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3.2.5 Reparatur
Die Kreislaufwirtschaft bringt aber nicht nur zusätzliche Anforderungen an Detailhändler:innen mit sich. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, an der Kreislaufwirtschaft zu verdienen und gleichzeitig eine intensivere Kundenbeziehung aufzubauen. Ein wichtiges Geschäftsmodell mit solchen ökonomischen Chancen ist es, die Produkte zu vermieten, statt zu verkaufen. Beispielsweise ist es möglich, bei Coop Gartengeräte und Werkzeug auszuleihen. Die Geräte können online reserviert und in den Filialen abgeholt werden.15 Indem Coop die Eigentümerin der Geräte bleibt, kann sie auch direkt an der langen Lebensdauer und der Reparierbarkeit ihrer Produkte verdienen. Ein weiteres zirkuläres Geschäftsmodell wird «Product-as-a-Service» genannt. In dieser Art von Dienstleistungsmodell wird die Nutzung des Produkts verkauft. Wie im Mietmodell bleibt das Eigentum am Produkt bei der Anbieter:in. Neben dem reinen Zugang zum Produkt sind jedoch weitere Aspekte in den Kosten integriert, wie beispielsweise der Strom, die Wartung, die Reparatur oder/und eine Versicherung. Bezahlt wird in einer vereinbarten Einheit. Ein Beispiel dafür ist, wenn nicht der Drucker verkauft wird, sondern die Dienstleistung bzw. das Ergebnis des Druckens. Die Kund:innen bezahlen in diesem Fall beispielsweise «pro gedruckte Seite». Im Preis inbegriffen ist je nach Ausgestaltung des Angebots der Zugang zum Drucker, das Papier, die Druckfarbe, die Wartung und der Strom. Die Anbieter:in profitiert in diesem Modell unter anderem von der Langlebigkeit des Druckers, von der Reparierbarkeit, langen Wartungsintervallen, von einem geringeren Verbrauch von Druckerfarbe und der Energieeffizienz. In den beschriebenen Geschäftsmodellen besteht für die Anbieter:innen ein Anreiz, Produkte möglichst lange im Einsatz zu lassen.16
Weitere Beispiele für zirkuläre Geschäftsmodelle sind, neben Wartungsdienstleistungen, das Angebot von gebrauchten bzw. Second-Hand-Produkten, der Verkauf reparierter oder wiederaufbereiteter Produkte und die Nutzung von Mehrwegverpackungen.17
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Generell bieten die befragten Detailhändler:innen die beschriebenen Modelle bisher nur in sehr geringem Umfang an. Ein Positivbeispiel ist der Verleih von Gartengeräten und Werkzeugen, den – wie oben bereits beschrieben – Coop (mit Online-Reservierungssystem), aber auch Landi und Migros anbieten. Darüber hinaus ist das Angebot von Second-Hand-Artikeln über die Melectronics Fundgrube oder die Fundgrube von Micasa sowie das Label «Reloved by Micasa» und der Verkauf wiederaufbereiteter Smartphones durch die Migros erwähnenswert. Ebenfalls nennenswert ist der Verkauf von gebrauchten Luxus-Uhren durch Watchfinder, einer Tochtergesellschaft von Richemont. Von Brack.ch sind die Cloudangebote, die eigene Soft- und Hardware ersetzen, erwähnenswert. Sehr positiv ist das Angebot von gebrauchten Artikeln bei Digitec Galaxus, wo nahezu das gesamte Sortiment als gebrauchte Ware erhältlich ist und mit entsprechenden Filtern auch leicht zu finden ist.
3.2.5 Reparatur
Die Reparatur ist aus Sicht von Greenpeace Schweiz ein Schlüsselelement für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft. Deswegen setzen wir uns bei politischen Entscheidungsträger:innen, Hersteller:innen und Händler:innen für das «Recht zu Reparieren» ein.
