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Mitglied des Kollektivs

Die "Partei des kleinen Mannes" - korrupt, verlogen, arbeiterfeindlich

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KLA S S E N KA M PF Permanente Revolution CoReP

Zei t u n g fü r Rä t em a ch t u n d Revol u t i on Nummer 1 1

September 201 1

Gruppe Klassenkampf

JAPAN: NACH TSUNAMI UND FUKUSHIMA SOLIDARITÄT MIT DEN WERKTÄTIGEN!

Preis 2,-- EUR

TELEKOM: "GREIFEN SIE NUR ZU"

Bei der privatisierten Telekom führen bürgerliche Manager vor, wie es um die Moral der herrschenden Klasse und ihrer wirtschaftlichen Elite bestellt ist. Das Leben - ein einziger Selbstbedieungsladen, zugreifen, einstecken, genießen. Kündigungen? Ach, sind eh nur "Minderleister". Solange es was zu fladern gibt, sind sie dabei, dann ziehen sie weiter zum nächsten privatisierten Selbstbedienungsladen.

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GLÜCKSSPIEL: IN DER KRISE BOOMT DIE ABZOCKE... Gut ein halbes Jahr nach der Tsunamikatastrophe vom 11 . März dieses Jahres und der folgenden Kernschmelze in mehreren Reaktorblöcken des AKW Fukushima Daiichi sind die Folgen der verheerenden Ereignisse nach wie vor erschütternd: Offiziell sprechen die japanischen Behörden von 11 .500 Toten und 1 6.000 Vermissten. Nach wie vor sind hunderttausende Menschen obdachlos oder hausen in Notquartieren. Dossier Japan ab Seite 6

...und Novomatic schneidet kräftig mit. Wundert uns das, wo dieser Konzern eigentlich schon ein kleines Schattenkabinett aus abgehalfterten Ministern und Spitzenpolitikern zusammenstellen könnte, die bei ihm in Lohn und Brot stehen?

www.klassenkampf.net

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KLASSENKAMPF Menschen vorbehaltene österreichische Staatsbürgerschaft verschleudert!

KÄRNTEN: FREIHEITLICHER SCHEUCH STRAFRECHTLICH VERURTEILT UND SEINE BEWEGUNG ALS KORRUPT ENTLARVT 02.08.2011, Landeshauptmannstellvertreter in Kärnten und FPK-Chef, Uwe Scheuch wird in 1. Instanz vom Landesgericht Klagenfurt zu einer 18 monatigen Haftstrafe (6 Monate davon unbedingt) verurteilt. Das Gericht sieht den strafrechtlichen Tatbestand der Geschenkannahme durch Amtsträger als erfüllt an, wonach Scheuch im Juni 2009 von einem russischen „Investor“ für die Verleihung der ös-

Es kommt beinahe der Verdacht auf, dass die Rechts-Partei in manchen Führungspositionen ideologisch nicht gefestigt genug ist, um den „Körper der Nation“ von „Fremden“ frei zu halten, dass es letztlich nur eine Frage des Geldes ist, um auch vor den freiheitlichen Augen Gnade zu finden und dass es daher Kindern, wie Arigona Zogaj, oder politisch bzw. rassisch verfolgten in Österreich befindlichen Menschen schlicht an ausreichendem Vermögen fehlt, um Aufnahme zu finden. Revolutionäre Frauen und Männer werden dieses dem kapitalistischen System entspringende Verhalten, das lediglich dem eigenen finanziellen Vorteil dient, stets verurteilen und im Kampf gegen diese Methoden nicht müde werden, die reaktionäre Propaganda bei arbeitenden Menschen an Hand solcher Beispiele als das, was sie ist, zu entlarven: KORRUPT und NIEDERTRÄCHTIG!

terreichischen Staastbürgerschaft Geld für die Partei verlangt hat. Wieder zeigt sich mit wem es die „Partei der kleinen Leute“ hält, nämlich mit auf undurchsichtige Weise zu Geld gekommenen „Ausländern“, von denen man sich kaufen lässt, und an die man die ansonsten so hoch gehaltene und normalerweise dem mit dem Ostalpen-Gen ausgestatteten

Mit SaubermannSprüchen auf Wählerfang die "soziale Heimatpartei"

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Mai 1 933, München: SA und NSBO besetzen das Gewerkschaftshaus. Propagiert wird "nationale Einheit" statt Klassenkampf

FREIHEITLICHE WOLLEN GEWERKSCHAFTEN ABSCHAFFEN!

Beißreflex gegen Arbeiterbewegung stärker als populistische Volkstümelei 31.07.2011: FPK-Dörfler verlangt in einem Interview mit der APA die Abschaffung der Gewerkschaften und erklärt die Vertretung durch die Arbeiterkammern für die ArbeitnehmerInnen als ausreichend. Damit findet die freiheitliche Gesinnungsgemeinschaft einmal mehr den nahtlosen Anschluss an ihre ideologisch nahe stehende Vorgängerbewegung.

wohl: gelben!) Gewerkschaft durch Jörg Haider (R.I.P.) gezeigt hat, sind unabhängige ArbeiterInnenorganisationen, seien sie auch im Lauf der Jahrzehnte noch so heruntergekommen, immer noch das Hauptfeindbild einer Partei, die sich an der „ordentlichen Beschäftigungspolitik im 3. Reich“ ein Vorbild nimmt. Klar ist jedenfalls, dass das Verständnis der „sozialen Heimatpartei“ vulgo Freiheitliche Diese besetzte am 2. Mai 1933 im Deut- (von manchen Journalisten gerne schon schen Reich die Häuser der Gewerkschaf- flapsig die „neue Arbeiterpartei“ getauft) ten, beschlagnahmte ihr Vermögen und für demokratische Strukturen auch im Geverhaftete führende Funktionäre der Ge- werkschaftsbereich nicht vorhanden ist, werkschaften. Am 10. Mai 1933 wurde die und das überrascht nicht wirklich, sollte Deutsche Arbeitsfront gegründet, die aber unter den Erwerbstätigen entsprerechtlich an die NSDAP angeschlossen chend verbreitet werden! war und die größte Massenorganisation der Nazis darstellte. Auch wenn die Gewerkschaften nicht gegen den Kapitalismus, sondern in ihm Ob Dörflers Forderung tatsächlich be- und daher systemstabilisierend wirken, wusst nur zur Ablenkung von der Causa bleibt es dabei, dass sie als ursprünglichsScheuch platziert wurde oder ob da nicht te und elementare Klassenorganisation ungewollt die arbeiterfeindliche Gesin- die simpelste Form einer Einheitsfrontornung der strammen rechten Recken in ganisation darstellen und daher gegen alder Partei durchkommt ist wohl eher le bürgerlichen Angriffe zu verteidigen zweitrangig. Wie schon seinerzeit die sind! Gründung einer eigenen blauen (besser

H. C. Strache im PRESSE-Interview, 4.8.201 1

Was halten Sie vom Vorschlag Ihres Parteikollegen Gerhard Dörfler, den ÖGB abzuschaffen? Faktum ist, der ÖGB befindet sich längst in einer Selbstauflösung.Wir denken daher, dass es vernünftig wäre,Arbeiterkammer und ÖGB zu fusionieren. Die AK könnte die Kollektivvertragshandlungen problemlos übernehmen. Da sind die Arbeitnehmerinteressen inhaltlich sehr gut repräsentiert.

War nicht die FPÖ immer für die Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft? Das ja. Die Kammern haben auch nichts im Verfassungsrang verloren. Das wollen wir nicht.

Erscheint demnächst: MARXISMUS UND GEWERKSCHAFTEN

Eine Broschüre der GKK mit Texten von Marx, Engels, Lenin, Rosa Luxemburg und Leo Trotzki sowie Dokumenten der III. und IV. Internationale

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DOKUMENT: DIE REVOLUTIONÄRE UND DIE ARBEITERKAMMERN

Vor den AK-Wahlen 2009 haben wir in einer Resolution unsere Position zu den Arbeiterkammern zusammengefasst. Hier die Kernaussagen unserer damaligen Erklärung:

(...) Die revolutionären MarxistInnen in Österreich haben die Arbeiterkammern seit ihrer Gründung 1920 als Institution des bürgerlichen Staates abgelehnt. Zu Zeiten ihrer Gründung wurde mit jahrzehntelanger Verspätung eine Uralt-Forderung der österreichischen Sozialdemokratie erfüllt, die 1920 keine wirkliche Basis mehr hatte: Nämlich ein der Wirtschaftskammer (1848 gegründet) entgegenwirkendes "proletarisches" Pendant zu schaffen. Hintergrund war das bis 1918 geltende Zensuswahlrecht, das nur den Reichen das Wahlrecht zugestand. Daher die Idee, als Zwischenschritt zur demokratischen Republik über eine "Kammer" die ArbeiterInneninteressen durchzusetzen. Gemeinsam mit dem österreichischen Betriebsrätegesetz war die Gründung der Arbeiterkammern 1920 ein Teil der Strategie der herrschenden Klasse, im Zusammenspiel mit der "austromarxistischen" sozialdemokratischen Parteiführung die letzten Reste der österreichischen Arbeiter- und Soldatenräte zu zerschlagen und die proletarische Unzufriedenheit in gesetzlich reglementierte und kontrollierbare Bahnen zu lenken. Den "freiwilligen Interessensvertretungen" der ArbeiterInnen, also den Gewerkschaften, stand nun die "gesetzliche Interessensvertretung", die Arbeiterkammer, als Zwillingsbruder zu Seite. Bis heute verkauft die Sozialdemokratie die AK als sowas wie den "fortschrittlichen Thinktank", als das "Parlament der Arbeit". In Wirklichkeit ist die AK eine potenzielle Zuchtrute zur Entmachtung der Gewerkschaften. Die AK wirkt an der Erarbeitung von Sozialgesetzen mit, sie kann als Kollektivvertragspartei einspringen (eigentlich ein unerhörter staatlicher Eingriff in die Tarif4

autonomie der Gewerkschaften). Gerade die austrofaschistische Ära zeigt, dass die "fortschrittlichen" Arbeiterkammern nahtlos in das ständestaatliche System integrierbar waren. Und es war kein Zufall, dass in der Nachkriegszeit die bürgerlichen Parteien in unterschiedlicher Aggressivität gleichzeitig die "Entmachtung der roten Bonzen" in der AK und die Reglementierung des Tätigkeitsbereichs der AK forderten. Der Wenderegierung Schüssel-RiessPasser gelang es ab 2000 tatsächlich, der AK die Reste der Aufmüpfigkeit auszutreiben. Hatte die AK noch bis kurz nach der Regierungsbildung durch Analysen des schwarzblauen Regierungsprogramms Munition gegen FPÖVP geliefert, ist sie heute weitgehend auf den Status eines Serviceanbieters zurückgefallen. Prinzipiell fordern wir die Beseitigungen der Arbeiterkammer. Ihr Vermögen und ihre Einrichtungen gehören unter ArbeiterInnenkontrolle gestellt und, gegebenenfalls, wenn eine Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung das wünscht, in die Gewerkschaften eingebracht. Beim jetzigen Zustand der österreichischen Gewerkschaften handelt es sich dabei natürlich um eine höchst algebraische Losung. Sie macht nur dann Sinn, wenn sie mit der Forderung nach dem Sturz der Gewerkschaftsbürokratie und der Transformation der Gewerkschaften in demokratische und klassenkämpferische Basisorgane der ArbeiterInnenklasse verknüpft wird. In der gegenwärtigen Situation finden wir es vor allem notwendig, die sozialpartnerschaftlichen und klassenharmonisierenden Illusionen zu bekämpfen, die in die Arbeiterkammer gesät werden. Nein die AK-Vollversammlung ist nicht einmal mit ironischem Augenzwinkern das "Parlament der Arbeit" - sie ist ein pseudodemokratisches Instrument, um den ArbeiterInnen vorzugaukeln, dass sie in der Sozial- und Wirtschaftspolitik etwas mitzureden hätten. Aus diesem Grund boykottieren Revolu-

tionäre die AK-Wahlen. Ein politisch begründeter Boykott der AK-Wahlen ist heute eine extreme Minderheitspolitik. Nur wenige ArbeiterInnen werden diesen Schritt bewusst mit uns gehen; die geringe Beteiligung an den AK-Wahlen ist in der Regel kein Ausdruck eines fortschrittlichen Protests gegen die österreichische Praxis der Sozialpartnerschaft, sondern Ausdruck eines diffusen Desinteresses an dem, was "die da oben mit uns aufführen". Ein Brückenschlag zu jenen KollegInnen, die sich durch die Arbeiterkammern tatsächlich positive politische Veränderungen erwarten, ist der positive Umgang mit kandidierenden Listen, die beanspruchen, ArbeiterInneninteressen zu vertreten. Vor allem, wenn diese Listen Kolleginnen und Kollegen mit migrantischem Hintergrund Listenplätze einräumen und besonders versuchen, diese KollegInnen in ihren Wahlkampagnen anzusprechen. D. h.: Auch wenn wir die AK als Institution ablehnen, betrachten wir es als das demokratische Recht von ArbeiterInnen, die Illusionen in diese Einrichtung haben, für die AK-Vollversammlung zu kandidieren. Wir werden also - ohne besondere Bewertung ihres Programms - derartige Kandidaturversuche gegebenenfalls unterstützen. Auch hier gelten für uns in erster Linie Klassenkriterien: Listen, die offen bürgerliche oder kleinbürgerliche Positionen vertreten, sind nicht zu unterstützen, sondern zu bekämpfen. In diesem Sinne verstehen wir KollegInnen, die der Liste KOMINTERN mit einer Unterstützungsunterschrift die Kandidatur in Wien ermöglichen wollen. Genauso verstehen wir auch KollegInnen, die den GLB unterstützen. Auch wenn wir die allergrößten Probleme damit hätten, würden wir einer FSG-Liste, wenn sie an juristischen Hürden zu scheitern drohte, unsere Unterstützung nicht verweigern können (das ist aber eine wirklich rein hypothetische Annahme). (...)


