Pestizide in der Schweizer Luft

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Pestizide in der Schweizer Luft Untersuchung mit Passivsammlern von Mai bis November 2019


Abstract

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ur Messung von Pestiziden in der Schweizer Luft in der wurden an vier Standorten Passivsammler mit Polyurethanschaum-Scheiben (PUF) sowie Polyesterringen (PEF) als Sammelmatrizes aufgestellt. Der Messzeitraum erstreckte sich über sechs Monate von Mai bis November 2019. Während dieses Zeitraums wurden die PUF-Scheiben einmal g ­ ewechselt. Insgesamt wurden pro Standort und Messzeitraum 213 Pestizidwirkstoffe und Metaboliten analysiert. Die PUF-Matrix wurde mittels Multi-Methode (GC-MS/MS und HPLC-MS/MS) analysiert und die PEF-Filter über eine gesonderte Analytik auf Glyphosat und AMPA hin untersucht. Als Standorte wurden biologisch bewirtschaftete Betriebe in u ­ nterschiedlichen Schweizer Gegenden ausgewählt. An Standort A im Wallis wird Obst- und Weinbau betrieben, an Standort B in der Nordwestschweiz Ackerbau, an Standort C im Mittelland ebenfalls Ackerbau und an Standort D in der Ostschweiz Obstbau. An allen Standorten war sowohl im Sommer als auch im Herbst eine mehrfache Belastung mit Pestiziden festzustellen. Dabei war Standort A der am stärksten belastete und Standort B der am wenigsten belastete. Insgesamt konnten 25 verschiedene Pestizidwirkstoffe bzw. Metaboliten nach­gewiesen werden. Am häufigsten wurden die Fungizide Folpet, Captan, Chlorothalonil und Cyprodinil, die Herbizide Terbuthylazin, Metolachlor und Pendimethalin sowie das Insektizid Chlorpyrifos nachgewiesen. Diese explorative Untersuchung zeigt, dass es in der Schweiz – wie in anderen Ländern auch – ein Problem mit der Verfrachtung von Pestiziden gibt. Eine grösser angelegte Untersuchung mit mehreren Standorten und häufigeren Probenentnahmen über die gesamte Spritzsaison hinweg scheint angebracht, um die Belastung im Zeitverlauf feststellen zu können.

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Titelseite und oben: Fungizid-Einsatz per Helikopter auf konventionellen Rebbergen in der Bielersee-Region (Schweiz).

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Inhalt Abstract  2 1  Einleitung und Aufgabenstellung   6 2  Material und Methoden   7 2.1 Messverfahren  7 2.2 Auswertung  8 2.3 Standortauswahl

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2.3.1  Standort A: Obst- und Weinbau im Wallis 10     2.3.2  Standort B: Ackerbau in der Nordwestschweiz 11     2.3.3  Standort C: Ackerbau im Mittelland 11     2.3.4  Standort D: Obstbau in der Ostschweiz 12 2.4 Wirkstoffauswahl

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3 Ergebnisse

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3.1  Ergebnisse nach Pestizidwirkstoff

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3.1.1 Folpet 14     3.1.2 Terbuthylazin 14     3.1.3 Captan 14

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3.1.4 Chlorothalonil 15     3.1.5 Chlorpyrifos 15     3.1.6   Cyprodinil 16     3.1.7 Metolachlor 16     3.1.8 Pendimethalin 16

3.2  Ergebnisse nach Standort

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3.2.1  Standort A: Obst- und Weinbau im Wallis 17     3.2.2  Standort B: Ackerbau in der Nordwestschweiz 20     3.2.3  Standort C: Ackerbau im Mittelland 22     3.2.4  Standort D: Obstbau in der Ostschweiz 23

3.3  Vergleich der Standortprofile

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4  Vergleich mit anderen Messungen und Grenzen der Methodik

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5 Schlussfolgerungen

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6  Zusammenfassung und Fazit

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7 Literaturverzeichnis

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8 Anhang

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1 Einleitung und Aufgabenstellung

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er Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden in der Landwirtschaft stösst aufgrund seiner Nebenwirkungen auf den Naturhaushalt, den Gefahren für die Gesundheit von Anwender*innen und Verbraucher*innen sowie seiner Rolle als Säule nicht nachhaltiger landwirtschaftlicher Praktiken auf immer mehr Kritik. In der Schweiz stehen zurzeit der vorliegenden Untersuchung zwei Referenden an, die den Einsatz von ­chemisch-synthetischen Pestiziden in der Landwirtschaft stark beschränken oder verbieten wollen. Zudem fordert die Europäische Bürgerinitiative Bienen und Bauern retten! ­aktuell den Ausstieg aus der Nutzung dieser Mittel in der ganzen EU. Zu den Problemen des Pestizideinsatzes gehört, dass diese Mittel nicht nur an ­ihrem Einsatzort verbleiben. Selbst bei Einhaltung der guten fachlichen Praxis kommt es zu Abdrift (Tröpfchen, die sich beim Ausbringen des Mittels in die Luft verteilen und davongetragen werden) und Ferntransport (verdampfte Stoffe, die sich durch die Luft verbreiten) von Pestiziden. Sogar Stoffe, die kaum flüchtig sind, wie zum Beispiel das Herbizid Glyphosat, verbreiten sich, an Staubpartikeln haftend, mit dem Wind. Sie kontaminieren so andere landwirtschaftliche Kulturen inklusive der Produkte von biologischen Erzeuger*innen. Auch Ökosysteme in Schutzgebieten sind von der Kontamination durch Abdrift betroffen. Abdrift beeinträchtigt zudem Menschen, die in der Nachbarschaft von intensiver Landwirtschaft leben. Eine Vielzahl von Studien zeigt, dass Wirkstoffe, Synergisten (Hilfsstoffe) und Metaboliten (Abbauprodukte) von Pestiziden zum Teil sogar mehrere Kilometer entfernt vom Einsatzort in der Luft nachgewiesen werden können. Aktuelle Beispiele dafür sind Messungen mit Passivsammlern und Vegetationsproben in Brandenburg (Hofmann & Schlechtriemen 2015), ein langfristig angelegtes Luftmonitoringprogramm aus Schweden (Kreuger et al. 2013; Kreuger & Lindström 2019), eine Untersuchung von Baumrinde aus ganz Deutschland (Hofmann et al. 2019), Messungen mit Passivsammlern im Südtiroler Vinschgau (Hofmann & Bär 2019) sowie eine parallel zur vorliegenden Untersuchung durchgeführte Studie im Münstertal (Ehrler & Lötscher [Amt für Natur und Umwelt Kanton Graubünden] 2020), bei der ebenfalls Passivsammler genutzt wurden. In einer 2020 veröffentlichten ­Studie mit über 160 Standorten in Deutschland und vier verschiedenen Sammelmedien (Passivsammler, Luftfiltermatten, Bienenbrot und Baumrinde) wurden 147 verschiedene Wirkstoffe, Synergisten und Metaboliten von Pestiziden sowie sechs verbotene Polychlorierte Biphenyle (kurz: PCBs) aus der Industrie nachgewiesen (Kruse-Plass et al. 2020). Auch bei Projekten, die auf die Messung der Hintergrundbelastung mit persistenten organischen Schadstoffen ausgelegt sind, wie dem Global Atmospheric Passive Sampling (GAPS) Programm (Pozo et al. 2006; Pozo et al. 2009) oder dem Projekt Pure Alps mit ­Aktivsammlern auf Bergen in Bayern, Österreich und der Schweiz (Freier et al. 2019), werden immer wieder Pestizide in der Luft nachgewiesen, darunter viele persistente Stoffe, die längst verboten wurden. Greenpeace Schweiz und das Umweltinstitut München e.V. entschlossen sich vor diesem Hintergrund, im Frühjahr 2019 eine explorative Studie zur Verbreitung von Pestizidwirkstoffen in der Schweiz durchzuführen. An vier Standorten mit unterschiedlichen Expositionsszenarien in den Kantonen Wallis, Thurgau und Aargau wurden dazu Passivsammler aufgestellt, um die aktuelle Belastung der Luft mit Pestiziden zu untersuchen. Als Basis für weitere Untersuchungen und Diskussionen beschreibt die vorliegende Studie, welche Pestizide in der Luft in der Schweiz nachweisbar sind und wie sich die verschiedenen Standorte unterscheiden.

