Nummer 28 / Herbst 2017
Zeitung der Gruppe Klassenkampf für Rätemacht und Revolution 2. Euro
DERѝMANN,ѝDERѝ DIEѝREAKTIONѝ VEREINIGT
Editorial
Nationalratswahl 2017
Worum es wirklich geht Glaubt man den Aussagen der bürgerlichen Politikerinnen und Politiker in diesem Land, steht Österreich vor der Apokalypse: Horden von Zuwanderern fressen, Heuschrecken gleich, das Land arm; ehrliche und fleißige Österreicher finden keine Jobs, weil ihnen - erraten - Ausländer_innen die Arbeitsplätze wegschnappen; und sogar die fleißigen und ehrlichen sind zu faul, um 12 Stunden am Tag zu arbeiten, und zwar am besten sechs Mal pro Woche und ohne Zuschläge; potente Firmen flüchten aus dem Land, weil Steuern, Sozialabgaben und Löhne zu hoch sind; überhaupt ist Österreich das Land der Sozialschmarotzer und Bettler geworden.
Der Theaterdonner verbirgt aber eine Realität, die weit we niger dramatisch ist. Wenn wir davon ausgehen, dass die Oes terreichische Nationalbank und die mit ihr zusammenarbeitenden Wirtschaftsforschungsinstitute sowie Einrichtungen wie das Europäische und österreichische Sta tistikamt keine von irgendwelchen weltfremden Utopisten gelenkten FakeNewsProduzenten sondern in Summe ein hochqualifierter ThinkTank im Dienst der [kapitalistischen] Wirtschaft sind, klingt folgende Einschätzung der Wirtschafts lage durch die Nationalbank in Wien deutlich anders: “Die österreichische Wirtschaft befindet sich derzeit in ei nem sowohl von der inländischen als auch der ausländischen Nachfrage getragenen Aufschwung. Das Wachstum des realen BIP beschleunigte sich bereits im Jahr 2016 auf 1,4 % und wird 2017 2,2 % betragen. Für die Jahre 2018 und 2019 wird ein Wachstum von 1,7 % bzw. 1,6 % erwartet. Gegenüber der Prognose der OeNB vom Dezember 2016 stellt dies eine Aufwärtsrevision um 0,7 bzw. 0,2 und 0,1 Pro zentpunkte dar. ‘Die Aussichten der österreichischen Wirt schaft haben sich für 2017 deutlich verbessert, das Wachstum Österreichs wird heuer erstmals seit 2013 stärker als das des Euroraums sein’, so OeNBGouverneur Ewald Nowotny. Die Inflationsrate wird 2017 auf 2,0 % steigen und in den Jahren 2018 und 2019 jeweils 1,8 % betragen. Die Arbeitslosenquote erreichte zwar im Jahr 2016 mit 6,0 % einen historischen Höchstwert, wird aber bis 2019 auf 5,4 % sinken. Der gesamt staatliche Budgetsaldo wird sich bis 2019 weiter auf –0,5 % des BIP verbessern. Die gesamtstaatliche Schuldenquote ent wickelte sich 2016 erstmals seit Ausbruch der globalen Fi nanz und Wirtschaftskrise wieder rückläufig und wird bis 2019 weiter sinken”. Offensichtlich ist für das Kapital alles in bester Ordnung? Und für die arbeitende Bevölkerung? Die folgende Grafik zeigt die Reallohnentwicklung in Österreich seit 2010, und sie de monstriert ganz eindeutig: Die Sozialpartnerschaftsleier vom “Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut”, war und ist eine freche Lüge, mit der den Arbeiter_innen, Angestellten und der Jugend Sand in die Augen gestreut wird.
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Während sich die Kapitalist_innen über steigenden Profite freuen können, geht die Schere zu den Lohanabhängigen im mer weiter auf:
Diese Statistik stammt übrigens auch nicht aus irgendwel chen sozialrevolutionären Agitationsschriften, sondern be ruht auf Daten des nun wirklich nicht fortschrittlichen Internationalen Währungsfonds. Was die herrschende Klasse in diesem Land will, und was sie mit allem politischen Mitteln durchsetzen will, hat am 14, Juli 2017 der Chefökonom der Industriellenvereinigung (IV) Christian Helmenstein im Duett mit IVGeneralsekretär Chris toph Neumayer kundgetan. Das österreichische Kapital wünscht sich von dieser oder egal welcher Regierung eine “verlässliche Standortpolitik”. Ei Herbst 2017 | Nummer 28
Editorial nige Maßnahmen der dahingeschiedenen Koalition werden von den Sprechern des Großkapitals zwar kritisch, aber posi tiv vermerkt: Die “StartUp”Förderung von 185 Millionen Euro zur Förderung “innovativer” Firmengründungen; die Redukti on der Bankenabgabe, wobei jedoch einige Tränen zerdrückt werden, dass die Banken bis 2019 eine Milliarde als Einmal zahlung locker machen müssen. Das Geld liegt zwar auf der Bank aber warum soll die das herausrücken?, fragt der Kapi talist verwundert. Die “Wiener Zeitung” berichtet über die Wunschliste des IV Generalsekretärs: “Im Übrigen fordert er Erleichterungen in der Gewerbeord nung und auch eine Senkung der Unternehmensbeiträge zum Insolvenzentgeltfonds um 0,05 Prozentpunkte (auf 0,3 Pro zent), was rund 50 Millionen Euro an Einsparungen bedeuten würde. Mit Jahresbeginn war der Beitrag pro Beschäftigten lohn auf 0,35 Prozent gesenkt worden. Ganz oben auf der For derungsliste der Industrieunternehmen (vor allem der großen) stehen auch Arbeitszeitflexibilisierung und Bürokra tieabbau”. Diese Eckpunkte im Forderungsprogramm der Industrie las sen sich mit einem Satz zusammenfassen: Generalangriff auf die sozialen Errungenschaften der heimischen Arbeiter_innen klasse. Angesichts dieser Zielsetzung ist klar, was die politische Ab sicht hinter der “Operation Kurz” ist: Ausschaltung der Sozial demokratie und der traditionalistischen Sozialpartnerschaftsanhänger in der ÖVP, die nur ein Klotz am Bein bei der Umsetzung dieser Offensive sind. Wie die “neue Zeit” aussieht, welche die Topkapitalist_innen herbeisehnen, hat eines der ÖVPUrgesteine, Wirtschaftskam merpräsident Christoph Leitl, zu spüren bekommen, der noch rasch eine angebliche Einigung mit ÖGB und AK in der Frage Mindestlohn ausgehandelt hat. Bereits im Mai briet Leitls eins tiger Stellvertreter in der WKÖ, der nochFinanzminister Hans Jörg Schelling, dem Kammerherrn eins über: „’Die Sozialpartnerschaft ist tot. Sie weiß es nur noch nicht’, sagt Schelling. Man müsse eine Standortpartnerschaft bilden, die berücksichtigt, dass es nicht mehr um Klassenkampf gehe. Besonders mit Leitl hat Schelling ein massives Problem. Die sem trägt er den Widerstand gegen die Registrierkasse nach, die im Übrigen aufs Jahr gesehen die prognostizierten 900 Mil lionen Euro zusätzlich fürs Budget bringen wird. “ Tatsächlich murrt es aus der Wirtschaftskammer und der IV, Leitl habe sich über den Tisch ziehen lassen. Der Mindest lohn von 1.500 Euro bis 2020 ist nun allerdings kaum ein großer Sieg der Gewerkschaftsbürokraten gewesen in vielen Branchen wäre dieser Mindestlohn durch KVVerhandlungen ohnehin erreicht worden. Dass die Unternehmer_innen den schlechtest bezahlten Arbeiter_innenschichten (im Gast gewerbe, beim Reinigungspersonal, den Floristen etc.) , im merhin über 330.000 Beschäftigten, nicht einmal diesen bescheidenen Lohn gönnen, ist aus der Logik des Kapitals klar. Wozu etwas gewähren, was die Gewerkschaften bisher aus eigener Kraft eh nicht erkämpfen konnten? Die Idee, als Gegenzug eine Flexibilisierung der Arbeitszeit am Silbertablett geliefert zu bekommen, scheiterte letzten Endes daran, dass sich in den Gewerkschaften PROGE und GPADJP an der Basis Herbst 2017 | Nummer 28
Gewerkschaftsfunktionär und Unternehmervertreter. Fotomontage von Michael Mansfeld, 1959
und in der mittleren Funktionärsschicht deutlicher Wider stand regte. In der türkis getünchten “Neuen Volkspartei” des Reserve messias Sebastian Kurz ist Leitl ein Auslaufmodell. Zwar be harrt der oberösterreichische Unternehmer darauf, noch ein paar Jahre in der Politik bleiben zu wollen und auch weiter den Wirtschaftsbund dirigieren zu wollen seine geradezu rührende Anhänglichkeit an die Sozialpartnerschaft macht ihn allerdings in der KurzBewegung zum Arschtrittkandidaten Nummer 1. Soziale Heimatpartei hin oder her: die FPÖ versucht in Wahl zeiten wieder einmal den Spagat aus “Freundschaft zum klei nen Mann” und bestem Sachwalter des heimischen Kapitalismus. Heuchlerisch kritisierte FPÖGeneralsekretär Herbert Kickl die “Sozialpartnereinigung”: Die von Bundeskanzler Kern im Jänner bei seiner PlanAIn szenierung als Herzstück präsentierte Arbeitszeitflexibilisie rung wurde heute mediengerecht zu Grabe getragen. Auch beim Mindestlohn ist das Verhandlungsergebnis der Sozial partner alles andere als ein Meilenstein. Ganz im Gegenteil hat man sich bei 1.500 Bruttolohn auf einen Minimalkonsens am untersten Ende der Fahnenstange gefunden und noch dazu verschleppt man das Inkrafttreten bis ins Jahr 2020. Was diese Herumtaktiererei bei dieser Frage überhaupt soll, ist nicht nachvollziehbar – offenbar wollte man nicht mit gänzlich lee ren Händen vor die Kameras treten.“ Die Freiheitlichen, die sich seit ihrer Regierungsbeteiligung 2000 als konsequente Arbeiter_innenfeinde geoutet haben und das strategische Ziel der Zerstörung der sozialen Sicherheit verfolgen, können jetzt locker als Freunde eines höheren Min destlohns auftreten. Wesentlich wichtiger ist ihnen, wie auch aus den Wortmeldungen Kickls hervorgeht, die Arbeitszeitfle xibilisierung und die Zerschlagung der Kollektivverträge. Die FPÖ bedient sich der Blendgranaten der Ausländerfeind lichkeit, um ihre sozialfeindliche Politik zu verstecken. Es geht ja “eh” nur darum. die “Asylanten” und “Wirtschaftsflüchtlin ge” von Sozialleistungen auszuschließen. Dass die FPÖ traditionell und konsequent gegen die soziale Absicherung von Opfern des kapitalistischen Systems an kämpft, ist freilich nichts neues. Die StrachePartei vertraut nur auf das schlechte Gedächtnis ihrer Gefolgschaft. Hier zur
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Editorial Erinnerung eine Presseaussendung der steirischen FPÖ aus dem Jahr 2010 zur Einführung der Mindestsicherung in diesem Bundesland: “Im Zuge der heutigen Landtagssitzung beschloss die rot schwarze Reformgenossenschaft die Mindestsicherung: ein Grundgehalt, das ohne nennenswerte Gegenleistung nach dem Gießkannenprinzip auf Kosten der Leistungsträger ausbezahlt wird. ‘Damit wird die Armut nicht bekämpft, sondern verwal tet und verfestigt, das Leistungsprinzip ad absurdum geführt und der Anreiz selbst arbeiten zu gehen völlig untergraben’ so der freiheitliche Klubobmann Georg Mayer. Durch die Einführung der Mindestsicherung würde der An
Sehr symbolhaft: Das rote Tuch kommt weg, Kern kommt hervor
reiz, auf eigenen Beinen zu stehen völlig verloren gehen. ‘Die Mindestsicherung ist eine sozialromantische Utopie, die viel leicht gut gemeint, aber letztlich die Menschen in eine Ab hängigkeit bringt, aus der viele nicht wieder herauskommen. Dadurch wird sich die Armut in unserem Land nur verfestigen, aber nicht verringern,’ so FPÖKlubchef Georg Mayer.” Als 2011 in Wien deutlich höhere Leistungen für Kinder bei der Mindestsicherung (damals 203 statt 134 Euro) eingeführt wurden, war die FPÖ in Wien vehement dagegen. Leitl muss damit rechnen, dass Kurz und Strache versuchen werden, nach den Wahlen im Oktober eine Regierung zu bil den. Spätestens dann schlägt ihm in der SKNVP das To tenglöckchen denn eine Neuauflage der Bürgerblockregierung von 2000 in neuen Chamäleonfarben wird das endgültige Aus für die ohnehin nur noch scheintoten Sozialpartnerschaft bedeuten. Einer der wenigen Fixpunkte der österreichischen Politik vor den Wahlen ist aber mittlerweile klar: Von “ihrer” traditio nellen Partei, der SPÖ, haben die Arbeiter_innen, Angestellten und kleinen Beamten auch in dieser Saison keine Hilfe zu er warten. In lobenswerter Offenheit sprach Bundeskanzler Christian Kern in einem APAInterview am 15. Juli aus, was Sa che ist: “Nicht teilen wollte Kern unterdessen den Eindruck, dass seine Partei bei Themen wie Migration und Sicherheit deutlich
