Greenpeace-Magazin 02/20

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Greenpeace Member Nr.  02  /  20

Engagement

Gegen die Verantwortungslosigkeit S. 10

Aufstehen

Debatte

Für die Handlungsbereitschaft S. 31

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Gegen Ende des Jahres wird in der Schweiz voraussichtlich über die Konzernverantwortungs­ initiative abgestimmt. Jede Stimme zählt.

Hier geht es zur Konzerninitiative

Editorial

Zugegeben: In Zeiten, in denen ein Virus das ganze Land lahmlegt, ist das Aufstehen gar nicht so einfach – ausser natürlich für all jene, die jetzt im Homeoffice arbeiten. Gemeinsam für eine Sache auf die Strasse zu gehen, dieses Aufstehen wurde aber wortwörtlich zu Fall gebracht. Wenn uns die aktuelle Situation eines zeigt, dann dies: wie wichtig Solidarität auch jetzt ist. Anstatt zusammen füreinander rauszugehen, bleiben wir jetzt halt zusammen füreinander zu Hause. Und etwas Gutes hat die Zwangspause ja: Wir können unsere Ener­ giespeicher wieder aufladen. Um uns an dem Tag, an dem die Normalität zurückkehrt, mit all den Menschen in diesem Heft zu erheben: gegen ­Konzerne, die immer noch ohne Konsequenzen tun und lassen können, was sie wollen (S. 10), gegen die Tabak­ industrie, die immer noch keine ­Verantwortung übernehmen muss für das immense Zigarettenstummel-­ Littering (S. 8), oder gegen Banken, die immer noch ohne Skrupel die Klima­ krise mit ihren Geschäften befeuern (S. 31). Lauter, stärker und dynamischer als je zuvor. Viele Energie aufladende Momente beim Lesen wünscht Ihnen Ihre Redaktion.

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Auf die Strasse

Inhaltsverzeichnis

Essay Politische Mass­ nahmen führen weltweit zu Aufständen. Was bedeutet das für den Klimaschutz?

S. 12

Rückblick

International

Die Weltverschlechterer

Durch die Hölle

S. 9

S. 26

IMPRESSUM GREENPEACE MEMBER 2/ 2020 Herausgeberin/ Redaktionsadresse: Greenpeace Schweiz Badenerstrasse 171 Postfach 9320, 8036 Zürich Telefon 044 447 41 41 redaktion@greenpeace.ch www.greenpeace.ch Redaktionsteam: Danielle Müller (Leitung), Manù Hophan (Bildredaktion) Korrektorat/Faktencheck: Marco Morgenthaler, Danielle Lerch Süess Autoren: Carlos Hanimann, Christian Schmidt, Danielle Müller Fotos: Peter van Agtmael, Stephen Dupont, Nicola Marfisi, Cristina de Middel, Pablo E. Piovano, Isabel Truniger, Anja Wille Schori Illustrationen: Andy Fischli, Jörn Kaspuhl Cover: Raffinerie Gestaltung: Raffinerie Bildbearbeitung: Marjeta Morinc Druck: Stämpfli AG, Bern

Papier, Umschlag und Inhalt: 100 % Recycling Druckauflage: d 80 000, f 14 000 Erscheinungsweise: viermal jährlich Das Magazin Greenpeace geht an alle Mitglieder (Jahresbeitrag ab Fr. 84.–). Es kann Meinungen enthalten, die nicht mit offiziellen Greenpeace-Positionen übereinstimmen. Stimmt Ihre Adresse noch? Planen Sie einen Umzug? Wir nehmen Änderungen gerne entgegen: schweiz@greenpeace.org oder 044 447 41 71 Spenden: Postkonto 80-6222-8 Online-Spenden: www.greenpeace.ch/spenden SMS-Spenden: Keyword GP und Betrag in Franken an 488 (Beispiel für Fr. 10.–: «GP 10» an 488)

Aktion

S. 4

Fortschritt

S. 6

Taten statt Worte

S. 7

Rückblick

S. 9

Engagement

S. 10

Zahlen & Fakten

S. 11

Essay

S. 12

Das steckt dahinter

S. 25

International

S. 26

Rezept

S. 30

Debatte

S. 31

Mein grüner Wille

S. 33

Rätsel

S. 34

Schlusswort

S. 35


Aktion

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Pinguin-Zählung Die grösste Kolonie von Zügelpinguinen lebt auf der Elefanteninsel in der Antarktis. Um die Auswirkungen des Klimawandels auf die Pinguin-Population zu verstehen, haben Forscher*innen der Stony Brook University, der Northeastern University und von Greenpeace im Rahmen der Expedition vom Nord- zum Südpol eine Pinguin-Zählung durchgeführt.

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Bild: © Christian Åslund / Greenpeace

Elefanteninsel, Antarktis, 14. Januar 2020.


Geldhahn zu

Fortschritt

Gashahn zu

Bereits im Oktober vergangenen Jahres hat der spanische Energieversorger Endesa angekündigt, seine beiden letzten Kohlekraftwerke im Land vorzeitig zu schliessen. Nun ist es Fakt: 2022 wird den Werken der Stecker gezogen – so steht es geschrieben im aktualisierten Strategieplan des Unter­ nehmens. Für Spanien ein grosser Schritt in Richtung Klima­ schutz, da Endesa bisher der grösste CO2 -Emittent des Lan­ des war. ¡Felicitaciones!

Abfuhr für Swedegas: Die schwe­ dische Regierung erlaubt es dem Unternehmen nicht, seinen Flüs­ sigerdgas-Betrieb zu erweitern – aus klimatechnischen Gründen. Swedegas wollte sein Gasterminal in Göteborg an das Hauptgasnetz anschliessen. Der Erfolg kommt nach jahrelanger Kampagnenarbeit gegen die Gaspläne des Unterneh­ mens, an der auch Greenpeace Schweden massgeblich beteiligt war. Grattis!

Bild: © Pedro Armestre / Greenpeace

Stecker raus

Aus den Niederlanden erreichen uns gleich zwei erfreuliche Nachrichten. Zum einen hat der niederländische Versicherer Aegon entschieden, Investitionen in Kohleunternehmen zu ­reduzieren. Insgesamt stehen 104 Firmen auf der Ausschluss­ liste; die Höhe der zurückgezogenen Investitionen beträgt 140 Milliarden Euro. Zum anderen wurde im niederländischen ­Senat ein Gesetz zum Verbot von Kohle zur Stromerzeugung verabschiedet, wobei er sich nicht von Klagedrohungen der Energieunternehmen RWE und Uniper einschüchtern liess. Gefeliciteerd!

Bild: © Marten van Dijl / Greenpeace

Kohle raus

Bild: © Jana Eriksson / Greenpeace

Die europäischen Regierungen ha­ ben sich darauf geeinigt, dass die Europäische Investitionsbank – eine der weltweit grössten öffent­ lichen Kreditgeber – die Finanzie­ rung für Projekte mit fossilen Energieträgern bis Ende 2021 ein­ stellen wird. Dieser Entschluss sendet ein starkes Signal an den Energiesektor und die globale Fi­ nanzgemeinschaft, dass das Zeit­ alter der fossilen Brennstoffe sich dem Ende zuneigt. Gratulation!


Taten statt Worte

«Plastik ist wie eine Einstiegsdroge»

Judith Wernli, Radiomoderatorin und Mitglied des Initiativteams des Badener Plastikexperiments

Text: Danielle Müller, Greenpeace Schweiz

Angefangen hat alles mit Karot­ ten. Und zwar vier Stück, die kom­ plett nackt – geschält – in einer in Plastik eingewickelten Karton­ schale im Ladenregal lagen. Als Judith Wernli das sah, wurde sie «verruckt». Sich aber nur über sol­ chen Verpackungsblödsinn auf­ zuregen, wie es so viele andere tun, war ihr nicht genug. Sie beschloss, etwas zu unternehmen. Dieser Tag liegt rund zwei Jahre zurück. Seitdem geht Judith Wernli mit Metallbehältern zur Käsetheke in der Migros, packt Äpfel aus dem Coop ohne Plastik einfach in ihren grossen Rucksack und vermeidet Einwegplastik wo immer möglich. Doch nicht nur das: Auch ihr Auto hat sie verkauft, sich ein GA zugelegt, und sie ist mit ihrer Familie seither nicht mehr in

die Ferien geflogen. «Plastik ist wie eine Einstiegsdroge», meint die 46-Jährige, «ein guter Anfang, um sich auch für andere Umweltberei­ che zu sensibilisieren.» Deswegen war sie auch sofort dabei, als das Initiativteam des Badener Plastik­ experiments letzten Herbst bei ihr anklopfte und sie einlud, Teil des Projektes zu werden. Das deklarierte Ziel des Plastikexperiments: Badenerin­ nen und Badener verzichten im März 2020 einen Monat lang auf Plastik. Viel wichtiger ist dem Or­ ganisationskomitee des Projektes jedoch, möglichst viele Menschen für das Thema Plastik zu sensi­ bilisieren – mit Infoabenden, Po­ diumsdiskussionen, Workshops, Kunstausstellungen und weiteren Anlässen. «Es muss ein Umden­ ken stattfinden», ist Judith Wernli überzeugt; das sei wichtig für die

nächste Generation. Zu dieser ­gehört auch ihr 8-jähriger Sohn Robin, auf den der Elan seiner Mutter bereits abgefärbt hat: «Er fragt zum Beispiel seine Mitschü­ lerinnen und Mitschüler, ob sie denn wirklich all den Plastik bei ­ihrem Znüni brauchen», erzählt die SRF-3-Radiomoderatorin la­ chend. Das hat dazu geführt, dass sich seine Klasse nun im Unter­ richt mit dem Thema befasst. Und die Sensibilisierungswelle scheint auch den Rest des Städtchens zu erfassen: «Das Plastikexperiment ist wie ein Feuer, dass sich in ganz Baden ausbreitet», sagt Judith Wernli begeistert, «man spürt den Spirit überall, und damit kann man viel erreichen.»

