unbedingt lieferfähig bleiben. Außerdem geht es um die Preisbildung und die Frage, wie wir unsere Kunden da mitnehmen; wie wir sie an den Mehrkosten beteiligen können. An der Stelle müssen wir sehr transparent sein, das geht nur gemeinschaftlich. Christian Wurst: Unsere Erfahrung der letzten Wochen ist, dass die meisten Kunden das verstehen und Kompromisse von beiden Seiten möglich sind. Hinsichtlich des Unternehmensergebnisses im laufenden und im nächsten Jahr fahren wir auf Sicht. Wir versuchen unser Zahlenwerk so engmaschig zu halten, dass wir zeitnah die richtigen Entscheidungen treffen können. Mussten Sie durch die Pandemie Umsatzrückgänge hinnehmen?

„Nach einem eher schwachen Geschäftsjahr 2019 konnten wir sowohl im Jahr 2020 als auch im Jahr 2021 unser Ergebnis steigern.“ Thomas Wurst

ImposantePerspektive:derFirmensitzvonWurst Stahlbauin Bersenbrück.

Thomas Wurst: Nein, nach einem eher schwachen Geschäftsjahr 2019 konnten wir sowohl im Jahr 2020 als auch im Jahr 2021 unser Ergebnis steigern. Christian Wurst: Wir hatten allerdings einen deutlich geringeren Auftragseingang in den Monaten März bis Mai 2020. Wie durch viele Analysten vorhergesagt, gab es später aber Nachholeffekte. In den ersten drei Monaten der Corona-Krise haben wir angesammelte Mehrarbeitsstunden und Urlaubstage abgebaut. Kurzarbeit haben wir nur als Notfallinstrument gesehen und mussten letztlich gar nicht darauf zurückgreifen. Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft des Unternehmens aus? Christian Wurst: Das Unternehmen Wurst Stahlbau stellt sich schon seit Längerem breiter auf. Weg vom reinen Stahlbaugedanken werden wir mehr zu einem Bauunternehmen mit dem Gewerk Stahlbau. Darüber hinaus bieten wir den Kunden aber auch Spezialitäten, wie beispielsweise schlüsselfertige Lösungen, Projekte mit Zertifikaten der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) oder Gebäude, die auf ihre längerfristige Wertbeständigkeit gegenüber einem Kreditgeber hin konzipiert werden. Man kann dann genau sehen, welchen Wert die Rohstoffe, die wir eingesetzt haben, voraussichtlich nach 50 Jahren haben werden. Das sind ganz neue Ge-

. . . n e e d nzende I

dankenansätze. Vielleicht sind wir in zehn Jahren so weit, dass wir dem Kunden die Baustoffe für 50 Jahre leihen und sie anschließend wieder zurücknehmen, um sie anderweitig zu verbauen. Thomas Wurst: Das ist die Idee der Kreislaufwirtschaft, Cradle to Cradle, also zurück in die Natur. Das wird Kunden eine andere Betrachtung der Investitionsrechnung ermöglichen. Es wird eine Rolle spielen, welchen Fußabdruck ein Gebäude über eine 50-jährige Nutzungszeit hat. Welche Kosten entstehen in dieser Zeit beispielsweise für Energie? In welchem Umfang setzen Sie in Ihrer Produktion neue Technologien ein? Christian Wurst: Wir haben Anfang 2019 einen großen Schritt für das Unternehmen Wurst gemacht. Eine komplett roboterbasierte Zusammenbau- und Schweißlinie wurde in Betrieb genommen. Dort sind fünf Roboter im Einsatz. Das geht in Richtung einer voll automatisierten Produktion. Wir sind noch nicht bei 100 Prozent, können aber wohl 80 bis 85 Prozent Automatisierung abbilden. Im Materialzu-und -abtransport sind noch Mitarbeiter im Einsatz, außerdem in der Endkontrolle. Aufgrund verbesserter Rechnerleistung und Software sind wir in der Lage, die geometrischen Daten der CAD-Konstruktion eins zu eins an die Roboter zu übermitteln. Es ist also nicht mehr erforder-

Foto: Gerald Lampe

lich, den Roboter jeweils für die Aufgaben anzulernen. Eine andere Technik, die wir gerade in der Praxis erproben, sind sogenannte Laserscan-Bildwolken im Aufmaß von Gebäuden. Innenräume oder ganze Gebäude werden mithilfe dieser Technik in viele Milliarden Pixelpunkte aufgelöst, die können am Rechner in ein dreidimensionales Bild umgewandelt werden. Anschließend kann der Konstrukteur dieses Bild in seine CAD-Software laden und die entsprechenden Konstruktionen anlegen. Das funktioniert schon ganz gut. Mit Bordmitteln beschäftigen wir uns zurzeit auch mit der sogenannten „augmented reality“ (computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung). Zwei junge Mitarbeiterinnen wollen die vielen Daten aus der Produktion für die Kollegen an der Werkbank verfügbar machen. Die würden sich das Werkstück, an dem sie arbeiten, dann nicht mehr auf einem Stück Papier anschauen, sondern auf einem Tablet. Da ließe sich das Werkstück als dreidimensionale Darstellung frei in die Position drehen, die für die konkrete Arbeit gerade hilfreich ist. In der Produktion machen wir außerdem erste Schritte mit Datenbrillen, die den Mitarbeitern die einzelnen Arbeitsschritte anzeigen. Als Nächstes soll eine komplett visuelle Darstellung folgen, die ähnlich wie auf dem Tablet aussehen könnte. Auch für die Montage stre-

ben wir den Einsatz solcher Hilfsmittel an. Wir haben für solche Projekte keine eigene, große Abteilung, aber engagierte und kreative Mitarbeiter, die das im operativen Geschäft mitentwickeln. Was sich in der Praxis bewährt, nehmen wir in der Breite in die Produktion. Dient das der Erhöhung der Produktivität, der Qualitätsverbesserung oder vor allem der Entlastung der Mitarbeiter von schwerer körperlicher Arbeit? Christian Wurst: Alle drei Punkte treffen zu. Die Stückkosten pro Werkstück reduzieren sich, der mögliche Ausstoß steigt. Außerdem ist es eine Maßnahme gegen den Fachkräftemangel. Es gibt aber bereits weiter gehende Ideen. Wir stellen uns eine Zwitterlösung vor, eine Art Handhabungsroboter, der dem Mitarbeiter als „Kollege“ zur Seite steht und ihn bei seiner Arbeit unterstützt. Der Roboter wird dann beispielsweise Werkstücke anhalten, sie drehen oder Ähnliches. Mensch und Maschine würden gemeinsam arbeiten. Wenn Sie in die Medizin schauen, gewinnen Sie einen Eindruck des Potenzials. Bestimmte Operationen können Roboter heute schon viel genauer durchführen als Menschen, bei denen immer ein gewisser Unsicherheitsfaktor dabei ist. Diese Fähigkeiten werden über kurz oder lang auch in der Produktion Stand der Technik werden.

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VERLAGS-SONDERVERÖFFENTLICHUNG

METALL- & MASCHINENBAU

Lagerbestände hochfahren, Preise anpassen, neue Lieferanten finden Drei Maschinenbauer berichten, wie ihre Unternehmen trotz Corona und Krieg in der Ukraine Kurs halten

VON CHRISTOPH LÜTZENKIRCHEN DAMME/SALZBERGEN/NEUENHAUS

Inflationsgefahr, steigende Infektionszahlen, Probleme in den Lieferketten, Tausende Flüchtlinge – die täglichen Nachrichten sind voller beunruhigender Meldungen. Den Preisanstieg spürt jeder Verbraucher, spätestens beim Tanken. Wie bewältigen Unternehmen in der Region diesen Ritt aus der Krise in den Krieg? Wir haben mit drei namhaften Maschinenbauern gesprochen, die durch die Bank betroffen sind, und das nicht nur finanziell. „Die Lieferungen in die Ukraine versuchen wir aufrechtzuerhalten, es wird aber immer schwieriger“, sagt Jürgen Feld, Leiter Marketing bei der Grimme Landmaschinenfabrik aus Damme. Man stehe im engen Kontakt mit den ukrainischen Partnern und habe mit diesen schon über 100 Ukrainerinnen mit Kindern vor Ort unterbringen können. Laut Feld handelt es sich dabei zum größten Teil um Familienangehörige und Mitarbeiter der Partner. Die Frauen, Kinder und Senioren sind überwiegend privat bei Mitarbeitern von Grimme untergebracht. Auch Dennis Schürmann, Geschäftsführer des Spezialmaschinen-

bauers Tuchel aus Salzbergen, berichtet von sehr persönlichen Eindrücken im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine. Das Unternehmen betreibt ein Werk in Ungarn, das nur 200 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt liegt. Wenige Tage nach Beginn des Krieges war Schürmann dort und beobachtete viele Autos mit ukrainischen Kennzeichen auf dem Weg nach Westen. „Die Not und Hilflosigkeit vieler Menschen konnte man sehen und spüren“, so Schürmann. Die Solidarität der Ungarn mit den Ukrainern sei groß. Neben Geldspenden der Firma seien auch Sachspenden der Mitarbeiter in die Ukraine gebracht worden. Einen anderen Aspekt der Situation bringt Lutz Wolf zur Sprache. Er ist Vorstandsvorsitzender der Neuenhauser Gruppe mit Sitz in Neuenhaus. Das unter anderem im Maschinenbau tätige Mehrbereichsunternehmen hat Kunden in Russland und in der Ukraine. „Wir tun uns schwer, proaktiv die Verbindungen zu unseren langjährigen Partnern nach Russland abzubrechen“, sagt Wolf, „keiner weiß, was passieren wird. Wird es einen neuen Kalten Krieg geben? Kann sich das russische Volk seines Diktators entledigen? Je nachdem, wie es in Russland weiter-

JürgenFeld

Foto:Grimme

geht, würden wir dort wieder Geschäfte machen.“ Man verkaufe beispielsweise Walzen und Kompressoren in das Land. Der Anteil von Russland und Ukraine am Gesamtgeschäft liege im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Wesentliche Lieferanten habe Neuenhauser nicht in der Region, so Wolf weiter, dennoch komme die Krise über Umwege an. „Die Ukraine hat viel Stahl produziert“, erklärt er, „Vormaterialien für unsere Lieferanten sind weggefallen, das verändert die Verfügbarkeit und führt zu Preissprüngen. Hier handelt es sich um sehr relevante Preissteigerungen, teilweise hat das den Charakter von unkontrollierten Bewegungen beispielsweise bei Stahl, Aluminium oder Kabelbäumen.“

DennisSchürmann

Foto:Tuchel

Für Grimme war Russland vor dem Krieg eines der fünf wichtigsten Exportländer, es stand für acht Prozent der Umsatzerlöse. „Die Sanktionen und der hohe Rubelverfall haben naturgemäß zu einigen Stornierungen geführt“, berichtet Jürgen Feld. Aufgrund der weltweit hohen Nachfrage nach den Produkten sei es gelungen, dies zum Teil zu kompensieren. Ganz anders bei Tuchel, die Salzbergener verkaufen nicht viel in die Konfliktregion. Zu schaffen machen ihnen indirekte Faktoren, die sich auf ihren Einkauf auswirken. Aus der Region kämen viele Vorprodukte der Stahlproduktion, sagt Dennis Schürmann: „Eines der größten Stahlwerke Europas ist zerbombt worden, dieser Stahl fehlt auf den

ENGINEERING COPPER SOLUTIONS

LutzWolf

Foto:NeuenhauserGruppe

Märkten.“ Tuchel versorgt sich nun aus anderen Stahlwerken, beispielsweise in der Slowakei. Man sehe aber Risiken bei der Versorgung einiger Vormaterialien. Nahezu täglich erhalte man gravierende Preiserhöhungen mit kürzesten Vorlaufzeiten. Laut Grimme-Sprecher Feld hat sich der Stahlpreis in der Spitze innerhalb von nur zwei Jahren mehr als verdreifacht. Natürlich spreche man mit den Kunden auch über Preiserhöhungen, das sei gar nicht anders machbar. „Mal gibt es einen Käufer-, mal einen Verkäufermarkt“, sagt er, „unter Partnern nutzt man die Situation nicht bis zur Schmerzgrenze aus, sonst holt es einen irgendwann wieder ein.“ Auch Lutz Wolf von Neuenhauser

betont, dass man mit den Kunden über die außerplanmäßigen Materialpreisschwankungen spreche. In derartigen Situationen sei es wichtig, die Dinge transparent darzustellen. Deshalb setze man sich zusammen und erörtere den Einkauf und die Lagerhaltung. Bei Neuenhauser, aber auch bei Tuchel will man zur Absicherung die Lagerbestände hochfahren. Bei Grimme setzt man demgegenüber vor allem auf die traditionell hohe Fertigungstiefe und eine weitsichtige Einkaufsstrategie. „Für das Jahr 2022 ist unsere Materialversorgung in den meisten Bereichen vertraglich gesichert“, sagt Wolf. Trotz der Preissprünge macht er sich beim Stahl weniger Sorgen, weil infolge des Krieges mit sinkendem Bedarf zu rechnen sei. Schwieriger sei es bei Elektroteilen und Hydraulikkomponenten. „Wir haben teilweise Maschinen auf dem Hof stehen, an denen nur zwei oder drei Teile fehlen. Ohne die können sie aber nicht ausgeliefert werden“, so der Vorstandschef. Das koste Platz und binde Kapital. Das Auftragsbuch sei sehr gut gefüllt. „Allerdings ist die termingerechte Abarbeitung zwischen coronabedingten Mitarbeiterausfällen und teilweise knappen Materiallieferungen ein Ritt auf der Rasierklinge“, so Wolf.

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„Ich esse völlig ideologiefrei“ Wirtschaftstalk: Unternehmer Christian Eckstein über Fast Food, McDonald’s und pflanzliche Burger-Alternativen

Foto: imago/Rene Traut

Veganer Burger bei McDonald’s aktuell kein Massenprodukt. Erwartung der Gäste: Cheeseburger, Pommes frites und Big Mac. Ruf nach pflanzlichen Alternativen zum Fleisch wird lauter. VON NINA KALLMEIER Der Osnabrücker Unternehmer Christian Eckstein betreibt als Franchise-Nehmer 38 McDonald’s-Restaurants im Norden. Ein Gespräch über schnelles Essen, gesellschaftliche Diskussionen, vegane Herausforderungen und seine persönliche Einstellung zu vegetarischem und veganem Essen.

