KLASSENKAMPF 23

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Nummer 23 /September 2015

Zeitung der Gruppe Klassenkampf - für Rätemacht und Revolution

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Wahlen im Burgenland, in der Steiermark:

Implosion der SPÖ Wie die Landtagswahlen im Burgenland und der Steiermark gezeigt haben, beschleunigt sichl die Krise der SPÖ. Im bundespolitischen Rahmen bedeutet das in Umfragen 23 % und somit ein Minus von satten 10 Prozentpunkten seit der Nationalratswahl 1999, nach der man den Gang in die Opposition antreten musste. Gegenüber 2005 – als die FPÖ in Umfragen bei 5 % lag und Jörg Haider das BZÖ gründete – hat diese ihre Umfragewerte mit 28 % mehr als verfünffacht. Vergessen sind offenbar die negativen Höhepunkte der FPÖ Regierungsbeteiligung wie Ambulanzgebühr, Unfallrentenbesteuerung, Eurofighterdebakel oder der größte Pensionsraub in der Geschichte der 2. Republik in Form der Pensionsreform 2004. Immer noch in den Medien präsent, aber von den WählerInnen nicht der Strache FPÖ zugeordnet, sind die Kärntner FPÖVermächtnisse wie die 19 Mrd. EUR Pleite der Hypo Alpe Adria mit ihren Mahnmalen Wörtherseestadion und Wörtherseebühne. Die Verweigerung von Ko­ alitionen mit der FPÖ gehört seit fast 30 Jahren – seit dem “Haider­Putsch” in der FPÖ 1986 – zum Selbstverständnis der SPÖ. Realpolitisch hat die SPÖ in Regierungsverantwor­ tung in dieser Zeit die Ver­ staatlichte Industrie fast vollständig privatisiert, Selb­ stbehalte im Gesundheit­ swesen und in der Bildung eingeführt bzw. massiv er­ höht, Massensteuern erhöht (z. B. „kalte“ Lohnsteuerpro­ gression, Tabaksteuer, mo­ torbezogene Versicherungs­ steuer), die Vermögenssteuer abgeschafft, das Stiftungs­

recht eingeführt oder auch den schwarzblauen Pension­ sraub von 2004 sowie die Senkung der Körper­ schaftssteuer nicht rück­ gängig gemacht. Mit dem Untergang von Konsum und BAWAG gingen zudem neben den Verankerungen in der ehemaligen Verstaatlichten Industrie zwei wichtige Grundpfeiler verloren. Bereits 1999 zeigte sich in der Operation Spring, dass auch ein sozialdemokrat­ ischer Innenminister ge­ genüber AsylwerberInnen nicht zimperlich sein muss und daher Differenzen mit

Wiener Landtagswahl im Oktober: Die reaktionären Kräfte scharen sich um FPÖ-Obmann Strache. Im Bild mit Ursula Stenzel, ehemals ÖVPBezirksvorsteherin der Inneren Stadt, jetzt auf Platz 3 der FPÖ-Landesliste der FPÖ in der Asylpolitik spätestens seitdem über­ windbar erscheinen. Aktuell ist zu sehen, dass die provis­ orische Unterbringung von Flüchtlingen in Notunterkün­ ften und die Befürwortung der Schaffung von Auffangla­ gern an den EU Grenzen durch ÖVP Innenministerin Mikl­Leitner auf wenig Wider­ stand in der SPÖ stoßen. Mangels fundamentaler realpolitischer Differenzen war eine Zusammenarbeit der SPÖ mit der FPÖ nur noch eine Frage der Zeit. Es darf nicht vergessen werden, dass die erste Regierungs­

Erklärung des CoReP: Freie Einreise für Flüchtlinge aus Ostafrika und Westasien nach Europa!

beteiligung der FPÖ auf Bundesebene im Jahr 1983 unter dem sozialdemokrat­ ischen Kanzler Fred Sinowatz über die politische Bühne ging. Trotz des scheinbaren Übergewichts des “liberalen” Flügels unter Norbert Steger konnte auch damals kein Zweifel darüber bestehen, dass die FPÖ als Nachfolge­ partei des “Verbands der Un­ abhängigen” nach wie vor die bevorzugte Heimat alter und neuer Nazis war, wenn es um ein “gemäßigtes” Auftreten nach Außen ging. Im Burgenland – der polit­ ischen Heimat von Fred

ISSN: 2220­0657


Innenpolitik SPÖ-Wahlwerbung einst und jetzt: In der Hochblüte des Reformismus in den 20er und 30er Jahren konnte die Sozialdemokratie die Massen durch deutliche Verbesserungen des Lebensstandards an sich binden. Unter dem Eindruck der Oktoberrevolution in Russland musste sich die Partei radikal gebärden, um die Arbeiterinnen und Arbeiter um sich zu scharen. Heute bestätigt die SPÖ gerade noch, dass die Krise wirklich ungut ist... Sinowatz – hat sich SPÖ Landeshauptmann Niessl jet­ zt ebenso einfach die kleinere Partei als Koalitionspartner ausgesucht, um in der Landesregierung mehr Gewicht zu haben. Aus­ gemacht war die rotblaue burgenländische Koalition of­ fenbar bereits vor der Wahl und somit stand die neue Landesregierung binnen einer Woche. Was rein formell be­ trachtet ein Verstoß gegen einen gültigen Parteitags­ beschluss ist und somit den Parteiausschluss nach sich zieht, wurde von Bundes­ parteivorsitzendem Faymann mit der autonomen Entscheidung einer Landes­ organisation gegen den Protest der Jugendorganisa­ tionen und anderer Teile der Partei vom Tisch gewischt. In der Steiermark fiel die SP­VP­Niederlage mit dem „Brandbeschleuniger“ Ge­ meindestrukturreform weit deutlicher aus und hat drei (SP, VP, FP) etwa gleich große Parteien hervor gebracht. Mit ihrem Vorsitzenden Franz Voves hat sich die steirische SP bundesweit immer wieder als der “linke Flügel” der Partei präsentiert – immer, wenn der Druck der Arbeiter und Arbeiterinnen in den Überresten der steirischen In­ dustriegebiete zu stark wurde, gab Voves Soziales