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Taten statt Worte

«Wichtiger als der Satz des Pythagoras»

Helfen Sie beim Zigaretten­ stummel-­ Sammeln

Mevlan Ramadani, Sophie Heiniger und Maylynn Schmid (v. l.), Gründungsmitglieder des Vereins Stop2drop

Text: Danielle Müller, Greenpeace Schweiz

Ein 16 500-Seelen-Ort mitten im idyllischen Emmental – das ist Burgdorf. Um 9 Uhr morgens sind die Strassen hier noch halb leer, das Leben scheint nur gemächlich in die Gänge zu kommen. Nicht so aber bei der 10. Klasse der BVS Burg­ dorf: Die 15 Schülerinnen und Schüler haben sich bereits in ihre neongelben Westen geworfen und machen sich auf den Weg nach draussen in die Kälte. Sie haben der Tabakindustrie den ­ Kampf angesagt. Stop2drop heisst der Verein, den die Klasse gemeinsam mit ihrem Lehrer Manuel Hirschi ­ ­gegründet hat. Dessen Ziel: eine ­Million Zigarettenstummel in der Schweiz zu sammeln und den Her­ stellern zurückzuschicken. Für ­jeden gesammelten Stummel will

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Stop2drop einen Franken an eine Umweltorganisation spenden, die sich für sauberes Wasser einsetzt. «Aktuell haben wir über 32  000 Stummel beisammen», e ­rzählt Vereinsvizepräsidentin Maylynn, «um eine Million zu schaffen, sind wir aber auf die Mithilfe von ande­ ren Schulen in der Schweiz ange­ wiesen.» Jeden Freitag geht die Klas­ se in Burgdorf sammeln, Fran­ zösisch und Mathematik müssen dabei hintenanstehen. «Durch das Projekt lernen wir aber beispiels­ weise, Verantwortung zu überneh­ men», erklärt Mevlan, auch er Vi­ zepräsident von Stop2drop, «das ist viel wichtiger als der Satz des Pythagoras.» Keine Trigonomet­ rie benötigt Mevlan auch für die Formel, warum überhaupt so vie­ le Menschen Zigarettenstummel auf den Boden werfen, anstatt sie

im nächstgelegenen Mülleimer zu entsorgen: «Weil wir faul sind», meint er trocken. Stop2drop sieht die Verantwortung aber nicht ­alleine bei den Raucherinnen und Rauchern: «Zigarettenkonzerne müssten auf der Verpackung da­ rauf aufmerksam machen, dass man die Stummel nicht einfach fallen lassen sollte», sagt Sophie, Kommunikationsverantwortliche des Vereins. «Ich befürchte aber, dass sie das nicht machen werden, aus Angst, weniger zu verdienen», entgegnet Maylynn, «es geht schliesslich immer ums Geld.» Diese Rechnung hat die Klasse verstanden – auch mit ein paar Mathelektionen weniger. Illustrationen Seite 7 / 8: Jörn Kaspuhl arbeitet meistens mit Papier und Stift und braucht den Computer nur, um die verschiedenen Elemente zusammenzufügen. 2008 schloss er sein Studium an der Universität in Hamburg als Illustrator ab. Er lebt und arbeitet in Berlin.


Rückblick

Die Weltverschlechterer

«Committed to improving the state of the world»:

Bild: © Greenpeace / Ex-Press / Flurin Bertschinger

So liest sich die Mission des Weltwirtschaftsforums (World Economic Forum) auf der eigenen Website. Seit knapp 50 Jahren treffen sich namhafte Vertrete­ rinnen und Vertreter aus Wirtschaft und Politik jähr­ lich in Davos, um über aktuelle globale Probleme zu diskutieren. Und während sich das WEF im Internet als weltverbessernde Stiftung den eigenen Bauch pinselt, lässt es sich von Grossbanken wie der CS und der UBS sponsern. Gemeinsam mit anderen 31 Fi­ nanzinstituten haben diese seit der Unterzeich­ nung des Pariser Klimaabkommens über 1,9 Billionen US-Dollar in die Fi­ nanzierung fossiler Brennstoffe gesteckt. Die Welt verbessern sieht anders aus.

Damit sich die Mitglieder des WEF ihre Mission endlich zu Herzen nehmen, waren Greenpeace-Ak­ tivistinnen und -Aktivisten auch in diesem Jahr in Davos vor Ort und machten die Anwesenden aus der Finanzbranche auf ihre Verantwortung im Klima­ schutz aufmerksam. «Es braucht einen Systemwan­ del. Und es braucht dringend nationale und interna­ tionale politische Massnahmen, welche zu einer Verlagerung der Investitionen hin zu einem kohlen­ stoffarmen Wirtschaftssystem führen», kommen­ tierte Asti Roesle, Klima- und Finanz-Campaigne­ rin bei Greenpeace Schweiz, die zündende Aktion.

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«Der Inhalt der Initiative ist eigentlich selbstverständlich»

Engagement

Sven Staub ist Student an der Uni Basel und setzt sich in einem Lokalkomitee für die Konzern­ verantwortungsinitiative ein. Warum es mehr Menschen braucht, die dies ebenso tun, erzählt er im Interview. Sven, weshalb unterstützt du die Konzernverantwor­ tungsinitiative?

Man hört sehr oft von Machenschaften ausser­ halb der Schweiz, bei denen man sich die Frage stellt, wie so etwas geschehen kann – der Ein­ satz hochgiftiger Pestizide etwa oder die skru­ pellose Ausbeutung von Bodenschätzen auf Kosten der lokalen Bevölkerung. Beim Lesen solcher Berichte fühlte ich mich oft hilflos, da ich keinen Weg sah, wie sich das in absehbarer ­Zukunft ändern könnte. Aber genau da setzt die Konzernverantwortungsinitiative an.

Abstriche in Kauf zu nehmen, damit das Gesetz schneller in Kraft tritt. Dem hat Karin Keller-­ Sutter mit ihrem Gegenvorschlag ans Parlament leider ein Ende gesetzt. Diese bewusste Un­ tätigkeit, fast schon ein Akt der Sabotage, ist frustrierend. Denkst du, die Initiative wird angenommen?

Ich denke, die Initiative hat aus zwei Gründen sehr hohe Chancen, angenommen zu werden. Zum einen, weil der Inhalt der Initiative eigentlich selbstverständlich ist. Ich habe bisher wenige Menschen angetroffen, die sich nicht hinter eine Konzernverantwortung stellen. Zum anderen, weil wir mit den Lokalkomitees sehr breit abge­ stützt sind. Die Gegenseite bringt zwar erhebli­ che finanzielle Mittel in den Abstimmungskampf mit, wir aber haben unzählige überzeugte und motivierte Menschen, die eine Veränderung ­sehen wollen. Das ist eine wertvolle Ressource, die am Ende entscheidend sein kann.

Was spricht dafür, sich einem Lokalkomitee anzu­ schliessen?

Die Arbeit im Lokalkomitee gibt einem das Ge­ fühl, in kleinen Gruppen etwas Grosses anzu­ stossen. Ich habe so viele gleich gesinnte Men­ schen kennengelernt, und wir alle haben ein gemeinsames Ziel – das verbindet ungemein. Wie wichtig ist die Initiative für die Schweiz?

Der Wirtschaftsstandort Schweiz hat eine schwierige Geschichte. Hinter der oft gelobten Neutralität versteckt sich auch politische Untä­ tigkeit. Wir stehen vor einer wegweisenden Ent­ scheidung: Wollen wir wirklich weiter zusehen, wie sich Schweizer Konzerne auf Kosten ande­ rer bereichern, oder wollen wir etwas verändern?

