KLASSENKAMPF 27

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Nummer 27 / Mai 2017

Zeitung der Gruppe Klassenkampf - für Rätemacht und Revolution

2.-- Euro

K RI E G E UMWELTZERSTÖRUNG F R E MD E N F E I N D L I C H K E I T WELTHUNGER R A S S I S MU S Die Zeit des Kapitalismus ist abgelaufen!

FÜr die sozialistische Weltrevolution! 1. Mai-Erklärung von CoReP, TML, PD / Thesen zur innenpolitische Lage / ÖVP gegen Betriebssicherheit / Kerns Plan A unter der Lupe / CoReP zu Trump, Europa, Syrien / Oktoberrevolution / Türkei

ISSN: 2220-0657


Editorial Die folgenden Thesen wurden Anfang des Jahres in der GKK diskutiert und von einem Organisationsplenum beschlossen.

Zur innenpolitischen Lage Zum ersten Mal in der österreichischen Geschichte ist ein Bundespräsident erst in einem dritten Wahlgang gewählt worden. 1. Alexander van der Bellen, der offizielle oder inoffizielle Kandidat der Grünen, faktisch unterstützt von SPÖ und ÖVP, den NEOS, einflußreichen Fraktionen der Bourgeoisie rund um die Raiffeisengruppe und einem wohlwollenden Klerus, hat mit 53,3 % gegen den FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer gewonnen. Nicht zuletzt waren es großkapitalistische Unterstützer, die in der letzten Phase den in ihren Augen vertrauenserweckenderen bürgerlichen Kandidaten pushten: der Milliardär Haselsteiner mit seiner “Anti-Öxit”-Kampagne, der van der Bellen zu Recht als “Mann der EU” verkaufte sowie mehrheitlich von der Raiffeisenbank geleitete Medien wie der Kurier, die keinen Tag ohne Angriffe auf Hofer verstreichen ließen (was wir natürlich keineswegs ablehnen!). Hofer hatte die Unterstützung vereinzelter katholischer Hardliner, einer Handvoll Spitzenpolitiker der ÖVP (Lopatka, van Staa, Fritz Grillitsch, Johannes Schmuckenschlager…) und die “Kronen Zeitung” hinter sich und kam so auf 46,7 % der Stimmen. 2. Was von einem Gutteil der österreichischen Journalistinnen und Journalisten und politischen Kommentatoren mit Erleichterung, sozusagen als Sieg der Vernunft oder der Demokratie, interpretiert wird, ist in Wirklichkeit nur eine leicht modifizierte Bestätigung dessen, was sich in den letzten Jahren abgezeichnet hat: Eine starke politische Polarisierung in der Bevölkerung, die nur bedingt entlang der Klassengrenzen verläuft. 3. Diese politische Polarisierung, diese Abwendung von breiten proletarischen und kleinbürgerlichen Schichten von ihren traditionellen politischen Parteien, das Misstrauen gegen die Institutionen des bürgerlich-parlamentarischen Regimes, die Bereitschaft, sich hinter extrem reaktionären, fremdenfeindlichen, antisozialen Führern zu scharen, ist ein gebrochener Ausdruck der real stattfindenden Klassenauseinandersetzungen in diesem Land. Dieser Klassenkampf verläuft zur Zeit einseitig - es ist ein Klassenkampf der Unternehmer gegen die Werktätigen, der Reichen gegen die Armen, und er wird an allen Fronten geführt. 4. Wir haben zu wiederholten Malen die Verantwortung der sozialdemokratischen Führung und der von ihr domi-

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nierten Gewerkschaften für die politische Entwaffnung der Werktätigen, der Arbeitslosen, der Jugend in diesem Land untersucht. Die SPÖ hat durch ihre jahrzehntelange offene Unterordnung unter die Interessen des herrschenden kapitalistischen Systems, durch ihre Bereitschaft, in kritischen Situationen als Geschäftsführer des bürgerlichen Staates im Dienste der Kapitalisten aufzutreten, den Kontakt zu Kernschichten des Proletariats verloren. Ihre Privatisierungspolitik hat ihr die Chance genommen, weiterhin einen reformistischen Klientelismus zu verfolgen - sie hat nichts mehr unter ihren Anhängern zu verteilen. Als Sachwalter des Kapitals haben ihre Führer Sparpakete und Austeritätsmaßnahmen initiiert und mitgetragen, welche die Lage der Arbeiterinnen und Arbeiter drastisch verschärft haben. 5. Als Befürworter der kapitalistischen Europäischen Union sind die SPÖ-Bürokraten zwar Verteidiger des freien Geld- und Kapitalverkehrs, spätestens seit vergangenem Herbst aber haben sie in der Flüchtlingsfrage offen gezeigt, dass sie die freie Zirkulation von Menschen im EURaum ablehnen. Ebenso wie die sich international immer stärker äußernde “Standortlogik” zeigt sich eine Tendenz zu einem neuen Nationalismus und sogar Isolationismus, der in offensichtlichem Widerspruch zu den Internationalisierungstendenzen im Imperialismus steht. 6. Während sich die imperialistische Weltwirtschaft von der Krise, die 2007 begonnen hatte, langsam erholt, verschärfen sich innerimperialistische Widersprüche und die herrschenden Klassen der einzelnen Länder nutzen die Schwächung der Arbeiterklassen zu immer neuen sozialen und politischen Offensiven. Der Imperialismus als “Zeitalter der Kriege und Revolutionen” hat viele Facetten. Eine davon hat Lenin mit folgenden Worten charakterisiert: “Der Imperialismus ist die Reaktion auf der ganzen Linie”. Diese Tendenz tritt heute in vielen Ländern sichtbar zu Tage. 7. Die gesteigerte Ausbeutung führt in den einzelnen Ländern zu unterschiedlich intensiven Abwehrkämpfen der Werktätigen - international aber kann man feststellen, dass sich die Bourgeoisien angesichts der instabilen Situation ihres Regimes immer weniger auf die freundlich maskierte Form der bürgerlichen Klassendiktatur - die parlamentarische Demokratie - verlassen, sondern die Schrauben anziehen und massiv auf den Ausbau staatlicher und privater Unterdrückungsmechanismen setzen. Mai 2017 | Nummer 27


Editorial

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8. Der Vormarsch der sogenannten “Rechtspopulisten” ist eine Vorstufe in Richtung Bonapartismus, d. h. einer scheinbar “vom Volk” legitimierten Herrschaft eines “neutralen” Schiedsrichters über den Klassen, der sich nicht nur auf die institutionalisierten Unterdrückungskräfte des bürgerlichen Staates - Polizei und Armee stützt, sondern auch auf fallweise Mobilisierungen lumpenproletarischer oder kleinbürgerlicher Massen. Im Gegensatz zum Faschismus ist der Bonapartismus aber nicht bereit, das Risiko des offenen Bürgerkriegs in Kauf zu nehmen, das durch einen Frontalangriff auf die Arbeiterorganisationen und die staatlichen Institutionen enorm zunimmt.

Finanzen übernahm. Wie eingangs erwähnt wäre die massive Präsenz des grünen Kandidaten ohne die “logistische Hilfe” der SPÖ kaum so flächendeckend möglich gewesen. 11. Es wäre falsch, die Tendenz in Richtung Bonapartismus einzig und allein an der FPÖ-Politik festzumachen. Die van der Bellen-Kandidatur fällt genauso in diesen Raster. Ebenso wie Hofer machte VDB klar, dass er die 1929 unter faschistischem Druck in die Verfassung hieinreklamierten Rechte des damals geschaffenen Bundespräsidententenamtes ebenfalls anwenden würde. Seine Ankündigung, gegebenenfalls die FPÖ, auch wenn

1 . Mai 201 6: Die SPÖ-Führung lässt den Faymann-kritischen VSStÖ-Block am Rathausplatz von der Polizei aus dem Mai-Aufmarsch entfernen 9. Die (beginnende) Änderung der politischen Herrschaftsform führt auch zu einem Wandel der alten Parteistrukturen, sowohl der bürgerlichen wie der Parteien, die ihre historischen Wurzeln in der Arbeiterbewegung haben. Diese verwandeln sich zusehends von Mitgliederparteien zu Wahlparteien, in denen sich traditionelle Bindungen weitgehend lockern und kleine Funktionärskader, gestützt auf freiwillige Sympathisanten, in Kampagnenzeiten die Parteien kurzfristig “aktivieren”. Im Gegensatz zur “klassischen” Ära sozialdemokratischer Politik spielt Bildungsarbeit an der Basis in der SPÖ heute so gut wie keine Rolle mehr. Ein sinkendes politisches Bewusstsein und das Trommelfeuer der bürgerlichen Medien tun das Ihrige, um die Demobilisierung und Demoralisierung der Parteibasis zu vertiefen. 10. Der grüne Präsidentschaftswahlkampf war ein guten Beispiel dafür - was als “die Zivilgesellschaft” auftrat, waren lose Sympathisanten der Grünen, die letzten Endes die Knochenarbeit des Wahlkampfs trugen, während die Partei die zentrale Propaganda und die Verteilung der

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diese stimmenstärkste Partei bei Nationalratswahlen würde, nicht mit der Regierungsbildung beauftragen zu wollen, war hier ein klarer Fingerzeig. Wir lehnen die demokratisch verbrämte Diktatur des Kapitals und ihre Institutionen ab. Wir haben immer gezeigt, dass Parlamentswahlen höchstens ein Gradmesser für das politische Bewusstsein der Hauptklassen in der Gesellschaft sind, die wirklichen politischen Entscheidungen aber nicht im Plenarsaal des Nationalrats fallen. VDBs Ankündigung ist nicht Ausdruck einer “antifaschistischen Reife” des österreichischen (Klein)Bürgertums und seiner sozialdemokratischen (Wahl)Helfer, sondern ein Beweis für die fundamentale politische Schwäche der heimischen Bourgeoisie und der SP-Bürokraten. 12. Sie geben den Kampf gegen den Vormarsch der sich hinter der FPÖ sammelnden Reaktion schon vorauseilend verloren und flüchten sich unter die Fittiche ihres “demokratischen” Bonaparte. “Wir haben mit der ÖVP keine Alternative zu den Freiheitlichen”, denkt die Pro-EU-Fraktion der herrschenden Klasse. “Also soll ‘unser’ Präsident das Schlimmste verhindern, das wir poli-

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Editorial tisch nicht mehr aufhalten können.”. Die SPÖ-Bürokraten wiederum sind zurecht zutiefst skeptisch, ob sie das Wegbrechen ihrer Basis in Richtung der pesudo-sozialen, pseudo-arbeiterfreundlichen FPÖ verhindern können und machen in der Regierung (Stichwort: Doskozil) den verachtenswerten Versuch, die FPÖ “von rechts” das Wasser abzugraben. “Und selbst wenn uns die Arbeiter davonlkaufen - wurscht, der VDB wird’s schon richten”, scheint hier die vorherrschende Meinung zu sein. 13. Die FPÖ spielte während des 10-monatigen Wahlkampfs mehrere Karten gleichzeitig aus: einerseits die Karte der “sozialen Heimatpartei”; dann die des Nationalismus, der Fremdenfeindlichkeit und des Antiislamismus; und permanent die des “Kampfs gegen das System”, gegen die “Eliten”. Zugleich schürte die FPÖ alle Arten von Zukunftsängsten: Arbeitsplatzverlust und “Plünderung der Sozialkassen” durch “Wirtschaftsflüchtlinge”, Überfremdung…

der Bellens zum Thema machte. Die antikommunistische Propaganda, die jetzt neu angefacht wird, ist nicht nur ein rhetorisches Kampfmittel. Dahinter verbirgt sich die berechtigte Angst, dass in der jetzigen Weltlage junge Werktätige eine Alternative zum bestehenden System suchen könnten, die sie nicht in Nationalismus, Sozialdarwinismus und Führerkult finden werden, sondern in einer sozialistischen Perspektive. 17. Gleichzeitig haben einige der FPÖ-Spitzenpolitiker schon am Tag nach dem 3. Wahlgang die Maske der “sozialen Heimatpartei” fallen gelassen. Eine der Ursachen für die Niederlage Hofers sehen sie nicht zu Unrecht darin, dass sie sich zu sehr einer anti-elitären, anti-bürgerlichen Rhetorik bedient haben. Kickl, Straches Mann für’s Grobe, betonte, dass die FPÖ nun ihr “bürgerliches Profil” schärfen müsse. Die Idee, einen Keil in die ÖVP zu treiben und den am rechten Flügel stehenden Außenminister Kurz gegen Vizekanzler Mitterlehner auszuspielen, war zum Bumerang geworden. Statt dadurch am rechten Rand der ÖVP zu knabbern, hatte diese FPÖ-Sympathisanten zu sich umlenken können.

14. Dieser Präsidentschaftswahlkampf markiert insofern einen Einschnitt in der politischen Geschichte des Landes, als die in der Nachkriegszeit als Nebenprodukt der Sozialpartnerschaft gepflegte Tendenz zum Kompromiss durch beinharte Konfrontationen ersetzt wurde und vor allem die FPÖ ihr Umfeld emotional zu einer bisher in diesem Umfang unbekannten Aggressivität, bis hin zu Morddrohungen gegen Das "Aufstehen für Österreich" hat noch nicht “rote” und “grüne” Politiker, so recht geklappt - Hofer, leicht gekippt aufstachelte.

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18. Im Gegensatz zu marxistischen Revolutionären versucht die Reaktion nicht, den Menschen die Ursachen und gesellschaftlichen Wurzeln für ihre miserable Lage zu erklären - sie serviert kurze, aber falsche Antworten (“Die Ausländer sind schuld”) und schürt die Ängste der Menschen vor der Zukunft. Diese Angst vor der Zukunft ist Ausdruck der langen Phase des wirtschaftlichen Niedergangs des Kapitalismus und der daraus resultierenden Massenarbeitslosigkeit sowie dem Abbau sozialer Sicherungssysteme hin zu einer allgemeinen Verelendung der Arbeiterklasse und des Kleinbürgertums. Der Kampf um das physische Überleben ist zum Alltag von Millionen Menschen geworden. Je größer die Angst, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen rationalen Argumenten nicht mehr zugänglich sind und noch leichter zum Spielball der reaktionären Scharlatane werden.

15. Die bürgerliche Politik der SPÖ hatte, wie wir schon früher untersucht haben, proletarische Wählerschichten in die Arme der FPÖ getrieben. Wenn wir den Auswertungen der diversen Meinungsforschungsinstitute glauben können (und die sind im Nachhinein meistens gescheiter als in ihren Prognosen!), haben immerhin 59 % der männlichen Lohnabhängigen für Hofer gestimmt. Bei den (und hier gehen die Institute nach der arbeitsrechtlichen Definition) “Arbeitern” haben gar 85 % Hofer gewählt. Auffallend auch: während 56 % der männlichen Wähler Hofer unterstützten, waren es bei den Frauen “nur” 39 %. Die FPÖ konnte aber mindestens Die Niederlage des FPÖ-Kandidaten Hofer ist kein Grund ebenso bedeutende Einbrüche im kleinbürgerlichen zum Jubeln. Sie zeigt aber eines: Wählerinnen und Wähler aus und bäuerlichen Milieu erzielen, was wiederum die Kri- proletarischen Gebieten, die aus Protest gegen “das System” se in der ÖVP verschärfte. freiheitlich gewählt haben, sind bei diesen Wahlen im letzten Augenblick vor einer Stimmabgabe für den blauen Kandidaten 16. Die zunehmende Verankerung im kleinbürgerlichen La- zurückgeschreckt, nachdem Hofer im Wahlkampffinale geleger ist mit einer der Gründe, warum die FPÖ in den letz- gentlich die freundliche Maske hat fallen lassen und der hassten zwei Wochen vor dem 3. Wahlgang am 4. Dezember erfüllte Machtpolitiker sichtbar wurde. 2016 plötzlich den angeblichen “Kommunismus” van

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Editorial Wir müssen jetzt geduldig und verständlich in Diskussionen, - Schluss mit der kapitalistischen Umweltzerstörung -> Förin Flugblättern und in unserer Zeitung die Grundwidersprüche derung des öffentlichen Verkehrs, gratis und finanziert aus des kapitalistischen Systems erklären und auf die brennenden Unternehmerprofiten! Fragen der Menschen revolutionäre Antworten formulieren. - Weg mit allen Sondervollmachten für Polizei und Justiz, weg mit allen Notverordnungen! Dazu gehören: - Für Selbstverteidigungskomitees der Arbeiterinnen und Arbeiter gegen faschistische und staatliche Angriffe! - Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit -> radikale Arbeits- - Schluss mit den pseudodemokratischen Packeleien hinter zeitverkürzung und Aufteilung der Arbeit auf alle Hände verschlossenen Türen! Direkt demokratisch gewählte, rechen- Integration von Migrantinnen und Migranten -> Recht auf schaftspflichtige und wiederabwählbare Räte in Betrieben, Arbeit für alle Stadtteilen, Dörfern … Für Rätemacht! - Reichensteuern zur Finanzierung eines qualitativ hochwer- - Für eine Regierung, die sich auf die Gewerkschaften, die tigen Bildungs- und Gesundheitswesens, gratis und für alle zu- Arbeiterorganisationen und die Komitees (Räte) stützt - eine gänglich! Arbeiterregierung, die mit der Bourgeoisie gebrochen hat! - Schluss mit der Wohnungs- und Immobilienspekulation -> - Für den Aufbau einer revolutionären Arbeiterinnenpartei, Strafsteuern auf leerstehende Wohnflächen bzw. deren Enteig- Teil einer revolutionären Arbeiterinternationale, als Vorausnung! setzung für eine sozialistische Zukunft! - Weg mit allen steuerlichen Begünstigungen für die Reichen, weg mit den steuerschonenden Stiftungen, weg mit dem Erbrecht!