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von sich. Allein, den Worten folgten keine Taten. Aber in der Praxis ist Voves, so wie jeder SP­Landeskaiser, ein treuer sozialpartnerschaft­ licher Verteidiger dessen, was sich so hübsch “Mark­ twirtschaft” nennt. Und auch die sozialdemokratischen Gewerkschafter in der Steier­ mark sind ganz vom systemerhaltenden Geist der angeblichen “Sozialpartner­ schaft” durchtränkt. In der Metallerlohnrunde 2012 zeigte sich die Basis in den steirischen Betrieben kampf­ bereit und legte sogar spon­ tan die Arbeit niederl – ihre gewerkschaftlichen Führer aber wiegelten ab, pfiffen die Belegschaften zurück, kapit­ ulierten vor den Un­ ternehmern. Der Verrat der sozialdemokratischen Bürokraten treibt die Arbeit­ erinnen und Arbeiter den populistischen Demagogen der FPÖ geradezu in die Hände. Die FPÖ hämmerte unver­ drossen auf Themen wie Arbeitslosigkeit, teure Wohnungen und “Ausländer” ein – und traf damit die Voves­Faymann­SP tief ins Mark. Wie sollte denn ein Landeshauptmann, der unun­ terbrochen seine angeblichen Erfolge rühmen musste, das Thema Arbeitslosigkeit halb­ wegs glaubhaft angehen,

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ohne das von ihm heiß­ geliebte kapitalistische Wirtschaftssystem zumindest ansatzweise in Frage zu stel­ len? Wie sollte man mit Rück­ sicht auf den schwarzen Koalitionspartner Vorschläge gegen den Wohnungs­ und Mietwucher machen? Während eine Antwort von “der” traditionellen Kraft der steirischen Arbeiterinnen und Arbeiter ausblieb, kon­ nten die Freiheitlichen mehr­ ere Fliegen mit einer Klappe schlagen: Mit den “Aus­ ländern” präsentierten sie einen “Generaltäter”, der an allem Schuld ist: der den “fleißigen und ehrlichen” Lohn, Brot und Wohnung raubt, an den ohnehin gerin­ gen Sozialtöpfen zehrt und überhaupt laut und uninteg­ riert ist. Das fatale Ende vom sozialdemokratischen Lied – Voves, der sich plötzlich un­ beholfen mit Scharia­Meth­ oden zum Integrationseinpeitscher machte – war nur noch der letzte Guss kalten Wassers auf die Mühlen der freiheit­ lichen Propaganda… Die KPÖ verlor leicht und blieb eine stabile Kleinpartei. Ihr Versuch, die sympathis­ che reformistische “Linke mit Herz” zu symbolisieren, kon­ nte in der polartisierten Polit­ landschaft keine neuen Schichten ansprechen.

Leichte Zugewinne in beiden Bundesländern konnten die Grünen verzeichnen. Der von den Bundesregier­ ungsparteien erhoffte posit­ ive Effekt der Steuerreform 2016 war in beiden Landtag­ swahlergebnissen nicht erkennbar. Zu weit liegt sie in der Zukunft, zu unbestimmt ist die Gegenfinanzierung und wer so wie etwa 400.000 Menschen in Österreich gar keine Arbeit hat, profitiert gar nicht von der Steuerreform. Die nicht erkennbare Kom­ petenz in ihrem Kernthema Arbeit war der Hauptgrund für das Wahldebakel der SPÖ, das ihr jetzt auch in Wien und Oberösterreich droht. Eine Trendumkehr ist nicht in Sicht. Eine Partei, die keine klar erkennbaren Verbesser­ ungen der Lage der Lohnab­ hängigen erreicht und nur ein gelegentlich verbal fortschrit­ tliches Anhängsel im bürger­ lichen Parteienspektrum ist, wird selbst für die Stamm­ wählerschaft entbehrlich. Im Umfeld der Rekordarbeitslosigkeit fallen altbekannte rechtsextreme „Ausländer raus!“ Pseudolösungen auf frucht­ baren Boden, während die Verteilung des Milliarden­ erbes eines kürzlich ver­ storbenen österreichischen Supermarktkettengründers sowie anderer Vermögen nur


Innenpolitik

Füllmaterial für die Boulevardzeitungen ist. Die Rettung und Erneuer­ ung der SPÖ, einer bürger­ lichen Arbeiterpartei, kann nicht die Aufgabe von Re­ volutionärInnen. Die nicht von der Hand zu weisende Möglichkeit einer “Implosion” der SPÖ verändert die Kampfbedingungen für die bewusstesten Teile der Arbeiterklasse und die Re­ volutionäre aber beträcht­ lich, und die Wiener Wahlen könnten diese Tendenz noch verstärken. Die Bereitschaft von Teilen des SP­ und Gew­ erkschaftsapparates, in ihrer panischen Angst vor einem

noch größeren Bedeutungs­ verlust Koalitionen mit den Freiheitlichen einzugehen, trägt für sie das Risiko einer Parteispaltung in sich. Eine solche Spaltung könnte zwar zu einer Politisierung des gesamten sozialdemokrat­ ischen Spektrums führen, let­ zten Endes würden aber hier zwei bürokratische Fraktion­ en die Klingen kreuzen, die sich taktisch darüber in die Haare geraten, wie man die Arbeiterinteressen am effekt­ ivsten verraten kann – und im Bündnis mit welcher offen bürgerlichen Partei. Andererseits würde eine solche Entwicklung aber die

Chance bieten, die bewusst­ esten Teile der Basis der SPÖ, ihrer Jugendorganisationen und der Gewerkschaften von ihrer verräterischen Führung wegzubrechen und mit ihnen die Perspektive der Schaffung einer neuen revolutionären ArbeiterInnenpartei abseits von Reformismus und Stalin­ ismus, mit einer wirklichen sozialistischen Orientierung und dem Ziel des revolu­ tionären Sturzes der Bour­ geoisie und dem Aufbau eines ArbeiterInnenstaates im Verbund der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa zu diskutieren.