Mich ärgert die Rückgratlosigkeit des Bundes­ rates sehr. Die Konzerne zu verpflichten, eine Broschüre mit den aktuellen Fortschritten nach eigenem Ermessen zu veröffentlichen, ist nun wirklich weit entfernt von einer konstruktiven­ ­Lösung. Das Initiativkomitee war bereit, einige

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Die Bergbau-Stadt La Rinconada in Peru, wo Tausende von Kleinschürfern unter widrigsten Umständen nach Gold graben.

Bild: © Maria Eugenia Robles / Greenpeace

Ende des letzten Jahres hat der Ständerat einen vom Bundesrat kurzfristig entworfenen indirekten Ge­ genvorschlag zur KoVI verabschiedet, der vom Ini­ tiativkomitee harsch kritisiert wurde. Wie gross war dein Ärger?


KoVI wants YOU!

Bild: © Jhunior Flores Contreras / Greenpeace

Die Konzernverantwortungsinitiative fordert, dass Schweizer Konzerne für Schäden, die sie im Ausland ­anrichten, geradestehen müssen. Greenpeace ist Trägerorganisation der Initiative, die voraussichtlich Ende Jahr an die Urne kommt. Die Schweiz ist Sitz zahlreicher multinationaler Konzerne. Nicht alle respektieren bei ihren Tätigkeiten im Ausland die Menschenrechte und Umweltstandards – im Gegenteil: Glen­ core verseucht Flüsse in Kolumbien und vergiftet die Luft in Sambia, Syngenta verkauft tödliche Pestizide in Indien, die in der Schweiz schon lange verboten sind, und die Goldraffine­ rie Metalor bezog Gold aus der Mine von La Rinconada in Peru, dessen Abbau die Menschen und die Umwelt mit Quecksilber belastet. Die Konzernverantwortungsinitiative will solchen ­Geschäftspraktiken einen Riegel schieben und fehlbare Schweizer Konzerne weltweit zur Verantwortung ziehen. ­Einer­seits sollen Konzerne mit Sitz in der Schweiz dazu ver­ pflichtet werden, ihre Risiken bezüglich Umwelt und Men­ schenrechte zu überprüfen. Andererseits sollen sie für Schä­ den haftbar gemacht werden können, die ihre Tochterfirmen im Ausland begangen haben. Zusammengefasst: Wer einen Schaden anrichtet, soll dafür geradestehen. Je mehr Menschen die Konzernverantwortungsini­ tiative unterstützen, desto höher sind die Chancen, dass sie angenommen wird. Werden Sie deshalb auch Mitglied in ­einem Lokalkomitee, und setzen Sie sich gemeinsam mit Sven für mehr Menschen- und Umweltrechte ein. Oder ­bestellen Sie sich eine Fahne, und hängen Sie sie zu Hause vors Fenster. Oder kaufen Sie für sich, Ihre Freunde oder Ihre Familie die DVD des n ­ euen Dokumentarfilms «Der Konzern-Report», der die Machenschaften von Schweizer Grosskonzernen im Ausland beleuchtet. Mehr Infos unter konzern-initiative.ch

& Fakten & Zahlen & Fakten & Zahlen & Fakten & Zahlen & Fakten & Zahlen & Fakten & Zahlen & Fakten & Zahlen & Fakten &

Böden und Gewässer sind hochgradig durch Quecksilber verseucht, wie Laboranalysen u. a. von Greenpeace zeigen.

5 Jahre Mitten in der peruanischen Stadt ­Cerro de Pasco liegt eine Glencore-­ Mine. Die Umweltverschmutzung durch diese ist enorm. Blei, Arsen und an­d ere Schwermetalle gelangen in die Luft, den Boden, das Wasser – ­a lles ist vergiftet. Deshalb liegt die ­L ebenserwartung der 70 000 Ein­ wohner*innen fünf Jahre tiefer als in anderen Städten Perus.

8 Millionen Franken Die Konzernlobby rüstet auf: Insge­ samt 8 Millionen Franken sollen in die Kampagne gegen die Konzernverant­ wortungsinitiative fliessen. Eine Sum­ me, von der das Initiativkomitee nur träumen kann. Was die Gegner aber nicht haben: Tausende engagierte Menschen, die sich für mehr Gerech­ tigkeit einsetzen.

30 000 Fahnen Die orangen Fahnen der Konzernver­ antwortungsinitiative signalisieren deutlich die grosse Unterstützung für die Initiative in der Bevölkerung. Be­ reits über 30 000 Stück hängen in der Schweiz von Balkonen, vor Fenstern und in Gärten.

350 Lokal­komitees Unzählige engagierte Menschen sind Teil der schweizweit über 350 Lokal­ komitees der Initiative. Mit Veran­ staltungen und Standaktionen infor­ mieren sie die Bevölkerung in ihren jeweiligen Gemeinden über das wich­ tige Anliegen.

170 Unterneh­ mer*innen Im «Wirtschaftskomitee für verant­ wortungsvolle Unternehmen» haben sich über 170 Unternehmer*innen zu­ sammengeschlossen, die sich für die Konzernverantwortungsinitiative ein­ setzen. Sie verlangen klare Regeln für alle, damit sich kein Konzern mehr Konkurrenzvorteile durch verantwor­ tungsloses Handeln schaffen kann.

Quelle: Konzernverantwortungsinitiative


© Pablo E. Piovano

Am 22. November 2019 marschieren in Santiago de Chile mehr als fünfzig maskierte Frauen schweigend auf die Plaza de la Dignidad und fordern die Aufklärung des Todes der Fotografin und Aktivistin Albertina Martínez Burgos, die am Abend zuvor ermordet in ihrem Haus aufgefunden wurde.


AUF Š Keystone/Magnum Photos/Peter van Agtmael

Essay

Demonstrant*innen am versperrten Eingang zur Ringstrasse, einem der Treffpunkte des Aufstands in Beirut (Libanon), 2019.

DIE STRASSE


Ob in Frankreich, Brasilien oder Chile: Vermeintlich kleine politische Massnahmen können ein gefährlicher Funke sein in einem sozialen Pulverfass. Was heisst das für den Klimaschutz? Text: Carlos Hanimann

Es war ein lauer Juniabend, der Himmel grau und wolkenverhangen wie immer, und wir hatten keine Pläne, ausser herumzuhängen und darauf zu warten, dass irgendwann irgendetwas geschehen würde.

Wir ahnten nicht, dass wir am Rande eines Umsturzes standen. Rund 2000 Menschen trafen sich an jenem Freitagabend im Juni 2013 auf einem kleinen Platz im Westen der Millionenmetropole São Paulo, um gegen steigende Buspreise zu demonstrieren. Der Umzug blockierte eine Hauptverkehrsachse. Die Protestierenden wurden zusammengeschlagen. Ein paar Tage später kamen sie ­wieder. Es waren mehrere tausend. Sie wurden verprügelt. Dann kamen die Demonstranten noch mal. Noch zahlreicher. Und nach weiteren Gewaltexzessen der Polizei fanden wir uns eines Abends plötzlich in einem nicht enden wollenden Menschenstrom wieder: In der ganzen Stadt gingen Hunderttausende, im ganzen Land Millionen Menschen auf die Strasse. Anfangs hatten die Demonstranten kostenlosen (oder ­wenigstens bezahlbaren) öffentlichen Verkehr gefordert, rasch ­wurde daraus ein bunter Strauss wilder Proteste und Forderungen: gegen die Fussball-Weltmeisterschaft und die Fifa, für ein Ende der Korruption, für die Senkung des Mindestalters für Straftäter, für die Rückkehr der Militärdiktatur … Was unten links begann, kam ganz schnell oben rechts an. Fünf Jahre später war die linke Regierung Brasiliens ­abgesetzt und abgewählt. An ihre Stelle trat der rechtsextreme Frauenfeind Jair Bolsonaro, der den Amazonas zur Ausbeutung und Zerstörung freigibt und der schon heute als einer der grössten Klima­feinde des Planeten in die Geschichte eingegangen ist. Und alles hatte damit begonnen, dass die Transport­preise um ein paar Rappen angehoben wurden.

Lauter Protest und breiter Widerstand entstehen nicht aus dem Nichts, sondern aus grosser Ungleichheit. 14

Dann lösen manchmal kleine Dinge grosse Bewegungen aus, wenn sich Verbot, Verteuerung, Verzicht gegen die ökonomisch und


© Pablo E. Piovano © Keystone/Magnum Photos/Peter van Agtmael

Während der Demonstrationen in Chile werden Mauern und Statuen von Protestierenden für spontane Slogans und Interventionen genutzt. Auf dem Bild ist die Statue von Abdón Cifuentes zu sehen, einem der wichtigen konservativen, katholischen Politiker des 19. Jahrhunderts.