KLASSENKAMPF Das Börseunternehmen Telekom Austria muss nun Praktiken der Kursmanipulation zur unrechtmäßigen Bereicherung von Mitarbeitern der obersten Etagen zugeben. Während die Realwirtschaft und damit die arbeitende Klasse aktuell Sorge um ihre Existenz haben muss, weil die dem derzeitigen kapitalistischen System innewohnenden Finanzmarktspekulationen zu schweren Verunsicherungen der „ Märkte“ führen, zeigt sich, dass die unsichtbaren Hände des Marktes durchaus reale und Menschen aus Fleisch und Blut gehörende sind und waren. Und diese Menschen tun und taten, was sogar nach den Gesetzen des bürgerlichen Staates wie auch nach gemeinen Moralvorstellungen als Diebstahl und Betrug qualifiziert

fenden Attacken auf den noch vorhandenen Sozialstaat von genau jenen liberalen, neoliberalen und konservativbürgerlichen Kreisen, denen die Vertreter der diebischen, oben beschriebenen, Clique entstammen, entschieden zurück zu weisen! Die heuchlerischen Argumente von wirtschaftlich notwendigen Einsparungen auf dem Rücken der Erwerbstätigen müssen vor dem Hintergrund der aufgezeigten Praktiken als letztklassige Propaganda zur Absicherung der eigenen Vermögen entlarvt werden. Der sich jetzt in die Kronzeugenregelung flüchten wollende und seine Privilegien als Manager weiterhin nützende Gernot Schieszler ist dabei als Parade-

TELEKOM: PRIVATISIERTE UNTERNEHMEN ALS SELBSTBEDIENUNGSLADEN FÜR SPITZENFUNKTIONÄRE! beispiel einer verkommenen kapitalistischen Führungselite zu betrachten, war es doch gerade dieser Mann, der, um Kosten des Unternehmens zu sparen und damit den „shareholdern“ höhere Erträge zu sichern, im Februar 2009 Arbeitnehmer der Telekom Austria auf niederträchDieses Beispiel eines dokumentierten tigste Weise hinausmobben wollte (siehe Falles kriminellen Verhaltens der Spitzen- you tube)! vertreter des kapitalistischen Systems ist Dieser Artikel wurde geschrieben, als allerdings keine Ausnahme, sondern lediglich der seltene Fall eines durchgängig zu- der Telekom-Sumpf gerade erst zu „blubgegebenen und belegten modellhaften bern“ begann. Wir werden in der nächsVerhaltensmusters der Kapitalistenklas- ten Ausgabe des KLASSENKAMPF ausführlich auf die politische Bedeutung se. wird: auf Kosten der arbeitenden Menschen des Unternehmens bzw. der zahlenden Konsumenten wurden höhere Börsekurse fingiert, um weitere Boni (=Geld) in die ohnedies bereits mehr als gefüllten Taschen zu leiten!

Während bei jedem Ladendiebstahl oder bei „echten“ Delikten mit Lust darauf hingewiesen wird, wenn der Täter/die Täterin eine MigrantIn ist, werden an die heimischen Wirtschaftsverbrecher ganz andere Maßstäbe angelegt: Da schwingt fast schon Bewunderung mit, was sich „manche trauen“, wie „raffiniert“ sie Millionen beiseite geschafft haben. „Clever is er schon – sunst warat er jo net Minister gwesen...“ Ebenso sind die ständig sich verschär-

dieses Skandals eingehen.

Die Redaktion

Nachdem bekannt wurde, dass Geldzahlungen von der österreichischen Telekom A1 an mehrere Politiker und parteinahe Organisationen geflossen sind, erreicht der Skandal eine neue Stufe. So sollen der ehemalige Verkehrsminister Hubert Gorbach (BZÖ) und Ex-Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) darin verwickelt sein. Berichten zufolge soll A1 Gorbach für eine Verordnung mehr als 750.000 Euro gezahlt haben.Telekom Austria hatte jahrelang versucht, Zusatzgebühren für 08x0-Nummern zu kassieren, scheiterte aber an der Regulierungsbehörde. Gorbach änderte daraufhin die Universaldienstverordnung zu Gunsten von A1 . Strasser musste erst in diesem Jahr wegen Lobbytätigkeiten sein EU-Mandat abgeben. Beim Aufbau eines Sicherheitsnetzes im Jahr 2004 entzog der damalige Innenminister der Firma mastertalk den Auftrag und gab ihn an Alcatel und Motorola weiter. Unterstützt wurde das Konsortium in jener Zeit durch A1 .

Quelle: heise.de

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Japan: Nach Fukushima ArbeiterInnensolidarität dringender denn je Gut ein halbes Jahr nach der Tsunamikatastrophe vom 11. März dieses Jahres und der folgenden Kernschmelze in mehreren Reaktorblöcken des AKW Fukushima Daiichi sind die Folgen der verheerenden Ereignisse nach wie vor erschütternd: Offiziell sprechen die japanischen Behörden von 11.500 Toten und 16.000 Vermissten. Nach wie vor sind hunderttausende Menschen obdachlos oder hausen in Notquartieren.

Gewiss – die Flutwelle, deren Wassermassen die ostjapanische Küste überflutete, war eine Naturkatastrophe. Wir wollen dahin gestellt lassen, welche Präventionsmöglichkeiten es gegen derartige Beben und Flutwellen gibt und warum sie offenbar nur in „reichen Ländern“ wirksam sind. Ganz anders aber ist die Stuation rund um Fukushima. Als Folge des Tsunamis kam es im Kernkraftwerk Fukushima Daichi I in den Reaktorblöcken 1 bis 3 zu Kernschmelzen und Rissen in den Abklingbecken der Reaktorblöcke 2 bis 4. In weiterer Folge wurden nach massiver Kontamination der Umgebung und Versuchen der Regierung und der Betreibergesellschaft TEPCO, die Katastrophe klein zu reden,

Hiroshima nach dem Atombombenabwurf am 6.August 1 945 6

zwischen 100.000 und 150.000 Menschen aus der Umgebung des Kernkraftwerks evakuiert.

VON HIROSHIMA NACH FUKUSHIMA Da Japan ein rohstoffarmes Land, aber die drittgrößte Wirtschaftsmacht der Erde ist, setzt die Bourgeoisie des Inselstaates vor allem auf die Atomkraft. Derzeit sind 54 AKWs in Betrieb. Weitere 14 sind in Bau bzw. in Planung. Die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki, die unmittelbar 92.000 Menschen das Leben kosteten und an deren Folgewirkungen bis heute Nachkommen der Opfer von damals sterben, hatten in der Bevölkerung, namentlich in der Arbeiterklasse, zur einer massiven Ablehnung der Atomkraft geführt. Mit enormen Anstrengungen gelang es den reaktionärsten Fraktionen der japanischen Bourgeoisie – in engem Bündnis mit dem verhassten amerikanischen Imperialismus - , den Mythos der „kontrollierbaren und sinnvollen Atomkraft“ durchzusetzen. Untrennbar ist die Durchsetzung der Atomkraft in Japan mit dem späteren Premierminister Nakasone Yasuhiro und dem Medienzaren


KLASSENKAMPF Shoriki Matsutaro (einem ehemaligen faschistischen Propagandisten, der in den 30er Jahren den Grundstein seines Medienimperiums legte) verbunden, die auch materiell persönlich von der Atomwirtschaft profitierten. Neben finanziellen spielen aber auch militärische Überlegungen seitens der herrschenden Klasse Japans eine Rolle: Das in den AKWs zu gewinnende angereicherte Plutonium ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg Japans hin zu einer imperialistischen Atommacht. Der Betreiber des AKW in Fukushima ist die private Tokioter Elektrizitätsgesellschaft Tepco, zugleich der viertgrößte Energiedienstleister der Welt. Das Unternehmen kann auf eine lange Tradition von Störfällen, Schlampereien und

des Landes auch die Ausweitung der kapitalistischen Produktionsweise ermöglichte und damit zur Entstehung eines japanischen Proletariats führte. Die ersten Gewerkschaften, die Ende des 19. Jahrhunderts entstanden, waren schwach und zersplittert und stießen auf heftigen Widerstand der Unternehmer, die 1900 im Rahmen des Polizeigesetzes und des Gesetzes über die öffentliche Ordnung dezidierte AntiGewerkschaftsbestimmungen durchsetzen konnten. Lohnstreiks in den beiden größten Kupferminen Japans wurden 1907 durch den Einsatz von Truppen niedergeschlagen. Der „Rote-Fahnen-Zwischenfall“ vom 22. Juni 1908 wirft ein bezeichnendes Licht auf die Politik der japanischen

Japan, 60er oder 70er Jahre des 1 9. Jahrhunderts: Reiche reisen bequem...

Vertuschungen zurückblicken: 2002/2003 war aufgeflogen, dass Sicherheitsüberprüfungen vorgeschwindelt worden waren, die nie stattgefunden hatten. 2004 kamen vier Arbeiter im Tepco-AKW Mihama ums Leben, als Wasserdampf austrat; über das AKW Fukushima sind seit 1994 immer wieder StörfallBerichte vorgelegt worden - unter anderem Risse in Wasserrohren und der Reaktorummantelung sowie Löcher in Brennstäben. Tepco hatte noch im Herbst vergangenen Jahres neue Aktienemissionen angekündigt, um in Higashi-Dori ein weiteres AKW mit einer Leistung von 1,385 Megawatt zu errichten, das 2017 in Betrieb gehen sollte.

DER DORNIGE WEG DER JAPANISCHEN ARBEITERINNENBEWEGUNG Die japanische Gesellschaft erlebte ihren bedeutendsten Modernisierungsschub in der Meiji-Periode (1868 – 1912), der nicht nur die überkommenen quasi-feudalen Herrschaftsstrukturen beseitigte, sondern durch die Öffnung

herrschenden Klassen gegen alle Ansätze sozialistischer Organisation. Bereits 1901 war die erste sich auf den Sozialismus berufende Partei des Landes, die Sozialistische Demokratische Partei Japans, nach nur zwei Tagen verboten worden; die Sozialistische Partei Japans (1906 gegründet) zerfiel nach etwas mehr als einem Jahr an ihren inneren Widersprüchen: anarchistische, zentristische und reformistische Kräfte hatten sich angesichts der Repression zusammengeschlossen. Eine tragfähige programmatische Basis konnten sie natürlich nicht finden, und das besiegelte das Ende des Projekts. Als im Juni 1908 ein bekannter Anarchist, Koken Yamaguchi, aus dem Gefängnis entlassen wurde, sammelten sich einige Dutzend Aktivisten mit roten Fahnen und Transparenten, um ihn zu begrüßen. Die Polizei nutzte die Gelegenheit, nahm den Großteil der Anwesenden fest und verhaftete landesweit Arbeiteraktivisten. Etliche der Verhafteten wurden wegen „Aufruhrs“ zu längeren Haftstrafen verurteilt. Erst 1920 gab es einen neuen Anlauf, die zersplittertern Kräfte der japanischen Arbeiterbewegung zu regruppieren. Aber die 7


KLASSENKAMPF Japanische Sozialistische Liga teilte das Schicksal der SPJ. Lediglich die Gewerkschaft Nihon Rōdō Sodomei (Japanischer Bund der Arbeit) konnte ein stetiges Wachstum verzeichnen und organisierte bis 1923 100.000 Arbeiter in 300 Teilgewerkschaften. Aber die Hochblüte der

Komintern dominierenden Stalin-Fraktion brachial beendet: Beide Fraktionen in der KPJ wurden in einer KI-Resolution kritisiert und eine Revolution in Etappen verordnet, deren Ziel der Sturz der Monarchie, soziale Reformen im kapitalistischen Rahmen und eine der UdSSR freundlich gesinnte Außenpolitik

1 91 9, Moskau, 1 . Kongress der Kommunistischen Internationale. Die Komintern war die erste internationale Arbeiterorganisation, welche die asiatischen Massen ansprechen wollte.