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nach rechts gerückt sei. ‘Das sehe ich nicht so. Wir sind immer eine Kraft der politischen Mitte gewesen’, sagte Kern. In eini gen politischen Feldern habe die SPÖ aber ihre ‘Position adaptiert’ und sei ‘weiter in die Mitte gerutscht, als wir es vor her waren’. Daneben gebe es andere Politikfelder von der Ge sellschaftspolitik etwa der Ehe für alle bis hin zur Beschäftigungspolitik, wo man die Position der SPÖ als links interpretieren würde. Im Wahlkampf will Kern unter anderem mit dem Vorhaben, die Steuer und Abgabenquote zu senken, punkten. Gegenfi nanzieren will Kern die mit über fünf Milliarden Euro bezifferte Entlastung bei Löhnen und Einkommen durch Umschichtun gen im Steuersystem sowie durch Einsparungen in der Ver waltung. Zur Reform der Ver waltungsstrukturen in Bund und Ländern hat Kern ein Refe rendum im Auge. (...) Von einer Verbesserung der Standortbedingungen ver spricht sich Kern zudem mehr Jobs und steigende Einkom men. Finanzieren will Kern die se Maßnahmen durch eine ‘deutlich höhere Belastung von globalen Konzernen wie Star bucks und Co., die sich in Ös terreich de facto der Steuerpflicht entziehen’. Dane ben sollen ein höheres Wirt schaftswachstum sowie Einsparungen in der Verwal tung für den nötigen finanziellen Freiraum sorgen. Im Programm bleibt auch die schon bei der Abschaffung des Pflegeregresses ins Spiel gebrachte Steuer auf Erbschaften und Schenkungen von über einer Million Euro. Kern zufolge werde man zudem über die Pflege, über die Bildung, über die Kindergärten und über das Gesundheitssystem diskutieren müssen. Gesprächsbereit zeigte sich Kern zudem in Sachen Arbeitszeitflexibilisierung, die bei den Sozialpartnergesprä chen anders als die vereinbarte Erhöhung des Mindestlohns auf 1.500 Euro vorerst am Widerstand der Gewerkschaft ge scheitert ist.” Zunächst: Kern bestätigt, was wir von der GKK als einzige Organisation der Arbeiter_innenbewegung immer sagen und gesagt haben: Die Links/Rechts/MitteTerminologie ist völliger Nonsens. Parteien und ihre Positionen lassen sich nicht in ei nem Raster beschreiben, den die französische Bourgeoisie in ihrer revolutionärsten Phase zufällig gezogen hat das einzig wirkliche Kriterium ist der Klassenstandpunkt. Wenn Kern die SPÖ die SPÖ als eine Partei der “politischen Mitte” deifniert, sagt er subjektiv insofern die Wahrheit, als die Sozialdemokra tie seit über hundert Jahren mitten in der kapitalistischen Ge sellschaft verankert ist und alles tut, um diese stabil zu halten und vor den Gefahren des Klassenkampfs zu beschützen. Das Übernehmen von ausländerfeindlichen Vorurteilen durch die SPÖSpitze ist für den ExTopManager eine Herbst 2017 | Nummer 28
Editorial “Adaptierung” der Parteipositionen, ein “weiter in die Mitte” rutschen… Auch das bestätigt alles, was wir seit Jahren über die SPÖ gesagt und geschrieben haben: Unter dem Druck der Interessen der herrschenden Klasse “rutschen” auch ihre treuen Gehilfen immer weiter ab, und zwar in Richtung An griffsfront gegen die Arbeiter_innen und die Jugend. Zentrale Aussage des Artikels ist jedenfalls: Bei der Arbeits zeitflexibilisierung sei Kern “gesprächsbereit” was bedeutet, dass sich hier Konflikte zwischen der sozialdemokratischen Parteiführung und Teilen der Gewerkschaftsbürokratie auftu en werden. Denn nach wie vor sind in einigen Bereichen die Gewerkschaftsfunktionäre einem direkteren Druck der Basis ausgesetzt als die Bürokraten in der “politischen” Bewegung. Kerns Aussagen müssen “rückläufig” gelesen werden, nicht so. wie sie im APAText zusammengefasst sind, also von oben nach unten, sondern von hinten nach vorne. Die Flexibilisie rung hängt ursächlich mit der “Verbesserung der Standortbe dingungen” zusammen. Was als “antikapitalistische” oder “sozial ausgewogene” Wahlkampforientierung verkauft wird, ist platter wirtschaftlicher Nationalismus. Im Visier sind die “globalen Konzerne” damit sich die Verwertungsbedingungen für die “lokalen” Konzerne verbessern können (was übrigens auch das nationalistische “IndieMitteRücken” in der “Auslän derfrage” erklärt). Als sozialer Deckmantel dienen “Umschichtungen im Steuer system”, eine Änderung des Erbrechts und Einsparungen in der Verwaltung. Wie wir eingangs gezeigt haben, hinken in Ös terreich seit Jahren die Reallöhne dem Wirtschaftswachstum hinterher. Das lässt sich mit Steuer”anpassungen” nicht repa rieren, die im Kapitalismus immer zu Gunsten der herrschen den Klasse ausgehen,. Die einzige Maßnahme, die greifen würde, ist eine gleitende Lohnskala, die automatische Anhebung der Löhne an die Preise, und zwar nicht auf der Basis des geschönten offiziellen Warenkorbes, sondern eines Warenkorbes, den die Konsu ment_innen nach ihren eigen Bedürfnissen zusammenstellen müssen. Auch beim Erbschaftsrecht kann Kern zwar publikumswirk sam was drehen im “Arbeitsprogramm der Bundesregierung 2917/18”, das im Jänner, also vor dem KurzPutsch in der ÖVP beschlossen wurde, gibt es aber zum damit unmittelbar zu sammenhängenden Punkt “Stiftungsrecht” nur ein paar verwa schene Sätze. Tatsächlich nutzen die Reichen und Superreichen, aber auch politische Parteien und Würdenträ ger (und zwar nicht nur die ÖVP!) die steuerlich begünstigten Stiftungen, um ihre Gewinne zu bunkern. Immerhin sprechen wir von etwa 70 bis 100 Milliarden Euro, die in den über 3.000 Stiftungen geparkt sind. Soviel zum Mythos, dass Sozialleis tungen, Bildungssystem und Gesundheitswesen nicht fi nanzierbar sind das Vermögen ist da, aber leider, leider, leider in den falschen Händen. Übrigens das heute geltende Stiftungsrecht wurde 1993 vom sozialdemokratischen Finanz minister Ferdinand Lacina auf den Weg gebracht, um die Steu erflucht ins Ausland einzudämmen. Was ja offenbar gelungen ist … “Einsparung bei der Verwaltung” dahinter haben sich in den letzten Jahren Privatisierungen im großen Maßstab ver borgen, die der arbeitenden Bevölkerung absolut nichts ge Herbst 2017 | Nummer 28
MiklLeitner, die Klassenkämpferin Es war am 26. November 2011, da trat die jetzige ÖVP Landeshauptfrau von Niederösterreich, die sympathische Johanna MiklLeitner, vor den ÖAABBundestag und sagte: „Und wenn die Abzocker oder die Börsenspekulanten unter den Spitzenverdienern zur Kasse gebeten werden und sie das Gefühl haben, wir zocken sie ab, dann sag ich euch nur: Die haben sowieso keinen Sinn für das Gemeinsame, für die Gemeinschaft. Dann sage ich bei denen nur: Her mit den Millionen, her mit dem Zaster, her mit der Marie!“ Am 5. August 2017 schrieb die "Presse" in einem Leitartikel: "Inhaltlich hat sich der einstige CEO Christian Kern klassenkämpferisch festgelegt: Der von den Jungsozialisten erfundene Spruch 'Holt euch, was euch zusteht!' darf als Drohung verstanden werden. Er ist eine offene Einladung zur Neiddebatte und bewirkt exakt das Gegenteil eines bisher wichtigen SPÖMantras: des sozialen Friedens." bracht haben. “Ausgelagerte” Betriebe wurden geschaffen, mit Topgehältern für Manager, die ungleich mehr verdienen als Beamte, die früher die gleiche Tätigkeit ausgeübt haben. Die “Einsparungen” werden letztlich nicht nur jene unterste Beam tenschichten treffen, die ausgegliedert werden, sie werden wie in der Vergangenheit dazu dienen, staatliche Leistungen zu re duzieren und damit die Menschen zwingen, bestimmte ge meinschaftliche Dienstleistungen aus eigener Tasche zu finanzieren. Mit welcher Unverfrorenheit die Bourgeoisie hier lügt, zeigt der angebliche Kompromiss zwischen SPÖ und SKNVPÖ (oder wie Kurzens türkiser Verein jetzt heißen mag) beim Pflegere gress. Es war hoch an der Zeit, die völlige Aussackelei der ar beitenden Menschen im Pflegefall durch die de facto Beschlagnahme ihrer Vermögenswerte zu unterbinden. Aber: Die neue Regelung begünstigt tatsächlich die Reichen und Superreichen, die ihr Vermögen verschenken oder in Stiftun gen stopfen und sich dann die Pflege aus dem Steuertopf fi nanzieren lassen. Daher wurde dieser Kompromiss von den SchwarzTürkisen gleich verwendet, um einen Kreuzzug für das Erbrecht zu starten. Alles für die eigene Klientel, nichts für “die da unten”, ist die traditionelle Haltung jeder herrschen den Klasse. Bei der Erbschaftssteuer zur Finanzierung der Abschaffung des Pflegeregresses hat sich Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) auf den Bericht der Steuerreformkommission von 2014 ge stützt: “Werden Erbschaften ab einer Million Euro mit 25 Pro zent, ab fünf Millionen Euro mit 30 Prozent und ab zehn Millionen Euro mit 35 Prozent besteuert, würde der Staat da durch jährlich rund 500 Millionen Euro einnehmen – das geht aus dem Bericht der Steuerreformkommission aus dem Jahr 2014 hervor. “ Quelle: derstandard.at/2000059721793/PflegeWasdieSPOe mitderErbschaftsteuerwill Na wäre der bürgerliche Staat bei den Einkommenssteuer sätzen genauso gnädig, würden sich zahlreiche arbeitende Menschen freuen…
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Innenpolitik Wir befinden uns wieder einmal an einer Zeitenwende der österreichischen Innenpolitik. Alles deutet im Augenblick darauf hin, dass sich das politische Rad von der in der Blase der sogenannten Sozialpartnerschaft gefangenen Großen Koalition wieder einmal ein ganzes Stück nach „rechts“ weiterdreht und dem Land eine Neuauflage der für die Arbeiterschaft desaströsen FPÖVP-Koalition bevorsteht.
2000: Schüssel und Haider praktizieren "speed kills". Kommt 2017 das Geilomobil mit nationalem Treibriemen?
Der nationalkapitalistische Weg des Sebastian K. Schleimigaalglattes Aus hängeschild dieser reaktionär nationalistischen Bedrohung sämtlicher durch die Arbei terklasse errungenen Rechte (z. B. Arbeitszeit, Pensio nen...) und Institutionen (z. B. Gewerkschaften, Kollektiv verträge ...) ist der inhaltlich gar nicht so jung wirkende Se bastian Kurz. Was zeichnet diesen durch eine beispiellos konzertierte Medienberichterstattung nach oben gehypten Typen tatsächlich aus? Zuerst die nationale Karte als bewährtes Mittel, beste hende Klassengegensätze hin ter dem giftigen Nebel der Fremdenfeindlichkeit ver schwinden lassen zu wollen. Konkret: Zunächst die offen frem denfeindlich vorgetragene Forderung, sämtliche Gren zen vom Balkan bis zum Mit telmeer zu „schließen“, unter Außerachtlassen aller Men schenrechtsbestimmungen (im Fall eines Christlichsozia len sogar unter Missachtung aller christlichen Werte, aber
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gut, Hauptsache, man geht am Sonntag in die Kirche) Flüchtenden ein „rechtsstaat lich“ abgesichertes Verfahren in einem „sicheren Land“ zu gewähren. Das ist der Grund akkord, den Herr Kurz an schlägt, und aus dem er seine reaktionäre Propaganda weiterentwickelt. Er versucht, einen Keil zwi schen die Werktätigen zu trei ben, entlang der potentiellen Bruchlinien „Zuwanderer ver sus sogenannter Einheimi scher“ oder aber „Sozialhilfeempfänger versus Gehalts/Lohnbezieher“. Beispiele? Mindestsicherung für aus ländische Staatsbürger soll erst nach fünf Jahren ausbe zahlt werden! Asylberechtigte sollen zu EinEuroJobs verpflichtet werden! Weil es aber mit dem „Aus länderthema“ für den Bastl so gut läuft, macht er bei Asyl werbern oder Flüchtenden nicht Halt, nein, auch die „EU Ausländer“ werden her gewatscht und für seine reak
tionäre Agenda verwendet. Wie z. B. die als billige Ar beitskräfte von Sebastians ka pitalistischen Geldgebern geholten Polen, Ungarn, Ru mänen oder Slowaken. Die sind im Grunde ja wirklich auch Ausländer, oder nicht? Diesen hier „gutes“ Geld ver dienenden, Steuern und Ab gaben zahlenden Menschen, will der Bastl die Kinderbei hilfe für in deren jeweiliger Heimat lebenden Kinder kürzen. Naja heißt ja nicht umsonst Kurz, der Basti.
hat lassen und dessen Studie man dann ex ministerio halt zurecht frisiert hat, damit es zu der politischen Absicht besser passt. Und die heißt Schließen aller islamischen Kindergärten. Wozu hat er wohl seinen Schließmuskel trainiert, der Sebastian. Oder die Abschaffung des Pflegeregresses: in der Sache eine Selbstverständlichkeit, wo es notwendig ist, die Pfle gekosten zu vergesellschaf ten. Was macht Herr Kurz aus dem Thema? Genau, ein Aus länder und Sozialmiss brauchsthema! Um die Pflege ass man von zu finanzieren, soll die „Zu ihnen zuerst wanderung“ in das Sozialsys die vollen Ab tem gestoppt werden und gaben nimmt und außerdem holt man sich das dann bei den übrige Geld durch Einführung Leistungen kürzt, eines Fotos auf der ecard, um jede missbräuchliche Ver kommt im Boule vard und am FPÖ wendung der eCard zu „stop pen“. Dass dieser Stammtisch be „Sozialbetrug“ nach Untersu stimmt gut an. chungen nur wenige Tausend Und dann sind da natürlich Euro ausmacht, hingegen die noch diese islamistischen Implementierung der Fotos in Kindergärten, die man von ei die eCard Millionen kostet, nem Professor analysieren ist egal. Das Thema ist in die
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Innenpolitik Vorwahldiskussion hinein geknallt worden und hat gleich den gewünschten re aktionären Drall bekommen. Und dann kann die kapita listische Karte ganz leicht ste chen. Das Feld ist aufbereitet, die Klasse spaltenden Spreng sätze sind gelegt, der Steigbü gelhalter in Form der FPÖ ist geschwächt, aber selbstver ständlich bereit, mit an die Macht zu kommen und die In teressen seiner vermögenden Klientel durchzusetzen. Die zuvor gegen Zuwande rer und Ausländer aufge brachte Masse soll dann durch ihren Stimmzettel bei den Wahlen der Umsetzung der Bastlschen Versprechun gen zustimmen, dass 14 Milli arden „eingespart“ werden sollen. Lügnerisch wird der Eindruck erweckt, das alles ließe sich durch Kürzung der Mindestsicherung bei Auslän dern oder überhaupt die Streichung derselben fi nanzieren.