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2 Material und Methoden 2.1 Messverfahren Die Messungen wurden mit Passivsammlern durchgeführt, in die als Sammelmatrix je eine Scheibe aus Polyurethanschaum (PUF) sowie vier Ringe aus Polyester (PEF) eingelegt wurden. Die Passivsammler für dieses Projekt wurden von der TIEM Integrierte Umweltüberwachung GbR im Jahr 2018 entwickelt (siehe Abbildung, S.9). In ihnen liegt die PUF-Matrix innerhalb eines umschlossenen Raums, ähnlich dem Sammler TE-200PAS aus dem unter Punkt 1 erwähnten GAPS-Programm. Der PEF-Filter ist als zweite Matrix offen exponiert, um Partikel aus der Luft zu sammeln. In der Kombination der beiden Matrizes können sowohl volatile und semivolatile Pestizidwirkstoffe, die in den PUF-Scheiben adsorbieren, als auch Glyphosat und andere Stoffe, die sich an Partikel gebunden in den PEF-Ringen fangen, in der Luft nachgewiesen werden. Die PUF-Matrix, eine Polyurethan-Scheibe mit 14 cm Durchmesser und 1,35 cm Höhe, wurde von TISCH Environment, Inc. aus den USA bezogen. Es handelt sich dabei um dieselben PUF-Scheiben, die auch im GAPS-Programm in Sammlern der Firma Tisch Environment (TE-200-PAS) verwendet werden. Diese Matrix ist in vielen Publikationen umfassend v­ alidiert (Gouin et al. 2008; Hayward et al. 2010; Koblizkova & Harner 2012; Herkert et al. 2018) und in den Arbeiten von Zhang und seinen Kollegen bestätigt (Zhang et al. 2011; Zhang & Wania 2012; Zhang et al. 2013). Die PEF-Matrix entspricht den Filtern aus standardisierten Pollenmassenfiltern (DIN CEN/TS 2016). Es handelt sich dabei um Polyesterfilter mit 8 cm Durchmesser, 2 cm Höhe und einem runden Ausschnitt von 3 cm Durchmesser in der Mitte. Bei Versuchen von Hofmann und Schlechtriemen hat sich gezeigt, dass sie gut geeignet sind, um Glyphosat nachzuweisen, das sich an Partikel gebunden in der Luft verbreitet (Hofmann et al. 2019). Sie wurden von TIEM bezogen, die sie wiederum von Freudenberg Filtration Technologies in Weinheim (Deutschland) bezieht. Diese Filter nehmen Staubpartikel aus der Luft auf. Während die PEF-Ringe in fabrikneuem Zustand in die Sammler eingesetzt werden, wurden die verwendeten PUF-Medien zuvor nach dem Verfahren von Shoeib und Kollegen (Shoeib et al. 2008) im Labor der Gesellschaft für Umweltchemie in München aufgereinigt. Die Passivsammler wurden an vier Standorten in der Schweiz auf Grundstücken von freiwilligen Biolandwirten aufgestellt. Die Kontaktierung der Landwirte, die Auswahl der Standorte, die Aufstellung der Sammler, der Wechsel der Sammelmedien und der Abbau der Sammler erfolgte jeweils durch Fausta Borsani, Agronomin und Präsidentin des Vereins «ohneGift» (www.ohnegift.ch), im Auftrag von Greenpeace Schweiz. Die genauen Standorte werden in Absprache mit den Landwirten nicht öffentlich kommuniziert. Der Messzeitraum erstreckte sich über sechs Monate von Mai bis November 2019. Die PUF-Scheiben wurden nach drei Monaten, also im August, einmal gewechselt. Der PUF-Wechsel erfolgte mit Hilfe von Handschuhen und Pinzetten in ein vorgesehenes Probengefäss. Die Proben wurden in einer Kühlbox gesammelt und anschlies­ send tiefgekühlt gelagert.

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2.2 Auswertung Am Ende des Messzeitraums wurden die gesammelten PUF- und PEFProben in den Probengefässen zusammen mit Kühlakkus in einer Kühlbox an das Labor für Rückstandsanalytik in Bremen geschickt. Das ­akkreditierte Labor analysierte die PUF-Matrix auf 213 Stoffe mittels Multi-Methode (GC-MS/MS und HPLC-MS/MS) und die PEF-Filter über eine gesonderte Analytik auf Glyphosat und AMPA. Dazu wurden die Matrizes in einem Ultraschallbad mit polaren Lösungsmitteln ex­ trahiert. Das Eluat aus den PUF-Scheiben wurde anschliessend gereinigt, bevor es analysiert wurde. Das Eluat aus den PEF-Ringen wurde zur Derivatisierung von Glyphosat zusätzlich mit Fluorenylmethoxycarbonylchlorid behandelt. Die Bestimmungsgrenzen sind unter anderem vom Zustand der Matrizes abhängig, die im Labor ankommen. Hohe Mengen an Staub oder Öl in den PUF-Scheiben führen dazu, dass das Eluat stärker verdünnt werden muss. Dadurch steigt die Bestimmungsgrenze, und sehr geringe Mengen der untersuchten Stoffe können nicht mehr nach­ gewiesen werden. Für alle untersuchten Wirkstoffe und Metaboliten ­ergab sich eine Bestimmungsgrenze von 20 ng. Eine Liste der analysierten Wirkstoffe befindet sich in Tabelle 5 im Anhang.

Weil immer mehr wissenschaftliche Studien das Pestizid Glyphosat mit Gefahren für die Gesundheit bei Mensch und Tier in Verbindung bringen, hat Greenpeace, zusammen mit anderen Organisationen, 2016 dem Parlament in Bern eine Petition überreicht. Ziel: Verkauf und Einsatz von Glyphosat sollen verboten werden.

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Abbildung 1: Von TIEM Technik entwickelter Passivsammler mit einer PUF-Matrix zur Erfassung volatiler und semivolatiler Pestizide sowie einem PEF-Filter zur Erfassung von Glyphosat.

Ausbringung von Glyphosat auf einem Acker in der Nähe von Bettlach (Schweiz).

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2.3 Standortauswahl Die Auswahl der Standorte der Passivsammler hatte das Ziel, ein Bild der Belastung der Luft mit Pestiziden an Standorten mit unterschiedlichen Expositionsszenarien, landwirtschaftlichen Umgebungen und Landschafts- und Bodenverhältnissen zu bekommen. Der Anspruch des Projekts war es nicht, repräsentativ für die gesamte Schweiz zu sein, sondern explorativ zu untersuchen, wonach es sich in der gesamten Schweiz zu suchen lohnt. Alle Passivsammler wurden auf biologisch bewirtschafteten Flächen aufgestellt, auf denen die untersuchten Wirkstoffe nicht ausgebracht werden. An jedem Standort wurde ein Passivsammler aufgestellt, in den als Sammelmatrix je eine Scheibe aus Polyurethanschaum (PUF) sowie vier Ringe aus Polyester (PEF) eingelegt wurden.

Passivsammler 07 an Standort A.

2.3.1 Standort A: Obst- und Weinbau im Wallis Der erste Standort wurde in einem Obst- und Weinbaugebiet im Kanton Wallis, im Süden der Schweiz, gewählt. Der Passivsammler mit der Nummer 07 wurde am 26. Mai 2019 am Rande eines biologisch bewirtschafteten Weinbergs aufgestellt. Der Standort liegt frei anströmbar oberhalb des Rhonetals auf ca. 630 Höhenmetern über NN. Am Berghang wird Weinbau, im Tal selbst intensiver Obstbau betrieben. Die nächste konventionell bewirtschaftete Parzelle liegt nur wenige Meter entfernt. Die PUF-Scheibe wurde am 22. August 2019 ausgewechselt und der Passivsammler am 21. November 2019 wieder abgebaut.

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Passivsammler 08 an Standort B.

2.3.2 Standort B: Ackerbau in der Nordwestschweiz

2.3.3 Standort C: Ackerbau im Mittelland

Der zweite Standort wurde in einer von Ackerbau geprägten Region im nordwestlichen Teil des Kantons Aargau gewählt, wo in einer Rheinschleife auf der Schweizer Seite Ackerbau betrieben wird. Am 24. Mai 2019 wurde hier der Passivsammler mit der Nummer 08 zwischen zwei biologisch bewirtschafteten Getreidefeldern aufgestellt, wobei am Rand des einen Feldes ein Blühstreifen war. Der Standort liegt frei anströmbar inmitten von Getreidefeldern auf ca. 290 Höhenmetern über NN. Das nächste konventionell bewirtschaftete Weizenfeld liegt ca. 200 Meter weit entfernt. Die PUF-Scheibe wurde am 20. August 2019 ausgewechselt und der Passivsammler am 20. November 2019 wieder abgebaut.

