Für Rätemacht und Revolution!
KLASSENKAMPF
Nummer 35 | MÄRZ 2019 | 2,--
Zeitung der Gruppe Klassenkampf, öst. Sektion des Kollektivs permanente Revolution
WILLKÜRHAFT DROHT
VERDÄCHTIG
SIND WIR ALLE!
Sebastian Kurz und Herbert Kickl wollen die "Verhaftung auf Verdacht".
NEIN ZUM POLIZEISTAAT! Editorial: Abbau demokratischer Freiheiten
Arbeitende Frauen
Algerien
Die heimische herrschende Klasse zelebriert den 85. Jahrestag des Bürgerkriegs mit einer autoritären Offensive.
Weltweit steigern reaktionäre Kräfte die Attacken auf die Rechte der Frauen. Die gesamte Arbeiter_innenklasse ist gefordert, diese Angriffe abzuwehren.
In Algerien bahnt sich eine explosive vorrevolutionäre Situation an. Alles wird davon abhängen, ob sich die Arbeiter_innen unabhängig organisieren.
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ISSN: 22200657
Editorial
Klassenkampf 35/2019
Es ist notwendig, dass die Lohnabhängigen gemeinsam den Widerstand organisieren.
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ast hat es den Anschein, dass die österreichische Bourgeoisie ein perverses Vergnügen daran hat, den 85. Jahrestag der Niederlage des heldenhaften Wi derstandes der Besten der österreichischen Arbeiterklasse gegen den Faschismus im Jahr 1934 mit einem noch deutlicheren und noch akzentuierteren reaktio Fast hat es den Anschein, dass die ös terreichische Bourgeoisie ein perverses Vergnügen daran hat, den 85. Jahrestag der Niederlage des heldenhaften Wider standes der Besten der österreichischen Arbeiterklasse gegen den Faschismus im Jahr 1934 mit einem noch deutlicheren und noch akzentuierteren reaktionären Rechtsruck zu feiern. Schamlos werden grundlegende Er rungenschaften der Arbeiterbewegung wie Generalkollektivverträge, Arbeits zeitgesetze oder bis vor kurzem geheilig te Prinzipien und Grundlagen der bürgerlichen Demokratie mit einem Fe derstrich zunichte gemacht. So wie 1933/34 scheint die herrschende Klasse in Österreich zu glauben, dass sie demo kratische Freiheiten als störenden Bal last über Bord werfen kann, weil ihr ohnehin kein Widerstand entgegenge setzt wird und sie dadurch noch viel leichter als unter Nutzung der parlamen tarischen Hülle ihre Interessen politisch durchsetzen kann. Jawohl, parlamentarischer, demokra tischer Hülle. Während bürgerliche His toriker und Politologen alles daran setzen, das „Ende des Klassenkampfes“ zu beschwören und den Lohnabhängigen einzureden, dass sie ohnehin auf dem Weg zur Verbürgerlichung seien, hat sich unter der schönen Oberfläche des Sozi alstaates nichts an der grundlegenden Realität des Kapitalismus geändert, wie wir sie in Österreich seit den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts kennen. Daran konnten weder die Revolutionen von 1848 und 1918 etwas ändern. Nach wie vor stehen sich zwei Hauptklassen un versöhnlich gegenüber: die Lohnabhän gigen, die allen Wert in der Gesellschaft schaffen und die Kapitalisten, die über
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die Produktionsmittel verfügen und sich das gesellschaftlich erarbeitete Vermö gen privat aneignen. „Aber die österreichischen Arbeiter sind doch nicht mehr die ausgemergel ten Gestalten, die wir aus dem Feder zeichnungen der Schulbücher kennen“, behaupten jetzt die Ideologen der herr schenden Klasse. Und sie haben recht. Ja, zum Glück hat sich die Lebenssituati on der arbeitenden Klassen in den letz ten 180 Jahren deutlich verbessert. Das war aber nicht das Ergebnis einer beson
können. In beiden Situationen ist die herrschende Klasse bereit, angeblich ge heiligte Prinzipien der bürgerlichen De mokratie über Bord zu werfen. Dazu gehört die oft strapazierte Gewaltentei lung, die bei genauerem Hinsehen in Wirklichkeit ohnehin nur eine Illusion ist. Wenn wir uns von der in den Schulen gelehrten Ideologie verabschieden, dass „der Staat wir alle sind”, sondern erken nen, dass der Staat ein Instrument der Klassenherrschaft ist, nämlich das In strument einer Klasse zur Unter drückung der anderen, kommen wir der Sache näher. Solange in einem Klassen staat die Justiz, die Gesetzgebung und die Exekutivgewalt in der Hand einer Klasse bzw. ihrer bezahlten Stellvertre ter und Büttel liegt, kann von einer Ge
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olange in einem Klassenstaat die Justiz, die Gesetzgebung und die Exekutivgewalt in der Hand einer Klasse bzw. ihrer bezahlten Stellvertreter und Büttel liegt, kann von einer Gewaltentrennung im Sinne der arbeitenden Klasse keine Rede sein.
deren Liebenswürdigkeit der herrschen den Klasse. Alle Errungenschaften wie Arbeitszeitverkürzungen, Mindestlöhne, der Schutz der arbeitenden Jugend, die besonderen Schutzbestimmungen für ar beitende Frauen, Gesetze zur Sicherheit am Arbeitsplatz … das alles sind Errun genschaften des Klassenkampfes, den die bürgerlichen Ideologen heute verteu feln. Nur weil wir in Österreich in den letz ten 70 Jahren ein relativ stabiles bürger lichdemokratisches Regime erlebt haben, dürfen wir nicht vergessen, dass die Bourgeoisie jederzeit bereit ist, mit harter Hand durch zu greifen, wenn sie entweder ihre Herrschaft gefährdet sieht oder eine reale Gelegenheit wittert, einer geschwächten Arbeiterklasse schlechte re soziale Bedingungen aufzwingen zu
waltentrennung im Sinne der arbeitenden Klasse keine Rede sein. In der Zeit der bürgerlichen Aufklä rung, also vor der Französischen Revolu tion, wurde das Prinzip der Gewaltenteilung von Philosophen wie John Locke oder dem französischen Ba ron Montesquieu als klares Gegenmodell zum Absolutismus des Feudalismus ent wickelt. So, wie Freiheit, Gleichheit und Brü derlichkeit der französischen Bourgeoi sie weder die Arbeiter noch die Frauen umfasste, diente auch das Staats und Rechtssystem in erster Linie der Beile gung von Streitigkeiten im Rahmen der Verteidigung, Verwaltung und Sicherung des Privateigentums an den Produkti onsmitteln. Die Bourgeoisie hatte guten Grund, sich auf der abstrakten Ebene
Klassenkampf 35/2019 des Staates vor sich selbst und ihrer Habgier zumindest teilweise zu schüt zen. Der steinige und oft blutgetränkte Weg zur demokratischen Vertretung der Arbeiterklasse innerhalb der bürgerli chen Demokratie legt beredtes Zeugnis davon ab, dass die Gleichheitsidee der Bourgeoisie immer eine Fiktion war, nie jedoch ein Prinzip, das ernsthaft freiwil lig umgesetzt werden sollte. Die revisionistischen Strömungen in der Arbeiterbewegung, die ab den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts daran arbei teten, den Marxismus aus der Arbeiter bewegung zu vertreiben, waren auch diejenigen, die im Proletariat die Illusio nen in den unabhängigen bürgerlichen Staat verbreiteten. Dadurch rechtfertig ten sie die Annahme von Ministerämtern in bürgerlichen Regierungen, die Unter stützung von bürgerlichen Budgetvorla gen in den Parlamenten und schließlich, 1914, die Unterstützung des imperialisti schen Weltkrieges. 1918/19 tat die österreichische Sozial demokratie, die 1914 vor dem Kaiser reich in die Knie gegangen war, alles, um die bürgerliche Herrschaft zu retten. Mit der verbalradikalen Sprache der Austro marxisten wurden die Arbeiter und Sol datenräte von Innen lahmgelegt und entmachtet, in Koalitionen mit den bür gerlichen Parteien wurden die gesetzli chen Grundlagen für den bürgerlichen österreichischen Staat geschaffen. Trotz der sich im Laufe der 20er Jahre immer mehr zuspitzenden Klassengegensätze war der Sozialismus für die SDAP nie ei ne wirkliche Option. Es ist bezeichnend, dass die Wehrformation der Sozialdemo kraten „Republikanischer Schutzbund” hieß. Tatsächlich waren die Sozialdemo kraten die einzige politische Kraft in Ös terreich, die die bürgerliche Republik anerkannten und verteidigten. Die öster reichischen bürgerlichen Parteien, egal welcher Richtung, hatten komplett ande re Vorstellungen. Diese reichten von der Wiedererrichtung der Monarchie über bonapartistischautoritäre Staatsformen hin zum offenen Faschismus. Nach dem Willen des Parteivorstandes war der Schutzbund keine ArbeiterMiliz, die für den Sozialismus kämpfen sollte, sondern ein Wehrverband, der die bürgerliche Republik vor ihrer eigenen herrschen den Klasse schützen sollte. Der Weg in den Austrofaschismus, al
Editorial so zur bewaffneten Niederschlagung der Arbeiterbewegung im Februar 1934, wurde von den in erster Linie christlich sozial dominierten Regierungen auf streng legalem Weg vorbereitet. Das kriegswirtschaftliche Ermächtigungsge setz aus dem Jahr 1917 wurde aus der Mottenkiste geholt, im März 1933 das Parlament durch 100 Kriminalbeamte ausgeschaltet, während sich auf der Ringstraße Panzer und Lastkraftwagen des Bundesheeres mit Maschinengeweh ren sammelten. Auf dem Weg von Verordnungen be
Migrationshintergrund, die Verachtung gegenüber den arbeitenden Frauen, die hündische Unterwerfung unter die Inter essen des österreichischen Kapitals. Und auch sie arbeiten daran, das bür gerlichdemokratische System unter Zu hilfenahme dessen eigener Instrumente zu unterminieren und immer mehr einzu schränken. Statt einem Notverordnungs diktat greifen FPÖ und ÖVP zum Mittel des Initiativantrages, um Gesetze ohne Begutachtung mit ihrer parlamentari schen Mehrheit durch den Nationalrat zu peitschen. Der österreichische Beam
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ehenden Auges führte die sozialdemokratische Parteiführung das österreichische Proletariat in die Februarniederlage.
reitete der christlichsoziale Bundeskanz ler Engelbert Dollfuß die endgültige Ausschaltung der verhassten Arbeiter bewegung vor. Aber immer alles legal, immer streng rechtsstaatlich. Genauso, wie auch die Nationalsozialisten in Deutschland darauf achteten, alle ihre Verbrechen formaljuristisch korrekt ab zusichern. 1933 verpasste die österreichische Sozialdemokratie die letzte Chance, sich der Errichtung eines faschistischen Regi mes entgegenzustellen. Trotz Zensur ih rer Zeitungen, trotz Verboten von Arbeiterorganisationen waren die Struk turen von Partei, Schutzbund und Ge werkschaften noch intakt. Der Parteiführung war aber auch klar, dass im Falle eines bewaffneten Kampfes mit großer Wahrscheinlichkeit die aufge staute Wut der Arbeiterinnen und Arbei ter den Rahmen der bürgerlichen Republik sprengen und die Perspektive einer sozialen Revolution eröffnen wür de. Sehenden Auges führte die Parteifüh rung das österreichische Proletariat in die Februarniederlage. Was können wir, was müssen wir aus der Geschichte lernen? Heute regieren die Nachfolgeparteien jener politischen Parteien, die in Österreich 1933 und 1938 die bürgerliche Demokratie zer stört, den Faschismus vorbereitet und 1934 errichtet hatten, und auch ihr Bündnis wird durch einen einzigen schmierigen Klebstoff zusammengehal ten: den Hass auf die arbeitende Bevöl kerung, vor allem auf alle Menschen mit
tenapparat, der seit der Ära Kaiser Jose phs II. mit großem Selbstbewusstsein und intellektueller Schläue loyal jedem Regime gedient hatte, wird jetzt durch parteipolitisch bestellte Generalsekretä re, die direkt in den Ministerien sitzen, zu einer noch schärferen Gangart im Sin ne der Regierung getrieben. Mit unver hohlenen Zynismus werden Regelungen des Generalkollektivvertrags wie die Karfreitagsregelung aufgehoben und da mit ein neuer Angriff auf die Kollektiv vertragsfreiheit unternommen. Der von den bürgerlichen Parteien aufgeheizte Fremdenhass und die Islamophobie bil den den Vorwand, um Grundrechte auf zuheben und das so zu argumentieren, als würden sich derartige Brüche der Verfassung ohnehin “nur gegen kriminel le Ausländer” richten. Dabei zeigt sich oft schon wenige Ta ge nach Beschlussfassung im National rat, was wirklich gespielt wird. Beispiel Mindestsicherung. Es geht nicht gegen die „Ausländer, die sich in unser soziales Netz hinein schummeln”, es geht gegen die am schlechtest gestellten Schichten der Bevölkerung, unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft. Und jetzt kommt Innenminister Kickl mit seiner Idee einer Willkürhaft, die er als „Sicherheitsverwahrung” verkaufen will. Der Gedanke, unliebsame Personen wegsperren zu lassen, ohne dass sie ir gendeine konkrete Straftat begangen ha ben, ist so alt wie der bürgerliche Klassenstaat selbst. Während des Ersten Weltkrieges ließ das deutsche Kaiser
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Editorial reich sozialistische Kriegsgegner_innen wie Rosa Luxemburg mittels Schutzhaft aus dem Verkehr ziehen. Ab 1933 setzten die Nazis in Deutschland dieses Instru ment sofort nach ihrer Machtergreifung ein, die Intensität der willkürlichen Ver haftungen steigerte sich nach dem von Ihnen inszenierten Reichstagsbrand so gar noch mehr. In Österreich konnten die erwähnten Austrofaschisten und ihre Vorgänger, gestützt auf Gesetze aus der Kriegszeit, ebenfalls präventiv Menschen aufgrund ihrer Gesinnung einsperren las sen. Wer glaubt, dass damit der Gipfel punkt der politischen Infamie erreicht ist, täuscht sich. Denn wenn die bürgerliche Demokratie den Bach hinunter geht, fin det sich immer ein rechter Sozialdemo krat, der noch bösartigere
Klassenkampf 35/2019 genügend Leute, die irgendwie verdäch tig ausschauen. Am besten alle gleich wegsperren. Das würde viele Probleme lösen. Auch die Bettler, die das Strassen bild verschandeln, könnte man auf die Art und Weise gleich entsorgen. Misslie bige Fragesteller bei Veranstaltungen, egal welcher Partei: Ab in irgendein La ger für Willkürhäftlinge. Erst nach einer gehörigen Schreckse kunde meldete sich Parteivorsitzende Pamela Joy RendiWagner zu Wort und sagte, dass eine vorbeugende Inhaftie rung ohne richterlichen Beschluss eine rote Linie für die Sozialdemokratie sei. Da war aber die Büchse der Pandora be reits geöffnet, und auch etliche Landes fürsten der Sozialdemokratie zeigten mehr oder minder deutlich Verständnis für die autoritären Pläne der Regierung.