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as geht na türlich nicht, das geht nur über Belastungen der arbeitenden Be völkerung, und das trifft alle Werktätigen, egal welcher Staats bürgerschaft oder welcher Abstam mung, jedenfalls die breite Masse.
Ob es sich um Kürzung der Pensionen handelt, weitere Einsparungen oder Privatisie rungen bei Gesundheit und Bildung, die Erhöhung von Massensteuern, die Verlän gerung der täglichen oder der Lebensarbeitszeit ohne An passung der Löhne, oder eben um Kürzung der Min destsicherung – diese Maß Herbst 2017 | Nummer 28
nahmen werden alle Treffen, und natürlich auch die ärms ten und deklassiertesten Ös terreicher, denen man jetzt mit patriotischen Phrasen und Angstparolen gegen „die Migranten“ die Hirne verkleis tert. Das wird passieren, wenn Kurz an die Macht kommt. Warum? Weil Sebastian Kurz dem Kapital nicht nur im Wort ist, sondern, weil sein Machtstre ben auch von diesem fi nanziert wird. Ganz offen macht er aus der Spendenak tion für seine „Bewegung“ so gar noch einen Werbegag, der ihn als ein ganz transparentes Bürschchen erscheinen lässt. Tatsächlich genügt ein Blick, um zu sehen woher das Geld kommt, z. B. von KTMChef Herrn Pierer, dessen Erwar tungshaltung wohl klar ist. Das ist der nationalkapita listische Weg des Sebastian Kurz, der im übrigen ganz wie früher Wolfgang Schüssel – einen Viktor Orban als vor bildhaft beschreibt und als Außenminister kein Wort zu den unsäglichen Nationalis ten in Polen verliert. Wenn es den reaktionären Kräften am 15. Oktober ge lingt die Mehrheit zu er ringen, dann wird die herrschende Klasse in Öster reich einen bisher nicht gese henen Umbau dieser Republik vornehmen,gegen den die desaströse Episode der „Wende“ von 2000 bis 2006 vielleicht nur ein Donnergrollen war. Genossinnen und Genossen in SPÖ, Gewerkschaften, KPÖ, allen Organisationen, die sich auf die Arbeiterklasse beru fen: bündeln wir jetzt schon unsere Kräfte, um dieser Be drohung auf allen Ebenen und mit allen Mitteln entgegen zu treten bis zur Wahl, aber vor allem auch danach.
SEBASTIAN KURZ UND DIE SOZIALMISSBRAUCHENDEN EUBÜRGER Eine der bisher wenigen konkreten Forderungen von ÖVPChef Sebastian Kurz ist die in einer ORF Pressestunde im März 2017 nach Kürzung bzw. Nichtauszahlung von Arbeitslosengeld und Mindest sicherung für EUBürger. In diesem Zusammenhang erinnern wir uns daran, dass die FPÖ schon vor etli chen Jahren vor einer Überschwemmung des öster reichischen Arbeitsmarkts bzw. Sozialmissbrauch durch Arbeiter_innen aus den neuen EULändern gewarnt hat. Voraussetzung für Arbeitslosengeldbezug ist es, ein Jahr innerhalb der EU gearbeitet zu haben. Dann genügt zumindest ein (nicht geringfügiger) Beschäf tigungstag, um in Österreich als EUBürger Arbeits losengeld beziehen zu können. Ende April 2017 waren es ganze 127 EUAusländer_innen, die weniger als sieben Tage in Österreich gearbeitet und dank ausländischer Versicherungszeiten in Österreich Ar beitslosengeld bezogen haben. Auf insgesamt ca. 500 Ausländer_innen kommt man, wenn der Beschäfti gungszeitraum in Österreich auf drei Monate ausge dehnt wird. Insgesamt sind es etwa 2.200 EU Bürger_innen, die auf Grund ausländischer Versicherungszeiten in Österreich Arbeitslosengeld beziehen. Das sind 0,6 % der Arbeitslosen in Öster reich. Selbst der unbedarfteste Laie wird an diesen Zahlen erkennen können, dass da nicht das große Geld für die Budgetsanierung oder für Steuersenkun gen liegen kann. Kommen wir zur Mindestsicherung: In Wien bezie hen 8 % der EUAusländer_innen und 7,7 % der Ös terreicher_innen Mindestsicherung. 85 % der mehr als 18.000 EUBürger_innen , die in Wien Mindest sicherung beziehen, erhalten diese als Ergänzung zu ihrem Erwerbseinkommen. Wo Sebastian Kurz bei Arbeitslosengeld und Min destsicherung für EUBürger_innen soziale Hän gematten erspähen kann, bleibt sein Geheimnis. Für uns ist die Polemik des ÖVPVorsitzenden dumpfer Rassismus, der genau so gut von der FPÖ stammen könnte.
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Innenpolitik
Er muss leider draußen bleiben: am 18. Juli gab der ÖVPParlamentsklub bekannt, dass man das Porträt des austrofaschistischen Arbei termörders Dollfuß, das bis jetzt die Räumlichkeiten der ChristlichSozialen geziert hatte, nicht in die neuen Er satzquartiere des National rats am Heldenplatz übersiedeln werde. Als “Dau erleihgabe” wird der kleine Diktator ins Niederösterrei chische Landesmuseum über siedeln. Klar irgendwohin müssen seine Anhänger ja wohl pilgern, und Pröllistan bietet sich da wohl an. Inhalt lich gab es ja keine Begrün dung für diesen Schritt wieder einmal siegte der Pragmatismus. Die Ersatzcon tainer sind zu klein, um den “Millimetternich” genannten Faschisten dort aufzuhängen. Tatsächlich scheint es ja bestimmte Traditionslinien des Demokratieverständnis
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Wenn sich das türkise Pack schlägt ...
ses bei der einst schwarzen, jetzt türkisen Truppe rund um den Messias Sebastian Kurz zu geben. Lassen wir die Verschärfungen beim Ver sammlungs und Demonstrati onsrecht durch Herrn Wolfgang Sobotka einmal au ßer Acht (übrigens durchge setzt mit Zustimmung des Koalitionspartners SPÖ!). Ein offener Schlag gegen demo kratische Errungenschaften ist die Methode des schwarz türkis geleiteten Justiz ministeriums, elektronisch übermittelte Einwendungen gegen das sogenannte “Über wachungspaket” einfach zu blocken. Die “Bewegung” des Herrn Kurz und ihre Minister tun sich offenbar schwer, wenn sich “im Volk” was be wegt. Und dass nicht wenige Menschen keine Lust auf noch mehr Überwachung, Bundestrojaner auf Handys und Computern und den lega lisierten Wohnungseinbruch
durch die Polizei haben, merkt man selbst in der “Be wegungszentrale”. Wobei wir bei jenem Punkt angelangt sind, an dem Kontrollfimmel und Einschränkung der Mei nungsfreiheit auf ihren ab surden, fast schon parodistischen Gipfel, ange langt sind. Herr Kurz hat ja bisher außer etwas Kosmetik (“Türkis ist das neue Schwarz”) und schluckaufar tigen fremdenfeindlichen Rülpsern inhaltlich noch nichts geboten. Grenzen dicht, Flüchtlinge zurückschi cken, Brenner verteidigen, Orban hat recht das ist die Litanei des Retters der ÖVP. Kurz möchte mit diesen, der FPÖ oder den Identitären ent lehnten, Parolen an niedrige Instinkte, an Angst und Rück ständigkeit appellieren. Kein Wunder, dass biedere Fans des Erlösers die Worte ihres neuen türkisen Gurus für bare Münze nehmen, etwa die Betreiber der Facebook Gruppe “Wir für Sebastian Kurz”. Und, um die Unterstüt zung für den Wastl zu unter mauern, eine Meinungsum frage unter ihresgleichen machen: “Soll der Brenner ge schlossen werden?”. Als ein findiger Journalist die neue “Bewegung” auf die se Seite ansprach, war plötz lich Feuer am Dach. Peter L. Eppinger, einstens Ö3Mode rator (was suchte denn so ein anständiger Bursch beim Rot funk???) und jetzt Medienz
ampano der KurzPartie, reagierte postwendend. Die Seite “Wir für Kurz” poste schon seit dem Rücktritt Reinhold Mitterlehners im mer wieder Positionen, die nicht jene der “neuen Volks partei” seien. Indirekt deutete er das an, was Generalsekre tärin Köstinger offen aus sprach: Die Seite sei gar nicht von Fans des Mannes, der die Ohren am Puls des Volkes hat, sondern vom bösen Feind dirty campaigning. Na geh … Halten wir, nur zur Klarstel lung fest: Diese FacebookSei te beansprucht, von Fans des Herrn Kurz betrieben zu wer den; dementsprechend be steht sie offensichtlich (so will es ja die neue “Bewe gung”) nicht nur aus ÖVPlern; wie soll sie Positionen der “Neuen ÖVP” vertreten, wenn der neue Parteibonaparte sel bige verbissen geheim hält? Dass diese Seite die einzig be kannten Positionen des eins tigen GeilomobilLaudas verficht (“Die Grenzen zu, der Kurz ist da!”), spricht doch sehr für ein Naheverhältnis. Offenbar ist es aber gerade dieses klare und undiploma tischer Eintreten für Kurzens Ziele, die er ja gegebenenfalls immer relativiert, wenn die Kritik zu stark wird, welche die Alarmglocken schrillen lässt. Was also tun Eppinger und Köstinger? Sie fordern bei Facebook die Löschung der FanSeite über ihren Boss! Herbst 2017 | Nummer 28
Innenpolitik Natürlich freut es uns, wenn sich auf gut Wiene risch die türkisen Jubeljün ger verbal in die Gosch’n hauen. Bedenklich wird’s al lerdings, wenn eine Bewe gung, die den Vizekanzler und Justizminister, Außen minister, den Innenminister und einige andere Staatsver walter dazu stellt, einfach die Löschung einer befreundeten (!!!) Seite fordern, die ihnen aus taktischen Gründen nicht in den Kram passt. Wenn die schon mit ihren eigenen An hänger_innen so umspringen, kann man sich leicht vorstel len, wie sie gern mit ihren politischen Gegner_innen um gehen würden, hätten sie die
Macht dazu. Womit wir wieder beim Dollfußbild sind. Das Abhän gen des Demokratiefeindes aus den 30er Jahren macht seine Nachfolger noch nicht zu besseren bürgerlichen De mokraten. Die KurzBewe gung lässt immer wieder ihre GrinsekatzenMaske fallen und zeigt ihr wahres Gesicht: Die Fratze der politischen In teressensvertretung einer herrschenden Klasse, die ihre Interessen ohne jedes Zögern auch mit Repression, Verbo ten oder Gewalt durchzuset zen bereit ist. Wahlspielchen und Kreuz chenmachen ändern nichts. Das kapitalistische System ist
Diktator Engelbert Dollfuss, ÖVPMessias Kurz eine heimliche Liebesgeschichte?
das Problem. Reformen hel fen da nicht auch ein refor miertes Unrecht ist ein Unrecht. Nur die Beseitigung der Ausbeuterordnung durch
eine sozialistische Revolution unter Führung einer revolu tionären, internationalis tischen Arbeiter_innenpartei ist der Ausweg.