OSNABRÜCK

Herr Eckstein, Fast Food und vegetarisch/vegan, passt das zusammen? Ja klar, das ist für mich persönlich gar keine Frage! Letztendlich bestimmt der Gast, was auf seinen Burger kommt. Wünscht der sich denn eine pflanzliche Alternative, wenn er in eines Ihrer McDonald’s-Restaurants kommt? Unser veganer Burger ist aktuell definitiv noch kein Massenprodukt. Aber die Nachfrage nach pflanzlichen Alternativen zum Fleisch wird immer größer. Damit wird auch das Angebot erweitert, auch wenn es nicht explosionsartig wächst. Wie aufwendig ist es, in einem Schnellrestaurant für eine kleine Anzahl an Kunden pflanzliche Alternativen anzubieten? Das kommt darauf an, wie man Aufwand definiert. Schon heute werden Schweine- und Rindfleisch strikt getrennt voneinander zube-

DerOsnabrückerChristianEcksteinistFranchise-UnternehmerbeiMcDonald’s. Foto: McDonald’s

reitet. Es ist also keine Frage des handwerklichen Könnens. Wenn wir morgen vor der Aufgabe stehen würden, von jetzt auf gleich auf vegetarisch umzustellen, könnten wir das in unseren Küchen darstellen. Voraussetzung dafür ist jedoch die Nachfrage unserer Gäste, und die ist aktuell noch nicht entsprechend hoch. Ist das eine Kopfsache? Erwartet man vegetarische und vegane Produkte als Kunde bei Ihnen einfach nicht? Mit McDonald’s verbinden die Gäste Cheeseburger, Pommes frites und Big Mac. Aber Kunden trauen uns auch zu, Trends zu erkennen und auch zügig aufzugreifen. Auf der einen Seite ist McDonald’s also verlässliche Basis: Da weiß man, was man bekommt, und zwar immer und überall. Und auf der anderen Seite weiß der Gast aber auch, dass McDonald’s immer im Trend liegt, sich kontinuierlich verändert und anpasst. Man schaue auf die Digitalisierung im Restaurant. Es gibt bei uns keine Warteschlangen mehr an der Kasse, sondern der Gast bestellt an Terminals selbst. Nach anfänglicher Skepsis empfindet er das inzwischen als bessere Alternative.

führte Produkte auch in angemessener Menge verkauft werden. Und hier gibt es einen Unterschied zwischen dem Wunsch der Kunden nach mehr alternativen Produkten und den tatsächlichen Bestellungen an der Kasse. Der Wunsch nach Alternativen wird größer, und diesen hören wir auch im Gästefeedback. Aber die Gruppe derer, die Alternativen kauft, ist noch nicht so groß, dass es sich lohnt, das Sortiment im großen Rahmen zu erweitern. Für eine kleine Zielgruppe lohnt sich der Aufwand also nicht? Es braucht einen gewissen Durchsatz, damit ein Produkt schnell, in guter Qualität und zu einem vernünftigen Preis hergestellt werden kann. Wenige Verkäufe machen einen Burger nicht besser. Zumal mehr pflanzliche Alternativen auch zur Folge hätten, dass etwas anderes dafür aus dem Angebot entfernt werden müsste.

Nun ist Digitalisierung jedoch etwas anderes als vegetarische oder vegane Ernährung. Wo sehen Sie McDonald’s hier? McDonald’s beobachtet den Markt sehr genau und testet lokal zeitweise auch in einigen unserer Restaurants mit verschiedenen Alternativen. Der Ruf nach diesen wird immer lauter – hat aber noch keine Dimension erreicht, welche zu dieser Zeit bereits maßgebliche Auswirkungen auf unser Produktportfolio hat. Ich glaube, dass wir von dem Wendepunkt noch etwas entfernt sind.

Was heißt das für die vegetarische und vegane Zukunft in Ihren Restaurants? Als McDonald’s treffen wir den Geschmack der breiten Mehrheit, daher sind wir an dieser Stelle nach außen nicht die Speerspitze der Innovation für vegane und vegetarische Produkte. Ich bin kein Produktentwickler, sondern Unternehmer im Franchise-System. Doch wir werden Kunden immer das anbieten, was sie von uns erwarten. Und da steht außer Frage: Immer mehr Menschen wünschen sich mehr Tierwohl und wollen sich alternativ ernähren. Aktuell wirkt sich das jedoch noch nicht auf das Bestellverhalten der großen Mehrheit unserer Gäste aus.

Die Wettbewerber sind in Sachen Veggie oft weiter. Warum ist man bei McDonald’s so zaghaft? Um hervorragende Qualität zu günstigen Preisen anbieten zu können, leben wir davon, dass neu ein-

Wie groß muss der Zuspruch sein, damit Sie voll auf den Trend aufspringen? Der Zuspruch der Gäste muss relevant sein. Und bislang ist die Diskussion um das Thema vegane Er-

nährung größer als die Anzahl der Gäste, die den Trend nachfragen. Das zeigen auch Aktionen in Richtung veganer Angebote. Sie sind nicht in dem Maße angenommen worden, dass wir sagen würden: Wow, darauf müssen wir setzen. Wir haben traditionell schon immer einen Veggie-Burger im Angebot, aber es besteht ein großes Ungleichgewicht in der Nachfrage zwischen traditionellen Burgern und pflanzlichen Alternativen.

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Woran liegt aus Ihrer Sicht die Diskrepanz zwischen Wunsch und Bestellverhalten der Kunden? Das ist total spannend. Mit dem Wunsch nach mehr vegetarischen oder gar veganen Alternativen drückt ein Teil der Gesellschaft in Deutschland auch ein moralisches Gefühl aus. Man möchte sich im Einklang mit der Natur und Gesundheit ernähren. Die Auswahl der Speisen bei uns im Restaurant fällt hingegen meist eher konservativ aus. Ist das als Unternehmer manchmal frustrierend? Nein. Wir möchten unsere Gäste mit unserem Angebot zufriedenstellen. Die gesellschaftliche Dis-

kussion über bessere Haltungsbedingungen oder weniger Fleischkonsum verfolgen wir aufmerksam und leisten in Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten unseren Beitrag. Entsprechende Programme von McDonald’s reflektieren die gesellschaftliche Verantwortung. Wie halten Sie es persönlich mit der vegetarischen und veganen Küche? Überzeugt Sie die Fleischvariante eher oder die pflanzliche Alternative? Ehrlich gesagt, habe ich da keine Präferenz. Ich bin neugierig auf neue Dinge und probiere gerne vegetarische oder vegane Angebote. Schon allein, um mitreden und mir eine eigene Meinung bilden zu können. Bei McDonald’s in den Niederlanden habe ich vor Kurzem ein veganes Patty probiert, das Hühnerfleisch ersetzen soll. Das zum Beispiel hat mir gut geschmeckt. Ich esse völlig ideologiefrei: So wie heute vielleicht Rindfleisch oder Schweinefleisch auf den Tisch kommt, esse ich morgen vegan – solange es schmeckt. Sind Sie beim Probieren auch schon reingefallen? Selten. Ich liebe Burger. Die Geschmackskomposition eines Klassikers wie zum Beispiel des Big Mac wie auch eine gegebenenfalls vegane Alternative. Sehen Sie eine Zukunft ohne Fleisch, rein mit pflanzlichen Alternativen – auch beim Fast Food? Am Ende des Tages haben wir das Glück, uns frei entscheiden zu können, wie wir uns ernähren wollen. McDonald’s wird heute und auch in Zukunft Trends und Wünsche bei den Gästen im Angebot berücksichtigen. Ich bin mir sicher, wir werden zukünftig mehr alternative vegane und vegetarische Angebote sehen.


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Von den Schwächen der anderen lernen Ab Herbst kommt fleischlose Wurst auch aus Nortrup

Bekommt baldhausinterne Konkurrenz:die traditionelleSalaminuraustierischen ProteinenderFirmaTheFamilyButchers.

VON NINA STRAKELJAHN NORTRUP/VERSMOLD Die besten Proteine für die Kunden – „Best proteins for you“ – so lautet das Ziel des Unternehmens The Family Butchers, das vor zwei Jahren aus den Firmen Kemper (Nortrup) und Reinert (Versmold) hervorgegangen ist. Bisher galt das für tierische Proteine, denn die Firma The Family Butchers ist der zweitgrößte Produzent von Wurst- und Schinkenwaren in Deutschland. Nun aber soll das Geschäft ausgeweitet werden, und es sollen nicht mehr nur tierische, sondern vor allem pflanzliche Proteine genutzt werden. „Wir stellen proteinhaltige Lebensmittel her und sind da ganz unideologisch, ob das fleischhaltige Proteine sind oder die Quelle aus Pflanzen kommt“, betont auch Wolfgang Kühnl. Er ist zusammen mit Hans-Ewald Reinert Gesellschafter der Holding „InFamily Foods“ – zu dieser Holding gehören The Family Butchers und The Plantly Butchers. Letztere wurde vor Kurzem mit Sitz in Osnabrück gegründet. Ab Herbst sollen unter der Marke „Billie Green“ vegane Produkte verkauft werden. „Wir gehen zunächst mit sieben Produkten von Billie Green an den Start und bauen das Sortiment ab da kontinuierlich weiter aus“, sagt Sven Wieken, Geschäftsführer von The Plantly Butchers. „Bei uns wird es neben Auf-

Hiersollen die veganenProdukte derneuenMarke ThePlantlyButchersabHerbst produziertwerden: amStandort in Nortrup.

schnitt-Produkten auch einige Innovationen geben, die es in der Form bisher noch nicht als fleischfreie Alternative gibt“, verrät er. In Deutschland seien mittlerweile mehr als 50 Prozent der Menschen Flexitarier, die sich in ihrem Konsumverhalten breit aufstellten und auch mal auf Fleisch verzichteten, erklärt Kühnl – anders als zum Beispiel Veganer und Vegetarier, die grundsätzlich auf Fleisch verzichten. „Dem wollen wir als Unternehmen Rechnung tragen.“

„Bei uns wird es Innovationen geben, die es in der Form bisher noch nicht als fleischfreie Alternative gibt.“ Sven Wieken, Geschäftsführer von The Plantly Butchers

Aber auch andere Überlegungen spielen eine Rolle: „Die klassische Wurst- und Schinkenproduktion ist in Deutschland kein wachsender Markt, global sieht das anders aus“, sagt Kühnl. The Family Butchers sei seinen Angaben zufolge zwar der größte Exporteur von Wurstwaren ins europäische Ausland. „Wir müssen in Deutschland aber davon ausgehen, dass der Markt kontinuierlich leicht schrumpfen wird.“ Das führe natürlich zu Druck in der Branche. „Da muss man sich strategisch neu aufstellen, um diesen Schrumpfungskurs nicht einfach über sich ergehen zu lassen.“ Das Unternehmen sei da aber „adaptionsfähig“. Dabei gehört das Unternehmen aber bei Weitem nicht zu den Ersten, die sich diesem Thema widmen. Konkurrenzfirmen sind schon deutlich länger in dem Geschäft unterwegs. „Wir haben uns als Unternehmen etwas Zeit gelassen“, sagt Kühnl. Das, so der 41-Jährige weiter, habe aber auch einen Grund. „Wir haben uns genau angesehen, welche Produkte im Markt funktionieren, wie sich der Markt entwickelt und wo noch Schwachstellen sind.“ Auf den vielen Erkenntnissen, die so gewonnen wurden, will The Plantly Butchers nun aufbauen und sich abheben. Ein Schwerpunkt liegt deshalb auf dem Verzicht auf Zusatzstoffe. Bei Konkurrenzprodukten werde oft tief in die „lebens-

Fotos:TheFamilyButchers

Geschäftsführer von The Plantly Butchers: SvenWieken.

Gesellschafter der Holding „InFamily Foods“: Wolfgang Kühnl.

mitteltechnologische Trickkiste“ gegriffen. „Wir werden bei über 50 Prozent der Produkte, die wir im ersten Launch rausbringen werden, zusatzstofffrei sein“, sagt Kühnl. Unterscheiden sollen sich die Produkte vor allem auch im Proteingehalt. Viele Konkurrenzprodukte besäßen heute einen hohen Anteil an Kohlenhydraten, auch als Saccharide bezeichnet. Aus Sicht von Kühnl stellen sie so aber keine wirkliche Alternative dar. Eine Scheibe Brot sei schon reich an Kohlenhydraten, diese mit Aufschnitt mit vielen weiteren Sacchariden zu belegen mache ernährungsphysiologisch wenig Sinn, sagt der Lebensmitteltechnologe. Die Produkte von The Plantly Butchers sollen sich deutlich davon unterscheiden. Ein Produkt, das im Herbst auf den Markt kommen wird, ist eine Salami. Das Original aus Fleisch hat in der Regel 25 bis 30 Prozent Protein, bisherige Alternativen unter fünf Prozent. Das Produkt aus dem Hause The Plantly Butchers komme deutlich näher an den Proteingehalt des Originals heran, verspricht Kühnl. Bei der Salami ist das Unternehmen zur Erreichung dieses Ziels auf einem guten Weg. „Das gelingt noch nicht für alle Produkte, aber das ist unsere Stoßrichtung“, betont er. Die Salami verdeutlicht auch noch ein weiteres Ziel, das das Unternehmen mit den neuen Produkten anvisiert: eine sehr ähnliche Textur des neuen Produkts. Zwar gibt es bereits vegane Salamis am Markt, „vom Mundgefühl seien sie aber eher wie eine Brühwurst“, erklärt Kühnl den Unterschied in der

Beschaffenheit. Deshalb will The Plantly Butchers einen klassischen Salamiprozess für das vegane Produkt aufsetzen – inklusive Trocknen und Reifeprozess –, sodass die vegane Variante „der Fleischsalami sehr, sehr nahekommt“. Um diesen Ansprüchen gerecht werden zu können, hat sich The Plantly Butchers mit einem Startup aus Münster zusammengetan. „Der erste Schritt der Entwicklung findet in kleinem Maßstab statt – zunächst im Labor und später in unserer Versuchsküche“, erklärt Sven Wieken. Gemeinsam mit Novel Vegan Crafts führe das Entwicklungsteam so lange Kleinstversuche durch, bis diese auf gesamter Linie überzeugen und dann auf größere Maschinen übertragen werden

könnzen. Dabei unterscheide sich die Produktionsweise nicht wesentlich von herkömmlicher Wurstherstellung. Die ersten Produkte basieren auf Weizen, also Gluten. „Wir sind da aber sehr offen“, sagt Kühnl. Auch andere pflanzliche Proteine seien denkbar. Produziert werden die veganen Produkte dann im Werk 1 in Nortrup. Darauf müsse man sich einstellen, es seien aber keine größeren Schritte notwendig. Die Rohlingsproduktion sei zwar unterschiedlich, beim Aufschnitt und Verpacken sei aber wieder vieles sehr ähnlich. Wichtig sei nur, dass man die Wurstsorten separat herstelle. „In einem veganen Produkt will man schließlich kein Fleisch finden“, betont Kühnl. Perspektivisch könnte es in Nortrup vielleicht auch ein eigenes Werk für die veganen Produkte geben. Auch wenn das Unternehmen einen neuen Markt erobern will, sollen beide Standbeine aufrechterhalten werden. „Wir bekennen uns auch zu unserer Herkunft und zu unserer Tradition, aber natürlich muss und sollte man auch die traditionelle Wurst- und Schinkenproduktion hin zu mehr Tierwohl und zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft vorantreiben“, sagt Kühnl. In beiden Feldern brauche es Innovationen. „Am Ende entscheidet der Konsument, in welche Richtung wir uns weiterentwickeln.“

ZUR SACHE

The Family Butchers Vor gut zwei Jahren schlossen sich die Unternehmen Kemper aus Nortrup und Reinert aus Versmold zu The Family Butchers zusammen. Kemper gibt es bereits seit 1888. Reinert wurde 1931 gegründet und ist unter anderem durch seine Sommer- und Bärchenwurst bekannt. Die Gründer von The Family But-

chers: Wolfgang Kühnl, dessen Urgroßvater Hermann Kemper den Transrapid erfunden hat, der mittlerweile vor dem Sitz in Nortrup zu bestaunen ist. Kühnl leitet den Familienbetrieb Kemper in der fünften Generation. Hans-Ewald Reinert ist gelernter Fleischer sowie studierter Betriebswirt und seit 2001 Ge-

schäftsführer von Reinert. An acht Standorten arbeiten insgesamt 2400 Mitarbeiter. Der Jahresumsatz liegt bei 720 Millionen Euro. Mit The Plantly Butchers soll nun parallel ein auf vegane Wurstwaren spezialisiertes Unternehmen aufgebaut werden. Sitz der neuen Firma soll Osnabrück werden.