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ie österreichische Bourgeoisie und ihre Interes‐ sensvertretungen IV, WKÖ, ÖVP, FPÖ wollen die po‐ litische Schwächung der heimischen ArbeiterInnenbewegung ausnützen, um immer schärfere Angriffe umsetzen zu können.
Gedankengänge formuliert. Den ersten Preis bekommt auch dieses Mal der bur genländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil. Der gelernte Sicherheits wachebeamte meldete sich gleich zu Wort, als der größte Innenminister aller Zeiten Herbert Kickl, sein Konzept der Willkürhaft für Geflüchtete vorlegte. “Warum denn nicht auch für Österrei cher”, fragte der besorgte Sozialdemo krat. Ja, warum eigentlich nicht? Es gibt
Da war es ja geradezu herzerfri schend, dass in der Karfreitags Debatte SPÖ und ÖGB beinahe einen geschlosse nen Eindruck machen konnten. Dass man als einzige Alternative zum Urlaubsraub zug der Regierung und dem Angriff auf den Generalkollektivvertrag nichts ande res zu bieten hat als Klagsdrohungen ist allerdings erschütternd. Das scharfe Schwert des Streiks scheint bei den Spit zen der sozialpartnerschaftlich orientier
ten Interessensvertretungen der Werktätigen endgültig Rost angesetzt zu haben. Genossinnen und Genossen der SPÖ, die dem ultrareaktionären Kurs der schwarzblauen Regierung Widerstand entgegensetzen wollen, sollten ihre Par teiführer an den Beginn jenes Liedes er innern, dass bei den Feiern zum Gedenken an die Februarkämpfe fast überall angestimmt wurde: „Schluss mit Phrasen, vorwärts zu Taten”. Die Zeiten der Verhandlungen und der sozialpart nerschaftlichen Packelei sind endgültig vorbei. Die österreichische Bourgeoisie und ihre Interessensvertretungen IV, WKÖ, ÖVP, FPÖ wollen die politische Schwächung der heimischen ArbeiterIn nenbewegung ausnützen, um immer schärfere Angriffe umsetzen zu können. Es ist notwendig, dass die Lohnabhängi gen, egal, ob In oder Ausländer, egal ob Männer oder Frauen, egal ob alt oder jung, gemeinsam den wirksamen Wider stand organisieren. Bilden wir, unabhän gig von Parteigrenzen, Aktions und Widerstandskomitees in den Betrieben, den Stadtteilen, den Schulen, den Univer sitäten, den Dörfern. 1934 sind die österreichischen Arbei terinnen und Arbeiter unterlegen. Es gilt, aus dieser Niederlage zu lernen. Die wohl wichtigste Lehre ist die: ohne bewusste politische Führung, ohne politische Par tei kann es keinen siegreichen Wider stand gegen die Reaktion geben. Der Widerstand gegen die Pläne der jetzigen Regierung kann nur dann erfolgreich sein, wenn er mit dem Kampf für die Schaffung einer neuen, einer revolutio nären Arbeiterbewegung verbunden ist.
Gedenken an die proletarischen Opfer des Februar 1934 Am 17.2.2019, um 11 Uhr, hielten wir eine würdevolle FebruarGedenkkundge bung im Zentralfriedhof ab. Langsamen Schrittes ging es vom Tor II des Zentral friedhofs zum Gedenkstein für die Opfer der Februarkämpfe 1934. Mit dem Trau ermarsch der russischen Revolution „Un sterbliche Opfer“ zu Beginn der
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Kundgebung wurde der Bedeutung der damaligen Ereignisse gedacht. Anschlie ßend gab es eine Rede, die auf unserer Homepage nachgelesen werden kann, ge folgt von einer Trauerminute. Mit dem Lied „Die Arbeiter von Wien“ wurde in eine kämpferische Stimmung übergeleitet. Die anschließende Kranzniederlegung war
ein weiterer Höhepunkt, wobei sich un ser Kranz frisch und glänzend neben den der SPÖ gesellte. Die Internationale war der Schlusspunkt unserer Veranstaltung. Besonderen Dank an dieser Stelle gilt unseren Unterstützerinnen und den Ge nossen des ArbeiterInnenstandpunkt für ihre Teilnahme.
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Innenpolitik
Karfreitagsdebatte: Es geht um mehr als einen Feiertag!
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in bisschen ähnelt die Debatte um den Karfreitag Matrjoschka, der russischen Puppe. Oder besser gesagt den vielen verschachtelten russischen Puppen, die sich in einer größeren Hülle verstecken.
Am Anfang stand die Klage eines kon fessionslosen österreichischen Lohnab hängigen (der von der Arbeiterkammer Rechtsbeistand erhielt), der nicht einse hen wollte, warum er im Gegensatz zu seinen evangelischen Kollegen keine An spruch auf einen Feiertag am Karfreitag habe. Tatsächlich ist es für konfessions lose und atheistische Arbeiterinnen und Arbeiter nicht einzusehen, warum immer wieder von einer besonderen Schutzwür digkeit religiöser Bräuche die Rede ist, andererseits im öffentlichen Raum (Stichwort Kruzifix im Klassenzimmer) keine Rücksicht auf nicht religiöse Men schen genommen wird. Nachdem der österreichische OGH die heiße Frage nicht entscheiden woll te, da bereits bei Bekanntwerden der Klage die Wirtschaftskammer den Zu sammenbruch der heimischen Ökono mie an die Wand gemalt hatte, sollte ein Feiertag für alle die Folge einer Gerichts entscheidung sein, hatte er die Angele genheit an den Europäischen Gerichtshof weitergereicht.
Die Regierung begründete ihren pro vokanten Schritt damit, dass 96 % der Lohnabhängigen von dieser Gesetzesän derung gar nicht betroffen seien. Die 300.000 lohnabhängigen Angehörigen di verser evangelischer und altkatholischer Kirchen sind im Weltbild von Sturz und Krache also eine vernachlässigbare Grö ße. Das ist eine gefährliche Aussage, da
Schritt zur Arbeitszeitverlängerung. Ein Urlaubstag wird einfach zum „persönli chen Feiertag“ umbenannt Trickbetrug nennt man das üblicherweise. Die Da men und Herren Großkapitalisten kön nen sich befriedigt zuprosten. Die von ihnen mit millionenschweren Wahl kampfspenden unterstützte schwarz blaue Bundesregierung tut wirklich alles, was das Kapital braucht, um seine Pro fitraten nach oben zu schrauben. Kein Wunder, dass Herr Kapsch von der In dustriellenvereinigung gleich im März
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eal bedeutet das eine schwere Niederlage der Arbeiter_innenbewegung. Erstmals hat eine Regierung in den seit 1952 bestehenden Generalkollekivvertrag eingegriffen.
Kurz und Strache auch durchaus zuzu trauen ist, dass sie auch bei anderen Minderheiten gegebenenfalls derart zu relativieren versuchen werden. Zudem bietet das Thema gleich Stoff für ein bisschen IslamBashing. In der „Zeit im Bild 2“ am 7. Februar erklärte Vizekanz ler H.C. Strache, dass durch das ent schlossene Vorgehen der Bundesregierung die Gefahr eines even tuellen islamischen Feiertages gebannt AK und ÖGBSpitzen hatten kurzfris worden sei. Jaja, man muss der Islami tig die illusionäre Hoffnung, dass nun sierung wirklich an allen Fronten Einhalt mehr der bezahlte Feiertage für alle gebieten. zumindest eine kleine Retourkutsche für die Niederlage rund um den 12Stunden Was den Zynismus der Regierung tag wäre. Die Lohnabhängigen sollten aber auf die Spitze trieb, war der als sich bereit halten, um bei ihren Bossen große Reform angekündigte Gesetzes ihren Anspruch auf den Karfreitag als entwurf, demzufolge jeder und jede Feiertag anzumelden, falls die Regierung Lohnabhängige das großzügige Recht auf eine Neuregelung verzichten sollte. haben sollte, einen Tag des bestehenden Dann geschah etwas, womit die sozial Urlaubsanspruches zum persönlichen partnerschaftlich konditionierten Arbei Feiertag erklären zu können und bei terfunktionäre nicht gerechnet hatten: rechtzeitiger, also dreimonatiger, Voran Nach einem kurzen Scheingefecht mit kündigung auch wirklich frei zu bekom der Aussicht auf einen halben (!!!) Feier men. Abgesehen von der Frechheit, die tags ab 14 Uhr wurde der Karfreitag für Arbeiter und Angestellten für dumm zu alle Arbeiter_innen als Feiertag gestri verkaufen, handelt es sich bei dem Re chen. gierungsbeschluss um einen weiteren
nachhakte: Warum nicht alle Feiertage abschaffen und dafür ein paar Tage Ur laub gewähren? Für die (Groß)Unterneh men ein lukratives Geschäft, bei dem sich allerhand an Feiertagszuschlägen einsparen ließe auf Kosten der Erho lungszeit der Beschäftigten! Real bedeutet das eine schwere Nie derlage der Arbeiter_innenbewegung. Erstmals hat eine Regierung in den seit 1952 bestehenden Generalkollekivver trag eingegriffen. Dieser Tabubruch be deutet in weiterer Folge, dass sämtliche kollektivvertraglichen Vereinbarungen vor dem reaktionären Zugriff der schwarzblauen Kapitalistenregierung nicht sicher sind. Die Spitzen des ÖGB, der Arbeiter kammer und der Sozialdemokratie rea gierten wie immer hilflos auf diese aggressive Provokation. Statt die The men Kollektivvertragsautonomie der Ge werkschaften und Arbeitszeitver längerung sofort in das Zentrum einer Kampagne zur Mobilisierung in den Be trieben zu machen, bot man der Regie rung wieder einmal Gespräche an und
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Innenpolitik
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jammerte darüber, nicht ausreichend an mus (sei er evangelikal, katholisch oder es Initiativen von der Basis gibt. gehört worden zu sein und kündigte islamisch), um die Lohnabhängigen zu mysteriöse Aktionen an. spalten und zu knechten. Während wir Letzten Endes wird es aber notwendig internationalistischen Kommunisten als sein, dass sich die Arbeiterinnen und Ar Dabei kann man den ÖGBSpitzen Materialisten, d.h. Atheisten, prinzipiell beiter selbst eine neue, eine revolutio funktionären nicht einmal vorwerfen, das Recht auf private Religionsausübung näre Partei schaffen, die tatsächlich auf dass sie nicht wüssten, was Sache ist. verteidigen, lehnen wir die staatliche dem Boden des marxistischen Interna Am 1. März erklärte ÖGB Präsident Kat Unterstützung welcher Religion auch im tionalismus für ihre Interessen eintritt zian im ORFInterview völlig korrekt, mer entschieden ab. und folgende Forderungen in die laufen dass es sich hier um eine Machtfrage handle. Das auch der ÖGB eine Macht in abei enthüllt die aktuelle Debatte den ganzen diesem Land darstellt, scheint dem ÖGB Präsidenten jedoch nicht bekannt zu Gegensatz zwischen den Interessen der sein. Statt einer möglichst breiten kol Lohnabhängigen und der Kapitalisten. So lange dieser lektiven Antwort der Lohnabhängigen Gegensatz besteht, d. h. die Herrschaft der Kapitalisten werden rechtliche Schritte geprüft und über die Lohnabhängigen aufrecht ist, kann es keine individuelle Aktionen auf Betriebsebene „gerechten“ Löhne bzw. „gerechten“ Arbeitszeiten vorgeschlagen, etwa, dass alle Beschäf tigten den gleichen persönlichen Feier geben. tag anmelden sollten. Das wird die Kapitalisten aber kaum kratzen, da sie gegebenenfalls aus „betrieblichen Erfor de Diskussion einbringen würde: dernissen“ das Urlaubsansuchen zurück Die Art, in der die Diskussion um die weisen können. Karfreitagsfeiertagsregelung geführt wird, zeigt, dass diese Auseinanderset • Hände weg von Feier und Urlaubsta zung eine zwischen den herrschenden gen! Worum es wirklich geht Kapitalisten und ihren Handlangern auf • Rücknahme des 12StundentagsGe der einen und der Arbeiter_innenklasse setzes von schwarzblau! auf der anderen Seite ist. Eine Minder • Radikale Arbeitszeitverkürzung durch Doch anstatt den Fokus auf die Ge heit bestenfalls 5 % der Bevölkerung, Aufteilung der Arbeit auf alle Hände samtarbeitszeit (Lebensarbeitszeit) zu nämlich die Kapitalistenklasse diktiert bei vollem Lohnausgleich! richten und eine Verkürzung der Wo der großen Mehrheit von mindestens 95 • Freier Zugang zum Arbeitsmarkt für chenarbeitszeit zu fordern, beschränken % der Bevölkerung ihre Arbeitszeiten, Geflüchtete! sich die SP und Gewerkschaftsbürokra bestimmt insgesamt deren Leben. • Senkung des Pensionsantrittsalters, ten auf den Teilaspekt Karfreitag. Dabei Verkürzung der Lebensarbeitszeit! enthüllt die aktuelle Debatte den ganzen Solange die Arbeiterinnen und Arbei • Bildung von demokratisch gewählten Gegensatz zwischen den Interessen der ter, die Angestellten und die Beschäftig Komitees rechenschaftspflichtiger De Lohnabhängigen und der Kapitalisten. So ten im öffentlichen Dienst mehrheitlich legierter zur Vorbereitung von Kampf lange dieser Gegensatz besteht, d. h. die auf die alten, auf Klassenzusammenar aktionen zur Durchsetzung dieser Herrschaft der Kapitalisten über die beit ausgerichteten, Parteien und deren Forderungen! Lohnabhängigen aufrecht ist, kann es Gewerkschaftsfraktionen setzen, ist kein • Führer von SPÖ und ÖGB brecht mit keine „gerechten“ Löhne bzw. „gerech ernsthafter Widerstand gegen die sich der Bourgeoisie! ten“ Arbeitszeiten geben. Das Lebenseli rasant steigernden Angriffe der Bour • Weg mit der Kapitalistenregierung! xier des Kapitalismus ist die Aneignung geoisie zu erwarten. Der Widerstand • Nieder mit dem Lohnsystem! des Mehrwerts, also des nicht in Lohn muss von unten organisiert werden, in abgegoltenen Teils der geleisteten Ar den Betrieben, auf Stadtteilebene, in den beit. Die Abhängigkeit der Lebensar Dörfern, Schulen, Universitäten. Komi beitszeit von katholischen Feiertagen ist tees, in denen die Betroffenen unabhän ein Relikt des Jahrhunderte alten gesell gig von ihrer Parteizugehörigkeit schaftlichen Einflusses der katholischen gemeinsam gegen die reaktionären Pläne Kirche in Österreich. Dementsprechend von Regierung und Kapital über ihre Ge ist es nur konsequent, wenn eine Regie genoffensive beraten, wären ein erster rung, die bei jeder Gelegenheit das Kru Schritt. Selbstverständlich bedeutet das zifix schwenkt, die „heidnischen“ nicht, SPÖ, KPÖ und ÖGB aus der Pflicht IMPRESSUM: Evangelischen als Christen zweiter Klas zu entlassen. Sie sagen, dass sie die In Eigentümer, Herausgeber, Verleger, Druck: Gruppe Klassenkampf. Druckort: Wien. Offenlegung nach §25 se betrachtet. Das ist nämlich die zweite, teressen der Arbeitenden vertreten? Mediengesetz: 100%-Eigentümer der periodischen ideologische Komponente der Karfrei Dann sollen sie mit der Bourgeoisie bre Druckschrift KLASSENKAMPF ist die im Parteienverzeichnis registrierte politische Partei GRUPPE KLASSENKAMPF tagsdebatte: Weltweit bedient sich die chen und Protestaktionen und Streiks (früher: Trotzkistische Gruppe Österreichs/TGÖ). Die Partei ist an keinen anderen Medienunternehmen finanziell beteiligt. Bourgeoisie des religiösen Obskurantis organisieren oder unterstützen, sofern
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Weg mit der Mindestsicherung her mit der existenzsichernden Arbeit!