Platz der Märtyrer in Beirut, 2019.

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Š Pablo E. Piovano

November 2019, Santiago de Chile. Diese Strasse mĂźndet auf die Plaza Italia, die von den Demonstrant*innen in Plaza de la Dignidad umbenannt wurde. Auf dem Platz finden die Demonstrationen statt.

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Š Pablo E. Piovano

Selbstvergessen. Während der Demonstrationen in Santiago de Chile, Oktober 2019.

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­ ozial Schlechtgestellten richtet. Damals in jenem Juni 2013 in Bras silien, aber auch heute und anderswo auf der Welt. Die erbitterten Demonstrationen gegen höhere Benzinpreise in Frankreich oder im Iran, die Auseinandersetzungen in Chile und in anderen Ländern Lateinamerikas – die Aufstände stehen unter anderen Vorzeichen, entzünden sich an anderen Anlässen und enden mit anderem Ausgang. Aber allen ist gemein, dass scheinbar kleine Einschnitte in die Freiheit des Einzelnen auf grossen Widerstand der vielen stossen. Sehr kleine Einschnitte eigentlich, denkt man an die Massnahmen, die nötig sind, um das grösste und drängendste ­Problem des Planeten zu lösen: die Klimaerhitzung und die damit verbundenen Katastrophen und sozialen Verwerfungen. Soziale Konflikte verlaufen fast immer entlang der üblichen Bruchlinien: Sie trennen die wenigen von den vielen, die Vermögenden von den Armen. Wie also kann vor diesem Hintergrund ein sozialer Klimaschutz aussehen? Ein Klimaschutz, der die bestehenden Ungleichheiten nicht noch vergrössert – im Grossen wie im Kleinen? Wie geht ein Klimaschutz, der nicht die vielen hart und die wenigen kaum trifft?

Drei Antworten fallen in jeder Debatte zum Klimaschutz: Technische Innovationen werden uns retten! Die institutionelle ­Politik muss uns retten! Wir Einzelnen müssen uns selber retten! Sie stimmen. Doch für sich allein reichen sie zu nichts. Technische Innovationen werden Fortschritt bringen, ­gewiss. Ohne institutionell angestossene Reformen gibt es keinen sinnvollen Klimaschutz. Und obwohl wir den Klimawandel nicht allein dadurch bewältigen werden, indem wir unsere Lebensweise ändern, wird das auch nicht möglich sein, ohne dass wir unser ­Leben grundsätzlich ändern.

Wo also anfangen? Es gibt keinen Klimaschutz ohne Verzicht auf fossile Energie. Für die Schweiz bedeutet das auch: Verzicht auf Finanzinvestitionen in fossile Energie. Denn heute trägt der Schweizer Finanzplatz zu ­einer Klimaerwärmung von vier bis sechs Grad bei. Schweizer Banken verwalten über 7000 Milliarden Franken an Vermögen. Unmengen Kapital, das nach Rendite sucht. Und wenn man es ­positiv sehen will: ein gigantischer Hebel, um Veränderungen herbeizuführen und andere Industrien zu fördern. Das Ende der fossilen Energie bedeutet aber auch das Ende von unzähligen Arbeitsplätzen, etwa in der Kohleindustrie. Optimisten sehen die Umbrüche als sozial bewältigbar, weil durch neue Technologien neue Jobs entstünden. Realistinnen sagen: Das wird nicht reichen. Es brauche gigantische ­Umschulungsprogramme

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© Keystone/Magnum Photos/Cristina de Middel

Paris, Dezember 2018. Der arbeitslose Adrien (l.), 20, und der Schmiede-Lehrling Loïc, 18, sind aus Lyon angereist. «Für einmal bewegt sich Frankreich, und wir haben uns entschieden, zusammen dabei zu sein.»

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© Keystone/Magnum Photos/Cristina de Middel

Paris, Dezember 2018. Die Kauffrau S., 53, und der Logistiker Christophe, 47, sind aus Troyes angereist. S.: «Ich bin es leid, zu arbeiten und mich zu fragen, was am Ende des Monats übrig bleibt. Wir schaffen es einfach nicht mehr.» Christophe: «Ich kämpfe für meine pensionierten Eltern und für meine Kinder, die jetzt auf den Arbeitsmarkt kommen.»

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Š Nicola Marfisi

Die Sardinen in Italien, Dezember 2019. Tausende von Demonstrant*innen sind in Mailand auf den Domplatz gekommen, um gegen Hass und Faschismus zu demonstrieren.

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und – so schlägt es etwa Naomi Klein vor – Arbeitsplatzgarantien für die Betroffenen.

Nur: Wer soll das bezahlen? Einen sozialen Klimaschutz kann es nur geben, wenn die institu­ tionelle Politik die richtigen Hebel bewegt. Die Sozialdemokraten stellen deshalb den Finanzplatz ins Zentrum und reden beispielsweise von einer höheren Besteuerung von Milliardenvermögen, um damit den Klimaschutz zu finanzieren. Die Grünen wiederum ­f­okussieren zudem auf Verkehrs- und Wohnpolitik und setzen dabei auf das soziale Mittel der Lenkungsabgaben – Steuern also, die an die Bevölkerung zurückverteilt werden und damit den unteren und mittleren Einkommen zugutekommen. Ein anderes, ganz praktisches Beispiel: In der Schweiz geht ein Drittel der Treibhausgase auf den Verkehr zurück. Zwei Drittel davon auf den Individualverkehr mit dem Auto. In keinem anderen Land werden so viele schwere Geländewagen gekauft wie in der Schweiz. Mehr als die Hälfte aller Autos haben Vierrad­ antrieb. Mit höheren Zöllen auf SUVs wollen die Grünen deshalb die grossen Importeure belasten statt die unteren und mittleren Einkommen. Im Kleinen wiederum liegen die Antworten im Konsum, im Verbrauch jedes Einzelnen. Die meisten Ressourcen verschwenden die Vermögendsten: Sie leben auf grossem Fuss, bauen weiträumig und ineffizient, sie fahren schwer, sie fliegen häufig, und sie konsumieren viel.

Zum Beispiel Fleisch. Viel Fleisch. In der Schweiz im Durchschnitt: jede Woche ein Kilo pro Person. Der US-amerikanische Schriftsteller Jonathan Safran Foer hat dazu eine sehr kluge Analyse geschrieben. In «Wir sind das Klima!» schreibt er über den Zusammenhang von Klimawandel und Ernährung. Die Erde, schreibt Safran Foer, werde nicht dadurch gerettet, dass wir unsere Ernährung umstellten. «Aber wir können sie nicht retten, ohne uns anders zu ernähren.» Er wirft dabei als Beleg seitenlang mit Zahlen um sich, die zeigen, wie bedeutend der Faktor Fleisch fürs Klima ist: Nutztierhaltung ist verantwortlich für 91 Prozent der Rodungen im Amazonas, 60 Prozent aller Säugetiere werden nur gezüchtet, um sie zu essen, 59 Prozent des verfügbaren Landes nutzt der Mensch für den Anbau von Tierfutter, Nutzvieh ist die grösste Methanquelle, Methan hat 34-mal so viel Treibhauspotenzial wie CO2 usw. Safran Foer ist aber aus einem weiteren Grund sehr ­lesenswert: Er beschreibt anhand historischer Anekdoten, dass Verzicht nicht zwangsläufig einschränkt und beschneidet. Und auch nicht die Falschen treffen muss. Sondern im Gegenteil sogar

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befreien und den Gemeinsinn stärken kann. Sein Buch ist damit eine ­Anleitung zum besseren Leben. Während des Zweiten Weltkriegs, schreibt Safran Foer, machte die US-Bevölkerung abends jeweils das Licht aus, um ­damit die Küsten und später das ganze Land zu verdunkeln. Die Überlegung dahinter war, dass man so weniger sichtbar für Angriffe des Feindes wäre. Militärisch war das wenig sinnvoll. Und zu Beginn wohl auch ein grosser Verzicht, dass man abends zu Hause kein Licht hatte. Aber Safran Foer erzählt von einem anderen Effekt. Da alle dasselbe taten und sich die Wirkung erst im gemeinsamen Handeln entfaltete, löste das allabendliche Lichterlöschen einen paradoxen Effekt aus: statt Verzicht und Verlust ein Gefühl von ­Zusammengehörigkeit, von Gemeinsinn, von Solidarität. Das Gefühl, gemeinsam Teil von etwas Grossem zu sein.

Die Bewegungen

Die Fotograf*innen

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Libanon

Italien

Frankreich

Chile

Im Oktober 2019 kommt es in der libanesischen Hauptstadt Beirut zu Demonstrationen, die sich zunächst gegen Kosten­ erhöhungen unter anderem auf Whatsapp-Telefonate und im Energiesektor richten. Seitdem entwickelt sich die Bewegung zu einem Kampf gegen die korrupte politische Klasse.

