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1 . Mai: Die revolutionäre ArbeiterInnenpartei und die revolutionäre ArbeiterInnenInternationale aufbauen!

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KLA S S E N KA M PF Zei t u n g fü r Rä t em a ch t u n d Revol u t i on Nummer 1 6/Mai 201 3

Gruppe Klassenkampf

ZYPERN: UM DIE BANKEN ZU RETTEN, RUINIERT MAN DIE ARBEITENDEN MENSCHEN! WEG MIT DIESEM PROFITSYSTEM!

Preis 2,-- EUR

Volksbegehren gescheitert, Kampf für Trennung Kirche von Staat geht weiter! Vom 15. bis 22. April bestand die Möglichkeit das Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien zu unterschreiben. Forderungen des Volksbegehrens waren:

Für die Schaffung eines Bundesverfassungsgesetzes

In den frühen Morgenstunden des 25. März 201 3 einigte sich die zypriotische Regierung unter dem konservativen Präsidenten Anastisiades mit der EU auf einen „Rettungsplan“ für die bankrotten Banken des Landes. Noch deutlicher als die Politik der Troika in Griechenland zeigt das „Rettungspaket“, worum es den imperialistischen Großmächten, welche die EU wirtschaftlich beherrschen, geht: Die Rettung der Profite ihrer Banken und Investitionen. Dafür nehmen die „demokratischen“, gesitteten, zivilisierten Regi erunge n der mächtigen Staaten der Eurozone in Kauf, ein Land in den Bankrott zu stürzen und die Bevölkerung eben dieses Landes gnadenlos in Armut und Elend zu stürzen.

www.klassenkampf.net

1. Zur Abschaffung kirchlicher Privilegien 2. Für eine klare Trennung von Kirche und Staat 3. Für die Streichung gigantischer Subventionen an die Kirche Für ein Bundesgesetz zur Aufklärung kirchlicher Missbrauch- u. Gewaltverbrechen Im Sinne der Traditionen der revolutionären Arbeiter-

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ISSN: 2220-0657


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ORGANISATION

Kirchenprivilegien/Religion Fortsetzung von Seite 1

D IE P RO G RAM M ATIS CH E N G RU N D LAG E N D E R G RU P P E KLAS S E N KAM P F

bewegung, für die die Tren- Daher auch unsere zusätznung von Kirche und Staat liche explizite Forderung: immer schon eine zentrale Völlige Trennung von SchuForderung war, unterstützte le und Religionsgemeinschafdie Gruppe Klassenkampf das ten! Volksbegehren kritisch! Dass dem KirchenvolksbeReligion ist für uns Marxis- gehren ein nur sehr bescheiten keine den Menschen von dener Erfolg (im Sinne der Außen eingepflanzte „falsche Zahl der geleisteten UnterIdeologie“, Religion entstand schriften) gelang, war aufund entsteht bei Menschen grund der mangelnden aus Verzweiflung über unge- Unterstützung der etablierrechte, undurchschaubare, ten Parteien und der durch unerträgliche Zustände und die einhellige, auch in den wir kämpfen daher nicht pri- Medien, massiv eingesetzte mär gegen die Religion, son- Front der Religionsgemeindern dafür, die Zustände zu schaften, absehbar, und denbeseitigen, die sie entstehen noch darf diese Initiative als lassen! ein wichtiges Signal gewertet Religion war in der Ge- werden, dass es eine kritischichte ein Instrument, um sche Masse gibt, die sich mit das Volk ruhig zu halten: den überkommenen und ihre „Gäbe es die Religion nicht, Wurzeln immer noch im Kleman müsste sie erfinden“ rikalfaschismus habenden (Voltaire) Privilegien der katholischen „Sie ist das Opium des Vol- Kirche nicht abfindet! kes!“ (Marx) Selbstverständlich darf in Rechtliche Quelle für eine der heutigen Welt das kritiganze Reihe nach wie vor sche Augenmerk nicht alleine existierender Privilegien der auf die christlichen Religikatholischen Kirche in Öster- onsgemeinschaft gerichtet reich ist immer noch das sein, sondern es gilt, sich Konkordat von 1934, ein völ- auch sehr intensiv mit allen kerrechtlicher Vertrag zwi- anderen Religionsgemeinschen Vatikan und Österreich schaften, insbesondere aber (erste „Großleistung“ des fa- auch mit dem Einfluss islamischistischen Ständestaates scher Religionsgemeinschafund später in der 2. Republik ten auf zugewanderte verräterische Anerkennung Arbeiter und Arbeiterinnen, des Konkordates durch die auseinander zu setzen, deren SPÖ)! oft verzweifelte Lage (ArDamit wurde der Weg zu beitsplatz, Wohnung, Schule, enormen finanziellen Zuwen- Anfeindungen durch die dungen geebnet (Religions- Mehrheitsbevölkerung etc.) gemeinschaften erhalten von religiösen Gruppen für derzeit 3,8 Milliarden Euro ihre Zwecke genutzt wird. jährlich aus Steuermitteln!) Hier sollten MarxistInnen vor und gleichzeitig wird den re- Ort sein und die Möglichkeit ligiösen Gruppen durch Zu- nutzen, die Probleme dieser lassung des konfessionellen Menschen als Probleme von Religionsunterrichts (durch Klassengegensätzen zu ervom Staat bezahlte, aber von klären und nicht das Feld den Religionsgemeinschaft dem „Eia Popeia“ der religientsendete Lehrer) Zugriff ösen Benebeler überlassen! auf Kindergärten und Schulen gewährt! Hinweis: Interessante Informationen zum Thema Kirche(n) und Privilegien der " anerkannten Religionsgemeinschaften" findet ihr auf der Website www.gottlos.at

Der beste und umfassendste Weg, um uns kennzulernen: Die Lektüre unseres programmatischen Dokuments "Für Revolution, Rätemacht und Sozialismus"! Für € 3,-- bei den Genossinnen und Genossen der GKK erhältlich.

Einführungsschulung in den Marxismus Die Gruppe Klassenkampf führt regelmäßig Einführungsschulungen in den Marxsmus durch. Wir setzen den ersten Schulungszyklus mit einem Abend "Die Geschichte der Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung vom 1. Weltkrieg bis 1945" fort. Informationen und Anmeldungen bei: gruppe.klassenkampf@gmail.com

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IM WAHLJAHR ENTDECKT DIE SOZIALDEMOKRATIE IHR "HERZ FÜR MIETER"

Wohnen in der »Sozialen« Marktwirtschaft Die etablierte Politik in Österreich hat das Thema „Wohnen“ im Wahljahr 201 3 für sich entdeckt und es gilt zu prüfen, ob diese Entdeckung für die Arbeiterklasse mehr Drohung als Segen zu bedeuten hat. Wohnen ist nach einer Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) „die Verbindung von Wohnunterkunft, Zuhause, unmittelbarem Wohnumfeld und Nachbarschaft“, es ist somit die Rolle der Wohnung als Lebensmittelpunkt und Zufluchtsstätte angesprochen. Diese zentrale Bedeutung des Phänomens Wohnen zeigt sich beispielhaft auch daran, dass es im Englischen für das Wort „wohnen“ keinen eigenen Begriff gibt, sondern hier das Wort „living“, verwendet wird, was eben zeigt, dass es sich um ein das Leben sehr bestimmenden Umstand handelt! Es ist also mehr als berechtigt dieses Thema ins Zentrum der Betrachtung zu rücken: Wohnraum deckt ein Grundbedürfnis des Einzelnen ab, es ist nicht substituierbar. Die Wohnkosten stellen für den überwiegenden Teil der privaten Haushalte die größte Konsumausgabenkategorie dar und je einkommensschwächer die Haushalte sind, desto größer wird der Anteil des Einkommens, der zur Abdeckung des Wohnbedürfnisses aufgewendet werden muss. Bei diesen niedrigen Einkommensschichten führen schon ein geringfügiges Sinken des Einkommens oder ein Ansteigen der Wohnkosten oft zu der Situation, dass die Wohnkosten durch das eigene Einkommen nicht mehr gedeckt werden können!