Gewerkschaftsbewegung fand ein jähes Ende, als sich sein solle. 1928 und 1929 kam es zu Massenverhaftungen Einzelgewerkschaften oder deren Führer abspalteten, die ein am europäischen Faschismus angelehntes Modell eines kommunistischer Parteiführer und Aktivisten. Die korporativen Staates (à la Ständestaat in Österreich) verfochten. Militarisierung der Gesellschaft, die seit dem Großen KantōTatsächlich ist in die plakativ als „japanischer Faschismus“ Erdbeben von 1923 zügig vorangetrieben worden war und den bezeichnete Shōwa-Bewegung eine gehörige Portion Boden für den „japanischen Faschismus“ vorbereitet hatte, Syndikalismus eingeflossen (so wie übrigens im Spanischen schlug sich in den Prozessen gegen die KP-Mitglieder in Form Staat der Faschismus durch syndikalistische Fraktionen zulauf der Einschränkung der Verteidigungsrechte und der drakonischen Strafen nieder. Versuche, die Partei ab 1932 im erhielt). Die Kommunistische Partei, die 1922 gegründet wurde, geriet Untergrund zu reorganisieren, scheiterten nicht zuletzt sofort unter polizeilichen und militärischen Druck. Hitoshi deswegen, weil die Komintern die japanischen Genossen des Yamakawa, der unumstrittene Führer der Partei, setzte „Trotzkismus“ verdächtigten. Die Gewerkschaften waren mittlerweile zurückgedrängt schließlich 1924 die formale Selbstauflsung der KP durch, um eine breitere Arbeiterpartei aufzubauen. Dieser taktische Schritt worden. Ansätze eines Industriegruppenprinzips wurden hing eng mit seiner Analyse zusammen, das Japan nach wie vor teilweise durch bezahlte Schläger der Unternehmerverbände, ein Feudalstaat sei, in dem die Aufgabe des Proletariats darin teilweise durch Korrumpierung von Funktionären zunichte bestünde, der Bourgeoisie bei deren Revolution zur Seite zu gemacht. Unter den wachsamen Augen der politischen Polizei stehen. Im gleichen Jahr kehrte Kazuo Fukumoto nach Japan wurden lediglich die handzahmen Betriebs“gewerkschaften“ zurück, der unter anderem in Deutschland und Frankreich in geduldet, in denen leitende Angestellte zugleich die der kommunistischen Bewegung aktiv gewesen war. Er forderte Gewerkschaftsfunktionäre stellten. Unter den Bedingungen des Kriegsrechts während des 2. die Führung Yamakawas heraus, indem er erklärte, Japan sei seit dem Ende der Meiji-Periode in das Stadium des imperialistischen Weltkriegs, den die japanische Bourgeoisie als Kapitalismus eingetreten, daher müsse eine revolutionäre Teil der Achse mit dem faschistischen Italien und Kaderpartei nach bolschewistischem Modell aufgebaut werden. Nazideutschland nutzte, um ihre Pläne zur Schaffung eines Was wie ein fernes Wetterleuchten der Kontroverse in der Großasiatischen Staatenbundes unter ihrer Führung Kommunistischen Internationale über Etappentheorie versus voranzutreiben, gab es unseres Wissens nach keine Permanente Revolution klang, wurde von der mittlerweile die nennenswerten Widerstandsaktivitäten der Arbeiterbewegung. 8


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Nicht zuletzt die Erfahrungen mit dem "japanischen Faschismus" und dem imperialen Militarismus prägten das politische Engagement der Nachkriegsjugend. Rechts: Gedenktag der kaiserlichen Armee (1 944)

DIE KPJ IN DEN NACHKRIEGSJAHREN:AUFSCHWUNG UND UNTERDRÜCKUNG Nach der Kapitulation der japanischen Imperialisten am 15. August 1945 legalisierte ausgerechnet die amerikanische Besatzungsmacht die KPJ, die daraufhin – ganz im Sinne der „Anti-Hitler-Koalition“ - die Regierung von General MacArthurs Gnaden unterstützte und als Vollenderin der nie abgeschlossenen bürgerlich-demokratischen Revolution in Japan begrüßte. Maßgeblichen Einfluss konnte die KPJ im Alljapanischen Verband der studentischen Selbstverwaltungen Zengankuren gewinnen. Massenbewegungen für eine Landreform, der sich verschärfende kalte Krieg und Kritik des Kommunistischen Informationsbüros (dem Zusammenschluss der internationalen KPen unter Dominanz der KdSU) führten 1950 zu einem abrupten Kurswechsel der Führungsmehrheit der KPJ: Japan wurde nun nicht mehr als vor der demokratischen Revolution stehend, sondern als quasi-koloniales Land unter dem Joch der amerikanischen Besatzungsmacht eingeschätzt. Der bewaffnete Aufstand wurde zur aktuellen Taktik erklärt. Der ultralinke Schwenk isolierte die Partei von den Massen, und so konnte die Regierung mit ihren „Antisubversionsgesetzen“ ohne nennenswerten Widerstand die KP politisch enthaupten. Auch einige bekannte Zengakuren-Führer wurden im Zuge der Repression mitkassiert. 1955 wurde der ultralinke Kurs „korrigiert“: Die Analyse sei richtig, nur die Mittel wären falsch gewesen. Einzig der parlamentarische Weg sei zulässig. In diesem neuen Schwenk kündigte sich die internationale Hinwendung Richtung „friedlicher Koexistenz“ an, welche die stalinistische Führung der Sowjetunion nach dem Tode Stalins 1953 propagierte. Neu

definiert wurde auch das Verhältnis zu den Zengakuren – diese wurden nicht mehr als gleichberechtigter Teil der „Avantgarde“ angesehen, sondern eher als intellektuelle Zuarbeiter, welche die Basis der KPJ in der Jugend erweitern sollten. In der japanischen ArbeiterInnenbewegung hatte es nie eine linksoppositionelle, trotzkistische, Tradition gegeben. Die Folge waren schwankende und theoretisch unbefriedigende Antworten auf die Krise der KPJ und ihr Verhältnis zu den Zengakuren und den Bewegungen anderer werktätiger Schichten (Bauen und Fischer). 1958 kam es zu massiven Austritten aus der KP, und aus einer oppositionellen Strömung entstand der Bund Revolutionärer Kommunisten, dessen Ideologie ein Gemisch aus maoistischen, nationalrevolutionären und dem Trotzkismus entlehnten Losungen war. Die Zengakuren trennten sich weitgehend von der KP und spielten 1959/60 im Kampf gegen das AMPO-Abkommen (bilateraler Sicherheitsvertrag mit den USA) eine wichtige Vorhutrolle. Zwar konnten die Verträge, die den USA weitgehende Stationierungsrecht in Japan zusicherten, nicht verhindert werden, wohl aber musste die Regierung Kishi unter dem Druck von Massenprotesten zurücktreten. Ein Staatsbesuch des US-Präsidenten Eisenhower musste abgesagt werden, nachdem beim versuchten Sturm auf das Parlament die Studentin Kamba Michiko ums Leben gekommen war.

DAS „SYSTEM VON 1 955“ 1950 war unter US-amerikanischer Patronanz der AllJapanische Gewerkschaftsbund Sohyo gegründet worden. Der ursprünglich zahme, regierungstreue Verband, verwandelte sich aber binnen eines Jahres in eine kämpferische Gewerkschaftsorganisation, in deren Reihen bei 9


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Zengakuren (1 968): Entschlossen, ihre Sache zu vertreten

Gewerkschaftsschulungen offen marxistische Positionen vertreten werden konnten. Die Dreier-Führung der Sohyo (Takano, Ohta und Iwai) gehörten der Sozialistischen Partei an und bildeten eine „klassenorientierte“ Fraktion. Takano wechselte später zur KPJ und wurde aus seiner Funktion „gesäubert“. Das Jahr 1955 markiert einen Wendepunkt in der japanischen Nachkriegsentwicklung. Ein unerwartet dynamischer Wirtschaftsaufschwung führte zum Erstarken einer selbstbewussten Bourgeoisie. Politisch drückte sich das in der Schaffung der Liberal-Demokratischen Partei als Sammelbecken mehrerer bis dahin rivalisierender bürgerlicher Organisationen aus. Parallel dazu wurde das „Japanische Produktivitätszentrum“ geschaffen, eine Art Wirtschafts- und Industriellenvereinigung, deren einziges Ziel die Erhöhung der Produktivität der japanischen Wirtschaft war. Das Produktivitätszentrum begann 10

sofort mit einer Propagandakampgane, dieuns in Österreich frappierend an die Propaganda für die Sozialpartnerschaft erinnern muss: „Wenn die Unternehmen höhere Profite machen, werden die Arbeiter glücklicher sein“ … Die Arbeiter nutzten den Aufschwung, um ihre eigenen Forderungen durchsetzen, die wirtschaftlicher und politischer Natur waren. Politischer Natur insofern, als Japan (bis zum heutigen Tag) Züge eines autoritären Polizeistaates trägt, in dem bei penibler Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen jede Form von Protest unter verschiedensten Vorwänden kriminalisiert werden kann. Der Chiyoda-maru-Kampf der TelekomarbeiterInnen (1956) endete mit der Wiedereinstellung von drei gekündigten Arbeitern; 1957/58 streikten die LehrerInnen gegen ein neues Kontroll-und Beurteilungsgesetz; 1957 kam es zum Niigata-Kampf gegen die Maßregelung von Beschäftigten der verstaatlichten Eisenbahngesellschaft JNR wegen ihrer Beteiligung an den gewerkschaftlichen Aktionen während der Kollektivvertragsverhandlungen (der traditionellen „Frühlingsoffensive“). 1957/58 kam es zu elf Streikkämpfen, in denen die Stahlarbeitergewerkschaft erfolglos gegen NullLohnrunden ankämpfte. Bei all diesen Kämpfen, ebenso wie beim besonders heftig geführten Arbeitskampf im Oji-Papier-Konzern 1958, ging es den Unternehmern und der Regierung nicht nur darum, die ökonomischen Forderungen der Belegschaften abzuschmettern, sondern vor allem, die Gewerkschaften zu zerschlagen. Tatsächlich wurden sukzessive überall gelbe „Betriebsgewerkschaften“ gegründet und bekannte Mitglieder der unabhängigen Gewerkschaften aus den Betrieben geworfen. Bei Oji konnten die Arbeiter zwar einen Sieg erringen – ihre Gewerkschaft wurde aber durch Repression und Korruption zerstört und durch die sogenannte „Zweite Gewerkschaft“ ersetzt. Die Fabrikseigentümer drohten, dass kein Mitglied der alten „Ersten Gewerkschaft“ und auch keines seiner Kinder jemals bei Oji Arbeit finden würde – und die Kapitalisten hielten Wort... Die 60er Jahre sahen eine ganze Reihe von gewerkschaftlichen Spaltungen, Ausschlüssen und Neugründungen, die aber samt und sonders den Schwerpunkt in der organisierten Arbeiterbewegung nach rechts, in Richtung institutionalisierter Klassenkollaboration mit Unternehmern und Regierung, verschoben. Den Auftakt bildete 1960 eine antikommunistische Abspaltung von der Sohyo, die mit dem Austritt des „rechten“ Flügels aus der Sozialistischen Partei Japans zusammenfiie. Daraus entstand 1964 die Domei, einer der zahlreichen Gewerkschafts“dachverbände“ Japans. Öffentlich Bedienstete spielten in den Kämpfen der japanischen ArbeiterInnenklasse eine entscheidende Rolle, in den 60er Jahren waren das die LehrerInnen und vor allem die EisenbahnerInnen der JNR. Der große Streik im öffentlichen Sektor am 17. April 196 hatte zugleich bedeutende Auswirkungen auf das politische Kräfteverhältnis innerhalb der japanischen ArbeiterInnenbewegung: Am 8. April, also etwas mehr als eine Woche vor der Streikaktion, veröffentichte die KPJ eine Erklärung, in der sie sich vom Streik distanzierte, der „eine Verschwöung der Kapitalisten und der Regierung“ wäre, um die KP zu schwächen. In den Einzelgewerkschaften spielten


KLASSENKAMPF sich tumultuöse Szenen ab: Teilweise traten Arbeiter demonstrativ aus der KP aus, in anderen Gewerkschaften verwandelten sie sich über Nacht in Streikbrecher und wurden ausgeschlossen – der opportunistische Versuch, der bürgerlichen Repression zu entgehen, endete mit einem Debakel, von dem sich die KPJ lange nicht erholen sollte.

