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Der Schwabenmaler bei den Heimattagen
Der Schwabenmaler bei den Heimattagen der Banater Deutschen in Temeswar
Hans Rothgerber
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Ich stehe auf dem Temeswarer Opernplatz, auf dem Platz, der mir häufig eine wohlige Gänsehaut beschert. Denn man spürt, dass hier, inmitten von markanten Gebäude-Gesichtern, man selbst vorübergehend auch bedeutend wird.
Vielleicht fühlen das auch die vielen Menschen, denen körperlich durch die Hitze noch einiges mehr abverlangt wird. Die zahlreichen Trachtenpaare der Banater Schwaben zum Beispiel, die ein Exempel sind, wie aufwändig Schönheit sein kann. Nur Frauen, die jemals eine Banater Kirchweihtracht getragen haben, können beurteilen, wie schön Leiden macht oder wie schön es ist zu leiden. Man könnte sich den lieben langen Tag an solchen Betrachtungen berauschen.
Aber nicht auf der Jagd nach schönen Bildern, die, falls sie erfolgreich sein will, keine Sekunde aus den Augen verlieren darf. Und der Jäger sollte auch keine Perspektive scheuen, wenn er Klicks auf digitalen Plattformen nach einem Event bekommen möchte.
Möchte man in Temeswar einen Bekannten treffen, dessen Name oder Anschrift einem abhanden gekommen ist, bekommt man die größte Chance am Nabel und Nadelöhr der Stadt, der Alba Iulia Straße.
Dort werkelt auf einer Bank, schwarz gekleidet, ein hagerer alter Mann mit altmodischem Hut. Zuerst denke ich, er hantiert mit chinesischen Stäbchen, tunkt in Soßen. Dann erinnere ich mich an die alten Malerpinsel, Utensilien lange vor der Digitalisierung. Als ich spontan meine Kamera auf den Maler richte, droht er mit dem Zeigefinger: Das dürfen Sie nicht! Guter Mann, sage ich, wir befinden uns hier auf öffentlichem Gelände, Sie können mir nicht verbieten, die Wand hinter ihnen zu fotografieren. Stimmt, entgegner er, aber ich kann Ihnen verbieten, die Wand zu fotografieren, wenn ich vor ihr stehe und Sie diese gar nicht sehen können. Also schön, antworte ich verstimmt, aber glauben Sie ja nicht, dass ich es auf Sie abgesehen habe, weil sie besonders sind. Mein Lieber, erklärt er, selbst wenn Sie mich hundert- oder tausendmal fotografieren, es ist immer dasselbe. Es ist Spreu neben der Dreschmaschine und noch lange kein Teig, geschweige denn Kuchen. Essen Sie lieber eine Bratwurst dort drüben am Kiosk, dann haben Sie auch etwas davon. Da fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Herr JägerBacsi, ich bitte um Verzeihung, ich hatte Sie nicht erkannt. Ist schon gut, Landsmann, Sie können ja nicht wissen, dass das, was Sie als Bilder bezeichnen, eigentlich mit Maschinen bedrucktes Papier ist. Oder ein anderes Beispiel: haben Sie schon mal einen Felsbrocken als Skulptur bezeichnet? Sehen Sie, zunächst muss das überflüssige Material abge-
Fotomontage: Büste von Stefan Jäger und Trachtenträger bei den Heimattagen 2019 in Temeswar. Foto: banat-tour.de
meißelt werden, dann bekommen Sie eine sogenannte Plastik. Reisen Sie nach Griechenland und Italien und schauen Sie, was vor 2000 Jahren ausprobiert wurde, machen Sie das mal nach. Und wenn Sie das können und sich noch immer für die Fotokamera entscheiden, dürfen Sie mich, so oft Sie mögen, fotografieren.
Inzwischen schallt Blasmusik durch die hohe enge Gasse, ein langer Zug hatte sich in Gang gesetzt. Abgewendet frage ich, aber Herr Jäger, dort drüben marschieren unsere Landsleute in diesen einmaligen barocken Trachten, die Sie tausende Male gemalt haben. Warum soll ich die denn nicht fotografieren? Da der Schwabenmaler mir nicht antwortet, drehe ich mich um. Die Bank ist leer. War das gerade eine Fata Morgana im heißen Temeswar? Ich muss mich beeilen, beinahe hätte ich den fulminanten Aufmarsch der Banater Deutschen vor der Oper, der Gänsehaut verursacht, verpasst.
Der Banater Maler Stefan Jäger (1877-1962), auch Schwabenmaler genannt, war als besonders kamerascheu bekannt.
Abbildung
Tanzpause, Ölmalerei von Stefan Jäger. Reproduktion: banat-tour.de