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ie sich zunehmend verschärfende Krise des österreichischen Kapi talismus ist offensichtlich – die Rekord zahl an Arbeitslosen und MindestsicherungsbezieherInnen spricht eine deutliche Sprache. Arbeit zu haben bedeutet jedoch keineswegs, nicht auf Mindestsicherung angewie sen zu sein. In Österreich haben nur 13 % aller MindestsicherungsbezieherIn nen keine Arbeit und müssen daher ausschließlich von der Mindestsiche rung leben. Ausgerechnet dieser etwa 256.000 Menschen umfassende Perso nenkreis ist im Zuge der Flüchtlingsde batte ins Fadenkreuz der österreichischen Ausbeuterklasse gera ten. Die alte Sozialschmarotzerdebatte aus der Mottenkiste des längst verbli chenen FPÖ Gurus Jörg Haider muss also wieder herhalten, wenn es für die Kapitalisten gilt, Sündenböcke für ihre Systemkrise zu finden.
aufkommen nur zu knapp 5 % aus Unter nehmensgewinnen und zu 1,3 % aus vermögensbezogenen Steuern stammt, suggerieren die Klassenkämpfer der Ka pitalisten, dass das große Geld bei den MindestsicherungsbezieherInnen, insbe sondere den Flüchtlingen, sein soll.
einmal mehr zur Hetze gegen Asylwerbe rInnen missbraucht wird. Fakt ist, dass von den 2015 nach Österreich gekomme nen ca. 90.000 Flüchtlingen nur etwa 30.000 (diejenigen mit abgeschlossenem Asylverfahren) Mindestsicherung bezie hen. Es ist eine Lüge, dass in Österreich besonders oft Mindestsicherung in be In Österreich wurden 2014 673 Mio. trügerischer Weise bezogen wird. Die Be EUR für Mindestsicherung aufgewendet. trugsrate beträgt im internationalen Die Bankenrettung war der Republik bis Vergleich zwischen 2 und 4 % und ist da her 7,3 Mrd. EUR wert und das Kärntner mit so hoch wie in Österreich. Finanzdebakel schlägt bisher mit 19 Mrd. EUR zu Buche. Während Mindestsi Die Notwendigkeit einer Mindestsi cherungsbezieherInnen Monat für Monat cherung ist ein Beleg für das Scheitern jeden Cent mehrmals umdrehen müssen, des kapitalistischen Gesellschaftssys nutzen große Kapitalistenverbände die tems, welches das Menschenrecht auf von ihren politischen Handlangern in existenzsichernde Arbeit verletzt. Die den diversen kapitalistischen Staaten ge Mindestsicherung ist das Pflaster auf die
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esonders widerwärtig ist, dass die Kapitalistenforderung nach Kürzung der Staatsausgaben für Mindestsicherung einmal mehr zur Hetze gegen AsylwerberInnen missbraucht wird. Fakt ist, dass von den 2015 nach Österreich gekommenen ca. 90.000 Flüchtlingen nur etwa 30.000 (diejenigen mit abgeschlossenem Asylverfahren) Mindestsicherung beziehen.
Die Forderung nach Kürzung der, so wie Zugangsbeschränkung zur, Mindest sicherung fügen sich nahtlos in andere Begehrlichkeiten von ÖVP und Wirt schaftskammer wie Senkung der Min destpensionen von 870 auf 560 EUR, erster Krankenstandstag unbezahlt und Ausgleichszulage erst ab 70. Dabei ist die schaffenen Gesetze mit dem Kommentar, Wunden, die der Kapitalismus den Lohn jüngste Diskussion um die Mindestsiche es sei rechtlich alles in Ordnung. So wur abhängigen immer wieder aufs Neue rung eine Story aus Absurdistan! de erst im Februar 2016 bekannt, dass schlägt. Vorbeugen statt heilen – Sturz ein großes schwedisches Möbelhaus des Kapitalismus statt Linderung seiner Während 500 Konzerne mehr als die zwischen 2009 und 2014 durch diverse Folgeschäden, Revolution statt Be Hälfte des Umsatzes der Weltwirtschaft „legale“, wenn auch nur für Steuerjuris schränkung auf den Reformismus ist die machen und die 62 reichsten Menschen tInnen verständliche Machenschaften 1 Aufgabe, vor der die ArbeiterInnenklasse der Erde so viel wie die ärmere Hälfte Mrd. EUR an Steuern gespart haben soll. in Österreich und weltweit unter der der Weltbevölkerung besitzen, in Öster Führung einer zu schaffenden Arbeiter reich 1 % der Bevölkerung 37 % des Ver Besonders widerwärtig ist, dass die Innenpartei steht. mögens besitzt, die ärmere Hälfte Kapitalistenforderung nach Kürzung der dagegen nur 2 %, das heimische Steuer Staatsausgaben für Mindestsicherung
Kontakt: gruppe.klassenkampf@gmail.com Die Gruppe Klassenkampf im Internet: www.klassenkampf.net 7
Innenpolitik
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Lögers PensionsDeal – ein Aktionär macht Kasse
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inanzminister Hartwig Löger, türkise Erfindung von Sebastian Kurz, stellt in einem Zeitungsinterview das österreichische Pensionssystem in Frage: der Staat würde den Arbeitnehmern nach 40 Jahren Arbeit nicht auf Dauer ausrei chende Pensionen zahlen können. Und – wenig verwunderlich – die Österreicher sollen auf private Vorsorge setzen. „Mehr private Vorsorge statt staatli che“ fordern private Pensionsversiche rungen seit Jahrzehnten, Profit zu machen ist ihr Geschäft. Womit wir noch einmal bei Finanzmi nister Löger wären, der „zufällig“ bis zum Engagement durch Sebastian Kurz Vorstandsvorsitzender der Uniqa Öster reich war und laut Medienberichten selbst 12.500 Aktien am UniqaUnterneh men besitzt. Der neue Stil des Abcashens findet von ganz oben statt und es ist nur eine kleine, aber bezeichnende, Randno tiz, dass Sebastian Kurz selbst Versiche
mittels steuerlicher Förderungen stär ken. Die privaten Versicherungen sollen profitieren statt den Pensionisten! Und die restlichen kapitalistischen Unterneh men auch, weil bei jeder Verlagerung der Pensionen weg vom staatlichen System die Arbeitgeberbeiträge zur Pension auch weniger werden – what a wonderful world! Dabei ist belegt, dass sich private Ver sicherungsmodelle kaum für den Einzel nen rechnen (bestenfalls ein Nullsummenspiel), abgesehen davon, dass das gesamte Risiko, ob sich die ver
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ie so oft wird von der Regierung gelogen, um die Wirtschaft und deren Kapitalisten-Vertreter zu begünstigen.
rungsverkäufer bei der Uniqa war. Wie so oft wird von der Regierung ge logen, um die Wirtschaft und deren Kapi talistenVertreter zu begünstigen. Die Pensionen können in einem Staat grund sätzlich so sicher sein, wie es die Werk tätigen in einem solidarischen Prozess festlegen. Aber selbst im bürgerlichen kapitalistischen System stimmen die alarmistischen Rufe einer Unfinanzier barkeit und unbedingten Reformnotwen digkeit des Pensionssystems einfach nicht: aktuell fließen nur 6% der staatli chen Ausgaben in die Pensionen und die Beiträge der Erwerbstätigen decken die Auszahlungen immer besser ab, sodass die öffentliche Hand zwischen 2016 und 2020 um 4 Mrd Euro weniger für Pensio nen ausgeben muss als ursprünglich an genommen. Was will die Regierung tun? Steuermit tel für das öffentliche Pensionssystem kürzen und dafür die private Vorsorge
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sprochenen Renditen tatsächlich so ent wickeln, vom Einzahler getragen wird. Und dass sich die Versicherungsbeiträge schlicht viele nicht leisten können. Steu erliche Vorteile wurden entweder gestri chen oder sind ohnehin nur von Vermögenden zu lukrieren. Kurz, Löger und die türkise Kapitalis tenGang propagieren die verstärkte Ei genvorsorge unter Rückendeckung der heimlichen Kapitalistenfreunde der FPÖ, um auch die Pensionsfinanzierung zu ei nem lukrativen Sektor für das Finanzka pital auf Kosten sozialer Ansprüche zu machen. Bei jährlich über 30 Mrd Euro Pensionsleistungen sind natürlich Profit interessen vorhanden, die von Türkis Blau bedient werden. Wenn auch die jetzige Regierung ebenso wie SchwarzBlau I (Pensionsre form 2003 mit Ausdehnung des Durch rechnungszeitraumes, Erhöhung der Abschläge bei früherem Pensionsantritt,
steuerliche Förderung der Privatvorsor ge etc.) als besonders willfährige Hand langer des Kapitals entlarvt werden können, darf man nicht übersehen, wel che unrühmliche Rolle die SPÖ schon seit den Pensionsreformen der 1990er Jahre gespielt hat und den Lebensstan dard der PensionistInnen bereits gesenkt hatte und beigetragen hat die Altersar mut anwachsen zu lassen, wovon auf grund geringerer Versicherungszeiten, Teilzeitarbeit und geringerer Aktivein kommen insbesondere Frauen betroffen sind. Und trotz Protesten des ÖGB und eines Pensionsvolksbegehrens war die SPÖ nach Rückkehr in die Regierung 2006 nicht bereit, die Maßnahmen der „Pensionsreform 2003“ zurückzuneh men. Das Märchen von der Unfinanzierbar keit des Systems hat letztlich null Logik, wenn man bedenkt, dass es vor einigen Jahrzehnten bei geringerer Wirtschafts leistung noch möglich war und nun bei höherer Produktivität angeblich nicht mehr. Statt ständig seitens IV und WKÖ die Senkung der sogenannten Lohnneben kosten zu fordern, die in Wirklichkeit ein indirekter von den Werktätigen erarbei teter Lohnbestandteil sind, ist mindes tens zu fordern, dass die Beiträge der Unternehmer zur Finanzierung der Pen sionen nicht nur von den Löhnen, son dern auch auf Basis von Zinsen, Mieten, Gewinnen und Abschreibungen errech net werden. Mit Horrorzahlen zur Verschuldung des Staates wird seit Jahrzehnten Stim mung gemacht, die Expertengruppen sind reichlich, von Finanzakteuren und politischen Machthabern finanziert, zur Stelle, um das zu untermauern, aller dings mit argumentativen Mogelpackun gen: wenn es zu wenig Geld in den Staatshaushalten gibt, liegt es nicht an der überbordenden Verschwendungs sucht der Arbeiter_innen, sondern viel mehr daran, dass nach der Finanzkrise 2008 Milliardenbeträge zur Bankenret
Klassenkampf 35/2018 tung aufgewendet werden mussten, eben weil gerade Pensionsfonds mit ihren spe kulativ veranlagten Geldern die Finanz krise auf die Spitze getrieben haben. Und es liegt daran, dass in der Steuerpolitik eine systematische Entlastung von Kapi tal und Vermögen stattfindet, Finanzmi nister von SPÖ, ÖVP, FPÖ haben die Staatsverschuldung durch Maßnahmen wie Abschaffung der Vermögens und
Innenpolitik Erbschaftssteuer, Einrichtung steuer schonender Privatstiftungen, Senkung der Körperschaftssteuer (ist gerade wie der in Planung) und Einführung der Gruppenbesteuerung erhöht. Also lassen wir uns nicht einreden, es wäre kein Geld da: es wird nur falsch verteilt! Der solidarische Generationen vertrag wird einseitig aufgekündigt, nicht einmal innerhalb des kapitalisti
schen Systems gilt der Vertrauensgrund satz noch! Wehren wir uns in Betrieben, in Städ ten, in Dörfern, auf der Straße gegen die Angriffe auf die Arbeiterschaft und erhe ben unsere Forderung nach einer sozia listischen, den Interessen der Werktätigen, dienenden Gesellschaft!
