es real nicht gibt: eine Arbeiter:innenklasse, die täglich gastronomisch speist. Die Zubereitung und der Verzehr von Fleisch machen das Produkt zu einem vermeintlichen Mittel des sozialen Aufstiegs.
Die allgemeine Argumentation und die Werbestrategie lassen sich wie folgt zusammenfassen: – Kaufen Sie Fleisch, denn Sie nehmen sich, was Ihnen gehört. – Laden Sie die kostenlose Applikation herunter und seien Sie modern. – Werden Sie Expert:in, um Ihr Potenzial auszuschöpfen. – Gehören Sie zu einer Elite und erhöhen Sie Ihren sozialen Status.
3.1.2 Synthese der Serie «Der feine Unterschied» von Proviande Die Serie «Der feine Unterschied» von Proviande (Admeira Nrn. 938284, 938285, 1026874 und 1026877) konzentriert sich auf Interviews mit verschiedenen Fleischproduzent:innen aus der Schweiz. Sie stellt intertextuelle Bezüge zum Tierwohlprogramm Regelmässiger Auslauf im Freien (RAUS) her und argumentiert damit, dass die Schweiz unabhängig von irgendwelchen Labels (wie etwa Bio) die beste Viehzucht hat. Seltsamerweise fokussiert diese Werbeserie nicht auf Fleisch. So hat die Gegenüberstellung einer wilden Naturszene mit dem Wort «Fleisch» (Admeira Nr. 1026877, 14”) eine doppelte Wirkung. Einerseits beseitigt sie die Vorstellung, dass Schweine dazu bestimmt sind, geschlachtet zu werden, und andererseits lässt sie die einzige Erwähnung des Wortes «Fleisch», das fast ein Tabu ist, untergehen. Und das, obwohl es ausschliesslich um Fleisch für den menschlichen Verzehr geht. Das Tier an sich hat keine Existenz, es ist kein Lebewesen und sein Fleisch ist nicht das Fleisch eines getöteten Tieres. Stattdessen ist vom «Produkt» die Rede, wenn es gebraucht wird. Die Monologe der Fleischproduzent:innen sind sehr unterschiedlich, aber ein Beispiel unterstreicht diesen Punkt: Einer der Landwirt:innen spricht von «schönem Schweinefleisch, das auf dem Stroh aufgezogen wurde.» Diese Aussage betrachtet das Tier von Anfang bis Ende als Produkt und schiebt alle Gedanken beiseite, die den Schmutz und die Probleme im Zusammenhang mit der Viehzucht, der Misshandlung der Tiere und der endgültigen Schlachtung betreffen. Der einzige Fleischproduzent, der die Schlachtung erwähnt, wird unmittelbar nach dem Wort abgeschnitten. Fleisch wird entweder durch das Schlachten, aber ohne Hinweis auf das Tier, oder durch die Zucht, aber ohne Hinweis auf das Schlachten, angesprochen. Anthropologisch gesehen verweist diese Verschleierung des Todes auf das Tabu, das diesen im Westen seit dem 20. Jahrhundert umgibt. In einer Gesellschaft, die sich weigert, alt zu werden, und die auf Hygiene bedacht ist, hat der Tod keinen Platz. Wie in anderen Werbekampagnen wird der Verzehr eines Lebewesens aber mit der Aneignung seiner Kräfte gleichgesetzt. Dies geht beispielsweise aus der Formulierung «ein Geschenk für ein Geschenk» hervor, die einer der Züchter:innen verwendet. Die Züchter:innen machen die Tiere stark, und die Tiere machen die Konsument:innen stark. Eine zweite Form von Gegenseitigkeit wird in einem Spot angedeutet, der den Respekt für die Tiere und die Sorge um deren Wohlergehen zeigt. Es wird eine Art Gesellschaftsvertrag auf der Grundlage der Gegenseitigkeit behauptet, in dem die Landwirt:innen die Tiere pflegen und im Gegenzug vom Töten der Tiere profitieren. Das ist auch ein wirtschaftlicher Vertrag. Der porträtierte Altruismus ist eigennützig: Er strebt nach Anerkennung für seine Leistung, 37
VON MANIPULATIVER WERBUNG AUF UNSERE TELLER