In einer 2012 durch die dem Revolutionären eher unverdächtige Institution OeNB ( Österreichische Nationalbank) beauftragten Untersuchung wird festgestellt, dass die Wohnkosten massiv gestiegen sind und dass diese bei Eigentümern 25%, bei Mietern 34% des Einkommens betragen, wobei insbesondere der Blick auf das untere Viertel der Einkommen interessant ist, weil hier die Wohnkostenbelastung 44% bei Eigentümern und 51% bei Mietern beträgt. Weiters wird festgehalten, dass ein Drittel der Mieter ihre Wohnkosten nicht ohne Einschränkung der Haushaltsausgaben begleichen kann. Die Ursachen für die gestiegenen Wohnkosten sind allerdings nicht nur bei gestiegenen Mieten, sondern auch bei Gebührenerhöhungen für Abwasser, Strom, Gas und Müll zu suchen. Diese im weitesten Sinne als Verbrauchssteuern zu qualifizierenden Abgaben treffen wie immer bei „Massensteuern“ am stärksten die unteren Einkommensbezieher!Bemerkenswert ist der Schluss, den sogar die OeNB zieht: „….auf dem Immobilienmarkt allein Angebot und Nachfrage wirken zu lassen“ wird nicht zielführend sein, sondern „….es sind wirtschaftspolitische bzw. strukturelle Eingriffe notwendig.“ Die OeNB hat es ganz richtig erfasst, „strukturelle Eingriffe“ sind notwendig, diese dürfen sich aber nicht auf den Bereich der Immobilienmärkte beschränken und wir werden alles daran setzen, diese Eingriffe bald und strukturiert vornehmen zu können!

In ihrer reformistischen Blütezeit, in den 20er Jahren, machte sich die sozialdemokratische Führung noch für den Mieterschutz stark. Heute ist er eine Bedrohung für sie geworden. Eine Ursache für die gestiegenen Wohnungs(miet)preise ist das Auslassen des geförderten Wohnbaus und damit verbunden ein zu geringes Angebot von günstigen Wohnungen am Immobilienmarkt. Die SPÖ fordert jetzt die Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung (1,78 Milliarden Euro), die der Bund jährlich an die Länder überweist. Früher durften die Länder dieses Geld ausschließlich für den geförderten Wohnbau nutzen, seit 2009 wurde diese Bindung aufgehoben und das Geld kann seitdem frei verwendet werden – zB in Niederösterreich zum Spekulieren!

„Finanzautonomie“ erdreistet die Steuergelder der ArbeiterInnen nicht so zu verwenden, dass ein leistbares Wohnen möglich ist, sondern im Gegenteil dieses durch die Werktätigen erarbeitete Geld in die „Finanzmärkte“ versenkt und einige wenige über Provisionszahlungen und Bonis verdienen lässt, während die Arbeiterklasse große Teile ihres Einkommens in das Grundbedürfnis „Wohnen“ stecken muss! Sind die „Genossen“ von der SPÖ daher in ihrer Forderung, die sicher auch am 1. Mai deutlich erhoben wird, zu unterstützen? Nein, wir werden eigene Forderungen stellen und wir werden die ArbeiterInnen, die GenossInnen darDas heißt nichts anderes, auf hinweisen, wer zum als dass Herr Pröll sich unter Zeitpunkt der Abschaffung Berufung auf eine sogenannte der zweckgewidmeten Wohn-

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KLASSENKAMPF bauförderung im Jahr 2009 in Österreich den Kanzler gestellt hat: die Österreichische Sozialdemokratie unter Werner Faymann! Was tönt aus der ÖVP zum Thema? Altbekanntes und nichts Verwunderliches, nämlich die Forderung nach Erleichterungen für den Erwerb von Eigentum - Stichwort Streichung der Grunderwerbssteuer – eine typische Klientelpolitik für kapitalstarke Schichten. Unterstützung kommt hier – selbstverständlich – von der FPÖ, die den „kleinen Mann“ vollmundig im Boulevard verteidigt, aber in der Sache Politik für die Reichen und Mächtigen macht bzw. diese unterstützt! Die ÖVP hat aber auch Neues zu bieten, nämlich die Forderung nach einem Gehaltscheck bei Gemeindebaumietern, weil diese, ach so günstigen Wohnungen, nicht für gut verdienende Mieter gedacht seien. Abgesehen davon, dass Herr Vizekanzler Spindelegger selbst 10 Jahre in einer Gemeindebauwohnung lebte und nach Definition seiner Partei wahrscheinlich nicht so förderungswürdig war, sollte man hier gar nicht so sehr die Frage betrachten, ob es gerechtfertigt ist, dass Reiche von geförderten Wohnungen profitieren dürften,

sondern viel mehr, anschauen, wie weit diese Gemeindewohnungen tatsächlich noch als „Sozial“-Wohnungen bezeichnet werden können und, welchen Zweck die ÖVP in Wirklichkeit mit dem Versuch eine „Neiddebatte“ anzuzünden verfolgt! Wenn man bedenkt, dass seit 1998 alleine der Mietzins für die Wiener Gemeindewohnungen um über 300% angestiegen ist und sich daher bereits eine asymptotische Annäherung an den privaten Wohnsektor ergibt, kann man schon die Frage stellen, ob es der ÖVP wirklich darum geht, gut verdienende Leute wie Spindelegger aus dem Gemeindebau zu werfen, oder ob nicht generell vom Machtmissbrauch der Kapitalisten, die arbeitslos durch den schlichten Besitz von Häusern und Immobilien ihren üppigen Lebensunterhalt „verdienen“, abgelenkt werden soll und andererseits durch den Hinweis auf „billige“, „geförderte“ Gemeindewohnungen nur einmal mehr Menschen, die durch ihre Arbeit und die Ablieferung des durch sie geschaffenen Mehrwerts ohnehin schon ausgebeutet werden, als Profiteure eines „überbordenden Sozialsystems“ dargestellt werden sollen. Wen die ÖVP, aber vor allem

auch die selbsternannte „Arbeiterpartei“ FPÖ, auch in dieser Diskussion tatsächlich vertreten, zeigt sich beim Thema Provisionszahlungen an Immobilienmakler, wo jeder Versuch diese Provisionen durch den aus diesem Geschäft tatsächlich profitierenden Vermieter zahlen zu lassen, vom „Bürgerblock ÖVFP“ abgeschmettert wird! Lassen wir uns keine Märchen erzählen! Die durch die Parteien der herrschenden Klasse verursachten realen Zuständen im Wohnbereich sind schlimm genug! Kämpfen wir für die Durchsetzung folgender Forderungen:

"Die sogenannte Wohnungsnot, die heutzutage in der Presse eine so große Rolle spielt, besteht nicht darin, dass die Arbeiterklasse überhaupt in schlechten, überfüll- Vergesellschaftung sämtli- ten, ungesunden Wohnungen chen Wohnraums, Entschä- lebt. Diese Wohnungsnot ist digung der ehemaligen nicht etwas der Gegenwart EigentümerInnen aus der Ar- Eigentümliches; sie ist nicht beiterInnenklasse einmal eins der Leiden, die - Vergabe von Wohnungen dem modernen Proletariat, nach Zahl der Nutzer pro gegenüber allen frühern unWohnung terdrückten Klassen, eigen- Entscheidung über Wohtümlich sind; im Gegenteil, sie nungsgröße und Lage nach hat alle unterdrückten Klassen gesellschaftlicher Machbar- aller Zeiten betroffen. Um diekeit und Wünschen des/der ser Wohnungsnot ein Ende zu Wohnungswerber machen, gibt es nur ein Mittel: - Berücksichtigung von öko- die Ausbeutung und Unterlogischen Gesichtspunkten drückung der arbeitenden bei Wohnungsvergabe (Nähe Klasse durch die herrschende zum Arbeitsplatz) und Woh- Klasse überhaupt zu beseitinungsbau (Nutzung umwelt- gen!" freundlicher und Heizkosten (Friedrich Engels, aus „Zur sparender Bauweisen) Wohnungsfrage“, geschrieben - Stopp der Bodenversiege- 1872)

BROSCHÜREN DER GRUPPE KLASSENKAMPF In unserer GriechenlandBroschüre liefern wir eine grundlegende Einschätzung der Krise in Griechenland und der politischen Krise des Proletariats in diesem Land. Die Broschüre zum

Bürgerkrieg in Österreich 1934

zeigt, wie reformistische Illusionen in die bürgerliche Demokratie in die Niederlage führen.

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lung durch Verbot des Baus von Einfamilienhäusern - Abschaffung von Massensteuern auch für Wohn- und Energiekosten


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DING-DONG! THE WITCH IS DEAD!

Margaret Thatcher (1 925-201 3)

Am 17.04.2013 wurden die sterblichen Überreste der Margaret Thatcher in London eingeäschert und anschließend die Urne beerdigt.

von Staatsunternehmen zum Nachteil der Beschäftigten und der Konsumenten - Senken der Steuern für die Vermögenden

In den letzten Jahre tat die seit Beginn des 19. Jh. längst dienende Premierministerin Großbritanniens (1979 – 1990) nach mehreren Schlaganfällen und konstatierter fortschreitender Demenz, das was sie am besten auch in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts tun hätte sollen: sie dämmerte vor sich hin. Selbiges kann man von ihren, gemeinsam mit Ronald Reagan und anderen, in der vorletzten Dekade des vorigen Jahrhunderts initiierten neoliberalen Ideen leider nicht behaupten. Diese leben nämlich auch in unserem heutigen Wirtschaftsgefüge - unter Berufung auf sie - munter fort und sind zwar sicherlich sehr kranke Zustände, aber noch nicht tot und zum Einäschern bereit! Wie ihr heutiger konservativer Nachfolger Cameron beim gut 10 Millionen Pfund teuren QuasiStaatsbegräbnis sagte: „Zu einem gewissen Grad sind wir heute alle Thatcheristen“. Die „Eiserne Lady“ hat darüber hinaus auch Fakten geschaffen, an denen Großbritannien bis heute laboriert und deren Auswirkungen auch auf andere Staaten bis heute wirkt: - Zerschlagung der Gewerkschaften - Ruin des öffentlichen Sektors (Gesundheit, Trinkwasser, Bahn, etc.) - Verkauf („Privatisierung“)

Dass sie sich auch klassischer „imperialistischer Tugenden“ befleißigte, zeigte sie 1982 mit dem gegen Argentinien geführten „Falklandkrieg“. Eine besonders ekelerregende politische Haltung demonstrierte Thatcher im Zusammenhang mit dem rechten chilenischen Diktator Augusto Pinochet, von dem sie sich im Falkland-Krieg unterstützen ließ, den sie als Freund bezeichnete und ihn bis zum Ende verteidigte. Die internationale Arbeiterklasse vergießt an dieser Stelle nicht Tränen der Trauer über das Ableben einer Wegbereiterin und Verfechterin einer Politik der Ausbeutung der Werktätigen. Wenn es am Grab der „Eisernen Lady“ etwas zu betrauern gibt ist es die Tatsache, dass es möglich war, diese neoliberale Politik zuzulassen, an deren Folgen die arbeitenden und arbeitslosen Werktätigen in Britannien bis zum heutigen Tag leiden. Als Mitschuldige sitzen hier die Führer der Labour-Party auf der Anklagebank der Geschichte; Ex-Labor-Premier Tony Blair überschlug sich in Lobhudeleien über seine tote Vorgängerin, die er während seiner Amtszeit unter anderen zu Bosnien und zur NATO-Erweiterung um Rat gebeten hatte. Und der aktuelle Labour-Führer Miliband fand ebenfalls lobende Worte

für die „große politische Führerin“ und verdammte die Tausenden jubelnden Jugendlichen, Gewerkschafter, Arbeiter, Arbeitslosen, die Opfer des Tatcherismus, die in ausgelassener Stimmung ihrer Freude über den Tod ihrer Todfeindin Luft machten. Die spontanen Freudenfeiern sind verständliche Reaktionen, sie sind Ausdruck

eines gesunden Klasseninstinkts am Totenbett einer reaktionären Architektin des kapitalistischen Systems. Diese Gefühle dürfen aber nicht verpuffen – vielmehr müssen sie zum Ausgangspunkt einer neuen Welle des Widerstandes gegen die neuen, arbeiterfeindlichen Pläne der britischen Kapitalistenregierung werden!

IN MEMORIAM Krieg um die Malwinen (" Falklandkrieg" ):

907 Tote

Irische politische Gefangene im Hungerstreik:

1 0 Tote

Britischer Bergarbeiterstreik:

1 1 .300 Festnahmen, 9 Tote

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Erklärung der Gruppe Klassenkampf zum 1 . Mai 201 3