Schluss mit mörderischer Schleiferei, Drill und Zwangsarbeit! Weg mit der Kasernierung! Weg mit dem bürgerlichen Heer! Am 3. August starb ein 19jähriger Grundwehrdiener (1. Gar dekompanie) bei einem “Stationsmarsch” im Zuge der Grund ausbildung in Horn. Mitten während der bisher größten Hitzewelle marschierten 170 junge Leute bei 36° los. Der Re krut Anton P., aktiver Wassersportler, meldete nach einer Stunde, dass er Schwindelanfälle habe. Es wurde weitermar schiert. Wir können nicht beurteilen, ob die Rekruten Marsch gepäck mit einem Gewicht von 20 oder 30 Kilo mitschleppen mussten, ob sie den Helm tragen mussten oder nicht. Nach drei Kilometer konnte Anton P. nicht mehr er brach zu sammen und wurde schließlich in die Kaserne gebracht, wo er verstarb. Der Wehrmann erlag vermutlich einem Hitz schlag. Eine Keiminfektion wird von der Staatsanwaltschaft angenommen was nichts daran ändert, dass die Schinderei des Marschierens mit Sicherheit jeden Organismus angegrif fen hätte. Nun “ermittelt” das Bundesheer, eine Untersuchungskom mission soll “größtmögliche Transparenz” gewährleisten. Gleichzeitig taucht in den Medien ein anonymer Brief von “Drei Rekruten” auf, die in perfektem fehlerfreien PRDeutsch erklären, dass in Horn eh alles in Ordnung ist, dazu werden in widerlicher Weise die “soldatischen” Tugenden gepriesen. Zunächst gilt unser Mitgefühl den Angehörigen und Freun den Anton P.s. Unser Zorn gilt einem System, das Jahr für Jahr junge Men schen entweder in Kasernen steckt, schleift, mit sinnlosen Be fehlen traktiert, um ihren Willen zu brechen und ihnen bedingungslosen Gehorsam einzubläuen, sie damit für die “Werte” der bürgerlichen Gesellschaft abrichten will; oder sie Herbst 2017 | Nummer 28
unter dem Deckmantel des “Zivildienstes” als billige Arbeits kräfte zur offenen Zwangsarbeit missbraucht, um oft hoch qualifizierte Tätigkeiten auszuüben, bei denen man spart, weil sie der arbeitenden Bevölkerung zugute kommen (Pflege, Ge sundheitsdienste …). Wobei das Zwangsarbeitssystem natür lich auch die Präsenzdiener trifft, die im Katastrophenfall eingesetzt werden können. Das österreichische Bundesheer, das in seiner ganzen Ge schichte nur einmal gekämpft hat, und zwar 1934 gegen die Arbeiterinnen und Arbeiter, ist ein wesentlicher Teil des staatlichen Repressionsapparates, das teilweise auch im Aus land (unter dem Deckmantel von “friedenserhaltenden Miss ionen”) für die imperialistischen Ziele der heimischen Bourgeoisie eingesetzt wird. Zunehmend werden Soldaten an den Grenzen oder, an Stelle der Polizei, zur Objektsicherung eingesetzt. Der bürgerliche Staat lässt seine jugendlichen Bürger bei der Angelobung einen schwülstigen Eid auf die Republik schwören. Wehrmänner, die schon im Berufsleben stehen und eine eigene Wohnung haben, bekommen aber nicht ein mal die vollen Mietkosten ersetzt. Der pathetische Dienst für das Vaterland führt oft schnurstracks in die Schuldenfalle. Sagen wir Nein zum verdummenden, reaktionären Militär apparat! Weg mit Kasernierung und Schleiferei! Militärische Ausbildung für alle Männer und Frauen, ohne Drill und Exerzierrituale. Miliz unter Kontrolle der Arbei ter_innenorganisationen. Gegen Militarismus und Vaterlands verteidigung!
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Innenpolitik
So soll TürkisBlau an die Macht gelogen werden
Nichts ist besser geeignet, die Arbeiterklasse zu spalten, als die Spaltung in “Inländer_innen” und “Ausländer_innen”. Na ja - man kann die Sache natürlich noch aufpeppen, indem man das Gift der “kulturellen Unterschiede” einträufelt, die moderne Variante des Mythos der “Herrenrasse”. Wirksamste Instrumente in den Händen der auch ideolo gisch herrschenden Klasse sind Boulevardzeitungen, ob gratis oder bezahlt ist einer lei; und diverse GratisTV Sender, die auch immer wie der gerne rassistischen und faschistischen Propagandis ten eine Plattform bieten. Ein Musterbeispiel bot die “KronenZeitung” am 24. Juni und 25. Juni, als sie unter der reißerischen Schlagzeile “Kopftuch, Radikalisierung, Alltag in Kindergärten” mit “Fotobeweisen” eines anony men Lesers, die angeblich in einem “islamischen Kinder garten” in Liesing entstanden waren, zeigen wollte, wie gruseligfundamentalistisch es in besagtem Kindergarten zuging. Allerdings: Die Fotos, die tatsächlich Kinder mit Schlei er zeigten, entstanden nicht im Kindergarten in Liesing sondern stammten von der Website des Islamischen Zentrums am Bruckhaufen in Wien. Sie waren bei einer reli
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giösen Zeremonie entstan den, was das massive in’s Bild rücken religiöser Symbo le erklärt. Es wäre etwa genauso seri ös, Fotos aus privaten oder kommunalen Kindergärten rund um das “Laternenfest” zu Ehren des christlichen Heiligen Martin zu veröffentli chen und zu kommentieren: Typisch, Licht können sie sich keines leisten, aber Kin der zu Brandstiftern erziehen, das geht! Bedenklich waren die Reak tionen auf den Kommentar seiten anderer Medien, die über diese “fakeNews” Marke Krone berichteten: Egal ob echt oder social bots es do minierte Zustimmung zum hetzerischen Artikel. Der Fo tobeweis falsch? Wurscht, es ist ja trotzdem genau so, wie im Artikel beschrieben, war der Tenor wobei sich die Frage stellt: Wie viele der em pörten TürkenBasher waren jemals in einem islamisch ge führten Privatkindergarten? Eine neue Dimension be
kommt dieser islamophobe Shitstorm, wenn man nun die jüngsten Debatten um die von “Integrationsminister” Se bastian Kurz in Auftrag gege bene “Kindergartenstudie” des “Islamforschers” Ednan Aslan ins Bild einbezieht. Folgt man den von der Zeit schrift “Falter” vorgelegten Argumenten, wurde die Stu die in relevanten Punkten verfälscht, um die untersuch ten Kindergärten in die Nähe des islamischen Fundamenta lismus zu rücken. Beamte des KurzMinisteri um strichen demnach Passa gen wie folgende: “Werte wie Respekt, Gelassenheit, Indivi dualität des Kindes, Hygiene, Zufriedenheit der Kinder, Pünktlichkeit, Liebe, Wärme, Selbständigkeit und Transpa renz der Regeln” wären den Eltern wichtig, hieß es in der Urfassung der Studie. Daraus wurde: “Besonders wichtig ist ihnen, dass den Kindern isla mische Werte vermittelt wer den.” Unter dem Deckmantel der Wissenschaftlichkeit wurde durch diese Studie ein Zerr bild vermittelt, das in der ak tuellen innenpolitischen Situation zwangsläufig Stim mung gegen Muslime machen musste. Die politische Ver antwortung für ein derartiges Vorgehen trägt zweifellos der zuständige Minister, der sich jetzt, vor den Wahlen, als der junge Wunderwuzzi, der die Welt (oder zumindestens Ös terreich) retten will, aufführt. Halten wir klipp und klar fest: Als Marxist_innen for dern wir die völlige Trennung von Kirche und Staat. Wir lehnen jede Förderung religi öser Einrichtungen, egal wel
cher Richtung, aus öffentlichen Mitteln ab. Gleichzeitig verteidigen wir aber das Recht von Gläubi gen, auch wieder egal, wel cher Religion, ihren Kult ungestört ausüben zu kön nen, solange sie nicht zu Hass oder Verfolgung von Anders gläubigen oder Atheist_innen aufrufen. Was wir ebenso entschie den ablehnen ist die Instru mentalisierung einer sogenannten “objektiven Wissenschaft” zur Aufpeit schung von religiösem, kultu rellem oder ethnischem Hass. Ob Herr Kurz die ÖVP nach seinen bonapartistischen Vorstellungen ummodelt, ist uns herzlich egal. Das sollen sich seine BündeKumpels mit ihm ausmachen, ob sie mit seinen “Generalvollmachten” leben können und wollen. Nicht egal ist uns aber, wenn ein reaktionärer Politiker, der immer wieder die Wahrheit zurechtbiegt, wenn sie seinen Zielen dient, bei den kommenden Wahlen nach der Regierungsmacht greift. Allein das, was sich in den letzten Wochen (Stich wort: Universitätsfi nanzierung, Pflegeregress, und jetzt Kindergartenstudie) im Umfeld des Herr Kurz ab gespielt hat, lässt erahnen, zu welchen Maßnahmen die von ihm verkörperte Fraktion der österreichischen Bourgeoisie fähig ist. Auch wenn es im Oktober für arbeitende und arbeitslo se Menschen keine Wahl ge ben wird eines ist gewiss: auf gar keinen Fall ist eine Stimme für irgendeine der bürgerlichen Listen eine Opti on! Herbst 2017 | Nummer 28
Umwelt
Gordischer Knoten Mobilität Es schien viele Jahre lang eine WinWinSituation im In dividualverkehr zu sein: Die selmotoren statt Benziner. Der niedrigere Spritver brauch sollte sowohl Auto fahrer_innen als auch der Umwelt etwas bringen und dem Klimawandel entgegen wirken. Der österreichische Staat förderte den Diesel boom doppelt: Beim Kauf durch die niedrigere, an den Verbrauch gekoppelte Norm verbrauchsabgabe (Nova) und beim Tanken durch die geringere Besteuerung des Dieseltreibstoffs. Vor allem Vielfahrer_innen griffen zum Dieselmotor und ließen sei nen Anteil an den Neuzulas sungen auf über 60 % schnellen. Der höhere An schaffungspreis der Diesel fahrzeuge amortisierte sich durch niedrigere Literpreise und geringeren Verbrauch. Die Autohersteller durften sich über gestiegene Umsätze durch den Verkauf von im Vergleich zu Benzinmotoren teureren Dieselmotoren freu en. Elektrische Antriebe schienen angesichts hoher Anschaffungspreise, geringer Reichweiten und lange Lade zeiten der Akkus keine Alter native zu sein. Der Dieselabgasskandal vom September 2015 läutete das Ende der Dieselära ein. Mehrere Automobilkonzerne hatten Abgaswerte von Die selfahrzeugen manipuliert, um zum einen Konkurrenz vorteile vorzugaukeln und zum anderen die vermeintli che Überlegenheit der teure ren Dieselmotoren gegenüber den Benzinern zu belegen. Ein weiterer Nachteil der Diesel motoren ist der höhere Stick oxidausstoß. Die Diskussionen in Deutschland Herbst 2017 | Nummer 28
haben die Autoindustrie dazu gezwungen, bei den in Nut zung befindlichen Dieselfahr zeugen Softwareupdates vornehmen zu müssen. Für die Autoindustrie wesentlich teurere aber effizientere Ver änderungen am Motor konn ten mit dem Vorwand, dass diese bei älteren Motoren nicht machbar seien ab gewandt werden. Doch auch Benzinmotoren weisen schwere Umweltmän gel auf. Die immer mehr in Mode kommenden Benzindi rekteinspritzer stoßen ein Vielfaches des Feinstaubs von bereits mit Partikelfiltern ausgestatteten Dieselmotoren aus. Eine verpflichtende Aus stattung von Benzindirektein spritzmotoren mit Partikelfiltern wird deshalb öffentlich diskutiert.
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ie Autolobby versucht sich immer wieder in die Opferrolle zu bringen und argu mentiert, dass der Straßenver kehr für nur 11 % der weltweiten CO² und 13 % der weltweiten Stickoxidemissio nen verantwort lich ist.
Dabei werden etliche Be reiche aus der öffentlichen Debatte ausgeklammert: Et wa, dass die Autoindustrie neben der nachgewiesenen Abgasmanipulation zur Pro duktionskostensenkung die bestehenden Grenzwerte voll ausreizt bzw. wie bei den Benzindirekteinspritzmoto ren geschehen ungeniert an
dere, für diese Antriebsart noch nicht reglementierte Emissionen (Feinstaub) ver ursacht. Von den derzeit ca. 7,5 Milliarden Menschen kommen ca. 1 Milliarde Per sonenkraftwagen. Die Ten denz ist vor allem in China, dem bevölkerungsreichsten Land der Erde, stark stei gend. Der Individualverkehr verursacht auch gesundheits schädlichen Lärm. Nicht nur beim Betrieb sondern auch bei der Produktion und der Verschrottung von Autos ist Energie erforderlich. Die Ent sorgung der Pkw verursacht zusätzliche Umweltschäden. Das Beispiel Individualver kehr zeigt deutlich, dass der Kapitalismus seinen fort schrittlichen Charakter längst verloren hat und nicht mehr fähig ist, die Produktivkräfte zum Wohl der Menschheit zu entwickeln. Es muss die Er kenntnis reifen, dass nicht al
les, das technisch machbar ist auch fortschrittlich ist. Vernünftig sind daher ein massiver Ausbau des öffentli chen Verkehrs nicht nur in den Städten bei gleichzeitiger Einschränkung des motori sierten und Förderung des nicht motorisierten Indivi dualverkehrs. Ziel muss Mobilität für alle bei gleich zeitiger Schonung der Umwelt sein. Mobilität muss zum Grundrecht werden. Das wür de unabdingbar mit einer Ab kehr vom Profitdenken verbunden sein. Denn nur ei ne demokratisch geplante Wirtschaft kann das Mam mutprojekt der globalen Re form der Verkehrspolitik stemmen, was selbstver ständlich auch den Luft und Schiffsverkehr umfassen muss. So wird auch in der Verkehrspolitik deutlich, dass kein Ausweg am Sozialismus vorbei führt.
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Umwelt
Australien: Reaktionäre Umweltpolitik Der im August 2017 veröf fentlichte Klimabericht von 450 Wissenschaftern aus 60 Ländern zeigt deutliche Er gebnisse. Global gesehen war 2016 das heißeste Jahr seit Beginn der Messungen vor 137 Jahren sowie das dritte heißeste Jahr in Folge. Auf Rekordhöhe sind auch der Meeresspiegel und die Höhe
kleinste seit Beginn der Mes sungen. Angesichts dieser alarmierenden Studie dürfte davon ausgegangen werden, dass die Ziele des Pariser Kli maabkommens zur Reduktion der Emission von Treibhaus gasen weltweit höchste Prio rität beigemessen wird. Doch das ist unter anderem in Aus tralien keineswegs so.