DIE EISENBAHNERINNEN ALS KÄMPFERISCHE VORHUT Wenn wir heute im Rahmen unserer Solidaritätskampagne mit den japanischen ArbeiterInnen mit der klassenkämpferischen Eisenbahnergewerkschaft Doro-Chiba (National Railway Motive Power Union) zusammenarbeiten,

unter anderem damit, dass Narita als Infrastrukturprojekt für die Bevölkerung wertlos sei und lediglich – um den Preis einer gewaltigen Umweltzerstörung – der Beschleunigung des kapitalistischen Warenumschlages diene. Vor allem die Zengakuren führten antimilitaristische Gründe für ihr Engagement ins Treffen, nämlich die potenzielle militärische Bedeutung eines Großflughafens im Raum Tokio im Falle einer Auseinandersetzung mit der Sowjetunion. Doro-Chiba war ursprünglich ein Regionalverband im Bezirk Chiba von Doro (National Railway Motive Power Union), einer Eisenbahnergewerkschaft, die heute nicht mehr existiert. Die Eisenbahnbeschäftigten, die in Doro-Chiba organisiert waren, unterstützten den Kampf der Bauern von Sanrizuka und weigerten sich, Flugzeugkerosin nach Narita zu befördern (es

Demonstration von Doro-Chiba gegen die Angriffe auf die EisenbahnerInnen.Vor dem Spitzentransparent Genosse TanakaYasuhiro,Vorsitzender von Doro-Chiba.

liegt das daran, dass die EisenbahnerInnen über Jahrzehnte hinweg nicht nur im Zentrum der kapitalistischen Angriffe, sondern auch des proletarischen Widerstandes dagegen, gestanden sind. Seit Mitte der 60er Jahre hatte sich rund um die Errichtung des Großflughafens Narita ein scharfer Konflikt entwickelt. Örtliche Bauern aus Sanrizuka wehrten sich gegen ihre Absiedelung und wurden von ArbeiterInnenorganisationen und Zengakuren unterstützt. Die Auseinandersetzungen um Narita nahmen den Charakter von Schlachten zwischen Polizei und DemonstrantInnen an. Die Gewerkschaften argumentierten

gab keine Pipeline). Dieser Treibstoffboykott ging auch nach der Eröffnung Naritas 1978 weiter und wurde unter anderem durch Streiks und „Dienst nach Vorschrift“ ergänzt. Trotz der Kündigung etlicher Gewerkschaftsmitglieder hielt Doro-Chiba an dieser Linie fest. Ab 1978 wandte sich de zentrale Führung von Doro massiv gegen ihre Sektion in Chiba. Am Gewerkschaftskongress 1978 wurden Mitglieder von Doro-Chiba von Schlägern der Gewerkschaftsführung niedergeprügelt und bedroht. Aber sie blieben bei ihrer Linie und letztlich stimmten insgesamt 40 % der nationalen Delegierten für den Treibstoffboykott – 11


KLASSENKAMPF angesichts des Klimas auf dem Kongress ein sensationelles Ergebnis. Am 4. März 1979 wurde die Führung von Doro-Chiba aus der Gewerkschaft ausgeschlossen. Die Mitglieder folgten aber der von ihnen gewählten Führung – und das trotz der tragischen Situation, dass die Doro-Mehrheit, die selbst aus einer linksextremen Gruppe (Kakumaru) hervrgegangen war, hemmungslos Gewalt gegen die Doro-Chiba-Mitglieder anwendeten. Aber die Loyalität der Gewerkschaft hielt, und so konnte DoroChiba 1986/87 beim Kampf gegen die geplante Zerschlagung der JNR eine Rolle spielen, die weit über Chiba hinausging. Diese zunächst als „Umstrukturierung“ angekündigte Filetierung der Bahn wurde seit 1981 vorbereitet. Bis 1986 gab es 200.000 „freiwillige“ Arbeitsplatzwechsel. Rund 8.000 Eisenbahner, die besonders kämpferisch waren, wurden in eigens geschaffene Arbeitslager versetzt und dort durch völlig unsinnige, schwere körperliche Arbeit demoralisiert. 1.047 Arbeiter, die den Widerstand fortsetzen wollten, wurden schließlich 1990 entlassen und kämpfen seither um ihre Widereinstellung. Doro-Chiba konnte sich durch ihren Kampf für die Rechte der Arbeiter einen Namen weit über die Provinz Chiba hinaus machen. Heute gibt es zwei große Gewerkschaftsdachverbände in Japan: Rengo (unter dem Einfluss der Liberal-Demokratischen Partei) und Zenroren (unter dem Einfluss der KPJ). Doro-Chiba gehört keinem der beiden Verbände an. Auf ihre Anregung entstand das Nationale Koordinierungszentrum der ArbeiterInnengewerkschaften NCCLU (National Coordinating Center of Labor Unions), ein Netzwerk klassenkämpferischer

Gewerkschaftler und Gewerkschaftsgruppen. Doro-Chiba hat durch aktive Streikmaßnahmen während des Golfkriegs die Transporte militärischer Güter behindert. Zugleich hat die Gewerkschaft als eine der wenigen in Japan aktiv begonnen, Kontakte ins Ausland aufzubauen und für die Koordinierung internationaler Klassenkämpfe zu werben.

DORO-CHIBAS KAMPF FÜR DIE OPFER VON FUKUSHIMA Gemeinsam mit Zengakuren hat Doro-Chiba als erste Organisation bereits am 17. März gegen die skandalöse Verschleppungspolitik der Kan-Regierung in Sachen Hilfe für die Tsunami- und AKW-Opfer protestiert. Doro-Chiba hat aber auch sehr praktische, konkrete Hilfe geleistet: Im Hauptquartier der Organisation trafen Sach- und Geldspenden ein, die über die „Peoples Relief-Committees“ (Volkshilfekomitees) direkt an die Betroffenen ausgegeben wurden. (Details zur Situation nach dem Erdbeben im nebenstehenden Aufruf zur Solidarität mit den japanischen Erdbebenopfern). Warum wir mit Doro-Chiba zusammenarbeiten und nicht mit den „großen“ offiziellen Gewerkschaften zeigt schlagend eine Meldung der „Japan Times“ vom 21. August: Seit 2009 haben die Gewerkschaften der Elektrizitätswirtschaft die regierende Demokratische Partei Japans mit „Spenden“ in Höhe von 100 Millionen Yen (rund 90 Millionen Euro) unterstützt. Dadurch sollte erreicht werden, dass der Ausbau der Atomenergie in Japan ungebrochen vorangetrieben werde – vermutlich, damit „die Arbeiter glücklicher sein“ werden.

LEST DIE PRESSE DER ORGANISATIONEN DES COREP!

http://www.revolution-socialiste.info http://luchamarxista.blogspot.com 12

In Peru beteiligt sich das " Kollektiv Permanente Revolution in Peru" an den Mobilisierungen gegen die Sparpakete der reaktionären Regerung. In Frankreich treten die AktivistInnen der Groupe Bolchevik gegen die Spalterpolitik der Gewerkschaften und der reformistischen FührerInnen auf und kämpfen entschlossen für den unbefristeten Generalstreik gegen die Angriffe des Kapitals. Die Presse der Sektionen des CoReP kann bei den Genossen der GKK bezogen werden.


KLASSENKAMPF

Danketsu - Solidarität, Einheit - ist ein wichtiger Begriff für die KollegInnen von Doro-Chiba

GRUSSBOTSCHAFTVON DOROCHIBA AN DIE SOLIDARITÄTSVERANSTALTUNG IN WIEN AM 4. SEPTEMBER 201 1 An die ArbeiterInnen und Massen, die an der sich zahlreiche Zuliefer- und Subunternehmen heutigen Versammlung teilnehmen! konzentrierten, basierend auf billigen Arbeitskräften. An die kämpfenden GenossInnen der Gruppe Ausbau und Inbetriebsetzung der AKWs zeigen Klassenkampf! ganz deutlich, was der Neoliberalismus bedeutet. Große Geldsummen wurden ausgegeben, Wir, Doro-Chiba (National Railway Motive um Gemeinden zu bestechen. Die AKWs könPower Union of Chiba), die aus Lokomotivfüh- nen ohne AKW-Leiharbeiter der Sub- und Subrern und Mechanikern besteht, will an euch eine Subunternehmen überhaupt nicht funktionieren herzliche Botschaft richten. : Die AKWs sind also wie Sklavenfabriken. 54 Wegen des Großerdbebens sowie des Großts- AKWs wurden auf der japanischen Inselkette, unamis und deren Folgen befindet sich der japa- unter der es viele aktive Verwerfungen gibt, genische Imperialismus in der zutiefsten Krise. Es baut. Vier Reaktoren von Fukushima Daiichi ist ganz offenbar, daß alles,was die Kapitalisten- wurden total zerstört und ein in der Menschenklasse und ihre Regierung von Tag zu Tag ma- geschichte beispielloser Super-Gau herbeigechen, unvereinbar mit unserer Gesellshaft ist, führt. Hohe Mengen an Radioaktivität werden der Gesellschaft der ArbeiterInnen und Massen. immer noch ausgestrahlt. Man kann nicht einVernachlässingung der ländlichen Gebiete seit mal vorhersehen, was in Zukunft noch passieJahrzehnten hat die Schäden und Verluste ren wird. durch das Großerdbeben und den Großtsunami Die Kapitalistenklasse und ihre Regierung bewesentlich vergrößert. Die herrschende Klasse mühen sich fleißig, die Verseuchung durch Raund ihre Regierung haben zwar mehrere Institu- dioaktivität herunterzuspielen, indem sie die te in der betroffenen Tohoku-Region gegründet systemfreundlichen Wissenschaftler mobilmaund liessen nach Erdbeben und Tsunami for- chen. Auf der anderen Seite haben sie es beschen, aber was sie als Gegenmaßnahmen er- reits zur Richtlinie gemacht, für die betroffene griffen haben war kaum ausreichend, wie etwa Fukushima-Präfektur nichts mehr zu tun. Sie die Höhe der Dämme zeigten. Die Tohoku-Regi- zwingen mehr als 300,000 Kinder, sich einer on war eine Art Industuriezone (Lieferkette), wo Strahlenbelastung auszusetzen, die die der 13


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AKW-Arbeiter übertrifft, indem sie sagen, dass es kein unmittelbares Gesundheitsrisiko gebe. Sie machen alles, um TEPCO usw. zu retten. Sie haben schon Hunderttausende von ArbeiterInnen entlassen. Sie versuchen aber gleichzeitig die betroffenen Gebiete zum „Sonderbezirk“ zu machen, wo die Arbeitsgesetze außer Kraft gesetzt sind und die Arbeiter ohne Rechte arbeiten sollten. Trotz dieser schwierigen Lage hat ein unversöhnlicher und entscheidender Kampf der wütenden ArbeiterInnen und vielen Schichten der Bevölkerung gegen das Kapital und den Staat angefangen. Sie schreien: „Gebt uns unser Ackerland, unsere Fischgründe und Arbeitsplätze zurück!“ „Gebt uns unseren blauen Himmel, sauberes Wasser und alles von Fukushima zurück!“. Ihre Stimmen sind jetzt überall in Japan weitverbreitet. Sowohl die systemfreundlichen Gewerkschaftsfunktionäre, die bisher eifrige Befürworter der Regierungspolitik des AKW-Baus im In- und Ausland waren, als auch die Kommunistische Partei Japans (KPJ), die stets an der Politik der „Friedlichen Nutzung der Atomenergie“ als Parteiline festgehalten hatte, haben plötzlich begonnen, von „Weniger Abhängigkeit von AKWs“ oder „Schrittweiser Abschaffung der AKWs“ usw. zu sprechen. Dies ist eine chamäleonartige politische Verwandlung. Sie versuchen verzweifelt, den stürmischen Aufschwung des Kampfes gegen AKWs und Arbeitslosigkeit, der unvermeidlich zu einer gesellschaflichen Veränderung führen wird, zu verhindern und einzudämmen. Jetzt entwickelt sich vor unseren Augen die Weltwirtschaftskrise in der Stufe der katastrophalen Dollar-Talfahrt. Es is höchste Zeit, daß wir, ArbeiterInnen und Massen, aufstehen, um

unsere eigene Zukunft in unsere eigenen Händen zu nehmen. Der Kampf am Arbeitsplatz, an der Produktionsstätte, ist am Wichtigsten. Es ist für uns eine dringende Aufgabe, die Gewerkschaften überall in Japan und auch in der ganzen Welt wiederzubeleben – die Gewerkschaften, die wirklich für die ArbeiterInnen arbeiten, die durch die Basis selber kontrolliert werden und die unversöhnlich gegen das Kapital kämpfen. Nun hat die Weltarbeiterklasse den Kampf gegen die AKWs und Arbeitslosigkeit gemeinsam. Dringend notwendig ist es, weltweit kämpferische Gewerkschaften wiederzubeleben, um die neoliberale Offensive der Privatisierung, Outsourcing und Irregularisierung der Beschäftigung erfolgreich bekämpfen können. Deshalb schlagen wir vor, erstens den 6. November zum weltweiten Aktionstag gegen AKWs und Arbeitslosigkeit zu machen, zweitens eine internationale Arbeiterversammlung in Tokio zu veranstalten, mit dem Zweck, die weltweite Vernetzung kämpferischer Gewerkschaften sowie Organisationen zu erreichen. Stilllegung und Abschaffung aller AKWs in der ganzen Welt! Große Einheitsaktion gegen AKWs und Arbeitslosigkeit durch die Macht der internationalen ArbeiterInnensolidarität! ArbeiterInnen aller Länder, vereinigt euch! Den 3. September 2011 Yasuhiro TANAKA, Präsident von Doro-Chiba (National Railway Motive Power Union of Chiba) Hiroyuki YAMAMOTO, Geschäftsführer des Internationalen Arbeiter-Solidaritätskomitees von Doro-Chiba