Das Kollektiv Permanente Revolution CoReP und die GKK im Internet

Die programmatische Grundlagen der Gruppe Klassenkampf sind eine knappe Einführung in den Marxismus. Die Broschüre kann bei den Genossen der GKK zum Preis von 2,-- EUR bezogen werden. Mai 201 7 | Nummer 27

www.klassenkampf.net www.revolucionpermanente.com Kontakt: gruppe.klassenkampf@gmail.com Stiftgasse 8 | 1 070 Wien 5


Innenpolitik

Kern zei g t d en Werktäti g en d i e A - Ka r t e

SPÖ, Plan A: Vollgas Richtung lupenreiner Unternehmerpolitik (c) SPÖ Presse und Kommunikation

Der zu Jahresbeginn 2017 präsentierte Plan A der SPÖ lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Damit versucht ein gewiefter Manager seine Partei der FPÖ für eine Regierungskoalition anzubieten. In einem vorwahlkampfartigen Schlagabtausch forderte FPÖ Chef Strache die Wähler_innen auf, doch gleich zum Schmied FPÖ und nicht zum Schmiedl SPÖ zu gehen. Es besteht kein Zweifel: Der Vorwahlkampf hat begonnen, worauf auch hindeutet, dass die SPÖ bereits den Wahlkampfexperten Tal Silberstein engagiert hat. Das Wahlkampfprogramm Plan A hat den innerparteilichen Richtungsstreit verschärft. Als logische Konsequenz musste der für Mai 2017 geplante Programmparteitag der SPÖ um mindestens ein Jahr verschoben werden, um zuvor gegen einen weiteren Rechtsruck widerständige Elemente säubern zu können. Wir wollen auf einzelne Punkte des Plan A möglichst

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konkret eingehen. Zuerst wollen wir uns mit dem Bereich Arbeit befassen und haben die Forderung nach einem Mindestlohn von EUR 1.500 unter die Lupe genommen, deren Umsetzung vor allem Frauen, welche sich traditionell für schlecht bezahlte Berufe entscheiden zugute kommen soll. Zu den beliebtesten Frauenberufen gehört der Friseurberuf. Der kollektivvertragliche Mindestlohn beträgt seit 1.4.2016 im ersten Berufsjahr EUR 1.414 brutto (netto EUR 1.156), im zweiten und dritten Berufsjahr EUR 1.455 brutto (netto

EUR 1.182) und im vierten und fünften Berufsjahr EUR 1.569 brutto (netto EUR 1.242). Der Bruttomindestlohn von EUR 1.500 laut Plan A ergibt netto EUR 1.199. D. h. dass sich junge Friseuerinnen in ihren ersten drei Berufsjahren nach Inkrafttreten von Plan A über 43 bzw. 17 EUR mehr Monatslohn freuen dürfen. Das Ausmaß der positiven Auswirkungen von Plan A im Bereich Mindestlöhne wollen wir der Einschätzung unserer Leser_innen überlassen. Das Ziel gerechter Löhne erachten wir als ein illusionäres. Der Kauf von Arbeitskraft durch den Kapitalisten bedeutet immer auch die Quelle für die Aneignung von Mehrwert – jenen Teil der Arbeit, den der Kapitalist dem Arbeiter nicht in Form von Lohnauszahlung abgilt und den er bei Verkauf des vom Arbeiter erzeugten Produkts in Profit verwandelt. Jede

Verbesserung der Lage der Lohnabhängigen ist begrüßenswert. Wir dürfen uns jedoch nicht mit punktuellen Fortschritten zufrieden geben, die durch andere Maßnahmen - wie die ebenfalls im Plan A enthaltene Senkung der Lohnnebenkosten - zunichte gemacht werden. Notwendig sind eine Reihe von arbeits- und steuergesetzlichen Reformen, die das bestehende kapitalistische Wirtschafts- und Gesellschaftssystem in Frage stellen. Die Wunden, die der Kapitalismus den Lohnabhängigen schlägt zu verbinden und zu heilen ist wichtig und richtig, die Beseitigung des Kapitalismus in einer durch eine Arbeiter_innenpartei geführten sozialistischen Revolution jedoch der einzige Weg, um dem Motto „Vorbeugen statt Heilen“ gerecht zu werden.

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Innenpolitik

SPÖ, Plan A: Bürgerliches Gebrabbel zur Arbeitsmarktpolitik Die SPÖ negiert dabei alle marxistischen Erkenntnisse zum Thema Arbeitslosigkeit, will nicht erkennen, dass die Bourgeoisie ihre durch Überproduktion ausgelöste Krise mit Massenentlassungen und Erhöhung des Arbeitsdrucks zu bewältigen sucht. Gleichzeitig schafft sich die Ausbeuterklasse mit dem Entstehen von Arbeitslosenheeren eine Reservearmee, die sie zum brutalen Lohndrücken missbraucht. Mit diesem Erkenntnisstand wirkt es sehr zynisch, wenn nach dem Motto „Geht´s der Wirtschaft gut, geht´s allen gut“ Konjukturprogramme in Form von Geschenken an die Kapitalisten gefordert werden. Zudem will die SPÖ die Halbierung der Lohnnebenkosten für Unternehmen, was halbe Krankenversicherungsund Pensionsbeiträge für die Kapitalisten und in weiterer Folge eine schlechtere Gesundheitsversorgung und niedrigere Pensionen für die Arbeiter_innen bedeutet. Statt eine radikale Arbeitszeitverkürzung zu fordern, wird mit der Befürwortung des 12-Stunden-Tags die Zustimmung zu schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen derjenigen, die noch Arbeit haben gegeben und die Abschaffung von Überstundenzuschlägen vorbereitet. Die SPÖ macht mangelnden Lernwillen der Lohnabhängigen mit verantwortlich für die Jobkrise. Dabei hat die Massenarbeitslosigkeit längst auch Maturant_innen und Akademiker_innen erfasst. Gelernt werden soll selbstverständlich nur das, was für die Wirtschaft nützlich ist, d. h. durch die Ausbeutung von Lohnarbeit in Mehrwert und

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Das SPÖ Wahlkampfprogramm Plan A ist zwar von einer Doktorarbeit weit entfernt, dennoch erinnert der Abschnitt zur Arbeitsmarktpolitik an ein offensichtliches Plagiat. Inhaltliche Übereinstimmungen zu Programmen von ÖVP, FPÖ oder NEOS sind wohl weder zufällig und schon gar nicht unbeabsichtigt. Dabei werden die Ursachen für die Geißel der Massenarbeitslosigkeit bei den Lohnabhängigen gesucht – ganz im Stil einer Täter-Opfer-Umkehr.

© Alex Eylar, Creative Commons via Flickr

durch den Verkauf der Waren bzw. Dienstleistungen in Profit für die Kapitalisten verwandelt werden kann.

Eine Mogelpackung ist die Ausbildungsgarantie für bis 25jährige bzw. Arbeitsplatzgarantie für über 50-jährige Arbeiter_innen. Mit massiven staatlichen Subventionen via AMS sollen kurzfristig Teile der Ausbildungskosten bzw. Löhne bezahlt werden. So werden Arbeitslosenstatistiken geschönt, jedoch keine langfristigen Arbeitsplätze geschaffen. Ganz im Gegenteil findet einmal mehr eine Geldumverteilung von der Arbeiter- zur Kapitalistenklasse

statt. Denn die AMS Mittel für Ausbildungs- und Arbeitsplatzgarantie stammen aus Steuergeldern, diese wiederum größtenteils von den Lohnabhängigen in Form von Lohn- und Umsatzsteuer sowie anderen Massensteuern (Tabaksteuer, Mineralölsteuer etc.). 1:1 von der FPÖ übernommen wurde die Forderung nach einer sektoralen Schließung des Arbeitsmarkts – etwa im Baugewerbe. Verkauft wird das im Plan A als Maßnahme zur Bekämpfung von Lohndumping. Dieser Vorwand zur Erreichung der Spaltung von Arbeiter_innen in Österreicher_innen und Nichtösterreicher_innen ist reichlich absurd. Um das Problem Lohndumping bei der Wurzel anzupacken wären die Bekämpfung von Schwarzar-

beit und die Kontrolle der Einhaltung der kollektivvertraglichen Entlohnung notwendig. Plan A ist ein bürgerliches Wahlprogramm einer bürgerlichen Partei mit Wurzeln in der Arbeiterklasse. Dementsprechend ist es zum Vorteil der herrschenden Kapitalistenklasse verfasst und zielt auf deren Profitmaximierung als Folge höherer Ausbeutung ab. Als einzig sinnvolle Maßnahme für die Arbeiter_innenklasse wird die Abschaffung von All-In-Verträgen propagiert. Unerwähnt bleiben dagegen andere prekäre Beschäftigungsverhältnisse („geringfügige“ Beschäftigungen, Werkverträge, Scheinselbstständigkeiten, deren Verbot die Gruppe Klassenkampf als Vorleistung für eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich fordert. Ebenso propagieren wir eine gleitenden Lohnskala, also die automatische und sofortige Anpassung der Löhne an die Preissteigerungen, die Öffnung der Geschäftsbücher der Unternehmen sowie die Arbeiterkontrolle über die Unternehmen. Das wird weder mit Plan A noch mit anderen bürgerlichen Programmen machbar sein. Die Propagierung eines solchen Programms ist die Aufgabe einer revolutionären Arbeiter_innenpartei, deren Aufbau sich die Gruppe Klassenkampf zum Ziel gesetzt hat.

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Innenpolitik

Ac h t S t u n d e n s i n d z u v i e l

Und täglich grüßt das Murmeltier könnte man fast sagen. Ja, Ende 2016 war sie wieder da, die 2014 heftig geführte Diskussion um den 12-Stunden-Tag (derzeit beträgt die gesetzlich höchstzulässige tägliche Arbeitszeit 10 Stunden). "Beweglichkeit in den Unternehmen“, „Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit“, „Sicherung des Standorts Österreich“ – all diese Phrasen von Mitterlehner sind altbackene Klassenkampfrhetorik mit einem einzigen Ziel: die Kosten für das Produktionsmittel Arbeitskraft, also die Löhne zu senken und dadurch die Profite der Kapitalisten zu erhöhen. Die Reaktion der bürgerlichen ArbeiterInnenpartei SPÖ fällt gelinde gesagt moderat aus. Bundeskanzler Christian Kern, nach seiner Zustimmung zum CETA Vertrag gentgegen dem Abstimmungsergebnis der SPÖ Basis auch als Umfallerkanzler bekannt – spricht sich zwar grundsätzlich gegen den 12Stunden-Tag aus, erwähnt aber auch „Notwendigkeiten“, die aus der Wirtschaft kämen. Immerhin ist der 12-

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Stunden-Tag für Betriebe mit Gleitzeitvereinbarungen Teil des Koalitionsprogramms. Die ebenfalls darin enthaltenen Erleichterungen für die Gewährung einer sechsten Urlaubswoche scheinen hingegen vom Tisch zu sein. Unregelmäßige Arbeitszeiten sowie Dienste an Samstagen und Sonntagen sind im Vormarsch – und mit ihnen ist auch die Unzufriedenheit der Lohnabhängigen mit ihren Arbeitszeiten im Steigen begriffen (41 % im Jahr 2015 gegenüber 28 % im Jahre 2005). Forschungen haben nachgewiesen, dass zehn Jahre Schichtarbeit einem Alterungsprozess von zusätzlich sechseinhalb Jahren entsprechen. Besonders betroffen von den 12-Stunden-Attacken sind die mehr als 800.000 KollegInnen mit All-In-Verträgen. Für sie würde die Ausdehnung der gesetzlich erlaubten

Tagesarbeitszeit von 10 auf 12 Stunden eine 60-StundenWoche bedeuten. Wilkommen zurück im Frühkapitalismus!

Die Kapitalisten versuchen sämtliche Vorteile der durch den technisch-wissenschaftlichen Fortschritt bedingten Produktivitätssteigerungen, welche durch die Leistungen der in der Forschung und Entwicklung beschäftigten ArbeiterInnen geschaffen wurden, für sich zu vereinnahmen.

Mit einem Heer von Arbeitslosen (aktuell liegt die offizielle Arbeitslosenrate in Österreich bei fast 10 %) verfügt die Ausbeuterklasse über eine Reservearmee an Arbeitskräften. Die Ausbreitung von prekären Beschäftigungsverhältnissen, unregelmäßigen Arbeitszeiten und eine drohende Verlängerung der gesetzlich erlaubten Höchst-

arbeitszeit verschlechtern die Lage der Lohnabhängigen weiter. Das Gebot der Stunde sind die Abschaffung aller prekärer Beschäftigungsverhältnisse wie Scheinselbstständigkeiten, Werkverträge, All-In-Verträge oder „geringfügige“ Beschäftigungen, die Verhinderung der Einführung des 12-Stunden-Tages und vor allem die Verteilung der vorhandenen Arbeit auf alle Hände – sprich eine radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich. Im Rahmen des Aktionsbündnisses gegen den 12Stunden-Tag engagiert sich die Gruppe Klassenkampf für diese weit gehenden Ziele. Selbst diese – bei den aktuellen Kräfteverhältnissen im Klassenkampf schwer durchzusetzenden – Reformen würden den Kapitalismus mit seinem krisenhaften, auf Ausbeutung und Unterdrückung ausgerichteten Wirtschaftsund Gesellschaftssystem nicht beseitigen. Dazu bedarf es einer revolutionären Partei, welche die ArbeiterInnenklasse in einer sozialistischen Revolution anführt. Diese sozialistische Revolution wird den Kapitalismus beseitigen, Schluss machen mit Ausbeutung und Unterdrückung, Motor sein für die Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparats und mit dem Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft in Österreich und auf der ganzen Welt beginnen. Die Schaffung einer revolutionären Partei ist das ehrgeizige Ziel, welches sich die Gruppe Klassenkampf und ihre Schwesternorganisationen gesetzt haben.

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Innenpolitik

Wie die ÖVP das Arbeitsinspektorat demolieren will

Es war der Stoff, aus dem in “heute”, “Österreich” und “Krone” die Sensationen geschneidert werden: eine fleißige und tüchtige ehemalige Miss Austria betreibt eine Kette von Schönheitssalons und auf einmal tauchen mieselsüchtige Arbeitsinspektoren auf und verlangen doch glatt, dass bestimmte Mindeststandards an Betriebssicherheit und Arbeitsplatzqualität für die Beschäftigten eingehalten werden. Ein bisschen Empörung am Boulevard, ein Shitstorm gegen das Arbeitsinspektorat auf Facebook, und schon macht Herr Vizekanzler Mitterlehner bei Frau Katja Wagner (Name von der Red. nicht geändert) artig seine Aufwartung und richtet via Presse dem Sozialminister aus, man solle doch gefälligst die Unternehmer arbeiten lassen, statt sie zu schikanieren. Was wie eine Posse à la Ne- die Werktätigen. stroy klingt, ist traurige Realität im Sozialpartnerstaat Die Forderung der proletaÖsterreich. rischen Frauenbewegung nach einem besonderen für die arbeitende Blick auf die Ge- Schutz Frau führte 1906 daschichte und ins zu, dass mitübrigens Alice Ritter die Gesetzbuch erste Arbeitsinspectorin eingestellt wurde. Der 1. Weltkrieg stellte einen Einbruch Seit 1883 gibt es in Öster- bei allen Arbeiterrechten, inreich eine Arbeitsinspektion, klusive der Betriebssicherdamals noch von sogenann- heit, dar. Der Verrat der ten “Gerwerbeinspectoren” Sozialdemokratie, die sich durchgeführt. Das Gewerbe- zum Handlanger der Kriegsinspektorengesetz war eines politik des Kaisers und der jener Gesetzeswerke, die in imperialistischen Kräfte im den 80er Jahren des 19. Jahr- Habsburgerstaat machte, hunderts unter dem Druck führte zu einem “Burgfrieder jungen Gewerkschaftsbe- den”, der die Arbeiterinnen wegung und der Arbeiterbil- und Arbeiter letzten Endes dungsvereine beschlossen dem Kriegsrecht unterwarf. wurden. Auch wenn die Zahl Zudem wurden auch die Arder Arbeitsinspectoren ge- beitsinspektoren in Uniform ring war, weil eine reale Ver- gesteckt und an die Front gebesserung der schickt - soviel zur “guten alArbeitssituation in allen Be- ten Zeit”! trieben natürlich nicht im Interessen der Gesamtbour- In der 1. Republik nahmen geoisie lag - das Gesetz war die Gewerbeinspektoren ihre ein Fortschritt und brachte Tätigkeit wieder auf - unter deutliche Verbesserungen für Bedingungen, die durch die

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enorme Klassenpolarisierung der Zwischenkriegszeit geprägt war. Die Arbeitsinspektoren waren bei ihrer Tätigkeit darauf angewiesen, korrekte Informationen über Sicherheitsmängel und Betriebssicherheit zu bekommen, auf denen ihre Bescheide fußen konnten. Das war in erster Linie dort möglich, wo es eine gewerkschaftliche oder betriebsrätliche Vertretung in den Betrieben gab. In patriarchalisch geführten Kleinbetrieben sah es oft so aus, dass Gewerbetreibende die Kontrollorgane gar nicht erst mit den Arbeitenden reden ließen - hier warf die faschistische Idee des Korporationismus, die ab 1933/34 durchgesetzt wurde, ihren langen Schatten voraus. Vereinfacht gesagt: Die Kontrollfmöglichkeiten der Arbeitsinspektoren hing vom Verhältnis der Klassenkräfte im besuchten Betrieb oder in der Region ab.