Breiter Widerstand gegen die geplante Kohlenmine formiert sich
des Anstiegs der CO² Kon 88 % des australischen zentration in der Luft geklet Stroms wird aus fossilen tert. Die Ausdehnung der Brennstoffen gewonnen, nur 8 arktischen Meereises war die % aus der Wasserkraft und 4
Paradiesische Zustände für's Kapital Der australische KrebsRat, Gewerkschaften und Befürworter eines öffentlichen Gesundheitssystems haben wegen einer geplanten Gesetzesänderung Alarm geschlagen: Die Regierung will wichtige Regu lierungen, die die chemische Industrie betreffen, auf heben. Bisher muss die Neueinführung chemischer Stoffe ein staatliches bzw. öffentliches Prüfungsver fahren durchlaufen, ehe eine Marktzulassung erfolgt. Damit soll gewährleistet werden, dass neue Chemie stoffe weder die Gesundheit noch die Umwelt gefähr den. Nun hat der Stellvertetende Gesundheitsminister David Gillespie einen Gesetzes entwurf vorgelegt, der die Schädlichkeitsprüfung in die Hände der Hersteller legt. Lediglich 0,75 % neuer Chemikalien, die ohnehin als hochgiftig gelten, wären davon ausgenommen. Die chemische Industrie zeigt sich zufrieden.
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% aus sonstigen erneuerba ren Energiequellen. Wer glaubt, dass am 5. Kontinent jetzt die Energiewende ein geleitet wird, irrt gewaltig. Genau das Gegenteil ist der Fall. Die 2013 unter Premier minister Tony Abbott gebil dete nationalkonservative Regierung hat erneuerbaren Energieformen den Kampf an gesagt. Die erfolgreiche Kli masteuer wurde ebenso ersatzlos gestrichen wie eine kleine Abgabe auf hohe Gewinne der Rohstoffindus trie. Als Ergebnis dieser fata len Umweltpolitik sind Investitionen in erneuerbare Energieformen um 80 % ge sunken. Abbott´s Nachfolger, der konservative Premier minister Malcolm Turnbull setzt diese Politik 1:1 fort. 2015 meinte Turnball:"Wind parks sind hässlich, laut und wer weiß welche gesundheit lichen Folgen sie haben." Da bei ist gerade Australien ein Land, das sich zukunftswei sende Umweltpolitik auf die Fahnen heften sollte und mit seinen langen Küsten sowie vielen Sonnenstunden prä destiniert für die effiziente Nutzung von Wind und Solar energie ist. Als eines der tro ckensten Länder der Welt ist "Down Under" schon heute stark vom Klimawandel be troffen. Buschbrände, Über schwemmungen und Wirbelstürme richten verhee rende Schäden an. Dennoch werden die staatlichen Auf wendungen für die Klimafor schung gekürzt. Von den 500 für eine flächendeckende Versorgung mit aktuellen Kli madaten notwendigen Ar beitsplätzen sind nur 420 besetzt und es fehlt an Mit
teln für wissenschaftliche In frastruktur. Wie immer im Kapitalismus heißt der Grund für rück wärts gewandte Politik Profit gier so auch in der australischen Energiepoltik. Kohle ist das umsatzstärkste Exportprodukt des 5. Konti nents. Wichtigster Propagan dist der Kohlelobby ist der greise Medienmogul Rupert Murdoch (Anmerkung: auch bei uns mit Sky groß im Ge schäft). Mit seiner marktbe herrschenden Stellung in der australischen Zeitungs und TVLandschaft untergräbt Murdoch unermüdlich die Glaubwürdigkeit der Klima wissenschaften in der Öffent lichkeit. Dem interessierten Leser werden haarsträubende Äußerungen wie "Der Klima wandel ist eine Erfindung der Chinesen" vom Präsident des Landes mit den angeblich un begrenzten Möglichkeiten be kannt vorkommen. Zugegeben: Reaktionäre Um weltpolitik ist kein australi sches Alleinstellungsmerk mal, da der Kapitalismus weltweit nach dem Prinzip der Profitmaximierung han delt. Gegen jede Vernunft ist im australischen Bundesstaat Queensland der Bau einer der größten Kohleminen der Welt geplant weil Vernunft im Ka pitalismus eben selbst ange sichts einer drohenden Unbewohnbarkeit des Plane ten Erde keine Kategorie ist. Vernunft kann es nur in der demokratisch geplanten Wirt schaft einer sozialistischen Gesellschaft gegen, die zu er ringen es auch in Australien gilt.
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Internationaler Klassenkampf
Die Türkei nach dem Referendum vom 16. April Es ist absurd, mit einer Pistole auf eine Wahlurne zu schießen. Gesetzmäßigkeiten des normalen Funktionierens des kapitalis Aber es ist noch absurder, sich mit einer Abstimmung gegen die tischimperialistischen Systems. Erdoğan hat es nicht einmal geschafft, alle Wähler des reak faschistischen Banden zu verteidigen. Leo Trotzki tionären Lagers zu überzeugen und sie in einer Front für das Präsidentschaftsreferendum um sich zu scharen. Im gleichen Ausmaß, in dem die imperialistischen Ziele des ErdoğanRegimes immer klarer wurden, hat sich sein Autorita rotz des massiven, auch staatli rismus parallel dazu beschleunigt. Erdoğan hat lauthals sein chen, Drucks auf das “Nein”Lager Ziel eines Präsidialsystems verkündet, vor allem, seit er Präsi war das Ergebnis des Referendums dent wurde. Dieses Ziel wurde zum ersten Mal in den Wahlen für Erdoğan eines der beunruhigends vom 7. Juni ausgetestet Obwohl die Ergebnisse dieser Wahlen eine Enttäuschung für Erdoğan waren, gab er diesen Plan nie ten seit 2002. auf. Die ErdoğanDiktatur, die das Wahlergebnis nicht gerade schätzte, hat die bürgerliche Demokratie verworfen und Wege gefunden, de facto das Präsidialregime anzuwenden durch Eine breite Palette von „Nein“Stimmen hat sich von der (ke einen schmutzigen Kolonialkrieg in Kurdistan, “Selbstmordat malistischen) CHP bis zur HDP gebildet, wobei so gut wie alle tentate” in den Städten... Mit dem Scheitern des versuchten “sozialistischen” Gruppen mitgezogen haben, einem bedeu Militärputsches vom 15. Juli verkündete er seine defacto Prä tenden Teil der MHP und verschiedenen konservativen sidialherrschaft und begann sie anzuwenden. Nach dem 15. rechten Parteien. Während der Referendumskampagne wurde Juli hat sich das türkische Regime zu einem Modell entwickelt, die “Nein”Kampagne der sozialistischen und zentristischen das mit dem Ausnahmezustand und Verordnungen regiert wird Kräfte mit einer Perspektive geführt, die nicht über Parlamen (KHK, das heißt eine Verordnung mit Gesetzeskraft). Die Er tarismus und Pazifismus hinausging. Die ideologische Linie des nennung von staatlichen Verwaltern (anstelle einiger gewähl „Nein“ der CHP wurde nicht überschritten. Die “Nein”Kampa ter Politiker), die Säuberungen, die Zerschlagung jeder sozialer gne wurde von einer bürgerlichen Clique in Geiselhaft genom Opposition mit eiserner Faust, die Geiselnahme von gewählten men, die angesichts des Aufstiegs Erdoğans ihre früheren Abgeordneten sind zur normalen Regierungspraxis geworden. Privilegien zurück haben will. Sie stützen sich auf die Ideologie Um dieses faktische Präsidialsystem auf eine Verfassungs von Republik, Laizismus, konstitutioneller Ordnung und grundlage zu stellen, wurde mit der Unterstützung der MHP Rechtsstaat, weitab von Klassenkampf und in scharfem Gegen (einer ultranationalistischen Partei) ein Referendum beschlos satz zur Arbeitereinheitsfront. Um die nationalistische Basis sen. Eine solche autoritäre Wende des Regimes Erdoğans und nicht zu erschrecken, wurde während der “Nein”Kampagne die faktische Aufhebung der bürgerlichen Demokratie kann kein einziges Argument gegen den Kolonialkrieg in Kurdistan nicht mit dem Wunsch nach persönlicher Macht erklärt wer vorgebracht, auch nicht von der HDP. Vor dem Referendum den. Sie kann nicht ohne Berücksichtigung der Interessen der haben wir gesagt: Klasse verstanden werden, die Erdoğan vertritt, ohne Ver “Die NeinStimmen, die aus unterschiedlichen sozialen ständnis für die Kriegslage im Zusammenhang mit der sich Schichten kommen, nehmen spürbar zu. Die Gründe für das weltweit verschärfenden Krise. Dieser Prozess ist keine “Ab Nein sind aber bei allen andere. Wir Kommunisten, im Gegen weichung” der bürgerlichen Demokratie; er folgt vielmehr den satz zu verschiedenen Klassen die sich für ein Nein ausspre
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Internationaler Klassenkampf chen, müssen praktische Schritte für das Nein entlang einer sich unter den Kurden, den Armen und der Arbeiterklasse dy Klassenperspektive im Rahmen unseres Programms setzen. namisch oppositionelle Strömungen zu entwickeln beginnen. Die überwältigende Mehrheit des “Nein”Flügels baut ihre Op Es zeigt, dass die Bedingungen für die Schaffung der Arbeiter position auf der Basis der Republik, des Säkularismus, der einheitsfront der Unterdrückten reif sind. Nach dem Referen Verfassungsordnung, der Rechtsstaatlichkeit, der Reaktion auf dum vom 16. April gab es teilweise große spontane die Einmischung in den Lebensstil der Einzelnen auf. Letztlich Demonstrationen. Aber diese konnten nicht auf ein höheres ist die Essenz dieser Forderung: 'Die AKP und Erdoğan müs Niveau gehoben werden. Sie wurden auf bestimmte Regionen sen weg, aber das System, das sie hervorgebracht hat, soll beschränkt und erreichten die Arbeiterviertel nicht. Als die Demonstrationen und Proteste gegen das Referendum began bleiben'.” Die zentristischen und sozialistischen Gruppen, die in das nen, fürchtete die CHP, dass sie sich ihrer Kontrolle entziehen Referendum ohne eine revolutionäre Perspektive hineinge könnten und beruhigte die Massen und ihre eigene Basis und gangen sind, konnten die Opposition, die sich während der erklärten, vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschen Kampagne entwickelte, nicht auf ein höheres Niveau heben. rechte Gerechtigkeit einfordern zu wollen. Die Achse der De Parallel zur Krise des Systems erleben die zentristischen Grup monstrationen war der Slogan, der überall übernommen pen eine ernsthafte ideologische Krise. Je mehr sich die AKP in worden war: „Nein, wir haben gewonnen”. Das war die Forde rung nach der Annul Sektoren der arbeiten lierung des den Bevölkerung ver Referendums. Die ankern kann, versucht zentristischen Grup die zentristische Lin pen konnten in die ke, sich rund um die sem Prozess keine Achse der politischen Perspektive und revo und ideologischen Ar lutionäre Öffnung ein gumente der CHP zu bringen. Stattdessen organisieren. wurden Forderungen Das Referendum nach einer Reorgani vom 16. April hat in er sierung des parlamen ster Linie zum Verlust tarischen Systems der Legitimität des Er und die Wiederher doğanRegimes ge stellung der bürgerli führt. Das “Ja” Ergebnis des Trotz Repression: Unsere türkischen Genossinnen und Genossen verteidigen das Recht des chen Gesetzlichkeit gefordert. Referendums vom 16. kurdischen Volkes auf Selbstbestimmung April kam mit einem Vorsprung von 1,377 Millionen Stimme zu Stande. Etwa 1,5 Millionen ungestempelte und fragwürdige er Platz der Revolutionäre ist in Stimmzettel wurden entdeckt. War bei früheren Wahlen wie den Betrieben! Nicht auf dem derholt hinter vorgehaltener Hand von Wahlbetrug die Rede, Marsch der CHP! wurde jetzt in aller Öffentlichkeit darüber diskutiert. Die Mas Die erste Aktion Erdoğans nach dem Referendum war die sen haben den Wahlschwindel mit eigenen Augen, am helllich ten Tag, gesehen, Mit entsprechenden Vorwürfen konfrontiert Verlängerung des Ausnahmezustandes. Ohne auf den Parteitag antwortete Erdoğan „der, welcher ,das Pferd gestohlen hatte, 2019 zu warten, hat er sich durch seine Partei die volle Macht ist schon durch die Stadt Üsküdar durchgeritten“, eine türki übertragen lassen. Nun will er so schnell wie möglich die sche Wendung die bedeutet, dass eine Sache erledigt ist. Na Macht in seinen Händen konzentrieren, um Risse zu verhin türlich wies auch der Hohe Wahlrat die Beschwerden gegen dern, die in der AKP entstehen könnten. Er kann daher nicht die Manipulationen ab. Die Abstimmung vom 16. April gehör mehr ohne Notverordnungen regieren. Erdoğan operiert im ten zu der fragwürdigsten Wahlen der türkischen politischen Rahmen einer nicht endenden Krise, drohender weltweiter Geschichte. Die Durchführung und Legitimität des Referen kriegerischer Konflikte und einer so gut wie zusammengebro dums, des Parlaments, der Justiz und ganz allgemein der chenen Außenpolitik. Das Regime selbst ist der Träger dieser Staatsapparat der Bourgeoisie werden von der breiten Masse Krise, und es hält sich nicht wegen seiner besonderen Stärke in Frage gestellt. Die wichtigste Lehre des Referendums vom an der Macht, sondern weil es keine Alternative zu und keine 16. April ist, dass der Staatsapparat der Bourgeoisie und die revolutionäre Arbeiterfront gegen diese Regierung gibt. Erdoğans erklärtes Ziel ist ein Präsidialsystem. Vor dem Re bürgerliche Demokratie ihre Legitimität verloren haben. Wir sind in eine Phase eingetreten, in der wir laut die revolutio ferendum hat er alle Misserfolge damit begründet, dass es kei nären Alternativen aussprechen müssen und auch auf Reso ne starke Präsidialmacht gäbe. Das Präsidialsystem wurde von ihm wie ein Zauberstab vor der Arbeiterklasse geschwungen. nanz stoßen. In vier der fünf wichtigsten Städte hat das „NEIN“ gewonnen Nun aber platzt ein Versprechen nach dem anderen. Der Präsi in Bursa konnten die “JA”Stimmen einen knappen Überhang dent kann nicht auf magischem Weg die Wirtschaft ankurbeln, erreichen. In den Industriestädten und in Kurdistan gewann für Ordnung sorgen und den Menschen Wohlstand bringen. Er trotz allen Drucks und Betrugs das „NEIN“. Dies zeigt, dass doğan hat sein politisches Kapital aufgebraucht. Er kann nichts