Organisationen, Einzelpersonen, GewerkschaftsaktivistInnen - alle sind aufgerufen, die von GKK und Labournet Austria initiierte Solidaritätskampagne mit den japanischen Werktätigen zu unterstützen. Wir sind gerne bereit, Veranstaltungen durch Referenten, Videos etc. zu unterstützen! Kontakt: gruppe.klassenkampf@gmail.com 14


AUFRUF

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Spendenkampagne für die japanischen Arbeiter und Arbeiterinnen und alle von der Tsunami- und Reaktorkatastrophe in Fukushima betroffenen werktätigen Schichten! Am 11. März 2011 hat ein Tsunami die ostjapanische Küste vor Tōhoku mit Wellen bis zu einer Höhe von 23 Metern überflutet. Offiziell sprechen die japanischen Behörden von 11.500 Toten und 16.000 Vermissten. Als Folge des Tsunamis kam es im Kernkraftwerk Fukushima Daichi I in den Reaktorblöcken 1 bis 3 zu Kernschmelzen und Rissen in den Abklingbecken der Reaktorblöcke 2 bis 4. In weiterer Folge wurden nach massiver Kontamination der Umgebung und Versuchen der Regierung und der Betreibergesellschaft TEPCO, die Katastrophe klein zu reden, zwischen 100.000 und 150.000 Menschen aus der Umgebung des Kernkraftwerks evakuiert. Hunderttausende Tiere sind in ihren Ställen verendet. Ein Kleinbauer, der sich vor der Evakuierung in seiner Scheune erhängte, hinterließ an der Wand des Gebäudes eine letzte Botschaft: „Wäre doch dieses Atomkraftwerk nicht gewesen...“. Bereits in den vergangenen Jahren hatte der Energiekonzern TEPCO eingestehen müssen, dass Sicherheitsberichte über den Zustand des AKW gefälscht worden waren. Profitinteressen – der „shareholder value“ - kamen und kommen vor dem Schutz der Gesundheit der Menschen.

skrupelloser Profitgier und zynischer Komplizenschaft von wirtschaftlichen und politischen Eliten der japanischen Bourgeoisie. Dementsprechend wurde nach dem 11. März das gesamte Register an Lügen, Desinformation und Beschwichtigung gezogen, um das Ausmaß der Katastrophe zu verheimlichen. Die Regierung Kan wies unmittelbar nach der Tsunamiund AKW-Katastrophe ausländische Hilfe zurück. Offensichtlich wurde Hilfe aus dem Ausland nach streng politischen Überlegungen angenommen oder zurückgewiesen – die schwer angeschlagene KanRegierung hofft offenbar darauf, sich durch gezielte Verteilung von Hilfsgütern Sympathien und Stimmen erkaufen zu können. Während die drei größten organisierten Verbrecherbanden der Yakuza PR-trächtig Hilfstransporte in die betroffenen Gebiete schicken können, hindern Truppen der Armee („Selbstverteidigungskräfte“) Arbeiterinnen und Arbeiter, Bäuerinnen und Bauern daran, ihren Verwandten oder Freunden Nahrung, Kleidung, Medikamente oder Heizmaterial zu bringen. Verschärft wird die Situation der arbeitenden Bevölkerung in den betroffenen Gebieten dadurch, dass die Unternehmer die verzweifelte Lage der Menschen zu Lohnkürzungen und Entlassungen nützen.

Angesichts der elenden Situation der Arbeiterinnen und Arbeiter, Angestellten, Kleinbauern, der arbeitenden und studierenden Jugend rund um Fukushima und in den Tsunami-Gebieten rufen wir dazu auf, durch Spenden und Informationsarbeit Solidarität mit unseren japanischen Klassenbrüdern und -schwestern zu üben. Insbesondere appelKein Wunder, dass die Masse der japanischen lieren wir an aktive Gewerkschafterinnen und Bevölkerung bis in die 50er Jahre hinein jeder Form von Gewerkschafter, an Betriebsräte und JugendverAtomkraft feindlich gegenüberstand. Mit enormen trauensleute, die alte Tradition der Arbeiterhilfe Anstrengungen gelang es den reaktionärsten Fraktionen neu zu beleben. Wir schlagen vor, Spenden an die der japanischen Bourgeoisie – in engem Bündnis mit Eisenbahnergewerkschaft von Chiba (Doro-Chiba) dem verhassten amerikanischen Imperialismus - , den zu übergeben, die seit Jahren in vorderster Front Mythos der „kontollierbaren und sinnvollen Atomkraft“ nicht nur für die Rechte der Eisenbahner, sondern durchzusetzen. Neben finanziellen spielen aber auch aller arbeitenden Menschen in Japan eintritt und militärische Überlegungen seitens der herrschenden eigenständige gewerkschaftliche SelbsthilfekomiKlasse Japans eine Rolle: Das in den AKWs zu tees in den Katastrophengebieten unterstützt. Am 6. und 9. August 1945 töteten die Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki 92.000 Menschen sofort, 130.000 starben bis Jahresende an den Folgen, und noch heute fordern Folgeschäden über Generationen hinweg Opfer durch Krebs- und Stoffwechselerkrankungen.

gewinnende angereicherte Plutonium ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg Japans hin zu einer imperialistischen Atommacht. Die Katastrophe von Fukushima ist keine „Naturkatastrophe“ - sie ist das Ergebnis von

Erstunterzeichner: Gruppe Klassenkampf (Österreichische Mitgliedsorganisation des CoReP) Labournet Austria (www.labournetaustria.at)

Eigentümer, Herausgeber, Druck: Gruppe Klassenkampf Druckort: Wien Kontakt: gruppe.klassenkampf@gmail.com

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TERROR (I)

BIN LADENS LIQUIDIERUNG: FRANKENSTEINS MONSTER RELOADED 201 1 Das Mordkommando kam in der Nacht des 1. Mai. Nach 40 Minuten war seine Mission erfüllt: Der internationale „Staatsfeind Nummer 1“ war tot, ein paar Familienmitglieder der Zielperson mussten bedauerlicherweise ebenfalls dran glauben, und dann gab es natürlich den dramaturgisch wichtigen Kurier des Toten, der als Pistolero herhalten und den shootout auslösen musste. Das Action-ThrillerSzenario war komplett durchgespielt worden, abgesehen von ein paar Details konnte die Regie zufrieden sein. Der Film mit dem Publikumswirksamen Titel „Schnappt Osama“ war allerdings ein echter Genremix. Denn unzweifelhaft konnte das Publikum wesentliche Elemente eines Grusel-Klassikers im Drehbuch wiedererkennen: So wie Dr. Frankenstein in den Tiefen seines Labors bei Donner und Blitz einen künstlichen Menschen erschaffen hatte, der sich letztlich gegen seinen Meister wandte und beide in ein (selbst)zerstörerisches Duell hinein zog, hatten die Produzenten der neuesten US-Großproduktion ihren bösen Buben ebenfalls in der Retorte gezüchtet.

1 979 Am 25. Dezember 1979 besetzen 7.000 Elitesoldaten der 103. Witebsker Luftlandedivision der sowjetischen Armee den Flughafen von Kabul. Damit begann das für die Sowjetunion letztlich desaströse militärische und politische Engagement in Afghanistan. Die zur Unterstützung der bürgerlich-nationalistischen, moskaufreundlichen DVPA-Regierung (DVPA = Demokratische Volkspartei Afghanistans) 16

gedachte begrenzte Aktion wurde einer der Hebel zur ökonomischen Schwächung der UdSSR durch den Imperialismus. Hatte die stark vom Stalinismus beeinflusste DVPA begonnen, die feudalen Strukturen des Landes mit Gewalt aufzubrechen, Großgrundbesitz zu zerschlagen, die Alphabetisierung voranzutreiben und die Rechte der Frauen zu stärken, setzten die USA auf islamistische Mudschahidin. Mit linksnationalistischen Bewegungen hatten die imperialistischen Mächte in der Region schon hinlänglich negative Erfahrungen gemacht – diese tendierten dazu, natürliche Ressourcen zu verstaatlichen und eine relative Unabhängigkeit von den dominierenden Mächten anzustreben, um die Massen hinter sich scharen zu können. Die lang erprobte strategische Achse mit dem saudiarabischen Königreich hatte klar gezeigt, dass auf fundamentalistische religiöse Verbündete durchaus Verlass sein konnte. Noch dazu, da sich christlicher und islamischer Fundamentalismus beim Kampf gegen den „gottlosen Kommunismus“ die Hand reichen konnten. Im Jahr 1979 wandte sich der 21jährige Erbe des schwerreichen saudischen Bauunternehmers Muhammad bin Laden, Osama, ideologisch dem bewaffneten Kampf für den Sieg des Islam zu. Bereits während seiner Schulzeit scheint Osama durch einen syrischen Sportlehrer, der Mitglied der Muslimbruderschaft gewesen sein dürfte, stark in Richtung fundamentalistischer Koran-Auslegungen tendiert zu haben. Traut man den Berichten seiner Angehörigen, scheint er ab dem 14. Lebensjahr einen extrem asketischen und ultrareligiösen Lebenswandel geführt zu haben. Afghanistan war der letzte Anstoß für Osamas Radikalisierung. Bereits die iranische Revolution und die brutale Durchset-

zung der klerikalen Fraktion um Khomeini hatte den jungen Multimillionär schwer beeindruckt; Sympathien dürfte er auch für die radikal-islamistische Gruppe um Dschuhaiman al-Utaibi gezeigt haben, die am 20. November des gleichen Jahres die große Moschee in Mekka besetzt hatte und der selbst das reaktionäre wahabitische Regime in Saudi-Arabien noch zu modernistisch war. Der Aufbau einer Gruppe arabischer Mudschahidin war jedenfalls kein besonderes Ruhmesblatt für den Eiferer. Gemeinsam mit seinem religiösen Mentor Abdalla Yusuf Azzam rekrutierte bin Laden einige tausend arabische Kämpfer gegen den „Kommunismus“ - in enger Tuchfühlung mit dem saudischen Königshaus und dem pakistanischen Geheimdienst ISI (einem verlängerten Arm der CIA). Die arabischen Dschihadisten waren allerdings schlechte Kämpfer und zogen sich mehr Spott denn Bewunderung der afghanischen Glaubensbrüder zu. Als die saudische Elite dem reichen Bauunternehmer dann auch noch die bewaffnete Einmischung im benachbarten Jemen untersagte, um diplomatische Verwicklungen zu vermeiden und die USA in der Region weiterhin ihr Bündnis mit Israel fortsetzten, nabelte sich Osama endgültig von seiner saudi-arabischen, proamerikanischen Vergangenheit ab: Auf einem Geheimtreffen im pakistanischen Peshawar bootete bin Laden seinen Freund Azzam aus und wurde „Emir“ eines dschihadistischen Netzwerks, das sich auf die alten Seilschaften aus dem afghanischen Abenteuer stützte. Diese Basis (al quaida) sollte in erster Linie Aktionen gegen weltliche Regimes im Nahen Osten durchführen. Als 1990 im Zuge des ersten Golfkrieges mehrere hunderttausend US-Truppen in Saudi-Arabien stationiert wurden, sah bin Laden darin eine Entweihung der


KLASSENKAMPF heiligen Stätten. Als Alternative bot er dem saudischen Königshaus an, auf eigene Rechnung eine Armee von 100.000 Gläubigen aufzustellen, um gegen das sekuläre irakische Regime anzutreten. Als dieses Angebot abgelehnt wurde, ging er kurzfristig nach Afghanistan, ehe er sich mit seinen Frauen und Kindern im mittlerweile islamisierten Sudan niederließ. Dort führte Osama mehr das Leben ei-

me des World Trade Center in Schutt und Asche legen und mehr als 3.000 Menschen ums Leben kommen, hat die einstige Marionette amerikanischer Interessen in Afghanistan endgültig alle Fäden durchschnitten, die sie an ihren ehemaligen Herren binden. Zwar hat Osama noch im Juli des gleichen Jahres bei einem Spitalsaufenthalt in Dubai Besuch von saudiarabischen Funktionären und CIA-Leuten

leitete daraus das Recht ab, weltweit gegen „den Terrorismus“ loszuschlagen (erstes Exempel: Afghanistan) und bis dahin akzeptierte Grundregeln des internationalen Rechts zu ignorieren: Terrorverdächtige werden verschleppt, gefoltert, ohne Anklage und Prozess eingesperrt, durch Isolationshaft psychisch zerstört; nach Innen hat Bush schon ein paar Tage nach 9/11 mit dem US PATRI-