österreichischen Großkapitals mitgeplant, mitfinaziert und mitgetragen (siehe die Rolle der Alpine Montan in der 1. Republik und der Aufbau “Gelber Gewerkschaften”) - setzte sich der noch brutalere nationalsozialistische Korporationismus auch beim Arbeitsschutz durch: In Deutschland war seit 1934 ein “Arbeitsordnungsgesetz” in Kraft, welches das “Führerprinzip” in den Betrieben durchsetzte und die Belegschaften dem Willen der Nazibonzen unterwarf. Karl Marx bezeichnet im Kapital die Arbeiterklasse als “die Produktivkraft par excellence” - eine Erkenntnis, welche die Kapitalisten durchaus akzeptieren, wobei ihre Schlußfolgerungen allerdings andere sind als die von uns Marxisten.

Wie nach dem 1. Weltkrieg mussten auch nach dem 2. die Voraussetzungen für Mit dem “Anschluss” 1938 - einen möglichst reibungslomassiv von Fraktionen des sen kapitalistischen Wieder-

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Innenpolitik aufbau geschaffen werden. Stärker als nach dem 1. Weltkrieg versuchte die Bourgeoisie durch Sozialreformen revolutionären Stimmungen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Sie konnte sich auf die SPÖ, die 1945 als scheinbarer Kompromiss zwischen den illegalen Revolutionären Sozialisten und den im Lande verbliebenen Funktionären der Sozialdemokratischen Ar-

stalten in Landeshoheit, Einrichtungen der gesetzlich Religionsgemeinschaften und private Haushalte. Die Aufgaben der Arbeitsinspektion sind die Überwachung der Arbeitsschutzgesetze und ergänzenden Verfügungen. Ebenfalls kontrollieren die Arbeitsinspektorate die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen, die

An den Theken der Beauty Bar Zurück zur Ex-Miss. Am 10. Jänner 2017 eröffnete sie auf Facebook ihren Kreuzzug gegen das Arbeitsinspektorat. “Die Presse”, wie immer scharf am Wind, wenn es um die Unternehmerrechte gibt, berichtet: “Die Mitarbeiter der Behörde bemängelten

(c) Bundesministerium für Wirtschaft / Credit: Glaser

Missgelaunte Miss, mitleidiger Mitterlehner: Wen schert schon die Sicherheit im Betrieb? beiterpartei SDAP entstanden war, stützen. Trotzdem wurde erst am 3. Juli 1947 das neue Arbeitsinspektionsgesetz beschlossen und die nationalsozialistischen “Unfallsverhütungsvorschriften” außer Kraft gesetzt. Mit dem Beitritt Österreichs zur Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) wurde auch deren Übereinkommen Nr. 81 in Österreich angewendet, das die Arbeitsaufsicht in Handel und Gewerbe regelt. Vereinfacht ausgedrückt erstreckt sich der Wirkungsbereich der Arbeitsinspektion auf Betriebsstätten und Arbeitsstellen aller Art mit Ausnahme von Land- und Forstwirtschaft, öffentliche Unterrichts- und Erziehungsan-

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Einhaltung des Mutterschutzes und die Beschäftigung von besonders schutzbedürftigen Arbeitnehmerinnen. Aber auch die Kontrolle der Arbeitszeit, der Ruhepausen und Ruhezeiten fallen in die Kompetenzen der Behörde. Die Parteienstellung in gewerbebehördlichen Genehmigungsverfahren und Ausnahmeverfahren, sowie die unentgeltliche rechtsverbindliche Beratung in allen Belangen der Arbeitssicherheit und die Ermittlung bei Arbeitsunfällen, deren Analyse und Prävention, obliegen den Arbeitsinspektoren.

demnach [laut Katja Wagner], dass in den Behandlungsräumen, in denen Intimhaarentfernung mit Wachsstreifen durchgeführt werden, kein ‘Sichtkontakt ins Freie’ bestehe.” Frau Wagner, offensichtlich nicht nur ein Opfer, sondern auch ein PR-Talent, kündigte in weiterer Folge an, ihre “Intimhaarentfernung” im Schaufenster durchzuführen das war der Punkt, an dem Qualitätsblätter wie “heute”, “Österreich” und “Krone” auf den Zug aufsprangen: Sex und Kampf gegen “die Bürokraten” - that sells.

auch wieder “Die Presse” zitiert): der Sprecher des Sozialministeriums antwortete auf die Angriffe der missgelaunten Miss: “Das Arbeitsinspektorat habe in diesem Fall ein "chaotisches Gesamtbild" feststellen müssen. Gravierende Mängel, wie ein fehlender Notausgang oder eine fehlende Be- und Entlüftungsanlage in den Arbeitsräumen, seien aufgefallen. Zudem würden keine Arbeitszeitaufzeichnungen der 30 Mitarbeiter geführt”. Wagners große Stunde schlägt am 7. Februar - da erscheint Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner himself in der “Beauty Bar” am Schwedenplatz und lässt sich mit der gequälten Schönheitsqueen ablichten. Dem Vizekanzler gefällts - “Gut schaut’s da aus”, zitiert wieder einmal “Die Presse”. Während Katja Wagner dräuend eine “verfassungsrechtliche Klage” gegen das Arbeitsinspektorat in den Raum stellt, macht Mitterlehner Nägel mit Köpfen. Er werde das Arbeitnehmerschutzgesetz “gründlich evaluieren” lassen. Man müsse ein 40 Jahre altes Gesetz, “das an der Lebensrealität vorbeigehe”, überarbeiten. Im gleichen Artikel der “Presse” erklärt die ExMiss plump und offen: “Der Kanzler erschafft keine Jobs, das machen die Unternehmer. Seit vier Jahren knüppelt man uns mit Auflagen, jedes Jahr gab es, auf gut Deutsch, eine Watschn vom Arbeitsinspektorat. Damit ist nun Schluss.”

Vizekanzler Mitterlehner hat sich da in seinem klassenkämpferischen Furor in eine miss-liche Lage gebracht. Glaubt man Miss Wagner, hat sie offenbar vier Jahr Beanstandungen des Arbeitsinspektorats ignoriert. Glaubt man der Wiener Arbeiterkammer, hat es in den vergangeWas weitgehend unterging nen Jahren ständig (aber hier sei fairerweise Beschwerden von Beschäftig-

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Innenpolitik ten über die Arbeitsbedin- Auf Facebook unterstützen gungen in den “Beauty Bars” mittlerweile Schönheiten wie gegeben. Sebastian Kurz und Reinhold “Django” Mitterlehner weiter Im März kündigte Wagner die belehrungsresistente an, ihre “Beauty Bars” im Mai Miss: „Meine Forderung an zu schließen, 70 Beschäftigte den Sozialminister: Schikanen würden dann ihre Ar- einstellen, Betriebe arbeiten beitsplätze verlieren. Ge- lassen!“, postet der Vizekanzmeinsam mit ihrem ler. Geschäftspartner (und Mehrheitseigentümer der nicht ge- Tja - ein Waxing sagt mehr rade betriebssicheren “Bars), als tausend Wahlprogramme. dem Anwalt Ramin Mirfakh- Danke an die Herren von der rai, will sie aber bald wieder ÖVP, die anhand eines verim “Schönheitsbereich” tätig gleichsweise nebbichen Falls werden. zeigen, welches Verhältnis sie zum Arbeitsschutz haben.

ARBEITSUNFÄLLE IN ÖSTERREICH (Stand 201 5) Menschen in Beruf und Ausbildung

Arbeitsunfälle

Arbeiter: 1 .243.633 Angestellte: 1 .696.71 4 Selbständige: 51 0.388 Schüler, Studierende und Kindergartenkinder: 1 .406.1 52 Insgesamt: 4.856.887

Arbeiter: 69.026 Angestellte: 25.557 Freie Dienstnehmer: 79 Selbständige: 3.288 Sonstige geschützte Personen*): 3.51 8 Schüler, Studierende und Kindergartenkinder: 54.685 Insgesamt: 1 56.1 53 *) beinhaltet auch Umschüler, medizinische Rehabilitanden und Mandatare

[Quelle: AUVA]

...und dann beschloss sie, Politikerin zu werden. Am 24. April meldete der Boulevard, dass NEOS und ÖVP Frau Wagner gerne in die Politik holen würden. Verstöße gegen Auflagen des Arbeitsinspektorats sind also für diese Parteien Qualifikation genug, um jemand in die Politik zu holen. Wir danken für die Offenheit! Mai 201 7 | Nummer 27

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Innenpolitik

Gegen Kopftuchverbot – für die Trennung von Religion und Staat! Wie unter dem Schleier der Emanzipation Pfaffenprivilegien zementiert werden sollen

Sie ist längst bei uns angekommen: Die Diskussion um religiös motivierte Maskeraden im Zusammenhang mit Frauenunterdrückung und Terrorismus. Dabei gehen die öffentlich geäußerten Meinungen in der Frage auseinander ob Kopftücher und weite dunkle Gewänder bis hin zur Vollverschleierung Symbol der Frauenunterdrückung oder Teil der persönlichen Freiheit jeder Frau sein sollen. Manche Diskutanten wollen hinter den religiös motivierten Maskeraden gar eine terroristische Gefahr lauern sehen. Seit der Entstehung von Klassen findet Unterdrückung durch die jeweils herrschende Klasse bzw. die Kennzeichnung von Klassenzugehörigkeit auch im Bereich Bekleidung statt. So werden Sekretärinnen in den Chefetagen großer Unternehmen und Kundenberater im Finanzdienstleistungsbereich in Jeans und Schlabberpullis keine Akzeptanz finden. Im privaten Bereich ist Frauenunterdrückung keineswegs ausschließlich religiös motiviert. Ebenso wie muslimische Männer das Tragen von Kopftüchern oder Verschleierungen zur Beziehungsfrage erklären, tun dies Männer anderer Religionsgemeinschaften sowie Glaubenslose durch die Festlegung auf bestimmte Kleidungsstücke, Schuhe oder Haarlängen- und farben ihrer Partnerinnen. Frauen werden in Österreich und anderen entwickelten kapitalistischen Ländern von Kindesbeinen an dazu erzogen, den von der kapitalistischen Profitgesellschaft

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Sie ist längst bei uns angekommen: Die Diskussion um religiös motivierte Maskeraden im Zusammenhang mit Frauenunterdrückung und Terrorismus. Dabei gehen die öffentlich geäußerten Meinungen in der Frage auseinander ob Kopftücher und weite dunkle Gewänder bis hin zur Vollverschleierung Symbol der Frauenunterdrückung oder Teil der persönlichen Freiheit jeder Frau sein sollen. Manche Diskutanten wollen hinter den religiös motivierten Maskeraden gar eine terroristische Gefahr lauern sehen.

Kreuz: Hat in öffentlichen Schulen nichts verloren verordneten und medial propagierten Schönheitsidealen zu entsprechen. Ebenso wie nichtmuslimische Frauen das Streben nach dem Erreichen dieser Schönheitsideale als Teil ihres Selbstverständnisses betrachten, tun muslimische Frauen das mit dem Tragen von Kopftüchern oder Verschleierungen. Man sollte bei jeder politischen Maßnahme den klassenspezifischen Zweck analysieren und dieser ist in dieser Frage dadurch gegeben, dass die herrschende Klasse versucht, auf Gesetzesebene durch die Verbreitung von Vorurteilen und Ressentiments die arbeitende Bevölkerung zu spalten und

dadurch hinter „ihrer“, angeblich die Freiheit verteidigenden Regierung, zu scharen.

Nach unserer Auffassung muss man die Forderung nach einem Verschleierungsverbot im öffentlichen Raum zurückweisen:

Wir müssen die Freiheit sich so zu präsentieren, wie man sich selbst darstellen will, verteidigen, solange gesellschaftliche Interessen oder Individuen dadurch nicht beeinträchtigt wer-

den.Als Marxist_innen lehnen wir jede Form der Unterdrückung auf Grund der Herkunft, des Geschlechts und der Religionszugehörigkeit ab. Das Argument, durch ein Verbot des Kopftuchs im öffentlichen Dienst und der Burka in jedem Umfeld Frauen in ihren Rechten unterstützen zu wollen, ist mehr als dünn, weil es in Wahrheit um ein Anpassen an eine konservativ-christlich-kapitalistische Leitkultur geht. Hier soll von Kreisen, die nichts dagegen einzuwenden haben, dass der Zwang der kapitalistischen Konsumgesellschaft dazu führt, dass Frauen verzweifelt versuchen fit zu sein und Konfektionsgröße „S“ zu erreichen, um einem bestimmten Idealbild zu genügen, eine Scheinemanzipation durchgesetzt werden. Die Beseitigung der Frauenunterdrückung kann nicht im Rahmen der bürgerlichen Gesetzgebung sondern nur durch die Beseitigung des dieser Unterdrückung zu Grunde liegenden kapitalistischen Gesellschaftssystems erfolgen. Wir treten für volle Religionsfreiheit bei strikter Trennung von Kirche und Staat ein. Eine besondere Stellung in der öffentlichen Diskussion nimmt das Kopftuchtragen bzw. die Verschleierung von Mädchen im Kindergarten ein. Hier offenbart sich die gesamte Scheinheiligkeit der bürgerlichen Moral. Ausgerechnet das Tragen eines Kopftuchs soll im dringenden Verdacht stehen, dem Kindeswohl zuwider zu laufen. Ob dem so ist, sollen in Wien

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Innenpolitik die Kindergartenpädagog_innen kontrollieren nötigenfalls die Jugendämter informieren. In der Stadt Salzburg gibt es ebenfalls auf Verantwortung der SPÖ bereits ein Kopftuchverbot in den Kindergärten. Gleichzeitig finden sich täglich grippekranke Kinder in den Kindergärten ein, die mit fiebersenkenden Antibiotika vollgepumpt sind, weil ihre Obsorgeberechtigten nicht bereit sind, ihre Betreuungspflichten wahr zu nehmen oder aus Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes keinen Pflegeurlaub nehmen wollen. Gleichzeitig müssen Kinder in verrauchten Wohnungen leben, haben freien Zugang zu Zigaretten, Alkohol und Drogen und werden von den Obsorgeberechtigten dazu angehalten, diese zu konsumieren. Gleichzeitig werden Kinder sexuell missbraucht und körperlich misshandelt. Gleichzeitig werden von obsorgeberechtigten Elternteilen nicht obsorgeberechtigte Elternteile im Kampf um Unterhaltsansprüche dem Kind entfremdet. Gleichzeitig legitimiert der bürgerliche österreichische Staat Genitalver-

stümmelungen an Kindern und Jugendlichen. So wird bei gleichzeitigem Ignorieren all dieser dem Kindeswohl massiv schadender Missstände unter dem Deckmantel einer pseudofortschrittlichen pseudofeministischen Politik dem Alltagsrassismus der offen bürgerlichen Parteien mit dem Kopftuchverbot im Kindergarten Vorschub geleistet. Es ist nicht ein Kampf gegen Frauenunterdrückung und islamofaschistischen Terror, den die politischen Eliten des Landes von sozialdemokratischen Lokalpolitikern über ÖVP Innen- und außenminister bis hin zur FPÖ führen. Es ist ein Kampf für die Spaltung der Arbeiter_innenklasse in Österreicher und Nichtösterreicher, EU Bürger und Nicht EU Bürger, in Moslems und Nichtmoslems – also in so viele Teile wie nur möglich mit dem Ziel, die Politik der Beseitigung von Errungenschaften der Arbeiter_innenbewegung, der Erhöhung der Ausbeutung von Lohnarbeit effektiver zu gestalten. Den Kapitalistenknechten diese Masken der Scheinheiligkeit von den Frat-

unter die Lupe genommen: Das in der grünen Parteigeschichte epochale Erfolgserlebnis einer gewonnenen Bundespräsidentenwahl hätte den Grünen Auftrieb geben sollen. Doch kaum war die aufreibende und langwierige Wahlschlacht geschlagen, begannen die innerparteilichen Grabenkämpfe. Peter Pilz sprach sich für einen kantigen linkspopulistischen Kurs aus und wurde dafür von Parteichefin Eva Glawischnig ("Rezepte aus den 1990er Jahren", "Es gibt keine Diskussion bei den Grünen über Linkspopulismus", "Vielleicht ist ihm fad") gerügt.

zen zu reißen wird die weit schwierigere Aufgabe als Frauen und Mädchen davon zu überzeugen, dass Kopftuch und Nikab, Modediktat und Makeup nicht sein müssen.

Wieder ist es Sebastian Kurz, der als Speerspitze reaktionärer Ideologien in der Regierung den Mund am weitesten aufreißt: Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst – ja, die Kreuze raus aus Schulen und Gerichten – nein!

Dankenswerterweise zeigt Kurz damit, dass die Kritik an dieser Regelung mehr als berechtigt ist, und dass sie einseitig (weibliche) Angehörige einer bestimmten Religionsgemeinschaft diskriminiert. Dort, wo der Staat mit Hoheitsgewalt auftritt (Polizei, Gericht, Behörden als staatliche Entscheidungsträger, als Ausbildungs- und Erziehungseinrichtungen) hat jede Art

Der Heilige Sebastian: Kopftuch nein, Kruzifix ja! Kein Wunder, dass ihn die Identitären lieben! (c) KLASSENKAMPF-Grafik

von religiöser Symbolik keinen Platz, naturgemäß auch jede christliche (Kreuz, etc.). Das individuelle Tragen von Kopftuch, Kreuz, Rastalocken, Tatoos, Piercing, Anzug oder Herrgottsschlapfen als Ausdruck und Abbild der Freiheit, sich seinem Lebensstil entsprechend zu kleiden, darf dadurch aber nicht angetastet werden.