ÖSTERREICH UND DIE KAPITALISTISCHE KRISE 201 3: MITTENDRIN STATT NUR DABEI JETZT REVOLUTIONÄRE KAMPFPARTEI AUFBAUEN! VORWÄRTS ZUM SOZIALISMUS! Ende 2008 wurden auch im kleinen Österreich die Auswirkungen der durch Überproduktion verursachten Krise des Weltkapitalismus spürbar. Die österreichische Bourgeoisie reagierte prompt mit Produktionskürzungen und der bürgerliche österreichische Staat war untertänigst bereit, ihr in Form von Konjukturprogrammen (Mittelstandsmilliarde, vorgezogene Investitionen in die ÖBB oder Verschrottungsprämien für die Fahrzeugindustrie) Geld in den Rachen zu werfen. Bei sinkendem Zinsniveau, welche Kreditaufnahmen begünstigte und Sparen zunehmend unattraktiver machte, begann der Wirtschaftsmotor rasch wieder zu brummen. Eine Renaissance der Biedermeierzeit schien begonnen zu haben, und die Menschen investierten in Immobilien. Die Geschäfte von Möbelhäusern und Baumärkten boomten und der Autohandel durfte neue Verkaufsrekorde bejubeln. Doch bereits ab 2010 begann der Staat, sich das Geld für die durch uneinbringliche Kredite aus seiner Sicht notwendig gewordenen Bankenrettungen (ÖVAG, Hypo Alpe Adria, Hypo Tirol etc.) von der ArbeiterInnenklasse zurück zu holen. Pensionen wurden durch Anpassungen unter der Inflationsrate real gekürzt, Pflegegelder reduziert, die 13. Familienbeihilfe wieder abgeschafft und die Bezugsdauer für die Familienbeihilfe mit dem vollendeten 24. Lebensjahr begrenzt. 2013 ist die Wirkung der Konjunkturprogramme längst verpufft. Die Geißel der Massenarbeitslosigkeit mit ihren geschönten Arbeitslosenzahlen bedroht die österreichische ArbeiterInnenklasse. Die Preissteigerungen bei Lebensmitteln übersteigen die Lohn- und Pensionserhöhungen bei weitem. Die in allen Lagen exorbitant gestiegenen Immobilienpreise machen Wohnen für viele ArbeiterInnen kaum mehr leistbar. Die Auswirkungen des weltweiten Klimawandels, welche durch die Verlagerung der Produktion in Billiglohnländer mit niedrigen Umweltauflagen wie China oder Indien mit verursacht wurden, sind auch in Österreich zu spüren. Hitzewellen, Überschwemmungen und andere in diesem Ausmaß bisher nicht gekannte Katastrophen werden häufiger. In dieser sich zuspitzenden kapitalistischen Krise zeigt die Landschaft der politischen Parteien in Österreich ein Bild der Perspektivlosigkeit für die ArbeiterInnen. Die SPÖ – größte

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Partei mit Wurzeln in der ArbeiterInnenklasse – war federführend am letzten großen Sparpaket beteiligt und verliert zunehmend ihre Verankerung in ihren bisherigen Hochburgen (siehe Wahlergebnis in NÖ ArbeiterInnenstädten, Mitgliederschwund, Sektionensterben). Wie der Telekomskandal zeigt, steckt auch die SPÖ tief im für den Kapitalsimus charakteristischen Korruptionsumpf. Die KPÖ kommt über biedere reformistische Politik mit dem altbackenen stalinistisch-österreichpatriotischen Anstrich nicht hinaus und ist zudem außerhalb der Steiermark marginalisiert. Die Grünen sind die Partei der Achterbahnfahrt von reformistischer ArbeiterInnen- bis zu offen prokapitalistischer Politik. Mit den NEOs und dem Team Stronach haben sich zwei Neulinge zur Gruppe der offen bürgerlichen Parteien gesellt. Parallelen der beiden Newcomer zueinander sind dabei unverkennbar: Hinter liberalen, offen und modern wirkenden Fassaden stecken beinharte arbeiterInnenfeindliche Programme von der Vereinheitlichung der Leistungen der Sozialversicherungsanstalten nach unten bis zum einst schon von FPÖ Guru Jörg Haider gepredigten einheitlichen Einkommenssteuersatz. Diese neuen Parteien stellen kommunizierende Gefäße mit dem in Auflösung befindlichen BZÖ und der FPÖ dar. Die FPÖ ist derzeit damit beschäftigt, ihre neofaschistische Parteibasis unter der Oberfläche zu halten und die ihr von der Stronach Partei geschlagenen Wunden zu lecken. Es ist also keine Partei in Sicht, welche sich entschieden gegen drohende Einschnitte im Gesundheits- und Pensionssystem und gegen eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit stellt, für leistbares Wohnen, existenzsichernde Arbeitsplätze und eine Energie-, Verkehrs- und Umweltpolitik ohne Profitorientierung eintritt, geschweige denn sich zum Ziel setzt, mit dem chaotischen, korrupten und in Elend und Umweltzerstörung führenden System des Kapitalismus Schluss zu machen, die ArbeiterInnenklasse hinter sich zu sammeln und die Herrschaft der kapitalistischen Ausbeuterklasse in einer sozialistischen Revolution hinweg zu fegen, um mit dem Aufbau des Sozialismus in Österreich und weltweit zu beginnen. Der Aufbau einer solchen Partei ist die einzige Perspektive, die die Aussicht auf das Abschütteln des kapitalistischen Jochs eröffnet und für die es sich auch an diesem 1. Mai lohnt, auf die Straße zu gehen und zu kämpfen.


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Erklärung des Kollektiv Permanente Revolution (CoReP) zum 1 . Mai 201 3

SOZIALISMUS ODER BARBAREI! Die Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008-2009 wurde im internationalen Rahmen vorübergehend durch die Geschenke der kapitalistischen Staaten an ihre Bank-und Automobilkonzerne überwunden. Aber diese Heilmittel dienten weltweit nur der Vorbereitung neuer Angriffe. In den Vereinigten Staaten und China verlangsamt sich das Wachstum. In Japan und in Europa setzt sich die Rezession fort. Einige europäische Länder (Portugal, Spanien, Griechenland ...) befinden sich in einem wahren Zersetzungsprozess. Das Überleben des Kapitalismus führt zum schlimmsten sozialen Rückschritt. Um ihre Profite zu verteidigen, greifen die jeweiligen Bourgeoisien die Arbeiterinnen und Arbetier, die Jugendlichen, die Migrantinnen und Migranten an... Eine endlose Spirale: im beinharten Wettbewerb gegeneinander muss jeder Schritt, den eine Bourgeoisie gegen die eigenen Lohnabhängigen unternimmt, unverzüglich von den Konkurrenten noch überholt werden. Das Überleben des Kapitalismus verschärft die Ungleichheiten und die Vergeudung bis zur Absurdität: einerseits mangelt es an allem, auf der anderen Seite werden unter Missachtung von Menschen und Ressourcen Waren im Überschuss produziert. Das Überleben des Kapitalismus heißt: Wettrüsten, Spannungen in Ostasien, heißt militärische Interventionen der imperialistischen Mächte, um ihre Interessen in Afrika und anderswo zu schützen. Der zionistische Staat setzt die Besiedlung Jerusalems und der Westbank fort, erwürgt die Wirtschaft in den besetzten Gebieten mit Hilfe der ägyptischen islamistischen Regierung, schlägt, wann immer es ihm beliebt, in Gaza zu. Die israelische Armee droht, mit dem Segen der Regierung der Demokratischen Partei der USA, welche die Sozialdemokraten und Überreste des Stalinismus als „progressiv“ hinstellen, sogar den Iran anzugreifen. Das Überleben des Kapitalismus verschärft Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit, das Wiederaufleben von Faschismus und in Richtung Faschismus gehender sowie klerikaler Parteien, die alle die Arbeiterinnen und Arbeiter gegeneinander aufhetzen, um die Reichen und die Ausbeuter zu schützen. In Griechenland greifen die von des Kapitalisten finanzierten und von der Polizei unterstützten Faschisten der „Goldenen Morgenröte“ physisch Arbeitsmigrantinnen und Migranten an, die als Sündenböcke herhalten müssen. Überall versuchen die Arbeiterinnen und Arbeiter, die Jugendlichen, die Frauen sich zu wehren, aber der Kampf wird durch den Verrat der Gewerkschaftsführer und "reformistischen" Parteien erschwert. Wo "Labour"-Parteien, "Sozialistische" oder "Kommunistische" Parteien existieren, machen sie die Massen glauben, dass Wahlen ausreichen, um den Kapitalismus zu „verbessern“. Wenn sie an die Macht kommen, machen sie die gleiche Politik, wie die bürgerlichen Parteien, sowohl nach Innen wie nach Außen. Die ANC-KP-Regierung in Südafrika hat auf streikende Bergleute schießen lassen. Die Regierung von SP/Radikaler Partei/Grünen in Frankreich führt einen imperialistischen Krieg in Mali (und KPF und die „Partei

