9 minute read
Emmanuelle Moureaux
Rotating colors. Mixing colors. Moving hearts. NSK 100th anniversary SENSE OF MOTION November 9-20, 2016 SPIRAL, Tokyo
Colors of Life
Die Magie der Farben. Es gibt wenige Menschen, welche Farben im Raum in einer Art und Weise erlebbar machen, die ein Lächeln auf die Lippen und ein Glücksgefühl ins Herzen zaubern. Emmanuelle Moureaux, eine in Tokyo lebende französische Architektin, Designerin und Künstlerin gehört definitiv dazu. Ihre Ausstellungen haben Auszeichnungen und weltweite Anerkennung gewonnen. Die Herzen der Menschen zu gewinnen, bleibt ihr aber das Wichtigste.
"Ich entdeckte Japan zuerst durch Bücher, bereits in der Highschool interessierte ich mich für japanische Literatur. Damals gab es noch kein Internet, man konnte ein Land höchstens durch das Medium Film entdecken. Ich wollte das Land mit meinen eigenen Augen entdecken und so reiste ich für eine Woche nach Tokyo. An die Ankunft in Tokyo 1995 erinnere ich mich, als ob es gestern gewesen wäre. In Tokyo Ikebukuro war ich überwältigt von den ersten Eindrücken. Da waren Tausende von Farben, die im Raum schwebten, wie dreidimensional über- und nebeneinander geschichtete Farben. Ich hatte das Gefühl, dass ich zum ersten Mal Farbe wirklich «erlebe». Das war ein extrem emotionaler Moment, in welchem ich beschloss, in Tokyo zu leben.
Ich fuhr nach Hause, machte meine Architekturlizenz, packte meine Koffer und zog zwei Monate später nach Tokyo! Ich hatte keinen Plan, keinerlei Kontakte, war wie ein frisch geborenes Baby, das die Welt neu kennenlernt. Erstaunt stellte ich zunächst fest, dass Farben im zeitgenössischen japanischen Design kaum eine Rolle spielten, im traditionellen Japan, zum Beispiel im Kimono, hingegen sehr wohl. Die ersten Jahre schlug ich mich mit vielen Nebenjobs durch, unterrichtete französisch, lernte japanisch, um genügend Zeit zu haben, meine eigenen Ideen zu entwickeln. Als ich dann endlich die japanische Architekturlizenz erhielt und 2003 mein eigenes Architektur- und Designstudio eröffnete, hatte ich mich entschieden, dass ich bei allem was ich tue, Farbe als bewusstes Element nutzen würde, um den Menschen genau jene Emotionen zu geben, welche ich bei meiner Ankunft in Tokyo verspürte.
Shikiri
Dazu entwickelte ich mein Konzept von Shikiri. 'Shikiri' ist ein japanisches Wort, das die traditionelle japanische Papierschiebe-Trennwand beschreibt, die zu dieser Zeit am Verschwinden war, da sich die moderne Architektur an der westlichen Konzeption von festen Wänden orientierte. Dabei ist die Shikiri-Trennwand ein schönes Element, das den Raum auf flexible und transparente Art und Weise strukturiert.
Ich beschloss, etwas zu schaffen, um Shikiri zu erhalten. Ich wandelte das Wort "Shikiri" um ein kleines Schriftzeichen ab, welches die Bedeutung so verändert, dass aus Raumteilung "Raumteilung mit Farben" wird. Mein Shikiri-Konzept ist also vom japanischen Raumteiler, von seinen Farben, seinen Schichten und der Stadt Tokio inspiriert. Farbe wird im Bereich der Architektur oder der Innenarchitektur nicht selten als nebensächliches Element betrachtet. Architekten entscheiden oft am Ende des Designprozesses über die Farbgebung von Böden oder Wänden. Ich beschloss, Farbe bereits zu Beginn des Designprozesses und als strukturelles dreidimensionales Element einzusetzen.
Universe of Words
Das ist weltweit ziemlich einzigartig?
(sie denkt nach…) Das könnte sein, ich hab nie darüber nachgedacht (lacht). Ich bin Architektin, Designerin und Künstlerin zugleich, für mich gibt es da keine Grenzen, zentrales Element in all meinen Arbeiten sind die Farben. Zum 10-jährigen Bestehen meines Studios lud mich 2013 die City of Shinjuku zu einer Ausstellung im Shinjuku Mitsui Building ein. Da entwarf ich das Konzept von 100 Colors. Ich erinnerte mich an die Farbschichten von Tokyo und so kreierten wir mit 100 sorgfältig ausgewählten Farben eine Rauminstallation. 100 Farben kann man normalweise nicht gleichzeitig betrachten. Als wir fertig waren und den «Farbraum» betraten, fühlten wir die Farben fast körperlich, es war sehr emotional und so wurde aus einem einmaligen Event eines, das sich wiederholte.
Eine der nächsten Installationen platzierten wir in der Eingangshalle eines Wolkenkratzers in Tokyo. Tausende Menschen flanierten täglich hindurch. Ich beobachtete die Menschen: sie lächelten, tauchten in die Farbwelten ein, berührten, fühlten Farben, verweilten, mit allen Sinnen. Es tut der Seele gut. Da wusste ich, dass ich mein Ziel erreicht hatte, die Herzen der Menschen zu berühren und ihnen einen Moment des Glücks und inneren Ruhe zu schenken. Ich war dann selber glücklich, weitere 100 Colors-Installationen zeigen zu dürfen. Aktuell sind wir bei 100 Colors Nr. 36 angelangt. Solche Installationen sind temporär, wie Blumen, die erblühen und dann wieder verschwinden.