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Internationaler Klassenkampf mehr versprechen, was ihm die Zustimmung der Bevölkerung schen den Eigentümern von S.iSECAM und der Glasarbeiter bringen könnte. gewerkschaft Kristalİş konnte der Streik letztlich siegreich Die Periode von Wohlstand und Wachstum der ersten Phase beendet werden. Unter dem Ausnahmezustand sind wirtschaft der Herrschaft Erdoğans ist abgeschlossen. Der Grund dafür liche Streiks verboten die Kämpfe der Arbeiter haben daher ist die kapitalistische Krise, die 2008 begann und die Situation stets die Tendenz, zu politischen Kämpfen zu werden. Die weiter ver Gewerkschafts schlechterte. Kri bürokratien se, Krieg, schrecken vor Rassismus, Unter dieser Radikali drückung und au sierung zurück toritäre Regimes und versuchen, nehmen weltweit jede Ausweitung zu. Der Grad des von Streiks auf Autoritarismus andere Betriebe Erdoğans kann oder Branchen nicht ohne Be zu hintertreiben. rücksichtigung je Sie versuchen, ner Länder die Kämpfe zu verstanden wer isolieren und in den, in denen der Geheimverhand globale Kapitalis lungen mit den mus herrscht. Kapitalisten Trotz aller An rasch zu been Die CHP, die in Österreich als "sozialdemokratisch" auftritt, repräsentiert in Wahrheit nur eine andere Spielart strengungen den. Hier macht des türkischen Nationalismus die kemalistische Variante konnte Erdoğan sich das Fehlen die wirtschaftliche Rezession, Inflation und Arbeitslosigkeit einer revolutionären Partei bitter bemerkbar. Der Ausnahme nicht verhindern. Unter den Bedingungen des Ausnahmezu zustand wird nicht durch Demonstrationen für mehr Demokra standes greift er alle Errungenschaften der Arbeiterklasse an. tie beendet, sondern durch den Generalstreik der Nach dem Referendum, bestand eine der ersten Aktionen der Arbeiterklasse. Wenn ein solcher Generalstreik zugleich die Regierung darin, die für Abfertigungen vorgesehenen Gelder Forderungen anderer Schichten der werktätigen Bevölkerung der Betriebe in einen staatlich kontrollierten Fonds einzu vertritt, müsste das ErdoğanRegime tatsächlich zittern. Die bringen und damit faktisch zu beschlagnahmen. Streiks wer Arbeitskämpfe, die den Verboten trotzen, können eine wichtige den unter dem Ausnahmezustand regelmäßig verboten. Dynamik hervorbringen. Als proletarische Revolutionäre se hen die Genossinnen und Genossen von Patronsuz Dünya ihre Aufgabe darin, die Streiks über die einzelnen Betriebe hinaus rotz Ausnahmezustand und Re pression findet der Klassenkampf auszudehnen. Sie wollen zur Schaffung einer Arbeitereinheits front beitragen, die sich nun im Kampf gegen die Krisenlast mit einer merklichen Lebendigkeit herausbildet. trotzdem statt. Dies ist ein Beweis Erdoğans syrische Pläne sind zusammengebrochen. Ange dafür, dass die Bedingungen der Krise sichts der YPG und der kurdischen Bewegung hat er kaum eine die Klassendynamik fördern kann. Zu Möglichkeit, einzugreifen. Die Außenpolitik der Türkei ist ein Trümmerhaufen. Erdoğan setzt alles auf den türkischen Natio Beginn des Jahres 2017 wurde der nalismus. Mit dem Ruf nach einer “starken Türkei” rechtfertigt EMISStreik durch einen Beschluss er den schmutzigen Kolonialkrieg in Kurdistan. Der antikurdi des Ministerrats verboten. Trotz der sche Rassismus soll seine Macht legitimieren und die Massen pazifistischen und versöhnlerischen von ihren elenden Lebensbedingungen ablenken. Damit wächst Haltung der Gewerkschaft wurde, aber auch die Möglichkeit einer neuen Rebellion in Kurdistan. Pflicht der internationalistischen proletarischen Revolutionäre aufgrund des Drucks von unten, der Streik der EMISMetallarbeiter fortge ist es, diesen schmutzigen Krieg öffentlich zu bekämpfen, das Selbstbestimmungsrecht des kurdischen Volkes zu verteidigen setzt. und keinerlei nationalistischem Druck von “links” oder Die durch Verhandlungen hinter verschlossenen Türen er “rechts” nachzugeben. In Folge der fragwürdigen Ergebnisse des Referendums hat zielten Vereinbarungen zwischen Unternehmern und Gewerk schaftsführung schufen vollendete Tatsachen, die eine der Staatsapparat jede Legitimität verloren. Nun bestehen die Verallgemeinerung des Arbeitskampfes verhinderte. Auch der besten Voraussetzungen, um den breiten Massen die Farce des Streik der Glasarbeiter wurde durch einen Beschluss des Parlaments und von Wahlen zu erklären. Unter diesen Umstän Ministerrats verboten, aber die Arbeiter blieben entschlossen den Positionen zu vertreten, die auf eine Wiederherstellung und leisteten weiterhin Widerstand. Nach Verhandlungen zwi des Staatsapparates und seiner ”demokratischen” Institutio
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Internationaler Klassenkampf nen abzielen, ist keine revolutionäre Orientierung. Die von Zentristen erhobenen Forderungen nach einer “freien Konsti tuante” oder die Unterstützung des “Marschs der Gerechtig keit” der CHP kann nur Illusionen in den bürgerlichen Staat fördern, der jede Legitimierung verloren hat. Die bürgerliche Demokratie wiederherzustellen ist nicht die Aufgabe der Kommunisten. Klar ist aber auch, dass man den Kampf für de mokratische Freiheiten nicht vom Klassenkampf trennen kann. Die Zentristen vergessen die alte Wahrheit, dass Revolutionäre mit ihren eigenen Mitteln für diese Rechte kämpfen, mit Überg angsforderungen, die das Funktionieren des kapitalistischen Staates in Frage stellen. Die heutige Macht der AKP ist keine Abweichung von der bürgerlichen Demokratie, sie ist das un ausweichliche Resultat eben dieser bürgerlichen Demokratie. Obwohl die imperialistischen Ziele des ErdoğanRegimes in Syrien gescheitert sind, obwohl es die unterlegene Partei auf dem syrischen Schlachtfeld ist, verzichtet Erdoğan nicht auf seinen Anteil an der imperialistischen Beute. Der Kampf der Kommunisten gegen die Kriegspolitik, die militärischen Opera tionen innerhalb und außerhalb des Landes, wird nicht um ei ne liberale Achse mit pazifistischen Reden geführt. Der wirkliche Feind ist nicht irgendwo Draußen, sondern Drinnen! Wir sind Vertreter einer Tradition, die durch den Satz zu sammengefasst werden kann: „Dreht die Waffen um und rich tet sie gegen den bürgerlichen Staat.“ Es ist unsere historische Verantwortung und unsere revolutionäre Pflicht, mit aller Kraft die Agitation und Propaganda gegen den Krieg auf der Linie des revolutionären Defätismus zu führen, die unser bolsche wistisches Erbe ist. Die ErdoğanDiktatur,die nach dem Refe
rendum, in ihren Händen alle staatlichen Instrumente konzentriert hat, kann in Zeiten des Krieges oder der sozialen Umbrüche ihren Kurs weiter verhärten. Es ist eine offensichtli che Tatsache, dass das Regime seine bewaffneten faschis tischen Banden bereit hält. Die revolutionären Kräfte haben keine Wahl als Arbeitermilizen zu organisieren, um ihre Selbstverteidigung zu gewährleisten. Wir stehen einer Macht gegenüber, die sich nach dem Referendum eine verfassungs rechtliche Abdeckung gegeben hat und versucht, das Ausbeu tersystem zu verewigen und das Leben der Unterdrückten und Arbeiter in die Sklaverei zu verwandeln. Wir gehen ohne eine revolutionären Partei der Arbeiterklasse und die Einheitsfront der Arbeiter in diese Periode hinein. Unsere historischen und politischen Bezüge sind die Resolu tionen der ersten vier Kongresse der Kommunistischen Inter nationale, die Programme der Vierten Internationale, die ihre Kontinuität gesichert haben, insbesondere das von Trotzki ge schriebene Manifest gegen den imperialistischen Krieg von 1940. Die einzige Voraussetzung, um unsere politische Existenz zu sichern, ist es, kommunistische Zellen in der Arbeiterklasse und die Jugend zu organisieren und kompromisslos unsere kommunistische Propaganda, unsere Agitation und Organisati on auf der Linie des Aufbaus einer Partei und einer Einheits front fortzusetzen.. Der Bolschewismus wird siegen! Die Diktatur wird von den Arbeitern im Kampf gestürzt werden! Das Programm der IV. Internationale weist uns den Weg. Patronsuz Dünya, Welt ohne Chefs / Türkei
Der Block unserer Genossinnen und Genossen am 1. Mai
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Internationaler Klassenkampf
Frankreich
Macron / Philippe Politik im Eilzugstempo für die Interessen der Bourgeoisie Vor dem zweiten Durch gang der französischen Präsi dentenwahlen haben die reformistische Parteien SP und KPF, so gut wie alle Gewerkschaftsapparate und auch einige Zentristen dazu aufgerufen, für Emmanuel Macron und gegen Marine Le Pen zu stimmen. Wie 2002 wollten sie die Arbeiterklasse hinter dem respektableren bürgerlichen Kandidaten scharen, um so angeblich die faschistische Gefahr zu bekämpfen. Macron gewann allerdings gab es mehr als 34% Wahlenthaltungen, un gültige oder weiße Stimmzet tel. 2002 hatte Jacques Chirac als Kandidat der Bürgerlichen und verängstigten “Antifa schisten” bei einer Wahlbetei ligung von 80 % rund 82 % der Stimmen erzielen können.
Ein Erdrutschsieg sieht anders aus Bei den Parlamentswahlen im Juni kamen die Sozialde mokraten letzten Endes nur noch auf 33 Sitze in der Natio nalversammlung, obwohl sie sich so sehr bemüht hatten, dem Kapital zu Diensten zu sein. Aber auch die bürgerli che LR musste deutlich Fe dern lassen. Sie kam nur noch auf 113 Abgeordnete. Kein Herbst 2017 | Nummer 28
Wunder das Programm der Bewegung Macrons LREM ist so gut wie ident mit jenem der LR. Letztere hat damit so gut wie keine Existenzberech tigung mehr. Die LFI (“Das aufständische Frankreich) von JeanLuc Me lenchon rief zwar nicht auf, Macron zu wählen, bot aber als Perspektive nur die Bil dung einer starken Oppositi on unter einem Premier Melenchon an, der dann eine Cohabitation (also Regie rungszusammenarbeit) mit dem Präsidenten Macron ein gehen sollte. LFI kam auf 18 Deputierte in der Kammer, die KPF konnte gerade einmal 10 Sitze retten. Die Front Nationale, die als Schreckgespenst die “Natio nale Einheit der Demokraten” befeuerte, erreichte mit 8 Sitzen nicht einmal Fraktions status. Macrons LREM hat mit 308 von 577 Mandaten in der Nationalversammlung eine bequeme Mehrheit. Während sich Emmanuel Macron schon am Abend der 2. Runde der Präsidentenwahl als neuer Napoleon gebärdete und am 18. Juni seinen trium phalen Auftritt wiederholte, kann vom “Erdrutschsieg”, den bürgerliche Medien be schworen, keine Rede sein. Mehr als 57 % Wahlenthal tung bei der zweiten Runde
der Parlamentswahl zeigt eher eine fehlende Massenba sis für Macron. Auch die viel beschworene “Bewegung” entpuppt sich bei näherem Hinsehen als eine Versamm lung politischer Veteranen, großer und kleiner Geschäf temacher, dynamischer Ma nager und solcher, die nach einem Platz an der Futterkrip pe drängen mehr eine Hotli
ne für Zukurzgekommene als eine politische Plattform.