der Linken“ haben nicht dagegen gestimmt). In China ist die „Kommunistische“ Partei nur die Hülle der Kapitalisten, seit die stalinistische Bürokratie den Kapitalismus restauriert hat. Die „K“P-Regierung versucht, durch ihre "Gewerkschaften" und polizeiliche Repression das gigantische Proletariat zu unterdrücken, das den Kampf gegen die rücksichtslose Ausbeutung aufgenommen hat und dadurch das totalitäre Regime selbst bedroht. Weltweit stimmen die Gewerkschaftsbürokratien im Namen des nationalen Interesses Verhandlungen über die Angriffe der Unternehmer und ihrer Regierungen zu. Wenn sich sozialen Spannungen zuspitzen, kanalisieren sie die Unzufriedenheit in "Aktionstagen" und "Rotationsstreiks", um einen Generalstreik, der die ganze Kraft des Proletariats gegen die Unternehmer und den bürgerlichen Staat richten würde, zu verhindern. In Griechenland müssen wir auf die Spaltung der Reihen der Arbeiterinnen und Arbeiter durch die stalinistische Partei KKE und ihre Gewerkschaft PAME hinweisen. Die Wiederbelebung des bürgerlichen Nationalismus in Lateinamerika hat nirgendwo, auch nicht in Venezuela und Bolivien, zum Bruch mit dem Imperialismus, geschweige denn zur Infragestellung des Privateigentums an den Produktionsmitteln geführt. In Nordafrika und im Nahen Osten haben sich die Arbeiterinnen und Arbeiter gegen Arbeitslosigkeit, Korruption, polizeiliche Repression und die Unterwerfung unter die imperialistischen Mächte ebenso wie gegen die aus dem bürgerlichen Panarabismus hervorgegangenen Regimes und die klerikalen Monarchien gewendet. In Tunesien und Ägypten konnten die Massen die Diktaturen stürzen. Aber sie sind mit den islamistischen Parteien konfrontiert, die das Privateigentum verteidigen und sich auf die Armee und die Polizei stützen. Während die russischen und chinesischen Imperialismen nach wie vor das blutige Baath-Regime verteidigen, setzen die USund europäischen Imperialismen in Syrien und Tunesien auf die Islamisten, so wie in der Türkei, in Ägypten und inLibyen, um die soziale Revolution zu zerschlagen. Die spontanen Kämpfe weisen in die richtige Richtung, aber sie können nicht aus sich selbst heraus den Sturz des Kapitalismus sicherstellen und die Perspektive zum Weltsozialismus eröffnen. Dazu bedarf es wirklich kommunistischer, internationalistischer Parteien, die in einer Revolutionären Arbeiterinnen- und Arbeiterinternationale zusammengeschlossen sind. Solche Parteien stehen auf dem Programm der Unabhängigkeit der Arbeiterklasse im Verhältnis zu den anderen Klassen der Gesellschaft, für den Kampf gegen die Kapitalistenklasse und für das Bündnis mit der Bauernschaft und der Jugend in Ausbildung. Proletarierinnen und Proletarier aller Länder - vereinigt euch für Arbeiterräte und Räte der Werktätigen, für Arbeiterinnenund Arbeiterregierungen, die sich auf die Räte stützen, für die sozialistische Revolution, für die Zerstörung der bürgerlichen Staaten, die Enteignung der Kapitalisten, ihrer Konzerne und der Großgrundbesitzer!

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In den frühen Morgenstunden des 25. März 2013 einigte sich die zypriotische Regierung unter dem konservativen Präsidenten Anastasiades mit der EU auf einen „Rettungsplan“ für die bankrotten Banken des Landes. Noch deutlicher als die Politik der Troika in Griechenland zeigt das „Rettungspaket“, worum es den imperialistischen Großmächten, welche die EU wirtschaftlich beherrschen, geht: Die Rettung der Profite ihrer Banken und Investitionen. Dafür nehmen die „demokratischen“, gesitteten, zivilisierten Regierungen der mächtigen Staaten der Eurozone in Kauf, ein Land in den Bankrott zu stürzen und die Bevölkerung eben dieses Landes gnadenlos in Armut und Elend zu stossen. Nach Massenprotesten musste die EU ihren ersten „Rettungsplan“ aufgeben, der alle Inhaber von Spareinlagen auf zypriotischen Banken mit mindestens 6,75 % belastet hätte. Nun sind Spareinlagen unter 100.000 EUR vom „Rettungsabschlag“ ausge-

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nommen. Damit werden die Eigentümer, Kreditoren und Großanleger stärker in die Pflicht genommen: Durch eine Steuer auf Bankguthaben soll der zypriotische Staat 5,8 Milliarden Euro aufbringen. Gleichzeitig kann (und muss) die Zypriotische Zentralbank Banken liquidieren und den gesamten Finanzsektor umstrukturieren. So wird die zweitgrößte Bank der Insel, die Laiki-Bank, liquidiert, und ihre Spareinlagen unter 100.000 Euro an die Bank of Cyprus übergeben, ebenso wie alle gut besicherten Geschäfte. „Risikofälle“ wandern in eine „Bad Bank“. Einlagen von 4,2 Milliarden werden als Totalverlust abgeschrieben. Präsident Anastasiades verkaufte den Pakt als „ausgewogener“ als den ersten EU-Sanierungsplan. „Die Gefahr eines Bankrotts ist gebannt und gefährliche Konsequenzen für Wirtschaft und Gesellschaft abgewendet“. Das ist allerdings reine Propaganda. Noch am gleichen Tag demonstrierten in der Haupt-

stadt Nikosia Tausende Bankangestellte, Schülerinnen und Schüler unter Parolen wie „Troika go home“, „Die Diebe ins Gefängnis, die Reichen müssen zahlen“. Sie hatten klar erkannt, was der „Rettungsplan“ bedeutet: Den wirtschaftlichen und sozialen Kollaps des Inselstaates. Die Wirtschaft Zyperns ruht auf zwei Säulen: Dem Banksektor und dem Tourismus. In diesem „Tertiärsektor“ sind 72 % der Zypriotinnen und Zyprioten beschäftigt. 2012 trug der Produktionssektor nur 5,9 % zum BIP bei. Die „Restrukturierung“ der Banken wird zu einer massiven Arbeitslosigkeit führen, und in Zeiten einer weltweiten Krise kann von einer Ausweitung der Tourismuswirtschaft wohl kaum die Rede sein. Die Rolle Zyperns als Finanzplatz begann während des libanesischen Bürgerkriegs (1975 – 1990), als zahlreiche libanesische Banken ihren Sitz von der „Schweiz des Nahen Ostens“ auf die vorgelagerte Insel verlegten. Die heimische