Kickl, Ludwig, Doskozil – im Gleichschritt Marsch
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ichtige innenpolitische Themen gibt es in Wien und im restlichen Öster reich genug: Angesichts steigender Immobilienpreise und explodierender Mieten, sich abschwächender Konjonktur und damit wachsender Probleme am Arbeitsmarkt sollte man meinen, dass ein g´standener Sozialdemokrat in seinem Element sein sollte; dass das Hauptaugenmerk auf der Einführung von Mietzinso bergrenzen und der Forcierung des sozialen Wohnbaus im Fokus stehen; dass so zialdemokratische Landeshauptmänner mit Investitionsprogrammen der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit entgegen zu halten versuchen.
Aber nein, im Gegenteil: Wiens Bür germeister Michael Ludwig gibt seit Amtsantritt den "Schmiedl" in der von der Bundesregierung angefachten Aus länderhetze. Stolz wurde der Praterstern als Waffenverbotszone präsentiert. Gleich ganz Wien zur Waffenverbotszone zu erklären scheiterte dann doch an bundesgesetzlichen Vorgaben. Doch Ludwig wird nicht müde, auf den immer schneller fahrenden rassistischen Popu lismuszug der FPÖ aufspringen zu wol len. Gegenseitig rechts zu überholen ver suchen sich Innenminister Kickl und Wiens Bürgermeister Ludwig in der Fra ge der Rücknahme von ISKämpfern.
Ludwig hat diesbezüglich die besseren Karten, weil die Vollziehung des Staats bürgerschaftswesens Landessache ist. Diesen Trumpf spielte der Wiener Bür germeister auch gleich aus, forderte Kickl auf, eine rasche "Lösung" für zurückkeh rende ISKämpfer zu finden und kündigte die Entziehung der Staatsbürgerschaft für einen ehemaligen ISKämpfer an. Selbst für die im Regierungsjargon "Sicherungs haft" genannte Willkürhaft für Geflüchtete fanden sich mit den Landeshauptmän nern Doskozil und wenig überraschend Ludwig Fürsprecher. Diese gingen sogar so weit, die Willkürhaft auf alle in Öster reich lebenden Menschen ausdehnen zu wollen.
Wer wie Innenminister Kickl meint, dass das Recht der Politik zu folgen hat, Geflüchtete "konzentriert halten" will, von dem darf man sich eben auch politi sche Maßnahmen aus der faschistischen Mottenkiste erwarten. Würden die Will kürhaftphantansien des Herbert Kickl ei ne ZweiDrittelMehrheit im Parlament bekommen, wären damit weiteren Geset zen für die Einschränkung der Freiheit des Einzelnen Tür und Tor geöffnet. Immerhin scheint es in der SPÖ eine Mehrheit gegen die Willkürhaft zu geben, denn Parteichefin RendiWagner hat Do skozil und Ludwig bereits zurück gepfif fen und das Nein zur Willkürhaft zur offiziellen Parteilinie erklärt. Wir dürfen also weiter hoffen, dass Gesetzesände rungen für eine Faschisierung Öster reichs keine Mehrheit finden. Besser als sich auf die Standhaftigkeit der SPÖ zu verlassen ist es allerdings selbst im per sönlichen Umfeld und auf der Straße ge gen Rassismus und Faschismus aktiv zu werden.
Komm zum ROTEN TISCH! Jeden zweiten Dienstag im Monat organisieren wir in der Westbahnstraße 35 im 7. Wiener Gemeindebezirk im kurdischen Lokal ZYPRESSE unseren ROTEN TISCH. Der ROTE TISCH ist ein offenes Diskussionsforum, in dem wir mit Interessierten über die aktuelle Lage, die Artikel in unserer Zeitung oder über theoretische Fragen sprechen. Die Termine und Themen findest Du auf unserer Homepage: www.klassenkampf.net Erreichbar mit U6, Straßenbahnlinien 5 und 49
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Frauen im Klassenkampf
Klassenkampf 35/2019
Gemeinsame Erklärung von CoReP, IKC (Span. Staat) und TML (Brasilien):
Für die arbeitenden Frauen! Jede der reaktionärsten bürgerlichen politischen Bewegun gen, die auf dem Planeten erscheinen und sich entwickeln von Trump in den USA, Bolsonaro in Brasilien und den frem denfeindlichen und faschistischen Parteien in Europa, ein schließlich dem Dschihadismus und der islamistischen Diktaturen, konzentriert ihre abscheulichsten politischen An griffe auf die Rechte der Frauen. Gemeinsam mit migrantischen Arbeitern und ethnischen und sexuellen Minderheiten bilden sie den gemeinsamen Sündenbock, der der "Heimat" angebo ten wird, um die Schuld des Kapitalismus zu tragen, der jedes Land in einen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Mist haufen verwandelt hat.
oder Homophobie werden von der Kapitalistenklasse seit ih rer Existenz als mächtiges Spaltungsinstrument innerhalb der Arbeiterklasse verwendet. Eine Spaltung, die es ermöglicht, über eine große Masse von zur Unterwürfigkeit erzogenen und zum Ausverkaufspreis zu habenden Arbeiterinnen zu verfügen. Daher verschwindet die Unterdrückung der Frauen, insbeson dere der Arbeiterinnen, nicht und wurde nur dann abge schwächt, wenn für ihre Befreiung große soziale Kämpfe ausgetragen wurden ... und die Bourgeoisie es nicht geschafft hat, ihre Siege umzukehren.
Das Recht auf freie und unentgeltliche Abtreibung beispiels weise wurde zum ersten Mal in der Geschichte von der russi In der ganzen Welt sind Frauen in stärkerem Maße als Män schen Revolution eingeführt. Es hat viele Jahrzehnte ner von den Auswirkungen der Krise, der Arbeitslosigkeit, von unaufhörlichen Kampfes bedurft, um die derzeitige Zahl an Sozialkürzungen und der Prekarisierung betroffen. Im Vergleich Ländern zu erreichen, in denen Abtreibung kein Verbrechen zu ihren männlichen Kollegen hatten sie mehr ist. Aber heute wird dieses Recht von Haus aus eine deutlich niedrigere Posi in fast allen von ihnen in Frage gestellt. tion, was das Arbeitsplatz und Gehaltsni Trump in den Vereinigten Staaten, PP veau anbelangt. Ihre häusliche und VOX in Spanien, die Regierungen Arbeitsbelastung ist im Allgemeinen immer Brasiliens, Polens oder Ungarns, die bei noch viel höher als die von Männern, und den reaktionären österreichischen Re sie sind nach wie vor die Hauptbetreuer gierungsparteien und andere wollen von Kindern, älteren Menschen, chronisch dieses Recht beseitigen. Kranken und Behinderten. Alles Aufgaben, die der gesamten Gesellschaft zufallen soll Die Siege der Frauen im Spanischen ten. Staat 2014 und in Polen 2016, die ihre je weiligen Regierungen dazu zwangen, die Im 21. Jahrhundert leiden Millionen von Gesetze gegen die Abtreibung zurückzu Frauen immer noch an Genitalamputationen, Zwangsheiraten ziehen, kündigten eine neue Welle bedeutender Mobilisierun für Kinder und sexueller Sklaverei. Die Arbeiterinnen in den gen in vielen Ländern an, die am 8. März 2018 einen Höhepunkt ärmsten Ländern sind die Hauptopfer des Menschenhandels erreichten, der sich 2019, auf noch höherer Stufe, wiederho zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, und das ist ein Ge len könnte. schäftszweig mit exponentiellem Wachstum in allen Ländern, Mit zwei Epizentren, einem in Argentinien und einem in Spa insbesondere den reichsten. nien, haben die gegenwärtigen Mobilisierungen die echte Neu heit hervorgebracht, das zerfallene Korsett des bürgerlichen Machistische Dominanz im persönlichen, arbeitsmäßigen und kleinbürgerlichen Feminismus und der Bourgeoisie, das und sozialen Umfeld, körperliche und psychische Gewalt ge über Jahrzehnte hinweg das Lager der Verteidigung der Frau gen Frauen, die Verwandlung ihres Körpers in eine Sache oder enbefreiung bis zum Ersticken beherrscht hat, zu zerreissen. die Vorstellung von Frauen als reine Fortpflanzungstiere ver Der Prozess basiert auf der Organisation von verschiedenen schwinden nicht nur nicht, sondern finden auch ideologische Arten von Vereinigungen, von offenen Versammlungen, in der Unterstützung in Religionen und in den neuen reaktionären po Regel auf Stadtteilebene, die in beiden Ländern zu einer sehr litischen Strömungen, die sich ausbreiten. Wenn sie regieren, weitreichenden Verwurzelung unter jungen Arbeiterinnen ge haben sie vorrangig die maximale Verstärkung der Ausbeu führt haben. Daher haben in den Mobilisierungen die spezifi tung und die Vernichtung der von den Arbeiterinnen und Ar schen Forderungen von Arbeiter_innen, Migrant_innen, beitern eroberten Errungenschaften und Rechte zum Ziel. ethnischen Minderheiten und solchen, die die gesamte Arbei terklasse gegenüber ihren Ausbeutern betreffen, auf natürliche Die Religionen, das Patriarchat, frauenfeindliche und Ma Weise zusammengefunden. So entwickelt sich ein "klassisti choIdeologien ebenso wie Fremdenfeindlichkeit, Rassismus scher Feminismus", wie er genannt wird, der zumindest in Spa
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Klassenkampf 35/2019 nien einige Minderheitengewerkschaften (CGT, CNT, COS usw.) hinter sich weiß. Der Klassenkampf entwickelt sich schließlich auch innerhalb des Feminismus und die Einbindung der arbei tenden Frauen mit ihren Forderungen fördert die Massenmobi lisierungen. In Ermangelung einer wirklich revolutionären Organisation, die ein kohärentes Programm vorschlägt, sind die angestrebten Ziele und Methoden jedoch manchmal wider sprüchlich und fast immer sehr verwirrt und durchdrungen von einer herrschenden Ideologie, die sich auf persönliche, strafrechtliche und fürsorgerische Aspekte konzentriert cha rakteristisch für den amerikanischen bürgerlichen und klein bürgerlichen Feminismus. In Spanien hat die Koordinierung der Bewegung, die Anfang Februar in Valencia zusammenkam, den „feministischen Gene ralstreik“ ausgerufen. In Wirklichkeit ein Streik ohne ein kon kretes Ziel, außer dass die Bosse und die Regierung weg gehören. Die „schwesterlichen“ Strömungen, die den Krieg der Geschlechter praktizieren, rufen nur Frauen zur Teilnahme auf, während die "klassistischen” Strömungen den Zusam menschluss beider Geschlechter im Streik fordern, in einem gemeinsamen und solidarischen Kampf, der natürlich von den Arbeiterinnen angeführt wird. Sie fordern die Massenorganisa tionen der Arbeiterklasse auf, diese Forderungen zu überneh men. Wir betrachten es als Verpflichtung und Notwendigkeit, dass die gesamte Arbeiterklasse und alle ihre Organisationen sich aktiv für die Verteidigung der Freiheit und Gleichheit von Frauen in allen Bereichen einsetzen, für die Verteidigung ihres Rechts auf Kontrolle über ihr Leben, ihre Körper und ihre Fort pflanzungsfähigkeit und zur Verteidigung aller spezifischen Forderungen als besonders ausgebeutete und unterdrückte Ar beiterinnen. Wir sind der Ansicht, dass nur eine globale programmati sche Vision, die das Ziel der endgültigen Beendigung der Klas sengesellschaft, der Grundlage aller Unterdrückung, beinhaltet, dem Kampf für die Befreiung der Frau und die For derungen der Arbeiterinnen jenen Brennpunkt geben kann, der ihn zum integralen Bestandteil der endgültigen Befreiung der gesamten Arbeiterklasse machen kann. Mit Rosa Luxemburg, Clara Zetkin und Alexandra Kollontaï: Heran an die Arbeiterin! • Gegen alle Arten von Diskriminierung und Unterdrückung von Frauen.