«6000 Sardinen gegen Salvini». Zuerst ist es ein Flashmob, der am 14. November 2019 in Bologna stattfindet als Gegenver­anstaltung zur Wahlkampfkundgebung der rechten Lega-Partei für die italienischen Regionalwahlen 2020. Statt 6000 nehmen 15 000 Leute daran teil und stehen dicht ge­drängt auf dem Platz mit selbst gebastelten Sardinen aus allen erdenklichen Materialien. In den folgenden Wochen werden im ganzen Land viele weitere Flashmobs organisiert.

Die Proteste der französischen «gilets jaunes» richten sich 2018 anfänglich gegen die Erhöhung der Benzinsteuer. Im Laufe der Proteste veröffentlicht die Bewegung über vierzig Forderungen, darunter die Erhöhung des Mindestlohns, die Erhöhung der Renten und die Wiedereinführung der im Vorjahr abgeschafften Vermögenssteuer. Die Bewegung der «gilets jaunes» wird unterschiedlich rezipiert, da sie sich nicht gegen rechtes Gedankengut abgrenzt.

Die Erhöhung der Metro­ticket-Preise in Santiago de Chile bringt Tausende von Jugendlichen dazu, nicht nur die Schranken in den Metrostationen zu überspringen, sondern auch auf die Strasse zu gehen. Breite Bevölkerungsschichten unterstützen die Proteste, als sie sich zu einer Bewegung für eine neue Verfassung und für tief greifende Reformen des Wirtschaftssystems ausweiten.

Peter van Agtmael (* 1981)

Nicola Marfisi (* 1973)

Cristina de Middel (* 1975)

Pablo E. Piovano (* 1981)

wurde in Washington D.C. geboren. In seiner Arbeit thematisiert er unter anderem die Konflikte im Mittleren Osten. 2016 erschien sein Buch «Buzzing at the Sill», eine Arbeit, die seine Heimkehr als jahrelanger Kriegsbericht­ erstatter im Irak und in Afghanistan thematisiert und einen Versuch darstellt, seine Erfahrungen und sein Land zu verstehen.

begann seine Karriere als Fotograf unmittelbar nach seinem Ethnologie­ studium. Seit 2007 lebt er in Mailand. Er arbeitet mit verschiedenen nationalen und internationalen Tages­zeitungen und Foto­ agenturen zusammen.

wurde in Alicante (Spanien) geboren. Sie wohnt und arbeitet heute in Uruapan (Mexiko). Nach zehn Jahren als Fotojournalistin widmet sie sich aktuell vor allem konzeptuellen Arbeiten. Ihre Serie «The Afronauts» wurde weltweit ausgestellt. 2016 gewann sie den Greenpeace Photo Award.

ist in Argentinien aufgewachsen. Er arbeitet in Buenos Aires als unab­hängiger Fotograf und interessiert sich vor allem für soziale und ökologische Themen. 2017 publizierte er das Buch «The Human Cost of Agrotoxins» mit Fotografien des menschlichen Leids, das in Argentinien durch Agrochemikalien verursacht wird. Er gewann 2018 den Greenpeace Photo Award.

Autor: Carlos Hanimann ist Reporter und Buchautor. Er schreibt für das digitale Magazin «Republik» über Justiz und Politik. Im Echtzeit-Verlag erschien 2019 von ihm «Caroline H. Die gefährlichste Frau der Schweiz?», eine Recherche-Serie aus der «Republik» über den Mord im Urania-Parkhaus und den Mord beim Chinagarten in Zürich.


Megafon

Das steckt dahinter

120 Dezibel

100 % Tradition

Handelsübliche Megafone (aus griechisch megas: gross und phone: Ton, Stimme) erreichen einen Schalldruck von bis zu 120 Dezibel, was dem Lärm eines Presslufthammers entspricht. Bei guten Be­dingungen reicht die mit Megafon verstärkte Stimme über einen Kilometer weit.

Eine Art Megafon kommt auch beim Alpsegen zum Einsatz – einem Brauch, der in den katholisch geprägten Alpenregionen der Innerschweiz seit dem 16. Jahrhundert belegt ist. Noch heute ertönt der Betruf auf den Alpweiden, wenn die Sennin oder der Senn nach dem abendlichen Melken durch einen megafonartigen Milchtrichter darum bittet, «alles, was auf dieser Alp ischt und dazugehört, zu behüätä und zu bewahre».

349 Jahre Das Megafon feiert nächstes Jahr sein 350-jähriges Bestehen. 1671 beschrieb der englische Gelehrte und Mathematiker Samuel Morland einen Vorläufer des Megafons und konstruierte eine «Sprechtrompete», zuerst aus Glas, später aus Kupfer. Er führte seine Vorrichtung zur Verstärkung der Stimme König Karl II. vor, der grosses Interesse daran zeigte, weil er dachte, damit Armeen und Flotten kommandieren zu können. Auch ein anderer Universalgelehrter, der deutsche Jesuit Athanasius Kircher, reklamierte zur gleichen Zeit die Erfindung eines ähnlichen Sprachrohrs, mit dem er unter anderem über 2000 Menschen zur Sonntagsmesse einladen konnte.

Protest braucht Lautstärke Das Megafon ist aus der Ge­schichte der Protestbewegungen nicht wegzudenken und dient immer noch als einfachstes Mittel, die Botschaft aus der Menge der Demonstrant*innen zu verstärken und in die Öffentlichkeit zu tragen. In Hongkong benutzten es die protestierenden Student*innen auch, um sich untereinander den Standort der Polizei in der Umgebung mitzuteilen.

Eine andere Technik verwendete die Bewegung Occupy Wall Street 2011 in New York City, wo der Einsatz von verstärkten Megafonen verboten ist. Mit dem Mittel des «human micro­phone» konnte eine Rede dennoch in der Menge verbreitet werden, indem jeweils die Gruppe um den «Speaker» dessen Worte wiederholte, bis sich die Botschaft wellenförmig fortpflanzte. Als «Mann mit dem Megafon» erlangte Bimen Zartar 2013 bei den Gezi-Protesten in der Türkei Bekanntheit. Nur wenige Monate

Quellen: John Glassie, «Der letzte Mann, der alles wusste», Berlin 2014; «Computer-Bild»; «New York Times»; TAZ; «The Guardian»; Historisches Lexikon der Schweiz

später wurde er zu einer hohen Geld­strafe verurteilt. Nicht weil er die demonstrierenden Massen in Istanbul mit seinem Megafon koordiniert hatte, sondern weil er in einem Tweet den Minister­ präsidenten Recep Tayyip Erdogan beleidigt haben soll – sein Handy wurde offenbar überwacht. Schliesslich benutzte auch Greta Thunberg ein schwarzes Megafon, als sie sich im September 2019 vor dem Weissen Haus an Hunderte von Kindern und Jugendlichen wandte, die in Washington für den Klimaschutz demonstrierten.

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Text: Marco Morgenthaler; Bild: Anja Wille Schori


DURCH DIE  HÖLLE

International

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Schwitzende Feuerwehrmänner unter dem roten Himmel von Australien und verbrannte Überreste von Kängurus, die den Flammen zum Opfer fielen – es waren Bilder, die diesen Winter um die Welt gingen. Doch was hat das Medienecho in Down Under bewirkt? Wir haben Jonathan Moylan, Campaigner bei Greenpeace Australien, zur Situation in seinem Land befragt. Interview: Danielle Müller Fotografie: Stephen Dupont

Jonathan, brennt es in Australien noch immer? Glücklicherweise wurden die Brän­ de mittlerweile durch starke Regen­ fälle gelöscht, mit Ausnahme einiger Torfbrände. Der Regen hat jedoch zu neuen Problemen geführt: Die ­dicke Asche der Buschfeuer wurde mit den Sturzfluten in Flüsse und zu Dämmen gespült und hat so Erd­ rutsche und eine Vermehrung von Algen ausgelöst. Dadurch sind Tau­ sende Fische gestorben, und das Trinkwasser wurde möglicherweise kontaminiert.

Was hat die Brände ausgelöst? Jedes Feuer hatte unterschiedliche Auslöser, einschliesslich Blitz­ schlag und Nachlässigkeit, aber der allen Bränden zugrunde liegende Faktor ist der Klimawandel. Südost­ australien, wo das Ausmass und die Ausgeprägtheit der Brände am grössten waren, ist seit 2017 von ­einer schweren Dürre betroffen. Mit der Rekordhitze und den starken Winden konnte so trockenes Holz auf dem Waldboden schnell Feuer fangen, und die Brände breiteten sich aus. Auch schlossen sich meh­ rere Feuer, die an verschiedenen Orten begannen, zu sogenannten

Megafeuern zusammen, beispiels­ weise in Sydney, das fast vollstän­ dig von Flammen umgeben war.