Impressum: Eigentümer, Herausgeber, Druck: Die politische Partei Gruppe Klassenkampf. Druckort: Wien

Das Kollektiv Permanente Revolution(CoReP) www.revolucionpermanente.com Frankreich: GROUPE MARXISTE INTERNATIONALISTE http://groupemarxiste.info Peru: REVOLUCION PERMANENTE (PERU) http://luchamarxista.blogspot.fr/

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Innenpolitik

Wie das Gerede vom „Tabubruch Reformismus ablenkt Ein neues Wort geht um in der reformistischen und zentristischen “Linken”. Selbst lachsrosa getünchte Leitartikler schleudern es dem burgenländischen SPOberbonzen Hans Niessl entgegen, schaudernd sprechen es sozialdemokratische Jugendfunktionäre und diejenigen, die seit gut einem Vierteljahrhundert (erfolglos) den “revolutionären Massenflügel” in der SPÖ aufbauen wollen, aus: TABUBRUCH! Als solchen bezeichnen die erwähnten politischen Strömungen und Individuen die Koalition zwischen SPÖ und FPÖ im Burgenland. Dass LH Niessl damit (angeblich) einen SP­Bundesbeschluss gebrochen hat, mag ein Bruch einer ohnehin nicht vorhandenen Parteidisziplin gewesen sein; das ist aber nicht unser Problem, sondern jenes der SP­Führung. Zum Vergleich: Originellerweise hat ausgerechnet im burgen­ ländischen Eisenstadt die SPÖ­Parteibürokratie 1969 eine Erklärung veröffentlicht, die offiziell bis heute nicht aufgehoben wurde und in der jede Form der Zusammen­

arbeit mit “Kommunisten” ausgeschlossen wird – ein bürokratisches Verbot jeg­ licher Einheitsfront zwischen Arbeiterorganisationen also. In der Praxis haben sich vor allem die sozialdemokrat­ ischen Jugend­ und Studen­ tInnenorganisationen immer wieder über die “Eisenstädter Erklärung” hinweggesetzt (und wurden dann von oben entsprechend getriezt). Was lediglich illustrieren soll, dass Parteibeschlüsse in der SPÖ immer und zuallererst taktische und Machtfragen sind. Rekapitulieren wir: Seit 1945 war die SPÖ auf Bundesebene nur 17 Jahre

Tabubruch: Bei Beginn des 1. imperialistischen Weltkrieges ging die sozialdemokratische Parteiführung in das Lager der „eigenen“ Bourgeoisie über. Welcher Verrat an längst aufgegebenen Prinzipien kann da noch überraschen?

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lang nicht in Koalitionen mit offen bürgerlichen Parteien. Zwischen den Jahren 1966 und 1987 sowie 2000 und 2007 gab es keine Große Ko­ alition auf Bundesebene, zwischen 1983 und 1986 hat­ ten die Sozialdemokraten eine Kleine Koalitionsregier­ ung mit der FPÖ angeführt. Selbstverständlich gibt es zwischen ÖVP und FPÖ bez­ iehungsweise ihrer Vorläufer­ partei, dem VdU,

ideologische Unterschiede. Allerdings: Während sich die (bisher) größte Partei des ös­ terreichischen (Klein)Bür­ gertums und der reicheren bäuerlichen Schichten aus der christlich­sozialen und später austrofaschistischen “Traditionslinie” entwickelt hat, stehen bei der FPÖ der Deutschnationalsozialismus und der Nazifaschismus Pate. Und genau hier muss die Kritik am derzeitigen “Ta­


Innenpolitik

h“ vom historischen Verrat des

bubruch”­Gesudere ansetzen. Die Tendenz darf nicht dahin gehen, die “demokratischere” bürgerliche ÖVP als besser, akzeptabler hinzustellen als die “rechtspopuilistische, rassistische” FPÖ (manche “Linke” machen ja seit Jahren sogar den fatalen Fehler, die FPÖ als “Nazipartei” zu bekämpfen, was nicht nur politisch falsch, sondern taktisch auch völlig un­ produktiv ist). Der tatsächliche “Ta­ bubruch” der Sozialde­ mokratie, wenn wir dieses moralisierende Wort wirklich gebrauchen wollen, hat heuer 101­jährigen Geburtstag ge­ feiert: Das war der Übergang der meisten sozialdemokrat­ ischen Parteien ins Lager der “eigenen” Bourgeoisie bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges; das war die “Burgfriedenspolitik”, mit der während des Weltkrieges die Interessen der Arbeiter jenen der kriegführenden imperial­ istischen Mächte untergeord­ net wurden. Dieser “Sozialpatriotismus”, den die internationalistichen, marx­ istischen Kräfte vehement bekämpften, war wiederum das kristallisierte Produkt des Reformismus in den sozi­ aldemokratischen und gew­ erkschaftlichen Massenorganisationen, jener Strömung, die den Kapitalis­ mus durch gutes Zureden und den Stimmzettel besser, menschlicher, “gerechter”

machen wollte. Man kann nicht über Niessl jammern und oder schimpfen und die Augen davor ver­ schließen, dass in der Bundesregierung der ewig lächelnde und buchstäblich nichtssagende SP­Kanzler Faymann mit der schwarzen Frau Johanna Mikl­Leitner eine Politikerin am Tisch des Ministerrats sitzen hat, die in der “Ausländerfrage” eins zu eins das praktiziert, was FP­ Strache fordert: Grenzen zu, Abschiebungen, Behörden­ willkür, um Österreich so aus­ länderunfreundlich wie nur möglich zu machen; mit dem Bürschchen Sebastian Kurz einen Außenminister, bei dem man nicht weiß, ob er eine Sprechpuppe von Frau An­ gela Merkel (Ukraine und Griechenland oder eben auch des Herrn Strache (“Kürzt die Sozialausgaben für EU­ Zuwanderer”) ist. Revolutionäre lehnen jede Form der Koalition mit bür­ gerlichen Parteien ab. Das ist keine abstrakt­ideologische Frage, sie ergibt sich aus klar­ en und verständlichen polit­ ischen Überlegungen, die der mathematischen Mengen­ lehre entnommen sein kön­ nten: Jede Koalition muss zwangsläufig eine Schnittmenge aus den ge­ meinsamen politischen Vor­ stellungen ihrer Einzelkomponenten sein. Damit wird sie automatisch zur Exekutorin der rücksch­