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Veggie im XXL-Format? Wie Großküchen auf die Nachfrage nach fleischlosen Gerichten reagieren / Jüngere greifen eher zur trendigen Kost

VON SEBASTIAN HAMEL Der Wunsch nach veganer und vegetarischer Kost erreicht auch vermehrt Großküchen und Cateringbetriebe, die tagtäglich eine Vielzahl an Gerichten zuzubereiten haben. Dies zeigen Nachfragen bei entsprechenden Firmen in der Region. Die Küchenchefs begegnen der Herausforderung mit Kreativität, setzen sowohl auf neue Rezepte als auch auf bewährte fleischlose Klassiker. Beim Unternehmen Apetito mit Hauptsitz in Rheine war die Currywurst mit Wellenschnittpommes 28 Jahre lang in Folge ungeschlagener Spitzenreiter im Bereich der Betriebsverpflegung – im Corona-Jahr 2020 haben es die Spaghetti bolognese auf den ersten Platz geschafft. „Dass beide Gerichte die Hitliste anführen, ist auch für uns eine interessante und spannende Erkenntnis, da gesellschaftlich ja vor allem in Richtung einer ausgewogenen Ernährung diskutiert wird“, heißt es seitens des Unternehmens. Bei den Seniorinnen und Senioren sei nach wie vor die Rinderroulade der Favorit – in Kindertagesstätten und Schulen liege allerdings ein vegetarisches Menü vorn: die Linsensuppe. Grundsätzlich stellt die Apetito AG fest: „Es wird immer mehr Wert auf eine gesunde Ernährung gelegt. Und das zeigt sich auch klar auf den weiteren Plätzen der Menü-Charts. Hier kommen vegetarische, leichte und trendige Gerichte zum Zug.“ Im Rahmen eines Sortimentswechsels im Herbst 2021 habe man das Angebot an vegetarischen Menüs für die Gemeinschafts- und Individualverpflegung mit 19 neuen Gerichten ausgeweitet: „Die Menülinie ,Veggie-Power‘ verfolgt inzwischen seit sechs Jahren den stetig wachsenden Trend zu pflanzlicher Ernährung und bietet bereichsübergreifend vegetarische Highlight-Mahlzeiten an – also über alle Märkte hinweg: angefangen bei der Kita-Verpflegung bis hin zu Essen auf Rädern.“ Weiterhin berichtet Apetito: „Vegane Produkte genießen insbesondere in der Betriebsverpflegung Beliebtheit, wenngleich die Zahl der Flexitarier und Vegetarier in unseren Märkten noch deutlich höher ist.“ Offen für Neues und mit Augenmerk auf eine bewusste Ernährung im Sinne der Nachhaltigkeit probierten häufig junge Erwachsene in diesem Marktsegment auch alternative Gerichte aus. Voraussetzung sei natürlich, dass es interessante Rezepturen seien: „So essen auch Tischgäste vegane Gerichte, ohne gleich Veganer zu sein. Deshalb bieten wir für diese Zielgruppen auch vegane Produkte an. In Summe sind es rund 150 Menüs und Menükomponenten.“ Der Trend zu einer ausgewogenen und gesunden Ernährung habe sich durch Corona positiv weiterentwickelt. Dazu gehöre eine höhere Wertschätzung für Lebensmittel im Allgemeinen und im Besonderen eine steigende Nachfrage nach Gerichten, die zum Beispiel einen Beitrag zum eigenen Wohlbefinden leisteten. Dies werde in vielen Bereichen festgestellt. In der Zukunft rechne man jedoch damit, dass die bewährten Menüs wie Currywurst und Spaghetti bolognese innerhalb der Betriebsverpflegung auch weiterhin stark nachgefragt würden: „Wir erwarten eine ausgewogene Mischung: einen weiteren Trend hin zu vegetarischen und leichten Gerichten. Bei all der Ausgewogenheit darf es ernährungsphysiologisch dann auch mal die Currywurst sein.“ NORDHORN/OSNABRÜCK

Einen Klassikerder fleischlosenAngeboteihresBetriebes präsentierenhier„Mahlzeit“-BetriebsleiterJürgenBergjanundKüchenchefDenisSenf :ReibekuchenmitApfelmus.

Nun ein Blick in die Grafschaft Bentheim: Das Unternehmen „Mahlzeit!“ wurde 2014 als integrativer Betrieb gegründet und ist der Lebenshilfe Nordhorn gGmbH angegliedert. Heute gehen 40 Mitarbeitende mit und ohne Handicap dort ihrer Tätigkeit nach. Die Firma untergliedert sich in drei Bereiche: die Großküche, die unter anderem Pflegeheime beliefert, die Bistros, welche am Unternehmenssitz an der NINO-Allee, im Kreishaus, an den Berufsbildenden Schulen und im ebenfalls zur Lebenshilfe gehörenden Hostel „MoveInn“ zu finden sind, sowie einen Catering-Betrieb, zu dessen Stammkunden auch namhafte Akteure wie der Handballverein HSG Nordhorn-Lingen zählen. Durchschnittlich 1500 Mahlzeiten werden täglich unter Leitung

„Ganz weg vom Fleisch? Da fehlt mir ein wenig die Fantasie.“ Mario Mengering, Küchenchef im Marienhospital Osnabrück

von Küchenchef Denis Senf und seinem Koch-Kollegen Karol Wojdyla zubereitet. Die Nachfrage nach vegetarischen und veganen Gerichten werde zwar auch bei „Mahlzeit!“ reger, sagt Jürgen Bergjan, Verantwortlicher für die gastronomischen Dienstleistungen innerhalb der Lebenshilfe – noch immer sei dies aber ein geringer prozentualer Anteil. Er führt dies auf die ländlich geprägte Region zurück: „Wenn ich mit Kollegen aus Berlin oder Hamburg spreche, haben diese gar kein Problem damit, einen kompletten veganen Speiseplan aufzustellen“, meint Bergjan. „Hier aber müssen die Koteletts groß sein.“ Mit Blick auf vegan lebende Menschen sind ihm in der Vergangenheit besonders zwei Gruppen begegnet: diejenigen, die zwar fleischlos leben möchten und nicht wollten, dass für ihr Essen ein Tier getötet werde, aber nur wenig Zeit für die Zubereitung ihrer Speisen aufwendeten und deshalb zu fertigen Ersatzprodukten wie veganer Mortadella griffen. Und da seien die anderen, die sich ebenfalls vegan ernährten, aber mehr auf die Inhaltsstoffe achteten, vor langen Zutatenlisten zurückschreckten und gerne selbst am Herd stünden. „Wenn diese Gruppen in den Supermarkt gehen, finden sich am Ende ganz unterschiedliche Dinge in den Einkaufswagen“, ist sich Jürgen Bergjan sicher. Was er damit sagen möchte: Bei der Konzeptionierung eines Speiseplans mit fleischlosen Alternativen gehe es um mehr, als neben der „echten“ Bratwurst noch eine vegane Wurst anzubieten. „Damit triffst du nicht alle“, stellt er klar. Der Einsatz gesunder, natürlicher Zutaten ist für ihn nicht verhandelbar. Im Stammbistro von „Mahlzeit!“, wo täglich zwei verschiedene Mittagsgerichte angeboten werden, sind in der Vergangenheit vermehrt

„hybride“ Speisen zum Einsatz gekommen – die also wahlweise mit oder ohne Fleisch zu bekommen sind. Ein Beispiel ist der Eintopf genannt, dem auf Wunsch noch Fleischklößchen hinzugefügt werden, oder das Pasta-Gericht, das mit Schinkenstreifen garniert werden kann, aber auch ohne diese gut schmeckt. Ein wichtiges Instrument sei die vorherige Online-Veröffentlichung des Speiseplans: Vegetarier und Veganer nutzten gezielt diese Information, um zu schauen, ob sich am entsprechenden Tag der Weg zu „Mahlzeit!“ lohne. Ist bei den zwei Mittagsgerichten nichts Passendes dabei, kann auf eine Auswahl an ständig verfügbaren „À-la-carte“-Menüs zurückgegriffen werden. „Fleischlose Gerichte begleiten uns diesbezüglich

Foto: S.Hamel

schon seit 2014“, sagt Jürgen Bergjan. Ein Klassiker aus der Karte, der von jeher gerne genommen wird: Reibekuchen mit Apfelmus. Interessante Erfahrungen werden auch aus der Küche der NielsStensen-Kliniken, Marienhospital Osnabrück, geschildert. Täglich sind dort rund 600 Patienten mit Frühstück, Mittagessen und Abendbrot zu versorgen. In der hauseigenen Cafeteria werden zurzeit nur Mitarbeiter verköstigt, vor der Corona-Pandemie waren dort auch Besucher zu Gast. „Täglich geben wir circa 200 Frühstücke sowie 300 Mittagessen aus. Darüber hinaus versorgt die Küche einen benachbarten Kindergarten, in dem etwa 150 Kinder betreut werden, mit Mittagessen“, sagt Küchenchef Mario Mengering.

Seit rund zwei Jahren werde bemerkt, dass die Nachfrage nach vegetarischen, aber auch nach veganen Produkten größer werde. Dies spiegele sich nicht nur in der Mitarbeiterverpflegung wider, sondern auch bei den Patienten: „Dabei handelt es sich aber eher um die Generationen unter 50 Jahren: Je jünger, desto größer ist die Nachfrage nach vegetarischer und veganer Kost.“ Leistbar, solche Gerichte anzubieten, sei das schon, meint Mengering: „Es bedarf aber schon einiger Vorplanungen. Alternativen werden uns seitens der Lebensmittelhersteller reichlich geboten, und gefühlt werden es monatlich mehr.“ Wie aber gestaltet sich die konkrete Zubereitung der fleischlosen Kost? Ist es anstrengend – oder hat es seinen Reiz? „Ja, es macht auch riesigen Spaß, vegan und vegetarisch zu kochen“, bestätigt Mario Mengering. „Kreativität ist in vielen Bereichen der Zubereitung gefragt, das ist unser täglich Brot.“ Die Köchinnen und Köche empfänden es sogar als sehr abwechslungsreich, in diesen Bereichen wieder mehr gefordert zu werden und eigene neue Ideen mit umsetzen zu können. „Anstrengend wird es leider an dem Punkt, gesunde und abwechslungsreiche Ernährung mit den wirtschaftlichen Zwängen unter einen Hut zu bekommen.“ Apropos Finanzen: Ist die Herstellung fleischloser Gerichte denn teurer? Oder vielleicht sogar günstiger? „Das ist unterschiedlich“, sagt der Küchenchef. „Es gibt vegetarische Produkte, die lassen sich perfekt in die Kalkulation einbauen, andere wiederum gar nicht.“ Auch bei diesen Lebensmitteln sei das abhängig von der Qualitätsstufe und des sogenannten Convenience-Grades. „Bei veganen Produkten würde ich sagen, dass sie generell etwas teurer sind. Aber durch eine gesunde Mischkalkulation lassen sich sowohl vegetarische als auch vegane Produkte in den Tagesplan einbauen.“ Eine rein vegane Zukunft sieht Mengering allerdings nicht: „Ganz weg vom Fleisch? Da fehlt mir ein wenig die Fantasie“, sagt er. „Aber eine ausgewogene Ernährung mit weniger Fleisch und mehr alternativen Proteinen wird bestimmt kommen. Mittlerweile ist vegetarische oder vegane Ernährung ja nicht mehr nur ein Trend, wie die jährlichen Steigerungsraten uns immer wieder zeigen. Gerade die jüngeren Generationen werden vermehrt diese Ernährungsform fordern und fördern.“


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DONNERSTAG, 28. APRIL 2022

SPEZIAL VEGGIE & VEGAN

SPEZIAL VEGGIE & VEGAN

Der Fleischverzicht alleine reicht nicht jedem

Fleischverzicht in Deutschland ein Thema

Anteil der Befragten, die versuchen wollen, weniger Fleisch zu essen (in Prozent) Deutschland

42 Prozent

Italien

37

Brasilien

31

Indien

29

Südafrika

26

Australien

25

USA

23

China

22

Heute wird nicht mehr einfach gegessen, was auf den Tisch kommt. Immer mehr Menschen wollen vorher wissen, woher die Lebensmittel stammen. Wie sind sie angebaut, gezüchtet und gehandelt worden? Was enthält das Essen? Und nicht zuletzt legen mehr als sieben Millionen Menschen in Deutschland wert darauf, dass ihre Ernährung weitgehend fleischfrei ist.

Vorsicht: Tier Zuwachs auf niedrigem Niveau

Lab aus dem Kälbermagen im Käse, Reste von Schalentieren auf Bananen: Vegetarier müssen auf der Hut sein. In vielen Lebensmitteln sind tierische Produkte auf den ersten Blick nicht zu erkennen, oft nicht mal auf den zweiten, die Vorschriften, wie Inhaltsstoffe aufgelistet werden müssen, bergen reichlich Schlupflöcher.

Anzahl der Personen in Deutschland, die sich selbst als Vegetarier einordnen oder als Leute, die weitgehend auf Fleisch verzichten (in Millionen) 5,31 5,36 5,29 5,70 6,31 6,10 6,50 7,50 Mio.

Dass Gummibärchen mit Gelatine einen Stoff enthalten, der aus dem Bindegewebe von Rindern und Schweinen gewonnen wird, hat sich nicht nur unter Vegetariern herumgesprochen. 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021

Weniger bekannt ist, dass viele rote Süßigkeiten ihre Farbe durch getrocknete Läuse erhalten, die zu diesem Zweck extra gezüchtet werden. Verborgen hinter dem Inhaltsstoff E120 oder dem Namen „echtes Karmin“, steckt der Stoff auch in Shampoos oder Lippenstift.

Fleischersatz auf dem Vormarsch

Geschätzter Umsatz mit Fleischersatzprodukten in Deutschland in Mio. Euro 2009

203 Mio. Euro

2020

357

2021

414

2022

480

Käse gilt vielen als tierfreundlicher Ersatz für Wurst. Weit weniger wissen: Viele Käsesorten entstehen bis heute mit einem Stoff, der durchaus Tierleid verursacht. Damit die Milch in der Käserei gerinnt, ist ein bestimmtes Gemisch an Enzymen nötig, das sogenannte Lab. Gewonnen wird es, indem die Magenschleimhaut von Kälbern klein gehäckselt und die nötigen Enzyme extrahiert werden.

Umsatzverteilung Fleisch vs. Fleischersatzprodukte 2020 in Deutschland 0,9 %

36,3 % 62,8 %

Bis heute wird jeder dritte Käse mit natürlichem Lab erzeugt. Auf den Verpackungen ist nicht eindeutig ausgewiesen, ob natürliches oder synthetisches Lab genutzt wurde.

Fleischersatz Verarbeitetes Fleisch Frisches Fleisch

Das gute Gewissen der Vegetarier muss auch durch unerwartete Entbehrungen erkauft werden. Viele Chipssorten etwa enthalten tierische Inhaltsstoffe, über die die Inhaltsliste vornehm schweigt.

Quellen: IfD Allensbach, Statista Global Consumer Surves

Es gibt ganz unterschiedliche Motivationen, auf tierische Produkte wie Fisch und Fleisch zu verzichten und sich rein pflanzlich zu ernähren. Manche werden Vegetarier, weil ihnen die Bilder von grausam gehaltenem Schlachtvieh nicht mehr aus dem Kopf gehen und sie mit ihrer Ernährung Respekt vor dem Leben zeigen wollen. Andere sind durch BSE, Schweinepest oder Antibiotikareste in Fleisch zur Überzeugung gelangt, dass sie ohne Fisch und Fleisch gesünder leben. Wieder andere entscheiden sich für diese Ernährung, weil ihnen der Schutz des Klimas am Herzen liegt. Schließlich verursacht die Produktion eines Kilogramms Rindfleisch etwa so viel CO2 wie eine 250 Kilometer weite Autofahrt. All diese Gründe zusammen haben die Zahl der Vegetarier in Deutschland inzwischen auf mehr als sieben Millionen steigen lassen. Wobei Vegetarier nicht gleich Vegetarier ist:

Vegetarier

Pescetarier

Veganer

Frutarier

Ovo-Lacto-Vegetarier essen sowohl Eier als auch Milch und Milchprodukte wie Käse und Joghurt.

Haben einen schweren Stand gegenüber Vegetariern der reinen Lehre. Sie verzichten zwar auf Fleisch, essen aber sehr wohl Fisch, viele auch Meeresfrüchte.