Schon die romantische Schriftstellerin Mary Shelley wusste: Manchmal ist e gar nicht so leicht, die selbst geschaffenen Monster wieder einzufangen. empfangen. So bedrohlich scheint der „Oberterrorist“ also nicht gewesen zu sein, dass die westlichen Geheimdienste die Gelegenheit ergriffen hätten, ihn relativ risikolos festzunehmen. Und das trotz der spektakulären Angriffe regionaler AlKaida-Kommandos auf die US-Botschaften in Daressalam und Nairobi im August 1998. Der größte „Erfolg“ dieser Attentate war wohl die unabsichtliche [?] Zerstörung einer pharmazeutischen Fabrik im Sudan durch die US-Luftwaffe, wodurch sich die Wut auf den amerikanischen Imperialismus in diesem Land explosionsartig steigerte und islamistische Extremisten neuen Zulauf erhielten. Die massive Reaktion der Bush-Administration erstaunte offensichtlich nicht nur bin Laden: Die Regierung der USA, deren Hegemonie weltweit durch den 2001 wirtschaftlichen Niedergang der „WeltAls am 11. September zwei vollbesetzte macht Nummer 1“ abbröckelte, erklärte Flugzeuge in New York die Zwillingstür- den „Krieg gegen den Terrorismus“ und nes erfolgreichen Jungunternehmers denn eines Terrorpaten: Seine Baugesellschaften bauten die Infrastruktur des Landes aus, im Gegenzug erhielt bin Laden enorme Ländereien als Bezahlung, da das Land faktisch bankrott war. Binnen kurzem war Osama einer der Hauptinvestoren im Sudan und einer der reichsten Männer. Aber immer wieder traf er seine alten Gefährten. Schließlich war es die US-amerikanische Einmischung im Bürgerkrieg in Somalia, die bin Laden wieder zum Dschihad trieb: Sein neuer religiöser Ratgeber Abu Hadscher brandmarkte den amerikanischen Imperialismus für seine angebliche „Christianisierungspolitik“ und rief zum Heiligen Krieg gegen die USA und alle ihre Unterstützer.

OT Act der Bespitzelung und Verfolgung unliebsamer Personen Tür und Tor geöffnet. Im Namen des „Kriegs gegen den Terrorismus“ wurden gewerkschaftliche Freiheiten und das Streikrecht teilweise beseitigt, indem z. B. Arbeitskämpfe der Hafenarbeiter als Schwächung der amerikanischen Verteidigungsfähigkeit abqualifiziert wurden. Faktisch lief das PATRIOT Act auf die Errichtung eines offenen Polizeistaates hinaus. Bemerkenswerterweise wurde in den hochtrabenden Politikerreden rund um 9/11 mit keinem Wort erwähnt, dass die Opfer des blindwütigen islamistischen Terrors keine Repräsentanten des imperialistischen Establishments der USA waren, sondern fast durchwegs [farbige] Lohnabhängige – nicht einmal „Arbeiteraristokraten“, vielmehr ganz einfache Arbeiter und Angestellte. 9/11 enthüllte das reaktionäre Wesen des religiös gerechtfertigten Terrors: Die 17


KLASSENKAMPF anti-imperialistische Rhetorik konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Osama und sein Netzwerk keinen politischen Kampf gegen die wirklichen Unterdrücker der kolonialen und halbkolonialenLänder und der arbeitenden Bevölkerung zu führen bereit und im Stande waren, sondern wahllos Menschen massakrierten, die nicht ihrer spezifischen Spielart des Islam entsprachen. Es ist ein blutiges Paradox, dass Al Kaida mehr Moslems als „Ungläubige“ tötete. Während die Terroranschläge auf Pendlerzüge bei Madrid (2004) und die Londoner U-Bahn (2005) – die ebenfalls gegen die arbeitende Bevölkerung in diesen Ländern gerichtet waren in den westlichen Medien ausführlich gecovered wurden, blieben extrem blutige Attentate in Indien, Ägypten, dem Irak, im Jemen... etc. weitgehend unbeachtet. Kein Wunder, dass Osama und seine Gefolgsleute bald ihren Kredit selbst unter fundamentalistischen islamischen Regimes wie jenen Saudiarabiens oder sogar bei den Taliban in Afghanistan verspielten. Die dennoch hohe Popularität bei Teilen der arabischen Massen verdankte bin Laden zum Großteil seinem Erzfeind USA – der nach dem 9. September 2001 in den imperialistischen Ländern um sich greifende Antiislamismus trieb politisch unbewusste, rückständige Schichten in Richtung Fundamentalismus. 201 0/201 1

Ende des Jahres brauen sich in Tunesien und Ägypten drohende revolutionäre Wolken über den langjährigen diktatorischen Regimes zusammen. In Tunesien entzünden sich die Proteste an der versuchten Selbstverbrennung eines jungen Gemüsehändlers, der so gegen die Beschlagnahmung seiner Waren durch die gefürchtete Polizei des Diktators Ben Ali protestieren will. Daraus entstehen Massendemonstrationen und schwere Zusammenstöße mit den Repressionskräften. Parallel dazu bricht sich in Ägypten die Unzufriedenheit mit dem Regime des treuen US-Verbündeten Mubarak Bahn. In beiden Ländern gibt es lange Traditionen von Kämpfen der ArbeiterInnen und der Jugend. In beiden Ländern – ebenso wie in anderen Staaten in der Region, in de18

nen Proteste ausbrechen – zeigt sich eines: Die Massenbewegungen fegen den religiösen Fundamentalismus hinweg. Nirgends konnten sich islamistische Organisationen an die Spitze der Bewegungen stellen. In Ägypten, der Bastion der Muslimbruderschaft, gingen deren Anhänger in den Massen, die das Regime stürzen wollten und konnten, einfach unter. Heute kann die Bruderschaft gerade noch versuchen, mit der neuen, vom Militär kontrollierten Regierung, um Pöstchen zu schachern und wird so zur Stütze der diskreditierten Mubarak-Nachfolger. In Nordafrika zeigten die westlichen imperialistischen „Demokratien“ ihr wahres Gesicht: Gerieten mit ihnen kollaborierende Diktatoren unter Druck, wurden diese so lange wie möglich gehalten; die platonischen Liebeserklärungen an die „demokratischen Werte“ wurden mit der Unterstützung der lokalen Militärführungen verbunden, um neue, stabilere, repressive Regimes ans Ruder zu bringen. In Libyen, wo sich mit Gadhaffi konkurrierende Stammesführer und Staatsbürokraten als Alternative geradezu aufdrängten, warteten die Imperialisten die Niederschlagung der Jugendproteste und die Abschlachtung der ersten Welle der Bewegung ab, um anschließend „humanitär“ auf Seiten des reaktionären Nationalrats von Benghazi in den beginnenden Bürgerkrieg einzugreifen. In den Sultanaten und im Jemen sahen die „Demokratien“ mit verschränkten Armen zu, wie die saudische Armee oder die lokalen Truppen mit enormer Brutalität die Proteste zu unterdrücken begannen. Immerhin ging es dort ja um die Stabilität in politisch-strategischen Schlüsselregionen. Die revolutionäre Krise in Nordafrika zeigte aber auch, wie sehr der Stern des amerikanischen Imperialismus in diesem Teil der Welt bereits gesunken ist. Als wesentliche Führungsmacht konnte dort der französische Imperialismus auftrumpfen und damit an alte koloniale Traditionen anknüpfen. In den USA stehen die Zeichen mittlerweile auf Krise: Neue Bankencrashs zeichnen sich ab, die Auslandsverschuldung erreicht astronomische Ausmaße. Innenpolitisch sieht sich Barack Obama einer immer aggressiver und immer rassistischer agierenden konservativen Ablehnungsfront gegenüber. Es war höchste

Zeit für einen Befreiungsschlag. Ein Mordauftrag an die Navy-Spezialeineit SEAL war also ein probates Mittel – und war auch wesentlich schneller umzusetzen als, nach dem Vorbild George W. Bushs, ein militärischer Konflikt größeren Ausmaßes. Der als liberal oder gar sozialistische verschrieene Obama konnte ein für alle Mal beweisen, dass er den Ehrenkodex des Wilden Westens (der sich weitgehend mit jenem des Imperialismus deckt) voll internalisiert hat. Ein Präsident, der den Feind einfach umlegen lässt und auch noch live via Webcam zusieht – der kann kein liberales Weichei sein. Und schon fand sich eine patriotische jubelndes Menge vor dem Weißen Haus ein und schwenkte die Stars and Stripes. Zugleich war die kurz nach der Exekution bin Ladens am geschichtsträchtigen Ground Zero ausgesprochene Botschaft an die Welt unmissverständlich: „Wir schlagen zu, wo und wann wir wollen, und internationale Rechtsnormen gelten für uns nicht“. Was bedeutet die gut inszenierte Beseitigung des Hauptbösewichts im US-amerikanischen Horrorfilms-Drehbuch? Während enge Verbündete der USA in den Golfstaaten in Saudi-Arabien unter den Druck der Massen geraten und damit ein Eckpfosten imperialistischer Politik in Nordafrika und bis weit nach Asien hinein ins Wanken gerät, signalisiert die Obama-Administration ihre Bereitschaft, gegebenenfalls militärisch einzugreifen, wann immer sie es für notwendig erachtet. Das ebenfalls stark fundamentalistisch beeinflusste pakistanische Regime wird daher jetzt von den USA exemplarisch vor der Weltöffentlichkeit mit Mißtrauen behandelt und in eine temporäre Quarantäne gesteckt – als Warnung dafür, dass auch reaktionäre Verbündete nur in Maßen autonom agiere dürfen. Außerdem hat man die Gelegenheit ergriffen, einen lästigen Mitwisser der USMachenschaften in Afghanistan zu beseitigen. Aber keine Angst – medial werden schon Nachfolger für den Oberschurken bin Laden aufgebaut. Ein Sequel der erfolgreichen internationalen Großproduktion ist also durchaus wahrscheinlich.


KLASSENKAMPF

TERROR (II)

LEHREN AUS DEM FASCHISTISCHEN MASSENMORD IN NORWEGEN Die Attentate von Oslo und Utoja zeigen, dass der faschistische Terror heute wie früher in erster Linie ein Ziel anvisiert - die organisierte ArbeiterInnenbewegung. Sie zeigen gleichzeitig, dass sich die ArbeiterInnenorganisationen vom bürgerlichen Staat keinen wie immer gearteten Schutz vor faschistischen oder rassistischen MörderInnen erwarten kann. Das zeigt sich unter anderem daran, dass der Massenmörder Breivik umgehend zum psychopathischen Einzeltäter umgelogen wird. Sein anti-marxistisches, rassistisches, anti-feministisches Weltbild wird als geistige Störung und nicht als Synthese einer Vielzahl faschistischer Gedanken- und Ideenstränge gesehen, die sich genauso bei "salonfähigen" populistischen Parteien in Europa und den USA finden. Sein "Manifest" hat es nicht erst zwei Stunden vor Zündung der Bombe in Oslo gegeben - wesentliche ideologische Auszüge finden sich seit 2008 auf einschlägigen Blogs (wobei die Urheberschaft irrelevant ist); der norwegische Geheimdienst hat sehr wohl die auffälligen Einkäufe von Bombenzutaten durch Breivik registriert; mitten im High-Tech-Kommunikationszeitalter konnte der Mörder trotzdem fast 90 Minuten ungehindert Jagd auf unbewaffnete, verängstigte Kinder und Jugendliche machen. Die erste Lehre aus Utoja muss sein: Keinerlei Vertrauen in den Polizeiapparat des bürgerliche Staates! Nicht umsonst machte sich der Mörder die legalistischen Illusionen der reformistischen Arbeiterorganisationen zu Nutze: Trotz der Erfahrungen mit den Polizeieinsätzen in Seattle, Genua, Göteborg, trotz der Zunahme (halb)faschistischer Strömungen in den Polizeiapparaten in Ungarn, Österreich, Frankreich, Belgien scharten sich

die TeilnehmerInnen des AUF-Jugendcamps vertrauensvoll um den angeblichen Polizisten, der vorgab, über den Terroranschlag in Oslo informieren zu wollen. Das "Unmögliche" - ein (angeblicher) Polizist als Killer - sollte der ArbeiterInnenbewegung nicht unbekannt sein immer wieder wurde tödliche Polizeige-

Zentristische Strömungen wie das "Komitee für die ArbeiterInneninternationale" (CWI - in Österreich SLP) oder die Internationale Marxistische Tendenz (Alan Woods - in Österreich "Der Funke") reagierten abstrakt-propagandistisch: "Um den Terrortaten die Grundlage zu entziehen, bedarf es einer SA-Banditen (1 933), Briefbomber Franz Fuchs, Massenmörder Anders Breivik: Lauter irre Einzeltäter?