Der dritte Standort wurde ebenfalls im Kanton Aargau, zwischen dem Zürichsee und dem Hallwilersee gewählt. Er liegt in einem Ackerbaugebiet im Schweizer Mittelland, es gibt aber auch Gemüseanbau in der Umgebung. In etwas über 50 Metern Entfernung wurde während des Messzeitraums Gemüse angebaut. Am 24. Mai 2019 wurde hier der Passivsammler mit der Nummer 09 inmitten einer biologisch bewirtschafteten Wiese aufgestellt. Der Standort liegt frei anströmbar auf ca. 440 Höhenmetern über NN. Die PUF-Scheibe wurde am 20. August ausgewechselt und der Passivsammler am 20. November wieder abgebaut.

Passivsammler 09 an Standort C.

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Passivsammler 10 an Standort D.

2.3.4 Standort D: Obstbau in der Ostschweiz Der vierte Standort wurde auf einer biologisch bewirtschafteten Streuobstwiese südlich des Bodensees im Kanton Thurgau gewählt. In der Umgebung wird neben etwas Ackerbau und Viehwirtschaft auch intensiver Obstbau betrieben und es finden sich Sonderkulturen wie Baumschulen und Beeren. Am 22. Mai 2019 wurde hier der Passivsammler mit der Nummer 10 aufgestellt. Er ist zwar frei anströmbar, aber im Vergleich zu den anderen drei Standorten durch die hochstämmigen Obstbäume auf der Wiese besser geschützt. Der Sammler steht auf ca. 450 Höhenmetern über NN. Die PUF-Scheibe wurde am 21. August 2019 ausgewechselt und der Passivsammler am 21. November 2019 wieder abgebaut.

2.4 Wirkstoffauswahl Für die vorliegende Untersuchung wurden 213 v­ erschiedene Pestizidwirkstoffe und Metaboliten ausgewählt. Es wurde sowohl nach zugelassenen als auch nach nicht mehr genehmigten Wirkstoffen gesucht. Durch die Auswahl der Wirkstoffe wurden alle Anwendungsgebiete abgedeckt.

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3 Ergebnisse

Traubenblatt mit Fungizidrückständen.

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achfolgend werden die Ergebnisse einzeln für die verschiedenen Pestizidwirkstoffe ­(siehe Punkt 3.1) und Standorte (siehe Punkt 3.2) dargestellt. Anschliessend werden die Standorte miteinander verglichen (siehe Punkt 3.3).

3.1 Ergebnisse nach Pestizidwirkstoff Im Folgenden wird genauer auf die Pestizide eingegangen, die an allen vier Standorten (Folpet und Terbuthylazin) oder an drei der vier Standorte (Captan, Chlorothalonil, Chlorpyrifos, Cyprodinil, Metolachlor und Pendimethalin) nachgewiesen werden konnten und die damit am weitesten verbreitet waren und auch an sehr unterschiedlichen Standorten vorkamen. Soweit nicht anders gekennzeichnet, sind die Quellen für die Zulassungsbedingungen in diesem Kapitel das Pflanzenschutzmittelverzeichnis des eidgenössischen Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) (https://www.psm.admin.ch/de/wirkstoffe) und für die Gefahreneinstufung die Pestiziddatenbank der EU-Kommission (http:// ec.europa.eu/food/plant/pesticides/eu-pesticides-database/). Letztere folgt dem «Global harmonisierte[n] System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien» (GHS).

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➤ Gesundheitsschädlich beim Einatmen (akut ­toxisch, Kategorie 4 / H332) ➤ Wirkstoff, der allergische Hautreaktionen verursachen kann (Sensibilisierung der Haut, Kategorie 1 / H317) ➤ Sehr giftig für Wasserorganismen (Kategorie Acute 1 / H400)

Ein Warnschild weist auf den Fungizid-Einsatz im Rebberg hin.

3.1.1 Folpet Folpet ist ein Fungizid, das vor allem im Weinbau Anwendung findet und dabei auch für den Einsatz aus Helikoptern zugelassen ist. Mittel mit diesem Wirkstoff sind aber auch im Obstbau, in Beerenkulturen sowie beim Hopfen- und Zierpflanzenanbau zugelassen. Folpet konnte an allen vier Standorten dieser Untersuchung nachgewiesen werden. Dabei sticht der Wert aus dem Sommer am Weinberg im Rhonetal (Standort A) mit 25 000 ng in einer PUF-Scheibe als Extremwert heraus und ist nur durch das direkte Ansprühen des Sammlers erklärbar. Die Werte sind an allen Standorten im Messzeitraum im Sommer höher als im Herbst. Folpet ist auch im Herbst der am weitesten verbreitete Wirkstoff und konnte an den Standorten A, B und D auch während dieses Messzeitraums nachgewiesen werden. Mit 1550 ng liegt die HerbstScheibe an Standort A noch fast auf dem ­Niveau der Sommer-Scheibe an Standort D mit 1934 ng. Folpet ist der am weitesten verbreitete Wirkstoff dieser Untersuchung und liefert in der PUF-Matrix mit Abstand die höchsten Werte, selbst wenn der Extremwert aus der Sommer-Scheibe an Standort A nicht berücksichtigt wird.

3.1.2 Terbuthylazin Terbuthylazin ist ein Herbizid, das gegen ein vergleichsweise breites Spektrum von Unkraut im Ackerbau wirkt. Es wird in der Schweiz hauptsächlich im Maisanbau eingesetzt und ist dabei von der Zeit vor dem Auflaufen der Pflanzen bis spätestens Ende Juni zugelassen. Es gibt aber auch eine Zulassung für ein Mittel, das im Obst- und Weinbau unter den Bäumen/ Reben sowie für den Anbau von Sorghum (Hirse) eingesetzt werden darf. Der Stoff ist aus anderen Untersuchungen bereits als sehr flüchtig bekannt. So fanden Hofmann und Schlechtriemen Terbuthylazin bei einer Untersuchung von Baumrinden im Jahr 2018 in 49 Prozent der Proben. Damit war Terbuthylazin einer der am häufigsten vorkommenden Wirkstoffe dieser Untersuchung (Hofmann & Schlechtriemen, 2019). Weitere Untersuchungen mit Passivsammlern und PUF-Matrizes in Deutschland weisen ebenfalls auf eine weite Verbreitung von Terbuthylazin hin (KrusePlass et al. 2020). Terbuthylazin wird in dieser Untersuchung an allen vier Standorten in den PUF-Scheiben aus dem ersten Messzeitraum im Sommer nachgewiesen, was dem Einsatz im Maisanbau bis Ende Juni entspricht. Die Werte liegen von 134 ng an Standort A über 109 ng an Standort C und 43 ng an Standort B bis 34 ng an Standort D. Das Herbizid ist laut EU-Pestiziddatenbank eingestuft als: ➤ Wirkstoff, der bei längerer oder wiederholter Exposition innere Organe schädigen kann (organschädigend, Kategorie 2 / H373) ➤ Gesundheitsschädlich beim Verschlucken (akut toxisch, Kategorie 4 / H302)

Das Fungizid ist laut EU-Pestiziddatenbank eingestuft als: ➤ Wirkstoff, der vermutlich Krebs erzeugen kann (Karzinogenität, Kategorie 2 / H351) ➤ Wirkstoff, der schwere Augenreizung verursacht (Kategorie 2 / H319)

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➤ Gewässergefährdend und sehr giftig für Wasserorganismen, sowohl mit akuter als auch mit langfristiger Wirkung (Kategorie Acute 1 und Chronic 1 / H400 und H410)


3.1.3 Captan Captan ist ein Fungizid, das in der Schweiz im Kernund Steinobstanbau sowie für Beerenkulturen und den Zierpflanzenbau zugelassen ist und zum Beispiel gegen Schorf, Mehltau und diversen anderen Pilzbefall eingesetzt wird. Captan wurde an den Standorten mit Obstbau sowohl in der PUF-Scheibe aus dem Messzeitraum im Sommer wie auch in derjenigen aus dem Messzeitraum im Herbst nachgewiesen: An Standort A mit 530 ng im Sommer und 94 ng im Herbst und an Standort D mit 1300 ng im Sommer und 340 ng im Herbst. Mit 24 ng lag der Wert aus der PUF-Scheibe aus dem Herbst an Standort C zudem knapp über der Bestimmungsgrenze. Captan gehört damit nicht nur zu den verbreitetsten Stoffen, sondern liefert nach Folpet auch die höchsten Werte in den PUF-Scheiben. Das passt zur Untersuchung des Umweltinstituts München e.V. aus dem Jahr 2018 im Südtiroler Obstbaugebiet (Hofmann & Bär, 2019), wo Captan ebenfalls zu den verbreitetsten Stoffen mit den höchsten Werten gehörte, wobei die höchsten Werte vom Ende der Messreihe im August stammten.