Grüne Sinnsuche

gerliche) und Fundis (Sozialutopisten) bezeichneten Lagern zu betrachten. Im Gegensatz zu den anderen großen weltverbesserischen und sozialutopistischen "Eine andere Welt ist möglich"-Schwätzern von SPÖ und KPÖ fehlen den grünen Fundis die traditionellen Verbindungen zu den Gewerkschaften, wodurch sie gegenüber dem offen bürgerlichen Lager innerhalb der Grünen mehr und mehr an Bedeutung verlieren. Den Grünen und allen andere Sozialschwätzern ist eines gemein: Sie agieren ausschließlich auf dem Boden des herrSeit ihrem Entstehen sind die Grünen schenden Kapitalismus und helfen mit, Im März 2017 erfolgte der Bruch mit ein Sammelbecken für offen bürgerliche diesen zu bewahren. SPÖ, KPÖ und Grüder sich selbst als "links" definierenden und sozialutopistische Kräfte. Vor die- ne sind daher Teil des Problems KapitaJugendorganisation Junge Grüne. Auslö- sem Hintergrund sich auch die Ausein- lismus und nicht die notwendige ser dafür war die Kandidatur der Jungen andersetzungen zwischen den in den revolutionäre Lösung dieses Problems. Grünen bei der ÖH Wahl, die von der Medien zeitweise als Realos (offen Bür-

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Parteiführung als Gegenkandidatur zur Grünen Studierendenorganisation GRAS verstanden wurde. Die Rücktrittsaufforderung der Chefin der Jungen Grünen Flora Petrik (pikanter Weise Tochter der Grünen Chefin im Burgenland) an Bundesparteivorsitzende Eva Glawischnig brachte das Fass endgültig zum Überlaufen. Die Jungen Grünen wurden aus der Partei ausgeschlossen. Politische Differenzen zwischen Jungen Grünen und den Grünen sind dennoch nicht auszumachen.

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Oktoberrevolution 1 91 7

Die Oktoberrevolution vollenden!

Die Revolutionäre Arbeiterinternationale aufbauen!

Vor 100 Jahren, 1917, haben die russischen Arbeiter, Bauern und Soldaten zunächst im Februar den Zaren verjagt, ihre Räte (Sowjets) zu Organen einer Doppelmacht neben und gegen die Provisorische Regierung aus Liberalen, Menschewiki und Sozialrevolutionären ausgebaut und schließlich, im Oktober unter Führung einer revolutionären Arbeiterpartei - der Bolschewiki - die Grundlagen für den ersten Arbeiterstaat in der Geschichte gelegt. Die Bolschewiki, die im März 1917 knapp 25.000 Mitglieder zählten, konnten im Mai bereits 100.000 Arbeiterinnen und Arbeiter in ihren Reihen zählen, und im Sommer gehörten der Partei bereits eine Viertelmillion Mitglieder an. Unter dem Druck reformistischer, sozialdemokratischer und kleinbürgerlich-radikaler Strömungen, hatte die bolschewistische Partei geschwankt, bis im April der wichtigste Führer der Partei, Lenin, aus dem Exil zurückkehren konnte und die Partei um eine klare revolutionäre Achse ausrichtete: Entschiedener Kampf gegen den imperialistischen Krieg; Einführung der Arbeiterkontrolle über die Produktion; Enteignung der Großgrundbesitzer; Verschmelzung der Banken zu einer Nationalbank unter Kontrolle der Sowjets; und schließlich: Alle Macht den Räten. Gegen die Zauderer in der eigenen Partei setzte Lenin diese Linie durch. Er unterstrich, dass dieses revolutionäre Programm noch nicht der “Stimmung” der Massen entsprach. Aber es war das Programm, das von Tag zu Tag von mehr Arbeiterinnen und Arbeitern, Bäuerinnen und Bauern, Soldaten als richtig erkannt wurde, weil sich die Rezepte der bürgerlichen und reformistischen Kräfte als untauglich erwiesen, das Elend der Massen zu lindern. Nach der Oktoberrevolution begnügten sich die Bolschewiki nicht damit, ihre Macht in einem Land zu festigen - sie wurden zum Motor der Gründung der Kommunistischen Internationale (Komintern), deren Ziel es war, in der vorrevolutionären Situation, die in vielen Ländern nach dem 1. Weltkrieg entstanden war, einzugreifen, um die Massen mit einem kühnen revolutionären Programm zu bewaffnen, vergleichbar den Aprilthesen Lenins zu Beginn der russischen Revolution. Im Lager der Arbeiterklasse mussten die Kommunisten gegen die alten sozialdemokratischen Führungen kämpfen, die zu Beginn des imperialistischen Weltkrieges ins Lager ihrer imperialistischen Bourgeoisie übergelaufen waren. Im Dienst der Bourgeoisie hatten sozialdemokratische Politiker 1918/19 die revolutionären Erhebungen des Proletariats teilweise mit militärischen Mitteln bekämpft. Als die revolutionäre Welle in Europa zurückging, hatte sich zugleich bereits in einem Land gezeigt, mit welchen Mitteln die herrschende Klasse gegen das Proletariat vorzugehen bereit war: In Italien war 1921 aus reaktionären Stoßtrupps die Faschistische Partei gebildet worden, die 1922 eine Koalitionsregierung mit reaktionären bürgerlichen Parteien bildete

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und parallel dazu mit physischem Terror die Arbeiterorganisationen zerschlug. Mittlerweile war der Versuch der imperialistischen Mächte, den jungen Arbeiterstaat zunächst durch Unterstützung der inneren Konterrevolution und dann durch Militärinterventionen von Außen zu zerstören, gescheitert. Im Bürgerkrieg und durch die ausländischen Angriffe war die ohnehin rückständige russische Wirtschaft noch mehr zerstört worden, und die militärische Abwehr der Konterrevolution hatte die klassenbewusstesten Arbeiter, die in den Reihen der Roten Armee für die Revolution kämpften, schwer dezimiert. Unter diesen Bedingungen konnten bürokratische Kräfte in der bolschewistischen Partei, in den Einrichtungen des Arbeiterstaates und der Komintern die Oberhand gewinnen. Sie nutzten die Erschöpfung der Massen, um die Perspektive der internationalen Revolution zu begraben und die “realistische” Perspektive des Aufbaus des Sozialismus in einem Land zu propagieren. Geführt vom Generalsekretär der KP, Josef Stalin, begann diese bürokratische Schicht, ihre eigenen Privilegien auszudehnen und die Arbeiterklasse und deren Sowjets politisch zu enteignen. Die linke Opposition, die sich gegen

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Oktoberrevolution 1 91 7 diese Abkehr von den revolutionären Zielen des Oktober wandte, wurde zunächst mit administrativen Schikanen behindert, später polizeilich verfolgt und, nachdem sich Anfang der 30er Jahre die stalinistische Fraktion durchgesetzt hatte, physisch weitgehend ausgerottet. Ihr prononciertester Vertreter, Leo Trotzki, der die Theorie der permanenten Revolution dem Gerede vom “Sozialismus in einem Land” gegenüberstellte, wurde 1927 aus der Partei ausgeschlossen und 1929 aus Russland vertrieben. Die kommunistischen Kräfte, die dem Kampf für die Weltrevolution treu geblieben waren, hatten es noch schwerer als die revolutionäre Generation vor ihr. Diese musste gegen einen Feind in den eigenen Reihen kämpfen - die sozialdemokratischen Verräter; die Linksoppositionellen sahen sich einem zweiten starken Feind gegenüber: Dem Stalinismus. Nachdem Sozialdemokraten und Stalinisten 1933 in Deutschland die kampflose Machtergreifung der Nazis ermöglichten, nahmen die Anhänger der Linksopposition Kurs auf den Aufbau einer neuen Weltpartei des Proletariats - die IV. Internationale. Während die Stalinisten als Reaktion auf die faschistische Gefahr organische Bündnisse mit der “demokratischen Bourgeoisie”, sogenannte Volksfronten, eingingen, verteidigten die internationalistischen Kommunisten die Klassenunabhängigkeit des Proletariats und stellten der Volksfront den Kampf für die Einheitsfront der Arbeiterorganisationen entgegen. Mit Übergangsforderungen - Losungen, die den Kampf um die brennenden Interessen der Arbeiter mit dem Kampf für den Sozialismus verbanden - intervenierten sie in die Klassenkämpfe und wurden dafür gleichermaßen von bürgerlichen, faschistischen und stalinistischen Kräften verfolgt. Die 1938 gegründete IV. Internationale zerbrach Anfang der 50er Jahre: Die Niederlage des nationalsozialistischen deutschen Imperialismus hatte das internationale Gewicht des Stalinismus erhöht, in Osteuropa entstanden deformierte Arbeiterstaaten, in Jugoslawien und China mussten stalinistische Parteien unter dem Druck der werktätigen Massen mit dem Kapitalismus brechen und von Haus aus degenerierte Arbeiterstaaten errichten, in denen die politische Macht in den Händen der Bürokratie lag. Ein Teil der Führung der IV. Internationale, das Internationale Sekretariat, zog aus dieser Entwicklung den Schluss, dass eine Anpassung an die stalinistischen Parteien oder an “revolutionäre” kleinbürgerliche Führungen

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in Lateinamerika und Asien im Namen einer “antiimperialistischen Einheitsfront” den Aufbau von eigenständigen revolutionären Parteien ersetzen könnte. Das Internationale Komitee, das sich gegen diesen liquidatorischen Kurs aussprach, weigerte sich allerdings, ein internationales Zentrum zur Verteidigung der Errungenschaften der IV. Internationale aufzubauen, seine Sektionen wurden zu national agierenden pseudotrotzkistischen Organisationen, in den frühen 60er Jahren kam es dann zur Wiedervereinigung der wichtigsten Gruppen beider Fraktionen auf der Grundlage der Kapitulation vor dem Castrismus. Die Organisationen, die sich zu “Fortsetzern” einer dieser beiden Traditionen erklären und die IV. Internationale wiederaufbauen, wiederschmieden oder neu beleben wollen übersehen, dass die Erben der Krise der IV. Internationale ebenso zu Hindernissen im Aufbau einer revolutionären Arbeiterinternationale geworden sind wie Sozialdemokratie oder Stalinismus. Revolutionäre dürfen sich nicht aus Sentimentalität an tote Hülsen klammern - wichtiger ist es, sich die theoretischen Errungenschaften der ersten vier Internationalen anzueignen und in das Programm des Aufbaus einer revolutionären Arbeiterinternationale zu integrieren. Heute, 100 Jahre nach der Oktoberrevolution, ist das wichtiger denn je. Nach der Rekonstruktion des Kapitalismus in der Sowjetunion und in Osteuropa ist in Russland nicht nur ein neuer, aber schwacher Imperialismus entstanden; die imperialistische Bourgeoisie hat die Zerschlagung der Errungenschaften des Arbeiterstaates zu einer ideologischen Generaloffensive gegen die gesamte Weltarbeiterklasse genützt; aus der stalinistischen Bürokratie in China ging eine neue Schicht von Milliardären hervor, die in Ostasien einen dynamischen Imperialismus aufbauen der, so wie das stalinistische Regime davor, auf der Entrechtung des Proletariats und der Bauernmassen beruht. 2007 wurde der triumphierende Imperialismus von seiner eigenen Geschichte eingeholt: eine von den USA ausgehende Weltwirtschaftskrise bewies die historische Instabilität des kapitalistischen Regimes, aber auch, dass ohne eine revolutionäre proletarische Führung kein Zusammenbruch dieses Regimes möglich ist. Nachdem sich die Weltwirtschaft erholt hatte, indem in den wichtigsten imperialistischen Staaten die herrschenden Klassen zugunsten “ihrer” Konzerne in die Wirtschaft eingegriffen hatten und gleichzeitig in Nordafrika, Westasien und Zentral- und Südafrika revolutionäre Erhebungen oder Revolten begannen, reagierte der Imperialismus. Entweder kam es zu direkten militärischen Interventionen (Mali, Libyen, Irak, Syrien) oder zur Unterstützung lokaler Stellvertreter (Israel, Irak, Ägypten…). Das Fehlen revolutionärer Kräfte in diesen Ländern begünstigte den Aufschwung reaktionärer, klerikaler, faschistischer Bewegungen. Die Arbeiterinnen und Arbeiter und andere werktätige Schichten gerieten so zwischen die Mühlsteine der imperialistischen und der einheimischen Unterdrückung. Die Krise von 2007 begünstigte in den imperialistischen Metropolen eine Renaissance des Nationalismus. Hatte der Kapitalismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts weitgehend die nationalen Ketten abgeschüttelt um einen Weltmarkt und eine “Weltfabrik” zu schaffen, predigen Sektoren der Bourgeoisie nun plumpen und reaktionären Nationalismus. Ideologisch nützen bürgerliche Parteien “Patriotismus” und Fremdenfeindlichkeit, um einerseits das verängstigte Kleinbürgertum um sich zu scharen, das zu Recht um sein Überleben in einer Epoche der großen Kapitalgruppen zittert;

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Oktoberrevolution 1 91 7

Leo Trotzki

Aus: Die russische Revolution (Kopenhagener Rede, 1 932)

1932 hielt der von Stalin aus der Sowjetunion vertrie- Kopenhagen eine Rede zur Verteidigung der russibene Führer der russischen Revolution Leo Trotzki schen Revolution. Hier ein Auszug daraus. auf Einladung dänischer sozialistischer Studenten in

Problemstellung der Oktoberrevolution

Welche Fragestellungen erweckt die Oktoberrevolution bei einem denkenden Menschen? 1. Warum und wie ist diese Revolution zustandegekommen? Konkreter: warum hat die proletarische Revolution in einem der zurückgebliebensten Länder Europas gelegen? (...) Die erste Frage – über die Ursachen – kann man schon jetzt mehr oder minder erschöpfend beantworten. Ich

habe versucht, dies in meiner Geschichte der Revolution zu tun. Hier kann ich nur die wichtigsten Schlußfolgerungen formulieren. Die Tatsache, daß das Proletariat zum ersten Male in einem so zurückgebliebenen Lande wie dem ehemaligen zaristischen Rußland zur Macht gelangt ist, erscheint nur auf den ersten Blick geheimnisvoll, In Wirklichkeit ist sie vollkommen gesetzmäßig. Man konnte sie voraussehen und man hat sie vorausgesehen. Noch mehr: auf der Voraussicht dieser Tatsache bauten die revolutionären Marxisten lange vor den entscheidenden Ereignissen Ihre Strategie auf. Die erste und allgemeinste

Fortsetzung von Seite 15 zugleich soll die von den reformistischen und sozialchauvinistischen Parteien beherrschte Arbeiterklasse vor den Karren des nationalen Kapitals gespannt werden. Indem man den Arbeitern einredet, dass ihnen migrantische Arbeitskräfte die Arbeitsplätze wegnehmen wollen, soll eine nationale Einheit hergestellt werden, für die die Arbeiter natürlich Opfer bringen sollen. Kapitalistische Demagogen wie der neue amerikanische Präsident Donald Trump zeigen, dass ihre isolationistische und nationalistische Agenda letzten Endes sofort über Bord geworfen wird, wenn, wie in Syrien, geopolitische Interessen gefährdet sind. Wie vor 100 Jahren sind die internationalistischen Marxisten heute eine kleine Minderheit. Wie damals ist die imperialistische Bourgeoisie eher bereit, die Welt in ein ungeheures Blutbad zu stürzen, als abzutreten. Es ist die Existenzfrage der Menschheit, dass wir das vollenden, was die russischen Arbeiterinnen und Arbeiter, die Bauern und Bäuerinnen im Jahr 1917 begonnen haben: Den Sturz des Kapitalismus durch Enteignung der Konzerne und Großgrundbesitzer, die Errichtung der Arbeiterkontrolle über die Produktion, die Verwaltung von Wirtschaft und Staat durch jederzeit abwählbare und rechenschaftspflichtige Sowjets, die Aufhebung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, die Errichtung der Sozialistischen Weltrepublik! Dazu müssen wir in allen Ländern revolutionäre Arbeiterparteien aufbauen, die in einer revolutionären Arbeiterinternationale zusammengeschlossen sind. Ihr rotes Banner wird die Fahne der befreiten Menschheit sein!