walt gegen sie eingesetzt. Unmittelbar nach den Anschlägen haben die verschiedenen Strömungen der [internationalen] ArbeiterInnenbewegung unterschiedlich auf den faschistischen Terror reagiert: Die reformistischen bürgerlichen ArbeiterInnenparteien - sozialdemokratische und ex-stalinistische - forderten die effektive Anwendung bestehender Gesetze gegen "extremistische" Kräfte, wobei einige immer wieder "neutral" "Links- und Rechtsextremismus" gleichermaßen verurteilten. Im Klartext: Der bürgerliche Staat soll endlich was gegen die Unruhestifter unternehmen.

kämpferischen ArbeiterInnenbewegung auf internationalem Niveau. Es bedarf eines Kampfes gegen Terrorismus, Krieg und kapitalistische Globalisierung. Dieser beginnt jetzt mit der Mobilisierung gegen die Terrortat und für eine sozialistische Alternative." (Per-Ake Westerlund von der schwedischen CWI-Sektion); "Demonstrationen der österreichischen, europäischen und weltweiten ArbeiterInnenbewegung gegen die Anschläge in Norwegen im speziellen und rechte Gewalt im allgemeinen. Das IUSY Council muss mit gutem Beispiel voran gehen und alle Mitgliedsorganisationen dazu anhalten, Solidaritätsaktionen zu organi19


KLASSENKAMPF sieren. Hoch die internationale Solidarität! - Selbstverteidigungskomitees auf den Veranstaltungen unserer Organisationen. Der Weg ist nicht blindes Vertrauen in die Kräfte des bürgerlichen Staates, sondern ein Besinnen auf die eigene Stärke!" (Erklärung des Funke mt Blick auf das Treffen der Sozialistischen Jugendinternationale am Attersee). Auch wenn die Antwort der ZentristInnen "radikaler" klingt als die der ReformistInnen, weicht sie einer konkreten Antwort aus. Dass man den faschistischen Banden durch den entschiedenen Kampf für den Sozialismus das Wasser abgraben muss, ist klar - wie aber die "Mobilisierungen" aussehen sollen, bleibt propagndistische Abstraktion. Tendenziell richtiger, aber ebenfalls sehr vage, ist die Antwort des Funke - wie sollen die "Selbstverteidigungsmitees" aussehen, mit welchen Instrumenten sollen sie die FaschistInnen abwehren? Ähnlich allgemein sind die diesbezüglichen Erklärungen der "Liga für die Fünfte Internationale" (in Österreich "ArbeiterInnenstandpunkt") und ihrer diversen Absplitterungen (in Ö. z.B. die RKOB). Wir schlagen als revolutionäre Antwort auf die faschistischen Anschläge in Norwegen die Losung vor: Für die Schaffung bewaffneter Selbstverteidigungsorgane der ArbeiterInnenorganisationen, bis hin zum Aufbau von Arbeitermilizen. Das impliziert vor allem eines: Die Zu-

rückweisung der von Grünen und "liberalen" DemokratInnen geforderten Verschärfungen der Waffengesetze in verschiedenen Ländern. Ganz im Gegenteil: Wir streben die möglichst umfassende Bewaffnung der arbeitenden Menschen an! Paradoxerweise geben sich in dieser Frage etliche "Linke" und bürgerliche Lawand-Order-Fanatiker die Hand. Wir fordern das Recht der ArbeiterInnen auf den Besitz von Waffen und einer systematischen Ausbildung im Umgang mit diesen. Das Argument, dass damit Gewalttate zunehmen würden, ist kurzsichtig. Wie Andres Breivik gezeigt hat, findet ein faschistischer Mörder, ebenso wie gewöhnliche Kriminelle oder psychisch gestörte Personen, immer einen Weg, sich mit Waffen und Munition einzudecken. Tragischerweise haben dann aber unter den momentanen Verhältnissen des Waffenmonopols der Repressionskräfte des bürgerlichen Staates die Angegriffenen keine Chance, sich effektiv zur Wehr setzen zu können. Unter den gegebenen Umständen würden wir es am sinnvollsten finden, wenn die Gewerkschaften diese Aufgabe - Ausbildung im Umgang mit Waffen und entsprechendes taktisches Verhalten wahrnehmen würde. Damit bestünde die Chance zum Aufbau einheitlicher Selbstverteidigungsstrukturen. Selbstverständlich würde das in keiner Weise das Recht jeder einzelnen ArbeiterInnenorganisation einschränken, selbsttätig einschlägige Trainings durchzuführen. Was wir hinge-

gen ablehnen wäre eine Art "Schutzbundkonzept" - die Schaffung einer "Spezialtruppe" des Proletriats zum Kampf gegen den Faschismus. Dadurch würde die Wachsamkeit und Kampfbereitschaft breiter Schichten des Proletariats eingeschläfert und neuerlich eine Arbeitsteilung in die allgemeine Bewaffnung der ArbeiterInnenklasse eingeführt. Statt mehr Rechten für die Polizei, mehr Bespitzelung der Bevölkerung, statt Vorratsdatenspeicherung und strengerer Waffengesetze fordern wir das Recht auf Erwerb und Besitz einer Waffe für alle ab Erreichung des Wahlalters. Wer politische Entscheidungen treffen oder für das kapitalistische "Vaterland" eventuell in den Krieg ziehen soll, muss auch das Recht haben, sich zu verteidigen. Ebenfalls fordern wir das Recht für alle ArbeiterInnenorganisationen - Gewekschaften und Parteien - , in organisierter Form ihren Mitgliedern ohne Behinderung durch den Staat den Umgang mit diesen Waffen beizubringen. Es handelt sich also um eine politische Forderung - unabhängig davon müssen wir schon jetzt bereit sein, unter Verwendung aller geeigneten Mittel die entsprechende Selbstverteidigung zu organisieren. Das bedeutet natürlich, dass wir derzeit eine individuelle illegale Bewaffnung ablehnen, da sie nur einen Vorwand für die staatliche Repression bedeuten würde.

Mach Dir ein Bild vom Kampf in Japan Video über den Kampf von Doro-Chiba gegen die Angriffe auf die japanische ArbeiterInnenklasse, gegen die Auswirkungen der AKW-Katastrophe von Fukushima, gegen die Profitgier des internationalen Kapitals.

Solidaritätspreis: 1 0,-- EUR (davon gehen 8,-- an Doro-Chiba) : gruppe.klassenkampf@gmail.com

Bestellungen an 20


KLASSENKAMPF

WIEN: KAMPF DEN EINARMIGEN BANDITEN! Überraschung beim Parteitag der SPÖ Wien Ende Mai 2011: Mit knapper Mehrheit wurde ein Antrag angenommen, der das Verschwinden von Automaten und Spielhallen aus der Stadt Wien verlangt.

Dieses Ergebnis ist als Niederlage für die Parteiführung zu werten, die um Einnahmen für die Stadt Wien aus dem Automaten-Glücksspiel von jährlich rund 60 Mio. EUR bangt. Parteivorsitzender Häupl – mit einem für ihn enttäuschenden Ergebnis wieder gewählt – polterte auch gleich, dass ein paar Delegiertenstimmen nicht über 60 Mio. EUR Steuereinnahmen für die Stadt entscheiden könnten. Die zuständige Stadträtin Ulli Sima deutete bereits an, dass sich die installierte rotgrüne Arbeitsgruppe noch am ehesten zu einem Verbot der Spielzellen mit zwei Automaten wird durchringen können. Diese Zweierkabinen stehen im Ruf, die Spielsucht durch ihre Atmosphäre der Isolation besonders zu fördern. Glücksspiel auf Automaten – vom Gesetzgeber auch verharmlosend „kleines“ Glücksspiel genannt – ist in Wahrheit ein riesiges soziales Problem. Eine Studie der Spielsuchtberatung Wien aus dem Jahr 2008 nach sind in Wien geschätzte 50.000 Menschen spielsüchtig. Von 903 Klienten, die wegen Spielsucht professionelle Hilfe aufgesucht haben, gaben 82,6 % Automatenspiel als Ursache an. 35 % haben vor dem 19. Lebensjahr zu spielen begonnen. 85,2 % der spielsüchtigen behandelten Personen sind Männer, ca. 85 % der Spieler wegen Spielsucht verschuldet. Die Durchschnittsverschuldung der Spieler betrug EUR 41.594, die höchste EUR 650.000 – und das bei einem Durchschnittseinkommen der Spieler von EUR 1.349! Automaten-Spielsucht ist also überwiegend männlich. Wer bei einem niedrigen Einkommen oder gar Arbeitslosigkeit auch noch für eines oder mehrere Kinder sorgepflichtig ist, der rutscht unweigerlich unter die Armutsgrenze. Es ist zwar nicht sinnvoll, aber verständlich, dass die-

se Menschen ihre Existenzsicherung in der Scheinwelt der bunt blinkenden Glücksspielautomaten suchen, wollen sie überleben und dabei nicht kriminell werden. Die bundesweit gültige Glücksspielnovelle 2010, die 2015 in Kraft tritt, bringt eine weitere Verschärfung der Situation. Derzeit können bei einem Höchsteinsatz von EUR 0,50 max. EUR 20 gewonnen werden, künftig können EUR 10 pro Spiel gesetzt und max. EUR 10.000 gewonnen werden. Das Verbot des Parallelspiels (Spiel auf mehreren Geräten) wird die Verzwanzigfachung des möglichen Einsatzes in Bezug auf den Spielerschutz nicht kompensieren können. Denn wer spielt schon auf 20 oder mehr Automaten gleichzeitig? Ähnlich wirkungslos ist die geplante „Abkühlungsphase“ einzuschätzen. Wenn sich das Gerät nach zwei Stunden abschaltet, wird der Spielsüchtige die baugleichen Automaten daneben füttern. Es besteht die Absicht, weniger Einzelgenehmigungen zu erteilen und das Automatenspiel in großen Hallen mit bis zu 50 einarmigen Banditen zu konzentrieren. Offiziell wird das damit begründet, dass dadurch die Kontrolle des „kleinen“ Glücksspiels leichter fällt und die Suchtgefährdung besser zu bekämpfen sei. Tatsächlich findet jedoch ein beinharter Konzentrationsprozess im Glücksspielgeschäft auf Betreiben und zugunsten des Großkapitals statt. Der Europäische Gerichtshof hat eine Neuausschreibung der österreichischen Glücksspielkonzessionen angeordnet. Hauptprofiteur dieser Entwicklung dürfte der österreichische Glücksspielkonzern Novomatic, schon jetzt internationaler Riese im Glücksspielautomatengeschäft, werden. Dieser darf sich bester Kontakte in höchste politische Kreise erfreuen. Mit dabei Ex-FPÖ-Generalsekretär Walter Meischberger, bekannt durch BUWOG- und Telekomskandal sowie seinem Sager „Wos woa mei Leistung?“ als Lobbyist für Novo-

matic von 2005-2007, was ihm EUR 450.000 einbrachte. Der derzeitige EU Kommissar und Ex-Wissenschaftsminister Johannes Hahn hatte von 1997-2003 als Vorstandsmitglied von Novomatic einen lukrativen Nebenjob, während er zeitgleich sein Mandat im Wiener Ge-

meinderat ausübte. Derzeit muss er sich mit Plagiatsvorwürfen seine Doktorarbeit betreffend herumschlagen. Auch die SPÖ ist bei Novomatic mit Ex-Innenminister Karl Schlögl als Aufsichtsratsmitglied und Ex-Kanzler Gusenbauer als Berater vertreten. Die enge Verflechtung von Politik und so genannter „freier“ Wirtschaft ist ein immer wieder zu beobachtendes Wesensmerkmal im Kapitalismus. Die Teilnahme am Glücksspiel in jeglicher Form stellt eine Verzweiflungstat der Lohnabhängigen dar. Gewinner ist unter dem Strich immer der kapitalistische Automatenbetreiber, die Lotteriegesellschaft etc. Es ist eine besorgniserregende Tendenz zur Ausuferung des Glücksspiels u. a. auch durch Angebote im Internet zu beobachten. Der bürgerliche Staat verliert immer mehr an Einfluss und Marktanteilen. Auch wenn es für die verzweifelten 21


KLASSENKAMPF Lohnabhängigen letztendlich egal ist, ob etwa der Automat vom kapitalistischen Staat oder einem privaten Kapitalisten betrieben wird, bedeutet diese Entwicklung ein Ablegen von gesellschaftlicher Verantwortung durch den bürgerlichen Staat, wie dies derzeit auch in Griechenland (näheres zu den Privatisierungen in Griechenland in dieser Ausgabe des „Klassenkampf“ auf Seite…) angesichts

der geplanten Totalprivatisierung der Glücksspielbranche zu beobachten ist. Jede auch noch so kleine Maßnahme gegen das Glücksspiel wie die geplante Abschaffung der Zweierkabinen für Glücksspielautomaten in Wien ist zu begrüßen. Die Existenz der Glücksspielbranche ist eng mit der des Kapitalismus verbunden. Nur die revolutionäre Überwindung des Kapitalismus kann den Weg

zu einer sozialistischen Gesellschaft und damit zu einem Leben ohne Existenzängste für alle ebnen – einem Leben, das den Weg der Verzweiflung zu einarmigen Banditen überflüssig macht. Die Abschaffung und das Verbot des Glücksspiels wird daher eine der ersten Maßnahmen beim Aufbau des Sozialismus sein.