Die konsequenteren Vegetarier. Verzichtet wird auf alle tierischen Produkte, also neben Fisch und Fleisch auch auf Eier, Milch, Honig. Vielen Veganern springt der Kirchenmann Hieronymus von Bethlehem zu kurz, der vor mehr als anderthalb Jahrtausenden von „Cibi innocentes“, also von unschuldigen Speisen, sprach, „die ohne Blutvergießen gewonnen werden“.

Erweitern die Rücksichtnahme bei der Ernährung vom Tier auf die Pflanze. Gegessen werden ausschließlich pflanzliche Produkte, die nicht die Pflanze selbst beschädigen.

Lacto-Vegetarier verzichten auf Eier, stören sich aber nicht an Milch und Milchprodukten.

Ovo-Vegetarier ergänzen ihren Speiseplan um Eier und Eiprodukte.

Die meisten Pescetarier begründen diese Ausnahme mit ernährungsphysiologischen Vorzügen, etwa den Omega-3Fettsäuren, die in Fisch enthalten sind und denen reichlich positive Wirkungen zugeschrieben werden.

Weil auch für Pelz und Leder Tiere sterben, gibt es inzwischen eine lebhafte vegane Modeszene, die ohne Wolle und Seide auskommt. Obacht ist auch beim Kauf von Kosmetik angebracht: In vielen Produkten finden sich tierische Inhaltsstoffe wie Lanolin oder Collagen.

Eine Möhre zu essen ist für Frutarier ausgeschlossen, da der Verzehr die Pflanze vernichtet. Verzichtet wird aber auch auf Nüsse und verschiedene Obstsorten, weil diese, botanisch gesehen, als Früchte oder Samen Teil der Pflanze sind. Dagegen essen Frutarier sehr wohl Äpfel oder Birnen, weil ihre Ernte den Baum nicht verletzt oder zerstört.

Der oft enthaltene Milchzucker verdirbt nur den Veganern den Appetit, doch räumen große Hersteller auf Nachfrage ein, dass auch tierische Inhaltsstoffe vom Wild oder Kalb verwendet werden, ohne dass die Packung dies klarmacht. Bei Aromen etwa müssen Hersteller die Ausgangsstoffe nicht offenlegen. Eine Blackbox für Menschen, die sich bewusst ernähren wollen. Auch in der Backstube müssen Veganer und Vegetarier mit unliebsamen Überraschungen rechnen. Damit sich Mehl leichter kneten lässt, werden gern Vogelfedern und Schweineborsten eingesetzt. Beides verbirgt sich hinter dem Zusatzstoff L-Cystein, eine Aminosäure mit dem Kürzel E920. Ob diese ausgewiesen werden muss oder nicht, darüber herrscht Unklarheit, doch auf der Brötchentüte werden ohnehin keine Inhaltsstoffe aufgelistet.

Motive: Colourbox.de


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SPEZIAL VEGGIE & VEGAN

Gefragte Tipps für Laien und Profis Die Emsländerinnen Sandra Tieben und Sonja Hessenius betreiben Blogs über vegetarische und vegane Rezepte

VON HERMANN-JOSEF MAMMES FEHNDORF/RASTDORF Sandra Tieben und Sonja Hessenius kennen sich zwar nicht persönlich, teilen aber viele Gemeinsamkeiten. Die beiden jungen Frauen sind jeweils in ihren Heimatdörfern im Emsland tief verwurzelt, engagieren sich ehrenamtlich, sind beruflich erfolgreich und teilen Erfahrungen und Rezepte über ihre vegane Lebensweise über Social Media als Bloggerin mit anderen Menschen. Passend zu ihrem Heimatort Fehndorf an der niederländischen Grenze, nennt die 32-jährige Sandra Tieben ihren Blog „Moin Sandra“. Die selbstständige Medieninformatikerin isst seit neun Jahren konsequent kein Fleisch mehr. Auslöser ihrer Entscheidung sind klimaschutzpolitische Aspekte. „Es kann nicht sein, dass ein Drittel der landwirtschaftlichen Flächen zum Anbau von Tierfutter dient“, sagt die Grünen-Politikerin in ihrem Büro. Es befindet sich im Obergeschoss des 5-Sterne-Campingplatzes in Fehndorf. Sie könne nicht mehr verantworten, dass der hohe Konsum von Fleisch- und Milchprodukten auf Kosten von gewaltigen Umweltschäden immer weiter forciert werde. Auch wenn die Umstellung der Ernährung anfangs schwierig war, habe sie schnell gemerkt, dass es möglich sei. Auf der Suche nach veganen Lebensmitteln stellte sie in den ersten Jahren fest, dass sie in den direkt angrenzenden Niederlanden eine größere Auswahl vorfand. „Deutschland hat aber inzwischen aufgeholt.“ So erhält sie „vegane Schlagsahne“ für ihr Lieblingsrezept „Nougat-Sahne-Torte“ mittlerweile auch im Supermarkt im wenige Kilometer entfernten Haren. Wie für alle ihre Rezepte gibt es hierzu genaue Anleitungen auf ihrem Blog. Dabei sind alle Rezepte Eigenkreationen. „Ich brauche nicht selten sechs bis acht Stunden für eine neue Kreation.“ Dazu braucht es oft mehrere Anläufe, bis die 32Jährige mit dem Ergebnis zufrieden ist. Ihr bester Küchenhelfer ist der „Thermomix“. Sandra Tieben hat einen eigenen 220 Quadratmeter großen Obstund Gemüsegarten in Fehndorf. Dort hat sie mit ihrem Lebenspartner einen alten Stall zum Wohnhaus umgebaut. Und auch in der Wohnung zieht sie auf den Fensterbänken unter anderem Kräuter oder Bohnen, Erbsen und Tomaten heran. „Für mich ist es wichtig, regionale, aber auch saisonale Gerichte zu kochen und meinen Followern zu präsentieren.“ Tomaten aus Tunesien oder Spargel aus Griechenland sind für sie tabu.

Bietetauch Beratungsgespräche über richtige Ernährung an: Bloggerin SonjaHessenius ausRastdorf, Foto: MOOVE Design/Jessica Kretzmer

Kennt sichaus in ihremkleinenGartenundmitdem Obst undGemüse, dasdortwächst:SandraTiebenausFehndorf.

„Statt Orangen aus Spanien gibt es bei mir im Winter Äpfel, die ich im Keller lagere.“ Zudem koche sie im Sommer und Herbst viel Obst und Gemüse ein. 20 Gläser Apfelmus stehen immer noch im Regal. Auch wenn sie „manchmal noch Hunger auf Fleisch oder Fisch“ hat, reizt sie es immer wieder, neue Lebensmittel und Gerichte auszuprobieren. Die Palette reicht von Hirse über Grünkern, verschiedene Hülsenfrüchte, Tempeh und Steckrüben bis hin zu neuen Salatsorten. Ihre Gerichte teilt sie jedoch nicht nur auf ihrem Blog „Moin Sandra“. Auch Restaurants aus dem Emsland klopfen bei ihr an. „Einige Köche bitten mich sogar um Ratschläge und kochen meine Rezepte.“ Überhaupt stelle sie fest, dass „die meisten guten Restaurants im Emsland mindestens zwei oder drei vegetarische Gerichte“ auf der Speisekarte führten. „Bei veganen Gerichten wird es aber schon etwas schwieriger.“ Trotzdem merkt sie, dass sich immer mehr Freunde und Verwandte wie ihre Schwester inzwischen vegetarisch ernähren.

„Ich selbst ernähre mich zu 98 Prozent vegan.“ 100 Prozent sei fast unmöglich. So trinke sie gerne schon mal ein gutes Glas Wein. Aber bereits beim Filtervorgang des Weins würden die strengen veganen Vorgaben oft nicht eingehalten. Die Emsländerin hat aber in Restaurants die Erfahrung gemacht, dass „kaum ein Kellner weiß, wie der Wein exakt hergestellt“ wurde. Als Bloggerin ist sie auf Facebook, Instagram und Pinterest aktiv. Die „ältere Community auf Facebook“ ist vor allen Dingen an den Rezepten interessiert. Bei Instagram gehe es mehr um den interaktiven Austausch. Auf Pinterest passiere am wenigsten. Eine weitere Gemeinsamkeit der beiden Bloggerinnen aus dem Emsland ist, dass sie nicht stündlich oder täglich alles über ihr Privatleben preisgeben. Dabei erfahren die User trotzdem auf der Startseite relativ viel über die Persönlichkeiten der beiden Frauen und wie sie letztendlich zu Veganerinnen wurden. Waren es bei der 32-jährigen Fehndorferin Sandra

Tieben klimapolitische Aspekte, die zur veganen Ernährung führten, gaben bei der 28-jährigen Sonja Hessenius aus dem emsländischen Rastdorf persönliche Motive den Ausschlag. „Vor über zehn Jahren war meine liebste Beschäftigung, im Bett zu liegen und Süßes zu essen“, schreibt die Kundenberaterin der Sparkasse Werlte auf ihrem Blog „Sonja Düttmann – Ernährungsberatung“. Düttmann ist der Mädchenname der gebürtigen Werlterin. Als Jugendliche habe man sie durchaus aufgrund „einiger Pfunde zu viel“ aufgezogen, verrät sie im Gespräch. Auf ihrem Blog liest sich das so: „Irgendwann, nachdem ich in den Spiegel blickte und supertraurig wegen meines Bauchs war, entschied ich mich abzunehmen.“ Dabei rutschte sie ins Extreme ab, und nahm sofort zu viel ab. Sie habe sich dann im Fitnessstudio angemeldet, „um noch mehr abzunehmen“. Sie trainierte fast täglich. Auch dank der Ratschläge der Trainer probierte sie vegane und vegetarische Lebensmittel. Heute weiß sie: „Das richtige Mindset und die persönliche Balance zu finden ist unheimlich wichtig und superwertvoll.“ Sie habe sich nicht „von jetzt auf gleich“ nur noch vegan ernährt. „Ich habe mich erst einmal eingelesen.“ Auch wenn sie keinen eigenen Gemüsegarten hat, kauft sie bewusst ein. „In Werlte erhält man viele vegane Lebensmittel.“ Dabei kocht und backt sie leidenschaftlich gern. Monsieur Connect, die preisgünstige Thermomix-Variante eines Discounters, ist ihr wichtigster Helfer. So präsentiert sie seit knapp zwei Jahren auf ihrem Blog immer wieder neue vegane Gerichte von Brötchen über Pizza bis zum Linsencurry mit Nudeln. „Mein Lieblingsgericht sind Spaghetti mit Linsenbolognese.“ Auch

Foto: Hermann-JosefMammes

wenn sie zugibt, dass es in der Grillsaison in ihrer Wohnsiedlung „schon sehr gut riecht“, zeigt sie sich standhaft: „Fleisch fehlt mir nicht. Ich werde es nie wieder essen.“

„Einige Köche bitten mich sogar um Ratschläge und kochen meine Rezepte.“ Sandra Tieben, Bloggerin

Im Fernkurs ließ sie sich zudem zur zertifizierten Ernährungsberaterin ausbilden. So finden sich außer den Rezepten auch weitere Angebote auf ihrer Homepage. Für 35 Euro erhalten Kunden eine Beratung über den individuellen Kalorienbedarf. Ein Ernährungsplan für drei Monate kostet 220 Euro, und für 35 Euro erstellt Hessenius eine Einkaufsberatung, auf Wunsch auch mit Begleitung beim Einkauf. In Videos zeigt die durchtrainierte Sportlerin, wie man mit Übungen auf einer Iso-Matte daheim unter anderem Po-, Bein- und Bauchmuskulatur auf Vordermann bringt. Während sie zu Hause „vegan“ kocht, hat sie keine Probleme damit, dass ihr Ehemann sich im Restaurant ein Steak bestellt. Dabei gebe es im Emsland immer mehr Restaurants mit vegetarischen und veganen Gerichten. „Mein Favorit ist das Kanneloni in Heede.“ Ihren Blog auf Instagram muss sie zurzeit ein wenig vernachlässigen: „Ich bilde mich beruflich bei der Sparkasse zur Betriebswirtin fort.“ Das nehme viel Zeit in Anspruch. Zudem erwartet sie im Sommer ein Baby. „Wir haben vor drei Jahren unser Haus in Rastdorf gebaut.“ Jetzt werde gerade das Obergeschoss für den Nachwuchs hergerichtet. Sowohl für Sonja Hessenius als auch Sandra Tieben ist der vegane Blog nur „ein schönes Hobby“. „Ich liebe meinen Job bei der Sparkasse und will dort bis 67 arbeiten“, sagt Hessenius. Während sie sich inzwischen als Trainerin und Kassenwartin beim SV Rastdorf stark engagiert, hat es Sandra Tieben in die Politik geführt. „Ich sitze seit November 2021 für die Grünen im Harener Stadtrat.“ Als unerfahrene Politikerin sei dies gar nicht so einfach. Ihr Vater Hermann Tieben hat dort früher 20 Jahre für die CDU Politik gemacht. „Er gibt mir wichtige Tipps“, ergänzt die 32-Jährige.


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SPEZIAL VEGGIE & VEGAN

Auf der Suche nach Alternativen Im Dr.-Oetker-Konzern gewinnen vegane Produkte immer mehr an Bedeutung / Kein Aus für das traditionelle Angebot

VON NINA KALLMEIER BIELEFELD/OSNABRÜCK Ein Ei und 125 Milliliter Milch oder Wasser stehen neben 125 Milliliter Speiseöl als zusätzliche Zutaten für die Backmischung auf der Verpackung. Wer sich vegan ernährt, für den wäre diese Zubereitung nicht geeignet. Dem hat der Bielefelder Traditionskonzern Dr. Oetker, der zuletzt mit Tiefkühlpizza, Pudding, Backmischungen und Co. weltweit rund 3,7 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet hat, mittlerweile Rechnung getragen: Statt Milch und Ei können 100 Milliliter Sojadrink für den Teig verwendet werden, heißt es in der Rezeptbeschreibung für vegane Apfel-Avocado-Muffins online, die auf der klassischen MuffinBackmischung aufbaut. Bei Dr. Oetker beobachte man den Trend zur veganen Ernährung genau, sagt Daniela Emonts-Gast, beim Bielefelder Traditionsunternehmen Hauptabteilungsleiterin Marketing Deutschland. „Das Interesse an veganen Produkten wächst. Vor allem zu Anlässen wie dem ,Veganuary‘, an dem sich Dr. Oetker in diesem Jahr beteiligt hat, stellen wir das fest.“ Das sieht man bei Coppenrath & Wiese in Mettingen ähnlich. Die Konsequenz: Zum ersten Mal hat das Unternehmen in diesem Jahr

dem Trend Rechnung getragen und einen veganen Apfelstrudel auf den Markt gebracht. „Wir wollen damit eine neue Zielgruppe ansprechen“, sagte Prokuristin Dorothee Reiering-Böggemann zuletzt über das Produkt, dessen Pudding auf Haferprodukten basiert. Bei Dr. Oekter – zum Konzern gehört auch Coppenrath & Wiese – ist man schon ein paar Schritte weiter. Allerdings ist auch hier das Angebot für Veganer gemessen am Gesamtsortiment begrenzt – und entsprechen ist der Umsatzanteil zwar wachsend, aber noch gering, wie das Unternehmen mitteilt. Mehr als 110 Produkte – von der Pizza über

„Wir wollen damit eine neue Zielgruppe ansprechen.“ Dorothee ReieringBöggemann, Prokuristin Coppenrath & Wiese