Bourgeoisie und die politischen Eliten des durch ethnische Spannungen zerrissenen Landes witterten ihre große Chance: Steuerbegünstigungen für ausländische Anleger und höchste Diskretion bei den Banken lockten immer größere Vermögen an. Der Glaube an ein ungebremstes, expansives Wachstum des imperialistischen Systems führte in weiterer Folge zu einer Vernachlässigung anderer wirtschaftlicher Entwicklungsmodelle. Umso verheerender ist nun der Zusammenbruch. Die Analysten jener europäischen Banken, deren Anlagen nun „gerettet“ werden, prognostizieren für die beiden kommenden Jahre ein Schrumpfen der zypriotischen Wirtschaft um 20 % und einen Anstieg der Arbeitslosigkeit auf 25 %. Aber selbst innerhalb der EU führte der harsche Kurs gegenüber Zypern zu Unruhe in Finanzkreisen. Schon die bloße Idee einer „Beteiligung“ von Anlegern an der Sanierung maroder Banken löste Wutgeheul aus, das sich


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ZYPERN

„RETTUNG“ GELUNGEN PATIENT TOT aber schnell legte, als die EU-Verhandler ihren Schritt als Schlag gegen die „russischen Oligarchen“ verkauften. Dieser Schlag ging aber ins Leere, glaubt man Alexander Orlov von Arbat Investment Services (Moskau), der in einem Interview mit dem englischen „Independent“ erklärte, dass es „auf der höchsten Ebene der [wirtschaftlichen] Entscheidungsträger [Russlands]“ keinerlei Opfer gegeben habe. Im vergangenen Jahr seien 20 Milliarden Euro von zypriotischen Banken abgeflossen, ein Großteil davon nach Russland. „Ich glaube, dass der 2,5-Milliarden-Euro Kredit [Russlands an Zypern] dazu gedient hat Zeit zu kaufen, damit 'jene, die es betrifft' ihr Vermögen abziehen konnten“. Zwar sprach der russische Premierminister Dmitri Medwedjew von „Diebstahl“, um den EU-Plan zu charakterisieren; aufhorchen lässt aber eine Anspielung auf eine Äußerung Lenins, die freilich unter komplett anderen Be-

dingungen fiel: „Hier wird gestohlen, was bereits gestohlen wurde“. Offensichtlich fügt sich die Zypernkrise in einen innerrussischen Machtkampf ein, in dem der immer autoritärer agierende Präsident Putin die Oligarchen unter Druck setzt, ihre Vermögen zurück nach Russland zu transferieren. Medwedjews Stellungnahme kann hier als Drohung an jene verstanden werden, die nach Auffassung der Putin-Leute dem „russischen Volk“ Vermögen entzogen haben. Die verzweifelten Zukunftsperspektiven Zyperns zeigen aber auch ganz klar: Speziell ein Kleinstaat wie Zypern (der griechische Teil der Insel umfasst 5.900 km² und hat eine Bevölkerung von 885.000 Menschen) ist im imperialistischen Zeitalter alleine nicht lebensfähig. Die Lösung der Probleme

kann daher nicht – wie es die zypriotischen Reformisten behaupten – eine „Sanierung der Banken“ sein, um das verlorene Spiel neu zu beginnen, ein tiefgreifender wirtschaftlicher Wandel ist nur im Rahmen einer Sozialistischen Föderation der Länder des Mittelmeerraums möglich. Zurückzuweisen sind höhnische Äußerungen wie jene des unseligen deutschen christdemokratischen Finanzministers Schäuble, „die Zyprioten sind selbst an

der Krise schuld“. Solche Äußerungen werden die Arbeiterinnen und Arbeiter nicht vergessen und nicht vergeben, wenn die notwendige Abrechnung mit dem kapitalistischen System und seinen Profiteuren erfolgen wird.

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KLASSENKAMPF Protest in Madrid, April 201 3: "Die öffentliche Gesundheit steht nicht zum Verkauf, sie verteidigt sich!"

Warnung der Gruppe Klassenkampf: Kapitalismus gefährdet Ihre Gesundheit! Krise, Sparpolitik – die meisten Menschen denken dabei an Arbeitslosigkeit, sinkendes Einkommen oder den Gang zum Sozialamt; an Einschränkungen beim Essen. Schon der Gedanke an eine ungeheizte Wohnung oder gar deren Verlust (weil man sich die Miete nicht mehr leisten kann) wird eher verdrängt. Die längere Lebensarbeitszeit wird zwar erwartet – vorstellen können und wollen sich das die meisten (vor allem jüngeren) Werktätigen aber nicht. Ein Bereich fällt, zumindest in den von der internationalen Krise noch nicht voll getroffenen, kapitalistischen Ländern, überhaupt aus dem Blickwinkel der arbeitenden Bevölkerung: Die gesundheitlichen Auswirkungen der Krise. Die international renommierte englische Medizinfachzeitschrift „The Lancet“ hat sich in ihrer Ausgabe 381 vom 13, April in einer Reihe von Beiträgen mit diesem Thema beschäftigt. Vor allem der Aufsatz „Financial crisis, austerity, and health in Europe“ (Finanzkrise, Sparpolitik und Gesundheit in Europa) enthält beeindruckendes Ma-

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terial und zieht vergleichsweise radikale Schlüsse, wenn man an die beschwichtigenden Aussagen sogenannter „Gesundheitsexperten“ denkt. Wir haben uns bereits intensiv mit den Auswirkungen der Krise auf das Gesundheitswesen in Griechenland auseinandergesetzt (siehe die Schwerpunktnummer 15 unserer Zeitung KLASSENKAMPF). Betrachten wir jetzt also die Situation in ganz Europa.

SPARPOLITIK JA – AN GESUNDHEIT DENKEN NEIN Die Autorinnen und Autoren der Studie in „The Lancet“ bemängeln zunächst, dass seitens der Regierungen und EU-Institutionen die Untersuchung der medizinischen Auswirkungen der ökonomischen Krise seit 2007 weitgehend vernachlässigt wurde. Besonders kritisiert wird das Schweigen der EU-Generaldirektion für Gesundheit und Konsumentenschutz zu den Auswirkungen der Spardiktate der Troika in Griechenland, obwohl diese gesetzlich ver-

pflichtet wäre, die gesundheitlichen Folgen der EU-Politik zu bewerten. Statt dessen habe sich die Generaldirektion darauf beschränkt, Ratschläge für Einsparungsmaßnahmen seitens der nationalen Gesundheitsministerien zu geben. Die Verfasser – bekannte Mediziner, Medizinsoziologen und Epidemieforscher – sind betont vorsichtig, weil die vorliegenden Fakten und Statistiken teilweise unzureichend sind und Ländervergleiche oft auf Grund unterschiedlicher Messmethoden schwierig sind. Dennoch lassen sich seit Aufbrechen der Krise 2007 einige Gemeinsamkeiten feststellen: In den von der Krise betroffenen Ländern nimmt die Zahl der Selbsttötungen deutlich zu, die HIV-Infektionen steigen an, psychische Erkrankungen, wie etwa Depressionen, nehmen zu und die Gefahr von Epidemien wächst. Einige der Ergebnisse neuerer Untersuchungen waren für die Forscherinnen und Forscher wenig überraschend, wie etwa die Steigerung der Selbstmordraten in Europa. Deutlich lässt sich

