Klassenkampf Nr. 08

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SCHWERPUNKT: WIENER WAHLEN

K L A S S E N K A MPF Mitglied des Kollektivs Permanente Revolution CoReP

Z e it u n g f ü r R ä t e m a c h t u n d R e v o l u t io n Nummer 8

Herbst 2010

Gruppe Klassenkampf

WIENWAHL: BLUT UND BODEN - NEIN DANKE!

Preis 1,-- EUR

ANGRIFFE EUROPAWEIT: EIN ÜBERBLICK

Wir zeigen, wie die Bourgeoisien in Europa in langen Kämpfen erworbene Errungenschaften der Arbeiter angreifen. Ein Vorgeschmack für Österreich?

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GRIECHENLAND: NIEDER MIT DER REGIERUNG!

Strachula stoppen! Am 10. Oktober 2010 wird in Wien gewählt. Diese Wahl hat weit über den kommunalen Rahmen hinausgehende Bedeutung. Die von H.C. Strache angekündigte „Schlacht um Wien“ macht klar, worum es geht. Die reak­ tionäre, offen Richtung faschistischer Kleingruppen auszahnende FPÖ möchte diese politische Auseinandersetzung zum Barometer für ihr Durchsetzungsvermögen machen. In der Vorstufe zur „heißen“ Endphase des Wiener Wahlkampfs hat die FPÖ mit ih­ rem „Wiener Blut“­Plakat den Grundakkord ihrer Orientierung lautstark angeschla­ gen. Völkisches Blut­ und Boden­Denken, rassisch motivierter „Fremden“hass und der spätestens seit Straches Exorzistenauftritt bekannte christliche Kulturalismus sol­ len die potenziellen Wähler des blauen Lagers mobilisieren. Wer sind diese Wähler? Die „soziale Heimatpartei“ geht seit Jahren damit hausie­ Fortsetzung auf Seite 3

Die französische Sektion des Kollektivs Permanente Revolution (CoReP) hat in einer ausführlichen Analyse die jüngsten Klassenkämpfe in Griechenland untersucht.

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GLÜCKSSPIEL: ZOCKEN IN ZEITEN DER KRISE

In einer Glosse beschäftigen wir uns mit der Frage: Warum boomen Glücksspiele aller Art, und wer verdient daran?

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KLASSENKAMPF

CoReP: GKK tritt bei

Auf ihrer 1. Konferenz am 3. September hat die GKK Trotz der Notwendigkeit, zunächst intern programmatische den Beschluss gefasst, dem Kolletiv Permanente Revo­ Fragen zu klären, die Außenarbeit zu entwickeln, mit dem Mar­ lution beizutreten. Hier der entsprechende Antrag: xistischen Studienzirkel uns selbst und GenossInen aus unserem Umfeld zu schulen und theoretisch weiterzuentwickeln, haben Die GKK hat seit ihrem Bestehen eine klare internationalisti­ wir uns immer bemüht, klare Positionen zu internationalen Fra­ sche Orientierung eingenommen. Wir haben uns dabei von den gen zu entwickeln, Ideen leiten lassen, die Leo Trotzki 1930 in seinem Brief an die Durch die Mitarbeit eines Genossen des CoReP in der GKK hat Redaktion von „Prometeo” ausgedrückt hat: die Organisation die Möglichkeit bekommen, zu etlichen inter­ nationalen Fragen – Palästina, Iran, Erklärungen zum 1. Mai „Ihre Auffassung von Internationalismus scheint mir falsch zu 2009 und 2010, Griechenland, etc. ­ mit dem CoReP und seinen sein. Für Sie ist die Internationale letztlich die Summe der natio­ nationalen Mitgliedsorganisationen Diskussionen zu führen. Im nalen Sektionen oder ein Resultat der wechselseitigen Beziehun­ vergangenen Sommer haben Genossen der GKK an einer von der gen zwischen den nationalen Sektionen. Das ist eine zumindest französischen Groupe Bolchevik organisierten Kaderschulung einseitige, nicht dialektische und darum falsche Vorsstellung über die internationale kapitalistische Krise teilgenommen. Mit von der Internationale. Bestünde die kommunistische Linke in den Genossen von SOCIALIST FIGHT in Britannien, die in poli­ der ganzren Welt nur aus fünf Personen, so müssten diese tischer Solidarität mit dem CoReP stehen, haben wir ein gemein­ gleichwohl gleichzeitig mit einer oder mehreren nationalen Or­ sames Flugblatt für die LLL­Demonstration im Jänner 2010 in ganisationen auch eine internationale Organisation aufbauen. Berlin verfasst und verbreitet. Die nationale Organisation als das Fundament und die interna­ Ebenfalls haben wir in Grundzügen den Entwurf einer Platt­ tionale als ein Dach zu betrachten, ist falsch. Es handelt sich da form „Für eine neue ArbeiterInneninternationale, die auf den um eine Wechselwirkung ganz anderen Typs. Marx und Engels Lehren und Programmen des Bundes der Kommunisten, der begründeten 1847 die kommunistische Bewegung mit einem in­ Kommunistischen Internationale und der IV. Interationale“ dis­ ternationalen Dokument und mit der Gründung einer interna­ kutiert. tionalen Organisation. Gerade so ging es bei der Gründung der Wir können heute, im Rahmen unserer 1. Konferenz, feststel­ Ersten Internationale . (…) In der Epoches des Imperialismus len: Wir stimmen in allen wesentlichen Punkten mit dem CoReP kann eine revolutionäre proletarische Strömung natürlich in ei­ und seiner Perspektive des Aufbaus einer revolutionären Arbei­ nem Land früher entstehen und Gestalt annehmen als in einem terInneninternationale überein. Wir wollen daher in Zukunft ak­ anderen, aber in einem einzelnen Land kann sie nicht bestehen tiver und entscheidender in die Diskussionsprozesse des CoReP und sich entwickeln. Noch am Tage ihrer Gründung muss sie in­ und seine Praxis einbezogen werden. Aus diesem Grund be­ ternationale Verbindungen suchen oder schaffen, eine interna­ schließen wir, dem CoReP als Vollmitglied beizutreten. Wir ersu­ tionale Plattform und eine internationale Organisation, da man chen das BP des CoReP, unsere Mitgliedschaft zu bestätigen. nur auf diesem Wege herausfinden kann, ob eine nationale Poli­ Die 1. Konferenz der GKK, Wien, 3. September 2010 tik richtig ist. Eine Strömung, die jahrelang in nationaler Isola­ tion verharrt, verurteilt sich unweigerlich zur Degenation”.

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Fortsetzung von Seite 1 ren, dass sie die „neue Arbeiter­ partei“ sei – und dumpfbackige Journalisten helfen dabei, diese Story zu verbreiten. In Wirklich­ keit ist die FPÖ – wenn man ih­ ren Funktionärsklüngel betrachtet – in den Händen von ewig zu kurz gekommenen Kleinbürgern, Möchtegernauf­ steigern, die es dann doch nicht so ganz geschafft haben, freibe­ ruflichen Glücksrittern und dumpf­reaktionären Berufsaka­ demikern. Wie seinerzeit die klassischen deutschen Faschis­ ten hassen sie „die da oben“ ebenso, wie sie sich vor „denen da unten“, also vor allem der migrantischen ArbeiterInnen­ klasse, fürchten. „Denen da oben“ sind sie solange Feind, solange sie nicht zu den Futter­ trögen der wohldotierten Pos­ ten gelassen oder durch großzügige finanzielle Zuwen­ dungen unterstützt werden; ihr Hass nach unten ist da schon beständiger. Mit billiger Demagogie set­ zen sie bei komplexen Fragen an, bieten vereinfachte falsche Antworten als Lösungen an – und können so in ein ideologi­ sches Vakuum hineinstoßen, das die österreichische Sozialde­ mokratie in den letzten Jahr­ zehnten großteils selbst verschuldet hat. Die sozialde­ mokratischen FührerInnen, die konsequent das Geschäft der herrschenden Klasse besorgt und mittels Sozialpartnerschaft und Herrschaft über den Ge­ werkschaftsapparat die Arbei­ ter ruhiggestellt und letztlich paralysiert haben, sind die Hauptverantwortlichen für den

WIENWAHL: KEINE STIMME FÜR DIE BÜRGERLICHEN PARTEIEN! Aufschwung der rechten Popu­ listen. Schon Jörg Haider selig konn­ te mit flotten Parolen gegen die Bonzen punkten – dass er und seine Nachfolger, BZÖ und FPÖ nichts anderes wollten, als endlich selber einmal Bonzen zu werden, ist heute klar er­ sichtlich. Wo blau regiert, wird abkassiert – legal wie illegal, ist die Parole, wenn man ins frei­ heitliche Musterland Kärnten schaut. Das zentrale Problem – die Existenz hochbezahlter, je­ der Arbeit entfremdeter Staats­ und Parteifunktionäre, konnte und wollte eine Partei wie die FPÖ, die selbst eine „System­ partei“ ist, natürlich nicht ange­ hen. Tatsächlich haben sich im­ mer mehr ArbeiterInnen ange­ widert von den abgehobenen SP­BürokratInnen abgewandt; dass sie aber nicht zwangsläu­ fig die Manövriermasse der auf den Populismus setzenden Bourgeoisie sind, haben die ös­ terreichischen Werktätigen, mi­ grantische KollegInnen und Jugendliche zwischen 2000 und 2003 gezeigt, als sie gegen die bürgerliche „Wende mobil“ machten und zu hunderttausen­ den gegen die Zerschlagung des Pensionssystems auf die Straße gingen. Dass dieser Elan des Wider­ standes versandete und der De­ moralisierung Platz machte, müssen wir der sozialdemokra­ tischen Führung, und vor allem ihren GewerkschaftsbürokratIn­ nen anlasten. Durch ihre Inte­ gration in die Einrichtungen des bürgerlichen Staates haben

sie alles getan, um die Empö­ rung der betroffenen Arbeite­ rInnen und Angestellten von der Straße weg zu bringen, ha­ ben alles getan, um die Forde­ rungen von unten zu verwässern, haben den Auftrag der Belegschaften aus den Be­ trieben, den Pensionsraub zu verhindern, verraten. Nebenbei gesagt – kein Wunder, wo doch skrupellose Zocker den Streik­

1964 wurde in Istanbul das erste staatliche „Anwerbungs­ büro für Fremdarbeiter“ eröff­ net, um den österreichischen Kapitalisten neue, noch billige­ re Arbeitskräfte zuzuführen. Durch die von Haus aus festge­ schriebene Ungleichbehand­ lung wurde der Spaltung in der ArbeiterInnenklasse Tür und Tor geöffnet. Angedacht war ei­ ne klassische „hire­and­fire“­

Jugendsünde oder Beginn einer wunderbaren Freundschaft? Wehrsport mit H.C. fonds der österreichischen Ge­ werkschaftsmitglieder mit windigen Spekulationsgeschäf­ ten in den Sand gesetzt hatten … Genauso haben die sozialde­ mokratischen FührerInnen nichts getan, um die Spaltung der ArbeiterInnenklasse in in­ und ausländische KollegInnen zu überwinden. Im Gegenteil, als Sachwalter des Kapitals in diversen Regierungen haben sie wesentlich an fremdenfeind­ lichen Ungleichbehandlungsge­ setzen mitgewirkt.