Frauen im Klassenkampf • Für die Verteilung der Arbeit zwischen allen, Arbeitszeitver kürzung bei vollem Lohnausgleich, bis zum Ende der Ar beitslosigkeit. • Gegen prekäre Arbeit und für gleiche Löhne von Männern und Frauen. • Gehälter, Unterstützungen und Renten, die allen Arbeiterin nen und Arbeitern ein menschenwürdiges Leben ermögli chen. • Ausreichende, kostenlose und qualitativ hochwertige öffent liche Dienste für die Betreuung von Kindern, Kranken und auf Hilfe angewiesenen. • Menschenwürdiger Wohnraum für alle Arbeiterinnen und Arbeiter. • Für eine universelle öffentliche Schule, weltlich, frei und koedukativ. • Für eine wissenschaftliche Sexualerziehung, die sich auf die Liebe und den Respekt für die eigene sexuelle Freiheit und die der anderen konzentriert, unabhängig von der gewähl ten Form. • Gegen jede Art von direkter oder indirekter Finanzierung re ligiöser Bekenntnisse. • Freie und unentgeltliche Verhütungsmittel und Abtreibung als Teil des öffentlichen Gesundheitswesens. Verteidigung des allgemeinen, freien und weltlichen öffentlichen Gesund heitswesens. Für die Achtung und die angemessene medizi nische Behandlung der spezifischen weiblichen Biologie und ihrer Erkrankungen. • Gegen die Verdinglichung und Vermarktung von Frauen. Für das Verbot und die Verfolgung der Zuhälterei. Für das Verbot von "Mietbäuchen". • Für das Recht auf freie und sichere Migration für alle Arbei terinnen, Arbeiter und Jugendlichen, die sich in Ausbildung befinden. Nieder mit allen Mauern und Grenzen! • Gegen MachoJustiz und MedienLynchjustiz aller Art. Ent lassung aller reaktionären Richter. Für eine authentische nichtsexistische demokratische Justiz, bei der Richter von den Räten der Arbeiterinnen und Arbeiter ein und abgesetzt werden können. • Mit einer Regierung der Arbeiterinnen und Arbeiter zu einer klassenlosen Gesellschaft ohne Ausbeutung und ohne Unter drückung. Für den internationalen Sozialismus. 8. März 2019 CoReP IKC / spanischer Staat TML / Brasilien
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Großbritannien
Klassenkampf 35/2019
Großbritannien: Politische Krise angesichts des Brexit
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973 war der Beitritt zur Europäischen Union (EU) die erste Wahl für die Mehrheit des britischen Großkapitals, dessen politische Vertretung heute zwischen der Führung der Konservativen Partei (CP), des Liberaldemokratischen Partei (LD), der Scottish National Party (SNP) und der irischnationalistischen Sinn Féin (SF) aufgeteilt ist.
Das Referendum von 2016: eine falsche Entscheidung für die Arbeiter
Niederlage der Premierministerin im Unterhaus Die Europäische Union zeigt zur großen Freude des USPräsidenten Trump ihre Schwäche. Aber der USame rikanische Staat würde den britischen Imperialismus in möglichen bilateralen Verhandlungen noch viel tiefer in die Knie zwingen. In der EU hatte Großbri tannien ein Mitspracherecht und konnte sich zumindest intern widersetzen. Der Brexit deckt die Schwierigkeiten auf, mit denen alle Länder konfrontiert sind, die im Rahmen einer Austritts kampagne in einer internationalisier ten und voneinander abhängigen Welt
nusmus und Zentrismus kommende Par teien und Organisationen ... darin einen Sieg der Arbeiter, was ziemlich kurios war, weil sich die bürgerliche UPR, DlF und die halbfaschistische Front National am britischen Ergebnis erfreuten und Die Feindseligkeit der UK Indepen dies nutzten, ein Referendum über den dence Party (UKIP), einer bedeutenden “Frexit" zu fordern. Minderheit der CP und der Unionist De Cameron tritt zurück und macht The mocratic Party (UDP) gegenüber der EU resa May, ehemalige Innenministerin und spiegelte die Entscheidung anderer Frak Initiatorin der „feindlichen Umgebungs tionen der Bourgeoisie wider, die sich politik“ (um die Einreise von Ausländern lieber den Vereinigten Staaten unterord nen wollen, die mehr Geschäfte mit dem ie Kampagne war auf beiden Seiten verlogen, aber Rest der Welt als mit Kontinentaleuropa jene der EU-Gegner brach alle Rekorde an machen, die nach wie vor auf den heimi schen Markt beschränkt sind oder unter Demagogie und Chauvinismus ... dem europäischen Wettbewerb leiden. Im Jahr 2014 beschloss Premierminis ter David Cameron (Konservative Partei) zu verhindern), Platz. In Nordirland und „die Kontrolle wiedererlangen“ wollen. ein Referendum über die EUMitglied Schottland wachsen die Spannungen, Wenn sie das Recht erhalten, ihre eige schaft, um die ausländerfeindliche UKIP und rassistische Akte verzeichnen insbe nen Regeln und Standards zu definie zu stoppen, die gerade die Wahlen zum sondere gegen Polen einen Anstieg. Die ren, wird es schwieriger, Geschäfte mit Europäischen Parlament gewonnen hat neue Regierung verstärkt ihre Politik ge Ländern zu tätigen, die andere haben. te. gen Migranten, indem sie bürokratischen Wenn sie Handel treiben wollen, müs Die Kampagne war auf beiden Seiten Schikanen und Ausweisungen erhöht. sen Sie wahrscheinlich das Recht eines verlogen, aber jene der EUGegner brach Seit dem EUReferendum haben Fest mächtigeren Partners einhalten, der für alle Rekorde an Demagogie und Chauvi nahmen und Ausweisungen von Aus Großbritannien entweder die EU oder nismus, was aber das größten Abfallpro ländern, einschließlich EUBürgern, die USA ist, ohne etwas gegen diese dukt des Stalinismus (CPB) und die stark zugenommen. (The Guardian, 28. Anpassung sagen zu können. (The Eco beiden größten „trotzkistischen“ Organi November 2017) nomist, 19. Januar 2019) sationen (SWP [Schwesterorganisation Dies führte zum WindrushSkandal, May aktiviert im März 2017 den Arti von Linkswende und Marx21] und SP als das Innenministerium die Papiere kel 50 des Vertrags der Europäischen [Schwesterorganisation von SLP und mehrerer hundert britischer Bürger ver Union, der die Trennung vor dem 29. SAV]) nicht hinderte, sich ihr anzuschlie nichtete, die jedoch familiäre Wurzeln März 2019 in Gang setzt. Sie ist weit da ßen. Die Kampagne für den Verbleib in auf den Antillen (Jamaika ...) oder in Afri von entfernt, ihr Versprechen einer der EU wurde von der Labour Party, die ka hatten und sie von ihren Arbeitsplät „starken und stabilen Regierung“ einzu von Jeremy Corbyn (LP) angeführt wur zen und aus ihren Häusern vertrieb. halten: Wegen der Brüche innerhalb der de, und von einigen zentristischen Grup Seit zwei Jahren verhandelt die Regie herrschenden Klasse wurde ihre Regie pen (SR/Socialist Resistance, AWL/ rung May mühsam mit der Europäischen rung vom Rücktritt von nicht weniger als Alliance for Workers' Liberty ...) halbher Union, die sich aber standhaft erweist, 32 Ministern in 18 Monaten erschüttert. zig unterstützt. und sei es auch nur, um andere Austritte Seit den vorgezogenen Parlamentswah Im Juni 2016 ergab das Referendum zu verhindern. len 2017 kann May nur mit Unterstützung fast 52% der Stimmen für den Austritt. In von UDP, der loyalistischen, klerikalen Frankreich sahen etliche aus dem Stali Die schockierende und ultrareaktionären Partei in Nordir
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Klassenkampf 35/2019 land, regieren. Im November 2018 schloss die briti sche Regierung eine Vereinbarung mit der Europäischen Kommission (beste hend aus 27 Kommissionsmitgliedern, ei nem pro Mitgliedstaat, und einem von den Staats und Regierungschefs ernann ten Präsidenten). Diese von May und Barnier sorgfältig ausgehandelte Verein barung ermöglichte einen schrittweisen und relativ geordneten Austritt des Ver einigten Königreichs aus der Europäi schen Union und vermied es zumindest vorübergehend, eine Grenze zwischen der Irischen Republik (die Mitglied der EU ist) und Nordirland (das weiterhin Teil des Vereinigten Königreichs ist) zu errichten. Dies ist ein QuasiStatus quo, der die Situation von 20162018 bis 2020 aufrechterhalten hätte. Diese Vereinba rung wurde von einem erheblichen Teil der britischen Unternehmer unterstützt (der Mehrheit des Finanzkapitals und dem Großteil des verarbeitenden Gewer bes). Wer möchte nicht die lukrativen europäischen Märkte behalten, während er versucht, einen „weichen“ Brexit zu genießen, der gleichbedeutend mit billi ger Arbeitskraft ist. Im Dezember 2018 verschiebt May die Abstimmung im House of Commons, die für die Ratifizierung des geschlossenen Vertrags unerlässlich ist. Am 15. Januar lehnte das House of Commons jedoch mit überwältigender Mehrheit die Ver einbarung mit 432 Abgeordneten dage gen und nur 202 dafür ab. Dies ist eine historische Niederlage von einer Grö ßenordnung, wie Britannien sie seit über hundert Jahren nicht mehr gesehen hat. Von 317 Abgeordneten ihrer CPUDP Mehrheit stimmten 118 gegen Mai. Diese „harten Brexiter“ stimmten mit den „Ver bleiber“Abgeordneten (remainers), ei nem Flügel der Konservativen Partei (CP), allen Liberaldemokraten (LD) und vielen LabourAbgeordneten (LP) des „blairistischen Typs“ für die Ablehnung der Vereinbarung . Die einen lehnten sie ab, weil die Vereinbarung nicht ausrei chend mit der Europäischen Union ge brochen hatte. So erklärte der „Hard Brexiter“ Jacob ReesMogg am Tag der Abstimmung, dass „die Menschen nicht für einen Kompromiss gestimmt haben, sondern um die Europäische Union zu verlassen“ und dass „kein Abkommen besser ist als ein schlechter Deal“. Auf der anderen Seite hoffen die Befürworter
Großbritannien eines neuen Referendums, zur Abstim mung von 2016 zurück gehen zu können, indem sie die Gefahr eines Zusammen bruchs der britischen Wirtschaft und ei ner allgemeinen Verknappung an die Wand malen. So prophezeit die Bank of England „die schlimmste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg, einen Absturz des britischen Pfunds um ein Viertel seines Wertes in einem Jahr, einen massiven
ausgesprochen. Aber die britische parla mentarische Ablehnung scheint zum ersten Mal Risse zu verursachen. Bun deskanzler Sebastian Kurz lehnte jede Neuverhandlung am Abend der Abstim mung ab. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat das Risiko einer Schwächung der Europäischen Union aufgegriffen und sagte: „Ich werde bis zum Schluss daran arbeiten, mit einer Vereinbarung eine Lösung zu finden, und
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er möchte nicht die lukrativen europäischen Märkte behalten, während er versucht, einen „weichen“ Brexit zu genießen, der gleichbedeutend mit billiger Arbeitskraft ist.
Anstieg der Arbeitslosigkeit und der Zinssätze sowie eine Nettoemigrati on“ (Les Échos, 28. November 2018). In einem Regierungsbericht heißt es, wenn es keine Vereinbarung mit der Europäi schen Union gäbe, würde sich das BIP in 15 Jahren um 9,3% verringern.
Der britische Staat und die Europäische Union in einer schwierigen Lage Die konservative Regierung konnte am 16. Januar nur knapp dem von der Labour Party eingebrachten Misstrau ensantrag entgehen. Es wurde mit 325 gegen 306 abgelehnt. Für den Moment hat May ein neues Referendum oder vorgezogene Parla mentswahlen mit dem Argument ausge schlossen, dass dies nur die „Unsicherheiten und Spaltungen“ erhö hen und den Termin des Brexit verschie ben würde. Corbyn erinnerte daran, dass es im Unterhaus keine Mehrheit für einen Bre xit ohne Zustimmung gab. Er forderte daher, dass in den kommenden Tagen „alle Optionen auf dem Tisch“ kommen sollten, einschließlich der Wiederauf nahme der Verhandlungen mit der EU. Am anderen Ende des Spektrums hat te Dominic Raab, der im vergangenen November als BrexitMinister zurückge treten war, vor der Abstimmung ent schieden, dass es für Großbritannien an der Zeit sei, sich auf ein „no deal“ vorzu bereiten. Natürlich hat sich die Europäische Union bisher gegen Neuverhandlungen
ich werde daran arbeiten, die besten Be ziehungen zu London zu haben“. Auf der anderen Seite zögert der französische Präsident Macron: Wir werden schauen, vielleicht können wir ein oder zwei Punkte verbessern, ich glaube das jedoch nicht allzu sehr, weil wir bereis am Ende dessen ange langt waren, was wir in der Vereinba rung festlegen konnten. Wir werden nicht versuchen, ein Problem der briti schen Innenpolitik zu lösen und dafür die Interessen der Europäer nicht zu verteidigen. (Le Figaro, 15. Januar 2019) Die Lösung eines „No Deals“ bedroht das Friedensabkommen in Irland, indem die Grenze neu eingeführt wird. Der iri sche Premierminister Leo Varadkar zeigt sich sehr besorgt und übt Druck auf den britischen Staat und die EU aus. Der Präsident der Europäischen Kom mission, JeanClaude Juncker, weist dar auf hin, dass das Risiko eines Austritts ohne Vereinbarung zugenommen hat: „Obwohl wir dies nicht wünschen, wird die Europäische Kommission ihre Vorbereitun gen fortsetzen, um sicherzustellen, dass die EU perfekt vorbereitet ist", sagte er am Tag nach der Abstimmung in einer Erklä rung. May hat den britischen Abgeordneten einen neuen, eher vagen Plan vorgelegt, der jedoch bestätigt, dass Großbritanni en die Rechnung für die Scheidung be zahlen wird (39 Milliarden Pfund). Graham Bradys Änderungsantrag be kräftigt die Klausel des Abkommens mit der EU, die Nordirland faktisch in der EU behält (ohne jedoch festzulegen, wie die
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Großbritannien Grenze in der Praxis verwaltet werden würde) und fordert, dass die Übergangs zeit verlängert wird (31. Dezember 2021 statt 2020). Das House of Commons stimmt am 29. Januar diesem Plan zu. Die Premierministerin muss also nach Brüssel zurückkehren. Die Abgeordneten haben das mit der EU ausgehandelte Abkommen akzeptiert, sofern das Sicherheitsnetz für Irland zurückgezogen wird. Aber bei der entscheidenden Frage, was ersetzt werden sollte einem Problem, über das sich die Unterhändler in Brüssel fast zwei Jahre lang den Kopf zerbrochen haben schlägt der Antrag nur vage "Alternativen" vor. Frau May will in Brüssel den Kuchen essen und ihn trotzdem behalten. (The Economist, 2. Februar 2019). Dass dieser Punkt nicht noch einmal diskutiert wird, zeigt folgende Aussage: "Die Verhandlungen sind vorbei", sagte Sabine Weyand, die deutsche Assistentin des EUUnterhändlers Barnier. Sie sagte auch, dass das Risiko eines Austritts Großbritanniens ohne Vereinbarung “hoch" sei.