aber aus den nationalen Statistiken ablesen: Arbeitslosigkeit alleine ist kein Faktor, der die Zunahme von Selbsttötungen erklärt. Allerdings hat sich international eine Faustregel herauskristallisiert: Eine Steigerung der Arbeitslosenzahl um jeweils 3 % (egal, von welchem Niveau aus)führt auch zu eiem Ansteigen der Selbsttötungen. Allgemein ist es durch Unters uchungen erwiesen, dass 34 % der Arbeitslosen medizinisch erfasste psychische Probleme haben, im Gegensatz zu 16 % bei Personen, die Arbeit haben. Suizide nehmen in jenen Ländern deutlich zu, in denen die Sparmaßnahmen der Regierungen die soziale Sicherheit insgesamt angreifen und die gesellschaftliche Solidarität massiv angegriffen wird. Womit wir in Griechenland angekommen sind. Dort verzeichnete das Gesundheitsministerium für den Zeitraum Januar bis Mai 2011 eine im Vergleich zum selben Zeitraum des Vorjahres um 40 % gestiegene Selbstmordrate. Das deckt sich mit Zahlen, die Martin McKee von der Londoner School of Hygiene and Tropical Medicine und Mitarbeiter der Studie in


KLASSENKAMPF

„The Lancet“ seit 2008 erhoben hat: In Folge der Krise stieg in Irland zwischen 2008 und 2012 die Zahl der Selbsttötungen um 13 und in Lettland (und Griechenland) um 17 %.

ZWEIKLASSENMEDIZIN MIT FATALEN FOLGEN. Aus den Gesundheits- und vor allem Sterbestatistiken geht aber eines klar hervor: Die soziale Lage entscheidet nicht nur darüber, wer Zugang zu welchen medizinischen Dienstleistungen bekommt, wie die Pflege aussieht, welche Behandlungsmethoden eingesetzt werden; selbst im Rahmen der vielstrapazierten „Zweiklassenmedizin“ wird bei den Armen und Ärmsten noch weiter differenziert. Nur zur Erinnerung: Eine der wesentlichen Grundlagen der marxistischen Theorie ist die Erkenntnis, dass sich der Wert einer Ware durch die in ihr enthaltene durchschnittliche gesellschaftliche Arbeits bemisst. Die menschliche Arbeitskraft schafft also den Wert, wobei ein Teil der Ar-

beitszeit des Arbeiters, die der Kapitalist kauft (mit dem Lohn) nicht bezahlt wird und den Mehrwert produziert, der beim Verkauf der Ware zum Profit des Unternehmers wird. Wenn also Schichten der arbeitenden Bevölkerung keinen Mehrwert schaffen, verlieren sie für das Kapital ihren Wert. Das ist zunächst das Schicksal der „Alten“, die aus dem Arbeitsprozess ausgeschieden sind. Die Austeritätsmaßnahmen quer durch Europa zielen direkt oder indirekt auf die „Senioren“ ab. Ihr Schicksal zeigt unter Laborbedingungen, welche Auswirkungen die Krise und die Sparpolitik im Gesundheitswesen tendenziell auf alle Schichten der arbeitenden Bevölkerung hat: Sinkende Einkommen (Pensionen, Renten...) und Selbstbehalte (oder die völlige Streichung öffentlicher Gesundheitsleistungen) verhindern nicht nur eine Gesundheitsvorsorge, sondern auch die Behandlung von akuten oder chronischen Erkrankungen; der sinkende Lebensstandard führt zu Nebeneffekten wie ungesunder oder unzureichender Ernäh-

rung, was wiederum die körpereigenen Widerstandskräfte schwächt. Armut führt generell zur Verkürzung der Lebenserwartung. In Portugal, einem massiv von der Krise betroffenen Land, nahm im Jahr 2012 die Zahl der Wintertoten unter den über 75jährigen, verglichen mit dem Vorjahr, um 10 % zu. Im Spanischen Staat zeigen die jüngsten „Gesundheitsreformen“, um was es geht: im April 2012 wurde das Recht auf Gesundheitsversorgung für Alle per königlichem Dekret (um eine Debatte im Parlament zu umgehen) abgeschafft und auf jene eingeschränkt, die eine Arbeit nachweisen können. Damit fallen nicht nur die Alten, sondern auch alle Jugendlichen, die noch nie eine Arbeit hatten, und erst recht die sogenannten „illegalen Einwanderer“ aus der Gesundheitsbetreuung heraus. Denn das ist der Clou, der in der öffentlichen Debatte von den bürgerlichen Medien immer unterschlagen wird: Die profitorientierte Sparpolitik kennt eine wirkliche Symmetrie bei der Ausgrenzung von alten und jungen Men-

schen. Während neben den klassischen Spaltungsmechanismen „einheimische“ gegen „ausländische“, „weibliche“ gegen „männliche“ Arbeiterinnen und Arbeiter immer öfter die Spaltung in „Junge“ und „Alte“ gefördert wird, trifft die Aushungerungspolitik alle gleich, die nicht effizient ausbeutbar sind. Allerdings wird die Sterblichkeitsrate durch die Krise auch „zum Guten“ verzerrt. So gibt es europaweit einen Rückgang der Verkehrstoten, der darauf zurückzuführen ist, dass sich die arbeitende – und zunehmend arbeitslose – Bevölkerung den Individualverkehr nicht mehr leisten kann. Länderweise unterschiedlich wirkt sich die Krise auf die Zahl der Alkoholkranken aus: Massensteuern auf Alkohol und Tabak wurden etwa in Großbritannien und Finnland 2012 deutlich erhöht, um einerseits die Staatseinnahmen zu erhöhen und andererseits die Behandlungskosten für Suchterkrankungen zu senken. Tatsächlich scheinen die Alkoholerkrankungen zurückgegangen zu sein, andererseits haben sich die Fälle von „Komatrinken“ erhöht, eine

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KLASSENKAMPF Schichten der Bevölkerung abwälzen, führt europaweit zum Ansteigen der Zahl der von Armut betroffenen Kinder. Die Durchimpfungsrate in einzelnen Ländern nimmt ab, längst ausgestorbene Krankheiten wie Kinderlähmung und TBC kehren zurück. In den südeuropäischen Ländern, die besonders von der Krise betroffen sind, treten schon wieder erste Malariafälle auf.

Kein Bild aus dem 1 9. Jahrhundert, sondern England im April 201 3: Arbeitslos, obdachlos, hungrig, krank Erscheinung, die bereits in der Weltwirtschaftskrise 1929 in den USA beobachtet wurde.