rittlichsten Programmpunkte einer der beteiligten Parteien – sonst wäre sie ja sinnlos und zerbräche noch vor ihrer Bildung. Wer rot­blau im Burgenland ablehnt, muss auch rot­ schwarz auf Bundesebene ablehnen. Statt verzweifelt ein “Machtwort” der Bundes­ partei gegen den kleinen Ma­ chiavelli im Burgenland zu fordern, müsste man kon­ sequent fordern: “ÖVP raus aus der Regierung”. Wenn wir heute in Diskus­ sionen mit Mitgliedern der SPÖ vorschlagen, sie sollten ihre Parteiführung mit dieser Forderung konfrontieren, dann tun wir das nicht, weil wir irgendwelche Illusionen in diese Partei haben, die seit Jahrzehnten eine rein bürger­ liche Politik betreibt. Wir tun das deshalb, um jenen Arbeit­ erinnen und Arbeitern, die nach wie vor, wenn auch mit immer größerem Abscheu, in der SPÖ in verzerrter Form “ihre” Partei sehen, zu helfen, den wirklichen Charakter dieser Partei zu verstehen. Über ihren Einfluss in den Gewerkschaften und damit in den Betrieben präsentiert sich die SPÖ immer noch als Arbeiterpartei. Das macht auch – noch – ihren Wert für die herrschende Klasse aus. Solange der Einfluss der SPÖ groß genug ist, eventuelle Arbeiterproteste zu kanalis­ ieren oder im Keim zu er­ sticken (Stichwort:

Sozialpartnerschaft), wird sie noch gebraucht. Durch ihre bürgerliche Politik zerstört die SP­Bürokratie diesen politischen Einfluss immer mehr, sie begeht einen lang­ samen und qualvollen Selbst­ mord. Leider zieht sie damit aber auch immer mehr Arbei­ terinnen und Arbeiter und Ju­ gendlich mit in den Abgrund. Ihre Integration in den bür­ gerlichen Staat, ihr Schönre­ den des Kapitalismus, ihr Kampf gegen den Sozialismus liefert ihre Basis schutzlos den Angriffen von Seiten der kleinbürgerlichen Demagogen der FPÖ aus. Den einzigen Schutzwall gegen die bürger­ lichen Attacken auf allen Ebenen – auf Sozialleistun­ gen, Löhne, Arbeitszeit, ge­ gen Migrantinnen und Migranten, gegen das Er­ starken konservativer und reaktionärer gesellschaftlich­ er Verhaltensweisen – bietet einzig und allein ein be­ wusster, entschlossener und gut geführter Klassenkampf der Werktätigen gegen die Herrschenden. Den Klassen­ kampf von oben erleben wir jeden Tag – damit wir zurüch­ schlagen können, müssen wir eine revolutionäre Alternative aufbauen – eine international­ istische revolutionäre Arbeit­ erinnen­ und Arbeiterpartei als Teil einer neuen revolu­ tionären Internationale.

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Geschichte

Zum 70. Jahrestag der Atomb Hiroshima und Nagasaki V

or 70 Jahren gab die US-Regierung unter Präsident Truman den Befehl zum Abwurf der beiden ersten Atombomben. Am 6. August wurde Hiroshima angegriffen. Rund 90.000 Menschen wurden sofort getötet, an den Spätfolgen starben bis zu 166.000. Der Bombenabwurf über Nagasaki am 9. August dürfte bis zu 80.000 Tote gefordert haben, rund 75.000 Menschen erlitten teilweise schwerste Verletzungen. Bei allem Fanatismus des Oberkommandos der japanischen Streitkräfte war Japan im August 1945 längst militärisch am Ende und zu Verhandlungen über Kapitulationsbedingungen bereit. Die Flotte und die Luftwaffe Japans waren größtenteils zerstört. Zwei Drittel der japanischen Großstädte waren zerbombt und die US Luftwaffe beherrschte den japanischen Luftraum. Nach der Niederlage des deutschen Naziregimes – hauptsächlich unter den Schlägen der sowjetischen Truppen – hatte die Sowjetunion Japan den Krieg erklärt. Den amerikanischen und britischen Geheimdiensten war bekannt, dass die japanische Regierung im Fall eines sowjetischen Angriffs kapitulieren würde. Die Konferenzen von Jalta (Februar 1945) und Potsdam (Anfang August 1945) besiegelten einerseits die Neuaufteilung der Welt – andererseits markierten sie den Beginn des „Kalten Krieges“. Sowohl die amerikanischen Imperialisten wie die stalinistische Bürokratie fürchteten nichts so sehr wie eine revolutionäre Welle als Folge des 2. Weltkrieges, ähnlich jener, die am Ende des 1. Weltkrieges die russische Revolution begünstigt und eine Machtergreifung der Arbeiter in verschiedenen europäischen Ländern in greif-

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bare Nähe hatte rücken lassen. Andererseits konnte sich der Imperialismus niemals mit der Existenz von nichtkapitalistischen, obschon degenerierten oder deformierten Arbeiterstaaten, abfinden und bereitete daher mit verschiedenen Mitteln die Restauration des Kapitalismus in der UdSSR und den von ihr kontrollierten Ländern vor. Die Atombomben auf japanische Großstädte sollten einerseits die Ausweitung des sowjetischen Einflusses in Ostasien stoppen, die Einsetzung einer dem US-Imperialismus hörigen Regierung beschleunigen und die japanische Arbeiterklasse, in der es starke sozialistische Tendenzen gab, schwächen. Zu Recht entlarvte die Zeitung der amerikanischen trotzkistischen Sozialistischen Arbeiterpartei (SWP), „The Militant“, in ihrer Ausgabe vom 18. August die heuchlerische Rechtfertigung dieses zweifachen Massenmordes durch den US-Präsidenten als „humanitäre Tat“. Truman hatte in seiner Radioansprache behauptet, man habe mit Hiroshima eine „Militärbasis“ angegriffen, um „soweit wie möglich die Tötung von Zivilisten“ zu verhindern. „The Militant“ antwortete: „Was sind 'ungesetzliche' und 'inhumane' Methoden der Kriegführung für die kapitalistischen Imperialisten? Das ist der Einsatz von zerstörerischen Waffen durch konkurrierende Imperialisten. Was ist 'gesetzliche' und 'humane' Kriegsführung? Der Einsatz jeder