Bis zum 31.12.2019 und damit während des Untersuchungszeitraums waren Mittel mit dem Wirkstoff in der Schweiz für Anwendungen in Obst- und Weinbau, Getreide und Kartoffeln, Zierpflanzen, Gemüse und der Zucht von Speisepilzen zugelassen. Chlorothalonil wurde in den PUF-Scheiben aus dem Sommer an Standort B mit 173 ng, an Standort C mit 231 ng und an Standort D mit 100 ng nachgewiesen.

Das Fungizid ist laut EU-Pestiziddatenbank eingestuft als:

➤ Wirkstoff, der allergische Hautreaktionen verursachen kann (Sensibilisierung der Haut, Kategorie 1 / H317)

➤ Gewässergefährdend und sehr giftig für Wasserorganismen (Kategorie Acute 1 / H400) ➤ Giftig beim Einatmen (akut toxisch, Kategorie 3 / H331) ➤ Wirkstoff, der allergische Hautreaktionen verursachen kann (Sensibilisierung der Haut, Kategorie 1 / H317) ➤ Wirkstoff, der vermutlich Krebs erzeugen kann (Karzinogenität, Kategorie 2 / H351) ➤ Wirkstoff, der schwere Augenschäden verursacht (Kategorie 1 / H318) ➤ Wirkstoff, der allergische Hautreaktionen verursachen kann (Sensibilisierung der Haut, Kategorie 1 / H317) 3.1.4 Chlorothalonil Chlorothalonil (im Deutschen manchmal auch Chlor­ thalonil) ist ein Fungizid, das im Jahr 2019 in der Schweiz als auch in der EU verboten wurde. Grund für das Verbot in der EU und auch in der Schweiz waren häufige Funde von Abbauprodukten von Chlorothalonil (z. B. Chlorthalonilsulfonsäure) im Grundwasser (BAFU 2016).

Das Fungizid ist laut EU-Pestiziddatenbank eingestuft als: ➤ Gewässergefährdend und sehr giftig für Wasser­ organismen, sowohl mit akuter als auch mit langfristiger Wirkung (Kategorie Acute 1 und Chronic 1 / H400 und H410) ➤ Lebensgefährlich beim Einatmen, (akut toxisch, Kategorie 2 / H330) ➤ Wirkstoff, der die Atemwege reizen kann, (organschädigend, Kategorie 3 / H335)

➤ Wirkstoff, der vermutlich Krebs erzeugen kann (Karzinogenität, Kategorie 2 / H351) ➤ Wirkstoff, der schwere Augenschäden verursacht (Kategorie 1 / H318) 3.1.5 Chlorpyrifos Chlorpyrifos ist ein insektizider und akarizider Wirkstoff. Mit der allgemein verwendeten Bezeichnung Chlorpyrifos ist Chlorpyrifos-ethyl gemeint. In der Schweiz waren Mittel mit dem Wirkstoff während des Messzeitraums für den Einsatz im Acker- und Gemüseanbau, im Beeren- und Weinbau, im Zierpflanzenbau, für den Einsatz in Zier- und Sportrasen sowie in Bäumen und Sträuchern ausserhalb der Forstwirtschaft und für die Verwendung in forstlichen Pflanzgärten zugelassen. Bei einigen Mitteln war auch der Einsatz für den/die Privatanwender*in genehmigt. Seit dem 1.7.2020 sind die meisten Mittel mit dem Wirkstoff in der Schweiz nicht mehr zugelassen. Für drei Mittel gilt allerdings eine Aufbrauchfrist bis Ende Mai 2021. In der EU ist der Einsatz dieses Wirkstoffs seit dem 16.4.2020 nicht mehr erlaubt. Chlorpyrifos wurde in den PUF-Scheiben aus dem Sommer an Standort A mit 32 ng, an Standort C mit 68 ng und an Standort D mit 33 ng nachgewiesen.

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Das Insektizid ist laut EU-Pestiziddatenbank eingestuft als: ➤ Gewässergefährdend und sehr giftig für Wasserorganismen, sowohl mit akuter als auch mit langfristiger Wirkung (Kategorie Acute 1 und Chronic 1 / H400 und H410) ➤ Giftig beim Verschlucken (akut toxisch, Kategorie 3 / H301). Chlorpyrifos-ethyl wird zudem mit strukturellen Veränderungen im Gehirn von Menschen in Zusammenhang gebracht, die dem Wirkstoff im Mutterleib ausgesetzt waren (Rauh et al. 2012) 3.1.6 Cyprodinil Cyprodinil ist ein Fungizid. Mittel mit diesem Wirkstoff sind in der Schweiz für ein sehr breites Einsatzspektrum zugelassen. Dazu zählt der Einsatz im Obst- und Beerenanbau, im Gemüse- und Weinbau, im Getreideanbau, im Zierpflanzenbau, in Zier- und Sportrasen sowie in Bäumen und Sträuchern ausserhalb der Forstwirtschaft. Cyprodinil wurde in den PUF-Scheiben aus dem Sommer an Standort A mit 1530 ng, an Standort C mit 463 ng und an Standort D mit 36 ng nachgewiesen. Das Fungizid ist laut EU-Pestiziddatenbank eingestuft als: ➤

Gewässergefährdend und sehr giftig für Wasserorganismen, sowohl mit akuter als auch mit langfristiger Wirkung (Kategorie Acute 1 und Chronic 1 / H400 und H410)

➤ Wirkstoff, der allergische Hautreaktionen verursachen kann (Sensibilisierung der Haut, Kategorie 1 / H317) ➤ Substitutionskandidat, der zwei der Kriterien aus der Gruppe persistent, bioakkumulierend und toxisch (PBT) erfüllt 3.1.7 Metolachlor Metolachlor kommt in den beiden sogenannten enantiomeren Formen R-Metolachlor und S-Metolachlor vor. Diese lassen sich bei der Analyse im Massenspektrometer nicht unterscheiden. Da sowohl in der Schweiz als auch in der EU nur Mittel mit dem Wirkstoff S-Metolachlor zugelassen sind, wird in dieser Untersuchung davon ausgegangen, dass es sich bei dem nachgewiesenen Wirkstoff auch um diesen handelt. Metolachlor ist ein Herbizid. Mittel mit diesem Wirkstoff sind in der Schweiz für den Einsatz im ­Gemüse- und Ackerbau zugelassen. Metolachlor ist

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einer von drei Pestizidwirkstoffen, die in den Jahren 2014 bis 2017 die Grenzwerte für Grundwasser an mehreren Messstellen in der Schweiz überschritten haben. 2017 traten im Grundwasser vier Metaboliten des Herbizids in Konzentrationen von mehr als 0,1 μg/l auf (BAFU 2020). Metolachlor wird in dieser Untersuchung an drei Standorten in den PUF-Scheiben aus dem ersten Messzeitraum im Sommer nachgewiesen. Die Werte liegen an Standort B bei 80 ng, an Standort C bei 27 ng und an Standort D bei 39 ng. Das Herbizid ist laut EU-Pestiziddatenbank eingestuft als: ➤ Wirkstoff, der allergische Hautreaktionen verursachen kann (Sensibilisierung der Haut, Kategorie 1 / H317) ➤ Gewässergefährdend und sehr giftig für Wasserorganismen, sowohl mit akuter als auch mit langfristiger Wirkung (Kategorie Acute 1 und Chronic 1 / H400 und H410) 3.1.8 Pendimethalin Pendimethalin ist ein Herbizid. Mittel mit diesem Wirkstoff sind in der Schweiz für zahlreiche Anwendungen zugelassen. Sie werden eingesetzt im Gemüse- und Ackerbau, beim Anbau von Hartschalenobst, Beeren, Rhabarber und Kräutern, beim Anbau von Chinaschilf und Tabak, im Grünland (Wiesen und Weiden), im Zierpflanzenbau, bei Bäumen und Sträuchern ausserhalb der Forstwirtschaft sowie in Zierund Sportrasen. An Standort A konnte Pendimethalin nicht nachgewiesen werden. An Standort B wurden im Sommer 57 ng gemessen, im Herbst 59 ng. An Standort C konnte das Herbizid im Sommer mit 138 ng und im Herbst mit 188 ng nachgewiesen werden. An Standort D konnte Pendimethalin nur im Sommer mit 48 ng nachgewiesen werden. Das Herbizid ist laut EU-Pestiziddatenbank eingestuft als: ➤ Wirkstoff, der allergische Hautreaktionen verur­ sachen kann (Sensibilisierung der Haut, Kategorie 1 / H317) ➤ Gewässergefährdend und sehr giftig für Wasser­ organismen, sowohl mit akuter als auch mit langfristiger Wirkung (Kategorie Acute 1 und Chronic 1 / H400 und H410)


Fungizide werden in den Rebbergen in der Bielersee-Region (Schweiz) ausgebracht.