Mit Verordnungen gegen die Arbei ter_innenklasse Der ungeduldig fordernde Unternehmerverband MEDEF konnte mit dem neuen Präsi denten zufrieden sein: nach
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Internationaler Klassenkampf Angst der Arbeiterinnen und Arbeiter wird in Großde monstrationen kanalisiert, und dann schickt man die Menschen wieder zurück in die Betriebe, Schulen und Un iversitäten. Kleinere Gewerk schaften aus dem Umfeld der zentristische Organisationen, die linksreformistische Nou velle Parti Anticapitaliste und andere Gruppierungen haben sich nach der Niederlage (oder besser: dem Verrat) des Kampfs gegen das Loi El Khomri in der “Front Sociale” organisiert. Der Zu sammenschluss von mehr als 70 Parteien, Organisationen und Initiativen geht aber nicht über das Konzept der Aktionstage hinaus. Auch die erwähnte Gruppe Lutte Ou vrière möchte aus dem 12. September den “ersten Tag der Ablehnung” machen nicht mehr. Während unsere Genossen der Groupe Marxiste Interna tionaliste konsequent uner müdlich die Losung des Großes Vorbild Napoleon III.: Gestützt auf Polizei, Armee und Banden bewaffneter "Anhänger" spielte dieser den "neutralen" Staatslenker hart Generalstreiks propagieren, aber (un)gerecht bereiten Reformisten und den unter der Regierung des lenchon nahestehende und Zentristen mit ihrem Behar Sozialdemokraten Hollande von der pseudotrotzkis ren auf isolierten Aktionsta begonnenen Angriffen auf das tischen Lutte Ouvrière unter gen neue Niederlagen vor, CGTBürokratie falls es nicht gelingt, die Arbeitsrecht will Macron mit stützte) Verordnungen unter ande kritisiert zwar durchaus be Gewerkschaftsführungen zum rem die Aushebelung des rechtigt, dass die Verhand Bruch mit der Klassenzu Kündigungsschutzes vollen lung von Haus aus durch die sammenarbeit zu zwingen. den. Skandalös dabei: im Sin Regierung gegängelt wären, ne der französischen Variante verhandelt aber trotzdem Macron: Ein guter der Sozialpartnerschaft sind frohgemut weiter. französischer Im In der Nationalversamm die Führungen der großen perialist Gewerkschaftsverbände be lung wurde das Gesetz über reit, im Geiste der “Concerta die Anwendung der Verord tion” über diese Angriffe “zu nungen statt regulärer Geset Macron hat schon in den verhandeln”. Sie scharwen ze natürlich mit der soliden ersten Tagen seiner Präsi zeln um Macron und seine Ar bürgerlichen Mehrheit ange dentschaft keinen Zweifel beitsministerin Muriel nommen. Am 20. September daran gelassen, dass er ein Pénicaud herum. Der Vor soll im Ministerrat die Ver glühender Verteidiger des sitzende der reformistischso schärfung des Arbeitsrechts französischen Imperialismus beschlossen werden. zialdemokratischen und seiner Armee ist. Am 14. Für den 12. September ru Mai feierte er auf dem Gewerkschaft Force Ouvrière die französischen Champs Elysées seinen Wahl FO findet gar, die sozialpart fen nerschaftliche Zusammenar Gewerkschaften wieder ein sieg von einem Armeetrans beit “sei auf dem richtigen mal zu einem ihrer “Aktions porter herunter, am 19. Mai Weg”; die (der KPF und Me tage” auf die Wut und die besuchte er die französi
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schen Invasionstruppen in Mali und kehrte am 2. Juli dorthin, um eine militärische Koalition gemeinsam mit den Armeen Malis, Mauretaniens, Burkina Fasos, des Tschad und Nigers anzuleiern. Den Protest des Generalst abschefs General de Villiers gegen angekündigte “Spar maßnahmen” auch bei der Verteidigung nahm Macron zum Anlass, den Offizier zu entlassen. Damit bekräftigte er lediglich die klassische Li nie aller Staatsoberhäupter der V. Republik: “Herr über die Armee bin ich”. In selte ner Eintracht kritisierten alle Fraktionen der Nationalver sammlung den Präsidenten. Bemerkenswert wie immer der Patriotismus des “Linken” JeanLuc Melenchon, der er klärte, Macron habe “einen enormen Fehler begangen und eine sehr ungesunde Si tuation im Verhältnis zwi schen Nation und Armee” geschaffen. Aber so schlimm war’s dann doch nicht: 2018 wird von allen Budgets nur jenes des Militärs um 1,5 Milliarden Euro (+5,25 %) erhöht. Auch heuer knabbert das Militär nicht am Hungertuch Ein sparungen finden dort, im Ge gensatz zum öffentlichen Sektor, nicht statt. Und dort wird kräftig ge kürzt 60 Milliarden Euro will Emmanuel Macron in seiner fünfjährigen Amtszeit einspa ren. 2017 sollen es 75 Millio nen im nationalen Schulsystem sein, 331 Millio nen in der höheren Bildung. Bei den Beamten (und da sind auch die Postboten, Erzieher, Sozialarbeiter, Beschäftigte im staatlichen Gesundheits wesen…) dabei, sollen die Löhne eingefroren, Zulagen gestrichen, Karenzzeiten ge kürzt werden. 65.000 Abiturientinnen und Abiturienten finden heuer kei Herbst 2017 | Nummer 28
Internationaler Klassenkampf ne freien Studienplätze. Diese werden teilweise verlost. Als Reaktion will die Regierung eine Reihe von “Vorausset zungen” einführen, die zur Zuteilung eines Studienplat zes führen. Ein alter Traum des französischen Groß bürgertums soll wahr werden: die Universitäten sollen wie der einer Elite vorbehalten sein und die wird nicht intel lektuell, sondern sozial defi niert.
Mit einem Sozial demokraten in den Polizeistaat Unter Führung des Innen ministers Gérard Collomb (Sozialistische Partei) wird der Polizeistaat zügig ausge baut. Das “AntiTerrorGe setz” wird die wichtigsten Punkte des Ausnahmezustan des in das normale Recht überführen. Wesentliche Ent scheidungen, die früher den politischen oder juristischen Autoritäten unterstanden, gehen nun auf die Polizeiprä fekten über etwa die Verhän
gung eines Hausarrests, oder die Schließung von Moscheen bis zu einer Dauer von 6 Mo naten. Hausdurchsuchungen sind nunmehr auch ohne Tat verdacht möglich. Was vordergründig mit der Abwehr einer “terroris tischen” Gefahr begründet wird, ist in Wirklichkeit ein Generalangriff auf grundle gende Freiheiten, die Errun genschaften der Arbeiterklasse sind. Der polizeilichen Repression ge gen jede Form des sozialen Protests sind damit Tür und Tor sperrangelweit geöffnet.
Die Perspektive: Die fortgeschrit tensten Elemente der Klasse verei nen! Dass sich am 18. Juni die Arbeiterinnen und Arbeiter massiv der Wahl zwischen den Kandidaten der ab genützten alten Parteien LR und SP oder der neuen “Be wegungen” rund um mehr oder minder charismatische
Führer (Front Nationale, MacronBewegung, Melen chons LFI) verweigert haben heißt noch lange nicht, dass Macron zwangsläufig schei tern wird. Die Wahlenthal tung bedeute kein Erwachen der Arbeiter_innenklasse und der Jugend die in Frankreich vielbeschworene “3., soziale, Runde” der Wahlen. Diese 3. Runde ist eine Möglichkeit aber nur, wenn es gelingt, die Bremser in den Gewerkschaf ten und den reformistischen Parteien zu vertreiben. Die unerhörte Selbst sicherheit und Arroganz Macrons könnte auch sein Problem werden. Er ist von seiner Macht überzeugt und versteht nicht, dass diese kein Zeichen seiner Stärke, sondern vielmehr der fort schreitenden Zersetzung der bürgerlichen und reformis tischen Parteien ist. Um den bürgerlichen Par teien LR und LREM und der FN Paroli zu bieten, muss die Arbeiterklasse vereint wer den. Dazu ist es nicht genug, höhere Löhne und eine kür zere Arbeitszeit zu fordern,
wie das Mélenchon, Hamon (SP), Poutou (NPA) und Art haud(LO) tun, oder sogar das Verbot von Kündigungen oder die Beschlagnahme lee rer Wohnungen (Poutou, Art haud). Die besten wirtschaftlichen Forderungen bleiben “ökonomistisch”, läh mend, illusorisch, impotent, wenn sie von der proletari schen politischen Klassenak tion isoliert bleiben. Um solche Maßnahmen durchzusetzen bedarf es ei ner Arbeiterregierung, die sich auf Räte und die allge meinen Volksbewaffnung stützt und im Stande ist, ge plant gesellschaftlich nützli che Großprojekte umzusetzen. Dafür braucht es eine revolutionäre Arbeiter partei. (Dieser Artikel beruht auf den Leitartikeln und Flugblät ter unserer französischen Ge noss_innen der GMI, Sektion des CoReP in Frankreich)
Kollektiv Permanente Revolution (CoReP): http://www.revolucionpermanente.com/
Frankreich Groupe Marxiste Internationaliste http://groupemarxiste.info
Österreich Gruppe Klassenkampf http://www.klassenkampf.net
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KOMMENTAR DONALD TRUMP SYMBOL FÜR DEN TODESKAMPF DES KAPITALISMUS Der Todeskampf des Kapitalismus hat offensichtlich an Tempo gewon nen. Das Motto lautet: Rette sich wer kann!
Amerikaner_innen lebenswichtigen Gesundheitsversorgung Obamacare zu einem wichtigen Ziel und die Drohung zur atomaren Ausradie rung Nordkoreas zu einem fixen Be Donald Trump´s Politik ist die Ge standteil der Tagespolitik gemacht. genthese zu jeglichen Gesellschafts modellen mit solidarischen Im Kampf um die für den Erhalt Denkansätzen. Das Gegeneinander des kapitalistischen Wirtschafts bestimmt das Handeln. Jegliche der und Gesellschaftssystems notwen Profitmaximierung im Weg stehen digen Wachstumsraten wird ein de Hindernisse sollen beseitigt wer noch gigantischerer Schuldenberg den. Rassismus, Sexismus und als vor Beginn der Finanz und Wirt Homophobie werden als Keil in jede schaftskrise 2008 angehäuft und da solidarische Bewegung getrieben. mit ein stabiles Wachstum der Noch vor kurzem undenkbare ge Weltwirtschaft vorgegaukelt. sellschaftliche Rückschritte werden Bürgerliche Ökonomen warnen be zur realen Bedrohung. Die USA sind reits davor, dass die ProKopfVer auf Initiative von Präsident Trump schuldung in den USA höher ist als aus dem zahnlosen weil unverbind vor 10 Jahren kurz vor Beginn der lichen Pariser Klimaschutzabkom Krise. men ausgetreten. Der Klimawandel wird gar als eine Erfindung der Negative Begleiterscheinungen Chinesen bezeichnet. Sportlicher des kapitalistischen Todeskampfs Betätigung wird von Trumpf ihr po sind der fortschreitende Klimawan sitiver Effekt auf die Gesundheit ab del, der verheerende Auswirkungen gesprochen. Die Errichtung von wie zahlreiche Dürrekatastrophen, Hochsicherheitszäunen an der Waldbrände, Überschwemmungen Grenze zu Mexiko wird als Errun oder Stürme zur Folge hat sowie genschaft dargestellt, die ersatzlose steigende Kriegsgefahr und erhöhte Abschaffung der für Millionen US Rüstungsausgaben. Donald Trump
ist dabei nicht der Verursacher die ser Entwicklung sondern lediglich der Leiter des weltkapitalistischen Flagshipstores USA, des wirtschaft lich und militärisch stärksten Lan des mit dem dem Untergang geweihten Wirtschafts und Gesell schaftssystem Kapitalismus. Es ist durchaus möglich, dass ei ner der zahlreichen Skandale Do nald Trump zum Rücktritt zwingen werden. Doch das würde keine grundlegende Änderung der globa len kapitalistischen Systemkrise be deuten. Bereits jetzt muss sich die Menschheit auf einen rasch fort schreitenden Klimawandel mit schweren irreversiblen Schäden einstellen. Die mediale Hegemonie der Weltkapitalistenklasse hat eine zunehmende Schwächung der Welt arbeiterklasse mit sich gebracht. Auch wenn das aktuell noch so schwierig und utopisch erscheint, so wird der revolutionäre Sturz des Kapitalismus angeführt von einer Arbeiter_innenpartei und der Auf bau des Sozialismus der einzige Ausweg aus dem zerstörerischen Todeskampf des Kapitalismus sein.
Impressum: Eigentümer, Verleger, Herausgeber ist die politische Partei GRUPPE KLASSENKAMPF [umbenannt/gegründet unter dem Namen Trotzkistische Gruppe Österreich]. Die Partei ist an keinen anderen periodischen Druckwerken beteiligt. Offenlegung der Blattlinie nach § 25 Mediengesetz: Die Zeitung KLASSENKAMPF dient der Verbreitung von Informationen im Dienste der Arbeiterklasse, der Jugend und der Frauen.
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Deutschland
Das Wahljahr 2017 – Aufbruch statt „Weiter so!“ ? Unter dem Eindruck des Wahlsieges von Trump in den USA hofften viele Menschen in Deutschland, die anstehenden Landtags- und Bundestagswahlen zu einem Votum gegen asoziale und rassistische Politik zu machen. Während CDU/CSU trotz Streitereien über die Flüchtlingspolitik dank der Politik der Kanzlerin Angela Merkel weiter im Aufwind blieb, hoffte die SPD mit der Inthronisierung (100% Zustimmung seitens der Parteitagsdelegierten) eines neuen Parteivorsitzenden und Kanzlerkandidaten, Martin Schulz, auf neue Chancen, um aus den Umfragetiefs herauszukommen. Die Hoffnungen gingen dahin, dass Jahr 2017 mittels der anstehenden Landtagswahlen zu einem Richtungswahlkampfjahr zu machen. Nach einem kurzen Zwischenhoch (30% für die SPD bei einer Umfrage) ließ sich feststellen: weit gefehlt.
