Flugblatt für die Anti-TTIP-Demo in Wien, 17. 9. 2016

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Beilage zu Nummer 26 / September 2016

Zeitung der Gruppe Klassenkampf - für Rätemacht und Revolution

TTIP und CETA verhindern - das ist das Interesse der Arbeiterinnen und Arbeiter in Nordamerika und Europa! Vor dem G­20­Gipfel in Hangzhou erklärte EU­Kom­ missionspräsident Jean­Clau­ de Juncker, trotz Protesten aus mehreren EU­Staaten würden die TTIP­ und CETA­ Verhandlungen fortgesetzt. Die angeblichen “Freihan­ delsverträge” wären von allergrößter wirtschaftlicher Bedeutung und würden “Ar­ beitsplätze schaffen”. Freihandelsabkommen zwi­ schen kapitalistischen Mäch­ ten sind nichts rasend Neues. Bei der WTO (Welthandelsor­ ganisation) sind zur Zeit rund 600 regionale Freihandelsab­ kommen hinterlegt. Diese die­ nen dem Abbau von Zöllen Plakat der britischen Gewerkschaft GMB gegen TTIP und Handelshindernissen zwi­ schen den Unterzeichnerstaa­ die TTIP­Verhandlungsrunden meint, wobei ­ unabhängig ten und sind oft die Voraus­ sind das Ergebnis von Abspra­ von der Herkunft der Lobbyis­ setzung der wirtschaftlichen chen zwischen Lobbyisten, ten ­ die Tendenz prinzipiell in Integration der Vertragsstaa­ Konzernvertretern und kapi­ Richtung der Absenkung von ten. talistischen Interessensver­ Standards geht. Im Zusam­ bänden auf beiden Seiten des menhang mit den geplanten Im Namen des Pazifiks. Keinesfalls aber han­ Regeln für den “Investitions­ “Freihandels” delt es sich hier um eine “Ver­ schutz” werden hier Maßnah­ multinationaler men vorbereitet, die Errun­ für die Konzern- schwörung” Konzerne gegen die “demo­ genschaften der Arbeiterbe­ macht kratischen” Nationalstaaten wegung wie Mindest­ und Ta­ Nun ­ wenn man die bereits USA und den Ländern der EU. riflöhne frontal angreifen. bestehende wirtschaftliche Jeder Konzern ist einem “Mut­ Investitionsschutzabkom­ Verflechtung zwischen den terland” verbunden, auch men sind keine “Erfindung” USA und Europa bedenkt, wenn sich das Management der TTIP­Lobbyisten. Sie sind stellt sich die Frage nach dem auf Angehörige verschiedens­ im Prinzip so alt wie der Im­ Sinn eines neuen Freihandels­ ter Nationalitäten verteilt. perialismus und haben sich in abkommens: Schon jetzt sind Was die Konzerne aushan­ erster Linie gegen koloniale die USA und die europäischen deln, soll ja von den nationa­ und halbkoloniale Länder ge­ imperialistischen Staaten len Regierungen umgesetzt richtet. Bis heute betreibt et­ wechselseitig die wichtigsten werden. Der wahre Grund für wa die deutscher Bundesre­ Investoren, USA und EU erzie­ die extreme Geheimhaltung gierung ein eigenes Büro, das len gemeinsam fast die Hälfte sind die “nicht­tarifären” Han­ Unternehmen mit Rat und Tat des Weltsozialprodukte und delshindernisse (also nicht zur Seite steht, wenn in “Drit­ beherrschen ein Drittel des die Zölle!), die durch TTIP ge­ te­Welt­Ländern” deutsches Weltmarktes. regelt werden. Kaital von Enteignung be­ Es geht aber um deutlich Damit sind unterschiedliche droht ist. mehr als Freihandel: die wich­ Umwelt­, Gesundheits­ und Investitionsschutzabkom­ tigsten Diskussionspapiere für Produktionsstandards ge­ men besagen schlicht und

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einfach: Hat ein Konzern ir­ gendwo in der Welt investiert und ändern sich die Rahmen­ bedingungen, so dass sich die erwarteten Profite nicht reali­ sieren lassen, kann der Kon­ zern das entsprechende Land klagen, um den “hochgerech­ neten” Gewinnentgang einzu­ klagen. Ein bekanntes Beispiel war die Schadensersatzklage von Philipp Morris gegen Uru­ guay: Das lateinamerikanische Land hatte 2005 strenge Anti­ Rauch­Gesetze erlassen. Die Klagssumme entspriach 4 % der jährlichen Wirtschafts­ leistung oder rund einem Sechstel des Staatshaushaltes Urugays, sie wurde aber schließlich abgewiesen. In Eu­ ropa gab es die Vier­Milliar­ den­Euro­ICSID­Klage (Interna­ tional Centre for Settlement of Investment Disputes ­ gehört zur Weltbankgruppe) des schwedischen Energiekon­ zerns Vattenfall gegen