Waffe, egal wie furchtbar, gegen welche die rivalisierenden Imperialisten nicht zurückschlagen können“. Damals wie heute begehen die imperialistischen Mächte


Geschichte

bombenabwürfe von weltweit die schlimmsten Verbrechen im Namen der „Humanität“. Im Namen der „Humanität“ bewaffnen amerikanische und europäische Imperialisten islamisch-fundamentalistische Kräfte, angeblich im Kampf gegen „undemokratische Regimes“ die dann in den von ihnen kontrollierten Gebieten mit größter Brutalität die Arbeiter, Bauern, Frauen, die Jugend, Angehörige nationaler, religiöser oder sexueller Minderheiten verfolgen und massakrieren; im Namen des „Humanismus“ unterdrückt der zionistische israelische Staat die arabische und palästinensische Bevölkerung in seinem Land und den von ihm besetzten Gebieten; mit „humanitärer Hilfe“ rechtfertigt der französische Imperialismus seine Militärinterventionen in Afrika (Mali, Zentralafrikanische Republik). „Humanitär“ ist die Ausplünderung des Irak durch den amerikanischen Imperialismus, etc. „Humanitär“ ist die militärische Unterstützung der Poroschenko-Clique in der Ukraine und der diversen neonazistischen Milizen durch die NATO, genauso wie die Unterstützung reaktionärer nationalistischer Verbände in der Ostukraine durch die russischen Imperialisten. Auch wenn der österreichische Imperialismus nur ein kleines Licht ist – durch die Beteiligung an „humanitären Einsätzen“ unter dem Mandat der UNO oder der OSZE will auch die österreichische Bourgeoisie bei der Ausplünderung und Neuaufteilung der Welt mitmischen. In den vergangenen Jahren war die Verhinderung angeblicher Atomwaffenpläne des Iran der Vorwand für ein internationales Embargo und Sanktionen unter US-amerikanischer Führung; gleichzeitig haben die Imperialisten keine Probleme damit, dass permanent kriegführende Verbündete wie Israel mit Atomwaffen ausgestattet

sind. Pazifistische Appelle an die Mächtigen haben nie und werden nie Massaker wie jene von Hiroshima und Nagasaki verhindern. Im Zeitalter des Imperialismus sind Kriege eine zwangsläufige Folge des Kampfes zwischen den rivalisierenden Mächten um wirtschaftliche und militärische Bastionen, um die Kontrolle von Märkten, billigen Arbeitskräften, um die Beherrschung von Nachschubwegen und Rohstoffen. Vor gut 100 Jahren hat der deutsche Internationalist und Sozialist Karl Liebknecht, zu einem Zeitpunkt, als der Erste Weltkrieg seinen vollen Schrecken entfaltete, eine klare Losung ausgegeben: „Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“. Egal wo, egal in welchem Land – die Grenze verläuft nicht zwischen Menschen unterschiedlicher Nationalität, unterschiedlichen Geschlechts, unterschiedlicher Religion – sie verläuft zwischen oben und unten, zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten, zwischen Kapitalisten und Arbeitenden. Die Profitgier der Kapitalisten richtet sich gegen die Ausgebeuteten im eigenen Land, gegen die imperialistischen Konkurrenten (auch wenn das vielleicht zufällig gerade Verbündete sind). Der Sturz des Kapitalismus im Weltmaßstab ist die Voraussetzung für eine friedliche Welt. Um dieses Ziel zu erreichen, benötigen die Arbeiterinnen und Arbeiter aller Länder eine neue revolutionäre Arbeiterinternationale, die auf der Grundlage eines marxistischen internationalistischen Programms den Weg zum Sozialismus weist.

GRUPPE KLASSENKAMPF Die Gruppe Klassenkampf (GKK)

xistischen Studienzirkel (MSZ) und

ist die österreichische Sektion des Kol-

beteiligt sich an politischen Aktionen im

lektivs Permanente Revolution,

Interesse der österreichischen und inter­

das aus Sektionen in Frankreich, Peru

nationalen Werktätigen.

und Österreich besteht und eng mit der Bewegung zum Sozialismus in Russland

Unter anderem haben wir in Japan mit

zusammenarbeitet.

der radikalen Eisenbahnergewerkschaft

Die GKK gibt die Zeitung KLASSEN-

Doro Chiba bei der Solidaritätsarbeit

KAMPF heraus, organisiert den Mar- für die Opfer der Katastrophe von Fukus­

www.klassenkampf.net | gruppe.klassenkampf@gmail.com Öst. Sektion des Kollektivs permanente Revolution (CoReP) Impressum: Hersteller, Verleger, Druck ist die politische Partei Gruppe Klassenkampf , Druckort: Wien

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Internationaler Klassenkampf

Neapel: Feuerwehrmann mit Geigerzähler untersucht MafiaMülldeponie

ITALIEN:

SCHMUTZIGE GE D

er Kapitalismus ist ein widerliches, menschenverachtendes und zerstörerisches Gesellschaftssystem. In Italien haben Ereignisse in den letzten Monate dies eindrucksvoll exemplarisch belegt. Im April 2015 riss der Untergang eines Bootes im Mittelmeer ca. 600 afrikanis­ che Flüchtlinge in den Tod, was eine asylpolitische De­ batte in der EU gefolgt von zahlreichen Versprechen aus­ löste. Der italienische Min­ isterpräsident Renzi tat sich am 20.5.2015 damit hervor, dass er die Bergung des ge­ sunkenen Flüchtlingsboots