Pudding bis zum Kuchen – sind Dr. Oetker zufolge für die vegane Ernährung oder zur Zubereitung veganer Gerichte geeignet. Bewusst als vegan vermarktet werden jedoch nur sieben: eine pflanzliche Alternative zu Crème fraîche, Pudding, Grieß und zwei Pizzen. Hinzu kommt im Mai eine vegane Vanillesoße. Nach Angaben von Daniela Emonts-Gast handelt es sich dabei um die erste pflanzliche BourbonVanillesoße im Kühlregal. Für eine vegane Ernährung geeignete Produkte zu entwickeln ist nicht ohne Tücken, wie Daniela Emonts-Gast beschreibt. Zum Beispiel beim pflanzlichen Pudding. Für ihn wird Kokosöl verwendet, das bei zu geringen Temperaturen aushärtet. „Deshalb wird der pflanzliche Pudding im Gegensatz zu Milch- oder Sahnepudding bei einer Temperatur von 35 Grad Celsius angerührt“ so die MarketingManagerin. Eine Herausforderung anderer Art stellen Tiefkühlpizzen dar, von denen in Deutschland pro Jahr mehr als 3,7 Millionen Stück gegessen werden: der Käse. „Die Suche nach einer Alternative, die geschmacklich gleichwertig ist, war bei der Entwicklung der Ristorante Pizza Margherita Pomodori die größte Herausforderung“, so Emonts-Gast über das Produkt, das

Ob MuffinsoderKekse, veganzubacken istkeinProblem.

vor gut einem Jahr eingeführt wurde. Viele vegane Käse-Alternativen würde der Verbraucher als sehr klebrig im Mund empfinden. Zudem fehle der typische Geschmack, der bei echtem Käse durch die Reifung entstehe. Auf veganer Basis

soll das nun auf Basis von Kokosöl nachempfunden werden. Bei Dr. Oetker geht man davon aus, dass der Markt für vegane Produkte weiter wachsen und eine zunehmend wichtige Rollen spielen wird. Allerdings: Ein Aus für das

Foto: Nina Kallmeier

traditionelle Angebot sieht Daniela Emonts-Gast nicht. „Nach wie vor ist der Markt für zum Beispiel klassische Milchprodukte im Verhältnis zu pflanzlichen Alternativen groß und wird auch in Zukunft von Bedeutung sein.“

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SPEZIAL VEGGIE & VEGAN

Ziel: Skeptische Verbraucher überzeugen Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Institut für Lebensmitteltechnik und der Schweizer Firma Bühler

VON CHRISTOPH LÜTZENKIRCHEN Einen umgehenden Kurswechsel der Lebensmittelindustrie fordern das Schweizer Technologieunternehmen Bühler AG (Uzwil/Kanton St. Gallen) und das DIL, das Deutsche Institut für Lebensmitteltechnik in Quakenbrück. Anlässlich der Meldung über ihre Kooperation zum Thema Fleischersatz wiesen die Partner darauf hin, dass im Jahr 2050 weltweit mehr Lebensmittel auf 35 Prozent weniger Anbaufläche produziert werden müssten, um die Bedürfnisse der wachsenden Weltbevölkerung zu erfüllen. Mit einem zusätzlichen Proteinbedarf von 250 Millionen Tonnen pro Jahr steige der Druck, Alternativen zu tierischen Proteinen zu finden. Die Proteine der Zukunft müssten nachhaltig sein, sagte Volker Heinz, Vorstand und Geschäftsführer des DIL. Proteine auf pflanzlicher Basis könnten dazu beitragen. Daher sei es wichtig, ungenutzte Eiweißquellen zu erschließen und sie in attraktive, hochwertige und erschwingliche Produkte zu verwandeln, die sich auf dem Lebensmittelmarkt durchsetzen. „Innerhalb der Grenzen unseres Planeten ist kein Raum mehr für einen weiteren Ausbau der tierischen Protein- und Fettproduktion“, so Heinz. Proteine der Zukunft, ungenutzte Eiweißquellen – was genau machen die Experten dieses DeutschSchweizer Gemeinschaftsprojekts denn nun in Quakenbrück? Man könne pflanzliche Proteinquellen nicht einfach so zu Fleisch machen, erklärt Dr. Volker Lammers, Head of Research Platform Process Engineering am DIL: „Unsere Beobachtung ist aber, dass zurzeit viele Leute bereit sind, weniger Fleisch zu essen. Es soll aber so ähnlich wie Fleisch sein, und es muss gut schmecken.“ Ziel sei es, aus pflanzlichen Proteinen etwas herzustellen, das wie ein Fleischprodukt wirkt. Die Strukturen von Hühnchenfleisch ließen sich beispielsweise gut durch das Verfahren der Extrusion erzeugen. Diese Technik gebe es in der Lebensmittelwirtschaft schon seit circa 50 Jahren. Einen Extruder könne man mit einem Fleischwolf vergleichen, auch hier handele es sich um eine Schnecke in einem Gehäuse. „Wir geben den Rohstoff hinzu – in unserem Fall ein Protein in Pulverform – vermischen es mit Wasser, erhitzen und kneten es in dem Gehäuse“, sagt Lammers: „Wenn es erhitzt wird, passiert auf molekularer Ebene eine Vernetzung der Proteine. Am Ende haben wir ein ProteinWasser-Gemisch, eine Art Teig. Diese Masse wird durch eine Düse gedrückt, das ist die Extrusion. Das QUAKENBRÜCK

Diese teigartige Masse verlässt die Kühldüsedes ExtrudersderFirmaBühler.Durch die Kühlungdes Produktesbilden sichfeine Faserstrukturen,dieder Struktur von Fleisch ähneln. Foto: DIL

Siehtaus wieeinechtesGyros –das „Fleisch“istaberkeines. Entwickeltwurde esvomTeamdesDIL-ExpertenVolker Lammers(kleinesBild)und derSchweizer FirmaBühler.

Besondere an unserem Verfahren ist die Nassextrusion, die heiße Masse wird in der Düse abgekühlt. Dadurch verfestigt sich der Teig langsam, feine Faserstrukturen bilden sich. Von der Optik, der Größe und dem sensorischen Gefühl ähneln sie tierischen Fasern, die man vom Fleisch kennt.“ Als führender Hersteller von Maschinen für die Extrusion bringe Bühler Expertise im Bereich der Extrusion und anderen technologischen Disziplinen wie Vermahlung, Pflanzenproteine und Pulverbearbeitung in die gemeinsame Arbeit ein, so Lammers. Laut Angaben des Partners würden weltweit täglich zwei bis drei Milliarden Menschen Lebensmittel essen, die mit Technologie von Bühler verarbeitet wurden. „Mit Bühler haben wir einen kompetenten Partner für die gesamte Proteinwertschöpfungskette gewonnen“, glaubt Volker Lammers. Gearbeitet wird mit natürlichen Rohstoffen. Die Proteine stammen aus Erbsen, Weizen, Ackerbohnen und Soja. Die fleischähnliche Struk-

tur entsteht ganz ohne Chemie, nur durch das Kneten, Erhitzen und Abkühlen. Anschließend können die Produkte geschnitten, mariniert und wie Fleisch weiterverarbeitet werden. Als Würzung kommen unter anderem natürliche Aromen oder Brühe zum Einsatz. Der Geschmack von Bohnen und Erbsen soll möglichst nicht im Vordergrund stehen. „Ziel ist es, das rohe Produkt relativ neutral zu halten“, erklärt der DILExperte: „Das nennt man „Clean Label“, das Produkt besteht aus wenigen Zutaten und wenigen E-Nummern.“ Der Extruder liefert einen Endlosstrang mit einer Stärke von circa 15 mm. Daraus werden fleischähnliche Formen gefertigt; machbar sind beispielsweise Hühnchennuggets, Gulasch oder Gyros. „Wir gewinnen die pflanzlichen Proteine auch aus Rohstoffen, die bisher nicht für die menschliche Ernährung verwertet wurden“, erklärt Lammers: „Bei der Ölgewinnung, beispielsweise aus Sonnenblumenkernen oder Kürbiskernen, entste-

hen sogenannte Presskuchen, die reich an Proteinen sind. Bisher wurden sie als Tierfutter weiterverwendet. Man spricht hier von sogenannten Nebenströmen aus der Landwirtschaft.“ Die pflanzlichen Proteine unterscheiden sich allerdings von denjenigen aus der Fleischproduktion. Mikronährstoffe wie Eisen seien in den veganen Produkten nicht enthalten, sagt der Experte. Da man mit den Produkten auf die Gruppe der sogenannten Flexitarier ziele – Menschen, die seltener Fleisch essen – müsse man Mikronährstoffe hinzugeben, um die Mängel zu kompensieren. Bei Proteinen, Kohlenhydraten und Fetten könnten die Produkte auf pflanzlicher Basis dagegen durchaus mithalten. Gute Werte bei den essenziellen und nicht essenziellen Aminosäuren erreiche man über den Einsatz von Soja, das teilweise schon aus Europa stamme. „Besonderen Wert legen wir aber auf Geschmack und Textur“, betont Lammers: „Wir wollen ein Lebensmittel erzeugen, das der Verbraucher auch essen möchte.“ Das ist eine wesentliche Aufgabe seines Hauses in der Zusammenarbeit mit dem Schweizer Partner Bühler. „Wir verstehen etwas von Rohstoffen, wir unterhalten zahlreiche Kontakte zu lebensmittelverarbeitenden Unternehmen, insbesondere zur fleischverarbeitenden Industrie. Außerdem verfügen wir über Expertise im Bereich der Extrusionsanwendungen“, so Lammers. Bühler könne die Maschinen bauen, beim DIL wisse man, was man damit machen kann. Auch in der weiteren Produktentwicklung verfügen die Quakenbrücker seinen Angaben zufolge über umfangreiche Erfahrung – etwa: Wie kann man aus einem Rohstoff ein Lebensmittel machen, eine Wurst, einen Burger, ein Schnitzel?

Plattform für die gemeinsame Arbeit von DIL und Bühler ist das Technologiezentrum „Proteine der Zukunft“. Volker Lammers ist hier für die Verfahrenstechnik verantwortlich. Sein Team umfasst zwölf Mitarbeiter. Darunter Wissenschaftler, Ingenieure, Technologen und Techniker, die sich mit der Extrusion beschäftigen. Zusätzlich arbeiten zehn Menschen im Zentrum, deren Themen die Weiterverarbeitung und anhängende Bereiche sind. „Wir sind sehr praktisch orientiert, und das ist auch notwendig“, sagt der DIL-Experte: „Ein

„Im Ergebnis schaffen wir eine Art Blaupause für die Unternehmen, die sich direkt in die Praxis übertragen lässt.“ Volker Lammers, Deutsches Institut für Lebensmitteltechnik

Foto: DIL/Schwertmann

Nachteil des Extrusionsverfahrens ist es, dass wir Annahmen nicht durch Simulationen verifizieren können. Wir müssen immer im Labor sein und es ausprobieren.“ Lammers unterscheidet die wissenschaftliche Arbeit und die Auftragsforschung für Kunden im Zentrum. In der Auftragsforschung arbeite man mit der Lebensmittelindustrie zusammen. „Das können kleine Start-ups sein, mittelständische Unternehmen, aber auch große Konzerne aus Deutschland und Europa“, erklärt er: „Wir entwickeln Produkte und optimieren Prozesse für unsere Auftraggeber.“ Wenn ein Kunde beispielsweise ein Hühnchenersatzprodukt ohne Soja entwickeln will, bespricht man mit ihm zunächst die Ziele und die Rohstoffe, die er einsetzen will. Für die anschließenden Versuche sei es wichtig, dass man durch die umfangreiche Ausstattung des Zentrums im Industriemaßstab arbeiten könne. „Im Ergebnis schaffen wir eine Art Blaupause für die Unternehmen, die sich direkt in die Praxis übertragen lässt“, sagt Lammers: „Wir stellen dem Hersteller alle erforderlichen Infos für die industrielle Produktion zur Verfügung.“ Der Lebensmittelwissenschaftler hat die Erfahrung gemacht, dass Verbraucher oft mit Skepsis auf die neuartigen Produkte reagieren. Volle Transparenz ist ihm deshalb sehr wichtig. Lammers: „Man braucht keine Angst vor der neuen Generation von Produkten zu haben. Die Rohstoffe, aus denen sie hergestellt werden, sind bekannt; sie stehen seit Langem auf unserem täglichen Ernährungsplan. Mit ihrem guten Geschmack wollen wir die Verbraucher überzeugen.“ Dazu sollen im Übrigen auch sinkende Kosten beitragen. Ziel ist es, billiger als Fleisch zu werden. Aktuell könne man bereits zum gleichen Preis produzieren.


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Der bekannte Unbekannte Christian Blomenkemper designt Cover und Merchandise für Stars – und einen Pulli für eine Glandorfer Schule Aufträge aus dem In- und Ausland. Sonderwünsche verrät der Unternehmer nicht. Eigenes Plattenlabel „Ignored Records“. VON STELLA BLÜMKE DISSEN Besonders viel lässt sich im Internet über den Grafikdesigner Christian Blomenkemper nicht finden. Dabei hat er sich bereits vor Jahren einen Namen in der Musikindustrie gemacht. Er hat unter anderen für Kylie Minogue, Sunrise Avenue, Mickie Krause und Comedians wie Mirja Boes gearbeitet. Lediglich drei Firmennamen, eine Adresse in Erpen, einem Ortsteil von Dissen (Landkreis Osnabrück), und eine Telefonnummer sind bei Google zu finden, Letztere ist allerdings nicht aktuell. „Das ist pure Absicht“, sagt Blomenkemper. „Ich habe keinen Bock, im Vordergrund zu stehen.“ Blomenkemper sitzt in seinem Tonstudio im Obergeschoss seines Hauses. Die unterschiedlichen Schalter und Regler um ihn herum leuchten bunt. Er trägt eine braun-beige gemusterte Jacke, darunter ein pinkes T-Shirt und Jeans. Er brauche seine Ruhe, kenne die Abläufe in der Branche und arbeite besser allein, erzählt er. Wichtig sei es ihm, einkaufen zu können, ohne erkannt zu werden. Eine Webseite habe er noch nie gehabt, erzählt Blomenkemper. Aufträge bekomme er über Mundpropaganda, in der Branche kenne ihn jeder. Werbung habe er noch nie machen müssen. Angefangen hat alles 1998 in der Crea Werbeagentur von Markus Michels in Osnabrück, in der Christian Blomenkemper seine Lehre gemacht hat. Anschließend arbeitete er für Peter Band, der 1999 das Musiklabel Public Entertainment gründete. „Ich wollte immer was mit Musik machen“, sagt Blomenkemper. Band erkannte dessen Talent und stellte ihn in der Musikbranche vor. Bereits im Jahr 2000 machte sich Blomenkemper selbstständig. Heute hat er drei unterschiedliche Firmen, „weil ich das aufgeteilt habe nach Musikbranche“, erklärt er. Unter Pixeldealer Design mache

Dasist dasLieblingsprojektvon ChristianBlomenkemper:Collage vonArbeitenfürdas AlbumHonestly vonDanielCirera Foto:Universal Musik GmbH

BeiderArbeitinseinemTonstudioin Dissen:Christian Blomenkemper.

er Projekte aus der Richtung Hardcore Techno, unter Ideenreiferei Schlager, und unter Made in Erpen falle alles andere. Warum die Unterscheidung? „Die Leute verstehen nicht, warum macht der auf der einen Seite was mit Totenköpfen und arbeitet dann mit Mickie Krause zusammen?“ Doch was designt man für Stars? „Ich mache Cover, Merchandise, Vinylplatten, alles, was damit zu tun hat, bis hin zum Tour-Plakat“, so Blomenkemper. Für Kylie Minogue habe er für die Deutschlandtour 2000 oder 2001 eine Modekollektion für das Merchandise entworfen, für die Band Sunrise Avenue das Cover zu dem Album „Forever

Yours“. Für Schlagerstar Mickie Krause ist Blomenkemper am längsten tätig, seit 1999, erzählt er. „Das ist ein toller Typ.“ Aktuell arbeitet er an Projekten für Hein Simon, ehemals bekannt als Heintje, und Peter Kraus. Blomenkemper erzählt, er sei mit fast allen Künstlern für die er tätig sei, auch befreundet. „Das ergibt sich so“, erklärt er. Auf die Frage, ob es kuriose Sonderwünsche von Stars gegeben habe, sagt Blomenkemper ernst: „Das darf ich nicht sagen. Das geht nicht, das kann ich echt nicht machen.“ Darauf folgt Stille. Einen Moment später lacht er: „Sonst sitzen wir übermorgen noch hier.“ Mehr verrät er nicht.