Wie hast du die Feuer erlebt? Im November verschmutzten ge­ fährliche Mengen Rauchschwaden die Luft in Sydney, wo sich die meis­ ten Mitarbeitenden von G ­ reenpeace Australia Pacific befinden. Das Ge­ fühl des Rauchs, der meinen Hals füllte und es mir wochen- und mo­ natelang schwer machte, zu atmen, war sehr beunruhigend. Viele von uns im Büro fragten sich, ob wir an einen sichereren Ort gehen sollten, aber angesichts der Daten zur Luft­

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qualität war es offensichtlich, dass es innerhalb von Hunderten von ­Kilometern nur wenige sichere Orte gab. Einige meiner Freunde haben während der Brände auch ihr Zu­ hause verloren. Bei einigen wüteten Brände am Rande ihres Grund­ stücks, und sie verbrachten Tage damit, die Flammen zu bekämpfen, bis sie zu erschöpft waren, um ­weiterzumachen. An keinem Tag wussten wir, in welche Richtung die Winde die Feuer treiben und welche Orte heimgesucht würden.

Ihr habt aber trotzdem weitergearbeitet? Ja, denn wir mussten die Aufgabe übernehmen, den Überlebenden eine Stimme zu geben und weiter­ hin für bestimmte Gesetze zu kämp­ fen. Und auch für die lautstarke öffent­liche Klimadebatte rund um die Buschfeuer zu mobilisieren. Es tat unbeschreiblich gut, zu sehen, wie sich während der Feuer die Tona­lität der Debatte zur Klimakrise positiv veränderte, was vor allem dem Mut der Betroffenen zu ver­ danken war.

Konnte das weltweite Medienecho zu den Bränden etwas bewirken? Die weltweite Aufmerksamkeit der Medien hat der australischen Regie­ rung deutlich gemacht, dass der Ruf des Landes darunter leiden wird, wenn wir nicht dringend im Einklang mit der globalen Verantwortung als einer der grössten Pro-Kopf-Emit­ tenten in der OECD handeln und die Treibhausgasemissionen redu­ ­zie­ren. Es gab seither einige, eher schwache Bestrebungen seitens der Regierung; es wurden beispiels­ weise ein paar Gesetze verabschie­ det, um mehr erneuerbare Energien als Ersatz für Kohle zuzulassen. Es ist schockierend, dass so viele pro­ minente Stimmen bis hin zum Pre­ mierminister die Rolle des Klima­ wandels in Bezug auf die Intensität und die Wahrscheinlichkeit von Buschbränden verleugnen oder verharmlosen. Gleichzeitig war es aber auch schön zu sehen, wie sich immer mehr Menschen gegen den Premierminister auflehnten, was vor allem den Überlebenden der Busch­ feuer und Wissenschaftlern zu ver­ danken war.

Welche Auswirkungen hatten die Brände auf das Land und dessen Was macht Greenpeace Leute? Australien, um die Klimakrise und weitere Die Buschfeuer waren eine Fahrt durch die Hölle. Über 17 Millionen Feuer zu bekämpfen? Hektaren Land sind den Flammen zum Opfer gefallen – was mehr als viermal der Landfläche der Schweiz entspricht –, mehr als eine Milliarde Tiere starben, und über 2500 Ge­ bäude wurden zerstört. Auch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Buschbrände waren erheblich: Die sommerliche Pflanzenproduktion ging im Vergleich zum Vorjahr um 66 Prozent zurück, die Häfen wur­ den wegen gefährlicher Rauchent­ wicklung geschlossen, und der Tourismus war ebenfalls betroffen. Das Ganze hatte zudem auch Aus­ wirkungen auf die Psyche vieler Aus­tralierinnen und Australier.

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Im September breiteten wir ein grosses «Climate Emergency»-­ Banner im Lamington-Nationalpark in Queensland aus, der von den Feuern auch enorm betroffen war. Wegen des Banners konnte der Pre­ mierminister mit seinem Helikopter nicht landen und musste sich einen anderen Landeplatz suchen. Wir unterstützten die Überlebenden der Buschbrände auch dabei, Asche aus ihren Häusern in das Parla­ mentsgebäude in Canberra zu brin­ gen, um das Parlament aufzufor­ dern, endlich den Klimawandel als Auslöser solcher Brände anzuer­

kennen. Wir haben zudem eine Pe­ tition erstellt, in der über 100 000 Menschen an die Landesregierung appellieren, innerhalb eines Jahr­ zehnts auf 100 Prozent erneuerbare Energien umzusteigen. Wir planen auch weitere Aktivitäten, um diese Botschaft zu verstärken, und haben Greenpeace weltweit einbezogen, damit die tragischen Ereignisse, die wir erlebt haben, zu den globalen Bemühungen zur Bekämpfung der Ursachen der Klimakrise und zur Förderung ihrer Lösungen beitra­ gen können.

Wie kann die Schweizer Bevölkerung Australien helfen? Es gibt viele Dinge, die die Schweiz tun kann. Zum einen können die Schweizerinnen und Schweizer die australische Generalkonsulin in Genf kontaktieren und sie bitten, eine Nachricht an den Premiermi­ nister weiterzuleiten, dass er der australischen Öffentlichkeit zuhö­ ren und die Emissionen reduzieren muss. Sie können sich auch an je­ des Finanzinstitut wenden und die­ ses bitten, das Geschäft mit Unter­ nehmen, die fossile Brennstoffe fördern, einzustellen. Als Indivi­ duum ist es sicher hilfreich, wenn über die Einführung von Solarener­ gie im eigenen Haushalt nachge­ dacht oder auf eine Ernährung mit geringem Fussabdruck und lokalen Lebensmitteln achtgegeben wird, um die globalen Ambitionen zu be­ schleunigen. Schliesslich müssen wir uns alle gemeinsam zu Wort melden, damit Regierungen und Unternehmen mit der nötigen Dring­ lichkeit etwas ändern.

Fotograf: Stephen Dupont (* 1967) ist als Fotograf und Dokumentarfilmer ein Autodidakt. Er lebt in Australien und arbeitet u. a. für «Time», «The New York Times Magazine» und GEO. Seine Bilder wurden international ausgestellt und auch beim World Press Photo Award ausgezeichnet.


Die Bilder sind von November 2019 bis Januar 2020 entlang der KĂźste im Bundesstaat New South Wales (Australien) entstanden.

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Weisswein

Champignons

Zwiebeln

Züri-Gschnätzlets à la Planted

Rapsöl Gemüsefond

Hier geht es zum Rezept

Knoblauchpulver

© Bild: Isabel Truniger

Misopaste

in der Schweiz steht es auf der Menükarte. Doch das reicht dem Start-up noch lange nicht: «Wir verstehen uns als Firma, die sich ständig weiterentwickelt. Wenn wir stehen blieben, würde das nicht unserer Mission entsprechen», so Bieri. Diese sei es schliess­ lich, mit einem leckeren und nachhaltigen Fleischersatz einen aktiven Beitrag zum ­Klima- und Umweltschutz zu leisten. Denn: «Fleisch ist zwar gut – aber nicht für die ­Umwelt.»

veg. Rahm

Man füge Erbsenprotein, Erbsenfasern, Rapsöl und Wasser zusammen und erhält et­ was, das aussieht wie Poulet, das schmeckt wie Poulet – aber für das kein Huhn sterben musste. Genau das ist das Erfolgsrezept des Schweizer Start-ups Planted. Vor rund zwei Jahren haben sich die Lebensmittelinge­ nieure Lukas Böni und Eric Stirnemann, der Ökonom Pascal Bieri und der Finanzexperte Christoph Jenny zusammengetan und an der ETH Zürich an einer Alternative für Fleisch herumgetüftelt. Dabei herausge­ kommen ist planted.chicken, auf Pflanzen basiertes «Poulet», das dem Original in nichts nachstehen soll. «Wir glauben fest da­ ran, dass sich der Mensch in Zukunft ver­ mehrt pflanzlich ernährt», erklärt Pascal ­Bieri die Beweggründe hinter dem Produkt, «jedoch nicht nur von Soja und Gluten. Die Proteinvielfalt von Pflanzen kann uns eben­ so viel bieten, weshalb wir uns entschieden haben, in diesem Bereich zu forschen.» Mit seinem pflanzlichen Fleisch ist Planted bereits in den Regalen von Coop an­ gekommen, und auch in über 70 Restaurants

planted.chicken

Lukas Böni, Pascal Bieri, Eric Stirnemann (v. l.) und Christoph Jenny (vorne)

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Zitronensaft

Rezept


Debatte

Handeln oder verhandeln?