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und seiner Toten mit geschätzten Kosten von 20 Mio. EUR ankündigte, was den anderen EU Staaten das Ausmaß der Flüchtling­ stragödie vor Augen führen sollte. Das angebliche Mitgefühl des italienischen Staates für die verzweifelte Lage von afrikanischen Flüchtlingen dauerte allerdings nicht lange an. Schon am 15.6.2015 kündigte Italiens Innenminis­ ter Alfano – analog seiner ös­ terreichischen Amtskollegin Mikl­Leitner – ein härteres Vorgehen in der Asylpolitik sowie eine intensive Zusammenarbeit mit den nordafrikanischen Staaten an,

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um weitere Migration nach Europa zu reduzieren. Am 19.6.2015 – also nur wenige Tage später erschüt­ terte ein Umweltskandal Itali­ en: 40 Kilometer nördlich von Neapel hatten italienische Be­ hörden die größte jemals in Europa entdeckte Giftmüllde­ ponie gefunden. Notdürftig mit nur 10 cm Erdschicht be­ deckt lagerten etwa 2 Mio. Kubikmeter Industrieabfälle. Das Ausmaß der illegalen De­ ponie betrug etwa 24 Hektar. Herkunft, Lagerdauer und die von der Mülldeponie ausge­ hende Gesundheitsgefahr für die Bevölkerung sind Gegen­ stand der polizeilichen Er­ mittlungen. In der Umgebung von Neapel wurden in den

letzten Jahren zahlreiche ille­ gale Mülldeponien entdeckt. Die Krebsraten in diesen Ge­ bieten liegen 80 % über dem landesweiten Durchschnitt. Es werden im Raum Neapel weitere 10 Mio. Tonnen Gift­ müll vermutet. Als Drahtzieher gilt der Mafiaclan Casalesi. Die itali­ enische Umweltorganisation Legambiente schätzt die Ein­ nahmen der Mafia aus der Giftmüllentsorgung auf 20 Mrd. EUR jährlich. Bereits 2008 hatte Casalesi Clanchef Gaetano Vassallo den Ermit­ tlern gegenüber zugegeben, mehr als 20 Jahre lang lokale Beamte geschmiert und so die illegale Müllentsorgung am Laufen gehalten zu haben.


Innenpolitik Ein erster Schritt in der Solidaritätsarbeit für die streikenden Kolleginnen und Kollegen bei Tyrolit San Luis (Argentinien) war die Kundgebung vor dem Swarowski-Shop in der Wiener Innenstadt am 1. Juni, an der sich Genossinnen und Genossen von GKK, Arbeiter*Innen-standpunkt, la 6ta Intern.(acional) EZLN und Unorganisierte beteiligten. Mitaufgerufen hatten arka und IGLA. In kurzen Ansprachen auf Deutsch, Englisch und Spanisch wurden Passantinnen und Passanten über den Arbeitskampf bei bei Tyroilit informiert. Außerdem verteilten wir mehrere hundert Flugblätter.

Argentinien: Tyrolit-Arbeiter erreichen 35 % Lohnerhöhung… … aber die sozialen Auseinandersetzungen gehen weiter

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ESCHÄFTE Angesichts des jährlich 20 Mrd. EUR schweren Gift­ müllgeschäfts der Mafia erzeugen die angekündigten Verschärfungen in der Asyl­ politik selbst bei hart­ gesottenen Kapitalismuskritikern Fas­ sungslosigkeit. Rassismus und Nationalismus sind wichtige Methoden des Kapit­ alismus, um die Arbeiter­ Innenklasse zu spalten und Korruption ist Teil dieses auf Ausbeutung und Unterdrück­ ung basierenden Gesell­ schaftssystems. Für die Steigerung der Profite in Form von Vermeidung von Kosten werden die Er­ rungenschaften des Humanis­ mus mit dem Ertrinkungstod

der Flüchtlinge über Bord der Flüchtlingsboote geworfen und der Krebstod tausender Menschen in Italien in Kauf genommen. Es sind nicht die Machenschaften krimineller Banden in Kooperation mit korrupten Beamten bzw. die Hartherzigkeit von Ministern, die Elend und Siechtum ver­ ursachen. Es ist das kapital­ istische Gesellschaftssystem, dessen Beseitigung durch eine sozialistische Revolution längst überfällig und der ein­ zige Ausweg aus der Misere ist.

m 5. Mai haben die streikenden Arbeiter bei Tyrolit San Luis einen Sieg erringen können: Die Geschäftsführung musste einer Lohnerhöhung von 35 % zustimmen und die Kündigung von 15 Kollegen nach einer Zwangsschlichtung zurücknehmen. Ein einmonatiger Streik war diesem – für die Arbeiter günstigen – Ergebnis vorausgegangen. Kampflos wollte das Tyrolit­Management aber nicht nachgeben: Den Mitgliedern des Streikkomitees bzw. Be­ triebsräten wird mit Schadenersatzklagen gedroht. Das ist eine Form der Repression gegen Arbeitskämpfe in Argentini­ en, die sich in den letzten Jahren immer stärker durchgeset­ zt hat. Das ist auch einer der Gründe, warum die Kollegen bei Tyrolit San Luis an den großen Mobislierungen der Arbeiter­ innen und Arbeiter immer solidarisch teilgenommen haben – auch an der jetzigen landesweiten Protest­ und Streikwelle, die von der Gewerkschaft der Transportarbeiter ausgegan­ gen ist. Die Regierung von Cristina Kirchner tut alles, um den Un­ ternehmern bei der Eindämmung der kämpferischen Arbeit­ er beizustehen. weiter auf der nächsten Seite

Die Gruppe Klassenkampf kontaktieren:

gruppe.klassenkampf@gmail.com Unsere Postadresse: Gruppe KLASSENKAMPF Stiftgasse 8 A-1070 Wien September 2015 | Nummer 23

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Internationaler Klassenkampf

Streikposten bei Tyrolit San Luis

Sojero de Belgrado, ein Mit­ glied des Streikkomitees bei Tyrolit, erklärte uns, dass gut die Hälfte der argentinischen Arbeiterinnen und Arbeiter weniger als 5.500 Pesos (ungefähr 540 EUR) im Monat verdienen. Dementsprechend war die Empörung bei den Arbeitern groß, als die Metallergew­ erkschaft (die aus der peron­ istischen Tradition kommt) zuletzt einem Lohnabschluss von 27 % zustimmte – der Zielvorgabe der Regierung und der Unternehmer. Zugleich drohen Massen­ entlassungen in sogenannten “unrentablen” Betrieben – im Klartext: Die Löhne sollen weiter gedrückt und die akt­ ivistischen Kader aus den Be­ trieben gesäubert werden. Bei nationalen Streiktag am 9. Juni blockierten Arbeiter­ innen und Arbeiter, Gew­ erkschafter und Vertreter der Arbeiterorganisationen unter anderem die zentralen Zu­