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1 91 8: Trotzki spricht zu Rotarmisten

Erklärung: Rußland ist ein zurückgebliebenes Land, aber nur ein Teil der Weltwirtschaft, nur ein Element des kapitalistischen Weltsystems. In diesem Sinne hat Lenin das Rätsel der russischen Revolution mit der lapidaren Formel erschöpft: die Kette ist an Ihrem schwächsten Glied zerrissen. Eine krasse Illustration: der große Krieg, hervorgegangen aus den Gegensätzen des Weltimperialismus, zog in seinen Wirbel Länder verschiedener Entwicklungsstufen, stellte aber die gleichen Ansprüche an alle Teilnehmer. Es ist klar: die Bürde des Krieges mußte besonders unerträglich für die zurückgebliebensten Länder sein. Rußland war als erstes gezwungen, das Feld zu räumen. Um sich aber vom Kriege loszureißen, mußte das russische Volk die herrschenden Klassen niederwerfen. So zerriß die Kriegskette an ihrem schwächsten Gliede. Doch ist der Krieg keine von außen kommende Katastrophe wie das Erdbeben, sondern die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Im Kriege äußerten sich nur krasser die Haupttendenzen des imperialistischen Systems der „Friedens“-Zeit ... Je höher die Weltproduktionskräfte, je gespannter die Weltkonkurrenz, je schärfer

die Antagonismen, je rasender der Rüstungswettlauf, desto schwieriger ist es für die schwächeren Teilnehmer. Eben darum nehmen die rückständigen Länder die ersten Plätze in der Reihenfolge der Zusammenbrüche ein. Die Kette des Weltkapitalismus hat immer die Tendenz, am schwächsten Gliede zu zerreißen. Sollte infolge irgendwelcher außerordentlicher oder außerordentlich ungünstiger Bedingungen – sagen wir einer siegreichen militärischen Intervention von außen oder nicht wiedergutzumachender Fehler der Sowjetregierung selbst – auf dem unermeßlichen Sowjetterritorium der russische Kapitalismus wieder auferstehen, mit ihm zugleich würde unausbleiblich auch seine geschichtliche Unzulänglichkeit wieder erstehen und er selbst wiederum in Bälde das Opfer der gleichen Widersprüche werden, die ihn im Jahre 1917 zur Explosion gebracht haben. Keine taktischen Rezepte hätten die Oktoberrevolution ins Leben rufen können, würde Rußland sie nicht in seinem Leibe getragen haben. Die revolutionäre Partei kann für sich letzten Endes nur die Rolle eines Geburtshelfers beanspruchen, der gezwungen ist, zum Kaiserschnitt Zuflucht zu nehmen.

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Kollektiv Permanente Revolution / CoReP

ERKLÄRUNG DES CoReP (KOLLEKTIV PERMANENTE REVOLUTION)

Die Wahl Trumps markiert eine Wende in den Vereinigten Staaten und über ihre Grenzen hinaus Brüche und Kontinuitäten Nach dem Referendum über den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union markiert die überraschende Wahl des Kandidaten der Republikanischen Partei, Donald Trump, zum Präsidenten der Vereinigten Staaten eine Wende. Erwartet wurde der Sieg der Kandidatin der Demokratischen Partei, Hillary Clinton. Das Ergebnis verändert die politischen Beziehungen innerhalb der Vereinigten Staaten und wird auch zu neuen Beziehungen zwischen dem mächtigsten Imperialismus und den anderen Staaten des Planeten führen. Wie jede qualitative Veränderung entsteht diese neue Situation nicht aus dem Nichts, sondern resultiert aus all den Widersprüchen, die sich in der Vergangenheit zwischen den Vereinigten Staaten und der Welt aufgebaut haben, und denen sich auch der stärkste Kapitalismus nicht entziehen kann. So vervollständigt der von Trump versprochene Abbau des Haushaltsdefizits die keynesianische Politik, die die Zentralbank (Fed) seit 2008 mit ihrer Niedrigzinspolitik verfolgt. Den Rassismus, den

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Trump propagiert, gab es auch schon unter der Präsidentschaft Obamas, wie die Morde an Schwarzen durch Polizisten zeigten . Die Mauer, mit der Immigranten zurück getrieben werden soll, gibt es schon über hunderte Kilometer entlang der mexikanischen Grenze; die Abschiebung von Ausländern ohne gültige Papiere ist schon in vollem Gange. Auch die religiöse Reaktion mobilisierte bereits in der Vergangenheit eine ganze Legion evangelikaler Idioten gegen das Recht auf Abtreibung. Was die Außenpolitik betrifft: Trumps Bewunderung für Putin ist nichts Neues, die Unterstützung von Diktatoren, die den USA genehm sind, stammt nicht erst von heute, ebenso wie protektionistische Maßnahmen zeigen, die schon seit langem praktiziert werden, wenn amerikanischen Kapitalisten vor dem Appetit der chinesischen oder europäischen Konkurrenten zu schützen waren. Auch wenn Netanjahu den Ausgang der Präsidentschaftswahlen begrüßt – wird die imperialistische amerikanische Unterstützung für den Staat, der Palästina kolonisiert, war nie in Frage gestellt. Und, nebenbei gesagt, hat sich auch die größte Börse der Welt, die NYSE (Wall Street), deren Kandidatin

eher Clinton war, schnell wie- chen noch reicher wurden. der beruhigt. Dort tat sich der erste Bruch auf. Trotzdem stellt die Wahl Trumps eine Umwälzung dar, Das Strohfeuer welche die Kontinuität der Sanders Politik der führenden imperialistischen Weltmacht unterbricht, sowohl nach Innen Während der Vorwahlen wie nach Außen. Nichts, oder der Demokratischen Partei fast nichts trennte ursprüng- fand die Kandidatur von Berlich die Kandidaturen der De- nie Sanders ein beträchtlimokratischen Partei von ches Echo, weil sie eine denen der Republikanischen ziemlich schüchterne klassiPartei: beide bürgerlichen sche sozialdemokratischen Parteien wechselten sich Orientierung entwickelte, die beim Regieren ab, beide ver- aber in den Hoffnungen zahl-

Sanders - letzten Endes Wahlhelfer für Clinton teidigten entschlossen den amerikanischen Imperialismus, allenfalls gab sich die Demokratischen Partei einen etwas sozialeren Anstrich, um ihre traditionelle Wählerschaft anzulocken, ein Anstrich, der allerdings unter der Präsidentschaft Obamas rissig wurde, weil die Arbeiter noch ärmer und die Rei-

reicher Arbeiter und Jugendlichen starken Widerhall fand. Das Institut für Politik der Universität Harvard hat im April eine Studie veröffentlicht, nach der 33% der jungen Menschen zwischen 18 und 29 Jahren sich für den Sozialismus aussprachen, ein noch nicht da gewesenes Ergebnis in der jüngeren ameri-

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Kollektiv Permanente Revolution / CoReP kanischen Geschichte. The newest poll results shows that a majority of America’s 18- to 29-year-olds rejects both socialist and capitalist labels. 42% of young Americans support capitalism, and 33% say they support socialism. (IOP, Survey of Young Americans’ Attitudes toward Politics and Public Service, 25 April 2016)

ders unterstützt. Die alten Sozialdemokraten der DSA ([Demokratische Sozialisten Amerikas] die in der Demokratischen Partei sind) und die Zentristen der SAlt [Socialist Alternative, mit dem Komitee für eine Arbeiterinternationale CWI liiert]v](die verbunden sind mit der CIO) haben sich für Sanders stark gemacht und glauben gemacht, dass er für eine Arbeiterpartei eintreten würde. Tatsächlich hat seine Kandidatur bei den Vorwahlen dazu gedient, jene von Clinton abzusichern.

Die Ergebnisse der jüngsten Umfrage zeigen, dass eine Mehrheit der 18- bis 29-jährigen Amerikas sowohl sozialistische wie kapitalistische Etiketten zurück weist. 42% Nachdem er viele Mender jungen Amerikaner unter- schen um sich geschart hatstützen den Kapitalismus, te, ordnete sich Sanders, der und 33% sagen, sie unterstützen den Sozialismus. (IOP, Servey of Young Americans‘ Attitudes toward Politics and Public Service, 25 April 2016) Ein Flügel der Demokratischen Partei und die ehemaligen Bewunderer von Colonel Chavez und Tsipras meinen nun, wäre Sanders von der bürgerlichen Partei nominiert worden, er die Präsidentschaftswahlen gewonnen hätte. Diese Prahlerei zeugt von einer gewissen Naivität gegenüber der bürgerlichen Demokratie im Allgemeinen und der Demokratischen Partei im Besonderen. Wie es der Vorsitzende des Nationalkomitees der Demokratischen Partei erklärte: He is basically a liberal Democrat… The bottom line is that Bernie Sanders votes with the Democrats 98 percent of the time. (Howard Dean, Meet the Press, 22 May 2005) Er ist grundsätzlich ein liberaler Demokrat… Die Grundlinie ist, dass Bernie Sanders zu 98%t mit den Demokraten stimmt. (Howard Dean, Meet the Press, 22 May 2005) Die Ex-Stalinisten der CPUSA haben Clinton gegen San-

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Arbeiterklasse und die Jugend, sogar die bloße Möglichkeit, sich auf der Ebene der Wahlen in einem Klassenvotum zu versammeln, hat Sanders zweifellos zum Sieg Trump’s beigetragen.

Ein Geschäftsmann außerhalb der herrschenden politischen Zirkel Auf der anderen Seite wirbelte ein Mitglied der kapitalistischen Elite, Trump, alles durcheinander und beseitigte in den Vorwahlen der Republikanischen Partei Schritt für Schritt seine Konkurrenten,

In der Tat resultierten die Vollbeschäftigung in den USA und das Einkommen, das es erlaubte, die Frauen an den Herd zu verbannen, aus dem Krieg, der internationalen Vorherrschaft der amerikanischen Bourgeoisie, den massiven Exporten, genährt von der technischen Überlegenheit, sowie der Fähigkeit, den Gewerkschaften Konzessionen zu Gunsten der weißen Arbeiter zu machen.

die alle mehr oder weniger vom Parteiapparat gegen ihn unterstützt wurden, indem er eine offen und brutal reaktionäre, rassistische, xénophobe, nationalistische, protektionistische und isolationistische Kampagne führte. Niemals zuvor hatte man einen Kandidaten gesehen, der sich bei allen Themen derartig widersprach und log. Indes, alle bürgerlichen Politiker (auch das Ehepaar Obama und das Ehepaar Clinton) hintergingen die Wählerschaft.

Mehr und mehr bezahlt die Arbeiterklasse, weiße und schwarze, für die Rückkehr der kapitalistischen Weltkrisen (1974, 2008), die Schwächung der weltweiten Hegemonie (die Niederlage in Vietnam, danach die Misserfolge in Afghanistan und im Irak), und die Rückkehr von Konkurrenten (kapitalistische Gruppen aus Deutschland, aus Japan, aus China …). Währenddessen hat Trump mit Erfolg die Wut eines Teils der Ausgebeuteten auf die demokratische politische „Elite“, China und die ausländischen Arbeiter, Muslime oder Mexikaner, und, zur allgemeinen Überraschung, auch auf die republikanischen politischen „Elite“ gelenkt, um zu Clinton geschlagen. Die Republikanische Partei besitzt in Zukunft die Präsidentschaft, das Repräsentantenhaus und den Senat.

Für diesen Geschäftsmann, Sohn eines Kapitalisten, ausgebildet an teuren Privatschulen, mit einer Person verheiratet, die illegal in die

Was von der stalinistischen Partei geblieben ist, was den Platz der Sozialdemokratie einnimmt, sowie die Gewerkschaftsbürokraten, haben

Schotten dicht und Isolationismus - das war vor der Wahl. Tomahawk-Raketen auf Syrien waren nach der Wahl ... niemals auch nur die geringste Absicht hatte, mit der Demokratischen Partei zu brechen, vollständig dem Banner der bevorzugten Kandidatin der Kapitalisten wie auch dem Apparat der Partei unter, legte die Transparente und Fahnen für spätere Zeiten beiseite, und ließ seine Mitkämpfer auf freiem Feld im Stich, indem er sie aufrief, für Clinton und ihr die großen kapitalistischen Gruppen bevorzugendes Programm zu stimmen, das er zu bekämpfen vorgegeben hatte. Indem er sich weigerte, mit der bürgerlichen Partei zu brechen und den Weg zum Aufbau einer Arbeiterpartei zu gehen, blockierte er endgültig jede Perspektive für die

USA einwanderte, der keine Steuern zahlt und seine Kleidung – die seiner eigenen Marke, versteht sich! – im Ausland herstellen lässt, ging es darum, die weißen Arbeiter der von der Deindustrialisierung zugrunde gerichteten Regionen, welche vom amerikanischen Großkapital betrieben wird, über’s Ohr zu hauen.

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Kollektiv Permanente Revolution / CoReP Trump den Weg bereitet. Die CPUS hat Clinton unterstützt, nachdem sie Obama unterstützt hatte, die DSA sind in der Demokratischen Partei, die AFL-CIO hat Clinton unterstützt, die AFL-CIO und Change to Win hatten die beiden Kandidaturen Obamas unterstützt, die Freihandelsverträge verurteilt und eine Kampagne, „Amerikanisch produzieren“, geführt. Während seiner beiden Amtsperioden hat der frühere Präsident, um die Entsendung großer Truppenkontingente zu vermeiden, die Morde mit Drohnen und regelrechte Kriege fortgesetzt; er war unfähig, den industriellen Niedergang der Städte und ganzer Regionen erfolgreich zu bekämpfen; er ist vor der Einführung eines nationale Gesundheitswesen (NHS) wie in Großbritannien und sogar vor der Einführung eines öffentlichen Krankenversicherungswesens zurückgeschreckt, indem er Privatversicherungen verstärkt finanzierte, um eine Krankenversicherung für einen Teil der Lohnempfänger abzusichern; er hat sich als unfähig erwiesen, Guantanamo zu leeren und er hat 3 Millionen ausländische Arbeiter ausgewiesen; obwohl er selbst farbig ist, sind weiter Schwarze unter den Schüssen der Polizei gefallen. Infolgedessen repräsentierte die Kandidatur Clintons, hinter der sich aus Entsetzen über Trump auch zahlreiche alte Parteiführer der republikanischen Partei versammelten, diesen Willen zur Kontinuität, der unter der großen Mehrheit der amerikanischen Bourgeoisie vorherrscht und der danach strebt, weiter Geschäfte zu machen wie bisher, um den Komfort der kapitalistischen Klasse, die sich eines höheren Lebensstandards und erhöhter Profite erfreut als vor der Krise von 2008, zu sichern und sich vorgaukelt oder zu-

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mindest glauben macht, dass das auch für die ganze Gesellschaft funktioniert.. Es ist die Bourgeoisie, die die Arbeitslosenzahlen unter den Teppich kehrt, die Betroffenen aus den statistischen Erhebungen aussondert, und offiziell von 5 % Arbeitslosen spricht, während jeder weiß, dass es in Wirklichkeit mindestens doppelt so viele und vermutlich sogar eher 20 % sind, es ist die Bourgeoisie, und eine Fraktion des Kleinbürgertums, die auf großem Fuße leben, während die Arbeiter als Illegale überausgebeutet werde, zwei Beschäftigungen haben müssen, um zu überleben, Arbeiter in ihren Autos wohnen, weil sie sich keine Wohnung leisten können, siebzigjährige Rentner kleine Arbeiten erledigen, um überleben zu können, etc. Es war die Bourgeoisie, für die sich nichts ändern wird, weil es ihr immer besser geht, die den Sieg ihrer wohlerzogenen Kandidatin gegen den flegelhaften Geschäftsmann prognostizierte. Aber nichts ist so gelaufen, wie es vorgesehen war.

Gewählt mit 2 Millionen weniger Stimmen Trump erhält in den ländlichen Staaten eine Mehrheit der Stimmen – mehr als 60% -, während Clinton ihn in den meisten großen Städten weit überholt. Aber die amerikanische Verfassung war ursprünglich gerade so konzipiert, dass das Gewicht der Großgrundbesitzer auf Kosten des in den Städten geborenen Proletariats gestärkt wurde, um die ländlichen Staaten bei der Nominierung der Wahlmänner zu überrepräsentieren. Mehr noch, beinahe in der Gesamtheit der Staaten erhalten die, die die Mehrheit der Stimmen gewinnen, die Gesamtheit der Wahl-

Ein Präsident von Gottes Gnaden? männer. Obwohl Clinton ungefähr 2,5 Millionen Stimmen mehr erhält als Trump (65,1 gegenüber 62,6 Millionen Stimmen), erntet dieser die Mehrheit der Wahlmänner, 306 gegen 232 für seine Rivalin. Die Wähler mit geringem Einkommen haben in der Mehrheit nicht für Trump gestimmt: 41 % der Wähler verdienen weniger als 30000 Dollars, gegenüber 53% für Clinton. Die Wähler von Trump sind mehrheitlich Männer, weiß, wenig gebildet, mit einem Verdienst von mehr als 30000 Dollar im Jahr. Clinton verliert gegenüber Obama 6 Millionen Stimmen, während Trump 1 Million Stimmen gegenüber dem republikanischen Kandidaten von 2012 verliert, während die Zahl der Wahlberechtigten um beinahe mehr als 2 Millionen zugenommen hat. Nur 58,5% der registrierten Wähler haben abgestimmt. Die Enthaltung hat bei den Armen klar zugenommen (59% von denen mit weniger als 15000 Dollar Jahreseinkommen) gegenüber der Wahl von Obama (36% in 2008, dann 38,5% in 2012). Auch wenn sich auf Seiten der Stimmberechtigten die Zahl der Nichtwähler noch erhöht hat, haben sich die Stimmen aller Klassen durchmischt, jene von völligen Reaktionären mit jenen von Arbeitern, de-

ren Hoffnungen in Obama enttäuscht worden waren, von Arbeitslosen wie Unternehmern, Studenten ebenso wie Spekulanten, und sich auf zwei Kandidaten und zwei bürgerliche Programme aufgeteilt. Aber nicht auf derselben Linie.