Strategie: Kurzfristiges Herein­ holen von Arbeitskräften, die dann möglichst rasch wieder zurückgeschickt werden soll­ ten. Dass die Realität anders wurde, war absehbar – trotz­ dem geschah, auch unter sozi­ aldemokratischer Verantwortung nichts, um Ausgrenzung und Ghettobil­ dung zu verhindern. Seitens der Gewerkschaftsbürokratie wurde nichts getan, um die „Gast“arbeiterInnen in die be­ stehenden Strukturen zu inte­ grieren. Die Gleichstellung am weiter auf Seite 5

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KLASSENKAMPF Fortsetzung von S. 3 Arbeitsplatz wäre der erste we­ sentliche Schritt zu einer Gleichstellung in der gesamten Gesellschaft gewesen.

ausgerechnet beim Anblick isla­ spielt mit all diesen Manövern mischer Frauen mit Kopftuch langfristig nur der FPÖ in die zur Verteidigerin der weibli­ Hände. chen Menschenwürde; Politi­ Trotzdem ist nach wie vor die

H.C.AM VICTOR-ADLER-MARKT: In Wirklichkeit ist es mit der "Arbeiterfreundschaft" nicht weit her Die sozialdemokratische Poli­ tik orientierte sich dagegen voll an der rassistischen, bürgerli­ chen Spalterideologie: Den Mi­ grantInnen wurde die Zugehörigkeit zu „minderwerti­ geren“ Kulturkreisen unter­ stellt, rückständige patriarchalische Traditionen wurden nicht als Ausdruck ei­ ner spezifischen sozialen Ent­ wicklung in den Herkunftsländern begriffen, sondern als „nationale“ Merk­ male. (Wie tief der rassistische Fall von Sozialdemokraten in diesem Punkt gehen kann zeigt in diesen Tagen der deutsche Sozialdemokrat und Bundes­ banker Thilo Sarrazin, der so­ was wie einen genetischen Rassismus predigt). Dieser morastige Boden des Rassismus war für reaktionäre politische Bewegungen wie Hu­ mus. Die FPÖ, seit ihren Anfän­ gen geschworene Feindin von Frauenrechten, macht sich nun

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ker der „Leitkultur“, die selber keinen geraden deutschen Satz herausbringen, fordern zwin­ gende Deutschkenntnisse von Migrantinnen; die FPÖ, die als Regierungspartei Seite an Seite mit der ÖVP staatlichen Immo­ bilienbesitz an dubiose Private verscherbelt und dabei kräftig mitgeschnitten hat, weint nun in Wien Krokodilstränen um „Gemeindewohnungen für Aus­ länder“. Wir haben in der letzten Aus­ gabe des KLASSENKAMPF die „Wahlkampfzuckerln“ der Wie­ ner Sozialdemokratie unter­ sucht. Die Parteispitze rund um Bürgermeister Michael Häupl versucht, durch fischen im rech­ ten Sumpf WählerInnen zu mo­ bilisieren. Unterschwellig wird Angst vor AusländerInnen ge­ schürt und die „Herr im eige­ nen Haus“­Karte ausgespielt; die SPÖ versucht sich als („ver­ nünftige“) Law­and­order­Par­ tei zu positionieren – und

SPÖ in Wien diejenige Partei, die am stärksten in der arbei­ tenden Bevölkerung verankert ist. Trotz ihrer bürgerlichen Po­ litik (Stichwort: Privatisierung kommunaler Denstleistungen auf allen Ebenen plus die damit verbundenen Angriffe auf die kommunalen Bediensteten) se­ hen nach wie vor viele arbeiten­ de Menschen in der SPÖ immer noch „ihre“ Partei – ob­ wohl sie zu recht immer lauter murren und sich immer weni­ ger mit der SPÖ­Politik identifi­ zieren. Wir wissen aus vielen Gesprä­ chen und Diskussionen, dass – speziell nach der Rosenkranz­ Kandidatur bei den Bundesprä­ sidentenwahlen – viele arbei­ tende Menschen heute in Wien in erster Linie eines wollen: Strache und die FPÖ stoppen. Als Revolutionäre sagen wir: Wahlen ändern nichts am kapi­ talistischen System und seinen Übeln. Wahlzeiten sind aber

Phasen lebhafterer politischer Diskussion und Agitation. Prinzipiell lehnen wir jede Stimme für bürgerliche Partei­ en ab ­ „Die Befreiung der Ar­ beiterInnen kann nur das Werk der ArbeiterInnen sein“. Wir haben bisher – wenig er­ staunlich – noch keinen Arbei­ ter, keine Angestellte gefunden, die glaubt, mit einer Stimme für die scheintote ÖVP Strache aufhalten zu können; wohl aber gibt es KollegInnen, die Illusionen in die Grünen hegen. Auch wenn die Grünen in der „Ausländerfrage“ schein­ bar liberaler als die anderen Parteien sind, Übergriffe der Polizei und Justiz kritisieren, tun sie das dennoch von einem klar bürgerlichen Standpunkt aus. Sie wollen den Kapitalis­ mus nicht beseitigen, sie wol­ len ihn reibungsloser, menschlicher gestalten – und treten mit diesem utopischen Programm deshalb seit Jahren auf der Stelle. Jenen, die mit einer Stimme für die SPÖ den Vormarsch der halbfaschistischen FPÖ aufhal­ ten wollen, sagen wir: Gebt mit eurer Stimme der sozialdemo­ kratischen Bürokratie, die euch seit Jahrzehnten verrät, keinen Blankoscheck. Knüpft eure Stimmabgabe an bestimmte Forderungen – an Forderun­ gen wie die Erhaltung der Ar­ beitsplätze bei den Stadtwerken; die Rücknahme der Privatisierungen im kom­ munalen Bereich; den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs; die rechtliche und soziale Gleichstellung aller Menschen, die in Wien arbeiten oder ar­ beitslos sind, unabhängig von Nationalität, Geschlecht oder Religion; Bekämpfung der Bil­ dungsmisere durch Aufnahme zusätzlicher LehrerInnen und pädagogischer BetreuerInnen zwecks Senkung der Klassen­ schülerInnenzahlen und besse­ rer Lernbegleitung, auch in


KLASSENKAMPF den Sprachen der MigrantIn­ nen. Kampf gegen die Mietspa­ kulation, Enteignung leerstehender Spekualtionsob­ jekte; Ausbau des Gesundheits­ wesens. Erhöhung der kommunalen Steuern für Fi­ nanzdienstleister, Großunter­ nehmen und Handelsketten. Wir haben aber auch volles Verständnis dafür, dass Arbeite­ rInnen, Angestellte, Jugendli­ che kein Vertrauen in die SPÖ mehr haben und ihren Protest durch eine Stimme „links von der SPÖ“ ausdrücken wollen. Prinzipiell sind neben der SPÖ alle Organisationen, die aus der ArbeiterInnenbewegung hervor­ gegangen sind, wählbar, also auch die KPÖ, in Wien­Brigit­ tenau die SLP und in der Leo­ poldstadt die Kommunistische

Initiative. Wir haben keinen Grund, einer dieser Gruppie­ rungen gegegenüber der ande­ ren den Vorzug zu geben. Die KPÖ, Produkt und Teil der Krise des Stalinismus, prä­ sentiert sich als neue reformisti­ sche Kraft, die einerseits an die Traditionen der klassischen austromarxistischen Sozialde­ mokratie anknüpft, anderer­ seits die „zivilgesellschaft­ lichen“ Utopien der „fortschritt­ lichen Intelligenz“ bedient. Da­ bei umfasst die Partei bewusst Kräfte, die virulent proimperia­ listische, pro­EU­ und pro­Is­ rael­Positionen vertreten, einschließlich sog. "antinationa­ ler" Strömungen, die vollstän­ dig ins Lager der US­Neokonservativen überge­ gangen sind.

Laut einer im Juni 2010 durchgeführten Studie von Regio Plan­Consulting gab ein Durchschnittshaushalt in Österreich im Jahr 2009 EUR 1.020 für Glücksspiel aus. 2001 war es mit EUR 460 we­ niger als die Hälfte. Damit wird für die Zockerei aktuell mehr als doppelt so viel ausgegeben wie für Bildung (2009 EUR 440). Vor allem im Internet sind die Möglichkeiten, sein sauer verdientes Geld rasch beim Glücksspiel los zu werden, enorm gestiegen. Zudem schie­ ßen Wettbüros wie Schwam­ merl aus dem Boden und Automatenspiele boomen. Diese fatale Entwicklung spie­ gelt die gesellschaftlichen Ver­ hältnisse wider. Für die Lohnabhängigen wird der Ver­ kauf ihrer Arbeitskraft immer unattraktiver. Sozialversiche­ rungspflichtige Vollzeitar­ beitsplätze werden mehr und mehr zur Ausnahme, prekäre Arbeitsverhältnisse wie Schein­ selbstständigkeiten, Werkver­

träge oder geringfügi­ ge Be­ schäftigun gen nehmen überhand. Die Kolle­ gInnen aus der Industrie, die am Höhepunkt der kapitalisti­ schen Kri­ se 2008/200 9 auf die Straße ge­ setzt wur­ den, werden nun – da für die Er­ zielung von Mehr­ wert aus der Pro­ duktion wieder be­ nötigt – via Leih­ arbeitsfir­ men zu schlechteren Bedingungen wieder aufgenom­ men. Mieten und andere Le­ benserhaltungskosten steigen gleichzeitig weit über der Teue­ rungsrate an. Der einzige,

Die SLP, österreichische Sek­ tion des Komitees für die Arbei­ terinternationale, entstammt der Tradition der sich auf den Trotzkismus berufenden Mili­ tant­Strömung in England. Sie betrachtet die SPÖ als rein bür­ gerliche Partei. Ihr größtes Plus ist ohne Zweifel ihr ausgepräg­ tes antifaschistisches Engage­ ment, was sie nicht davon abhält, mit ihrer britischen Mutterorganisation konform zu gehen, die im letzten Jahr mit "Britische Arbeitsplätze für briti­ sche Arbeitnehmer"­Parolen ge­ meinsame Sache machte. Die KI verkörpert den stali­ nistischer Flügel der einstigen KPÖ, ihre verbal „orthodoxere“ Sprache kann nicht über diesen Charakter hinwegtäuschen. Sie ist daher auch jederzeit bereit,

ArbeiterInnenkämpfe einen vorgestellten "Kräfteverhält­ nis" zu opfern und orientiert sich vollständig an der Position der griechischen KP, die sich weigert, eine Einheitsfront für einen unbefristeten General­ streik und selbständige Vertre­ tungsorgane der ArbeiterInnenklasse zu bilden und so denWiderstand gegen die nationale und EU­Austeri­ tätspolitik desorganisiert. Generell können wir bei die­ ser Wahl nur empfehlen: Stimmt gegen Strache und sei­ ne FPÖ, stimmt für eine der Parteien, die ihre Wurzeln in der ArbeiterInnenklasse haben!