3.2 Ergebnisse nach Standort Die Einzelwerte der Ergebnisse der Pestizidanalysen für die jeweiligen Standorte sind in den Tabellen 1 bis 4 dokumentiert. Insgesamt wurden an den vier Standorten mit je einem Sammler über zwei Perioden hinweg je 213 Pestizidwirkstoffe und Metaboliten analysiert. Aus den Ergebnissen geht hervor, dass insgesamt 25 verschiedene Pestizide und Metaboliten nachgewiesen werden konnten: die Metaboliten 4,4'DDE (Abbauprodukt von DDT) und AMPA (Abbauprodukt von Glyphosat), das nicht mehr zugelassene Akarizid Brompropylat, die Fungizide Captan, Chlorothalonil, Cyprodinil, Fenhexamid, Fenpropimorph (in der EU nicht mehr zugelassen, jedoch in der Schweiz), Fludioxonil, Folpet, Metalaxyl-M, Metazachlor, Metolachlor, Myclobutanil, Penconazol und Pyrimethanil sowie die Herbizide Clomazone, Flufenacet, Glyphosat, Pendimethalin, Pethoxamid, Prosulfocarb, Terbuthylazin und die Insektizide Chlorpyrifos-ethyl und Chlorpyrifos-methyl.

3.2.1 Standort A: Obst- und Weinbau im Wallis Standort A war der am stärksten belastete Standort der Untersuchung. Insgesamt 15 Pestizidwirkstoffe und Metaboliten konnten nachgewiesen werden. Die Werte sind in Tabelle 1 (Seite 19) dargestellt. In den PEF-Ringen wurden das Totalherbizid Glyphosat sowie sein Abbauprodukt AMPA nachgewiesen, in der PUF-Scheibe aus dem ersten Messzeitraum im Sommer zudem das Herbizid Terbuthylazin. In den PUFScheiben konnten die Fungizide Captan, Cyprodinil, Fenhexamid, Fludioxonil, Folpet, Metalaxyl-M, Myclobutanil und Penconazol, die Insektengifte Chlorpyrifos und Chlorpyrifos-methyl, das Akarizid Brompropylat sowie 4,4'-DDE (Dichlordiphenyldichlorethen, ein Abbauprodukt von DDT) nachgewiesen werden. Die PUF-Scheibe aus dem Messzeitraum im Sommer (29 127 ng) war stärker belastet als diejenige aus dem Messzeitraum im Herbst (1664 ng), sowohl was die Zahl der gefundenen Stoffe als auch die Höhe der Werte angeht. In den PEF-Ringen befanden sich 43 ng Glyphosat und 54 ng AMPA. 4,4'-DDE ist ein Abbauprodukt des seit Jahrzehnten verbotenen Insektengifts DDT. DDT ist so persistent, dass es nach wie vor präsent ist und auch in ähnlichen Untersuchungen nachgewiesen wurde (z. B. Hofmann et al. 2019). Auch im Fall von Brom­

propylat gibt es seit spätestens 2010 in der Schweiz und in der Europäischen Union keine Pestizide mehr, die den Wirkstoff enthalten. Brompropylat wurde auch in der Imkerei zur Bekämpfung der Varroamilbe eingesetzt. In einer Entfernung von 50 bis 100 Metern zum Messstandort befindet sich zwar ein konventioneller Bienenstand, doch auch in der Schweiz ist die Anwendung von Brompropylat in der Imkerei nicht mehr erlaubt. Eine illegale Anwendung unbekannter Art kann dementsprechend nicht ausgeschlossen werden. Besonders auffällig ist der Wert für das Fungizid Folpet in der PUF-Matrix aus dem Messzeitraum im Sommer, der mit 25 000 ng aussergewöhnlich hoch ist. Die wahrscheinlichste Erklärung dafür ist, dass der Sammler einem oder mehreren starken Abdriftereignissen mit einem Folpet-haltigen Mittel direkt ausgesetzt war. Der Besitzer der Fläche hat im Gespräch bestätigt, dass im fraglichen Zeitraum auf benachbarten Flächen Pestizide mit einer handgesteuerten Drohne ausgebracht wurden. Da das Problem der Abdrift bekannt ist, vermarktet der Besitzer die Trauben aus den Reben am unteren Rand der biologisch bewirtschafteten Parzellen ohne Bio-Label.

17


Einfüllstutzen für die Befüllung des Tanks mit den Fungiziden am Helikopter.

18


Tabelle 1: Tabellarische Zusammenfassung der Pestizidbelastung an Standort A. Es wird dabei unterschieden nach Matrix, Wirkstoffklasse und Messzeitraum.

PUF-Matrix

Wirkstoffklasse

26.5.–22.8. [ng/Probe]

22.8.–21.11. [ng/Probe]

Summe [ng/Probe]

4,4'-DDE

(Metabolit)

37

20

57

Brompropylat

Akarizid

23

Captan

Fungizid

530

Chlorpyrifos(-ethyl)

Insektizid

32

32

Chlorpyrifos-methyl

Insektizid

51

51

Cyprodinil

Fungizid

1530

1 530

Fenhexamid

Fungizid

223

223

Fludioxonil

Fungizid

41

41

Folpet

Fungizid

25 000

1 550

26 550

Metalaxyl-M

Fungizid

1 230

1 230

Myclobutanil

Fungizid

36

36

Penconazol

Fungizid

260

260

Terbuthylazin

Herbizid

134

134

29 127

1 664

30 791

Summe PUF

PEF-Matrix

Wirkstoffklasse

26.5.–21.11. [ng/Probe]

Glyphosat

Herbizid

43

AMPA

(Metabolit)

54

Summe PEF

97

Summe PUF und PEF

30 888

23           94

624

19


3.2.2 Standort B: Ackerbau in der Nordwestschweiz Standort B war, was die Höhe der gefundenen Werte angeht, der am wenigsten belastete in dieser Untersuchung. Doch auch hier konnten elf Pestizidwirkstoffe sowie ein Metabolit nachgewiesen werden. Die Werte sind in Tabelle 2 (siehe gegenüber) dargestellt. In den PEF-Ringen wurden das Totalherbizid Glyphosat sowie sein Abbauprodukt AMPA, in den PUFScheiben die Herbizide Clomazone, Flufenacet, Metazachlor, Metolachlor, Pendimethalin, Prosulfocarb und Terbuthylazin sowie die Fungizide Chlorothalonil, Fenpropimorph und Folpet nachgewiesen. Die PUF-Scheibe aus dem Messzeitraum im Sommer (932 ng) war stärker belastet als diejenige aus dem Messzeitraum im Herbst (288 ng), sowohl was die Zahl der gefundenen Stoffe als auch die Höhe der Werte angeht. In den PEF-Ringen befanden sich 27 ng Glyphosat und 21 ng AMPA.

Sommerliche Wiese im Tessin (Schweiz).