Der Ausdruck einer Minderheit der Bourgeoisie Hinter dem Zynismus, der Brutalität und der Unberechenbarkeit von Trump steht das Verlangen einer Fraktion der amerikanischen Bourgeoisie, die sich mehr oder weniger kohärent selbst zu retten sucht – jene, die im ökonomischen Weltkampf, den sich die verschiedenen Imperialismus ohne Unterbrechung liefern, an Bedeutung verloren hat, die Handelsverträge fürchtet, jene Fraktion die untergehen muss, damit sich andere Fraktionen der amerikanischen Bourgeoisie rechtzeitig aus der Affäre ziehen können. Zu anderen Zeiten, als das Wachstum noch kräftig war, die imperialistische Konkurrenz zurückhaltender war, hätte diese Verliererfraktion der Bourgeoisie keine Chance gehabt, genügend Reaktionäre und Zukurzgekommene hinter sich zu sammeln, um reinen Tisch zu machen. Aber die amerikanischen

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Kollektiv Permanente Revolution / CoReP gend bedeuten, sie schaut auf die Demonstrationen gegen Trump, die seit seiner Wahl andauern. Deshalb haben Obama wie Clinton Trump den besten Übergang zur Übernahme der Macht sichern wollen. Diese Bourgeoisie vereinigt sich gegen Trump, wie um einem Aussätzigen die Hand zu küssen, in der Hoffnung, ihn für sich zu gewinnen, ihn zu schwächen, ihn zurückweichen zu lassen, auf Maßnahmen zu verzichten, die ihren Interessen schaden.

Vor der Wahl versprach Trum seinen Wählern einen Stopp der US-Militäraktionen im Ausland - jetzt liegt die USS Carl Vinson vor Korea (hier beim Testabschuss einer atomar bestückbaren Rakete) Regierungen von Bush jun. und Obama haben selbst die Flurbereinigung begrenzt, indem sie die Banken und Versicherungen ihres Landes 2008-2009 retteten. Das ökonomische Wachstum hat als wesentlichen Motor die Erhöhung der Ausbeutung der Arbeitskraft und bleibt viel schwächer als vor der weltweiten Krise. Mehr noch, das ökonomische und politische Gewicht des amerikanischen Imperialismus schwächt sich weiter ab, seine Versuche, seinen chinesischen Rivalen in Asien im Zaum zu halten, stießen auf heftige Gegenwehr; andere Imperialismen, andere regionale Mächte füllen die Lücken, die er leer gelassen hat, um ihre eigene Rolle zu spielen, wie in Syrien. Jene Fraktion der amerikanischen Bourgeoisie, die Trump unterstützt, konstatiert diese Fakten und entschließt sich zu einem planlosen und verwirrten Wechsel der Taktik: Beendigung des Freihandels, stattdessen Handelsverhandlungen von

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Fall zu Fall; Vertiefung des Protektionismus; Beendigung der militärischen Verpflichtungen, die der amerikanische Imperialismus in seiner Glanzzeit als erste Weltmacht eingegangen ist, für die er aber nicht mehr garantieren kann; wechselnde taktische Allianzen, ganz nach Belieben, je nach den eigenen unmittelbaren Interessen. Trump will zwar weniger NATO, dafür aber mehr militärische Investitionen für die amerikanische Armee. Trump verzichtet keineswegs auf die Ziele des amerikanischen Imperialismus, er baut ihn um und befreit ihn von Zwängen, die ihn belasten. Die rückständigste Fraktion der amerikanischen Bourgeoisie hinter Trump hat allerdings weder ein klares Bewusstsein über die Situation noch über ihre Ziele – sie ist dazu übrigens auch gar nicht fähig – sie handelt unter Zeitdruck, sprunghaft, wie ein Pragmatiker der glaubt, dass er Probleme beliebig unabhängig voneinander angehen kann, während die Kraftlinien der Situation ihn jedoch

zur Flucht nach vorn zwingen, die er nicht mehr kontrollieren kann. Diese neue außenpolitische Orientierung, noch verschwommen und im taumelnd, spiegelt sich in der Innenpolitik in der Vorbereitung eines härteren Durchgreifens gegen die schwächsten Teile des Proletariats, die Immigranten, die Schwarzen, und sicher auch die protestierende studentische Jugend, die Lehrkräfte, die dieses neue Regime in Frage stellen, wider. Die konsequenteste, die mächtigste Fraktion der Bourgeoisie, auch aus der Sicht des Kapitals, die sich hinter Clinton versammelt hatte, zieht daraus natürlich keinen Vorteil, aber sie kann Trump auch nicht offen angreifen, ohne das Entstehen einer Situation zu riskieren, die sie nicht mehr steuern kann. Sie vergisst nicht die massiven Demonstrationen der Schwarzen gegen die Polizeimorde, und auch nicht, was die von Sanders verratenen Bestrebungen eines Teils der Arbeiterklasse und der Ju-

Aber diese Fraktion ist geschlagen worden. Trump ist nicht zufällig da, er ist teilweise von denen bestimmt worden, die er hinter sich versammelt hat, um seinen Sieg zu sichern, er stützt sich auf die Rassisten, die Gegner der Frauenrechte, er hat die Posaubeb des Patriotismus erklingen lassen, verspricht Billionen Dollars für die Wiederbelebung der Wirtschaft, verspricht die Wiedereröffung der Kohleminen und der Ölbohrungen, die Wiederansiedlung von Industrien, all das im Schatten protektionistischer Maßnahmen.

Die Ungereimtheiten Trumps Der designierte Präsident, der nichts von einem Visionär hat, ist offensichtlich empfänglich für diesen Druck, er zögert, kündigt alles und dessen Gegenteil an, widerspricht am nächsten Morgen dem, was er am Tag vorher behauptet hat. Mit Sitz im Trump Tower in New York hat er begonnen, seine Regierungsmannschaft zusammen zu stellen: den Direktor einer verschwörungstheoretischen Website, frühere Generäle, Unternehmer … Es ist wenig wahrscheinlich, dass das nationale Wachstum zunimmt, noch

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Kollektiv Permanente Revolution / CoReP weniger, dass die US-amerikanischen kapitalistischen Konzerne die Fabriken wieder ins Land zurück holen, dass die rivalisierenden Staaten keine schlagenden Antworten auf den Protektionismus besitzen. Die sehr starke Verflechtung der ökonomischen Beziehungen zwischen den verschiedenen Imperialismen, der Platz des Dollar als vorherrschende internationale Wechselwährung, die amerikanischen Schatzanweisungen (Titel, die man im Gegenzug für Darlehen an den amerikanischen Bundesstaat erhalten hat), die von China, Japan etc. gehalten werden, tragen natürlich zum Erhalt des Status quo bei. Aber es ist diese Stabilität, die Trump und die Fraktion der Bourgeoisie, die er repräsentiert, als nachteilig und überholt verurteilt. Was das Entsetzen der europäischen Bourgeoisien bei der Verkündigung des Sieges des Geschäftsmannes erklärt, der mehrere Konkurse hinter sich hat und den man aus einer Reality-TV-Show kennt. Das Risiko einer Rückkehr der Inflation ist groß, eines neuen Börsenkrachs, einer Schrumpfung des Weltmarktes, einer Verstärkung der Spannungen und gleichzeitig einer Umwälzung der interimperialistischen Allianzen, eines neuen Aufschwungs des Wettrüstens.

Für den Kampf gegen Trump, für den Bruch mit der Demokratischen Partei Die bürgerlichen demokratischen Regimes, durch die die meisten der kapitalistischen Mächte die ausgebeuteten Klassen verwalten, zerfallen spektakulär, ebenso wie die autoritären Regimes der neuen russischen und chinesischen kapitalistischen

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Mächte heimlich untergraben werden. Kurzfristig hat die Wahl Trumps eine mächtige Sogwirkung auf die amerikanischen rassistischen Formationen und die bürgerlichen xenophoben oder faschistischen Parteien Europas. Aber die von den Putins, Trumps, Farages, Grillos, Straches, Le Pens … angepriesenen Politiken werden dem verfaulenden Kapitalismus nicht seine Jugend zurück geben. Die Arbeiterklasse und die Jugend müssen jetzt ihre Lehren aus den Gründen ziehen, die Trump zur Macht verholfen haben, in erster dem Fehler einer revolutionären Partei in den Vereinigten Staaten, einer Partei, die im Namen der Arbeiter spricht, für die Ergreifung der Macht, für den Sozialismus kämpft. Diejenigen, die im Namen des Realismus Arbeiter und Jugendliche hinter Clinton geschart, sie in die Sackgasse geführt haben, tragen eine Verantwortung. Diejenigen, die auf den Zug Sanders aufgesprungen sind und so Illusionen gesät haben, tragen eine Verantwortung. Diejenigen, die, sich auf die Arbeiterklasse berufen und Anhänger des Protektionismus sind, der die Fahne der reaktionärsten Bourgeoisie ist, tragen eine Verantwortung. Es sind nicht die amerikanische Arbeiterklasse und die Jugend, die für diese neue Situation verantwortlich sind, sondern die, die ihnen den falschen Weg gezeigt haben.

Beim Identitären-Aufmarsch im vergangenen Herbst noch ziemlich beste Freunde - heute sind deutsche und österreichische Faschos von ihrem kurzlebigen amerikanischen Idol bitter enttäuscht. sich an die Arbeiter und die trale, Bruch der Jugend zu wenden und ihnen Gewerkschaften mit der Perspektiven zu eröffnen. Demokratischen Partei, Gründung einer ArbeiterSchließung von Guan- partei durch die Gewerktanamo und Rückgabe an schaften! Kuba, sofortige und vollständige Aufhebung der Enteignung der Banken, Blockade Kubas! der Versicherungen, aller Finanzgesellschaften! Demokratisierung der Entschädigungslose NaVerfassung! Gleiche Rech- tionalisierung der kapitate für die eingewanderten listischen Konzerne im Arbeiter, legal oder nicht! Gesundheitswesen, Unentgeltlichkeit der GeRespektierung der Frauen, sundheitsdienste! Recht auf freie und kostenlose Abtreibung überall im Land! Dezember 201 6 Respektierung der Schwarzen, SelbstverteidiKollektiv Permanente gung gegen die rassistiRevolution sche Polizei!

Wir müssen an die Traditionen der SLP (Sozialistische Arbeiterpartei) zu Zeiten der Arbeiterinternationale von Engels, der CPUSA zu Zeiten der Kommunistischen Internationale von Lenin, der SWP zu Zeiten der 4. Internationale von Trotzki anknüpfen. Wir müssen im ganzen Land eine revolutionäre Arbeiterpartei aufbauen. Die Klarheit über die Ziele ist eine absolut not- Eine einzige demokratiwendige Voraussetzung, um sche Gewerkschaftszen-

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Internationaler Klassenkampf

Die türkische Organisation Patronsuz Dünya (Welt ohne Chefs) befindet sich seit einigen Monaten in Kontakt mit dem CoReP. Unter anderem haben die türkischen Gemnoss_innen unsere internationale 1. Mai-Erklärung mitunterzeichnet. Vor dem Referendum im April haben die Genoss_innen für das HAYIR, also das Nein, agitiert. Hier ihre Einschätzung vor dem 16. April. Am Samstag, 21. Januar, wurde im [türkischen] Parlament die vorgeschlagene Verfassungsänderung mit 339 Stimmen dank der Unterstützung der AKP [Partei muslimisch-konservativen Regierung] und der [ultranationalistischen] MHP angenommen. Mit dieser Abstimmung, die nicht einmal die internen Regelungen des Parlaments respektiert hatten, mit körperlichen Angriffe gegen Abgeordnete der Opposition und Zensurierung des Parlaments im Fernsehen hat der Referendumsmechanismus, der die endgültige Hinwendung zum Präsidialsystem besiegeln soll, begonnen. Die Abstimmung im Parlament zeigt, unter welchen Bedingungen das Referendum stattfinden wird. Mit der neuen Verfassung, das heißt dem Präsidialsystem, werden Legislative, Exekutive und Judikative in einer Person konzentriert sein. Im Präsidialsystem wird es keinen Premierminister oder Ministerrat geben. Der Präsident wird über die Befugnis verfügen, Gesetze zu erlassen, die Nationalversammlung aufzulösen, den Ausnahmezustand zu verhängen, sechs der 13 Mitglieder

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Nein zur Ein-Mann-Herrschaft!

Freiheit wird durch den Kampf der Arbeiter und Arbeiterinnen kommen!

des Obersten Rates der Richter und Staatsanwälte (HSYK) zu ernennen und die Verantwortlichen für den öffentliche Dienst einzusetzen. Das hat einen Namen: „Ein-Mann-Diktatur“, die Konzentration der gesamten Macht in einer Hand. Diese Verfassungspaket wird im April zum Referendum vorgelegt. Man kann sich leicht vorstellen, in welchem Klima der Zensur und Repression das Referendum unter dem Ausnahmezustand stattfinden wird. Erdo an hat seit seinem Amtsantritt immer einen Teil der Bevölkerung zur Zielscheibe gemacht und sich selbst zum Opfer erklärt. Im gleichen Maß, in dem sich seine imperialistischen Gelüste verstärkt haben, hat sich sein Ziel, Präsident zu werden und sein autoritärer Kurs intensiviert. Von dem Augenblick an, da er Präsident der Republik wurde, hat er den Zweck seiner „Präsidentschaft“ ständig erweitert. Das grundlegende Ziel des Erdoganregimes wurde das Präsidialsystem und seine gesamte politische Strategie wurde auf dieses Ziel ausgerichtet. Mit diesem Ziel ist er in die Wahlen vom 7. Juni gegangen,, bei denen er geschlagen wurde, was ihn dazu brachte,

sein Ziel auf bessere Zeiten zu verschieben. Aber real entwickelte sich seine Politik nach dem 7. Juni Schritt für Schritt in ein De-facto-Präsidialregime. Nach der Niederlage des 7. Juni und der folgenden offenen Geringschätzung des Wahlresultates, setzte er den schmutzigen Kolonialkrieg gegen das kurdische Volk fort. Dieser Kolonialkrieg in Kurdistan ging dort weiter, wo er aufgehört hatte. Er suchte den Nationalismus und Rassismus gegen die Kurden zu stärken, indem er

kurdische Städte in militärisch eroberte verwandelte. Alle gesellschaftlichen Kräfte, die sich ihm widersetzten, wurden des Terrorismus bezichtigt und unterdrückt. Das Klima des Krieges in Kurdistan breitete sich in der ganzen Türkei mit Selbstmordattentaten aus. Nach jedem Bombenanschlag wurde Propaganda dafür gemacht, dass einzig das Präsidialsystem der Bevölkerung mehr Sicherheit und Frieden bringen würde, um systematisch Zustimmung für dieses System zu schaffen. Der Weg

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Internationaler Klassenkampf zum Präsidialsystem war mit Selbstmordanschlägen gepflastert. Im gleichen Maß, indem sich die Repression gegen die soziale Opposition verstärkte, wurde das Leben für das kurdische Volk und die Arbeiter zur Hölle. Der Kolonialkrieg in Kurdistan war mit einer Massenmigration der Bevölkerung verbunden, ist, an Stelle der gewählten Vertreter wurden Verwalter eingesetzt, und die Entführung der gewählten politischen Vertreter wurden als Geiseln genommen. Da die Repression ständig verschärft wurden hat der Druck auf das Organisations- und Streikrecht zugenommen, ebenso wie der Druck auf die Gewerkschaften. Mit der Durchsetzung einer neoliberalen Politik wurden die von der Arbeiter_innen errungenen Rechte eines nach dem anderen untergraben. Mit dem gescheiterten Putschversuch vom 15. Juli begann Erdogan sein Defacto- Präsidialsystem umzusetzen. Die Türkei hat sich zu einem Regime entwickelte, das durch den Ausnahmezustand und Verordnungen bestimmt ist. Die Ernennung von Regierungskommissaren, Säuberungen, Druck auf die Presse, Festnahmen, die Geiselnahme der gewählten Abgeordneten sind zu üblichen Methoden der Verwaltung des Staates geworden. Mit dem Referendum geht der Plan, die faktische Präsidialherrschaft konstitutionell zu legitimieren, in die Zielgerade. Mit seiner auf der ganzen Linie gescheiterten Außenpolitik, dem Scheitern seiner imperialistischen Ziele im Nahen Osten und der Wirtschaftskrise, die unaufhaltsam wie eine Lawine an, ist das Erdoganregime unfähig geworden, auch nur die geringste Opposition zu dulden oder mit ihr umzugehen. Sie ist auf einem Niveau angekommen, die es ihr nicht mehr ermöglicht, durch Ver-

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sprechungen die Zustimmung der Bevölkerung zu erhalten. Referendum: welches Nein? Die Rettung der Diktatur Erdogans hängt ganz vom Referendum ab.. Mit dem Präsidialsystem braucht er eine Diktatur, die sich gesellschaftlich verwurzelt und durch keine Opposition eingeengt wird. Es ist ihm nicht mehr möglich, anders zu regieren. Die Erdogan-Diktatur kann der Gesellschaft nichts anderes bieten als Krieg, Tod, wirtschaftliche Zerstörung, Unterdrückung und Ausbeutung. Trotz allem ist die Erdogan-Diktatur ein verrottender Leichnam. Leider gelten in der politischen Arena die physikalische Gesetze nicht. Diese verwesende Leiche wird so lange nicht verschwinden, bis nicht das ganze imperialistische kapitalistische System gestürzt ist, das sie hervorgebracht hat. Die Versprechungen und Argumente, die Erdogan benutzt, um die Zustimmung der Bevölkerung zu gewinnen, sind überholt. Er kann sie durch keine neuen ersetzen. Stabilität, Sicherheit, Ruhe, eine starke Türkei, das Ende des Terrorismus, alle diese Argumente sind erschöpft. Alle seine imperialistischen Pläne im Mittleren Osten sind zusammengebrochen. Der Platz, den er in der Außenpolitik einnehmen wird, ist ungewiss. Die türkische Lira ist diejenige Währung der Welt geworden, die am meisten an Werte verliert, und die Bonität der Türkei sinkt von Tag zu Tag. Das Regime taumelt in eine Krise, die nicht zu stoppen und zu verstecken ist. Auch die mit rassistischen und nationalistischen Phrasen propagierten Ziele können die Krise nicht verbergen. Kitschiges demagogisches Gerede über Sicherheit und ein “Front machen gegen den Terrorismus” haben bei einem großen Teil der Bevölkerung im Gefolge der Selbstmordanschläge, die zum