GLÜCKSSPIEL – GIFT FÜR DIE ARBEITERINNENKLASSE wenn auch trügerische Ausweg So verständlich die Verzweif­ scheint die Fütterung der lungsaktionen am einarmigen Glücksspielautomaten, die Zo­ Banditen sind – ein Ausweg aus dem Dilemma des real existierenden Kapitalismus sind sie nicht. Das Glücksspiel ist für den bürgerlichen Staat eine wichtige Einnahmequelle, um wieder – auf scheinbar le­ galem Weg – zugunsten der Ausbeuterklasse umverteilen zu können. Die Abschaffung und das Verbot des Glücksspiels wird eine der ersten Maßnahmen ei­ nes auf revolutionärem Wege zu schaffenden, neu aufzubau­ enden sozialistischen Staates sein. In einer sozialistischen Gesellschaft wird für Abzocker kein Platz mehr sein und die Menschen werden sich ohne ckerei im Internet oder das Aus­ Existenzängste sinnvollen Tä­ füllen des Lottoscheins zu sein. tigkeiten – ganz nach ihren Dadurch geraten die oft schon Wünschen und Bedürfnissen – spielsüchtigen Lohnabhängi­ widmen können. gen nur noch tiefer in die Schul­ denfalle.

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KLASSENKAMPF

Während Regierungsspre­ cher und Massenmedien europaweit beschwichti­ gend erklären, der Höhe­ punkt der kapitalistischen Weltwirtschaftskrise sei überschritten und der Auf­ schwung stünde, langsam, aber doch, vor der Tür, fegt in Wahrheit ein richtig­ gehender Sozial­Tsunami über Europa hinweg. Seit Ende Mai haben alle bür­ gerlichen Regierungen mit der Vorbereitung auf oder der Umsetzung von neuen „Sparpaketen“ begonnen, die drastische finanzielle und soziale Einbußen für die arbeitende Bevölke­ rung der jeweiligen Länder bedeuten werden. Unter dem Eindruck der Krise in Griechenland setzen die eu­ ropäischen Bourgeoisien zu einem neuen sozialen Kahlschlag an. Eines haben die Sozialatta­ cken gemein: Nach Außen wer­ den sie so hingestellt, als würden auch die „Reichen“ oder „privilegierte Staatsbe­ dienstete“ zur Kasse gebeten. So soll den Opfern des Kahl­ schlags Sand in die Augen ge­ streut und die potenzielle Abwehrfront der Lohnabhängi­ gen gespalten werden. ITALIEN: KAHLSCHLAG, GETARNT ALS PRIVILEGIENABBAU Treuherzig hatte SilvioBerlus­ coni noch im April erklärt, im Gegensatz zu Griechenland käme Italien auch ohne Sparpa­ ket aus der Krise. Zwar beträgt

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SOZIAL-TSUNAMI ÜBER EUROPA

das italienische Budgetdefizit 115 Prozent des BIP – ein Re­ kordwert im kapitalistischen EUropa ­ , das kann den Cava­ liere, laut Forbes­Ranking auf Rang 74 der Liste der reichsten Menschen dieses Planeten, aber kaum kümmern. Als Herr­ scher über die wichtigsten Mas­ senmedien Italiens weiß er, welche Botschaften hinüberge­ bracht werden müssen, um die gallbittere Pille der Austerität leichter verdaulich zu machen: Bei den Staatsausgaben sollen bis 2012 insgesamt 24 Milliar­ den Euro eingespart werden. Zum Beispiel, indem den Minis­ tern jener Teil des Gehalts, der 80.000 Euro übersteigt, um 10 % (!) gekürzt wird; oder durch 5­prozentige Gehaltskürzungen für Spitzenbeamte, die zwi­ schen 90.000 – und 130.000 EUR verdienen (wer noch mehr einsackt, soll 10% verlie­ ren). Vor allem aber sollen Stel­

len im Staatsdienst abgebaut werden. Wie sieht aber die Rea­ lität tatsächlich aus? Nach Schätzungen von Ken­ nern der italienischen Politsze­ ne sind rund 150.000 Menschen (Gesamteinwohner­ zahl: 60,3 Millionen) direkt ma­ terielle Nutznießer der politischen Sphäre des Staates: rund 35 Minister, 630 Abgeord­ nete im Senat, deren Sekretäre und Referenten; die politischen Verantwortlichen in den 20 Re­ gionen und 109 Provinzen und deren Zuarbeiter. Dass es unter diesen „Systemerhaltern“ ge­ nug Spitzenverdiener gibt, ist unbestritten – Spitzenfunktio­ näre des Staates, die jetzt schon über 90.000 EUR verdienen, würden jedenfalls eine minima­ le Kürzung ihrer über diesen Be­ trag hinausgehenden Bezüge lockerer wegstecken als die schlecht bezahlten Staatsbe­ diensteten im Gesundheits­

und Erziehungsbereich, in den Verwaltungen und der Infra­ struktur. PflegerInnen im staatlichen Gesundheitswesen verdienen im Schnitt 1.200 – 1.300 EUR, genau soviel wie Gymnasialleh­ rerInnen. Die Löhne der Indus­ triearbeiterInnen liegen bei rund 1.000 EUR. Diese Schich­ ten sollen – geht es nach Ber­ lusconis Plänen – in den nächsten drei Jahren keinen Anspruch auf Inflationsabgel­ tung mehr haben. Ein massiver Reallohnverlust wäre die Folge. Völlig katastrophal sind die Zukunftsaussichten der studie­ renden Jugend. Ein Großteil der Hochschulabsolventen wird schon heute mit prekären Zeitverträgen bei Löhnen um die 600 EUR abgespeist. Kein Wunder, dass es einen Exodus der italienischen Jugend ins Ausland gibt.


KLASSENKAMPF Im Juni 2010 hat die Arbeits­ losigkeit mit mehr als 2,2 Mil­ lionen Arbeitssuchenden den höchsten Wert seit 2001 er­ reicht. Bereits 2007 wurde das frühestmögliche Pensionsan­ trittsalter von 57 auf 61 Jahre hinaufgesetzt (damals noch un­ ter dem von den Reformisten unterstützten Premierminister Romano Prodi); heuer im Juni wurde, im Sinne einer „europa­ weiten Harmonisierung“, das Pensionsantrittsalter für Frau­ en im öffentlichen Dienst auf 65 Jahre erhöht und damit an das der mänlichen Staatsbe­ diensteten angeglichen. Die Stelleneinsparungen im öffentlichen Dienst werden vor allem das ohnehin seit Jahren immer weiter ausgehöhlte Ge­ sundheitssystem treffen. Das teils staatliche, teils regional verwaltete Gesundheitswesen leidet nicht nur unter der Kom­ bination der Defizite des Staa­ tes und der jeweiligen Regionalregierungen, Korrupti­ on und kriminelle Machenschaf­ ten zugunsten der medizintechnischen und phar­ mazeutischen Industrie haben wesentlich zur Zersetzung der Gesundheitsdienste beigetra­ gen. Wenig Gefahr besteht hinge­ gen für all jene, denen Finanz­ minister Tremonti mit der Eintreibung von Steuerschul­ den droht. Immerhin hat sein eigener Parteichef Berlusconi ja öffentlich die Meinung vertre­ ten, ab einem gewissen Steuer­ satz sei Steuerhinterziehung moralisch durchaus vertretbar. SPANIEN: SOZIALDEMOKRATEN ALS SPARMEISTER In Spanien, einem Land mit reicher klassenkämpferischer Tradition, stehen die Sozialde­ mokraten an vorderster Front der Attacken auf den Lebens­ standard der arbeitenden Mas­ sen. Am 26. Mai stimmten die

Cortes ­ das Parlament in Ma­ drid – mit nur einer Stimme Mehrheit für das „schmerzhaf­ te, aber unvermeidliche“ (Zitat: Finanzministerin Elena Salga­ do) Sparpaket von Premiermi­ nister José Luis Rodríguez Zapatero. Auch auf der iberischen Halb­ insel nutzt die Bourgeoisie das griechische Gespenst als Vor­ wand, um neue Angriffe auf Löhne, Pensionen und andere Sozialleistungen voranzutrei­ ben. Und wieder wird die mitt­ lerweile schon fast traditionelle Spaltungslinie zwischen öffent­ lichem Dienst und privater Aus­ beutung gezogen, um eine klassenweite Solidarität zu un­ terminieren. Heuer werden den öffentlich Bediensteten die Löh­ ne um 5 % gekürzt, für nächs­ tes Jahr wurde eine Nulllohnrunde verkündet. 13.000 Stellen sollen gekürzt werden – wo? Erraten: In ers­ ter Linie im Gesundheitsbe­ reich und im Erziehungswesen. 2007 hatten sich die bürgerli­ chen und reformistischen Par­ teien Spaniens überschlagen, als bürgerliche ExpertInnen vor einem „Geburtenknick“ warnten und die reaktionären Parteien demagogisch Alarm schlugen, weil immer weniger „echte spanische“ und dafür im­ mer mehr Kinder von Migran­ tInnen zur Welt kamen. Die sozialdemokratische PSOE hat­ te damals den Babyscheck von 2.500 EUR beschlossen (die bürgerliche, betont christliche, Volkspartei forderte 3.000,­­ EUR, die Grünen und Ex­Stali­ nistInnen gar 3.500 EUR, um der „Umvolkung“ entgegenzu­ wirken). Nach knapp zweiein­ halb Jahren ist das Wahlzuckerl hinfällig – im Na­ men der Krisenbekämpfung wurde der Babyscheck gestri­ chen. Während sich die PSOE­Re­ gierung bemüht, ihr Sparpaket als kurzfristige Rettungsaktion

für die maroden Finanzen des bürgerlichen Staates hinzustel­ len, fordert vor allem der deut­ sche Imperialismus noch schärfere Angriffe. Die Sozialde­ mokraten werden sich diesen Wünschen wohl kaum verschlie­ ßen …. PORTUGAL: MASSENSTEUERN MIT ROTER NELKE Als José Sócrates Carvalho Pinto de Sousa im März 2005 bei geringer Wahlbeteiligung die absolute Mehrheit für die portugiesische SP erringen

entspricht etwa dem BIP Ir­ lands, das allerdings halb so viele Einwohner zählt. Das BIP pro Kopf erreicht somit einen Wert von 15.600 Euro – das entspricht etwa 76 Prozent des EU­Durchschnitts. Wie die deutsche „WirtschaftsWoche“ anmerkt: „Damit zählt Portugal zu den ärmsten Staaten unter den langjährigen EU­Mitglie­ dern und tritt zunehmend in Wettbewerb mit Billiglohnlän­ dern in Osteuropa“. Ministerpräsident Sócrates kündigte nach Verhandlungen mit der Opposition eine Anhe­ bung der Einkommenssteuern um 1,0 bis 1,5 Prozentpunkte