EDITORIAL Deutschland zeigt. Der nordi­ sche Multi wirft Deutschland vor, durch den geplanten Atomausstieg (!) die Gewin­ nerwartungen geschmälert zu haben. Besonders charmant: beide Seiten berufen sich auf die “Vertraulichkeit des Ver­ fahrens” und lassen die inter­ essierte Öffentlichkeit damit im Regen stehen. Unter dem Schutz von zwi­ schenstaatlichen Investitions­ schutzabkommen können Konzerne ­ wenn sie es darauf anlegen ­ Mindestlöhne eben­ so zu Fall bringen wie Um­ weltschutzauflagen oder Maß­ nahmen gegen genmanipulier­ FPÖ: Nationalistisch gegen TTIP, gewerkschaftsfeindlich gegen Kollektivverträge. te oder schädliche Nahrungs­ mittel. deres zu tun, als zu privatisie­ Das ist ebenso illusionär wie tionären Regierung heißt es: und soziale Errungen­ der opportunistische Kniefall “Die Regierung schafft die FPÖ: Privatisie- ren schaften zu zerschlagen (siehe von angeblich “sozialisti­ Geheimdiplomatie ab, sie er­ rer- und Abdie sogenannte “Pensionsre­ schen” Kräften in Großbritani­ klärt, dass sie ihrerseits fest form”). ien vor dem Chauvinismus entschlossen ist, alle Verhand­ zockerpartei Die Hoffnung des Kleinbür­ und der Ausländerfeindlich­ lungen völlig offen vor dem macht auf sozial, gertums, die großen Konzerne keit der BREXIT­Befürworter, ganzen Volk zu führen, und will aber Kollek- durch Protektionismus zu zäh­ die Sozialleistungen für Arbei­ wird unverzüglich darangehen, men, Nationalstaaten zu stär­ terinnen und Arbeiter aus an­ alle Geheimverträge zu veröf­ tivverträge abken und das Rad der Ge­ deren EU­Ländern kippen fentlichen, die von der Regie­ schichte ins 19. Jahrhundert wollten. Diesseits des Atlantik rung der Gutsbesitzer und Kapi­ schaffen! mit seinen Zollschranken und kann das einzige Kampfziel die talisten in der Zeit vom Februar In die berechtigte Sorge von Schlagbäumen zurückzudre­ Errichtung der Vereinigten So­ bis zum 25. Oktober 1917 be­ Arbeiterinnen und Arbeitern hen, ist extrem reaktionär. Das zialistischen Staaten von Eu­ stätigt oder abgeschlossen wur­ vor den sozialen Folgen von politische Programm des Pro­ ropa sein, dem einzigen Aus­ den. Alle Bestimmungen dieser TTIP, inklusive der Zerschla­ tektionismus führt zu Auslän­ weg aus Krise, Sozialabbau, Geheimverträge, soweit sie, gung von ohnehin durch Spar­ derfeindlichkeit und chauvi­ Fremdenfeindlichkeit und wie es zumeist der Fall war, maßnahmen ausgetrockneten nistischer Kriegshetze und Chauvinismus. den Zweck hatten, den russi­ öffentlichen Gesundheitssys­ muss mit aller Entschlossen­ schen Gutsbesitzern und Kapi­ Sozialismus temen sowie der Versorgung heit bekämpft werden. talisten Vorteile und Privilegien keine Utopie, mit Wasser und Energie mi­ zu verschaffen, die Annexio­ Gewerkschaften schen sich auch protektionis­ der Großrussen aufrechtzu­ sondern die kon- nen unterstützen, tische und nationalistische erhalten oder zu erweitern, krete Antwort Stimmen. Reaktionäre Partei­ werden von der Regierung be­ aber keine Hoffen wie die französische Natio­ Diese Perspektive ist auch dingungslos und sofort für un­ nung auf Refor- die Antwort auf die Geheim­ gültig erklärt.” nale Front machen mit klarer antiamerikanischer Demago­ niskrämerei der herrschenden Die “leaks” über die TTIP­ men! gie gegen TTIP mobil. Die FPÖ Klassen, mit denen sie die und CETA­Verhandlungen be­ kokettiert ­ als angebliche Wir finden es prinzipiell gut, Ausgebeuteten belügen und weisen heute, fast 100 Jahre “Partei des kleinen Mannes” ­ dass sich die Gewerkschaften betrügen.. Wie die Geschichte danach die Aktualität dieser scheinbar mit dem Wider­ gegen TTIP positionieren. Wir gezeigt hat: nur die revolutio­ revolutionären Herangehens­ stand vieler arbeitenden Men­ finden es sehr positiv, wenn näre Arbeitermacht kann die weise an die Vertragswerke, schen gegen das Abkommen, gerade die Produktionsge­ Verträge der alten herrschen­ mit denen die Kapitalisten un­ ihr berufsunfähiger Ingenieur werkschaft PRO GE zur Vertei­ den Klasse zerreißen. In einem tereinander die Ausbeutung Norbert Hofer fordert wie im­ digung der Kollektivverträge der ersten Dekrete (Dekret der arbeitenden Bevölkerung mer eine Volksabstimmung aufruft und an die gewerk­ über den Frieden, 26. Oktober regeln wollen. und spuckt Gift und Galle. schaftsfeindilichen Gesetze in 1917) der russischen revolu­ Aber: Die gleiche FPÖ, die den USA erinnert. Wir lehnen Kontakt: plötzlich für “soziale Stan­ aber die im Aufruf der PRO GE dards” eintritt, macht sich für verbreitete Illusion in eine gruppe.klassenkampf@gmail.com die Beseitigung der Kollektiv­ mögliche europäische “Sozial­ verträge in Österreich stark! union” ab. Die EU, jenes In­ Die gleiche FPÖ, die vor dem strument, mit dem die deut­ “Raub öffentlicher Dienstleis­ schen und französischen Im­ tungen durch transatlantische perialisten ihre Vorherrschaft Konzerne” warnt, hatte, als sie in Europa absichern wollen, Die Gruppe Klassenkampf ist die österr. Sektion des 2000 gemeinsam mit der ÖVP kann nicht zum Vehikel für So­ Kollektivs Permanente Revolution (CoReP) an der Macht war, nichts an­ zialreformen gemacht werden.

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Impressum: Eigentümer, Verleger, Druck: Gruppe Klassenkampf Druckort: Wien

September 2016 | Nummer 26


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