15 https://www.bauundhobby.ch/service/mietservice-maschinen-mieten.html 16 Falls es dennoch vor dem Ende der technischen Lebensdauer nicht mehr im Miet- oder Dienstleistungsmodell angeboten wird, sollte eine Wiederverwendung durch den Verkauf im Sekundärmarkt ermöglicht werden. Nur wenn es einen solchen Technologiesprung gegeben hat, dass der weitere Betrieb des alten Produkts umweltbelastender ist als die Produktion plus der Betrieb des neuen Produkts, sollte dieses frühzeitig zerlegt und optimal rezykliert werden. 17 Werden zirkuläre Geschäftsmodelle angeboten, ist es wichtig, gleichzeitig eine Anpassung im konventionellen Produktsortiment vorzunehmen, um tatsächlich Ressourcen zu sparen. Werden Miet- oder «Product as a Service»Modelle einfach zusätzlich angeboten, dürften für den überwiegenden Teil der Konsument:innen zu wenig Anreize bestehen, auf die Anschaffung ressourcenintensiver Produkte, die nur selten genutzt werden, zu verzichten und es kommt kaum zu einer Substitution. Von dieser Einsicht sind die Detailhändler:innen in der Schweiz aber noch weit entfernt, keine einzige hat bisher im Zusammenhang mit der Einführung von kreisläuffähigen Geschäftsmodellen das «konventionelle» Produktsortiment verschlankt oder dieses umgestaltet, z.B. in Richtung besonders langlebige Produkte.
Exkurs: Das Recht zu Reparieren – Forderungen von Greenpeace Schweiz
1. Reparierbare Produkte mit den folgenden Massnahmen fördern
– Ökodesign-Anforderungen festlegen (modularer Aufbau, genormte Teile usw.) – Absichtliche Irreparabilität verbieten – Nutzer:innen gegen geplante Obsoleszenz schützen – Das Garantierecht stärken – Zirkuläre Geschäftsmodelle im Zusammenhang mit Dienstleistungsverkäufen oder der Produktvermietung fördern
2. Zugang zu Ersatzteilen und technischen Informationen
– Ersatzteile auch langfristig und zu einem erschwinglichen
Preis zugänglich machen – Den Zugang garantieren zu: Reparatur- und Wartungsanleitungen, Fehlerbehebungs- und Diagnosetools, Konstruktionsplänen, in Produkte eingebetteter Open-Source-Software – Den Zugang garantieren zu allen für die Reparatur erforderlichen Materialien und Informationen
3. Reparierbarkeit auch kulturell fördern
– Mit Reduktionszielen und Monitoring – Durch geeignete Anreize die Reparaturen attraktiv, leicht zugänglich und erschwinglich machen – Mit Anreizen zum Kauf reparierbarer Produkte ermutigen – Indem Unternehmen oder öffentliche Einrichtungen ihre
Vorbildfunktion wahrnehmen
Das Angebot an reparaturfördernden Massnahmen durch den Detailhandel ist ein entscheidender Hebel, um bestehende Hürden zu überwinden. Aus diesem Grund wurden die Detailhändler:innen befragt zu – Angeboten von Ersatzteilen und Reparaturinformationen, – Angeboten von Informationen und Dienstleistungen rund um das Thema
Reparatur auf der Webseite, – Möglichkeiten, defekte Waren für eine Reparatur einzuschicken, sowie – zum Vorhandensein von Reparatur- und Abgabeservice für defekte Produkte in allfälligen Filialen.
Neben einem angemessenen Preis und vertretbarem Aufwand ist die Verfügbarkeit von Ersatzteilen und Reparaturinformationen für die Attraktivität und das Gelingen von Reparaturen entscheidend. Idealziel wäre es, dass die Ersatzteile und Informationen für alle zugänglich sind und es damit den Kund:innen überlassen ist zu entscheiden, ob sie selber reparieren wollen und können oder Fachpersonen aufsuchen (sogenannte Gleichstellung aller Reparateur:innen). Zudem sollten nicht bloss Zubehör, sondern Ersatzteile im eigentlichen Sinne zur Verfügung stehen und nicht nur Bedienungsanleitungen, sondern Reparaturanleitungen wie Zerlegungspläne etc. Diese sollten möglichst öffentlich zugänglich auf der eigenen Webseite oder durch entsprechende Links auf andere Angebote zu finden sein.