Alltag geworden sind, jede Glaubwürdigkeit verloren. Nun macht sich in großen Teile der Bevölkerung die folgende Meinung breit: „Du bist seit 15 Jahren an der Macht, du hast alle Vollmachten, wirst Du durch das Präsidialsystem die Probleme lösen, die Du schon bisher nicht hast lösen können? „. Es ist allen klar, dass das Präsidialsystem kein Zauberstab ist. Das Referendum wird für das Erdoganregime keineswegs einfach werden, um sich von der politischen und wirtschaftlichen Krise zu befreien. Seine eigenen Meinungsumfragen zeigen, dass die Situation düster ist. Die Möglichkeit eines Nein, die Gelegenheit für die soziale Opposition, an Kraft zu gewinnen, ist bemerkenswert. Die Nein-Stimmen, die aus unterschiedlichen sozialen Schichten kommen, nehmen spürbar zu. Die Gründe für das Nein sind aber bei allen andere. Wir Kommunisten, im

Gegensatz zu verschiedenen Klassen die sich für ein Nein aussprechen, müssen praktische Schritte für das Nein entlang einer Klassenperspektive im Rahmen unseres Programms machen. Die überwältigende Mehrheit des “Nein”-Flügels baut seine Opposition auf der Basis der Republik, des Säkularismus, der Verfassungsordnung, der Rechtsstaatlichkeit, der Reaktion auf die Einmischung in den Lebensstil der Einzelnen auf. Letztlich ist die Essenz dieser Forderung: “Die AKP und Erdogan müssen weg, aber das System, das sie hervorgebracht hat, soll bleiben.” Die von diesem “Nein-Flügel” erhobenen Forderungen sind sogar im Verhältnis zu Minimalforderung nach einer bürgerlichen Demokratie ein Rückschritt. Sie gehen nicht über die Verteidigung von Privilegien einiger in der Gesellschaft hinaus. Die Verteidigung des Nein speist sich

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Internationaler Klassenkampf aus den kemalistischen Paradigmen wie Säkularismus, und der säkularen Lebensstil ist eine Forderung, die das Erdoganregime ohne weiteres verlängern könnte. Eine Referendumskampagne, die angesichts des Erdogan-Regimes, das seine Existenz auf der extremen Polarisierung der Gesellschaft aufgebaut hat, auf Säkularismus, der Republik, dem Kampf zwischen Liberalismus und Reaktion aufbaut, treibt der AKP schwankende Arbeiterschichten zu, die schon einmal AKP gewählt haben. Die Kommunisten verteidigen die historischen und politischen Interessen der gesamten Arbeiterklasse. Sie können das Referendum nicht nur auf einer Linie des Widerstands gegen Erdogan ohne Klassenperspektive. behandeln. Sie haben nicht nur ein Problem mit Erdogan, sondern mit der Klasse und der Ordnung, die er vertritt. Sie verteidigen den Umsturz dieser Ordnung durch die Arbeiterklasse mit revolutionäre Methoden. Sie berücksichtigen, dass das Referendum einen Rahmen darstellt, in dem Arbeiter_innen und Unterdrückte über Politik sprechen. Sie definieren diesen Prozess als einen, der es ermöglicht, die politische Führung der Arbeiter_innenklasse zu organisieren. Das Referendum ist nicht alles. Es ist nicht das Element, das für sich allein den Sturz des Erdoganrgimes ermöglichen wird. Aber es enthält die Möglichkeit, das Regime zum Zurückweichen zu bringen und seinen Sturz vorzuberei-

ten. Um diese Möglichkeit zu nutzen ist es unsere revolutionäre Aufgabe in der aktuellen Periode, die Politik Erdogans, ausgehend von den aktuellen Problemen der Arbeiterklasse, bloßzustellen, die geeigneten Forderungen auf die Tagesordnung der arbeitenden Massen zu setzen und mit aller Kraft an ihrer Organisation zu arbeiten. Nein zur Ein-Mann-Diktatur! Nicht zu den Feinden der Arbeiter in den Fabriken, Universitäten und Schulen! Nein zum Diebstahl durch das System des individuellen Ruhestand! Keine Entlassungen, Lohnkürzungen, Auslagerung von Arbeitern! Nein zum Verbot von Streiks, Versammlungs- und Demonstrationsrecht, nein zum Verbot von Kollektivverträgen! Keine Leiharbeit, kein Diebstahl durch Kreditkarten! Nein zum Kolonialkrieg in Kurdistan! Freiheit für alle politischen Gefangenen! Nein zum Krieg, Zerstörung, Ausbeutung, Arbeitslosigkeit!

Februar 201 7, Patronsuz Dünya (Welt ohne Chefs / Türkei)

Gemeinsame Erklärung von Gruppe Klassenkampf (Österreich), Groupe Marxiste Internationaliste (Frankreich) und Patronsuz Dünya (Türkei)

Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa, von England bis zur Türkei, von Griechenland bis Russland! In den letzten Monaten wurden die Arbeiter_innen Zeug_innen eines seltsamen Phänomens: Bürgerliche Regierungen in der Türkei und in Mitteleuropa haben unter dem Vorwand, die Demokratie zu verteidigen, grundlegende demokratischen Rechte angegriffen. Der Vorwand füür die AKP-Regierung war der gescheiterte Putschversuch eines kleinen Teils der türkischen Armee, der von einer ehemals verbündeten und jetzt rivalisierenden islamistischen Fraktion, der Gülen-Bewegung, inspiriert wurde. Seither wurden tausende Arbeiteraktivist_innen, Gewerkschafter_innen, Kurd_innen, Journalist_innen, Lehrer_innen … verhaftet, entlassen oder eingekerkert. Präsident Erdogan verkündete für den 16. April ein Referendum, um seinen eigenen islamistischen Putsch zu legitimieren, Erdogan nannte in einer lächerlichen Weise Merkel Nazi, um den türkischen Nationalismus anzuheizen. Der Vorwand für die deutschen (CDU/SPD), niederländischen (VVD/PvdA) und österreichischen (SPÖ/ÖVP) Regierungen ist der Versuch der türkischen Regierung, die “Kampagne für das Referendum”, mit dem Erdogan der allmächtige Präsident seines Landes werden will, “nach Europa” zu bringen. All diese Regierungen sind Koalitionen aus christlichen und sozialdemokratischen Parteien. Momentan machen sie alle Konzessionen zu den faschistischen und islamophoben Bewegungen in ihren Ländern: AfD in Deutschland, PVV in den

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Niederlanden, FPÖ in Österreich. Ebenso unterstützt die britische Labour Party nun den Brexit, den UKIP unter der Führung der konservativen Regierung durchgesetzt hat, die Regierung der französischen SP weist jährlich tausende Migranten unter dem Druck der Front National und der LR (Republikaner) aus. 1999 wurde die Türkei offiziell von der EU als Kandidat für die Vollmitgliedschaft anerkannt. 2004, angesichts des “Krieges gegen den Terror”, unterstützte die US-Regierung unter George Bush offen die “modernistischen” klerikalen Tendenzen in der Türkei. Auch wenn die Türkei Mitglied der Nato und “dritt-assoziiertes Land” der EU ist, nahmen die Probleme zwischen den europäischen und amerikanischen Imperialisten und den letzten türkischen Regierungen zu. Aber die Revolutionen in Tunesien und Ägypten (2010/11) änderten die Situation. Das Scheitern der Muslimbruderschaft in beiden Ländern, das “türkische Modell” einer islamistischen Stabilisierung des Kapitalismus zu kopieren führte zu schweren Spannungen innerhalb der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Klassen in der Türkei und innerhalb des früheren AKP-Hizmet-Blocks. Erdigan und seine Anhänger verließen sich mehr und mehr auf den “tiefen Staat” (Armee, politische Polizei, Gerichte) und wurden immer skeptischer, ob ein demokratischer Griff nach der Macht erfolgreich sein könnte. Angesichts des ursprünglichen Plans der westlichen imperialistischen Mächte, das Assad-Regime in Sysrien zu stürzen,

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Internationaler Klassenkampf tolerierten diese Erogans Unterstützung für die Dschihadisten in Syrien ab 2012, die Unterdrückungspolitik gegen die TaksimPlatz-Revolte in Istambul 2013 und die Rückkehr zum Krieg gegen die Kurd_innen im Osten des Landes im Jahr 2015. Die EU handelte 2014 ein Abkommen mit dem türkischen Staat gegen eine elementare Freiheit, nämlich die des Rechts von Flüchtlingen via Griechenland an sichere Orte in West- und Nordeuropa zu gelangen. Trump, Merkel, May und Hollande sorgen sich nur über Erdigansa Allianz mit Putin und Zusammenstöße mit ihren kurdischen Hilfsmilizen in Syrien. Die jüngsten Krokodilstränen über die “fehlende Demokratie” in der Türkei sind daher nur Augenauswischerei. Wo gibt es Sanktionen gegen die reaktionäre Orban-Regierung in Ungarn oder die polnische PIS-Regierung? Wo sind die Forderungen nach Einreiseverboten, wenn Le Pen (FN) in Österreich bei FPÖ-Veranstaltungen auftritt oder FPÖ-Strache in Deutschland vor der AfD? Während nationalistische und mao-stalinistische in den USA und der EU auf die Liste der terroristischen Organisationen gesetzt werden, können die faschistischen Grauen Wölfe der MHP ihre Netzwerke in Europa und den USA ausweiten. Und wir gehen jede Wette ein, dass die gleichen Maßnahmen wie gegen die AKP gegen Sprecher der HDP oder von Arbeiter_innenorganisationen angewendet würden, wenn diese im Ausland versuchen würden, gegen das islamische Regime in Ankara aufzutreten. Seit Jahren werden in Nordamerika und Europa unter dem Eindruck der letzten kapitalistischen Weltkrise demokratische Freiheiten beschnitten und Geheimdienste, Polizeiapparate und Armeen ausgebaut. Gleichzeitig wird die Spaltung der Arbeiterklassen durch Fremdenfeindlichkeit, das Säen von Misstrauen und Warnungen vor Minderheiten vertieft - gegen Pol_innen in England; Jüdinnen und Juden, Roma, Araber_innen, Türk_innen und Muslims und Muslimas in ganz Westeuropa; gegen Atheist_innen, Kurd_innen, Alevit_innen in der Türkei… Was die “demokratischen” Regierungen nun als Maßnahmen zur Verhinderung von “Unruhen” unter migrantischen Arbeiter_innen vorschlagen, sind in Wahrheit verallgemeinerte Angriffe auf die Rechte aller Arbeiter auf Meinungsfreiheit, Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit.

Erdogan wird nicht durch Einreiseverbote in den imperialistischen europäischen Ländern gestoppt werden. Er wird durch den Klassenkampf der türkischen und kurdischen Massen aufgehalten werden, in der Türkei und im Ausland. Die Massenorganisationen der Arbeiter_innen, Parteien und Gewerkschaften, müssen mit dem Chauvinismus brechen und diese reaktionären Pläne bekämpfen. Trotz zahlreicher Diskriminierungsmaßnahmen müssen die Arbeiter_innen ganz Europas und der ganzen Welt zusammenstehen, um ihre Rechte zu verteidigen und neue zu erringen - Frauen und Männer, Migranten und Einheimische. Der beste Weg, um Reaktionäre - ob in Westeuropa oder in der Türkei - zu stoppen, ist die Verteidigung und Ausdehnung der demokratischen Rechte der Arbeiter_innen, die Möglichkeit, ihrem Abscheu und ihrem Widerstand gegen die bürgerlichen Regierungen, ausländerfeindliche und faschistische Bewegungen offen Ausdruck zu geben. Der Hauptfeind steht im eigenen Land. Um Rassismus und Sektierertum auszulöschen, muss die Arbeiter_innenvorhut eine revolutionäre Internationale aufbauen, um den Imperialismus zu zerschmettern, so wie es die Bolschewistische Partei und die Kommunistische Internationale vor der stalinistischen Konterrevolution begonnen hat. Brecht mit der NATO! Stoppt die US-amerikanische, russische, britische, französischem türkische, iranische, saudische Militärintervention in Syrien, iim Irak und im Jemen! Freies Reiserecht für Flüchtlinge, Student_innen und Arbeiter_innen! Aufhebung aller fremdenfeindlichen Maßnahmen! Die Arbeiter_innenorganisationen müssen eine Einheitsfront gegen die rassistische Propaganda, gegen die Polizei, gegen islamistische und faschistische Banden bilden! Gegen Sondergesetze, welche die Religionsfreiheit einschränken! Komplette Trennung von Staat und Religion! Völlige Gleichstellung von Frau und Mann! Keine öffentlichen Mittel für den Klerus oder religiöse Institutionen! Arbeiter_innenregierung in allen Ländern! Vereinigte Sozialistische Staaen von Europa! Weltkommunismus!

GKK, GMI, DP (Türkei)

Erklärung der Groupe Marxiste Internationaliste (Frankreich) zur 2. Runde der französischen Präsidentenwahlen

Weder Macron noch Le Pen!

Die Kandidaten der beiden Parteien, die abwechselnd seit drei Jahrzehnten den bürgerlichen Staat verwaltet haben, wurden in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl eliminiert. Die Kandidaten der Organisationen, die aus der Arbeiterklasse stammen (PS, PCF & Parti de Gauche PdG, NPA, LO), erhalten zusammen weniger als 28 % der abgegebenen Stimmen, gegenüber 41 % im Jahre 201 2, das ent-

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spricht einem Verlust von fast fünf Millionen Stimmen. Die Kandidaten der politischen Parteien des Bürgertums (EM, FN, LR & UDI, DlF usw.), erhalten mehr als 72 % der Stimmen. Macron kommt auf 23,9 % der Wählerstimmen und Le Pen auf 21 ,4 %. Die Enthaltung betrug mehr als 22 % . Außerdem sind viele Jugendliche, Arbeitslose und wenig qualifizierte Arbeiter nicht in den Wählerlisten eingetra-

antwortlichen für diese schwere Niederlage. Im Jahre 2012 hat Holland die Macht von Sarkozy übernommen, nachdem sich die bürgerlichen Parteien vollständig diskreditiert hatten. Die PS hat während fünf Jahren RegieDie Verantworrungen mit der [liberalbürtung der SP, der gerlichen] PRG und der [grünen] EELV angeführt, die Gewerkschaftsganz offen eine Politik im führungen und Dienst der Interessen des Mélenchons französischen Bürgertums Die Apparate der Arbeiter- gemacht haben: Bespitzelung bewegung sind die Hauptver- der Bevölkerung, Stärkung gen. Ein beachtlicher Teil der Arbeiter kann sich auf Grund seines Alters (Lehrlinge) oder seiner Nationalität (Ausländer) nicht eintragen lassen.