ITALIEN (Bild links), SPANIEN:Aktionstage sind zuwenig... konnte, sprachen freundlich ge­ sinnte liberale Beobachter be­ reits von einem neuen „sozialdemokratischen Jahr­ zehnt“ auf der iberischen Halb­ insel. Eines der ärmsten europäischen Länder bekam da­ mit eine Regierung, die mit Ver­ sprechungen an die ArbeiterInnen und Liberalisie­ rungen im Überbaubereich ei­ ne effiziente kapitalistische Modernisierungspolitik ver­ suchte. Portugal erzielt bei 10,6 Mil­ lionen Einwohnern ein Brutto­ inlandsprodukt (BIP) von 166 Milliarden Euro (2008). Das

bis Ende 2011 an. Ausgenom­ men von dieser Maßnahme bleiben die ärmsten Schichten der arbeitenden Bevölkerung, die weniger als 475 Euro ver­ dienen. Sie werden aber trotz­ dem zur Kasse gebeten – über indirekte Steuern. Sócrates' Regierung erhöht nämlich die Mehrwertsteuer von 20 auf 21 Prozent. Als Ablenkungsmanö­ ver wurde in der Erklärung des sozialdemokratischen Premiers allerdings vor allem die „Kri­ sensteuer“ für Betriebe, die mehr als zwei Millionen Euro Gewinn machen, unterstrichen. Gerade in ärmeren Ländern

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KLASSENKAMPF sind aber der unmittelbaren Ausplünderung der arbeiten­ den Menschen natürliche Gren­ zen gesetzt. Sparen und Steigerung der Ausbeutung sind daher nur eine Seite der Medaille – Privatisieren die an­ dere. Sechs Milliarden Euro wollen Sócrates' Sozialdemokra­ ten durch den Verkauf von Tei­ len der nationalen Fluglinie TAP, der Post, und ganzer Streckenteilen der Bahngesell­ schaft CP sowie durch die File­ tierung anderer Staatsunternehmen hereinspie­ len. GROßBRITANNIEN: „NEW TORIES“ GEBEN SICH AUSGEWOGEN Permanent hämmern die der britischen Koalitionsregierung nahestehenden Blätter der Be­ völkerung ein: „Conlib“ (Kon­ servative und Liberale) müsse mit der Misswirtschaft von New Labour aufräumen – und das sei schmerzhaft. Tatsächlich lässt der von Schatzkanzler George Osborne im Mai verkündete „Notfalls­ plan“ keinen Zweifel daran, wer für die Krise zahlen muss: Die ArbeiterInnen, und sogar jene, die keine Arbeit (mehr) haben. Die härteste Maßnahme ist die Anhebung der Mehrwert­ steuer von 17,5 auf 20 % mit Be­ ginn 2011. Sozialausgaben wie die Wohnungszuschüsse oder das Kindergeld werden gekürzt oder eingefroren. Osborne gibt auf der einen Seite unumwun­ den zu, dass nur neue Massen­ steuern die Budgetziele der liberal­konservativen Koalition möglich machen: Bis 2015 soll die Neuverschuldung Britanni­ ens bei 1,1 % des BIP liegen. 77 Prozent der Defizitreduktion soll durch Einsparungen, 23 Prozent durch Steuererhöhun­ gen bewerkstelligt werden. Da­ mit versuchen die

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GEFAHR RASSISMUS: Keine Spaltung entlang nationaler Grenzen

Konservativen in der Regie­ rung an ihrem neuen Image zu arbeiten: Sparmaßnahmen sol­ len alle treffen (so wird etwa die jährliche Apanage der Queen von läppischen 9,5 Mil­ lionen EUR nicht erhöht – shocking!). Sie wollen den Gruftgeruch der Eisernen Lady Margaret Thatcher und ihrer Politik der brutalen Zerschla­ gung sozialer Errungenschaf­ ten loswerden und sich als „New Tories“ positionieren. DEUTSCHLAND: EISKALTE „SPAßGESELLSCHAFT“ Glaubte man nach Hartz IV, der Gipfel der sozialen Aussa­ ckelei sei erreicht, belehrte die schwarz­gelbe Koalition An­ fang Juli die Arbeitslosen, ALG­EmpfängerInnen und Lohnabhängigen eines schlech­ teren: Bis 2014 wollen die christlich­konservativen und ih­ re liberalen Bündnispartner 80 Milliarden Euro einsparen – laut Kanzlerin Angela Merkel die Voraussetzung, um den „In­ dustriestandort Deutschland“ zu sichern und „Arbeitsplätze und Zukunftsinvestitionen“ zu

schaffen. Offenbar schwebt der deutschen Bourgeoisie eine neue Form der Politik der ver­ brannten Erde vor: Zunächst werden so viele Arbeitsplätze wie möglich vernichtet, damit man nachher jeden „neu ge­ schaffenen“ Arbeitsplatz mit Pomp feiern lassen kann. Während die Konservativen immer gerne salbungsvoll das Wort „Familie“ im Munde füh­ ren, zeigt ihre Politik klar und deutlich, dass sie dem Profit der Kapitalistenklasse jederzeit alle hehren Werte opfern: Das Kindergeld wird gekürzt, für Be­ zieher des Arbeitslosengeldes II überhaupt gestrichen. Statt dessen kam Bundessozialminis­ terin Ursula von der Leyen mit einem unverfrorenen Plan her­ vor: Hartz IV­Beziehern soll der Kinderzuschuss – zumin­ dest teilweise – in Form von Gutscheinen für Theater, Muse­ en, Sportvereine etc. ausbe­ zahlt werden, um zu gewährleisten (!!!), dass die Kinder in ihrer sozialen Ent­ wicklung nicht behindert wür­ den! Hintergrund ist die freche Behauptung, dass Langzeitar­ beitslose das Kindergld ohne­ hin nur in

Unterhaltungselektronik oder Alkohol investierten! Pflichtleistungen der Bunde­ sagentur für Arbeit sollen in „Ermessungsleistungen“ umge­ widmet werden – der Behör­ denwillkür bei der Sozialhilfe wird damit ein neues Einfall­ stor geöffnet. Wenn FDP­Vor­ sitzender Guido Westerwelle, widerwärtiger Repräsentant der Schickeria­Spaßgesell­ schaft, nun jammert, „wir ha­ ben über unsere Verhältnisse gelebt“, meint er sicher nicht die Angehörigen der neurei­ chen Freizeit­ und Party“kul­ tur“, sondern verarscht damit diejenigen, die von ein paar hundert Euro im Monat da­ hinvegetieren sollen. Lachhaft sind die angeblich „gerecht“ verteilten Lasten alle­ mal – die Luftverkehrs­ und die Brennelemente­Steuer wer­ den jedenfalls die deutsche Bourgeoisie mit Sicherheit nicht wirklich ärmer machen. FRANKREICH: SARKOZYS DOPPELSPIEL Eine Lektion in Sachen euro­ päischer Einheit erteilte Frank­ reichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy seinen bürgerlichen deutschen PolitikerkollegIn­ nen. Durch seinen Minister für wirtschaftliche Belebung, Pa­ trick Devedjian ließ er Angela Merkel ausrichten, er werde ihr in Sachen Sparpaket nicht nacheifern. Frankreichs Ver­ schuldung sei zwar „vergleichs­ weise groß“, aber kein Problem. Sie ruhe „auf der Wirtschaft einer großen Nati­ on“, die fällige Zahlungen ohne Weiteres leisten könne (zitiert nach: FAZ, 8. 8. 2010). Als Retourkutsche sagte Merkel daraufhin einen ge­ meinsamen Pressetermin mit Sarkozy in Berlin ab. Licht auf den Hintergrund der Verstim­ mung warf ein Artikel im „Le Monde“: Es sei fraglich, ob das


KLASSENKAMPF harte Sparpaket in Deutschland für die EU gut wäre, denn Ber­ lin sei gebeten worden, die Bin­ nennachfrage anzukurbeln, um auch schwächeren EU­Mit­ gliedsstaaten einen Absatz­ markt zu bieten. Allerdings kann Sarkozy leicht den generösen Freund des Volkes spielen. Statt eines Sparpakets mit großem Pauke­ schlag kann er seine gesamte Amtszeit als Periode der unun­ terbrochenen Angriffe auf die Sozialleistungen vorweisen. So plant die Regierung Sarkozy­Fil­ lon­Woerth jetzt eine neuerli­ che Hinaufsetzung des Pensionsantrittsalters …

sollen drastische Verlängerun­ gen der Lebensarbeitszeit be­ kannt gegeben werden. Unverhohlen wird die herr­ schende Klasse von Sparmaß­ nahmen nicht nur ausgenommen, sondern frech begünstigt: Die Unternehmens­ steuern werden von 19 auf 10 % fast halbiert, mit einer neuen „Flat Tax“ werden die besser ver­ dienenden steuerlich entlastet.