Die bürgerliche Arbeiterpartei hat und ist keine Lösung. Niemand weiß genau, was die Füh rung der Konservativen Partei will. Aber die Arbeiterklasse kennt auch die Positi on ihrer traditionellen Partei bezüglich der kommenden Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU nicht. Die Li nie Corbyns reduziert sich darauf, May zu ersetzen. Im Falle von Parlamentswahlen dürfen die revolutionären Kommunisten nicht als diejenigen erscheinen, die die Errin gung der Regierungsgewalt durch die La bour Party ablehnen. Wenn sie nicht über die Mittel verfügen, um in ausge wählten Wahlkreisen Kandidaten zu prä sentieren, werden sie die Kandidaten der LP überall gegen die bürgerlichen Partei en, egal ob englische, walisische, schot tische oder irische, unterstützen. Ich würde den Arbeitern sagen: Ihr lehnt meine Meinung über die Labour Party ab, ihr glaubt ihr. Bringt eure Par tei an die Macht. Ich werde euch so gut ich kann helfen. Ich weiß, dass sie nicht das tun wird, was ihr euch von ihr erhofft. (Trotzki, Gespräch mit C.L.R.
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Klassenkampf 35/2019 James, April 1939) Die revolutionären Kommunisten ma chen sich über Parlamentswahlen der erfahrensten und hinterhältigsten Bour geoisie der Welt keine Illusionen. Und noch weniger über Referenden. Der Austritt aus der EU ist nicht pro gressiv und die Labour Party will die NA TO aufrechterhalten (Manifest für die Vielen, nicht für die Wenigen, 2017, 120). Die Bildung einer CorbynRegierung würde der Arbeiterklasse keine bessere Lösung bieten. Die LP wurde ihrem Pro gramm nach als bürgerliche Partei gebo ren. Natürlich setzt sich die Arbeiterpartei größtenteils aus Arbeitern zusammen. Ob jedoch eine Partei wirklich eine po litische Arbeiterpartei ist oder nicht, hängt nicht nur davon ab, ob sie sich aus Arbeitern zusammensetzt, sondern auch davon, wer sie führt und was der Inhalt ihrer Aktionen und ihrer politi
drücken alles aus, was in der britischen Arbeiterklasse faul, demütigend, unter würfig und feudal ist. Auf der anderen Seite besteht die Aufgabe der Kommu nistischen Partei darin, die revolutio nären Qualitäten der britischen Arbeiterklasse freizusetzen. (Trotzki, Brief an Reg Groves, 10. November 1931)
Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa Innerhalb der Gewerkschaften, der Labour Party und außerhalb müssen wir die Arbeitervorhut gegen Protektionismus und ein neues Referendum umgruppieren. Für eine Arbeiterregierung, die die Perspektive Vereinigter Sozialistischer Staaten von Europa eröffnet. Eine revolutionäre Arbeiterpartei
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ber die Arbeiterklasse kennt auch die Position ihrer traditionellen Partei bezüglich der kommenden Be‐ ziehungen zwischen Großbritannien und der EU nicht.
schen Taktik ist. Nur das letztere ist würde ein Programm folgender Art ent maßgebend dafür, ob wir wirklich eine wickeln: politische Partei des Proletariats vor • Keine Zahlung irgendeiner Schei uns haben. Von diesem einzig richtigen dungssumme an die EU! Standpunkt aus ist die Arbeiterpartei • Auflösung des House of Lords, Tren eine durch und durch bürgerliche Par nung von Staat und anglikanischer tei, denn obwohl sie sich aus Arbeitern Kirche, Abschaffung der Monarchie! zusammensetzt, wird sie doch von Re • Aufhebung aller gewerkschaftsfeindli aktionären geführt – von den chen und die Prekarisierung fördern schlimmsten Reaktionären, die ganz den Gesetze! Gehaltserhöhungen, im Geiste der Bourgeoisie handeln. Es Wegfall der Studiengebühren an den ist eine Organisation der Bourgeoisie, Universitäten, Mittel für das NHS, qua die dazu existiert, mit Hilfe der engli litativ hochwertige Sozialwohnungen! schen Noske und Scheidemann die Ar • Gleiche Rechte für ausländische Ar beiter systematisch zu betrügen.. beiter! Grenzen auf für Arbeiter, Stu (Lenin, Rede auf dem 2. Kongress der denten, Flüchtlinge! Kommunistischen Internationale am 6. • Recht der nationalen Minderheiten auf August 1920) Abtrennung, Einheit Irlands, Sozialisti In der Regierung hat die LP immer vor sche Föderative Republik der Briti der britischen Bourgeoisie kapituliert. schen Inseln! Heute hat sie keinen anderen Horizont • Austritt aus der NATO, Bewaffnung als den parlamentarischen, monarchi der Arbeiter_innen und Auflösung der schen, nationalen und kapitalistischen. Repressionsorgane! Um eine politische Lösung für die • Entschädigungslose Verstaatlichung Massen zu eröffnen, fehlt eine revolutio der kapitalistischen Konzerne! näre und internationalistische Arbeiter 4. Februar 2019 partei. (leicht gekürzt aus Révolution Communiste 33, Die unterwürfigen, käuflichen und wür Zeitschrift der franz. Sektion des CoReP, GMI) delosen Bürokraten des Gewerk schaftskongresses und der Labour Party
Erklärung des CoReP (Kollektiv Permanente Revolution)
Imperialisten – Hände weg von Venezuela! Am 21. Januar scheiterte in Cotiza im Norden von Caracas ein Putsch von 27 Armeeangehörigen gegen die Regierung von Präsident Nicolás Maduro. Kurz danach twitterte der extrem reaktionäre republikanische USSenator von Florida Marco Ru bio, der beträchtlichen Einfluss auf die LateinamerikaPolitik von Präsident Donald Trump hat, man müsse jene Militärs, die erklären, sie würden die Verfassung verteidigen, unterstützen und Guaidó als legitimen Interimspräsidenten anerkennen.
lismus des 21. Jahrhunderts“ praktizierte bürgerlich nationa listische Politik gescheitert ist. Hugo Chávez, der 1998 erstmals zum Präsidenten gewählt wurde, vertrat ein nationalistisches, gegen den Einfluss des Im perialismus in Venezuela gerichtetes Programm, das jedoch niemals, auch in der von ihm angeregten Verfassung von 1999, das Privateigentum an den Produktionsmitteln und den Groß grundbesitz infrage stellte. Auch die Auslandsschulden wurden mit einer geradezu verbissenen Pünktlichkeit zurückgezahlt.
Am 22. Januar gingen die Straßenproteste gegen die Regie rung Maduro weiter, die von den bürgerlichen Oppositionspar Die politische Entmachtung eines Teils der proimperialisti teien initiert wurden. Sie sollten in einer Massenkundgebung schen Oligarchie ermöglichte aber in den ersten Jahren des am 23. kulminieren, jenem Tag, an dem 1958 der damalige Dik Chavismus eine Reihe von Sozialreformen, welche die Lebens tator Marcos Perez Jimenez gestürzt wurde. bedingungen der ärmsten Schichten der Bevölkerung in vielen Bereichen tatsächlich verbessern konnten und Chavéz und der Am 23. Januar 2019 ernannte sich Juan Guaidó, Präsident bolivarischen Bewegung eine breite Basis in der Bevölkerung der venezolanischen Nationalversammlung, selbst zum Präsi sicherten. Ein von den USA unterstützter Umsturzversuch denten des Landes. Guaidó ist Mitglied von Voluntad Popular, scheiterte 2002, nicht zuletzt deswegen, weil die Arbeiter die einer bürgerlichen Sammelbewegung, die von den USA, unter bolivarianische Regierung verteidigten. Das chavistische Re anderem durch das halboffizielle National gime wankte, aber es stürzte nicht. Nach Endownment for Democracy (NED) aufge dem Scheitern des Putsches amnestierte baut und finanziert wurde und wird. Un Chavéz den Großteil der proimperialisti mittelbar nach der Autoproklamation des schen Verschwörer und löste dafür die VPFührers erkannte USPräsident Trump von den Arbeitern, vor allem in der Ölin Guaidó als neuen Staatschef Venezuelas dustrie, geschaffenen räteähnlichen an. Guaidó vertrete als Parlamentspräsi Machtorgane auf. dent „das einzige legitime“ Staatsorgan des Landes, weil er „ordnungsgemäß“ Die Einnahmen aus der Ölrente führ vom venezolanischen Volk gewählt wor ten zu einem Anstieg des BIP um 12 % den sei. und gestatteten eine Reihe von Refor men, die allesamt das kapitalistische Sys Dieser Linie schlossen sich binnen we tem modernisierten, aber nicht infrage niger Stunden unter anderem Brasilien, stellten. Eine Reihe von Bruchlinien ta Argentinien, Ecuador, Chile, Peru und Ka ten sich aber auf als sich zeigte, dass der nada an, der selbsternannte Präsident erhielt aber auch Unter von oben proklamierte „Sozialismus des 21. Jahrhundert“ kei stützung von europäischen Politikern wie Frankreichs ne Selbstorganisation der Werktätigen duldete. So sollten die Staatspräsident Emmanuel Macron, dem italienischen Innenmi Gewerkschaften in die bolivarische Bewegung und den Staat nister Matteo Salvini und dem deutschen SPDAußenminister integriert werden; wie in jedem anderen bürgerlichen Staat Heiko Maas. EURatspräsident Donald Tusk schrieb auf Twit ging die „bolivarische“ Nationalgarde gegen streikende Arbei ter: „Im Gegensatz zu Maduro verfügt das Parlament, Juan ter und protestierende Jugendliche vor. Guaido eingeschlossen, über ein demokratisches Mandat der venezolanischen Bürger.“ Eine besondere Verantwortung für die Entstehung der heuti gen Krise kommt jenen zentristischen Strömungen, allen voran Wie in einem Lehrbuch für Staatsstreiche sehen wir hier die Internationalistische Marxistische Tendenz (Woodisten), einen minutiös vom Imperialismus orchestrierten Putsch, der zu, die als linke Flankendeckung für den bürgerlichen Nationa den Vorwand für eine militärische Intervention des USImperia lismus agierten. Sie verteidigten Chavéz gegen die Proteste der lismus in Venezuela liefern könnte. Arbeiter, hintertrieben den Aufbau einer eigenständigen revo lutionären Arbeiterpartei und unterstützten stattdessen die Die Proteste gegen die Regierung Maduro und seine PSUV Schaffung einer Einheitspartei, der PSUV. Sie sprachen von ei konnten nur deswegen einen derartigen Masencharakter an nem venezolanischen Sozialismus, während sich tatsächlich nehmen und von der Reaktion instrumentalisiert werden, weil das bonapartistische Regime festigte. Ausländische Wirt die im Namen des Bolivarianismus, Chavismus oder gar „Sozia schaftssaktionen und eine wuchernde Bürokratisierung und
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Erklärung des CoReP (Kollektiv Permanente Revolution) Korruption führten zu einem neuen Niedergang des Lebens standards der Massen und einer Welle von sozialen Protesten. Nach dem Tod von Chavéz 2013 beschleunigte sich unter seinem Nachfolger Maduro, der schon seit 2006 gemeinsam mit seiner Frau Schlüsselpositionen in Staat und Wirtschaft mit Verwandten besetzt hatte, die Wirtschaftskrise und die Kor ruption. Unter dem Eindruck der Weltwirtschaftskrise von 2008 fiel die Ölrente, die nach wie vor eine der Haupteinnah mequellen des Landes war; zugleich nahmen Streiks und Pro teste zu, weil die soziale Lage der arbeitenden Bevölkerung in Stadt und Land immer elender wurde. Das Regime griff immer häufiger zu repressiven Maßnahmen. Das Fehlen einer unabhängigen Arbeiterpartei begünstigte den Aufschwung der bürgerlichen Opposition, die sich nun volkstümlich und „demokratisch“ gab.