Ökodesign-Anforderungen gelten auch in der Schweiz
Ein erster Schritt in diese Richtung sind die neuen ÖkodesignAnforderungen der EU, die seit dem 1. März 2021 gelten und die Reparierbarkeit bestimmter Produkte betreffen: Hersteller:innen, Importeur:innen oder ihre Bevollmächtigten müssen demnach Ersatzteile und Reparaturanleitungen für die betroffenen Produkte über einen bestimmten Zeitraum zur Verfügung stellen. Dabei gilt die Anforderung, dass die betroffenen Produkte so zu gestalten sind, dass Komponenten mit herkömmlichen Werkzeugen zerstörungsfrei auseinander gebaut werden können. Im Fall von Waschmaschinen und Waschtrocknern besteht bspw. für einen Zeitraum von zehn Jahren die Verpflichtung, Ersatzteile wie z.B. Türen und Waschmittelbehälter für alle Endnutzer:innen zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus müssen komplexere Ersatzteile wie z.B. Pumpen, elektronische Displays sowie Soft- und Firmware zumindest für «fachlich kompetente Reparateure» zur Verfügung stehen. Reparaturanleitungen für «einfache» Bauteile müssen Endnutzer:innen durch Bestellung über eine frei zugängliche Webseite zur Verfügung stehen. Reparaturanleitungen für komplexere Problemstellungen wie z.B. Zerlegungspläne oder Informationen über Bauteile und Diagnose müssen zumindest – analog zu den Ersatzteilen – fachlich kompetenten Reparateur:innen zur Verfügung stehen.
Die Schweiz hat die beschriebenen EU-Regelungen in der Energieeffizienzverordnung (EnEV) übernommen. Neben «Profi-Geräten» wie Elektromotoren, Transformatoren und Server sind dabei auch gewöhnliche Haushaltsgeräte betroffen, die im Schweizer Detailhandel angeboten werden, nämlich Kühlgeräte, Waschmaschinen und Waschtrockner, Geschirrspüler, Displays (inkl. Fernseher), Leuchtmittel und Netzteile.
Die Umfrage bei den Detailhändler:innen legt den Schluss nahe, dass die Ökodesign-Anforderungen bezüglich Reparatur (siehe obige Box), noch gar nicht auf dem Schweizer Markt «angekommen» sind. Zwar bieten einige Unternehmen wie Migros, Coop oder Brack.ch Ersatzteile und Reparaturinformationen an. Eine systematische Kennzeichnung des Sortiments entsprechend der neuen Regularien lässt sich aber noch nicht erkennen.
Angebot von Informationen und Dienstleistungen zum Thema Reparatur auf der Webseite
Auch die Webseite von Detailhändler:innen kann zur Attraktivität von Reparaturen beitragen. Im besten Fall gibt es dort einen Bereich zum Thema Reparatur, in dem es z.B. Reparaturanleitungen, Links zu Reparatur-Videos von Hersteller:innen, Reparaturinitiativen oder Youtube gibt, sowie die Möglichkeit, sich per Video individuell beraten zu lassen oder Ersatzteile zu bestellen. Die meisten Detailhändler:innen haben allerdings keine oder nur sehr spärliche Informationen vorzuweisen, die oft auch nicht prominent platziert sind. So findet man zum Beispiel auf den Webseiten von Landi, Brack.ch und Digitec Galaxus einen Themenbereich Reparatur, dieser ist allerdings sehr ausbaufähig. Bei Coop ist die Webseite und das Angebot zum Thema Reparatur schon etwas umfangreicher; gleichzeitig lässt sich die Seite nur über Suchmaschinen, nicht aber über die Coop-Seite selbst