Foto: AndréHavergo

Woher seine Ideen für die unterschiedlichen Projekte kommen, kann Blomenkemper nicht erklären. „Ich kriege den Titel zugeschickt, höre mir den Inhalt an, und dann steht die Idee. Ich habe das sofort vor Augen.“ Wie lange er für die Umsetzung braucht, verrät er nicht. „Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich nicht tausend Entwürfe machen muss, weil es genau das ist, was sie sich vorgestellt haben. Das ist wahrscheinlich unter anderem auch mein Erfolgsrezept.“ Sein Lieblingsprojekt in 22 Jahren weiß Blomenkemper sofort: Das Album Honestly für den schwedischen Singer-Songwrigter Daniel Cirera. „Das war das geilste Projekt, weil es das geilste Artwork war, das ich je gemacht habe, und der Typ einfach megageil war“, erzählt er begeistert. Doch Blomenkemper beschäftigt sich nicht allein mit Grafikdesign, er filmt und schneidet Musikvideos, stellt Alben mit Liedern eines Interpreten zusammen, sogenannte Compilations, hat eine Plattenfirma, „Ignored Records“, und arbeitet an mehreren Musikprojekten. Dazu gehört der Techno-Act Raisinger, mit dem er den Ballermann ansteuert. Den Vertrag mit dem Label Xtreme Sound haben sie bereits, die „machen alles, was am Ballermann rauskommt“. Ein anderes Projekt steht Ende des Jahres in der Turbinenhalle in Oberhausen an. Da plant Blomenkemper die Veranstaltung „Lords of Hardcore“ für 7000 Menschen in Kooperation mit einem Veranstalter. 30 bis 40 Künstler sollen dort

auftreten, wer dabei sein wird, kann er noch nicht verraten. Abgesehen davon ist der Dissener auch selbst als Künstler in dem Techno-Duo „Amoque & Piqusel“ aktiv. Einen Song und ein Video haben sie schon produziert, nun sind sie mit Plattenfirmen im Gespräch. Um im Vorfeld dafür Werbung zu machen, hat er verschiedenste Prominente angefragt, ein Video aufzu-

„Ich kriege den Titel zugeschickt, höre mir den Inhalt an, und dann steht die Idee.“ Christian Blomenkemper, Grafikdesigner

nehmen, in dem sie sagen, wie schlecht das Ganze sei und dass es keiner kaufen solle, erzählt Blomenkemper lachend. Mitgemacht haben um die 20 Leute, darunter Ballermann-Star Mia Julia, Musiker Mike Leon Grosch und Comedian Mirja Boes. Blomenkemper ist auch für den Youtube-Hit „Kleiner Hai“ verantwortlich, bei dem eine junge Frau das Kinderlied singt. Durch Zufall habe er das Video entdeckt, damals habe es nur ein paar Klicks gehabt. Er kümmerte sich um einen Plattenvertrag, und „dann waren wir bei The Dome, Aprés-Ski-Hits, bei Ballermann-Hits, überall in den Fernsehsendungen von RTL2. Das ist gut durch die Decke gegangen. Und jeder in Deutschland kennt das.“ Das Original-Video hat in den letzten 15 Jahren mehr als 23 Millionen Aufrufe erreicht. Neben all den bekannten Namen ist die Arbeit Blomenkempers jedoch auch in der Region zu finden. Kürzlich entwarf er für eine Glandorfer Schule einen Hoodie. „Das mache ich supergerne, da liegt mir was dran“, sagt Blomenkemper über seine Arbeit für die LudwigWindthorst-Schule. Schulleiter Jörg Ringling wandte sich mit dem Auftrag an ihn. Doch mit dem Logo der Schule wollte Blomenkemper nicht arbeiten, er steuerte das Aussehen einer Modemarke an. Bei den Schülern sei das gut angekommen. Ein aktuelles Projekt von Blomenkemper und Ringling gibt es auch: Ein Film-Medley von 13 Schulen als gemeinsames Statement gegen Krieg und für den Frieden.


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Zahnersatz aus dem 3-D-Drucker Junger Unternehmer arbeitet mit Tier-Medizinern zusammen VON CHRISTOPH LÜTZENKIRCHEN Der Zahnersatz der Zukunft entsteht aus Sojaöl. Für Pferde gibt es ihn schon. Produziert wird er mithilfe einer iPhone-App, einer Software und einem 3D-Drucker. Das Konzept hat ein 2019 gegründetes Start-up namens „r3volutionD“ entwickelt. Initiator und Chef des jungen Unternehmens aus Lohne (Oldenburg) ist der 26-jährige Softwareentwickler Mike Koene. Er absolvierte in Maastricht ein Studium zum Bachelor of Data Science and Artificial Intelligence. Sein Unternehmen beschäftige sich mit dem Einsatz von 3D-Druck in der Pferdewelt, so Koene: „Unser erstes Produkt waren Knochenschrauben aus dem 3D-Drucker. Damit können wir Hohlräume in den Knochen – sogenannte Knochenzysten – behandeln. Die Titanschrauben sind von innen hohl, sodass die Zyste durch die Schraube aufgefüllt werden kann. Das Metall Titan wird in der Humanmedizin beispielsweise für Hüftprothesen verwendet.“ Die Zahnprothesen werden aus sogenanntem „Bio-UV-Harz“ hergestellt, dessen Basis Sojabohnenöl ist, so der Unternehmer. Gemeinsam mit dem Diepholzer Zentrum für Werkstoffe und Technik (ZWT) hat Koene nach einem Material gesucht, das sich dazu eignet, um im 3D-Druck Pferdezähne nachzubilden. „Wir haben die Herausforderung gerne angenommen, denn hier geht es um ein bisher nie gelöstes Problem in der Pferdewelt“, sagt LOHNE

Professor Dr. Carsten Bye vom ZWT. In Versuchen wurden verschiedene UV-Harze erprobt, darunter sehr teure Materialien, die in der Dentaltechnik für den Menschen verwendet werden. „Das Bio-UV-Harz hat sich als am besten geeignet erwiesen“, berichtet Mike Koene, „es ist besonders hart, außerdem wurde es für die Produktion von Spielzeug zertifiziert, ist also hinsichtlich möglicher Schadstoffe unproblematisch. Vorteilhaft für uns ist zudem der günstigere Preis.“ Die Entwicklung und erste Tests machten die Partner gemeinsam mit der Tierklinik Lüsche in Bakum (Land-

„Bio-UV-Harz hat sich als am besten geeignet erwiesen.“ Mike Koene, Chef des Softwareentwicklers r3volutionD

Originalund Nachbau:Softwareentwickler MikeKoenezeigt einProduktseiner Firma,einenPferdezahnausBio-UVHarz.Rechtsdas Original.,dasersetzt werden musste. Foto: Christoph Lützenkirchen

kreis Vechta), weitere mit einer Klinik in den Niederlanden. Zahnlücken bei Pferden führten zu gravierenden Problemen, erklärt Dr. Tim Steinberg von der Tierklinik Lüsche. Wenn ein Zahn im Ober- oder Unterkiefer fehle, drückten die beiden benachbarten Zähne in die entstandene Lücke. Gleichzeitig verlängere sich das jeweilige Gegenstück zu dem Zahn im gegenüberliegenden Kiefer. In der Folge wehre sich das Pferd beispielsweise gegen das Gebiss. Es nehme die reiterlichen Hilfen über die Trense nicht mehr an. Es komme zu Verspannungen in der Wirbelsäule. Letztlich lasse sich das Pferd nicht mehr reiten. „Die Prothesen aus dem 3D-Drucker werden nicht im Kiefer des Pferdes befestigt, wie man es von Implantaten beim Menschen kennt“, so Steinberg, „der Pferdekiefer bietet dafür nicht die nötigen Voraussetzungen. Stattdessen wird die Prothese zwischen die vorhandenen Zähne eingesetzt und hält ihre Position durch den seitlichen Druck der jeweils benachbarten Zähne.“ Ohne Komplikationen hat der Tiermediziner bereits eine Reihe von Implantaten aus dem 3DDrucker bei Pferden eingesetzt; eines von ihnen schon im März 2021. Der Zustand dieses Zahns werde regelmäßig kontrolliert, sagt Steinberg, er sei noch sehr gut erhalten. Der Tierarzt ist erkennbar froh über die revolutionäre Neuerung: „In der Vergangenheit haben wir in der Zahnmedizin für Pferde mit einer Abdruckmasse gearbeitet und damit die Zahnlücken aufgefüllt“, erklärt er, „die Konsistenz dieser Masse muss man sich etwa wie hartes Gummi vorstellen. Das zweite mögliche Verfahren war ein Zweikomponentenkleber, der im Unterschied zur Abdruckmasse sehr hart und scharfkantig wird. Der hat aber auch den Nachteil dass er im Pferdemaul mit großer Hitze aushärtet. Unter anderem deshalb lässt er sich nicht so gut anpassen.“ Die Zahnmedizin für Pferde beschäftigt sich laut Steinberg schon lange mit dem Problem der Zahnlücken. Man habe unter anderem versucht, Zähne zu reimplantieren oder Platzhalter aus Metall einzusetzen. Die Verfahren hätten sich in der Praxis letztlich nicht bewährt. Das System von Mike Koene hat be-

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Immerwiederfaszinierend:ein 3-D-DruckerinAktion. Hierstellter einenPferdezahnher.

reits hohe Wellen in der Pferdewelt geschlagen. Der Tierarzt erhält zahlreiche Mails von Kollegen, die Interesse an der Technik haben. „Aktuell können wir das Verfahren aber noch nicht für alle Zähne einsetzen“, sagt er, „beispielsweise haben wir noch keinen Weg gefunden, die sogenannten Endzähne und Schneidezähne hinreichend zu befestigen. Wir befinden uns also weiterhin in der Entwicklung. Für mittlere Zähne ist das Verfahren allerdings bereits praxistauglich.“ Der 3D-Druck so eines Pferdezahns dauert etwa drei bis vier Stunden. Davon entfallen nur fünf Minuten auf das Scannen des zu ersetzenden Zahns mit der von Mike Koene entwickelten iPhone-App zur sogenannten „Photogrammetrie“. Hinzukommen weitere zehn Minuten für die Nachbearbeitung

mithilfe der firmeneigenen Software „r3Dent-Web-App“. App und Software benötigen lediglich mindestens 20 bis 30 Fotos für einen 3D-Scan. Bei der Produktion der Prothesen im 3D-Drucker wird das Harz durch Belichtung mit UVLicht schichtweise ausgehärtet. Man spricht deshalb auch von einer „additiven Fertigung“. Das Ergebnis ist ein detailgetreuer Klon des originalen Zahns. „Wir stellen Tierärzten unser System komplett zur Verfügung“, erläutert Mike Koene. Das umfasst ein Starterset inklusive eines 3-DDruckers, einer Station zum Reinigen und Aushärten des frisch gedruckten Implantats, 500 ml BioUV-Harz, fünf Liter Isopropanol und Ausrüstung wie eine Silikonmatte und eine Schutzbrille. Außerdem die 3D-Scan-App und die

Foto: r3volutionD

r3Dent-Web-App. Mit dem Paket kann es sofort losgehen. Ziel sei es gewesen, das System so einfach und praxisnah wie möglich zu gestalten, sagt Koene. Es sollte auch für Menschen bedienbar sein, die weniger geübt seien im Umgang mit Computer und Smartphone. In den nächsten Monaten wollen die Lohner mit ihrem Produkt europaweit online an den Markt gehen. Eine komplett englischsprachige Version der Homepage gibt es bereits. Dort finden sich neben umfangreichen und detaillierten Anleitungen zu den verschiedenen Arbeitsschritten auch Angaben zu den Preisen. In einem Video hat Mike Koene den Zahnersatzdruck mit dem von ihm entwickelten System sehr anschaulich dokumentiert. Es soll Tierärzten als Anleitung dienen.

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Gewerbehallen ∙ Standardhallen Reithallen ∙ Umbau + Sanierung ∙ Industriehallen Lagerhallen ∙ Anbauten ∙ Bedachungen Sie forschen zur Zahngesundheit bei Pferden und entwickeln Problemlösungen: Mike Koene (r3volutionD, Lohne), Prof. Dr. Carsten Bye (ZWT, Diepholz) und Dr.Tim Steinberg(TierklinikLüsche). Foto: ZentrumfürWerkstoffeundTechnik/ZWT Diepholz


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VON FINJA JAQUET MÜNSTER Es begann mit dem Kaffee in der Uni. Seit ein Mitstudent seine Kaffeemaschine zur Verfügung gestellt hatte, tranken Sarah Schulte (25) und Lara Wagemann (23) das dunkle Getränk beinahe täglich. Und täglich landeten mehr Pappbecher in den Papierkörben des Hörsaals in Münster. „Da haben wir uns gefragt, warum müssen es immer diese Einwegbecher sein? Die sind von der Umweltbilanz nicht wirklich gut“, erzählt Schulte. Eine Alternative zu den Pappbechern musste her. „In Deutschland werden jedes Jahr rund 2,8 Milliarden Einwegbecher weggeworfen, das sind knapp acht Millionen Becher pro Tag“, macht Schulte das Problem deutlich. Zahlen wie diese, berechnet von der Deutschen Umwelthilfe, kennt sie inzwischen aus dem Kopf – und es handelt sich dabei lediglich um Becher für Heißgetränke. Doch gängige Alternativen wie Pfandbechersysteme und selbst mitgebrachte Becher haben oft mehr Nach- als Vorteile: Man vergisst den Becher, er nimmt Platz weg, läuft in der Tasche aus. „Wir haben überlegt: Warum gibt es nicht etwas, was ich direkt vor Ort habe und gar nicht vergessen kann und was ich danach konsumieren kann, ohne dass es die Umwelt belastet?“, so Schulte. „Könnte man den Becher nach dem Benutzen einfach aufessen, wäre das mega cool.“ Die Idee für den „AllCup“ war geboren. Dass sie sich mal selbstständig machen würden, wussten die beiden Frauen, die sich durch ihr Wirtschaftspsychologie-Studium kennengelernt haben, schon länger: „Tatsächlich haben wir schon vor vier Jahren angefangen zu überlegen, was wir für ein Start-up machen können, weil wir beide Bock darauf hatten. Aber nur mit der richtigen Idee, mit dem richtigen Impact – wir wollten jetzt nicht das hundertste SoftwareStart-up werden“, erzählt Schulte. In den Wochen darauf wurde die WG-Küche in ein Versuchslabor umfunktioniert. Das Ziel: einen Becher, ähnlich einer Eiswaffel, herzustellen. Unterstützung gab es dank Laras Bäckerfamilie, außerdem wälzten die beiden Fachliteratur und ließen sich von Lebensmitteltechnologen helfen.

AußenWaffel,innendurchsichtigeAllCup-Beschichtung:„Momentanhabenwires geschafft,dassein BechermehrereStundenbisTage hält,jenachInhalt“,erzähltSchulte.