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fahrtsstraßen zur Hauptstadt Buenos Aires. In der ersten Reige der Blockade standen die Arbeiter von Worldcolor, die gegen 280 Entlassungen kämpfen; Delegierte von Kraft, Donnelley, Lear, Kraft, Pepsico, Cadbury (Kraft Vic­ toria), Printpack, Siderca und anderer Betriebe in der nörd­ lichen Region des Landes, die gegen Betriebsstillegungen, Massenkündigungen und Einschnitte bei den Sozialleis­ tungen kämpfen. Am kommenden Samstag werden sich die Kollegen von Tyrolit an einer Aktion in Bueons Airese beteiligen (wir werden berichten). Solidarität in Österreich – wie weiter? Auf Grund der schlechten Informationslage konnten wir leider erst (zu) spät mit der Solidaritätsarbeit beginnen – zu Ende ist sie aber noch lange nicht. In einer Presseaussendung von Tyr­ olit vom 13. Februar 2015

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heißt es: “Mit rund 602 Mil­ lionen Euro wurde ein Rekordumsatz in der fast ein­ hundertjährigen Un­ ternehmensgeschichte erzielt und erstmals die 600 Million­ en Euro­Marke durchbrochen. ‘Wir hatten ein gutes Jahr 2014 und liegen vom Umsatz in allen vier Geschäfts­ bereichen über dem Vorjahr. Auch für das Geschäftsjahr 2015 sind wir zuversichtlich’, kommentiert Dr. Christoph Gerin Swarovski, Mitglied der Geschäftsführung der TYR­ OLIT Gruppe, das Geschäfts­ jahr 2014 . Der Streik bei Tyrolit Argen­ tinien hat ein grelles Schlag­ licht auf die Praktiken eines österreichischen “Vorzeigeb­ etriebes” in einem vom Im­ perialismus dominierten Land geworfen. Dieses Beis­ piel sollte zunächst einmal den Blick dafür schärfen, dass österreichische Kapital­ isten, wo immer sie können, tatkräftig im Chor der

“großen” Imperialisten mit­ machen. Zugleich hat sich gezeigt, dass es dringend notwendig ist, die Kontakte mit den Kolleginnen und Kollegen in den ausländischen Niederlas­ sungen österreichischer Konzerne aufzubauen, um gegebenenfalls rasch auf Aus­ einandersetzungen reagieren zu können. Da immer wieder Kollegen von Tyrolit Schwaz nach Ar­ gentinien geschickt werden, um dort Maschinen zu warten oder an Schulungen teilzunehmen íst es sich nach wie vor sinnvoll und not­ wendig, die Kolleginnen und Kollegen in Schwaz über die Arbeits­ und Lebensbedin­ gungen ihrer Klassenbrüder­ und schwestern in San Luis zu informieren. PROGE und GPA­DJP sind ebenso wie der Betriebsrat dazu aufgerufen, diese Aufklärungsarbeit zu unter­ stützen.


Kollektiv Permanente Revolution / CoReP

Fortsetzung von Seite 12

Charlie Hebdo-Titelseite: Im Mittelmeer wird das Programm der Front Nationale umgesetzt Planeten überall hin. Das imperialistischen Welt­ system, das heißt die welt­ weiten kapitalistischen Konzerne und die Staaten, die den Interessen der Kapit­ alisten dienen (USA, China, Deutschland, Japan, Frankreich, Großbritannien, Russland …) hält den größten Teil der Welt in Ar­ mut. Die imperialistischen Staaten testen nicht nur ihre Zerstörungsmittel an den Bevölkerungen in Afrika und Asien, sondern verkaufen sie an alle bürgerlichen Staaten, selbst die despotischen und islamistischen, wie die Reise des französischen Premier­ ministers Hollande nach Riad am 4./5. Mai zeigt. Manchmal verhängen diese Großmächte und ihre UNO auf Kosten der Bevölkerung Wirtschaftsblockaden (gestern gegem den Irak, heute gegen den Iran). Die imperialistischen Staaten in­ tervenieren militärisch in den beherrschten Ländern

(Irak, Libyen, Syrien, Ukraine, Mali …). Regionalmächte (Saudi­Arabien, Iran, Israel …), die mit einigen von ihnen verbunden sind, nehmen an Kriegen in ihrer Nach­ barschaft (Syrien, Irak, Jemen …) teil oder kolonisieren sie sogar (Palästina). Islamisch­ faschistischen Banden, die ursprünglich von den USA, Is­ rael, der Türkei und den Golf­ staaten groß gemacht wurden, haben sich nun ge­ gen ihre Herren gewandt und greifen die Arbeiterbewe­ gung, Frauen, religiösen und nationalen Minderheiten an … Seit ihrer Entstehung ist die menschliche Spezies immer gewandert. Alle unsere Vor­ fahren kamen aus Ostafrika. Die Bevölkerungszusam­ mensetzung des wirtschaft­ lich, wissenschaftlich und technologisch am weitesten entwickelten Landes der Welt, der Vereinigten Staaten, ist das Ergebnis von mehrer­ en Migrationswellen – im his­