Mitte Juni hat die neugewähl­ te konservativ­reaktionäre Re­ gierung der ungarischen FIDESZ unter Victor Orban ein brutales Sparpaket verkündet. Hatte die FIDESZ im Wahl­ kampf die Krise noch kleingere­ det, „entdeckten“ die reaktionären bürgerlichen Par­ teien nach den Wahlen plötz­ lich ein Budgetdefizit von 7,5 % des BIP. Die Folge war – nach dem Schock der griechischen Krise – eine kurzfristige Panik an den internationalen Börsen und ein Kursverfall des Euro. Orban kündigte an, das Bu­ degtdefizit auf 3,8 % des BIP senken zu wollen – zahlen sol­ len die ArbeiterInnen. Mit ei­ nem Federstrich wurde in bestehende Arbeitsverträge ein­ gegriffen: In Staatsbetrieben werden die früher von der Be­ schäftigsdauer abhängigen Ab­ fertigungen auf maximal 2 Monatsgehälter begrenzt – dar­ über hinaus zustehende Abferti­ gungen werden zu 98 % wegbesteuert! Für aktiv Be­ schäftigte werden im öffentli­ chen Dienst die Bezüge um 15% gekürzt; bis Ende des Jahres

Und wo bleibt der Wider­ stand? „Na ja, das ist zwar alles wirk­ lich arg, aber zum Glück gibt’s ja doch auch Widerstand – Ge­ neralstreiks in Frankreich, Itali­ en, Massenstreiks in Portugal. Man kann also eh was ma­ chen“, wird vielleicht die eine oder andere Leserin, der eine oder andere Leser jetzt sagen. Natürlich ist Widerstand ge­ gen die Unternehmeroffensive notwendig und möglich. Ent­ scheidend ist nur, wie, mit wel­ chen Methoden und welchen Zielen dieser Widerstand orga­ nisiert und geführt wird. Eines müssen wir klar aus­ sprechen: Weder die angebli­ chen bisherigen „Generalstreiks“ noch die „Akti­ onstage“ vereinzelter Gewerk­ schaften in den betroffenen Ländern können und wollen die neue Belastungswelle stop­ pen. In den lateineuropäischen Ländern bestehen hauptsäch­ lich Richtungsgewerkschaften, die mit den verschiedenen bür­ gerlichen ArbeiterInnenpartei­ en verbunden sind oder

teilweise von ZentristInnen be­ einflusst sind (z.B. die SUD­Ge­ werkschaften in Frankreich). Die bestehenden Gewerkschaf­ ten sind keine Instrumente zum Sturz des Kapitalismus.

– Parteien, die von ihrer Ent­ stehung her aus der Arbeite­ rInnenklasse kommen, aber (zumeist ab 1914, als die meis­ ten SPen die imperialistsche Kriegspolitik „ihrer“ nationalen

Historisch entstanden, um im Rahmen des Kapitalismus den Verkauf der Ware Arbeitskraft zum bestmöglichen Preis zu er­ möglichen (inklusive der Anhe­ bung des kulturellen Lebensniveaus der arbeitenden Bevölkerung), können Gewerk­ schaften nur dann Hebel zum Sturz des Kapitalismus werden, wenn sie unter revolutionärer Führung stehen – und dazu be­ darf es erst einmal einer revolu­ tionären ArbeiterInnenpartei, die in allen Phasen ihrer Entste­ hung und Entwicklung den Kampf gegen die reformistische Gewerkschaftsbürkratie führt. Wir schätzen den Großteil der europäischen sozialdemo­ kratischen Parteien als bürgerli­ che ArbeiterInnenparteien ein

Bourgeoisien unterstützten) im Laufe ihrer Entwicklung zu Sachwaltern der herrschenden Klasse innerhalb der Arbeite­ rInnenklasse geworden sind. Das, was von den einst mächti­ gen stalinistischen Parteien übergeblieben ist, verwandelte sich in „Sozialdemokraten 2. Wahl“. Wie die erste Garnitur der Arbeiterverräter haben sie eine Höllenangst vor dem So­ zialismus und können sich bes­ tenfalls eine „Modernisierung“, „Zähmung“ des Kapitalismus vorstellen. Ihre jahrzehntelang Servilität gegenüber der Kreml­Bürokratie machen sie durch eine besonders zynische Distanzierung von Grundposi­ tionen des Marxismus wett, um sich der herrschenden Klasse

WIDERSTAND?!?

Die Liste der Belastungen lie­ ße sich beliebig fortsetzen – in allen Ländern Europas steigern die KapitalistInnen und ihre po­ litischen Marionetten in den Re­ UNGARN: MASSIVE ANGRIF- gierungen Tempo und Schärfe FE AUF ARBEITERINNEN der Angriffe auf die Lohnabhän­ DURCH REAKTIONÄRE gigen, die Jugend, die Frauen, FRONT die MigrantInnen …

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KLASSENKAMPF besser andienen zu können. Vie­ le ZentristInnen (auch solche, die sich selbst als TrotzkistIn­ nen bezeichnen) sind in dieser Bewegung hin zur bürgerlichen Respektibilität nachgerückt: Sie machen sich zu Herolden bürgerlicher Gesundbeter wie der Sozialforen und kritisieren eifrig den „Neoliberalismus“, um der lästigen Kritik am Kapi­ talismus auszuweichen. Von den FührerInnen dieser Strömungen ist also nichts Gu­ tes zu erwarten. Andererseits ist es ein unübersehbares Fak­ tum, dass vor allem Sozialdemo­ kratie und Ex­Stalinismus nach wie vor in vielen Ländern wich­ tige Teile des Proletariats an sich binden können. Durch ihre Politik haben sie das proletari­ sche Klassenbewusstsein zer­ setzt, die arbeitende Bevölkerung entpolitisiert und damit teilweise von sich wegge­ trieben – in die Arme reaktio­ närer oder faschistischer „PopulistInnen“. Gleichzeitig ga­ rantiert ihnen diese Zerstörung des Klassenbewusstseins den Zugriff auf arbeitende Schich­ ten: Jahrelang haben sie gepre­ digt, dass der Kapitalismus eh ganz OK wäre, dass man ihn

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besser machen könne, Aus­ wüchse der Ausbeutung be­ schneiden könne und müsse. Soziale Gleichheit? „Eine Illusi­ on“ ­ eine „Abflachung der Ein­ kommenspyramide“ ist schon das revolutionärste, wovon SP­ BürokratInnen manchmal träu­ men. Dementsprechend sind wir keineswegs erstaunt, dass bür­ gerliche Regierungen – mit oder ohne sozialdemokrati­ scher oder ex­stalinistischer Re­ gierunsbeteiligung, wohlgemerkt! ­ europaweit den gleichen reaktionären „Sparkurs“ fahren. Nebenbei – dieses zeitliche Zusammenfal­ len ist keineswegs der Beweis für die in manchen ex­stalinisti­ schen und zentristischen, aber auch reaktionären und populis­ tischen Kreisen gepflegte Ver­ schwörungstheorie von den bitterbösen Eurokraten in Brüs­ sel, die als heimliche Strippen­ zieher hinter den Sparpaketen stehen. Dass in Zeiten einer weltweiten Krise die Kapitalis­ tInnen synchron die ArbeiterIn­ nen angreifen, gleichzeitig aber die Krise auch auf Kosten ihrer imperialistischen Mitbewerbe­ rInnen eindämmen wollen, ist

eher der Beweis dafür, dass na­ tionale Grenzen und Widersprü­ che nicht geringer, sondern stärker werden. Der Kampf gegen den Sozial­ Tsunami kann nur durch den einheitlichen Kampf der Arbei­ terInnen gewonnen werden. Da­ her müssen – jeweils den nationalen Besonderheiten ent­ sprechend – folgende Forderun­ gen im Mittelpunkt des Widerstandes stehen: ­ Gewerkschaftsführungen – brecht mit der Bourgeoisie! Kei­ ne Verhandlungen über Sparpa­ kete, keine Mithilfe bei der kapitalistischen Sanierung! ­ Sozialdemokratische, sozia­ listische, aus der ArbeiterInnen­ bewegung kommende Parteien – brecht mit der Bourgeoisie, bildet, gestützt auf die Gewerk­ schaften, Regierungen ohne bürgerliche MinisterInnen – Regierungen, die einzig und al­ lein der ArbeiterInnenklasse und den Schichten, die sie un­ terstützt, verantwortlich sind! ­ ArbeiterInnen, Jugendliche, arme bäuerliche Schichten – bil­ det Abwehr­ und Kampfkomi­ tees gegen die Angriffe der Bourgeoisie, gegen die Übergrif­

fe von Polizei, Armee und reak­ tionärer Banden! ­ Generalstreik bis zur Rück­ nahme aller Verschlechterun­ gen! Rücknahme aller Angriffe auf die Lebensarbeitszeit, die Pensionen und die Arbeitslo­ senunterstützung! ­ Schluss mit der Spaltung der ArbeiterInnenklasse in Frauen und Männer, jung und alt, unterschiedlicher Nationa­ lität oder Religion – ein Feind, ein Kampf! Diese Forderungen sind, wie gesagt, nur das Skelett konkre­ ter Aktions­ und Kampfpro­ gramme. Ihre Linie ist die der ArbeiterInneneinheitsfront, der Selbstorganisierung der Massen, des Bruchs mit der Bourgeoisie. Der Kampf für diese Forderungen ist zugleich der Kampf für den Aufbau ech­ ter revolutionärer ArbeiterIn­ nenparteien und der revolutionären ArbeiterInnen­ internationale, die den Weg frei für die Machteroberung durch das Proletariat und den Sozialismus machen werden.


KLASSENKAMPF ERKLÄRUNG DER GROUPE BOLCHEVIK (CoReP Frankreich)

Generalstreik bis zur Rücknahme des Austeritätsplans der Regierung Papandreou! ArbeiterInnen- und BäuerInnenregierung! Vereinigte Sozialistische Staaten von Europa! EINE MACHTÜBERGABE VON ND AN PASOK Die Parlamentswahlen in Griechenland im Oktober 2009 ha­ ben wie 2004 in Spanien, 2008 in den USA und 2010 in Großbri­ tannien einen Pendelausschlag gebracht: Giorgios Papandreou (PASOK) ersetzt Kostas Karamanlis (ND), der seit 2004 an der Regierung war. Ein altes, traditionelles Presseorgan der briti­ schen Bourgeoisie beschreibt wenig schmeichelhaft das politi­ sche Personal des griechischen Kapitalismus: Sei es mit Furcht oder mit Hoffnung ­ zahlreiche Griechen zie­ hen einen Bruch des politischen Systems in Betracht, das mehr als ein Jahrhunderts besteht und in dem zwei politische Lager (traditionell die linke Mitte und die rechte Mitte, aber beide dem Klientilismus und der Bestechung verschworen) die öffent­ lichen Mittel plündern, um ihren jeweiligen Rivalen auszuste­ chen . (The Economist, 8. Mai 2010) Allerdings sind die « politischen Systeme » Großbritanniens, der Vereinigten Staaten, Frnkreichs oder Deutschlands nicht so unterschiedlich : wchseln sich dort nicht auch « Mitte­Links »­ oder « Mitte­Rechts »­Parteien (oder Koalitionen) an der Regie­ rung ab, die gleichfalls gierig danach sind, von offiziellen Posten zu profitieren und mit der privilegierten und ausbeuterischen Minderheit der Gesellschaft verbunden sind? Die Besonderheiten des politischen Systems Griechenlands las­ sen sich aus Geschichte und Wirtschaft erklären. Die griechische