Foto: AllCupGmbH

Der essbare Kaffeebecher Start-up entwickelt umweltfreundliche Alternative zum Wegwerfgeschirr

„Wir haben geschaut: Was ist wasserabweisend, was ist hitzeabweisend, und wie kann man das gut kombinieren?“ Ein erster Prototyp entstand. Doch schnell merkten die beiden Studentinnen, dass das Material für den Becher selbst nebensächlich ist – entscheidend ist die Beschichtung. „Die Materialien für den Becher waren nicht standhaft. Also dachten wir, wenn etwas wie eine Barriere zwischen Kaffee und Waffel ist, könnte das funktionieren“, berichtet Schulte. „Außerdem hatten wir ja auch gar nicht das nötige Equipement, um die Becher herzustellen. Dazu braucht es Maschinen, die mit viel Druck

Sarah Schulte (vorn) und LaraWagemann arbeiten im Osnabrücker Seedhouse daran, InvestorenzufindenundihrProduktzuvermarkten. Foto:FinjaJaquet

arbeiten, das ist sehr teuer.“ Um das Problem auszulagern, wandten sich die beiden Studentinnen an einen Waffelhersteller und konzentrierten sich nur noch auf die Entwicklung der Beschichtung. An diesem Punkt holten sich Schulte und Wagemann professionelle Hilfe ins Team. Der 27-jährige Ernährungswissenschaftler und Konditor Martin Nauen hat die Entwicklung des AllCups entscheidend vorangebracht. Seine Aufgabe: Zutaten zu finden, mit denen sich eine ess- und haltbare Beschichtung realisieren lässt, die auch für die industrielle Herstellung geeignet ist. Das klingt leichter, als es ist: „Vor ein paar Monaten hatten wir eine Zutat, die sehr gut funktioniert hat, die wir allerdings extra auf europäischer Ebene hätten zertifizieren lassen müssen“, erinnert sich Schulte. „So etwas dauert zwei bis fünf Jahre und kostet unfassbar viel Geld.“ Doch schon nach wenigen Wochen hatte Nauen eine andere Zutat gefunden, die sogar noch besser geeignet ist. „Jetzt stehen wir an einem ganz anderen Punkt, mit einem Kaffeebecher, der haltbarer ist und mit einer funktionaleren Beschichtung“, freut sich Schulte. Welche Zutaten sie ausprobiert und wieder verworfen haben, möchte die 25-Jährige lieber nicht verraten.

Im April 2021 folgte dann die offizielle Gründung der AllCup Nauen, Wagemann, Schulte GbR, heute genannt AllCup GmbH. Sarah Schulte und Lara Wagemann sind inzwischen fertig mit ihrem Studium und offiziell selbstständig. Zwar hat sich seitdem einiges getan. Dennoch stehen einige Schritte an, ehe aus dem Prototyp ein verkaufsreifes Produkt wird. Im Seedhouse, der Start-upSchmiede Osnabrücks, kommen Wagemann, Schulte und zwei Praktikanten darum regelmäßig zusammen, um sich ums Marketing und Netzwerken zu kümmern. Schulte erklärt: „Das Seedhouse ist ein Accelarator (englisch für „Beschleuniger“, Redaktion) und hilft uns dabei, Investoren zu finden und Kontakte im Bereich Food und Forschung zu knüpfen.“ Martin Nauen ist als Wissenschaftler im Labor zuHause und arbeitet an der Weiterentwicklung der AllCup-Beschichtung. Mit einem sogenannten Sensoriktest haben die drei gerade erst einen wichtigen Schritt in Richtung Marktreife gemacht: „Bisher schmeckt das Coating unseres Bechers recht neutral. Mit dem Test wollen wir herausfinden, ob wir es doch lieber mit Vanille- oder auch Kaffeearoma ausprobieren wollen.“ Laut dem vorläufigen Ergebnis kam die Kaffeebeschichtung

bei den Probanden am besten an, verrät Schulte. Dass die Idee eines essbaren Bechers Potenzial hat, haben nicht nur Schulte und Wagemann sofort erkannt. Mehrere Auszeichnungen und Stipendien hat das All-

Cup-Team bereits für seine innovative Idee erhalten, beispielsweise das EXIST Gründerstipendium vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Mit dem Walterwerk Kiel – einem Produzenten von Waffelbackanlagen – hat das Team zudem ein weltweit tätiges Unternehmen als Partner gewonnen, mit dessen Hilfe die AllCupBeschichtung den internationalen Markt erobern soll. Bis ihr Produkt auf dem Markt ist, dauert es noch einige Zeit: „Der Schritt vom Laborprodukt bis zur maschinellen Herstellung kann Monate in Anspruch nehmen“, erläutert Schulte. So lange dauert es, bis ihr Geschäftspartner ein Gerät entwickelt hat, mit dem die Becher industriell hergestellt und beschichtet werden können. Potenzielle Kunden könnten dann die Maschine beim Hersteller und zusätzlich die Beschichtung von „AllCup“ kaufen. Künftig stehen dem jungen Unternehmen wohl viele Türen offen, denn ihre hitze- und wasserabweisende Beschichtung lässt sich weit vielseitiger einsetzen als nur für Kaffeebecher. „Das Ziel ist letztendlich, dass unsere Beschichtung alle Verpackungen mit einer mit mikroplastikhaltigen Beschichtung ersetzen kann. Kaffeebecher sind der schwierigste Fall, weil es hier um Wasser- und Hitzebeständigkeit geht. Alles, was weniger flüssig und weniger heiß ist, würde theoretisch auch funktionieren.“ So hat das junge Unternehmen bereits die Anfrage erreicht, ob sich ihre Beschichtung auch für Kartons mit Hundefutter eignet. Doch erst einmal lautet der ambitionierte Plan, den Müll durch Einwegbecher zu verringern – und zwar weltweit. „Wir wollen ja einen möglichst großen Impact haben. Also das Ziel ist schon höher – so ein paar Milliarden Becher zu reduzieren wäre gut“, findet Schulte.

MartinNauenbei seinerArbeitanderFHMünster.

Foto:FHMünster/DzemilaMuratovic


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Eine Perle als Trostspender Ursula Schreck aus Quakenbrück kümmert sich um die Wünsche von Tierliebhabern

DurchBlattsilberwirdbeiderVerwendung vonTieraschein Schmuckstückenein besondersfaszinierenderEffekterzeugt.

VON NINA STRAKELJAHN Perlen in verschiedenen Größen, Formen und Farben gestaltet Ursula Schreck in ihrem Atelier in Quakenbrück. Kleine, filigrane Werke sind es, in denen sie die Asche von Tieren verarbeitet. Dabei hatte die 58Jährige zu Beginn ihrer Laufbahn in viel größeren Dimensionen gedacht. Das Material Glas faszinierte Ursula Schreck schon immer. Nach dem Abitur stand für sie fest: „Ich will etwas Kreatives machen.“ Als sie zu Hause verkündete, dass sie Glasmalerin und Kunstglaserin werden wollte, entgegnete ihr Vater: „Die warten gerade auf dich.“ Und das taten sie wohl wirklich, denn kurze Zeit später hatte sie den Ausbildungsplatz – heute ein sehr seltener Beruf. In Stuttgart, wo sie ursprünglich herkommt – das hört man auch noch an ihrem Dialekt –, machte sie die Lehre. Dabei ging es viel um das Gestalten von Kirchenfenstern. Doch das reichte Ursula Schreck nicht. Sie dachte in größeren Dimensionen, wollte Glasbläserin werden – ein Beruf, der damals vor allem Männern vorbehalten war. Sie aber wollte große Objekte am Ofen blasen und sich nicht kleineren Kunstwerken am Bunsenbrenner widmen. So ging sie nach ihrer Ausbildung schließlich nach England und lernte an einem Technical ColQUAKENBRÜCK

„Manches Glas lässt sich mit manchen Techniken nicht verarbeiten.“ Ursula Schreck

lege in der Nähe von Birmingham die Glasbläserei, aber auch viele andere Techniken kennen. Die Glasbläserei brachte sie anschließend in die Bretagne und nach Dänemark, wo sie mehrere Jahre in Lønstrup, einem Ort, bekannt für die Glaskunst, arbeitete. „Das war mein Traumberuf, und ich würde jederzeit wieder darin arbeiten“, sagt Ursula Schreck.

Fotos:NinaStrakeljahn

Doch ihr Lebensweg führte sie nach Köln, wo sie eine Ausbildung als Masseurin und medizinische Bademeisterin machte. Aus privaten Gründen verschlug es sie dann nach Menslage und schließlich nach Quakenbrück. Mittlerweile ist sie hauptberuflich Qualitätsmanagerin beim Lebensmittelproduzenten Wernsing in Essen (Oldenburg). Doch das Glas hat sie nie losgelassen. Nachdem ihre beiden Kinder aus dem Haus waren, brachte eine Freundin sie auf die Idee, sich mit Glasperlen zu beschäftigen. Sie stellte fest, dass es dafür gar nicht so viel braucht, nur einen kleinen Abkühlofen, einen Bunsenbrenner und Sauerstoff. Sie experimentierte viel, verkaufte auch auf dem Weihnachtsmarkt. Aber das war nicht ihre Welt. Schließlich kam sie auf die Idee, Asche in den Perlen zu verarbeiten. „In England und den USA gibt es das schon lange“, sagt sie. Dort wird auch menschliche Asche genutzt. Aber wie funktioniert das? Beim Gestalten mit Glas kann man mit bis zu zehn Prozent Fremdmaterial, das denselben Ausdehnungskoeffizienten wie Glas hat, arbeiten. Auf Asche trifft das zu. Um eine Perle zu fertigen, braucht Ursula Schreck etwa einen Teelöffel der Asche. Sie setzt sich an ihren Arbeitstisch an den Bunsenbrenner und nimmt als Erstes das farbige Glas, das sie ver-

arbeiten will. Das Glas wird in Stäben geliefert. Auf einem Stahlstab beginnt sie, die Perle aufzubauen. Wichtig sei, dass dieses Stäbchen aus Edelstahl mit einem Trennmaterial bestrichen werde, sonst würde es mit der Perle verschmelzen. Je nachdem, was sich der Kunde wünscht, kann die Asche in der Perle so verarbeitet werden, dass sie nicht zu sehen ist. Dann wird die Asche, nachdem der Kern der Perle fertig ist, aufgestreut und danach wieder Glas aufgetragen. Die Asche lässt sich aber auch sichtbar machen. Dafür nimmt Ursula Schreck die Asche auf einen sogenannten Stringer und zieht Muster in das Glas. Auch mit anderen Materialien wie Blattsilber arbeitet sie. Nachdem der erste Teil der Perle fertig ist, wird das Silber aufgetragen. Es darf nie mit der Flamme in Berührung kommen, sonst verbrennt es. Vorsichtig setzt Ursula Schreck nun geschmolzene Glastropfen darauf. Anschließend wird wieder eine glatte Oberfläche gebildet, und es entsteht ein besonderer Tropfeneffekt auf der Perle. Für besondere Formen wie ein Herz benutzt Ursula Schreck Schablonen, denn sie kann nicht alle Motive per Hand gestalten. Dafür wird die heiße Perle dann in die Schablone gedrückt. „Ich muss mich bei der Gestaltung sehr konzentrieren“, sagt sie. „Es gibt meist keinen zweiten Versuch.“ Alles müsse von Anfang an

Arbeitetseitihrer JugendmitGlas undkennt dasMaterialund seine Möglichkeiten aus dem Effeff:Ursula Schreck aus Quakenbrück.

DieVariationen, Tieraschein Schmuckstücke zuintegrieren,sind vielfältig.Beidem HerzlinkszumBeispielistdieAsche deutlicherkennbar.

passen. Deshalb muss sie nach maximal zwei Stunden auch eine Pause machen. Dann kann die Perle auch in Ruhe im Abkühlofen erkalten. Kommt die Perle nämlich nicht in diesen besonderen Ofen, zerspringt sie. Mehr als zehn Jahre gestaltet Ursula Schreck nun schon diese besonderen Schmuckstücke. Bis vor Kurzem hat sie diese für ein Tierkrematorium gemacht. Nun will sie sich selbst unter „Dein

„Ich weiß, wie Glas reagiert – Erfahrung ist viel wert.“ Ursula Schreck

Trost – Glaskunst mit Asche“ vermarkten, hat eine eigene Homepage, über die die Schmuckstücke bestellt werden können. Ein Schmuckstück anfertigen zu lassen, ist nicht kompliziert. Über ihre Homepage kann die passende Perle ausgewählt werden. Die Interessenten bekommen von ihr dann eine Verstandtasche, die übrigens wiederverwendbar ist, und müssen ihr etwa einen Teelöffel mit Asche zuschicken. Die Asche, die nicht benötigt wird, wird am Ende mit dem Schmuckstück zurückgesandt. Es gibt viele Gestaltungsmöglichkeiten, allerdings auch Grenzen. „Manches Glas lässt sich mit manchen Techniken nicht verarbeiten“, erklärt sie und zeigt ein solches Beispiel. In dem Fall hatte das Blattsilber die Farbe des Glases komplett verändert. Insofern kommt Ursula Schreck ihre Erfahrung auch bei den Glasperlen zugute. „Ich weiß, wie Glas reagiert“, sagt sie. „Erfahrung ist viel wert.“ Ihre Arbeit wird von vielen Menschen sehr geschätzt. „Es gibt aber auch Menschen, die Berührungsängste mit Kremierungsasche haben“, sagt sie. Das hatte sie zwar nicht, sie war aber auch erst unsicher, ob es nicht „ein pervertierter Auswuchs unserer Tierliebe“ ist. Aber vielen Menschen würde ein solches Erinnerungsstück Trost spenden – und das hält Ursula Schreck für das Wichtigste.


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Von Homeoffice und Schreibtischtätern Neue Arbeitsformen finden immer mehr Anhänger / Ordnung ist das halbe Leben: Stimmt der Spruch noch?

VON VOLKER KÜHN UND NINA KALLMEIER OSNABRÜCK/MEPPEN/LINGEN/

Der Zuspruch für flexiblere Arbeitsformen ist aufseiten der Arbeitnehmer groß. Das Konzept „New Work“, wie diese „neue Art der Arbeit“ oft genannt wird, hat in der Pandemie einen Schub bekommen. Wie eine Studie des Digitalverbands Bitkom zeigt, schätzt eine übergroße Mehrheit der Erwerbstätigen die Werte und Einstellungen, die mit dem Konzept verbunden werden: Die Arbeitszeit frei einteilen (95 Prozent), individuelle Leistungs- und Lernziele selbst bestimmen (95 Prozent) und allgemein einer sinnstiftenden Tätigkeit (91 Prozent) nachgehen zu können, sind breit geteilte Wünsche an den Job. Auch im Hinblick auf den Arbeitsort hat die Pandemie zu einem Umdenken geführt – insbesondere aufseiten der Arbeitnehmer. Vor die Wahl gestellt, möchten neun von zehn Erwerbstätigen (88 Prozent) nach der Pandemie zumindest teilweise im Homeoffice arbeiten. Doch auch wenn sich eine große Mehrheit dafür ausspricht, mobiles Arbeiten stärker zu nutzen, abgeschrieben haben Arbeitnehmer das Büro nicht. Immerhin können sich nach der Pandemie acht von zehn (80 Prozent) die Arbeit an einem festen Arbeitsplatz in einem Einzelbüro vorstellen. Wie sich die Balance zwischen Büro und Homeoffice einspielen wird, wird sich zeigen. Doch so oder so, mit dem Ende der HomeofficePflicht holen viele Chefs ihre Mitarbeiter zumindest tageweise zurück ins Büro – und an den verwaisten Schreibtischen kehrt wieder Leben ein. Zeit, einen genaueren Blick auf den Mikrokosmos Büro zu werfen. Betrachtet man die Gattung Büromensch mit der Systematik eines Zoologen, lassen sich im Wesentlichen zwei Unterarten ausmachen: der Volltischler und der Leertischler. Während Ersterer dazu neigt, alles zu horten, was irgendwie wichtig und interessant erscheint oder einfach zu schade zum Wegschmeißen ist, vernichtet Letzterer auch den kleinsten Aktenfetzen sofort. Chefs und Abteilungsleiter – in diesem Bild die Zoodirektoren – schätzen den Leertischler als Wunder an Effizienz und Leistungsbereitschaft. Bei Beförderungen geben sie ihm den Vorzug, Darwin hatte es geahnt. Dem Volltischler hingegen begegnen sie mit mahnendem Zeigefinger. Hinter Aktenbergen, alten Kaffeetassen, Apfelresten und vertrockneten Tischblumen verteidigt der sich dann mit einer Standardausrede: „Chef, ich brauch das. Ich kann sonst nicht PAPENBURG

Für vieleMitarbeitergehtesnach derPandemiezurückins Büro.WiesiehtderSchreibtisch aus?AufgeräumtoderdochmitpersönlicherNote?

kreativ sein.“ Aber stimmt das auch? Gibt es dieses chaosbeherrschende Genie wirklich? „Eher nicht“, sagt Hiltraud Grzech-Sukalo, Psychologin und Inhaberin der Arbeitsorganisationsberatung AWiS-Consult in Westerstede. „Und falls doch, ist es extrem selten.“ Man müsse schon ein enorm gutes Gedächtnis haben, um im brodelnden Chaos den Überblick zu behalten – über einen längeren Zeitraum sei das kaum zu schaffen. „Je mehr ich auf dem Schreibtisch habe, desto weniger arbeite

„Ihr Umfeld ist Ihre Visitenkarte, und Sie entscheiden, was draufsteht.“ Bettina Ebert, Coach für Büro-Organisation

KLEINE TYPOLOGIE DER BÜROARBEITER Der Messie Sein Tisch: gleicht einer Wanderdüne: Was immer der Tag hereinweht, es türmt sich zu einem schwankenden Berg – der sich hinter dem Tisch im steten Strom auf den Teppich ergießt. Erbarmungsloses Gesetz der Schwerkraft.