torischen Maßstab – jüngsten Datums. Aber der dekadente Kapitalismus ist nicht in der Lage, jenes Hindernis für den Fortschritt zu überwinden, den die Staatsgrenzen darstellen, insbesondere in Europa. Die Mehrheit der ein­ zelnen nationalen Bourgeois­ ie hat sich heute dazu entschlossen, die Arbeiter nach Nationalitäten zu spal­ ten. Alle bürgerlichen Parteien der Welt halten am rückschrittlichen Nationalis­ mus fest und pflegen den Fremdenhass. Der Liberalis­ mus wird nur auf die öffent­ lichen Dienstleistungen angewandt, aber nicht auf die Arbeiter; die Mehrheit der Menschheit hat nicht das Recht, die Grenzen der be­ herrschenden Länder zu überschreiten und rechtliche Gleichstellung zu genießen. Nur die Arbeiterklasse ist heute fortschrittlich. Nur sie kann mit dem niederge­ henden Kapitalismus brechen, nur sie kann die En­ twicklung der beherrschten Länder gewährleisten, alle Grundbedürfnisse durch die Kollektivierung der Produk­ tionsmittel und der Planung der Produktion erfüllen, die Umwelt für die menschliche Spezies erhalten. Zur Enteignung der kapital­ istischen Minderheit, welche die Welt neuerlich in die Bar­ barei führt, bedarf es des Aufbaus einer Arbeiterinter­ nationale und einer revolu­ tionären Partei in jedem Land. Die Aufgabe der Verein­ igung der Arbeiterklasse und der Aufrichtung des Banners der internationalen Solidar­ ität wird durch die Kapitula­ tion der derzeitigen Organisatio nen der Arbeiter (Gew­ erkschaften und Parteien)

vor ihrer eigenen Bourgeoisie erschwert. Syriza hat einen Schritt nach vorn gemacht, indem sie die griechischen Anhaltelager in Aufnah­ mezentren umgewandelt hat. Im Gegensatz dazu weigern sich die PCF, die Parti de Gauche (Frankreich), die DL, die PTB (Belgien), die SPEW (England und Wales), Izquierda Unida (spanischer Staat), CPB (Belgien), sich für offenen Grenzen auszus­ prechen. Schlimmer noch – die französische SP, die bel­ gische SP, die SPD, die La­ bourparty, die SPÖ, die PSOE…. treten für noch weit­ gehendere Einschränkungen der Reisefreiheit der Menschen ein. Im Gegensatz dazu sind die Arbeiterorganisationen, vor allem die Gewerkschaften der Arbeiter und Studenten, dazu verpflichtet, für folgende For­ derungen einzutreten: •Keine Bombardierungen der libyschen Häfen! Schluss mit den imperialistischen Bombardements Syriens und des Iraks! •Freiheit für die Arbeiter­ innen, Arbeiter und Studier­ enden aller Länder, in alle Länder reisen, dort arbeiten und studieren zu können! Auf­ hebung aller fremdenfeind­ lichen Gesetze gegen Migrantinnen und Migranten! Gleiche Rechte für alle Arbei­ terinnen und Arbeiter! •Auflösung von Frontex! Schließung der Gefangenenla­ ger! Freilassung aller wegen Migrationsabsichten Gefan­ gener! Kollektiv Permanente Revolution (Frankreich, Österreich, Peru) (Mai 2015)

September 2015 | Nummer 23

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Kollektiv Permanente Revolution / CoReP

Erklärung des Kollektivs Permanente Revolution

Freie Einreise für Flüchtlinge aus Ostafrika und Westasien nach Europa! I

n Europa gedachten die Regierungen und Medien im Namen der Demokratie des Endes des 2. Weltkrieges. Außer den jungen Arbeitern in Uniform, die zu Millionen gefallen sind, hat die Zivilbevölkerung den Preis dieses Krieges gezahlt: Bombenangriffe, Vertreibung und Migration, Vergewaltigung, Lager, ethnische Ausrottung… Die Barbarei ist nicht mit dem Sieg der Roten Armee über das Nazi­Regimes ver­ schwunden. 2015 gibt es 38 Millionen Menschen, die im eigenen Land Vertriebene sind, Es gibt mehr als 14 Mil­ lionen Flüchtlinge, die ihr Land wegen Krieg oder Ver­ folgung verlassen. In 20 Jahren sind 30.000 Menschen im Mittelmeer gestorben als sie versuchten, die europäis­ chen Küsten zu erreichen. Am 23. April starben 800 Menschen durch einen einzi­

gen Schiffbruch. 600.000 Menschen werden, ohne dass sie irgenein Verbrechen, begangen haben, in “In­ ternierungslagern für Mi­ granten” inhaftiert. Die “demokratischen” bürger­ lichen Regierungen von Merkel, Hollande, Cameron, Renzi, Rajoy … realisieren das Programm von PEGIDA, der Front Nationale, der Brit­ ish National Party, der UKIP, der FPÖ, der “Wahren Finnen”, Jobbik, des Golden­ en Morgengrauens, der PVV (Partei für die Freiheit/Niederlande), der Schwedendemokraten: Apartheid, und die Ausrot­ tung von Arabern und

Das humanistische Gesicht des europäischen Imperialismus: Polizist lauert auf Flüchtlinge (an der türkischgriechischen Grenze)

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September 2015 | Nummer 22

Schwarzen. Die Verantwortung liegt nicht so sehr bei den kapital­ istische Schurken, die den Menschenschmuggel organis­ ieren, sondern bei den re­ spektablen europäischen Bourgeoisien, welche die Grenzen ihrer Staaten dicht machen. Jede von ihnen legt ihre eigenen Regeln fest: zum Beispiel hat sich der französ­ ische Staat verpflichtet, 500 syrische Flüchtlinge aufzun­ ehmen, während Jordanien 620.000, der Libanon 1,15 Mil­ lionen, die Türkei 1,7 Million­ en aufnimmt. Wenn die demokratischen europäis­ chen Bourgeoisien zusammenarbeiten, tun sie es

nicht, um Flüchtlingen zu helfen, sondern um ihnen durch das Instrument Frontex den Zugang zu ihrem Ho­ heitsgebiet zu verwehren. In den vergangenen 20 Jahren sind 10.000 Migrantinnen und Migranten aus beim Versuch, die Grenze zwischen Mexiko und den USA zu überqueren gestorben. Zur Zeit irren 6.000 Migrantinnen und Mi­ granten aus Burma und Bangladesch durch den bengalischen Golf. Im Ge­ gensatz dazu – und wir sprechen gar nicht von der Kapitalzirkulation! – reisen die Reichen dieser Welt unge­ hindert im Privatjet und ihren Luxusjachten auf diesem


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