20


Tabelle 2: Tabellarische Zusammenfassung der Pestizidbelastung an Standort B. Es wird dabei unterschieden nach Matrix, Wirkstoffklasse und Messzeitraum. PUF-Matrix

Wirkstoffklasse

24.5.–20.8. [ng/Probe]

Chlorothalonil

Fungizid

173

Clomazone

Herbizid

Fenpropimorph

Fungizid

132

132

Flufenacet

Herbizid

40

40

Folpet

Fungizid

407

Metazachlor

Herbizid

Metolachlor

Herbizid

80

Pendimethalin

Herbizid

57

Prosulfocarb

Herbizid

Terbuthylazin

Herbizid

Summe PUF

20.8.–20.11. [ng/Probe]

173     55

PEF-Matrix

Wirkstoffklasse

24.5.–20.11. [ng/Probe]

Glyphosat

Herbizid

27

AMPA

(Metabolit)

21

Summe PEF

48

Summe PUF und PEF

1 268

55

50

457

36

36      80

59

116

88

88

43     932

Summe [ng/Probe]

43     288

1 220

21


3.2.3 Standort C: Ackerbau im Mittelland An Standort C konnten 13 Pestizidwirkstoffe nachgewiesen werden, wobei in den PEF-Ringen weder Glyphosat noch AMPA festgestellt wurden. Die Werte sind in Tabelle 3 (siehe unten) dargestellt. In den PUFScheiben wurden die Fungizide Captan, Chlorothalonil, Cyprodinil, Fenpropimorph, Fludioxonil, Folpet und Pyrimethanil, die Herbizide Clomazone, Metolachlor, Pendimethalin, Pethoxamid und Terbuthylazin sowie das Insektizid Chlorpyrifos nachgewiesen. Die PUF-Scheibe aus dem Messzeitraum im Sommer (1895 ng) war stärker belastet als diejenige aus dem Messzeitraum im Herbst (410 ng), sowohl was die Zahl der gefundenen Stoffe als auch die Höhe der Werte angeht.

Tabelle 3: Tabellarische Zusammenfassung der Pestizidbelastung an Standort C. Es wird dabei unterschieden nach Matrix, Wirkstoffklasse und Messzeitraum.

PUF-Matrix

Wirkstoffklasse

Captan

Fungizid

Chlorothalonil

Fungizid

231

231

Chlorpyrifos

Insektizid

68

68

Clomazone

Herbizid

Cyprodinil

Fungizid

463

463

Fenpropimorph

Fungizid

50

50

Fludioxonil

Fungizid

54

54

Folpet

Fungizid

90

90

Metolachlor

Herbizid

27

27

Pendimethalin

Herbizid

138

188

138

Pethoxamid

Herbizid

25

145

170

Pyrimethanil

Fungizid

640

640

Terbuthylazin

Herbizid

109

109

Summe

22

24.5.–20.8. [ng/Probe]

20.8.–20.11. [ng/Probe]

Summe [ng/Probe]

24

24

53

1 895

410

53

2 305


3.2.4 Standort D: Obstbau in der Ostschweiz An Standort D konnten in den PUF-Scheiben elf Pestizidwirkstoffe nachgewiesen werden. Die Werte sind in Tabelle 4 (siehe unten) dargestellt. Es handelt sich um die Fungizide Captan, Chlorothalonil, Cyprodinil, Folpet, Penconazol und Myclobutanil, die Herbizide Metolachlor, Pendimethalin und Terbuthylazin sowie die Insektizide Chlorpyrifos und Chlorpyrifos-methyl. In den PEF-Scheiben wurden weder Glyphosat noch AMPA nachgewiesen. Die PUF-Scheibe aus dem Messzeitraum im Sommer (3724 ng) war stärker belastet als diejenige aus dem Messzeitraum im Herbst (715 ng), sowohl was die Zahl der gefundenen Stoffe als auch die Höhe der Werte angeht.

Tabelle 4: Tabellarische Zusammenfassung der Pestizidbelastung an Standort D. Es wird dabei unterschieden nach Matrix, Wirkstoffklasse und Messzeitraum.

PUF-Matrix

Wirkstoffklasse

24.5 –20.8. [ng/Probe]

20.8.–20.11. [ng/Probe]

Summe [ng/Probe]

Captan

Fungizid

1 300

340

1 640

Chlorothalonil

Fungizid

100

100

Chlorpyrifos

Insektizid

33

33

Chlorpyrifos-methyl

Insektizid

134

134

Cyprodinil

Fungizid

36

36

Folpet

Fungizid

1 934

Metolachlor

Herbizid

39

39

Myclobutanil

Fungizid

40

40

Penconazol

Fungizid

26

26

Pendimethalin

Herbizid

48

48

Terbuthylazin

Herbizid

34

34

Summe

3 724

375

715

2 309

4 439

23


3.3 Vergleich der Standortprofile Beim Vergleich der Standorte untereinander fallen deutliche Unterschiede zwischen den Ackerbau­ standorten in der Nordwestschweiz und im Mittelland (Standorte B und C) und den beiden Sammlern im Obst- und Weinbau im Wallis (Standort A) und in der Ostschweiz (Standort D) auf. Keine deutliche Unterscheidung gibt es bei der Zahl der gefundenen Stoffe. Sie weisen mit 11 Wirkstoffen an den Standorten B und D (Glyphosat und AMPA zusammengenommen), über 13 Wirkstoffen an Standort C und 14 Wirkstoffen an Standort A (Glyphosat und AMPA zusammengenommen) nur eine geringe Schwankungsbreite auf. Abbildung 7 (siehe unten) stellt die Zahl der gefundenen Wirkstoffe und Metaboliten nach Standorten und Wirkstoffklassen dar. Da AMPA als Abbauprodukt von Glyphosat nicht auf einen weiteren Wirkstoff hinweist, werden die beiden Stoffe für den Vergleich der Zahl der gefundenen Wirkstoffe zusammengefasst. Unterschiede werden allerdings sichtbar, wenn es um die Art der Wirkstoffe geht. An den Ackerbaustandorten spielen Herbizide eine wesentlich grös­ sere Rolle als an den beiden Standorten mit Weinund Obstbau, deren Belastung durch Fungizide

dominiert wird. Insektizide spielen an den Obst- und Weinbaustandorten ebenfalls eine grössere Rolle. Dass insgesamt nur wenige Insektizide nachgewiesen werden konnten, könnte allerdings auch daran liegen, dass keine Daten aus dem Frühling vorliegen. Im konventionellen Obstbau werden bereits ab März Insektizide eingesetzt. Noch deutlicher wird der Unterschied zwischen den Ackerbau- und Obstbaustandorten, wenn man die Zahl und Art der gefundenen Wirkstoffe in den PUF-Scheiben aus dem Sommer und dem Herbst vergleicht. Sie sind in den Abbildungen 8 und 9 (siehe gegenüber) grafisch dargestellt. Daraus geht hervor, dass die Pestizidbelastung in der Luft im Sommer deutlich höher ist als im Herbst, sowohl was die Anzahl der Wirkstoffe als auch deren Konzentration betrifft. Lediglich an Standort B konnten sowohl im Sommer als auch im Herbst ausschliesslich Herbizide und Fungizide nachgewiesen werden, wobei im Sommer die gleiche Anzahl an Herbizid-Wirkstoffen gefunden wurde wie im Herbst.

Abbildung 7: Zahl der gefundenen Wirkstoffe oder Abbauprodukte in der PUF-Scheibe und den PEF-Ringen nach Standorten (A bis D) und Wirkstoffklassen: Fungizide (blau), Herbizide (grün), Insektizide und Akarizide (gelb).

24


Abbildung 8: Zahl der gefundenen Wirkstoffe oder Abbauprodukte in der PUF-Scheibe aus dem Sommer nach Standorten (A bis D) und Wirkstoffklassen: Fungizide (blau), Herbizide (grün), Insektizide und Akarizide (gelb).

Abbildung 9: Zahl der gefundenen Wirkstoffe oder Abbauprodukte in der PUF-Scheibe aus dem Herbst nach Standorten (A bis D) und Wirkstoffklassen: Fungizide (blau), Herbizide (grün), Insektizide und Akarizide (gelb).

Abbildung 10: Summarische Pestizidbelastung der vier Standorte (A bis D) im direkten Vergleich ohne Berücksichtigung des Wirkstoffs Folpet.

25


Zahl der gefundenen Wirkstoffe oder Abbauprodukte in der PUF-Scheibe und den PEF-Ringen nach Standorten A bis D und Jahreszeiten.

Während an den Standorten A und D im zweiten Messzeitraum im Herbst nur Wirkstoffe nachgewiesen wurden, die auch im Sommer schon nachgewiesen worden waren, treten an den Ackerbaustandorten B und C im zweiten Messzeitraum im Herbst auch bisher nicht nachgewiesene Wirkstoffe auf. Der Nachweis von selektiven Herbiziden wie Clomazone und Pendimethalin (an Standort B und C) sowie Metazachlor, Prosulfocarb (nur an Standort B) und Pethoxamid (nur an Standort C) in den PUF-Scheiben aus dem Herbst weist auf den Einsatz dieser Wirkstoffe rund um das Auflaufen von Wintergetreide hin. Dabei wurden Clomazone, Prosulfocarb und Metazachlor nur im Herbst nachgewiesen. Auch der Blick auf die summarische Pestizid­ belastung der vier Standorte (siehe Abbildung 10, Seite 25) bestätigt, dass es einen Unterschied zwischen den Standorten nach der landwirtschaftlichen Umgebung gibt. Um diese Darstellung nicht durch den extremen Wert für Folpet aus dem Sommer an Standort A zu verzerren, wird dieser hier weggelassen. Damit ergibt sich folgendes Bild: An den beiden Standorten im Obst- und Weinbau befinden sich mit 5888 ng (Standort A) und 4439 ng (Standort D) deutlich mehr Pestizide in den Sammelmatrizes als an Standort C mit 2305 ng. Der reine Ackerbaustandort B ist mit 1268 ng am geringsten belastet.