Gewaltfreie Aktionen in Credit-Suisseund UBS-Filialen haben zu heftigen Debatten geführt, wie die Grossbanken zu klimafreundlichem Handeln bewegt werden sollen. Antworten aus der Finanzbranche, der Bundespolitik und der Klimabewegung. Autor: Christian Schmidt

David Hertig, Gründungspartner Globalance Bank

Solange «Soleil» Thiémard, Aktivistin

Aktivistinnen und Aktivisten ha­ ben mehrfach Filialen der UBS und der CS besetzt – aus Protest gegen klimazerstörende Investi­ tionen der Banken. Sinnvoll?

Was wirkt am besten gegen die ­Exzesse unseres Finanzplatzes? Diskutieren, Gesetze entwerfen – oder Bankfilialen besetzen?

Adèle Thorens Goumaz, Ständerätin Grüne Partei

Sie fordern im Parlament immer wieder, der Schweizer Finanzplatz müsse endlich seine Investitionen in fossile Brennstoffe stoppen. HaDiskussionen führen besten­ ben Sie Erfolg?

Solche Aktionen sind Zei­ falls zu Versprechen, die im Nach­ chen einer zunehmenden Frustra­ hinein nicht umgesetzt werden. Ge­ tion der breiten Bevölkerung. setze brauchen Jahre, um in Kraft zu treten – und werden nur verab­ Allerdings sind nicht schiedet, wenn sie nicht zu scharf nur die Banken Teil des formuliert sind. Letztlich ist es nur der zivile Ungehorsam, der die öf­ Problems. fentliche Meinung und damit lang­ Nochmals: Erachten Sie als fristig das Kräfteverhältnis verän­ Banker solche Aktionen für sinn­ dern kann. Aber zusammenfassend voll? würde ich sagen:

Bisher wurden viele meiner Vorschläge abgelehnt, leider. Nun haben wir aber ein neues, grüneres Parlament. Ich hoffe deshalb, künftig Mehrheiten zu finden. Wo hatten Sie Erfolg?

Der Bundesrat verfasst auf meinen Antrag hin einen Bericht darüber, wie sich die Schweiz an den EU-Aktionsplan für ein nachhaltiges

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Sinnvoll sind vor allem konkrete Keine Lösung allein ist effektiv ge­ Finanzwesen anzupassen gedenkt. Massnahmen für eine Dekarboni­ nug. Es braucht alle drei! Dieser Aktionsplan wird Auswirkun­ sierung unserer Gesellschaft. gen auf unseren Finanzplatz haben. Nach der Besetzung einer CS-Fili- Wir sind keine Insel! Zudem müssen ale in Lausanne hat der Richter die Finanzmarktaufsicht und National­ Die Finanzbranche muss sich bewusst sein, Klima-Aktivistinnen und -Akti- bank den Bundesrat künftig über visten freigesprochen, da sie bei die Auswirkungen von Klimarisiken dass sie hier eine der Besetzung der Bank aufgrund auf die Stabilität des Finanzmarkts wichtige Rolle einnimmt. eines «rechtfertigenden Not- informieren. stands» gehandelt hätten. Ist das Also ist es an der Zeit, dass sich die ein Durchbruch? Die Staatsanwaltschaft ist Banken bei Kreditvergaben neu gegen den Freispruch bereits in Be­ orientieren?

Ja, in der Kreditvergabe wie auch im Anlagebereich. Denn auch rein finanzielle Gründe machen eine Anpassung notwendig. Veränderte Rahmenbedingungen beeinflussen die Werthaltigkeit der Kredite und Anlagen.

Die Rückversicherer sind hier viel weiter, die Banken stehen ganz am Anfang.

Das ist ein Erfolg im Rahmen der Diskussionen um das CO2-Gesetz – und endlich geht eine meiner Forderungen in Erfüllung.

rufung gegangen, zudem werden die Banken die Justiz künftig so gut wie möglich umgehen. Trotzdem ist der Freispruch eine Anerkennung, er legitimiert unsere Aktionen in den Augen der Bevölkerung und gibt uns Gelegenheit, die Öffentlichkeit Haben wir noch genug Zeit, um stärker einzubeziehen, zum Beispiel auf politische Entscheidungen zu warten? Brauchen wir nicht viel durch Boykottaufrufe. mehr Aktionen wie Besetzungen? UBS wie CS behaupten, sie wür- Es stimmt, dass politische den das Pariser Klimaabkommen Prozesse langsam sind, auch ich unterstützen. Lügen die Banken? bin deshalb oft frustriert und ver­

Ohne Transparenz können ärgert. Aber ich möchte Politik und

Gibt es bessere Möglichkeiten als die Banken sagen, was sie wollen. zivilen Widerstand nicht gegenei­ Besetzungen, damit die Banken Sie werden nicht zögern, weiter net­ nander ausspielen. Die Demokratie te Versprechungen zu machen, sie ist das beste aller möglichen Syste­ umdenken?

Wichtig ist die Schaffung von Transparenz in Bezug auf Risiken der Kreditpositionen und der Anla­ gen der Banken. Weiter bedarf es gesetzlicher Rahmenbedingungen für eine kohlenstoffarme Wirtschaft. Letztlich geht der Aufruf auch an uns alle: Über unsere Pensionskas­ sen sind wir Aktionäre und tragen damit Verantwortung.

dann aber aufschieben und schau­ me, um kollektive Entscheidungen en, wie sie ihre Geschäfte vertu­ zu treffen. schen können.

Zudem genügen die Forderungen des Pariser Abkommens nicht.

Sie sind arbeitslos. Wird in der Schweiz immer noch bestraft, wer Was tut die von Ihnen mitgegrün- gegen die Mächtigen Widerstand dete Globalance Bank, um der leistet? Dass ich nicht arbeite, ist Klimakrise entgegenzuwirken?

1995 haben wir die weltweit erste Vermögensverwaltung für nachhaltige Anlagen gegründet und 1999 den Dow Jones Sustainability Index entwickelt. Als eine der weni­ gen Banken weltweit hat Globalan­ ce das Thema Nachhaltigkeit in den Statuten verankert, und der eigens entwickelte Footprint-Rechner in­ formiert unsere Kundschaft über die reale Wirkung ihrer Portfolios.

grundsätzlich mein eigener Ent­ scheid. Aber ziviler Ungehorsam und die entsprechende Medien­ berichterstattung verunmöglichen Jobs bei bestimmten Firmen. Das ist total daneben!

Wir müssen demonstrieren, und wir müssen abstimmen.

Angenommen, Sie treffen die CEOs der CS und der UBS zum ­Gespräch. Was würden Sie ihnen sagen?

Dass es an ihnen liegt, künf­ tig Teil der Lösung und nicht Teil des Problems zu sein. Die Kohlenstoff­ blase wird sowieso bald platzen. Gelingt es den Grossbanken, beim Übergang zu einer ökologischen Wirtschaft eine führende Rolle ein­ zunehmen, werden sie davon profi­ tieren. Und ich werde den CEOs auch sagen: Die Kinder werden uns an unseren Taten messen.

Illustrationen: Jörn Kaspuhl, www.kaspuhl.com

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Autor: Christian Schmidt, Journalist, Texter für Non-Profit-Organisationen und Buchautor. Freischaffend aus Überzeugung. Diverse Auszeichnungen, u. a. Zürcher Journalistenpreis.


rüner Wille – Mein grüner Wille – Mein grüner Wille – Mein grüner Wille – Mein grüner Wille – Mein grüner Wille – Mein grüner

Bild: © Greenpeace /Anouk van Asperen

«Das Mindeste, was ich heute tun kann» Autorin: Mauricette Gollut

In all den Jahren hatte ich weder die Zeit noch den Mut, mich persön­lich und konkret zu engagieren. Das Mindeste, was ich heute tun kann, ist, ein Teil meines Besitzes dem Einsatz für die Natur zu ­widmen. Ich habe Grund zur Hoffnung, dass zukünftige Generationen sich der Notwendigkeit stärker bewusst sein werden, dass sich sehr vieles verändern muss. Und ich bin mir sicher, die jungen Menschen von heute zeigen uns den Weg. Ich habe Greenpeace in meinem Testament berücksichtigt, weil es eine Organisation ist, die kein Blatt vor den Mund nimmt und Probleme ernsthaft analysiert. Was ich Greenpeace überlassen möchte, wird niemandem etwas Die 77-jährige Mauricette Gollut hat lange als Jour­ nalistin bei Télévision Suisse Romande (heute Ra­ wegnehmen. Niemand in meiner dio Télévision Suisse) in Genf und Zürich gearbeitet. Familie ist in Not. Und ich bin Heutzutage verbringt die Rentnerin ihre Zeit damit, ­sicher, dass sich alle über mein VerSkulpturen aus verschiedenen Metalldrähten zu ­formen und ausführliche Gespräche mit ihrer mächtnis freuen werden. 22-jährigen Katzendame zu führen. Heute bin ich im Ruhestand Es gab eine Zeit in meinem Leben, und widme meine Zeit der Malerei da bin ich viel gereist. Nicht in und der Bildhauerei. Diese Be­ erster Linie als Touristin, sondern schäftigungen erfüllen mich voll als Journalistin oder Ethnologin. und ganz. Ich muss nicht mehr um Da habe ich all die Schäden gesehen, die Welt reisen, sondern ich freue die der Natur angetan werden. Ich mich zutiefst an den kleinen Dingen konnte beobachten, wie Plastik in des Lebens – an Sonnenstrahlen den hintersten Ecken der Welt über- und anderen Kleinigkeiten. handnahm, wie ganze Landschaften Für eine ökologische Zukunft können Sie sich zerstört wurden, wie im Meer imein Leben lang einsetzen. Oder auch länger, mer mehr Dreck trieb. Obwohl ich indem Sie Greenpeace Schweiz in Ihrem keine Nachkommen habe, finde Testament berücksichtigen. Bestellung des kostenlosen Testament-Ratgebers: ich diese Verschandelung furchtbar. 044 447 41 79, claudia.steiger@greenpeace.org, Wie ist es möglich, angesichts dieser greenpeace.ch/legat Zustände nicht entsetzt zu sein?