Das bonapartistische und korrupte Regime der PSUV und Maduros, das bisher die bürgerliche Herrschaft in Venezuela gesichert hat, lehnen die internationalistischen Kommunisten ebenso ab wie die Pläne der imperialistischen Bourgeoisie und ihrer lokalen Verbündeten. Wir lehnen es aber ab, angesichts der imperialistischen Drohungen dem MaduroRegime irgend welche Zugeständnisse zu machen. Sollte es zu einem bewaff neten Putsch kommen, müssen sich die Arbeiterinnen und Arbeiter, die Landarbeiter und die Kleinbauern, die Jugend und die städtische und ländliche Armut selbständig organisieren und die Putschisten bekämpfen. Auch wenn es in einem solchen Widerstandskampf zu ge meinsamen Aktionen mit werktätigen Anhängern der PSUV kommen sollte, müssen die Arbeiter trotzdem ihre völlige poli tische Unabhängigkeit bewahren. Sie müssen im ganzen Land Widerstands und Aktionskomitees aufbauen, die nicht nur den Kampf gegen die Putschisten, sondern auch gegen das korrup te MaduroRegime und damit gegen die nationale Bourgeoisie vorbereiten.
Angesichts der elenden Lage der Arbeiterklasse in Stadt und Land, der Prekarisierten und der Jugend haben mittlerweile drei Millionen Menschen das Land verlassen. Die nationale Bourgeoisie macht sich im Bündnis mit dem USamerikani • Imperialisten – Hände weg von Venezuela! schen Imperialismus und seinen Verbündeten in der Region die • Unabhängige Organisierung der Arbeiter, armen Bau buchstäbliche Erschöpfung und Schwächung der arbeitenden ern, der Jugend und der werktätigen Frauen! Klassen zunutze, um offen nach der Macht zu greifen. • Aufbau von Komitees (Räten)! Entwaffnung der Repres sivkräfte und Arbeiterbewaffnung! Arbeitermilizen aufbau Wir warnen die venezolanischen Massen vor Illusionen in en! die Sirenengesänge der proimperialistischen Bourgeoisie. Ihre • Besetzung der Staatsbetriebe, der Industriebetriebe, Machtergreifung würde von einer anderen Form von Repressi der Nationalbank und der Banken unter Arbeiterkontrolle! on begleitet werden, die Angriffe gegen die Gewerkschaften • Besetzung der Latifundien, Aufteilung des Landes auf würden sich nicht nur weiterhin gegen die vom Chavismus un alle! abhängigen Gewerkschaftsorganisationen, sondern auch gegen • Beschlagnahme der von den Schwarzhändlern gehorte die Staatsgewerkschaft richten. Die offen antisozialistische ten Lebensmittel und Medikamente! Verteilung unter der Rhetorik von Guaidó und seinen Hintermännern passt in das Bevölkerung! Schema, das sich auch mit der Einsetzung Bolsonaros in Brasi • Für ein sozialistisches Venezuela im Rahmen der Föde lien gezeigt hat: der Beginn einer neuen Welle von brutalen An ration Sozialistischer Länder Süd und Mittelamerikas! griffen auf die Arbeiterbewegung. CoReP, 26. 1. 2019 Wir fordern die internationale Arbeiterbewegung auf: Ver hindert eine imperialistische Aggression gegen Venezuela!
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Klassenkampf 35/2019
Deutschland
Berufspolitikerin Sahra Wagenknecht in der Schmollecke
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ie Initiatorin der „Bewegung #aufstehen“, Sahra Wagenknecht, Mitglied des deutschen Bundestages für die Partei Die Linke und deren CoFraktions sprecherin, zieht sich aus dem erst in diesem Jahr gegründeten vorläufigen Vor stand mit sofortiger Wirkung zurück. Sie gibt dafür sowohl persönliche (8wöchige Krankheit; jetzt genesen) als auch politische Gründe an. „Die Partei en, die wir ansprechen wollten, haben sich eingemauert.“ Außerdem habe sie „die Schwierigkeit unterschätzt, auf rein ehrenamtlicher Ba sis solide Strukturen für so viele Menschen zu schaffen und unsere Unterstützer dann auch in großer Zahl auf die Straße zu bringen.“ Stand jetzt seien über 170.000 Unterstützer in 200 Ortsgruppen organi siert. (FAZ, Sonntagszeitung, 10.03.2019) Im „Bericht zum 2. Arbeitsausschuss treffen“ vom 19.10.2018 heißt es, dass schon knapp 160.000 Menschen an der Bewegung teilnähmen in über 70 Orts gruppen. So etwas will gut organisiert werden. Politische Klarheit über die stra tegischen Fragen der „Sammlungsbewe gung“ und organisatorisches Vermögen sind daher essentiell. Dies soll u.a. mit den heutigen technischen Möglichkeiten (auf Pol.is) geschehen. Auch war man sich klar darüber, dass der „Prozess der Meinungsbildung“ „Wochen, wenn nicht Monate in Anspruch nehmen“ wird. (Be richt 19.10.18, ebda.) Bald schon sollte sich hierbei eine große Unzufriedenheit entwickeln. Ein „Offener Brief an die Aufstehen Initiato ren“ vom 15.12.2018 stellt eine Menge Fragen. Die Autoren, „Gründer und Trei ber lokaler und regionaler Gruppen sowie Mitglieder in einer Vielzahl von Arbeits gruppen, die einzelne Themen der Bewe gung voranbringen möchten“, berichten schon von „Resignation und Abspaltungs tendenzen Einzelner und ganzer Gruppen – auch von realen Aktivgruppen“. Ihr Selbstverständnis innerhalb von „aufste hen“: „Wir sind so etwas wie der Mittel bau und wichtige Multiplikatoren für die Strategie und die politischen Kernbot schaften der Bewegung zwischen der Ba sis und der politischen Führung“. Sie beklagen fehlende Transparenz und Kommunikation: „Wer trifft im Arbeitsstab und im Arbeitsausschuss die Entscheidun gen?“ „Welche Entscheidungen wurden
bisher getroffen?“ „Wie wird eine Partizi pation der Basis an der Entscheidungsfin dung künftig sichergestellt?“ „Gibt es Konzepte, um als Bewegung zu wach sen?“ Mangels anderer Kommunikations möglichkeiten habe sich Facebook zur „Echokammer der Bewegung“ entwi ckelt. „Es hat sich dort eine immer größe re, zerstörerische Gegenbewegung gebildet“, die für ein „Aufstehen 2.0“ plä diere. Es fehle an einem Forum oder ei ner OnlineCommunity als zentrale Arbeitsplattform. Das „Berufspolitiker“ (Sahra Wagen knecht in ihrem Statement an einen Man fred Büddemann vom 10.03.2019 über sich selbst und andere Führungsmitglie der) „#aufstehen“ behindern würden, war für die Autoren des Offenen Briefes
nem führenden Mitglied der „Bewegung“ und Autor der INTERNETZZEITUNG (IZ), vom 10.03.2019 auf der IZWebsite deut lich. Es geht allein um einen politischen Richtungsstreit, der zugunsten von sozi aldemokratischgrünen Kräften ausge gangen zu sein scheint. Hierbei handelt es sich um die PSPProgressive um den ehemaligen SPDMdB Bülow (mittlerwei le aus der SPD ausgetreten). Der erst auf der Sitzung des Politischen Arbeitsaus schusses vom 15. Januar 2019 nach dem auf derselben Sitzung beschlossenen Statut gewählte 6köpfige vorläufige Vor stand brachte das numerische Aus für Wagenknecht. Nun konnte sie sich nur noch auf Fabio de Masi (MdB der Links fraktion) stützen. Marco Bülow (geb. Ju ni 1971; bis 2018 SPDMitglied, direkt gewählter (SPD)MdB aus Dortmund), Hendrik Auhagen (geb. Mai 1951; seit Ok tober 2004 Mitglied im AttacRat), Sabri na Hoffmann (Näheres unbekannt) und Ludger Volmer (geb. Februar 1952; Bünd nis‘90/Die Grünen, MdB) fanden sich fortan zu einer beständigen Mehrheit zu
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ffensichtlich sah Sahra Wagenknecht nun keine Chance mehr, weiterhin bestimmenden Einfluss auszuüben. Die Tendenzen mehren sich, dass die Gruppen vor Ort und regional sich unabhängig vom Vorstand organisieren.
kein Thema. Wagenknecht selbst sieht vor allem Probleme in den Strukturen: „... brauchen wir genau dafür funktionsfä hige Strukturen, in den Ländern, vor allem aber an der Spitze von ‚Aufstehen‘.“ Es sei der „Zeitpunkt gekommen, an dem wir Berufspolitiker uns an der Spitze von ‚Auf stehen‘ stärker zurücknehmen und denje nigen mehr Verantwortung übergeben sollten, die die Bewegung an der Basis ohnehin tragen. Genau das wurde schon oft gefordert und ich habe es jetzt öffent lich vorgeschlagen.“ Die ganze Dimension des Rückzugs von Wagenknecht aus der Vor stands“etage“ der „Bewegung“ wird durch den Artikel von Jürgen Meyer, ei
sammen. Sie haben nun die Möglichkeit, die Geschicke von „#aufstehen“ bis zur im Sommer 2019 geplanten ersten Dele giertenkonferenz nach ihren Vorstellun gen zu lenken. Offensichtlich sah Sahra Wagenknecht nun keine Chance mehr, weiterhin be stimmenden Einfluss auszuüben. Die Tendenzen mehren sich, dass die Grup pen vor Ort und regional sich unabhän gig vom Vorstand organisieren. Einige machen sich dafür stark, „das jetzt basis demokratische Strukturen von unten nach oben geschaffen werden können, die in ei nem Delegiertensystem oder sogar in ei nem direktdemokratischen System münden könnten.“ (Jürgen Meyer, a.a.O.)
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CoReP J. Meyer appelliert an die Mitglieder: „Nun ist die Basis gefragt, so ein direktde mokratisches RäteSystem von unten auf zubauen, in jeder Ortsgruppe einen Repräsentanten wählt oder in dem jedes Mitglied auch auf dem geplanten Sommer kongress direktdemokratisch stimmbe rechtigt ist. Somit würde die Unterscheidung von Delegiertem und Mit glied ganz entfallen. Jedes Mitglied wäre quasi delegiert. Mit Internetbeteiligung von zu Hause aus und mit Post Ident Nachweis wäre so ein System sogar ohne ReisekostenProblematik sofort realisier bar.“ Das Führungsgremium von „#aufste hen“ hat sich bisher noch nicht zum Rückzug Wagenknechts geäußert. Seine Arbeitsfähigkeit unabhängig von der Per son Wagenknecht darf bezweifelt wer den. Während Wagenknecht durch 2monatige Krankheit ausfiel, tat sich bei
Klassenkampf 35/2019 einem zentralen Vorhaben nichts. Es sollte bis März 2019 ein Regierungspro gramm unter Einbeziehung aller Mitglie der von „#aufstehen“ entwickelt werden. Dazu ist bis heute nichts veröffentlicht worden. Auch bei der Kandidatenaufstellung der Partei DIE LINKE zur Europawahl 2019 schaffte es niemand der parteiin tern bekannteren Unterstützer von „#aufstehen“ unter die gewählten 22 (Website , 12.03.2019). Nun hat sich Sahra Wagenknecht auch zum Herbst 2019 aus dem Vorstand der Bundestagsfraktion verabschiedet. Dieser wird neu gewählt. Zur Neuwahl tritt sie nicht mehr an. Fazit: Mit all ihren politischen Projek ten ist Wagenknecht nicht wirklich er folgreich geworden. Die Kommunistische Plattform innerhalb der Linkspartei (sieht die AltStalinisten von DKP und
KPDOst als bevorzugte Bündnispartner) ist bedeutungslos geblieben. Mit Hilfe von „#aufstehen“ innerhalb der Links partei dieses Manko auszugleichen, ist ebenfalls gescheitert. „#aufstehen“ hat einen Nerv getroffen. Aber auch hier ist sie letztlich an den Mühen der täglichen politischen Arbeit gescheitert. Eben nichts für Berufspolitiker. Mitglied des Deutschen Bundestags bleibt sie jedoch weiterhin. Das geht ge sundheitlich noch. Bei 10.000, Euro mo natlichem Salär sollte das schon möglich sein.
Bremen, 12.03.2019 (Volker Braun)
Spanischer Staat:
Massenmobilisierungen zum Internationalen Frauentag
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er folgende Bericht aus València von unseren Genossinnen und Genossen des Internaciema Kolektivisto Cirklo (Internationalisischer Kollektivisti scher Zirkel) ist eine lebendige Schilderung der beeindruckenden Mobilisierun gen im Spanischen Staat anlässlich des 8. März.