IM SAARLAND blieb die CDU klare Siegerin und regiert nun zusammen mit der FDP. Die Grünen flogen aus dem Land tag (5%Hürde), die SPD kam fast ungestraft aus der großen Koalition mit der CDU davon. Der bei den Europawahlen be gonnene Siegeszug der AfD in die Parlamente ging weiter. Die Linke konnte sich gut be haupten. IN SCHLESWIGHOLSTEIN setzte sich der Negativtrend für die SPD fort. Die SPDGrüneSSW Koalition bekam keine Mehr heit mehr, wenn auch alle 3 Parteien nur geringere Verlus te (SPD aber immerhin 3%) hinnehmen mussten. SSW ist der Südschleswigsche Wäh lerverband der dänischen Minderheit. Für ihn gilt die 5% Hürde nicht. Die Piratenpartei verschwand in der Bedeu tungslosigkeit. Die FDP gewann 3 % hinzu. Die CDU konnte wieder etwas zulegen und bildet nun mit FDP und den Grünen (!) die neue Regie Herbst 2017 | Nummer 28
rung. Diese Regierung arbeitet bisher sehr harmonisch. Die führenden Personen bei FDP und Grünen kommen auch persönlich gut miteinander aus. IN NORDRHEINWESTFALEN ver lor die Koalition aus SPD und Grünen ebenfalls die Wahlen. Klare Gewinner: CDU und FDP. Sie bilden nun zu sammen die Regierung. Die Linke scheiterte knapp an der 5%Hürde, konnte aber unter der Führung von Sahra Wagenknecht ihren Stimmen anteil immerhin fast verdop peln (von 2,5% auf 4,9%). Die AfD zog unangefochten in den Landtag ein. Vor den Landtagswahlen von SchleswigHolstein und NordrheinWestfalen konnte die SPD noch einmal punkten. Angesichts der Unfähigkeit von CDU/CSU und FDP, einen eigenen bürgerlichen Kandi daten für das Amt des Bundespräsidenten zu prä sentieren, setzte sich die SPD
niemals geholfen.
mit ihrem Kandidaten Stein meier, dem ehemaligen Au Trotzdem macht ßenminister, durch. sie es immer wie Traditionell genießen Außen der: aus „Staats minister in Deutschland ein räson“, um den hohes Ansehen. Der CDU bürgerlichen Kanzlerin Merkel war es gar Staat herrschafts nicht so unrecht, Steinmeier zum Bundespräsidenten zu und handlungsfä küren, da sie mit ihm immer hig zu erhalten. sehr gut zusammenarbeiten Der SPDKandidat Schulz konnte. musste sich monatelang In haltslosigkeit vorhalten las er SPD half sen. Das hat sich erst im die fast ver Sommer mit dem SPDPro zweifelt wirkende grammparteitag geändert. Geschlossenheit Trotzdem ändert sich für die bei der Wahl ihres SPD in der Wählergunst fast nichts. Was fehlt, ist eine klare Kanzlerkandi Richtung pro Arbeiterpolitik, daten nichts. Die wie sie bei der Partei Die Lin Menschen haben ke erkennbar ist. Mit Schulz genug von dem hofften verschiedene Kräfte Zustand der per bei SPD, Die Linke und Grü manenten Ohn nen, dass eine Abkehr von der Politik der großen Koalition macht, den eine möglich wird mit einer Koaliti große Koalition on aus SPD, Die Linke und bewirkt. Diese ha Grünen. Doch schon sehr früh ben der SPD erteilte Schulz solchen Vor
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stellungen eine Absage wegen der politischen Inhalte der Partei Die Linke. Unvergessen auch das Bild aus den Nach richten des deutschen Fernsehens, als Schulz im Dunkeln hastig in das Haus eilte, in dem der Koalitions ausschuss der Regierungs parteien tagte. Bald darauf trat er vor den versammelten Wirtschaftskadern der deut schen Industrie auf und ver kündete, dass mit ihm keine „Abenteuer“ möglich seien. Die „heiße Phase“ des Bundestagswahlkampfes (die Wahl ist am 24.09.2017) hat nun begonnen. Verglichen mit den Ergebnissen von 2013 wird sich laut letzter „Sonn tagsfrage“ vom 26.08.2017 ("Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, welche der folgenden Parteien würden Sie dann wählen?") für die SPD der Abwärtstrend weiter verstärken: von 25,7% auf 22 % (das entspricht dem Ergeb
fühl in weiten Teilen der Be völkerung vertieft. Der SPD können auch keine markigen Worte ihres Kanz lerkandidaten helfen. Seine Ankündigung „Wenn Große Koalition, dann nur unter mei ner Führung!“ wirkte ange sichts des Dauerumfragetiefs lächerlich und verpuffte ebenso, wie alle bisherigen Versuche, dem Koalitions partner CDU/CSU und Angela nis von 2009). Während ihr Merkel als Kanzlerin mit di Themenvorstößen Kandidat Schulz sich nun auf versen ca. 30% verbesserte gegen beizukommen. über Angela Merkel, er die SPDBasis stärker mobilisie un gehen ren konnte, meinen 20% der schon die SPDMitglieder (!), dass Mer Spekulationen kel die bessere Kanzlerin sei. So setzt Schulz weiter auf das darüber los, was große Heer der Unentschlos mit Schulz nach senen (über 40%). der Bundestags Bei der angeführten Umfra wahl passiert. ge verliert die CDU/CSU 3,5% Denn ein respek (41,5% auf 38%). Die Grünen tables Wahler bleiben konstant (8,4% zu 8%), Die Linke kann ihren An gebnis wird die teil leicht erhöhen (von 8,6% SPD nicht er auf 9%). Die FDP kommt wie ringen. Derzeit der in den Bundestag (9%) sieht alles nach Die AfD wird erstmals dabei einer CDU/CSU/ sein mit 10% (2013: 4,7%). Die sehr undemokratische FDPRegierung Große Koalition von 2013 bis aus. 2017 (67,2%, damit 2/3Mehr heit und somit keine funktio Für das Hauen und Stechen nierende parlamentarische nach der verloren gegange Opposition mehr gegeben) nen Bundestagswahl wird es hat so die AfD weiter groß noch eine kurze Schonfrist gemacht, das Ohnmachtsge geben. In Niedersachsen ver
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lor die SPDGrüneLandes regierung durch Parteiwechsel einer Grünen Abgeordneten zur CDU ihre 1 StimmenMehrheit. Die Neu wahlen zum niedersächsi schen Landtag sind auf den 15.10.2017 festgelegt. Bis da hin wird sich alles in einer Warteschleife drehen. Für die Zeit danach wird jetzt schon bei der SPD ein großes Revi rement des politischen Füh rungspersonals erwartet. Bei alldem macht sich eines in diesem Lande nicht breit: AufbruchEuphorie. Der kurze Hype um Schulz zu Jahresbe ginn ist in sich zusammenge brochen. Stimmungen ersetzen eben keine konse quente Arbeiterpolitik ge meinsam mit denen, die sich für eine solche einsetzen. Unsere Wahlempfehlung lautet: Erststimme (Direkt kandidat) für die SPD, Zweit stimme (Parteilisten) für Die Linke, bei der derzeit das klassische, reformistische, sozialdemokratische Herz schlägt. Es geht darum, bei der Wahl zumindest die grundlegende Richtung aus zudrücken (Klassenpolitik für die Arbeiterklasse kontra In teressenspolitik für die Bour geoisie und ihren Staat). Bremen, den 28.08.2017
Das Archiv aller Publikationen der GKK findet ihr im Internet unter folgender URL: https://issuu.com/gruppeklassenkampf
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Splitter
, " t r h u Neos e N g lib . s z l e erale A i b , f a P l r leim e "Ja der Bürg r der e t r lic he g ? n? sa in h o w
Das Antreten der Liste Pilz und ihr laut Umfragen recht wahrscheinlicher Einzug in den Nationalrat zeigt, wie wenig konkrete Politik es derzeit braucht, um in der heruntergekom men bürgerlichen österreichischen Demokratie frustrierte Wähler_innen begeistern zu können. Die durchaus sympathischen Forderungen Kampf gegen Kin derarmut, für Konsumentenschutz und Tierschutz, gegen Kon zernprivilegien, für die Verteidigung der demokratischen Grundrechte, für Informationsschutz und gegen Überwa chungsstaat und vor allem für die Einkommensumverteilung bleiben die entscheidende Antwort auf die Frage:"Woher soll das Geld kommen?" schuldig. Wobei: Programm will die Liste Pilz ja gar keines präsentieren, denn angeblich sollen die Kan didatinnen und Kandidaten Programm sein. Selbstverständlich ist für die Liste Pilz alles andere als eine behübschte Herrschaft des Kapitalismus undenkbar. Ihre Kli entel wird sie vorwiegend im Klein und Bildungsbürgertum finden. Ein Wiederantreten bei der nächsten Nationalratswahl scheint angesichts der fehlenden programmatischen Basis und gesellschaftlichen Verankerung mehr als fraglich zu sein. Die österreichische Arbeiter_innenklasse wird´s verkraften kön nen, wenn es in spätestens fünf Jahren eine bürgerliche Parte weniger am Stimmzettel geben wird.
In harmlos wirkendem zartrosa gehüllt quälen uns einmal mehr die NEOS des Großkapitalisten HansPeter Haselstei ner mit aggressiver kapitalistischer Politik. Die bekanntesten Kandidat_innen wie Parteivorsitzenden Matthias Strolz oder Beate MeinlReisinger sind altgediente ÖVP Parteikader und auch MöchtegernBundespräsidentin Irmgard Griss ist eben so wie das Wahlprogramm der NEOS nicht all zu weit von der ÖVP entfernt. Inhaltlich gibt es etliche Grauslichkeiten: 12StundenTag, verpflichtende prokapitalistische Ideologieschulungen an den Schulen, rasche Abschiebung von abgelehnten Asylwer bern, Aufweichung von Kollektivverträgen und Arbeitsgeset zen, Aufrüstung für die EUArmee und Stärkung von Polizei und Geheimdiensten um nur einige zu nennen. Das alles ist nett verpackt und absolut kompatibel mit den politischen Programmen von ÖVP und FPÖ. Damit machen sich die NEOS für die herrschende Klasse austauschbar und entbehr lich zugleich. Es ist also durchaus denkbar, dass die NEOS ebenso wie ihre Vorgängerpartei Liberales Forum nach der Nationalratswahl 2017 wieder in der Versenkung verschwin det.
rger? ü b t u W e emitisch s i t n a T GIL
Wie oben schon gesagt: Man muss verdammt wenig bieten, um im parlamentarischen Spiel der bürgerlichen Pseudodemokratie mitmischen zu können. Roland Düringer mit seiner Juxliste "Meine Stimme gilt" ist ein schönes Beispiel. Der Kabarettist hatte 2011 mit seiner "Wutbürgerrede" den Nerv des Stammtischs getroffen. Ohne irgendeine Alternative zu nennen, kotzte und rotzte Düringer alles aus, was das "Volksempfinden" an der bürgerlichen Demokratie stört unfähige Politiker, Korruption, Krise des Bildungssystems. In perfekter Manier der Segen langer Bühnenerfahrung! präsentierte sich Düringer als die Stimme des kleinen Mannes, mit einer Prise "Wir sind das Volk". Medienkritik traf sich mit der Warnung vor den "neuen Braunen" um einen deutlich reaktionär unterfütterten Ausbruch der Gefühle des "Mittelstandes" zu zelebrieren. Aus dem Wutbürger wurde der Parteigründer, bis zuletzt war nicht ganz klar, ob Düringer tatsächlich eine Kandidatur anstreben würde oder nicht. Nun steht er also auf dem Stimmzettel mit seiner Liste "Meine Stimme gilt". Und sollte jemand im Oktober sein Kreuzerl bei Herrn Düringers Wutzappelbewegung machen, kriegt er vermutlich, was er verdient. Zum Beispiel den Erstplatzierten der Bundesliste, den Pensionisten Günther Lassi, 70. Blöd, dass der bärtige Spitzenmann auf seiner Homepage bis zum Ruchbarwerden seiner ideologischen Vorlieben zur antisemitischen Fälschung der "Protokolle der Weisen von Zion" verlinkte. Nein, Antisemit sei er keiner, jammerte Lassi und beklagte den "Shitstorm" gegen seine Homepage. Na ja, diverse schwarzmagische und esoterische Strömungen, die sich seit den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts in reaktionären Kreisen großer Beliebtheit erfreuen, sind ja wohl Privatsache. Seltsam, was herauskommt, wenn man an den Wutbürgern kratzt, oder, Herr Düringer? Herbst 2017 | Nummer 28
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Organisation
Wissen ist Macht? Durch Wissen zur Macht! Ab 18. September werden wir wieder eine Einfüh rungsschulung in den Marxismus anbieten. Wie wir in dieser Ausgabe unserer Zeitung zeigen, ste hen in Österreich die Arbeiterinnen und Arbeiter (Mi grant_innen oder nicht), die Jugend, die Frauen, die prekär Beschäftigten und die Arbeitslosen Angriffsplä nen der herrschenden Klasse gegenüber, die massiver sein werden als die der mittlerweile Geschichte gewor denen SchwarzBlauen Wenderegierung von 2000. Die traditionellen Führungen der Arbeiter_innenklasse ha ben die Werktätigen nicht nur politisch an das beste hende kapitalistische System gekettet, sie haben auch alles getan, um das Klassenbewusstsein zu senken oder ganz zunichte zu machen. Den Widerstand gegen die Angriffe werden wir nur dann erfolgreich führen können, wenn wir wissen, woge gen wir kämpfen und wofür; wenn wir gleichzeitig wissen, dass der Kapitalismus kein unabwendbares Schicksal für die Menschheit ist, den wir einfach hinneh men müssen, sondern eine historische Entwicklungsstu fe, die wir im Kampf für eine gerechte, solidarische, sozialistische Zukunft überwinden können. Der Marxismus als Anleitung zum Handeln ist noch immer genauso aktuell wie zur Zeit seiner Entstehung. Die Rahmenbedingungen haben sich geändert, aber die Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus sind gleich ge blieben. Wenn Du wissen willst, warum eine sozialistische Welt nötig ist, wenn Du wissen willst, wel che Widersprüche die heutige Menschheit fast zer reißen, dann bist Du bei unserer Einführungsschulung in den Marxismus herzlich willkommen. Die Themen der sechs Schulungsabende sind: * Klassen und Klassenkampf * Staat und Revolution * Die revolutionäre Partei * Ökonomische und philosophische Grundlagen des Marxismus * Der Imperialismus * Überblick über die Entwicklung der Arbeiter_in nenbewegung
ab 18. September vierzehntägig um 19.00 Uhr in der Zypresse, Westbahnstraße 35, 1070 Wien
Nähere Informationen kannst Du gerne bei uns anfordern! gruppe.klassenkampf@gmail.com
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