Bourgeoisie ist seit ihrer späten Entstehung im Rahmen des os­ manischen Reiches durch ihre Randlage, ihre schwache indus­ trielle Basis und die Einmischung fremder Mächte geschwächt. Aus dieser wirtschaftlichen Schwäche der Bourgeoisie ergeben sich ihre Schwierigkeiten bei der Durchsetzung ihrer politischer Hegemonie über die anderen Klassen. Daher die häufige Ver­ wendung von direkter Gewalt gegen die ArbeiterInnenklasse : Kollaboration mit den italienischen FaschistInnen und deut­ schen Besatzern von 1940 bis 1944, Bürgerkrieg mit Unterstüt­ zung der britischen und der amerikanischen Armee von 1944 bis 1949 ; von den US­Geheimdiensten unterstützte Militärdiktatur von 1967 bis 1974 ... Daher rühren auch die Zugeständnisse an das Kleinbürgertum (was wiederum die Akkumulation des Kapi­ tals behindert) und die Monopolisierung des parlamentarischen Lebens und der Regierung durch einige Familien. Ihre Wahl­ hochburgen werden oft als erbliche Lehen angesehen. So wird "Mitte rechts" von einer alten bürgerlichen politi­ schen Dynastie verkörpert, den Karamanlis. Als Konstantin Ka­ ramanlis 1974 von der Militärjunta an die Macht gerufen wird, wandelt er die Überreste der Nationalen Radikalen Union in die Neue Demokratie (ND) um. Nebenbei beseitigt er die Monar­ chie ­ womit in diesem Punkt Griechenland Großbritannien überholt. Was die "Linke Mitte" betrifft, wird diese von einer anderen bürgerlichen Politikersippe angeführt, den Papandreous. Andre­ as Papandreou, ein ehemaliges Mitglied der Zentrumsunion und

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KLASSENKAMPF ehemaliger Minister, gründete am Ende der Militärdiktatur die Panhellenische Sozialistische Bewegung (PASOK). Wenn "Pan­ hellenisch" deutlich den Nationalismus ausdrückt, soll der Be­ griff "sozialistisch" mit Unterstützung der europäischen Sozialdemokratie (die aus der Arbeiterklasse entstanden ist, sie aber seit einem Jahrhundert verrät) die Arbeiterinnenklasse täu­ schen. Die Karamanlis und die Papandreous regierten abwech­ selnd während 32 von 53 Jahren das Land. DAS SCHWACHE GLIED DER « EURO-ZONE » Im Jahre 2009 bekommen der Tourismus und die Handels­ schiffahrt die Krise besonders zu spüren, das BIP sinkt um 2,6 %, und die Arbeitslosigkeit steigt auf über 9 % . Die Regierung von Karamanlis erweist sich als unfähig, die Brandstiftungen der Sommer 2007 und 2009 zu beenden, knüppelt die Jugend wäh­ rend des Winters 2008­2009 nieder und versucht ab 2009, die ArbeiterInnen und auch die prekär Beschäftigten die Folgen der weltweiten kapitalistischen Krise aubaden zu lassen. Während der Kampagne für die Parlamentswahlen gibt Papandreou vor, dass er die Wirtschaft durch Gehaltserhöhungen ankurbeln und die soeben vom Staat geretteten Banken zwingen werde, Geld zu verleihen, um die Stimmen der ArbeiterInnen zu gewinnen. Wie die starke Wahlenthaltung bezeugt (30 % in einem Land mit Wahlpflicht), resultiert die Wahlniederlage der ND vom Ok­ tober 2009 nicht sosehr aus den Illusionen in die PASOK, son­ dern aus der Ablehnung der Regierungspolitik der ND durch eine Mehrheit der Bevölkerung. Der Parlamentarismus und sei­ ne Regierungswechsel dienen ja gerade dazu, um die Spannun­ gen zwischen den Klassen ­ und jene innerhalb der herrschenden Klassen ­ im Rahmen des bürgerlichen Staates zu halten. Zusätzlich muss die Bourgeoisie regieren können, und das Proletariat muss die Bourgeoisie regieren lassen. Bei ihrem Amtsantritt anerkennt die Regierung ein Haushalts­ defizit von 10 % des BIP und eine Staatsschuld von fast 300 Mil­ liarden Euro ­ 113,4 % des BIP ­ , das die Europäische Kommission ebenfalls gerade im Begriff zu entdecken ist. Im De­ zember lehnt Papandreou ab, sich an den Internationalen Wäh­ rungsfonds (IWF) zu wenden, er beschließt einen Privatisierungs­ und Austeritätsplan (Einfrieren der Gehälter und der Pensionen im öffentlichen Dienst von mehr als 2.000 Euro); im Februar verschärft die Regierung den Sparplan (völli­ ges Einfrieren der Gehälter der Beamten, Hinaufsetzung des Pen­ sionsantrittsalters, Erhöhung der Steuern auf Treibstoffe); im März vertieft sie den Angriff auf die Lohnabhängigen (Einfrieren aller Beamtenpensionen und der Gehälter im Privatsektor, Steu­ ern auf den Privatkonsum); im Mai vervollständigt die Regie­ rung den Plan zur Zerschlagung des Pensionsrechts (das Rentenalter wird auf über 65 Jahre hinaufgesetzt, Pensionsan­ spruch kann erst mit 40 statt bisher 37 Beitragsjahren geltend ge­ macht werden, die Pensionen werden um 30 % gesenkt, eine neue Steuer auf Pensionen von mehr als 1. 400 Euro wird einge­ führt). Im April beginnt die Regierung die Verhandlungen mit dem IWF und der Europäischen Union (EU). Jedoch steigt der Zinssatz, dem der griechische Staat zustimmen muss, um Geld auf den internationalen Kapitalmärkten aufnehmen zu können, unaufhörlich an. Im Januar übersteigt er die Schwelle von 6 %

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für 1ojährige Obligationen; Anfang Mai überschreitet der Zins­ satz 10 % für die 10jährigen Obligationen und 15 % für die Obli­ gationen mit einer Laufzeit von 2 Jahren. Der französische Präsident Sarkozy gibt „der Spekulation“ die Schuld, und in seinem Gefolge tun das auch die Führungskräfte der verletzlichsten kapitalistischen Volkswirtschaften und all je­ ne (von den FaschistInnen bis zu den Renegaten des Trotzkis­ mus), für die das Problem die „Finanzen“ und der „Liberalismus“ sind. Gemäß der Mehrzahl der Gewerkschaftsbü­ rokratien und zahlreicher reformistischer Parteien könnte der nationale Kapitalismus den Wohlstand gewährleisten, indem er die kapitalistische Wirtschaft verstaatlicht und die Grundsätze des bürgerlichen Wirtschaftsexperten Keynes befolgt (die Infla­ tion, das Haushaltsdefizit, den Protektionismus…). Sicherlich verbreitert die Spekulation die Schwankung von Preisen und Zinssätzen. Aber sie kann nicht abgeschafft wer­ den, ohne den Kapitalismus zu beseitigen. Solange dieser über­ lebt, werden KapitalistInnen das Sinken oder den Anstieg von Finanztiteln, der Rohstoffpreise, von Immobilien… vorhersehen und dadurch auf Kosten anderer KapitalistInnen gewinne erzie­ len können. Ob sie von Erfolg gekrönt sind oder sich gegen sie wenden ­ die Manöver der Spekulanten gehen oft von wirklichen Tatsachen aus. In diesem Fall schätzen die Finanzgruppen (Ban­ ken, Versicherungen, Pensionsfonds…), welche den bürgerlichen Staaten Anleihen gewähren, angesichts der begrenzten wirt­ schaftlichen Basis Griechenlands und der Höhe seiner öffentli­ chen Verschuldung ­ ohne über den Widerstand der Arbeiter zu sprechen ­ die Situation so ein, dass der Staat Schwierigkeiten haben wird, seinen Verpflichtungen nachzukommen (den jährli­ chen Schuldendienst zu bedienen und die fällig gewordenen An­ leihen zurückzuzahlen). Sie ziehen es also vor, die griechischen Schuldtitel weiterzuverkaufen. DIE PANIK DER BÖRSEN UND DIE UNRUHE DER REGIERUNGEN DER IMPERIALISTISCHEN LÄNDER Die bürgerlichen Staaten haben selbst die Voraussetzungen für die « Spekulation » und « die Erpressung der Märkte » ge­ schaffen. Zunächst gingen alle Regierungen von der Ansicht aus, dass ihre kapitalistischen Konzerne von der Explosion der Kapi­ talmärkte in den achziger Jahren profitieren müssten. Außer­ dem haben die kapitalistischen Staaten ihre Banken und ihre Versicherungsgesellschaften im Jahre 2007 und 2008 gerettet, ohne sie zu verstaatlichen. Weiters rühren die Defizite und die Verschuldung von der zunehmenden Ablehnung der Reichen her, Steuern zu zahlen. Schließlich gewähren die Zentralbanken weiterhin den Banken ermäßigte Leitzinssätze, ganz den keyne­ sianischen Regeln folgend. Folglich können die Banken, die in den Vereinigten Staaten oder in Großbritannien zuhause sind, kurzfristig um 0,5 % bei der Fed oder der Bank of England lei­ hen, die Banken in den 16 Staaten der Eurozone um 1 % bei der Europäischen Zentralbank (EZB). Und alle können so langfristig dem deutschen Staat um 3 %, dem amerikanischen Staat um 3,5 % … oder dem griechischen Staat um 10 % lang­ und um 15 % mittelfristig leihen. Im März 2009, auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise, verweigert das offizielle Leitungsorgan der Europäischen Union,