Die Installationen schauen nach sehr viel Arbeit aus!
Ja, die grösste Installation bestand aus 168'000 Teilen… da steckt ein langer Prozess dahinter. Definition der Anzahl Farben, Entwürfe, physische Modelle, Entwicklung der Formen, deren Grösse, Abstände. Eine Firma stellt das Papier her, danach werden alle Formen ausgeschnitten. Am meisten Handarbeit beansprucht die Zusammensetzung der «Farblinien». Jede Form muss einzeln an einem Faden befestigt werden, natürlich in genau definierter Abfolge – und in perfekter millimetergenauen Arbeit! Das dauert Monate in der Vorbereitung und Wochen für die Installation, mit bis zu 300 Freiwilligen.
Emmanuelle Moureaux kreiert kleine Glücks-Paradiese?
Das ist ein nettes Wort (lacht). Für mich ist es ein Ausdruck meiner eigenen inneren Freude und wenn es die Menschen glücklich macht und zum Lächeln bringt, ist es wunderbar. Ich bekomme dadurch viel positive Energie von den Menschen, die Installationen beanspruchen aber auch viel Energie meinerseits. Aber es ist aufregend und inspirierend, weshalb ich weitere Ausstellungen in weiteren Städten dieser Welt zeigen möchte.
bunshi
Forest of Numbers
The magic of colors.
There are few people who make colors in space tangible in a way that brings a smile to the lips and a feeling of happiness to the heart.
Emmanuelle Moureaux, a Tokyo-based French architect, designer – and for me above all – artist is definitely one of them. Her exhibitions have since won awards and worldwide recognition. Winning people's hearts, however, remains the most important thing to her.
"I first discovered Japan through books; I was already interested in Japanese literature in high school. At that time there was no internet, the best way to discover a country was through films. I wanted to discover the country with my own eyes and so I travelled to Tokyo for one week. I remember arriving in Tokyo in 1995 as if it were yesterday. In Tokyo Ikebukuro I was overwhelmed by the first impressions. There were thousands of colors floating in space, like three-dimensional colors layered over and next to each other. I felt like I was really experiencing color for the first time. It was an extremely emotional moment in which I decided to live in Tokyo. I went home, finished my architecture licence, packed my bags and moved to Tokyo two months later! I had no plan, no contacts, was like a newly-born baby getting to know the world anew. At first I was surprised to discover that colors hardly played a role in contemporary Japanese design, but they did in traditional Japan, for example in kimono.
For the first few years, I managed to get by with many part-time jobs, taught French, learned Japanese, in order to have enough time to develop my own ideas. When I finally got my Japanese architecture licence and opened my own architecture and design studio in 2003, I had decided that I would use color as a conscious element in everything I did, to give people exactly the emotions I felt when I arrived in Tokyo.
The concept of Shikiri
To do this, I developed my concept of Shikiri. 'Shikiri' is a Japanese word that describes the traditional Japanese paper sliding partition, which was disappearing at the time as modern architecture was taking its cue from the Western concept of solid walls. Yet the Shikiri partition is a beautiful element that structures the space in a flexible and transparent way. I decided to create something to preserve Shikiri, but changed the Japanese word by one small character, which changes the meaning to "dividing space with colors". So my Shikiri concept is inspired by the Japanese room divider, its colors, its layers and the city of Tokyo.
Color is frequently regarded as a secondary element in the field of architecture or interior design. Architects often decide on the color scheme of floors or walls at the end of the design process. I decided to use color at the beginning of the design process and as a structural three-dimensional element.
That is quite unique in the world, isn't it?
(she thinks...) It could be, I never thought about it (laughs). I am an architect, designer and artist at the same time, for me there are no restrictions, the central element in all my work is color. In 2013, for the 10th anniversary of my studio, the City of Shinjuku invited me to an exhibition in the Shinjuku Mitsui Building. That's when I came up with the concept of 100 Colors. I remembered the color layers of Tokyo and so we created a room installation with 100 carefully selected colors. Normally, you can't look at 100 colors at the same time. When we finished and entered the "color space", we almost physically felt the colors, it was very emotional and so a one-time event became one that was repeated. One of the next installations we placed in the entrance hall of a skyscraper in Tokyo. Thousands of people strolled through every day. I watched the people: they smiled, immersed themselves in the worlds of color, touched the colors, felt them, lingered, with all their senses. It does the soul good. I knew then that I had achieved my goal of touching people's hearts and giving them a moment of happiness and inner peace. It really inspired me to be able to do more 100 Colors installation exhibits. Currently we have reached 100 Colors No. 36. The installations are temporary, like flowers that blossom and then disappear again.
Photo credits: Daisuke Shima, except Slices of time: Charles Emerson, Shibafu table: Hideki Tanaka
The installations look like a lot of work!
Yes, the largest installation consisted of 168,000 pieces... there is a long process behind it. Defining the number of colors, sketches, physical models, developing shapes, their size, spacing. A company produces the paper, then all the shapes are cut out. The most manual work is the composition of the "color strings". Each shape has to be attached individually to a thread, of course in a precisely defined sequence – and with perfect millimetre precision! This takes months of preparation and weeks for the installation.
Emannuelle Moureaux creates little paradises of happiness?
That's a nice word (laughs). For me it is an expression of my own inner joy and if it makes people happy and smile, it's wonderful. I get a lot of positive energy from people through it, but the installations also claim a lot of energy on my part. But it's exciting and inspiring, which is why I will continue to do more exhibits of my installations in cities around the world.
Slices of Time
VIDEO: https://vimeo.com/203244686
Interview on YouTube
EMMANUELLEMOUREAUX.COM
Tokyo | Japan