Das Rätsel rund um das Greenpeace-Magazin

Rätsel

1

Was ist die offizielle Mission des Weltwirtschaftsforums? F T O

2

Die Welt brennen zu sehen Die Welt zu verbessern Die Welt zu verkaufen

6

4

7

Die Senn*innen bitten beim Betruf, «alles, was auf dieser Alp ischt und dazugehört, … U D V

… zu behüätä und zu bewahre». … zu ässä und zu gnüssä». … zu zerstörä mit Peschtizid».

Wie viele Zigarettenstummel möchte der Verein Stop2drop in einem Jahr sammeln? N Zwanzigtausend W Fünfhunderttausend T Eine Million

Bis wann wird die Europäische Investitionsbank die Finanzierung von fossilen Brennstoffen einstellen? M 2021 C 2022 R 2023

Wie können Sie die Konzernverant­ wortungsinitiative unterstützen? A Gar nicht. Das machen schon genug andere. L Im Lokalkomitee, mit einer Fahne, mit einer DVD – Hauptsache, irgendwie. G Beim Unterschriftensammeln – oder habe ich das etwa schon verpasst?

Welches ist keine Zutat von «planted.chicken»? S Erbsenprotein B Wasser U Soja

3

5

Welche Stadt stellt sich dem Plastik­ experiment? E Zürich U Baden J Chur

8

Was findet am 31. Mai 2020 statt? S Weltnichtrauchertag I Weltnichtkohleverbrennertag Z Weltnichtplastikbrauchertag

Lösungswort: Wir verlosen fünfmal das Buch «Tu was!». Die Anregungen für einen nachhaltigen Alltag kommen genau zur rechten Zeit, denn viele Menschen wollen nicht mehr gedanken- und tatenlos zuschauen, wie Arten aussterben, Meere sich in Müllkippen verwandeln, wertvolle Ressourcen vergeudet werden und sich die Erde immer weiter aufheizt. Senden Sie das Lösungswort inklusive Adresse bis zum 14. Juni 2020 per E-Mail an redaktion@greenpeace.ch oder per Post an ­Greenpeace Schweiz, Redaktion Magazin, Stichwort Ökorätsel, Postfach 8112, 8036 Zürich. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Über die Verlosung wird keine Korrespondenz geführt.

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Das Lösungswort des Rätsels aus dem Magazin 04/19 war: Mehlwurm


Schlusswort

Empört euch!

Ich sehe heute noch vor mir, wie sich mein Biologielehrer vorne auf sein Pult setzte und mit empörter Stimme über die Dünnsäureverklappung in der Nordsee berichtete. Schliesslich liess er die Faust auf den Tisch knallen und berichtete von Greenpeace-Aktionen gegen diese damals völlig legale Entsorgung verdünnter Schwefelsäure. ­Aufstehen, die Stimme erheben und handeln, das war seine Botschaft – und die erste Saat, die in mir keimte. Gelegt in einem kleinen Klassenzimmer eines kleinen Ortes in Nordrhein-Westfalen. Stark spüre ich die Kraft der Empörung. Den Wunsch, Zeugnis abzulegen, wo Unrecht geschieht. Fischen, ­Bäumen und all den anderen Lebewesen eine Stimme zu geben, die keine Stimme haben am Verhandlungstisch von Politik und Wirtschaft, leitet seither meinen Lebensweg. Ich lebe in einer tiefen Überzeugung, dass wir gesellschaftliche Veränderungen und Neues schaffen können, wenn wir Widerstand leisten. Ich ziehe meine Kraft dafür aus kleinen Dingen, wie einem Spaziergang durch einen in erstem Grün spriessenden Buchenwald, einem Blick vom Berggipfel oder dem Anblick einer blühenden Wiese. Es ist nie zu spät, sich zu empören, sich zu wehren, Träumerin und Visionär zu sein. Diese Option ist für jeden offen. Veränderung geschieht durch uns, durch jede Einzelne, eine kleine Gruppe oder eine grosse Masse. Und es ist wunderbar und inspirierend, über die Empörung von Jung und Alt, die Einzelinitiativen und grossen Bewegungen in diesem Heft zu lesen. Steht auf und wehrt euch! Wir haben es in der Hand. Zeigt der Gleichgültigkeit die Rote Karte – denn sie ist das Schlimmste, was wir uns und der Welt antun können.

Bild: © Iris Menn

Iris Menn Geschäftsleiterin Greenpeace Schweiz


Wenn Schildkröten es könnten, würden sie wohl alle zu Ninja Turtles werden und für ihre Art kämpfen. Bis dahin zählen sie auf unsere Hilfe. Nehmen Sie sich deshalb am 23. Mai, dem internationalen Tag der Schildkröte, Zeit, um die Meeresschutzpetition zu unterzeichnen:

800062228>

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Familie

PLZ/Ort

Strasse/Nr.

Vorname

Herr

Frau

Name

Einbezahlt von / Versé par / Versato da

Die Annahmestelle L’office de dépôt L’ufficio d’accettazione

202 •

Einbezahlt von / Versé par / Versato da

80-6222-8

▼ ▼

Konto / Compte / Conto

80-6222-8

▼ ▼

Greenpeace Schweiz Badenerstrasse 171 8036 Zürich

Einzahlung für / Versement pour / Versamento per

Zahlungszweck (bitte bei Online-Überweisungen angeben): Mag202

CHF 70.−

CHF 100.−

Versement Virement

CHF

Frau und Herr

04.2019

Konto / Compte / Conto

Cowabunga!

CHF CHF

Am 31. Mai ist internationaler Weltnichtrauchertag. Zigaretten sind nicht nur schädlich für Menschen, sondern auch für Tiere und Umwelt. Hören Sie auf damit. Wenn nicht am Weltnichtrauchertag, wann dann?

Greenpeace Schweiz Badenerstrasse 171 8036 Zürich

Roken is dodelijk

CHF 50.–

Zwei Tage nach dem Weltbienentag feiern wir den Tag der Biodiversität. Ohne Artenvielfalt sterben unsere Insekten. Gestalten Sie deswegen Ihren Garten oder Balkon natürlich – und gewinnen Sie sogar einen Preis dafür: am Wettbewerb «Naturgärten – kleine und grosse Paradiese!» von Pro Natura. Mehr Infos unter pronatura.ch/de/naturnaher-garten

Ja, ich spende:

Für den Schutz unserer Natur

Einzahlung Giro

Am 20. Mai ist Weltbienentag. Höchste Zeit, dass wir Menschen auch fleissig werden und den unermüdlichen Tierchen etwas zurückgeben. Bauen Sie ein eigenes Bienenhotel – ganz einfach mit folgendem Youtube-Tutorial:

Einzahlung für / Versement pour / Versamento per

Ohne Fleiss kein Preis

Empfangsschein / Récépissé / Ricevuta

Dieses Jahr findet die 1.-Mai-Demo nicht statt. Der Wonne­monat bietet aber neben dem Tag der Arbeit auch einige weitere Aktionstage, an denen sich das gemeinsame Aufstehen für eine Sache lohnt:

Versamento Girata

441.02

Und jetzt?



AZB CH-8036 Zürich PP/Journal Post CH AG

Steff la Cheffe dürfte den meisten als kecke Rapperin aus Bern bekannt sein. Mit ihrem Comeback-Album «Härz Schritt Macherin» schlug die 33-Jährige 2018 ungewohnt ruhigere Töne an. Für das aktuelle Greenpeace-Magazin nimmt sie aber erneut kein Blatt vor den Mund. Am 15. Mai erscheint ihr neues Album «PS:».


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