KLASSENKAMPF der Europäische Rat, der die Regierungschefs der 27 Mitglieds­ staaten umfasst, jede Hilfe für die zentraleuropäischen Länder. Ungarn und Lettland sind gezwungen, sich an den Internationa­ len Währungsfonds (IWF) zu wenden. Dass dieser an seiner Spitze einen Sozialdemokraten, Dominique Strauss­Kahn, hat, ändert nichts an den vom IWF gestellten Bedingungen: Die Dar­ lehen, die Lettland, Ungarn und Serbien (Aufnahmekandidat in die EU) gewährt werden, sind an die üblichen drastischen Maß­ nahmen (Kürzung der Sozialleistungen, Senkung der Beamten­ gehälter) geknüpft. Die EU wird faktisch vom deutschen und vom französischen Imperialismus kontrolliert, deren Interessen nicht immer zu­ sammenfallen. Im Falle Griechenlands spricht sich Frankreich, dessen Banken einen Teil der griechischen Banken kontrollie­ ren und dessen Rüstungskonzerne die griechische Armee zur Kundin haben, für eine konzertierte Hilfe aus. Alle Staaten der EU, die fast ebenso zerbrechlich sind wie Griechenland, folgen der französischen Linie (Spanien, Portugal, Italien). Deutsch­ land, der zweitgrößte Exporteur der Welt nach China, steht die­ sem Plan zunächst ­ so wie die anderen « tugendhaften Länder » (Österreich, die Niederlande, Finnland) ­ offen feind­ lich gegenüber. Im Januar schlägt die deutsche Kanzlerin Grie­ chenland sogar vor, den Euro aufzugeben. Großbritannien, das seine Währung behalten hat, erklärt, dass es nicht betroffen sei. Deutschland greift im Februar das Prinzip einer Hilfe auf, blo­ ckiert aber trotzdem jede Entscheidung darüber. Die sozialde­ mokratischen Parteien unterstützen ihre jeweiligen Regierungen und fordern bestenfalls, die Forderungen gegen­ über Griechenland zu mäßigen (Die Linke, die Linkspartei, PCF). An den Devisenmärkten setzt sich mittlerweile die Tal­ fahrt des Euro fort. Im April pilgern Strauss­Kahn (IWF) und Trichet (EZB) nach Berlin, um Merkel vor den Risiken für Deutschland, die ein Verschwinden des Euros und ein Zusam­ menbruch der EU mit sich brächte, zu warnen. Anfang Mai breitet sich die Unruhe aus, an den Weltbörsen stürzen die Aktienkurse ab. Die USA schließen sich dem Druck auf Deutschland an, so dass Deutschland endlich nachgibt. Die EU und der IWF kündigen daraufhin einen gemeinsamen Hilfs­ plan von 110 Milliarden Euro (145 Milliarden Dollar) an: 30 Mil­ liarden Euro vom IWF, der faktisch die Kontrolle über das griechische Budget übernimmt, 80 Milliarden von Seiten der EU. Außerdem richtet die EU, um die Ansteckungsgefahr einzu­ dämmen (die sich schon auf den Spanischen Staat erstreckt), einen Notfallsfonds von 500 Milliarden Euro ein … obwohl sie keinen einzigen Cent dafür aufbringen kann. So funktioniert der niedergehende Kapitalismus. Und als Sahnehäubchen: Die euro­ päischen bürgerlichen Staaten werden zu 5 % Darlehen gewäh­ ren, sie werden also aus dem griechischen Staat, letztlich also aus den griechischen ArbeiterInnen, sogar noch einen Profit her­ ausschlagen. DIE GEWERKSCHAFTSFÜHRUNGEN UND DIE BÜRGERLICHEN ARBEITERINNENPARTEIEN VERSUCHEN, DIE REVOLTE DES PROLETARIATS EINZUDÄMMEN UND IN DIE IRRE ZU LEITEN Papandreou und die PASOK erklären den Massen, dass das na­

tionale Interesse Opfer fordert. Aber bloß die rückständigsten Sektoren können akzeptieren, dass die kapitalistische Weltkrise und die Fahrlässigkeit des nationalen bürgerlichen Staats An­ griffe eines solchen Umfanges rechtfertigen, noch dazu, da diese unbegrenzt zu sein scheinen. Jeder Monat bringt neue, gegen die ArbeiterInnen gerichtete Maßnahmen. Millionen Arbeite­ rInnen sind daher den Mobilisierungsaufrufen der Gewerk­ schaftsorganisationen (ADEDY, GSEE, PAME) gefolgt. Die Führungen der Gewerkschaftsverbände, der allgemeinen Konföderation der griechischen ArbeiterInnen (GSEE) und der Obersten Verwaltung der Gewerkschaften der griechischen Be­ amtInnen (ADEDY), die mit der PASOK verbunden sind, sowie die Kampffront aller ArbeiterInnen (PAME) der KKE versu­ chen, die Unzufriedenheit zu kanalisieren. GSEE und ADEVY lehnen es ab, mit der Regierung zu brechen und wollen die Aus­ teritätspläne abändern. Die PAME organisiert Scheingefechte (symbolische Besetzung öffentlicher Orte: Börse, Ministerien...) und spaltet die Reihen der ArbeiterInnen, indem sie systema­ tisch zu von denjenigen der anderen Verbände getrennten De­ monstrationen aufruft. Alle Gewerkschaftsbürokratien lehnen es ab, zum General­ streik bis zur Rücknahme des Sparprogramms aufzurufen und verkünden stattdessen Streiktagen und Demonstrationen: Am 17. Dezember (PAME), am 10. Februar (ADEDY, GSEE, PAME), am 24. Februar (ADEDY, GSEE, PAME), am 5. März (ADEDY, PAME), am 11. März (ADEDY, GSEE, PAME), am 21. April (PA­ ME), am 22. April (ADEDY), am 1. Mai (ADEDY, GSEE, PA­ ME), am 5. Mai (ADEDY, GSEE, PAME), am 12. Mai (ADEDY, GSEE), am 20. Mai (ADEDY, GSEE, PAME)... Die AnarchistIn­ nen tragen das ihre zur von der PAME geschürten Spaltung bei. Am 1. Mai gibt es in Athen drei getrennte Demonstrationen – jene der AnarchistInnen, die der ADEDY und der GSEE und diejenige von PAME und KKE. Das Ergebnis ist die Zersplitterung, das Ausbleiben des Gene­ ralstreiks, von Vollversammlungen aller ArbeiterInnen, das Fehlen räteähnlicher Selbstorganisation und einer politischen Klassenperspektive. Keine ArbeiterInnenpartei, weder die Ver­ einigung der Linken (Synaspismos) die 4,6 % Stimmen bei den letzten Wahlen errungen hat, noch die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) ­ die 7,5 % erzielte – strebt nach der Macht, keine ArbeiterInnenpartei schlägt vor, diese Regierung durch eine ArbeiterInnen­ und BäuerInnenregierung zu erset­ zen. Gegen das Gift des Chauvinismus und die Spaltung der Rei­ hen der ArbeiterInnen, für den Internationalismus und die so­ zialistische Revolution Die beiden traditionellen ArbeiterInnenparteien, die Vereini­ gung der Linken (Synaspismos) und die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE), sind wie die maoistischen Gruppen alle­ samt Erben der stalinistischen Partei (KKE), welche die Revolu­ tion von 1944 verraten hat. 1989 nimmt die KKE an den bürgerlichen Regierungen von Tzanetakis (ND) und der natio­ nalen Union von Zolutas teil. 1991, beim Zerfall der UdSSR, spaltet sie sich: Die Mehrheitsfraktion behält den Namen KKE; die Minderheitsfraktion behält den Namen der Wahlfront der Partei, Synaspismos. Auf ihre Weise ist jede der zwei Parteien reformistisch und genauso chauvinistisch wie die PASOK. In

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KLASSENKAMPF Westeuropa setzen sich im Allgemeinen diejenigen reformisti­ schen Parteien, die auf die Europäische Union setzen, gegenüber jenen, die den traditionellen Nationalismus preisen, durch; ande­ rerseits überflügelt in diesem peripheren kapitalistischen Land die der Europäischen Union feindlichste Fraktion (die KKE) die EU­freundliche (SYNASPISMOS). Synaspismos hat einen geringeren Einfluss auf die ArbeiterIn­ nenklasse. Sie ist mit der PCF (Frankreich), der PRC (Italien), der PCE (spanischer Staat) und der Linkspartei (Deutschland) verbunden. Die poststalinische Partei hat an den europäischen Sozialforen und auch an den chauvinistischen, von der Reaktion 1992 organisierten Demonstrationen, teilgenommen, als der grie­ chische bürgerliche Staat dem aus der Zerstörung Jugoslawiens hervorgegangenem Mazedonien drohte. Die KKE behält einen bedeutenden Einfluss in der Arbeiter­ klasse und der Schuljugend. Bis zu deren Verschwinden der Bü­ rokratie der UdSSR unterworfen, stützt sie sich heute auf die kubanische Bürokratie (was der KKE aber keineswegs die selben Vorteile bringt). Nach einer « Sonnenfinsternis » von 50 Jahren bezieht sich die "Kommunistische" Partei Griechenlands wieder auf Stalin, also auf die Politik der Spaltung der Reihen der Arbei­ terInnen, die den Sieg des Nazismus ermöglicht hat, ebenso wie die "Volksfront", also des Blockes mit dem Bürgertum, welche den Sieg des Franco­Regimes in Spanien ermöglicht hat. Die neo­ stalinistische Partei spaltet die Gewerkschaftsbewegung mittels der PAME, die tatsächlich eine Spaltergewerkschaft ist. Sie setzt sich nicht für die Freizügigkeit der ArbeiterInnen und gleiche Rechte für die eingewanderten ArbeiterInnen ein. Ihr Programm ist die "antiimperialistische, antimonopolistische und demokrati­ scheEinheitsfront", die das Proletariat im "Volk" auflöst und die Volksfrontperspektive, also Bündnisses mit Sektoren der Bour­ geoisie, verschleiert, die den Sozialismus in eine sehr ferne Zu­ kunft verbannt. Die Zeit dafür ist gekommen, daß eine soziale Volksfront für politische und Massenaktion Gestalt annimmt, um eine andere Gestalt anzunehmen, die sich aus den vorhandenen kämpferi­ schen Kräften entwickelt, welche vervielfacht werden müssen. (…) Wir stehen zu Fakten und dem Nachweis, daß Griechenland trotz des schwerwiegenden und zerstörerischen Schadens in ge­ wissen Bereichen wegen der Kapitalherrschaft und der Konkur­ renz der Monopole die Voraussetzungen hat, um eine selbsttragende Volkswirtschaft zu schaffen und zu entwi­ ckeln. (Vorschlag der KKE zur Beendigung der Krise vom 14. Mai, örtlich übernommen von : http://de.kke.gr/news/2010news/2010­05­kke­proposal) In Wirklichkeit verhindert die KKE das Voranschreiten zum Sozialismus, weil sie den griechischen Kapitalismus gegen die an­ deren Bourgeoisien und vor allem gegen das Proletariat Grie­ chenlands verteidigt. Sie vermischt die weiß­blaue Fahne des Bürgertums und der Obristen mit der roten Fahne des Weltprole­ tariats und des Kommunismus. Sie preist die Stärkung der grie­ chischen bürgerlichen Armee, der Erbin des Bürgerkrieges (von 1944 bis 1949) und der Diktatur (von 1967 bis 1974). Sie hat ei­ ne chauvinistische Linie zu Zypern und gegenüber den nationa­ len Minderheiten in Griechenland. In den eigenen Reihen praktiziert sie Ausschlüsse und Verleumdungen, innerhalb der Arbeiterbewegung wendet sie Gewalt und Diffamierungen an.