26


4 Vergleich mit anderen Messungen und Grenzen der Methodik

Insektizid-Belastungen konnten im Südtirol nachgewiesen werden.

F

ür das vorliegende Messprojekt wurden die Passivsammler erst Mitte/Ende Mai aufgestellt. Die Messungen begannen also zu einem Zeitpunkt, an dem insbesondere im Obst- und Weinbau schon viele Pestizideinsätze erfolgt sein können. Bei den Messungen des Umweltinstituts im Vinschgau in Südtirol im Jahr 2018 erlaubt die grössere Zahl der Proben über den Jahresverlauf, einen zeitlichen Verlauf der Pestizidbelastung zu zeichnen. Pestizide können hier schon im März in der Luft nachgewiesen werden, und der Expositionszeitraum von Ende April bis Mitte Mai zeigt mit die höchsten Werte. Insbesondere Insektizide, die in der vorliegenden Studie kaum eine Rolle spielten, hatten 2018 im Vinschgau ihre Peaks im Frühling (z. B. Flonicamid, Etofenprox, Pirimicarb, Spirotetramat und die damals noch zugelassenen Neonicotinoide Imidacloprid und Thiacloprid). Für die Fragestellung dieser U ­ ntersuchung bedeutet dies, dass es im Anschluss an diese Untersuchung sinnvoll wäre, auch nach Wirkstoffen zu suchen, die in der vorliegenden Untersuchung nicht nachgewiesen werden konnten. So könnte während der gesamten Spritzsaison eines Jahres in der Schweiz auch die Abdrift von Insektiziden näher untersucht werden. Denn dass Insektizide in der vorliegenden Studie nur eine geringe Rolle spielen, heisst nicht notwendigerweise, dass sie sich nicht auch in der Schweiz durch die Luft verbreiten. Das gilt selbstverständlich auch für andere Wirkstoffe. Für die vorliegende Untersuchung wurden 213 verschiedene Pestizidwirkstoffe und Metabolite ausgewählt. In ähnlichen Projekten wurde jedoch nach bis zu 500 Wirkstoffen gesucht (Hofmann et al. 2019). Je mehr Wirkstoffe in die Untersuchung aufgenommen werden, desto mehr können auch nachgewiesen werden.

27


5 Schlussfolgerungen

D

ie Pestizidwirkstoffe wurden allesamt auf biologisch bewirtschafteten Flächen nachgewiesen. Dies stellt eine grosse wirtschaftliche Gefahr für die Betriebe dar, da sie ihre Produkte unter Umständen nicht mehr als biologisch produziert auf den Markt bringen können. Bereits jetzt treffen einige Betriebe selbst Massnahmen, indem sie Produkte, die in direkter Nachbarschaft zu konventionell bewirtschafteten Feldern erzeugt wurden, ohne Bio-Label vermarkten. Dadurch entsteht ein nicht unerheblicher wirtschaftlicher Schaden, den die biologisch wirtschaftenden Betriebe nicht selbst zu verantworten haben, aber dennoch tragen müssen. Dass Pestizide nicht auf der Fläche bleiben, auf der sie ausgebracht wurden, ist ein bekanntes Problem. In der Schweiz gibt es deshalb auch Massnahmen, die die Abdrift von Pestiziden verringern sollen. Diese sind in den «Weisungen betreffend die Massnahmen zur Reduktion der Risiken bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln» festgehalten (BLW 2020). Allerdings gelten die Weisungen nur für bestimmte Pestizide. Die vorliegende explorative Untersuchung gibt deutliche Hinweise darauf, dass die darin festgehaltenen Massnahmen nicht ausreichend sind, um die Verfrachtung von Pestiziden durch die Luft zu vermeiden. So muss bei der Ausbringung von Folpet-haltigen Mitteln zwar ein zwischen 6 und­ 50 Metern variierender Abstand zu Oberflächengewässern eingehalten werden. Der Abstand kann allerdings durch die Ergreifung bestimmter Massnahmen reduziert werden. Laut dem Pflanzenschutzmittelverzeichnis des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) gelten die Abstandsregelungen ausserdem nicht für alle zugelassenen Anwendungsgebiete (z. B. gilt für das Folpethaltige Mittel Pergado F Pepite in einer Anwendungskonzentration von 0,25 Prozent keine Abstandsregelung). Der Wirkstoff, der vermutlich Krebs ­erzeugen kann, wurde an allen vier Standorten nachgewiesen. An Standort A sogar in auffällig hoher Menge, was höchstwahrscheinlich auf die Luftapplikation des Pestizids per Sprühdrohne zurückzuführen ist. Falls nicht anders vereinbart, muss bei der Ausbringung von Pestiziden mit Helikoptern ein Sicherheitsabstand von 30 Metern zu benachbarten biologisch bewirtschafteten Parzellen eingehalten werden (BAFU & BAZL 2016). Mit der Drohne oder anderen Boden-Spritzmethoden, darf die Spritzung nicht oberhalb von ­biologisch bewirtschafteten Parzellen stattfinden. Die Beobachtungen, die der Bio-Landwirt gemacht hat, dass die Drohne beim Wenden ca. 1–1.5 Meter über der biologisch bewirtschafteten Parzelle geflogen ist, könnte die Luftverfrachtung von Pestiziden bei seinen Feldern teilweise erklären. Die Ausbringung von Pestiziden mittels Drohnen soll in der Schweiz die bekanntermassen abdriftstarke Ausbringung mit Helikoptern ersetzen. Um eine umwelt- und gesundheitsschonende Ausbringung mit Drohnen zu ermöglichen, wurden gewisse Anforderungen erarbeitet. Der Fund der hohen Menge an Folpet an Standort A liefert starke Hinweise darauf, dass diese Anforderungen nicht ausreichend sind und dass deren Einhaltung auch nicht ausreichend kontrolliert wird.

28


Kerbel auf einer Wiese im Maggiatal (Schweiz).

29


Als Bienen verkleidete GreenpeaceAktivist*innen werden in Genf mit «Pestizid» versprüht, während sie Unterschriften gegen den Einsatz von Pestiziden sammeln.

6 Zusammen­fassung und Fazit Die empirischen Messungen der Pestizidbelastung an vier Standorten in der Schweiz ergeben Folgendes: ➤ Die höchste Belastung wurde an Standort A im Wallis (Obst- und Weinbau) ­gefunden. Hier lassen sich 14 verschiedene Wirkstoffe und ein Metabolit nachweisen, und die gemessenen Werte sind mit 30 888 ng in der Summe mit Abstand die höchsten. Dies liegt in erster Linie an dem extrem hohen Wert des Fungizids Folpet (25 000 ng). Doch auch wenn der hohe Folpet-Wert in der Sommer-Scheibe nicht mit einberechnet wird, ist Standort A in der Summe der am stärksten belastete. ➤ An Standort B in der Nordwestschweiz (Ackerbau) konnten 11 verschiedene Wirkstoffe und ein Metabolit nachgewiesen werden. In der Summe waren die gemessenen Werte mit 1268 ng an diesem Standort am geringsten. ➤ An Standort C im Mittelland (Ackerbau) konnten 13 Wirkstoffe nachgewiesen werden, darunter weder der Wirkstoff Glyphosat noch sein Abbauprodukt AMPA. Die Summe der Werte lag hier bei 2305 ng. ➤ An Standort D in der Ostschweiz (Obstbau) konnten 11 Wirkstoffe nachgewiesen werden. Obwohl dort insgesamt die wenigsten Wirkstoffe festgestellt wurden, waren die gemessenen Werte mit 4439 ng in der Summe am zweithöchsten. Es wurde weder der Wirkstoff Glyphosat noch sein Abbauprodukt AMPA gefunden. Insgesamt konnten 13 unterschiedliche Fungizid-Wirkstoffe nachgewiesen werden, sieben Herbizid-Wirkstoffe sowie drei verschiedene Insektizide bzw. Akarizide, darunter der Wirkstoff Brompropylat, der seit 2010 nicht mehr zugelassen ist. Ausserdem wurden zwei Metaboliten gefunden: AMPA, ein Abbauprodukt von Glyphosat, sowie 4,4'-DDE, ein Abbauprodukt des längst nicht mehr zugelassenen DDT, das aber so persistent ist, dass es in der Umwelt nach wie vor präsent und sehr weit verbreitet ist. Diese explorative Untersuchung zeigt, dass es auch in der Schweiz ein Problem mit der Verfrachtung von Pestiziden gibt. Eine grösser angelegte Untersuchung mit noch mehr Standorten, einer grösseren Anzahl an Wirkstoffen und häufigeren Probenentnahmen über die gesamte Spritzsaison hinweg, würde eine Feststellung der Belastung über einen Zeitverlauf ermöglichen und erscheint sinnvoll. Bisher gibt es in der Schweiz keine systematische Untersuchung der Verfrachtung von Pestiziden durch die Luft.