Im Spanischen Staat haben verschie dene gewerkschaftliche und politische Organisationen zu einem "feministischen Streiks" aufgerufen: die Gewerkschaften CGT, CNT, Intersindical, COS, CCOOBil dungssektor und einige Regionalverbän de riefen zu einem eintägigen Streik auf, CCOO und UGT forderten einen zwei stündigen Streik. Die Beteiligung war im Bildungswesen sowohl bei Professorin nen, Gymnasiast_innen und Student_in nen relativ massiv. Die Demonstrationen erreichten eine historische Dimension. Sowohl in den Gro tädten und auch in kleineren Orten waren mehr Menschen auf der Straße als
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im Vorjahr. Nach den Angaben der Poli zei: 350.000 Menschen in Madrid, 200.000 Menschen in Barcelona, València und Zaragoza, 130.000 in Sevilla (Andalu sien), 100.000 in Vigo (Galicien) ... Das Ausmaß der Mobilisierung ergibt sich aus der Tatsache, dass es auch in allen kleinen Städten (ab 50.000 Einwohner) zu massiven Kundgebungen kam. Die IKC nahmen unter ihren Fahnen an den Mobilisierungen teil und verteilte die CoRePErklärung zum Internationa len Frauentag. Gegen Mittag verbrachten wir mit rund 1.100 Menschen drei Stun den bei einer Kundgebung vor dem Im migrationshaftzentrum (CIE) in València
und forderten dessen Schließung. Die Versammlung wurde anschließend zu ei nem Demonstrationszug hin zur zentra len Demo. Die Stadt war zusammengebrochen. Wir demonstrier ten so gemeinsam mit der radikalen Ge werkschaft COS und den Jugendlichen von ARRAN, die ein Banner mit dem von der COS genehmigten und von uns vor geschlagenen Slogan trugen: "Arbeiterin nen der Welt, vereinigt euch!". ["Treballadores del món, unimnos"]. Unsere politische Bilanz ist, dass die große Mobilisierung in erster Linie auf die Einbindung der Forderungen der be rufstätigen Frauen zurückzuführen ist, wodurch die gesamte Arbeiterklasse (Frauen und Männer) mobilisiert wurde. Die Demonstration war jedoch auch eine große politische Mobilisierung gegen den Vormarsch der Rechten mit all ihren
Erklärung des CoReP (Kollektiv Permanente Revolution) Sozialismus. die PST ( zu Zeiten Ben Bellas aus der FLN hervorgegangen) ist durch das Verschwinden der PAGS desorientiert; Die PT hat im Januar 1995 mit der FLN und der islamistischen FIS eine Volksfront gebildet und hat sich nicht gegen Bouteflikas vier Amtszeiten ausgesprochen. Die Schwäche der Arbeiterbewegung könnte die algerische Bourgeoisie retten. Wenn es dem Staat nicht gelingt, die Mobi lisierung der Massen zu verhindern, bereiten einige Fraktionen bereits den Putsch vor, sei es zur Errichtung eines islamisti schen Despotismus (von der MuslimBruderschaft über die MSI bis zu den IslamoFaschisten der Daesh) oder eine Neuauf lage des derzeitigen Systems: "Alle politischen Partner versam meln sich um einen Tisch und entwerfen eine neue Republik, die den Wünschen der Gesellschaft entspricht und die Heraus forderungen meistern kann, mit denen wir konfrontiert sind..." (El Mujahid, 5. März). Wie der Iran und die Türkei zeigen, hält der Islamismus den Kapitalismus und die Ungleichheiten, die er erzeugt, mit noch mehr Heuchelei in der Gesellschaft und noch mehr Unter drückung von Frauen, Jugendlichen, Kommunisten und Homo sexuellen aufrecht. Die "neue Republik", die die "demokratische" bürgerliche Fraktion in Reserve hält, ist eine kosmetische Veränderung, die im wesentlichen ihrer Macht und die Vorrechte ihrer Lakaien bewahren soll. In jedem Fall würde eine neue Republik, die unter Beteiligung derer, die sich bis dahin schamlos bereichert haben, die grundlegenden For derungen der Arbeiter und Jugendlichen nicht erfüllen. Das Schlagwort der "souveränen konstituierenden Ver sammlung", das von verschiedenen oppositionellen politi schen Kräften, nicht nur der FFS, sondern auch der MDS, der PT und der PST erhoben wird, ist ein Täuschungsmanöver. Das war die Methode der tunesischen Bourgeoisie, um die revolu tionäre Bewegung zu ersticken, die Ben Ali von der Macht ver trieben hatte, indem er sie im endlosen Palaver des souveränen Konstituante auflöste, die ebenfalls auf Wunsch al
Fortsetzung von Seite 20 ler Oppositionspar teien einberufen wurde (Nostalgiker des arabischen Nationalismus, reaktionäre Islamisten, Arbeiterorganisation). Infolgedessen wurde keine der wesentlichen Forderungen der tunesischen Massen erfüllt und die tunesische Bourgeoisie konnte die volle Kontrolle über die Lage im Land wiedergewin nen. Um alle Forderungen zu erfüllen, zur Kontrolle über den produzierten Reichtum, seiner Verwendung, für die Entwicklung des Landes im Interesse der großen Mehrheit der Bevölkerung, für die Arbeiter, Jugendliche, Bauern usw. darf man keine Hoffnung in eine Regierung der algerischen Bourgeoisie setzen, weder auf die bestehende noch auf eine unter einer anderen Maske. Es sind die Arbeiter selbst, die die Macht ergreifen müssen, die ihr 1962 entglitten ist. Die Arbeiter müssen die großen Unternehmen enteignen, die Kontrolle über die Geschäftsbücher übernehmen, die Produktion zur Befriedigung der Bedürfnisse und nicht zum Nutzen der Wenigen umwandeln. • Nein zur fünften Amtszeit! Nieder mit der Regierung! Weg mit dem Regime! Respektierung der demokratischen Freiheiten! Völlige Trennung von Staat und Religion, weltli che Herrschaft! • Alle Macht den Arbeiter_innen! Arbeiter und Bauern regierung! Sozialistische Föderation des Maghreb! Mit diesen Perspektiven muss die Avantgarde organisiert werden, um die revolutionäre Arbeiterpartei aufzubauen, die unverzichtbar dafür ist, dass die Massen alle Hindernisse über winden können. 5. März 2019 Kollektiv Permanente Revolution (Deutschland, Österreich, Kanada, Frankreich, Türkei)
Glossar :
MPA – Mouvement Populaire Algérien – Algerische Volksbewegung –
AGEA - Association Générale des Entrepreneurs Algérien – eine han‐
tierte Partei.
delskammerähnliche Struktur der algerischen Unternehmer
MSI – Mouvement de la Société Islamique (MSI-Hamas) – politischer
CAP – Confédération Algérienne du Patronat – einer der zahlreichen
Flügel der Muslimbruderschaft in Algerien
Unternehmerverbände Algeriens
PAGS – Parti de l'avant-garde socialiste – Partei der sozialistischen
CNPA - Confédération Nationale du Patronat Algérien - einer der zahl‐
Avantgarde, Nachfolgepartei der algerischen KP, tritt heute für einen „li‐
reichen Unternehmerverbände Algeriens
beralen Sozialismus“ ein
CSA – Confédération des Syndicats Verband (autonomer) Gewerk‐
PST – Parti Socialiste des Travailleurs – sozialistische Arbeiterpartei,
schaften – Zusammenschluss von 13 von der UGTA unabhängigen au‐
aus einem fraktionskampf in der FLN in den 60er Jahren entstanden
tonomen Gewerkschaften.
PT – Parti des Travailleurs – Arbeiterpartei, mit Wurzeln im „trotzkisti‐
COSYFPO - Confédération syndicale des forces productives - eine le‐
schen“ Zentrismus der 90er Jahre, ging Bündnisse mit den Islamisten
gal zugelassene Arbeitergewerkschaft
und der FLN ein
FCE - Forum des chefs d'entreprise – Forum der Chefs von Unterneh‐
RND – Rassemblement National Démocratique – Nationale Demokrati‐
men – einer der zahlreichen Unternehmerverbände Algeriens
sche Sammlung – im Jahr 1997 aus dem rechten Flügel der FLN her‐
FFS – Front des Forces Socialistes – Front der sozialistischen Kräfte,
vorgegangene Partei der hohen Staatsbürokraten.
offizielle Sektion der sogenannten Sozialistischen Internationale
TAJ – Tadjamoue Amal Al Djazair -– Sammlung für die Hoffnung Algeri‐
FLN – Front de Libération Nationale Nationale – Befreiungsfront – Re‐
ens (Tadjamoue Amal Al Djazair), islamistisch
gierungspartei, ging aus der 1954 geschaffenen linksnationalistischen
UGTA – Union Générale des Travailleurs Algériens – Gewerkschafts‐
gleichnamigen Befreiungsbewegung hervor
dachverband, regierungstreu
MDS – Mouvement démocratique et social – Demokratische und sozia‐
UNEP – Union Nationale des Entrepreneurs Publics – Verband der öf‐
le Bewegung, Abspaltung der PAGS, liberal
fentlichen Unternehmen Algeriens
2003 entstandene, nach eigenen Angaben sozialdemokratisch orien‐
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Erklärung des CoReP (Kollektiv Permanente Revolution)
Weg mit dem FNLRegime der Diebe und Korrupten!
Alle Macht den algerischen Arbeiter_innen! Trotz der Proteste, die bereits 2014 die Ankündigung der vierten Amtszeit von Abdelaziz Bouteflika gekennzeichnet hat ten, wollten die Cliquen der FLN und der Armee, die sich nicht auf einen Ersatz für Bouteflika einigen konnten, das gleiche Spiel im April 2019 stillschweigend wiederholen. Neuerlich wollten sie die BeinaheMumie eines alten Mannes, der krank und unfähig ist, die geringste Initiative zu ergreifen, recyceln. Alle traditionellen Stützen der Macht hatten sich dafür zusam mengeschlossen. Zum einen das "Präsidentenbündnis" der Parteien FLN, RND, MPA und TAJ; zum andern erklärten am 1.. Februar 2019 die Führung des Gewerkschaftsbundes UGTA, der Unternehmerverbände FCE, Cipa, CNPA, CAP, Unep, AGEA und UNI gemeinsam in Batna in einem Aufruf zur Errichtung "einer starken Volksfront": "Bouteflika ist unser Kandidat bei den Prä sidentschaftswahlen". Die bewusst geschürte Angst vor einer Rückkehr in die 1990er Jahre, in denen sich der Terror der Isla misten mit dem der Polizei vermischt und Zehntausende To desopfer In der Bevölkerung gefordert hatte, reichte aus, um jede ernsthafte Opposition zu ersticken. Ab Samstag, 16. Februar 2019, eine Woche nach der Ankün digung der Kandidatur von Abdelaziz Bouteflika, fanden jedoch die ersten spontanen Demonstrationen ge gen diese fünfte Amtszeit statt. Am Freitag, den 22. Februar 2019, versammelten sich spontan, unter Nutzung sozialer Netzwer ke, zehntausende Demonstranten, trotz ei nes Demonstrationsverbots. Studenten, Frauen, Arbeitslose, Arbeiter aller Art ste hen dabei in der ersten Reihe.. Seither wei ten sich die Demonstrationen trotz der Aufrufe zur Ruhe durch alle Stützen der Macht, trotz der Verhaftungen, trotz aller Drohungen, in ganz Algerien, aber auch in vielen anderen Ländern einschließlich Frankreich, aus. Die Journalisten verwei gern die Zensurmaßnahmen. Neben der Parole "Nein zur fünften Amtszeit" zielten bei den Protesten Schilder und Banner bald auf das gesamte Regime ab: "Hau ab, Regierung!". Die führenden Köpfe der FLN, die Unternehmer und die Generäle, die die Ölrente einstreifen, ohne die Wirtschaft zu entwickeln, die den Großteil des von den algerischen Arbeitern und Bauern erzeugten Reichtums monopolisieren, taktieren: sie beharren auf die Kandidatur von Abdelaziz Bouteflika und verpflichten sich gleichzeitig, sein Mandat zu verkürzen und in einem Jahr neue Präsidentschaftswahlen durchzuführen. Die regierungsnahe Zeitung El Moudjahid sieht darin "kein Manöver, sondern eine pragmatische Antwort...", aber das täuscht natürlich niemanden. Der Kampf zwischen diesem verhassten Regime und der großen Mehrheit der algerischen Bevölkerung hat also begonnen. Um zu gewinnen, bedarf es klarer Perspektiven: Um Demonstrationen zu schützen, insbesondere um Fest nahmen zu verhindern:
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Ordnerdienst der Demonstranten, Selbstverteidigung von Demonstrationen! Um die Regierung zu lähmen und Angriffe auf die Bewegung zu verhindern, müssen alle Gewerkschaftsverbände (UGTA, CSA, COSYFOP ...) aufgefordert werden, mit der BouteflikaRe gierung und allen bürgerlichen Parteien oder Kandidaten zu brechen. Sie müssen unverzüglich zum
Generalstreik für den Sturz des Regimes aufrufen. Um die Machtorgane zu besiegen, um diesem Regime ein En de zu setzen, ist es notwendig den Generalstreik in den Betrie ben und Verwaltungseinrichtungen zu beschließen und gewählte Komitees in den Unternehmen, Verwaltungen, Uni versitäten, Stadtteilen, Dörfern usw. zu errichten. Angesichts des Regimes, das über die Armee, die Polizei, viele Medien usw. verfügt Zentralisie rung aller Komitees der gewählten De legierten, deren Aufgabe es ist, den Kampf der Arbeiter und Jugendlichen zu vereinen und der Bewegung eine poli tische Führung zu geben, die ein Anwär ter auf die Macht der Arbeiter und Jugendlichen ist. Es gibt zahlreiche Forderungen, unter anderem die sofortige Erhöhung der Löhne, Renten, der Sozialhilfe und deren Indexierung entsprechend der Lebenshaltungskosten, gut bezahlte Arbeit für alle, alle demokratischen Freiheiten, die Kontrolle über alle Geschäftsbücher der Unternehmen, die Kontrolle über die Buchführung der Verwaltungen, über den gemeinsam produzierten Reichtum und dessen Verwendung! Und viele andere Forderungen von Arbeitern, Bauern, Jugendlichen, Frauen und Kabylen (Subgruppe der Berber).
Welche Regierung kann diese Forderungen erfüllen? Die Arbeiterklasse sollte die Führung der Bewegung übernehmen und sie anführen. Sie selbst hat jedoch die größte Schwierigkeit, eine Lösung zwischen der herrschenden bürgerlichen Fraktion und ihrer islamistischen Fraktion zu finden. Die PAGS, die ehemalige stalinistische Partei (Erbe der KPA, die die Unabhängigkeit abgelehnt hatte), explodierte 1993, ihr größtes Überbleibsel, die MDS, beruft sich nicht einmal mehr auf den weiter auf Seite 19