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Der Einfluss des Anarchismus in der Jugend ist die unver­ meidliche Folge der betrügerischen Bezugnahme der PASOK auf den Sozialismus und der KKE auf den Kommunismus. Jedoch kann die Arbeiterklasse nichts von Minderheitengewalt gegen die Polizei und noch weniger gegen Symbole der bürgerlichen Gesellschaft erwarten, wie der Tod von drei Bankangestellten bewiesen hat, die von ihrer Geschäftsführung in der Bank einge­ schlossen worden waren und nach einer anarchistischen Attacke auf die Filiale am 5. Mai bei lebendigen Leib verbrannten. In Griechenland hat die Zerstörung der IV. Internationale in den Jahren 1951­53 so wie anderswo zu einer Vervielfachung re­ formistischer oder halbreformistischer, "antiliberaler" Strömun­ gen, geführt, welche die Diktatur des Proletariats verleugnen, die Sozialforen unterstützen, zum Austritt aus der EU ohne vor­ herige Machtergreifung des Proletarats aufrufen und für die Sackgasse wiederholter, fragmentierter Streiktage im Gegensatz zum Generalstreik bürgen. Die Arbeiterklasse muss über ihre eigene Partei verfügen, um sich befreien zu können. Die Avantgarde muss sich, ausgehend von den besten Elementen der KKE und der Organisationen, die sich betrügerisch auf den Trotzkismus berufen, sowie der anar­ chistischen Gruppen, auf der Basis des Marxismus zusam­ menschließen, um die Fahne der Kommunistischen Partei (Sektion der Kommunistischen Inernationale von Lenin und Trotzki), der Gruppe Spartakos (Linksoppositonen) und der In­ ternationalistischen Kommunistischen Organisation Griechen­ lands (OKDE für die 4. Internationale) aufs Neue zu erheben. Von heute an gilt es, die Arbeitereinheitsfront gegen die Spal­ tung und ein Sofortprogramm gegen das Sparprogramm des griechischen, französischen und deutschen Bürgertums durch­ zusetzen: ­ Führer des GSEE und ADEDY, brecht mit der Regierung, be­ endet die Verhandlungen mit der EU und dem IWF! Einheits­ front von GSEE, ADEDY, PANEM, KKE, von Synaspismos ... gegen die Pläne des griechischen Bürgertums, der deutschen und französischen imperialistischen Bourgeoisie! KKE und Syn­ aspismos, beansprucht gemeinsam die Macht und bildet eine Regierung ohne Vertreter des Bürgertums! ­ Generalstreik bis zur Rücknahme des Sparprogramms! In den Unternehmen, den Universitäten, den Stadtteilen, den Dör­ fern : , Komitees der LohnarbeiterInnen, der StudentInnen, der armen BäuerInnen, miteinander verbunden und zentralisiert! Selbstverteidigung der Streiks und Demonstrationen gegen die Polizei und die FaschistInnen! Zerschlagung der Armee, der Po­ lizei, der Geheimdienste! ­ Vollständige Trennung von orthodoxer Kirche und Staat! Schließung der amerikanischen Militärbasen! NATO raus! Ent­ eignung der Banken und Großunternehmen, sowohl der aus­ wie der inländischen! Selbstbestimmungsrecht für die nationa­ len Minderheiten (Türken, Pomaken, Roma und Sinti, mazedo­ nische Slawen)! Abzug der griechischen Armee aus Zypern! Gleiche Rechte für die eingewanderten ArbeiterInnen! Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa! 17. Mai 2010


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BRANDKATASTROPHE IN RUSSLAND: KAPITALISMUS TÖTET! Seit Mitte Juli 2010 toben in Russland mehrere hundert Waldbrände. Während im Kata­ strophenzentrum Moskau zehn­ tausende, vorwiegend betuchte Menschen die Stadt verlassen haben und Bürgermeister Luschkow seelenruhig auf Ur­ laub gefahren ist, kämpften die anderen um ihre Gesundheit und nicht zuletzt ums nackte Überleben. Allein in der 10 Mio. Metropole Moskau ster­ ben täglich – bis Redaktions­ schluss Mitte August 2010 – etwa 350 Menschen mehr als sonst. Das bedeutet allein für Moskau mehr als 10.000 durch die Brandkatastrophe verur­ sachte Tote! Leben in der Smo­ ghölle, Hustenreiz, das ständige Tragen von Atem­ schutzmasken gehört zum All­ tag in weiten Teilen Russlands. Auslöser waren zweifellos die hohen, über mehrere Tage hin­ durch herrschenden Tempera­ turen von über 40 Grad. Für Russland mit seinem kontinen­ talen Klima sind warme Som­ mer normal, solch hohe Temperaturen waren bis dato jedoch nicht vorgekommen. Die Katastrophenursache ist

nicht allein im vom kapitalisti­ schen Produktionschaos verur­ sachten globalen Klimawandel zu suchen. 2007 wurde ein Ge­ setz beschlossen, welches einen Abbau von 90 % des Forstperso­ nals vorsah. Damit gibt es nie­ manden mehr, der das morsche Gehölz entfernt, Gräben und Rinnen zur Verhinderung der Ausbreitung des Feuers errich­ tet und sonstige, u. a. auf For­ schungsergebnissen beruhende Brandschutzmaßnahmen trifft. Die verbliebenen Förster und Feuerwehrleute sind hauptsäch­ lich mit dem Einheben von Steuern und Gebühren beschäf­ tigt. Im Gegensatz dazu gab es in der Sowjetunion fixe Brand­ schutzgebiete, in denen genaue Brandschutzmaßnahmen vorge­ sehen waren. Große Teile des Landes wur­ den privatisiert. Für den Ver­ kauf wurden Sümpfe trocken gelegt, um höhere Preise erzie­ len zu können. Der dadurch ent­ standene trockene Torf ist sehr schwer zu löschen. Die Brände schwelen und können immer wieder ausbrechen. Es gab Brände, die erst nach drei Jah­ ren gelöscht werden konnten.

Die Profitgier macht also alle Vorsichtsmaßnahmen verges­ sen. Die Feuerkatastrophe von Russland setzt große Mengen an CO² und anderen Klimakil­ lern wie Methangasen frei. Im Vergleich dazu wirken die ge­ betsmühlenartigen Appelle der kapitalistischen Propaganda an die „Vernunft des Einzelnen“ in

den reichen Industriestaaten (weniger Auto fahren, Geräte nicht im Standby Modus laufen lassen etc.) wie blanker Hohn. Kriege, Hungersnöte, Umwelt­ katastrophen – die russische Feuerwalze 2010 ist nur ein Beispiel dafür, dass der Kapita­ lismus über Leichen geht.

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JUGEND(UN)KULTUR: ÖKONOMISIERUNG SCHREITET VORAN!

Internet, Fernsehen, Shop­ ping, Party – das sind die liebsten Freizeitbeschäfti­ gungen der österreichi­ schen Jugendlichen. Vor allem das Internet hat das Leben junger Menschen be­ deutend verändert. Zuneh­ mend wird das reale Leben durch eine virtuelle Scheinwelt ersetzt. Freund­ schaften werden im Inter­ net in so genannten sozialen Netzwerken wie Facebook oder Studi VZ mit oft unbekannten Perso­ nen geschlossen. Für Anlie­ gen aller Art wird nicht mehr in der Schule, am Ar­ beitsplatz oder auf der Straße, sondern in Face­ book Gruppen geworben. Aus der Anzahl der virtuel­ len UnterstützerInnen wird auf die Popularität des Anliegens geschlossen. Reale Aktivitäten von Face­ book Gruppen verlaufen dann mangels Beteiligung meist im Sand. Allzu oft werden Konflikte statt per­ sönlich lieber in der An­ onymität des Internets ausgetragen, lässt sich doch über das Handy rasch ein unvorteilhaftes Foto oder Video produzie­ ren, um es online stellen und den Betroffenen der Lächerlichkeit preis geben zu können. Im TV­Bereich erzielen wild erfundene und in Seifenopern verpackte Fantasien sowie US­ amerikanische Sitcoms die höchsten Einschaltquoten un­ ter Jugendlichen. Oft wird Fernsehen parallel zum Inter­

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net konsumiert. Dabei entste­ hen kaum Eindrücke mit Erinnerungswert, der ober­ flächliche Zeitvertreib steht im Vordergrund. Die fortschreiten­ de Nutzung des Internets hat zu einem gesteigerten Unwil­ len, Neues zu erlernen bzw. sich neue Erkenntnisse selbst zu erarbeiten, geführt. Selbst AbsolventInnen höherer Schu­ len fehlt es an Allgemeinbil­ dung. Geistige Anstrengungen werden nur allzu gerne durch Kopierarbeiten aus Wikipedia und dem Befragen des „Orakel von Google“ vermieden. Die Jugendlichen 2010 defi­ nieren sich vor allem über den Konsum, wobei neben den neuesten Designerhandys die Nachahmung der Topstylings von Prominenten und Halbpro­ minenten im Vordergrund steht. Dabei werden oft sünd­ teure Trendmarken zum Muss, um „dazu“ zu gehören. Konflik­ te mit den Eltern ums liebe Geld bzw. der Tritt in die Schul­ denfalle sind dabei vorpro­ grammiert. Oft führt die Jagd

nach Designerklamotten auch zur Kaufsucht. Sport betreiben Jugendliche – wenn überhaupt – vorwiegend nicht aus Spaß, sondern oftmals als Schinderei in teueren Fitnesstempeln, um den in den Societymagazinen vorgegebenen Schönheitsidea­ len möglichst nahe zu kom­ men.

studie die aktuelle Situation.

Das herrschende kapitalisti­ sche Gesellschaftssystem hat ein bisher ungeahntes Ausmaß an Konsumorientierung be­ gleitet von fortschreitender Entpolitisierung unter jungen Menschen erreicht. Es ist ihr gelungen, die einst von allen Mächtigen als aufmüpfig ge­ Immer häufiger ergänzt um fürchtete Jugend in einer die meist auf Kredit finanzier­ Scheinwelt der elektronischen ten Schönheitsoperationen Unterhaltung einer oberfläch­ und zahlreiche, hautkrebsför­ lichen Spaßgesellschaft der dernde Solariumbesuche prä­ Party People zu entsorgen. sentieren sich Österreichs Jugendliche dann auf aus­ Es ist die äußerst schwierige schweifenden Partys. Dabei Aufgabe von RevolutionärIn­ geht es vorwiegend um laute, nen, diesen reaktionären Ent­ stumpfsinnige Techno­ oder wicklungen entgegen zu Housebeats, exzessivem, bis zu wirken und die zur völligen Vergiftungen führenden Alko­ geistigen Ausschaltung der Ju­ holkonsum und oberflächli­ gend führenden gesellschaftli­ chen, oft in One­Night­Stands chen Strukturen zu endenden Bekanntschaften. bekämpfen. Dieser Kampf muss ein Kampf um die Macht „Die Realität ist, dass wir ei­ über die Medien sein, welchen ne Ökonomisierung unseres Le­ wir wie unsere politischen bens erleben, welche die Vorbilder als wichtigen Teil im Jungen unter Druck setzt“, be­ Kampf um die Macht im Staat schreibt der Leiter eine Jugend­ begreifen.


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