Gaddafi´s Ende LIBYEN: IMPERIALISTEN INSTALLIEREN MARIONETTENREGIME

Der Dominoeffekt der seit Ende 201 0 im Gange monatigen Bürgerkriegs eine Anerkennung des befindlichen Aufstände und Revolutionen erfass- Nationalrates der Rebellen in ihrer Hochburg Bengasi an. Schließlich gibt es mit dem Ölmulti te im Februar 201 1 auch Libyen. OMV einen großen österreichischen Profiteur bei Unter dem absurden Vorwand, die Zivilisten der Sicherung der libyschen Öl- und Gasvorkomschützen und Chancengleichheit für die Rebellen men. schaffen zu wollen, verhalfen die mit einem UNO Mandat ausgestatteten NATO Truppen den mit Die libysche Bevölkerung darf sich durch den dem Gaddaficlan verfeindeten Wüstenstämmen Sturz des Unterdrückerregimes von Gaddafi keizum Sieg. Einmal mehr hatte sich die UNO als ne Verbesserung ihrer Lage erhoffen. Der NATO, nützliches Deckmäntelchen demokratischer Legi- dem größten Militärbündnis der Welt, wäre es timation für die Durchsetzung imperialistischer In- ohne große Anstrengung möglich gewesen, den teressen erwiesen. Die fast täglichen Blutbäder, libyschen Bürgerkrieg mit ihrer militärischen die das Assadregime zeitgleich in Syrien anrichte- Überlegenheit in wenigen Tagen zu beenden. Sie te, blieben dagegen im imperialistischen „Ge- zog es jedoch vor, mit lediglich punktueller Unterstützung der von ihr als Rebellen bezeichnerechtigkeitsempfinden“ ausgeblendet. ten Lumpenbourgeoisie den Krieg in die Länge Zu verlockend waren vor allem den USA die Tu- zu ziehen und möglichst große Kriegsschäden zu multe in der arabischen Welt, um nicht die verursachen. Dies geschah im Bewusstsein, dass Gunst der Stunde zum Sturz der ca. 40-jährigen für die Kapitalisten der intervenierenden imperiaHerrschaft Gaddafis zu nützen. Dabei war dieser listischen Staaten – allen voran die USA – für die letzten Jahre aus imperialistischer Sicht ohne- Kriegsgerät und beim Wiederaufbau Libyens hohin handzahm und sein Land vom Ausbildungs- he Profite erzielt werden können, für die die Arzentrum islamistischer Kampfeinheiten zu einem beiterInnenklasse der eigenen Länder und die verlässlichen Handlanger imperialistischer Groß- libysche Bevölkerung wird aufkommen müssen. mächte geworden. Es wurde ein Marionettenregime der imperialistiNeben der Sicherung des libyschen Öls dürfte schen Großmächte installiert. Dieses setzt sich auch die Zerstörung des für die arabische Welt aus Vertretern des alten Gaddafi-Verbrecherregieinzigartigen sozialen Netzes Libyens Grund für mes und den neuen Gaunern und Banditen andie imperialistische Aggression gewesen sein. derer Clans zusammen. Es wird in Libyen wie in Auch Österreichs Bourgeoisie war von Anfang an den anderen Ländern Nordafrikas eine neue Rebemüht, eine unmissverständliche Position einzu- volution notwendig sein, um das Joch des Impenehmen. So regte Außenminister Spindelegger rialismus abschütteln zu können. bereits in einem sehr frühen Stadium des sechs22


KLASSENKAMPF litärausgaben allerdings Details fehlten. Die griechischen Rüstungsausgaben kletterten von 2005-2009 lt. einem NATO Report um ein Drittel von 5,4 auf fast 7,3 Mrd. EUR. Auch wenn Athen seinen Militäretat 2010 um ca. 10 %, d. h. auf ca. 6,5 Mrd. EUR gesenkt hat, liegt er immer noch weit über dem Wert von 2005. Der Großteil des Sparpakets 2011-2013 in Höhe von EUR 300 Mrd. wurde der ArbeiterInnenklasse aufgebürdet. 9,8 Mrd. entfallen auf die Erhöhung von Massensteuern (USt. von 19 auf 23 %, Treibstoff, Tabak, Alkohol), 14,7 Mrd. auf Pensionen und Beamtengehälter, 1,8 Mrd. auf Kürzungen im öffentlichen Dienst, Anhebung des Pensionsalters von 53 auf 60. Dagegen greifen Maßnahmen zur Eindämmung von Steuerhinterziehungen kaum und werden oftmals durch neue Korruption umgangen. Allein zwei Mio. Häuser in ländlichen Gegenden sind in Griechenland nicht registriert und entgehen daher jeder Besteuerung. Als größte Seefahrernation der Welt (20 % der Containerschiffe dieser Erde) hat Griechenland viel „mobiles Kapital“, welches national schwer zu besteuern ist.

Während also Militärausgaben auf hohem Niveau bleiben, sich die griechische Kapitalistenklasse geschickt ihrer Steuerpflichten entzieht und die ArbeiterInnenklasse unter dem ihr auferlegten Sparpaket stöhnt, startet nun mit einer Privatisierungswelle ein neuer schwerer Angriff auf die ArbeiterInnenklasse. Auf der Verkaufsliste stehen u. a. Anteile an der TT Hellenic Postbank, der OTE Telecom, den Häfen Piräus und Thessaloniki, des staatlichen Glücksspielunternehmens Opap, die Gaswerke, die Waffenindustrie, 50 % des Flughafens Athen, die Bahn, Mautrechte für die griechischen Autobahnen sowie diverse Fabriken.

Privatisierungen in Griechenland und weltweit sind gleichbedeutend mit Kündigungen, Lohnkürzungen und steigendem Arbeitsdruck. Gleichzeitig bedeuten Privatisierungen schlechtere Leistungen für die KonsumentInnen, wie dies beispielsweise schwere Sicherheitsmängel nach der Privatisierung der Eisenbahnen in England gezeigt haben. Andererseits sind verstaatlichte Betriebe keineswegs „sozialistische Inseln“ in eiMeer kapitalistischer Steuerhinterziehung blüht auch 2011 nem vor allem in der Tourismusbranche. So Eigeninteressen; das hat die „Verstaatlichwurden zwischen Ende April und te“ in Österreich hinlänglich demons8.8.2011 bei 490 von 750 von der Finanz triert. Wir verteidigen daher nicht die geprüften Unternehmen auf Touristenin- „Verstaatlichungen an sich“, sondern die seln der Ägäis Unregelmäßigkeiten festge- besseren Kampfbedingungen, die sich meistens in den nationalisierten Betriestellt.

ben finden. Die Zerschlagung verstaatlichter Unternehmen bedeutet immer: Herausbrechen der profitablen Teile und deren Überantwortung an das Privatkapital, Liquidierung der kostenintensiven und wenig profitablen Sparten. Ebenso wie bei Privatbetrieben, die mit dem Argument der geringen Profitabilität geschlossen werden sollen, sagen wir bei staatlichen Unternehmen: „Legt eure Zahlen auf den Tisch, öffnet die Geschäftsbücher. Die ArbeiterInnen sollen entscheiden, ob der Betrieb fortgesetzt werden kann. Sie sind bereit, den Betrieb unter ihrer eigenen Kontrolle fortzuführen, wenn er euch nicht gewinnbringend genug ist.“ Wir sind gerne bereit, alle Maßnahmen zu unterstützen, welche die Bourgeoisie von der schweren Last, die Wirtschaft zu lenken, zu befreien... Für die griechische ArbeiterInnenklasse wird es entscheidend sein, ihre Spaltung zu überwinden und vor allem auch die eingewanderten ArbeiterInnen in ihre Kämpfe einzureihen. Nur die Einheitsfront der Gewerkschaften und der ArbeiterInnenparteien kann die Sparpläne der einheimischen und internationalen Bourgeoisie zu Fall bringen. Der Kampf für diese Einheitsfront muss untrennbar mit dem Kampf für den Aufbau einer revolutionären ArbeiterInnenpartei, Sektion der revolutionären ArbeiterInneninternationale, verbunden sein.

Unser Online-Archiv: http://issuu.com/gruppeklassenkampf Eine Nummer des KLASSENKAMPF verpasst? Nicht beim Marxistischen Studienzirkel (MSZ) gewesen? Unser Flugblatt nicht bekommen? Nein - kein Grund zum Verzweifeln! In unserem Online-Archiv kannst Du so gut wie alles nachlesen, was wir publiziert haben. Zahlen musst Du nichts dafür - alles gratis.Also wirst Du uns sicher eine entsprechende Spende zukommen lassen, oder?

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KLASSENKAMPF

Ausbeuterklasse casht ab! GRIECHENLAND: BRUTALE UMVERTEILUNG ZUGUNSTEN DES KAPITALS!

Griechenland schlitterte 2008 wie auch die restliche kapitalistische Welt in eine bis dato in diesem Ausmaß seit 1929 nicht gekannte Finanz- und Bankenkrise. Die herrschende Klasse versuchte, der Krise gegenzusteuern, indem sie einerseits ungedeckte Kredite ohne Prüfung der Zahlungsfähigkeit vergab und andererseits versuchte, das Kapital durch wilde Spekulationen an den Börsen und in Immobilien zu vermehren. Investitionen in die Realwirtschaft waren für die Kapitalisten nicht mehr interessant, da der aus den ArbeiterInnen herausgepresste Mehrwert nicht in Profit verwandelt werden konnte. Bei stagnierenden oder sinkenden Löhnen und rückläufigem Konsum wurden als letztes Mittel nicht leistbare Kredite vergeben. Als ausgehend von den USA immer mehr (Wohnbau)kredite notleidend wurden, machte das die Krise des kapitalistischen Wirtschaftssystems sichtbar. Die Folge waren umfangreiche Hilfspakete der Nationalstaaten für Banken und Unternehmen. Die Effekte dieser Konjukturspritzen für die kapitalistische Wirtschaft waren nur von kurzer Dauer und so kündigt sich 2011 bereits die nächste Krise an. Der griechische Staat wurde aufgrund 24

lag bei knapp 2 %. Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts hätte Griechenland bei Anpassung an den OECD Schnitt 40 Mrd. EUR, also 4 Mrd. EUR jährlich sparen können. 2010 betrugen die griechischen Militärausgaben immerhin noch 3 % und damit wesentlich mehr als der OECD Schnitt (Anm: Die kapitalistische Welt darf sich eines Anstiegs der Militärausgaben von 49 % in den letzten 10 Jahren rühmen). Grund für die exorbitanten Rüstungsinvestitionen Griechenlands ist das jahrzehntelang andauernde Wettrüsten mit der ebenfalls der NATO angehörenden Türkei im Streit um einige Mittelmeerinseln wie Zypern, aber auch Die Profite investierte die griechische der Kampf gegen Flüchtlingsströme aus Bourgeoisie zu einem großen Teil in Im- Afrika. mobilien. Die für den Bau notwendigen Flächen wurden oftmals durch BrandleSelbst als Anfang 2010 klar wurde, dass nur noch ausländische Kredite Griechengung in den Wäldern auf kriminelle Weise geschaffen. Auch nach Bekanntwerden land vor dem Staatsbankrott retten könder Staatspleite gehen die verbrecheri- nen, wurde weiter in Kriegsgerät aller Art schen Brandrodungen munter weiter. investiert. Mitte 2010 bekam GriechenErst am 26.8.2011 forderte die Regierung land von EU und IWF (int. Währungsin Athen für die Bekämpfung von außer fonds) 110 Mrd. EUR, für die im Kontrolle geratenen Waldbränden EU Hil- entsprechenden Abkommen die Erhöhung von Massensteuern und anderer fe an. hauptsächlich die ArbeiterInnenklasse Griechenland hatte 2009 mit 4 % des betreffenden Maßnahmen penibel genau Bruttoinlandsprodukts (BIP) an Militär- festgehalten wurden, zum Sparpunkt Miausgaben den höchsten BIP Anteil in der weiter auf Seite 23 EU und in der NATO, der OECD Schnitt besonderer Vorleistungen an die heimische und internationale Bourgeoisie in die Zahlungsunfähigkeit getrieben. Durch Steuerhinterziehungen im großen Stil verliert der griechische Staat jährlich 30-40 Mrd. EUR. Das ist in drei Jahren etwa so viel, wie bis 2012 für das erste Hilfspaket an die EU (110 Mrd. EUR) zurück zu zahlen ist. Durch Steuertricks verfügen lt. Steuerstatistik 2008 Freiberufler mit ca. 10.000 EUR über weniger Durchschnittseinkommen als Unternehmer (EUR 13.000) oder Lohnabhängige (EUR 16.000). Ein Drittel der griechischen Wirtschaftsleistung wird „schwarz“ erzielt.


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