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7 Literaturverzeichnis BAFU, Bundesamt für Umwelt (2020): Chlorothalonil-Metaboliten im Grundwasser: Erste Einschätzung der gesamtschweizerischen Belastung. https://www. bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/wasser/dossiers/chlorothalonil-metaboliten-im-grundwasser.html (aufgerufen am 27.7.2020). BAFU, Bundesamt für Umwelt; BAZL, Bundesamt für Zivilluftfahrt (2016): Ausbringen aus der Luft von Pflanzenschutzmitteln, Biozidprodukten und Düngern, Bern. https://www.bafu.admin.ch/ bafu/de/home/themen/boden/publikationen-studien/publikationen/ausbringen-pflanzenschutzmitteln-biozidprodukten-duengern.html (aufgerufen am 27.7.2020). BLW, Bundesamt für Landwirtschaft, Fachbereich Nachhaltiger Pflanzenschutz (2020): Weisungen b ­ etreffend die Massnahmen zur Reduktion der Risiken bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, Bern. Ehrler A., Lötscher H. (Amt für Natur und Umwelt, Kanton Graubünden) (2020): Vom Winde verweht – Messung von Pflanzenschutzmitteln in der Luft im Münstertal (2019). https://www.gr.ch/DE/institutionen/verwaltung/ekud/anu/ANU_Dokumente/20200923_Messungen_Pflanzenschutzmittel_Muenstertal_2019.pdf (aufgerufen am 8.10.2020) Freier KP., Denner M., Körner W., Moche W. Ratz, G.Weiss P. (2019): Jahrbuch des Vereins zum Schutz der Bergwelt. München 84. Jahrgang 2019, S. 187–202. Gouin T., Ruepert C., Castillo L.E. (2008). Field Testing Passive Air Samplers for Current Use Pesticides in a Tropical Environment. Environ. Sci. Technol. 42(17): 6625–6630. https://doi.org/10.1021/ es8008425 Harner T., Pozo K., Gouin T., Macdonald A.M., Hung H., Cainey J., Peters A., (2006). Global pilot study for persistent organic pollutants (POPs) using PUF disk passive air samplers. Environ. Pollut. 144(2), 445–452. 10.1016/j.envpol.2005.12.053 Hayward S., Gouin, T. Wania, F. (2010). Comparison of four active and passive sampling techniques for pesticides in air. Environ. Sci. Technol. 44(9), 3410–3416. https://doi.org/10.1021/es902512h Herkert N., Spak S., Smith A. Schuster J., Harner T., Martinez A., Hornbuckle K. (2018). Calibration and evaluation of PUF-PAS sampling rates across the Global Atmospheric Passive Sampling (GAPS) network. Environ. Sci.: Processes Impacts 2018(20), 210–219. https://doi.org/10.1039/ C7EM00360A

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8 Anhang Tabelle 5: Liste der analysierten Wirkstoffe, alphabethisch gegliedert 2,4,5-T

Endosulfan-alpha

Monuron

2,4'-DDD

Endosulfan-beta

Myclobutanil

2,4'-DDE

Endosulfansulfat

Nicosulfuron

2,4'-DDT

Endrin

Nitrofen

2,4-D

Epoxiconazol

Oxadixyl

2,4-DB

Esfenvalerat

Oxamyl

4,4‘-DDD

Etaconazol

Oxydemeton-methyl

4,4'-DDE

Ethion

Parathion-ethyl

4,4'-DDT

Ethoprophos

Parathion-methyl

Acetamiprid

Etofenprox

Penconazol

Aclonifen

Etoxazol

Pendimethalin

Alachlor

Fenamiphos

Permethrin-cis

Aldicarb

Fenamirol

Permethrin-trans

Aldrin

Fenazaquin

Pethoxamid

Ametryn

Fenchlorphos

Phosmet

Amidosulfuron

Fenhexamid

Pirimicarb

AMPA

Fenitrothion

Pirimiphos-ethyl

Atrazin

Fenoxycarb

Pirimiphos-methyl

Azadirachtin

Fenpropathrin

Prochloraz

Azoxystrobin

Fenpropimorph

Procymidon

Bendiocarb

Fenpyroximat

Promecarb

Benfuracarb

Fenuron

Propamocarb

Benomyl

Fenvalerat

Propargit

Bensulfuron-methyl

Fipronil

Propethamphos

Bentazon

Flonicamid

Propiconazol

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Bifenthrin

Florasulam

Propoxur

Boscalid

Fluazifop-P-butyl

Prosulfocarb

Bromophos-ethyl

Fluazinam

Prosulfuron

Bromophos-methyl

Fludioxonil

Pymetrozin

Bromoxynil

Flufenacet

Pyrethrine

Brompropylat

Flufenoxuron

Pyridaben

Bupirimat

Folpet

Pyrimethanil

Buprofezin

Fonofos

Pyriproxyfen

Captan

Fuberidazol

Quinmerac

Carbaryl

Furathiocarb

Quizalofop

Carbendazim

Glyphosat

Rimsulfuron

Carbofuran

HCH-alpha

Simazin

Carbophenothion

HCH-beta

Spirotetramat

Carboxin

HCH-delta

Spiroxamin

Chlordan

Heptachlor

Sulfoxaflor

Chlorfenvinphos-cis

Heptachlorepoxid

tau-Fluvalinat

Chlorfenvinphos-trans

Hexachlorbenzol

Tebuconazol

Chloridazon

Hexaflumuron

Tebufenozid

Chlorotoluron

Hexythiazox

Tebufenpyrad

Chloroxuron

Imazalil

Teflubenzuron

Chlorpyrifos-ethyl

Imidacloprid

Tepraloxydim

Chlorpyrifos-methyl

Indoxacarb

Terbuthylazin

Chlorsulfuron

Ioxynil

Tetrachlorvinphos

Chlorthalonil

Iprodion

Tetradifon

Chlortoluron

Isoproturon

Tetrasul

Clethodim

Isoxaben

Thiabendazol

Clofentezine

Isoxaflutol

Thiacloprid

Clomazone

Kresoxim-methyl

Thiamethoxam

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Clothianidin

lambda-Cyhalothrin

Thifensulfuron-methyl

Coumaphos

Lindan

Thiophanat-methyl

Cyfluthrin

Linuron

Tolyfluanid

Cypermethrin

Lufenuron

Triadimefon

Cyproconazol

Malathion

Triadimenol

Cyprodinil

MCPA

Tribenuron-methyl

Deltamethrin

MCPB

Trifloxstrobin

Copyright Titelseite, S. 3, S. 14, S. 16, S.18: Greenpeace / Ephraim Bieri; S. 8: Greenpeace /  Ex-Press / Markus Forte; S. 10, S. 11, S. 12: Greenpeace / Alexandra Gavilano; S.20, S. 29: Greenpeace / Anne Gabriel-Jürgens S. 27: Greenpeace / Juraj Rizman; S. 30: Greenpeace

Impressum «Pestizide in der Schweizer Luft» – Untersuchung mit Passivsammlern von Mai bis November 2019 Veröffentlicht durch Greenpeace Schweiz, 11. November 2020 schweiz@greenpeace.org, www.greenpeace.ch Projektleitung und Kontakt: Alexandra Gavilano, Greenpeace Schweiz, alexandra.gavilano@greenpeace.org Grafik: Manù Hophan Korrektur: Danielle Lerch-Süess

Analysen vom Umweltinstitut München e.V. im Auftrag von Greenpeace Schweiz Umweltinstitut München e.V. Goethestr. 20, 80336 München

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