Schnellboots. Stifte, Lineale und sein Lieblingswerkzeug, der Tacker, ruhen in den agentenkoffermäßigen Schaumstoffablagen der Schubladen.

das Leben süß, leider bin ich Diabetiker.“ Et cetera. Hat zur Sicherheit ein Furzkissen in der Schublade.

Der Familienmensch Der Kasper Sein Tisch: Foto-DoSein Tisch: Wird do- kumentation aller miniert von wechAngehöriger ersten selnden Scherzbis dritten Grades. spruch-Bechern in Urlaubsandenken Nachttopfgröße: und der Wimpel seiDer Streber Montag: „Montag: nes Lieblingsclubs, Sein Tisch: Makellos Ruhetag!“ Diensschlimmstenfalls wie der Rumpf eines tag: „Arbeit macht HSV.

ich“, sagt auch die Oldenburger Beraterin Johanne Boekhoff, die kleinen wie großen Unternehmen bei der Organisation ihrer Büroabläufe hilft. „Ich konzentriere mich dann nicht auf das Wesentliche, bin abgelenkt, und was unter meinen Aktenbergen verschüttgeht, vergesse ich sofort.“ Das ist nicht nur peinlich dem Chef und den Kollegen gegenüber, sondern auch ein wirtschaftliches Problem: Eine Studie des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung kommt zu dem Schluss, dass rund zehn Prozent der Arbeitszeit durch falsche Arbeitsmaterialien oder ständiges Suchen nach Dokumenten verschwendet werden. Hinzu kommt: Auch Kunden schließen schnell vom Äußeren aufs Innere. Ein schlampiger Arbeitsplatz kann so schnell Aufträge kosten. „Ihr Umfeld ist Ihre Visitenkarte, und Sie entscheiden, was draufsteht“, sagt Bettina Ebert, Coach für Büro-Organisation in Oldenburg. Dabei ist es gar nicht so schwer, Ordnung zu halten. Boekhoff empfiehlt Büromessies, sich an einem ruhigen Sonntag an ihren Schreibtisch zu setzen und jedes einzelne Schriftstück in die Hand zu nehmen. „Was innerhalb von fünf Minuten erledigt werden kann, muss sofort gemacht werden. Alles andere wandert in sauber beschriftete Ordner.“ Eine solche Hauruck-Aktion mag manchen abschrecken. Dennoch kann sie wie ein Bad in einem eiskalten Gebirgsbach sein: ein belebendes Übel, dem man nicht aus dem Weg gehen sollte. Denn wer erst einmal die Hoheit über seinen Schreibtisch zurückgewonnen hat, setzt sich auch wieder mit neuer Motivation davor, ist die Beraterin überzeugt. Anschließend heißt es, nicht nachzulassen. Vor allem ein durchdachtes Ordnersystem ist dabei von unschätzbarem Wert – sei es real auf dem Schreibtisch oder digital in E-Mail-Programmen wie Outlook. Je nach Tätigkeit sollten die Ordner thematisch sortiert werden oder nach Priorität – etwa „sofort erledigen“, „nächste Woche“, „bis Jahresende“. „Das hängt von der jeweiligen Tätigkeit ab“, sagt Grzech-Sukalo. Gewisse Ausnahmen gibt es dann aber doch: Wer in einem kreativen Beruf arbeitet, etwa alsWerbetexter, darf sich aus Sicht der Psychologin

durchaus ein gewisses Maß an Unruhe in der Umgebung erlauben. „Das kann als Inspiration dienen“, sagt Grzech-Sukalo. Wobei Unruhe eben nicht gleich Chaos sei.

Foto:imago/photothek

Für alle, die im Kampf mit ihrem inneren Schweinehund regelmäßig den Kürzeren ziehen, hat GrzechSukalo einen Trost parat: In der irrsinnigen E-Mail-Flut von heute

könne es mitunter ganz clever sein, nicht auf jede Anfrage sofort zu antworten. „Manches erledigt sich so schnell von selbst, da wäre jede Reaktion Zeitverschwendung.“

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Anschaffungspreis (inkl. Überführungskosten) Leasing-Sonderzahlung Nettodarlehensbetrag Laufzeit Gesamtlaufleistung Sollzinssatz p. a. (fest) Effektiver Jahreszins Voraussichtlicher Gesamtbetrag³ Finanzleasingrate

29.990,- € 3.000,- € 23.107,50 € 36 Monate 30.000 km 1,49 % 1,50 % 9.084,- € 169,- €

FORD FLATRATE+ + Garantieverlängerung + Wartung + Mobilitätsgarantie + Verschleiß Ein Angebot der Ford-Werke GmbH. Gilt für Ford Neufahrzeuge (außer Ford Mustang, Ford Mustang Mach-E, Ford Explorer). Gilt für Privat- und Gewerbekunden (ausgeschlossen sind Großkunden mit Ford Rahmenabkommen, für Pkw zusätzlich gewerbliche Sonderabnehmer wie z. B. Taxi, Fahrschulen, Behörden). Detaillierte Informationen über die Bestandteile, Leistungen und Ausschlüsse der Ford Flatrate+ entnehmen Sie bitte den gültigen Bedingungen der Ford Flatrate+. Die Ford Flatrate+ ist nur kombinierbar mit einem Vertrag (Finanzierung oder Leasing) der Ford Bank GmbH, Henry-Ford-Str. 1, 50735 Köln. Verbrauchswerte nach WLTP*: Kraftstoffverbrauch (kombiniert): 6,0 l/100 km; innerstädtisch (langsam): 6,9 l/100 km; Stadtrand (mittel): 5,3 l/100 km; Landstraße (schnell): 5,2 l/100 km; Autobahn (sehr schnell): 6,7 l/100 km; CO2-Emissionen (kombiniert): 135 g/km

Autohaus Deymann GmbH & Co. KG Belmfort 1 - 3 49733 Haren (Ems) Tel.: 05932/7230-0 Fax: 05932/7230-30 E-Mail: info@auto-deymann.de www.auto-deymann.de Beispielfoto eines Fahrzeuges der Baureihe. Die Ausstattungsmerkmale des abgebildeten Fahrzeuges sind nicht Bestandteil des Angebotes. *Seit dem 1. September 2017 werden bestimmte Neuwagen nach dem weltweit harmonisierten Prüfverfahren für Personenwagen und leichte Nutzfahrzeuge (Worldwide Harmonised Light Vehicles Test Procedure, WLTP), einem neuen, realistischeren Prüfverfahren zur Messung des Kraftstoffverbrauchs und der CO2-Emissionen, typgenehmigt. Seit dem 1. September 2018 hat das WLTP den neuen europäischen Fahrzyklus (NEFZ), das bisherige Prüfverfahren, ersetzt. Wegen der realistischeren Prüfbedingungen sind die nach dem WLTP gemessenen Kraftstoffverbrauchs- und CO2Emissionswerte in vielen Fällen höher als die nach dem NEFZ gemessenen. Die angegebenen Werte dieses Fahrzeugtyps wurden anhand des neuen WLTP-Testzyklus ermittelt. 1Ein km-Leasing-Angebot für Privatkunden der Ford Bank GmbH, Henry-Ford-Str. 1, 50735 Köln. Das Angebot gilt für noch nicht zugelassene, berechtigte Ford PKW-Neufahrzeuge und stellt das repräsentative Beispiel nach § 6a Preisangabenverordnung dar. Ist der Leasingnehmer Verbraucher, besteht nach Vertragsschluss ein Widerrufsrecht. 2Gilt für einen Ford Puma ST-Line 1,0-l-EcoBoost-Hybrid (MHEV) 92 kW (125 PS), 6-Gang-Schaltgetriebe, Start-Stopp-System, Euro 6d-ISC-FCM. 3Summe aus Leasing-Sonderzahlung und mtl. Leasingraten. Zzgl. bei Vertragsablauf ggf. Mehr- oder Minderkilometer sowie ggf. Ausgleichsbeträge für etwaigen übermäßigen Fzg.-Verschleiß; Mehrkilometer 0,06 €/km, Minderkilometer 0,04 €/ km (5.000,- Mehr- oder Minderkilometer bleiben berechnungsfrei).


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DONNERSTAG, 28. APRIL 2022

LEBEN & LEIDENSCHAFT

TERMINE

DER WIRTSCHAFT

20.05.2022 | 08.30 UHR

Das Berufsbildungs- undTechnologie-Zentrum (BTZ) der Handwerkskammer ist jetzt anerkannte Meisterschule (v. l.): Francesco Latorre (BTZ-Fachbereichsleiter), Sven Ruschhaupt (HWK-Hauptgeschäftsführer), Claus-Domi-

Arbeitsplatz einrichten und strukturieren (Praxisworkshop)

nikWedeking (BTZ-Leiter), Markus Kybart (BTZ-Projektleiter), Ulrich Beckschulte (Geschäftsführer BV LandBauTechnik)undDr.MichaelOelck(HauptgeschäftsführerBVLandBauTechnik)mitderAuszeichnung.

Foto: HWK

MEMA/JADE HS/LEANNOVA, LEANNOVA, CLARA-EYLERT-STR. 4, LINGEN

02.05.2022 | 14.30 UHR Workshop Azubigewinnung (Ems-Achse-Seminarreihe)

21.05.2022 | 10.00 UHR 16. Jobmesse Emsland (auch am 22.05. ab 11 Uhr)

EDZ BAUEN WOHNEN FREIZEIT, INDUSTRIESTRASSE, RHEDE (EMS)

BARLAG WERBE- UND MESSEAGENTUR, EMSLAND-ARENA LINGEN

03.05.2022 | 17.00 UHR

31.05.2022 | 17.00 UHR

Einstieg in die Existenzgründung (Online-Seminar) GRÜNDERHAUS OSNABRÜCKER LAND, MIT ANMELDUNG

04.05.2022 | 16.00 UHR Mitarbeiter sind Material, das funktionieren muss – oder?! WFO/TOURISMUSAKADEMIE OSNABRÜCKER LAND, WEBINAR MIT ANMELDUNG

DIE GESICHTER DER WIRTSCHAFT

Bam! Boom! Bang! – Wissenschaftshow Meppen (Ems-Achse) KUNSTSTOFFNETZWERK EMS-ACHSE, THEATER MEPPEN, THEATERPLATZ 1 „Botschafterin Business Women IHK“: Die Osnabrücker Unternehmerin Angelika Pölking erhielt als eine der ersten UnternehmerinnenbundesweitdieUrkundevomDeutschen Industrie-und Handelskammertag(DIHK). Foto:IHK

15.06.2022 | 09.00 UHR

Grundlagen der Prozessoptimierung (Anwenderworkshop)

Digitale Woche Osnabrück 2022 (bis 18.06.2022)

MEMA-NETZWERK, LEANNOVA, CLARA-EYLERT-STRASSE 4, LINGEN

STADTWERKE AG/SWO NETZ GMBH/ WFO/WIGOS UND IUK NETZWERK

07.05.2022 | 10.00 UHR

15.06.2022 | 10.00 UHR

15. Jobmesse Münster (auch am 08.05., ab 11 Uhr)

Praxisorientierte Impulse aus dem Recrutingalltag (Online)

BARLAG WERBE- U. MESSEAGENTUR, HALLE MÜNSTERLAND, HALLE SÜD

Grundlagen Buchführung und Steuern (Gründerhaus-Seminar)

Irrtümer am Arbeitsplatz (MEMA, ELKONET) LANDKREIS EMSLAND, KREISHAUS I, ORDENIEDERUNG 1, MEPPEN

06.05.2022 | 08.30 UHR

09.05.2022 | 17.00 UHR

01.06.2022 | 19.00 UHR

DieAzubis desJahres 2021 kürte jetzt die Semco-Gruppe (v. l.): Isabell Hinrichs (Personalreferentin undAusbildungsleiterin), Hermann Schüller (Geschäftsführender Gesellschafter),AkinAzimtili, Ibrahima Conde, Katharina Kiefel, Vanessa Laug, Julia Scheiermann, Lisa-Chiara Ramke, Daniel Nadorp und Bernhard Feldmann (GeschäftsführerRegionNord).

Foto:Semco

Platz 1 im Ranking für den aktuellen Nachhaltigkeitsbericht #weiter_gehen 2020 von Assmann Büromöbel (v. l.): Marc Schumann, Karla Aßmann und Martin Könneker freuen sich überdenErfolgfürdasMellerUnternehmen. Foto:Assmann

GRÜNDERHAUS OSNABRÜCKER LAND, ONLINE MIT ANMELDUNG

MEMA-NETZWERK/WACHSTUMSREGION EMS-ACHSE, MIT ANMELDUNG

17.06.2022 | 08.30 UHR Osna Hack 2022 – „Smart up your city“ (auch am 18.06.) STADTWERKE UND PARTNER, SMART-CITY-HOUSE, RHEINSTR. 82

12.05.2022 | 14.00 UHR

17.06.2022 | 08.30 UHR

Erst die Daten, dann die KI (it.emsland/MEMA/KSNW)

Gesamtprozessbetrachtung – Gate to Gate zum Erfolg

IT-ZENTRUM LINGEN, KAISERSTRASSE 10 B, LINGEN (EMS)

MEMA/JADE HS/LEANNOVA, LEANNOVA, CLARA-EYLERT-STRASSE 4, LINGEN

18.05.2022 | 09.00 UHR

21.06.2022 | 17.00 UHR

Konfliktmanagement (Emsland GmbH/MEMA) LANDKREIS EMSLAND, KREISHAUS 1, ORDENIEDERUNG 1, MEPPEN

Margrit Harting (2. v. r.), seit 35Jahren bei Harting zuständig für das Image und den gutenRufderTechnologiegruppe,feiertihrDienstjubiläum.EsgratulierenderVorstandfür Personal und Recht, Dr. Michael Pütz (Mitte), sowie die Familienmitglieder Dietmar Harting,Maresa Harting-HertzundPhilipHarting (v.l.).

Foto: Harting

Die IHK-Urkunde „Top Ausbildung“ als Bestätigung höchster Ausbildungsstandards übergab jetzt IHK-Hauptgeschäftsführer Marco Graf (2. v. l.) an Oliver Roosen (Vorstandsmitglied) sowie Kerstin Röttgers, Rainer Dickmänken und Kerstin Stilber (von Foto:IHK links)ausdemPersonalmanagementderSparkasse EmslandinMeppen.

Einlösbar bei über 190 Geschäften • Tankstellen • Restaurants • Ausflugsziele

Mehr unter:

www.grafschaft-gutschein.de

Bam! Boom! Bang! – Wissenschaftshow Nordhorn (KSNW) KONZERT- UND THEATERSAAL NORDHORN, OOTMARSUMER WEG 14


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