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Internationaler Klassenkampf

von Polizei und Armee, Flexibilisierung der Arbeitsverhätnisse, der Arbeitszeit und der Gehälter, Angriffes auf die Pensionen, Kriege in Mali und in Zentral-Afrika, Polizeigewalt, Einschränkung des öffentlichen Gesundheitswesens, Ausnahmezustand, Aberkennungen der Staatsbürgerschaft, Jagd auf Migrant_innen, Gerichtsurteile gegen Gewerkschafter, Einfrieren der Beamtengehälter für vier Jahre… Die PS, die PCF und alle Gewerkschaftsführungen (CFDT, CGT, FO Solidaires, UNSA…) haben zum Zeitpunkt der Attentate an der „ Nationalen Einheit “ mit der Regierung, dem Unternehmerverband Medef und den Parteien LR und FN teilgenommen. Sämtliche Gewerkschaften waren bereit alle Pläne der Regierung zu diskutieren, einige (CFDT, UNSA) haben ihnen sofort zugestimmt, die anderen (CGT, FO, Solidaires, FSU), haben die Kämpfe der Arbeiter insbesondere gegen das Gesetz EL Khomri durch die Vervielfachungen „der Aktionstage“ gegen die Perspektive des Generalstreiks

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sabotiert. Die PCF, die PdG, LO, und die NPA halfen [CGT-Vorsitzendem Philippe ]Martinez. Der Kandidat von PS, PRG, EP und EELV , Hamon, hat den Preis für den Verrat von Holland gezahlt, umso mehr, als ein guter Teil der Regierung und der PS Macron gegen ihn unterstützt hat. Mélenchon, der von der PdG, nsemble und der PCF unterstützte Kandidat hat seine Kampagne auf dem Terrain der FN geführt: Idealisierung der Kleinunternehmer, die oft die schlimmsten Ausbeuter sind, Vergrößerung des Polizeipersonals, Infragestellung der „ Finanzemärkte“ und der Europäischen Union anstelle des Kapitalismus, Rückkehr zum französischen Franc, Einschränkung der Einwanderung, trikolore Nationalfahnen und die Marseillaise.. LO und NPA haben die Perspektive der Verteidigung der Demonstrationen und Streiks gegen die Polizei ebenso zurückgewiesen wie die Schaffung von Kampforganen der Arbeiter, Angestellten, Arbeitslosen und Studenten, einer auf diesen Organen aufbauenden Arbeiterregierung und die Vereinigten sozialistischen Staaten von Europa. Die Arbeiter haben nicht zwischen dem liberalen Bankier und der rassistischen Erbin zu wählen Im zweiten Wahlgang sind die Kandidaten - selbst wenn sie nicht die bevorzugte Wahl des Großbürgertumss sind Kandidaten im Dienst der Un-

ternehmer, die sie für ihre Interessen regieren lassen werden. Sie unterscheiden sich nur durch die Art, in der sie die Bewahrung und Stärkunge des französischen Kapitalismus voreschlagen (indem man Geschäftspartner von Deutschland und den Vereinigten Staaten bleibt, wie Macron vorschlägt, oder indem man die Europäische Union zerstört und auf Rußland setzt, wie Le Pen). Die Politik, die Macron betreiben will, steht in der Kontinuität mit jener von Holland und Sarkozy, also der Kündigung von Beamten, der Jagd auf Arbeitslose, Fortsetzung der zerstörerischen Angriffe auf das, was vom Arbeitsgesetz noch geblieben ist. Le Pen wendet sich an das kleine Kapital und das Kleinbürgertum das durch den internationalen Wettbewerb verängstigt ist. Sie bekommt ihre Stimmen von Bullen und Soldaten, aber auch zum Teil von rückstündigen und orientorierungslosen Arbeitern, die sie durch ihre „soziale“ Sprache irreführt, und die sie nie umsetzen wird. Le Pen spaltet die Arbeiter, sie verspricht alles für die Franzosen, und behauptet Arbeitsplätze, Pensionen usw. Nicht dadurch finanzieren zu wollen, indem man die Unternehmer zahlen lässt, sondern indem man die „ Fremden “ hinauswirft, indem man eine echte Apartheid, einen Polizeistaat errichtet, und indem man einen ebenso illusorischen wie rückständigen Protektionismus einführt. Hinter diesem demagogischen Rauchvorhang bereitet man in Wirklichkeit schreckliche Schläge gegen die Arbeiterklasse und die Jugend vor, beginnend mit der Rücknahme von politischen, gewerkschaftlichen und demokratischen Freiheiten . Aber das, was von den „ reformistischen “ Parteien (PS, PCF) bleibt, und alle Gewerkschaftsführungen (außer [Jean-Claude] Mailly, der kei-

ne Empfehlung ausgibt, um die Fraktionen von LR und FN in [der reformistichen Gewerkschaft] FO nicht zu vergrätzen), rufen, für den Kandidaten des großen Kapitals Macron mit derselben Erpressung auf wie im Jahr 2002. Chirac, der Kandidat, der den Migranten Lärm und üblen Geruch angedichtet hatte, wurde damals mit 82 % der Stimmen gewählt, was ihm einen brutalen Angriff auf die Pensionen sowie die immens gesteigerte Ausbeutung der Jugend ermöglichte. Man muß den Klassenkampf, den Internationalismus erneut aufnehmen, um die Perspektive des Sozialismus zu eröffnen Der Faschismus wurde niemals durch Stimmzettel aufgehalten. Wenn es eine revolutionäre Arbeiterpartei gäbe, würde sie versuchen, den Boykott dieses zweiten Wahlgangs zu organisieren. Einzig die Arbeitereinheitsfront, die Perspektive der Machtergreifung durch die Arbeiter ihrer Kontrolle über die Wirtschaft, könnte den Massan das Vertrauen in ihre eigene Kraft zurückzugeben, die FN zerschlagen, die sich auf dem Boden den Verwüstungen des Kapitalismus und der Niederlagen der Arbeiterklasse entwickelt, und die Arbeiterklasse und die Jugend auf der Linie der Konfrontation gegen die nächste bürgerliche Regierung mobilisieren. In den Gewerkschaften muß man Fraktionen für den Bruch mit der Sozialpartnerschaft und der Klassenzusammenarbeit bilden. Gegen die sozialepatriotischen Parteien und ihre Gehilfen muß man die bewussten Arbeiter in einer revolutionären Arbeiterpartei, Sektion einer neuen kommunistischen Internationale, sammeln.

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Fortsetzung von S. 28

mentalistische oder faschistische politische Bewegungen die Arbeiterbewegung, demokratischen Freiheiten sowie ethnische, religiöse und sexuelle Minderheiten. Weltweit werden Millionen von Frauen beschnitten, gegen ihren Willen verheiratet, vergewaltigt und ermordet; selbst in den hoch entwickelten Ländern ist das Recht auf Abtreibung eingeschränkt und bedroht.

Für den Weltsozialismus Trotzdem würde der Stand von Wissenschaft und Technik ebenso wie die Produktions- und Transportmittel gestatten, die Grundbedürfnisse aller Menschen zu befriedigen. Die kapitalistischen Produktionsverhältnisse sind, nachdem sie die Entwicklung der Produktivkräfte durch Industrialisierung und Internationalisierung ermöglicht haben, ein Hemmschuh geworden. Glücklicherweise hat der Kapitalismus auch eine neue revolutionäre Klasse geschaffen. Die Klasse der Arbeiter, die gezwungen ist, ihre Arbeitskraft dem Kapital zu verkaufen. Sie ist die einzige Kraft, die heute die Hindernisse für den historischen Fortschritt aus dem Weg räumen und den Übergang zu einer höheren Produktionsweise, dem Sozialismus-Kommunismus, ermöglichen kann. In dieser bestimmen die assoziierten Produzenten, Herrscher über die Produktionsmittel, von Vornherein die Schaffung und Verteilung des Reichtums.

Für die Revolutionäre Arbeiterinternationale Die Arbeiterklasse, die Angestellten und Techniker müssen die Führung über alle Zwischenklassen und Halbausgebeuten (Bauern, kleine Beamte, Händler, etc.) und alle Unterdrückten der Gesellschaft übernehmen, um die Macht der Minderheit der Kapitalisten zu entreißen. Die herrschende Klasse wird nicht nur durch ihre Parteien und Unternehmerverbände vertreten. Sie stützt sich auf das Eigentum an Unternehmen und Massenmedien. Ihre Dominanz wird durch den Staat, die Schule und das Hochschulsystem verstärkt, die Geistlichkeit, die liberalen oder keynesianischen Ökonomen. Deshalb müssen wir das Großkapital enteignen und den Staat zerstören, um diesem System beizukommen. Weil die Bourgeoisie über das gesellschaftliche Mehrprodukt und den Staat verfügt, konnte sie die Apparate und Massenorganisationen der Arbeiterklasse korrumpieren und in den Staat integrieren. Die Gewerkschaftsapparate stimmen den Verhandlungen über Angriffe gegen früher erworbene Errungenschaften der Werktätigen zu und setzen dem nichts als Pseudowiderstand wie Appelle an Vertreter der bürgerlichen Parteien oder vereinzelte Streiktage entgegen. Die bürgerlichen Arbeiterparteien sozialdemokratischer oder stalinistischer Herrschaft wollen glauben machen, dass der bürgerliche Staat den Kapitalismus verwalten und in den Dienst der Arbeiter gestellt werden kann . Aber wenn sie an die Regierung kommen, verteidigen sie das nationale Kapital auf Kosten der Arbeiter und stärken den Repressionsapparat des bürgerlichen Staates (SACP in Südafrika,

Syriza in Griechenland, PT in Brasilien, PS in Frankreich, SPD in Deutschland SPÖ in Österreich, PS in Belgien, PS, PSC und PCC Chile ...). Daher erfordert der Sieg der Revolution den Kampf gegen und das Zunichtemachen der Rolle der bürgerlichen Agenturen in der Arbeiterklasse. Aber die zentristischen Strömungen (die den Mao-Stalinismus nicht überwunden oder das leninistisch-trotzkistische Programm verwässert haben) lehnen den Kampf gegen die “reformistichen” Bürokratien und Gewerkschaften ab. Wenn Sozialpatrioten und Zentristen Forderungen erheben, trennen sie sie von den Grundlagen des kommunistischen Programms. Die Opportunisten fürchten genau das, was die Durchsetzung der Forderungen und ihre Verteidigung danach ermöglichen würde: den Generalstreik, die Schaffung und die Zentralisierung der Kampforgane der Arbeiter und der Massen, Selbstverteidigung gegen Polizei und Faschisten, die Zerstörung des staatlichen Repressionsapparats, die Diktatur des Proletariats. Keine Wahl und kein Referendum reicht aus, damit die Mehrheit der Minderheit die Macht entreißt. Mit anderen Worten, wir brauchen eine soziale Revolution, die von den Arbeitern geführt wird, wie die Pariser Commune im Jahr 1871 und die Räte in Russland im Jahr 1917. Der Aufstand wird für die Massen günstiger, der Übergang zum Sozialismus (die Diktatur des Proletariats) noch kürzer und demokratischer sein, wenn die Ausgebeuteten entschlossen handeln und die Ausbeuter international isoliert sind. Die positive Lehre aus der Russischen Revolution von 1917 (und die negative der Revolutionen in Tunesien, Ägypten, Syrien 2011-2012) ist die Notwendigkeit für die Arbeiterklasse die Führung zu übernehmen. Dafür braucht sie eine Strategie, ein Programm und eine Partei. Wir müssen am Marxismus anknüpfen, wieder eine kommunistische Internationale Aufbauen, in jedem Land die revolutionäre Vorhut sammeln und aus ihr eine Partei von bolschewistischem Typ formen, jeden Kampf der Ausgebeuteten und Unterdrückten mit der Perspektive des Sturzes der Bourgeoisie, der Zerstörung ihres Staates und der Machtübernahme durch die Produzenten verbinden. Proletarier aller Länder, vereinigen wir uns für:

• Die Schließung aller imperialistischer Militärbasen! Stoppt die militärische Intervention in Mali, Jemen, Syrien, Irak! Schluss mit den Militärmanövern der US-Imperialisten gegen Nordkorea! Freizügigkeit und Niederlassungsrecht von und für Flüchtlinge, Arbeiter und Studenten! • Weder Liberalismus noch Etatismus! Weder Protektionismus noch Freihandel! Enteignung der Gutsbesitzer und Konzerne! Von der gesamten Bevölkerung beschlossener Produktionsplan! • Verteidigung der demokratischen Freiheiten! Recht auf Lostrennung für die unterdrückten Nationalitäten! Vollständige Trennung von Religion und Staat! Entwaffnung der Repressionskräfte und Entlassung der Berufsarmee! • Unabhängigkeit der Gewerkschaften von Staat und bürgerlichen Parteien! Schaffung demokratischer Kampforgane! Arbeiterregierungen, gestützt auf diese Organe in jedem Land! Sozialistische Weltföderation!

1 . Mai 201 7 Kollektiv Permanente Revolution (CoReP) www.revolucionpermanente.com

Tendência Marxista-Leninista (Brasilien) tmarxistaleninista.blogspot.co.at/

Eigentümer, Herausgeber, Verleger: Politische Partei Gruppe Klassenkampf, 1 070 Wien. Druckort: Wien

Patronsuz Dünya (Türkei) www.patronsuzdunya.com


Internationale Erklärung zum 1 . Mai 201 7 (CoReP, TML, PD)

Für die sozialistische Weltrevolution Die Zeit des Kapitalismus ist abgelaufen Der Kapitalismus ist im Niedergang, seit er in seine imperialistische Phase eingetreten ist. Dies zeigte sich in Europa durch den Krieg 1914 (der durch die russischen Revolutionen von 1917 und die deutsche Revolution 1918 beendet wurde) und in Amerika durch die Wirtschaftskrise von 1929. Die Umweltbedingungen für die Menschheit verschlechtern sich wegen der kapitalistischen Profitgier. Das Klima wird durch die Emission von Treibhausgasen (CO2, CH4 ...) gestört,. Die Natur dient dem Kapital als Mülldeponie, vermeidbare Umweltverschmutzungen beeinträchtigen die menschliche Gesundheit. Jedes Jahr setzt sich das Artensterben fort. Die großen kapitalistischen Konzerne monopolisieren Landwirtschaft und Bergbau zu Lasten der Arbeiter und Bauern sowie der Umwelt. Die kapitalistische Krise schlägt 2007-2009 weltweit durch. Lokale Krisen treffen Brasilien, Argentinien, Russland ... Griechenland versinkt in der Depression. Die Erholung der Weltwirtschaft im Jahr 2009 erfolgt auf Kosten der Ausgebeuteten. Regierungen und Zentralbanken haben in jedem Land - und jede für sich - ihre großen Finanz- und Industriekonzerne gerettet. Die Kapitalisten und ihre Staaten haben mit Komplizenschaft der "reformistischen” Parteien und Gewerkschaftsbürokratien die Arbeit intensiviert, Beschäftigungsverhältnisse prekarisiert, Löhne und Arbeitszeit flexibilisiert, Sozialleistungen reduziert, und zusätzliche Ausbeutung durch Mieten und Bankzinsen der am Arbeitsplatz hinzugefügt. Auf Grund mangelnder Vernichtung von Kapital in bedeutendem Umfang bleibt das Wirtschaftswachstum schwach, der internationale Handel hat sich nicht wesentlich intensiviert (er wächst langsamer als die Produktion), die globale Arbeitslosigkeit steigt (die Beschäftigung steigert sich langsamer als die aktive Bevölkerung), die Finanzspekulation setzt sich fort. Während die Arbeiterklasse (Arbeiter, Angestellte, Techniker ...) zahlenmäßig wächst, geht der Anteil der Löhne in der Produktion zurück und die Ungleichheiten zwischen den Reichsten und Ärmsten nehmen zu. Selbst die am weitesten fortgeschrittenen kapitalistischen Länder schließen ständig einen Teil ihrer Bevölkerung von der Beschäftigung aus, schließen ihre Grenzen für Migranten und können nicht einmal allen Menschen ein Dach über dem Kopf garantieren. Hunderte Millionen Menschen sind in Armut und Unsicherheit in Flüchtlingslagern in den dominierten Ländern in den Slums und Favelas ihrer Metropolen zusammengepfercht. Die militärische Unterordnung unter die Vereinigten Staaten (NATO), der Druck Russlands auf die Ukraine, die Erdrosselung Griechenlands durch die deutschen und französischen Bourgeoisien, der Austritt Großbritanniens, das Aufbegeheren der zentraleuropäischen Staaten schwächt die Europäische Union.

Die europäischen Bourgeoisien erweisen sich, wie der Marxismus schon vor einem Jahrhundert vorausgesagt hat, als unfähig, Europa friedlich zu vereinen.

Kapitalismus führt zur Barbarei Die Rivalitäten zwischen den imperialistischen Mächten verschärfen sich: die Vereinigten Staaten wollen ihre militärische Überlegenheit nutzen, um ihre Hegemonie aufrechtzuerhalten, während sich Russland widersetzt und China eine Neuaufteilung der Welt durchsetzen will. Die Staaten bespitzeln ihre Bevölkerung und beschneiden demokratische Freiheiten. Militärausgaben und Waffenkäufe explodieren und mit Atomwaffen ausgestatete Staaten werden mehr (Pakistan, Israel ...). Der neue chinesische Imperialismus militarisiert das Chinesische Meer gegen den alten japanischen und amerikanischen Imperialismus. Westliche und russische Mächte prallen indirekt in der Ukraine und Syrien aufeinander. Die syrische Regierung setzt, zusätzlich zu Folter und Massenbombardierungen, chemische Waffen gegen das eigene Volk ein. Israel erdrosselt mit Unterstützung der Vereinigten Staaten die „Gebiete“ Palästinas, verwüstet und zerstört regelmäßig Gaza und weitet seine Kolonisierung in der Westbank und Jerusalem aus. Krieg wütet in der Ukraine, Afghanistan, Syrien, Irak und Jemen. Hunger wütet in Nigeria, Somalia, Südsudan und Jemen. Dutzende Millionen von Menschen werden im Inneren ihres eigenen Landes vertrieben, Millionen versuchen der Lebensgefahr durch Flucht zu entkommen (Hunderte sterben jedes Jahr an der Grenze zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten, Tausende im Mittelmeer ...). Illegale Migranten sind überall zur Überausbeutung und sogar Sklaverei verdammt. Überall versuchen die herrschenden Klassen, als Ventil für die Wut über Prekarität und Armut, die sie hervorrufen, Flüchtlinge, Arbeiter aus anderen Ländern, ethnische oder religiösen Minderheiten als Sündenböcke anzubieten. Der Wahlsieg Trumps in den Vereinigten Staaten nach dem von Duterte auf den Philippinen und Orbáns in Ungarn zeigen den allgemeinen Anstieg von Protektionismus und Fremdenfeindlichkeit. Die Perspektive auf den Sozialismus ist innerhalb der Massen zurückgegangen: wegen der Unterdrückung der Arbeiter in den Staaten, die sich selbst sozialistisch nannten (vom Kuba Fidel Castros zu Kambodscha unter Pol Pot) und der Restauration des Kapitalismus zwischen 1989-1993 (in Zentraleuropa, Russland, China, Vietnam...) durch jene Bürokratien, die die Macht an sich gerissen hatten und sich “Kommunisten” nannten. In allen Ländern feiert der Obskurantismus ein massives Comeback - in Ideologie und Politik, und insbesondere in Form des religiösen Fundamentalismus. Diese Rückentwicklung geht auf Kosten der wissenschaftlichen Forschung, anderer Religionen, der Atheisten, der Rechte der Frauen, der sexuellen Freiheit, des archäologischen Erbes, der künstlerischen Ausdruckskraft , der Bildung ... Überall bedrohen nationalistische, fremdenfeindliche, fundaFortsetzung auf S. 27

Kontakt für Deutschland und Österreich: gruppe.klassenkampf@gmail.com


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