DIE LÜGE VOM SPAREN Die „Lancet“- Studie weist aber auch darauf hin, wie verlogen die „Sparargumente“ der bürgerlichen Regierungen in der Gesundheitspolitik sind: Die angeblichen „Kostensenkungen“ sind perspektivisch eine Farce, weil sie in weiterer Folge zu einer Zunahme von Massenerkrankungen führen und Kranke statt vorzusorgen die im Prinzip teureren Ambulanzeinrichtungen in Anspruch nehmen müssen. Der „Einsparungseffekt“ tritt nur

dann ein, wenn ausreichend Menschen umkommen und dadurch die Gesundheitskosten reduziert werden. Tatsächlich geht der Kapitalismus im „zivilisierten“ 21. Jahrhundert in diese Richtung: So ist es zum Beispiel in Griechenland zu einem deutlichen Anstieg der HIV-Infektionen gekommen. "Während sich zwischen 2007 und 2010 zehn bis 15 Drogenabhängige neu mit dem Virus infizierten, lag die Zahl 2011 bei 256 und 2012 bis zum August bei 314." Die Fachleute halten das für eine Folge der Einschränkung bei den Vorbeugungsprogrammen seit 2008. Und dann gibt es eine weitere tickende gesundheitliche Zeitbombe: Die Sparpolitik der Regierungen, welche die Krisenlast auf die werktätigen

JA, ES GEHT AUCH ANDERS! Immer wieder haben Marxistinnen und Marxisten die bekannte Alternative von Rosa Luxemburg als Warnung ausgesprochen: „Sozialismus oder Barbarei“. Heute sehen wir, dass das keine abstrakte Formel ist. Aber es sind letztlich die Menschen, die ihre Geschichte selbst machen, und wir sind nicht dazu verdammt, sehenden Auges in den Abgrund zu rennen. Die Verfasser der Studie in „The Lancet“ zeigen nämlich, dass es sehr wohl Alternativen gibt. Ihr Beispiel ist eine kleine Insel, die sich nach Massenprotesten dem Spardiktat der imperialistischen Mächte zumindestens teilweise widersetzt hat: Island. Als

BROSCHÜREN DER GRUPPE KLASSENKAMPF In unserer GriechenlandBroschüre liefern wir eine grundlegende Einschätzung der Krise in Griechenland und der politischen Krise des Proletariats in diesem Land. Die Broschüre zum

Bürgerkrieg in Österreich 1934

zeigt, wie reformistische Illusionen in die bürgerliche Demokratie in die Niederlage führen.

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der Internationale Währungsfonds ein „Rettungspaket“ für das durch den Zusammenbruch des Bankensektors vor dem Bankrott stehende Land verordnete, das bedeutet hätte, zwischen 2016 und 2023 50 % der jährlichen Staatseinnahmen an die britischen und niederländischen Regierungen zu zahlen, stimmten 93 % der Isländerinnen und Isländer gegen dieses Diktat. Die britische Regierung griff zu Anti-Terror-Gesetzen, um isländisches Vermögen im Ausland beschlagnahmen – aber die Bevölkerung gab nicht nach. Die Währung Isands – Króna – kollabierte, und die isländische Bevölkerung erlitt herbe Einkommenseinbußen. Aber: es gab keine Steigerung der Selbstmordrate, und generell verbesserte sich der Gesundheitszustand der Bevölkerung. Das „Humankapital“ in Form von Solidarität und gemeinsamen Widerstand stärkte offenbar die körperlichen Kräfte der Einzelindividuen. Zudem gab es eine deutliche Erhöhung der Nahrungsqualität, unter anderem durch den Rückzug von McDonald's auf Grund der gewaltig gestiegenen Kosten für Tomaten und Zwiebel (den teuersten Zutaten in den Burgern). Dafür nahm der Fischkonsum zu, und entgegen der Forderun-


KLASSENKAMPF Island: Weniger Fastfood, mehr Fisch gen des IWF nach einer Verbilligung von Alkohol (um die Bierkonzerne der Gläubigerstaaten zu stärken) blieb die isländische Regierung bei einer restriktiven Preispolitik für alkoholische Getränke. Das isländische Beispiel lässt die Konturen erahnen, die eine Politik haben kann, die sich den Krisendiktaten der Banken und Konzerne widersetzt. Die Einheit der arbeitenden Bevölkerungen in Europa, ihr gemeinsamer Kampf gegen die kapitalistische Krise und die Verjagung der Schuldigen daran würde ganz andere Möglichkeiten schaffen eine Gesellschaft aufzubauen, die ohne Ausbeutung nicht nur glücklicher, sondern auch gesünder wäre.

ITALIEN

Anna Maria Sopranzi (68) und Romeo Dionisi (62) aus Civitanova Marche in Italien haben sich aufgehängt. Sie haben so ordentlich Selbstmord verübt, wie sie lebten. Sie ließen die Tür zu ihrer Garage offen und deponierten gut sichtbar einen Brief, in dem sie ihre Angehörigen um Vergebung baten und den Finder des Schreibens schonend auf einen furchtbaren Anblick im Nebenraum vorbereiteten. Die Tragödie von Sopranzi und Dionisi war aber noch nicht vollendet. Als Giuseppe Sopranzi, der Bruder Anna Marias, die Nachricht vom Doppelselbstmord seiner Angehörigen erhielt, schied er ebenfalls freiwillig aus dem Leben – er ertränkte sich im Meer. Romeo Dionisi war Angestellter einer Baufirma.

Erst Arbeitsplatz, dann Pension gestohlen – Geschichte eines Dreifachselbstmords

Die Krise traf die Branche hart, und er verlor seinen Arbeitsplatz. Dann setzte die Regierung das Rentenantrittsalter um fünf Jahre hinauf. Wie tausende andere wurde er zum „Esodati“, zum „Exilierten“. So nennt man in Italien jene älteren Beschäftigten, die nach der Änderung des Pensionsrechts wegen unzureichender Pensionsbeiträge um ihre Altersvorsorge gebracht wurden. Dionisi bekam keinen Cent mehr und versuchte, als „selbständiger Bauarbeiter“ über die Runden zu kommen – vergebens. Bis zuletzt klammerte er sich an die illusorische Hoffnung, Pensionszeiten nachkaufen zu können. Die 500 Euro Rente seiner Frau, einer ehemaligen Handwerkerin, reichten nicht mehr für die Mietzahlungen des Paares. „Sie waren zu stolz, um in Armut zu leben“, sagen die Nachbarn.

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KLASSENKAMPF Fortsetzung v. S. 16 rialismus seine militärischen Interventionen; der „Krieg gegen den Terrorismus“ ist weltweit zum Vorwand geworden, um die der Bourgeoisie angeblich so heiligen „demokratischen“ Werte einzuschränken und in Richtung starker, bonapartistischer Regimes zu gehen. Weltweit werden „private“ Söldnertruppen und faschistische Banden finanziert. Gleichzeitig zeigt sich, dass, entgegen der Erwartung mancher zentristischer Gruppen, die Krise nicht automatisch zu einem Anstieg des Klassenbewusstseins und revolutionären Situationen führt: Dazu bedarf es des Eingreifens der bewussten revolutionären Avantgarde. In der folgenden, mehrstündigen Diskussion wurden ausführlich Probleme der Krise in Griechenland und die Situation in Syrien diskutiert, unter anderem vor dem Hintergrund des Sozialforums in Tunis. Wir haben die Sozialforen immer als moderne Version der Volksfront, also der Anpassung an die Bourgeoisie, kritisiert. Im Zuge der Diskussion zeigte sich, dass durchaus der Vergleich mit einer neuen internationalen Ausgabe der "anti-imperialistischen Einheitsfront" zulässig ist, also der Unterordnung der Arbeiterinnen und Arbeiter der kolonialen und halbkolonialen Länder unter die "antiimperialistische" nationale Bourgeoisie. Am späten Nachmittag folgte ein Referat des Genossen Amadys (Mitglied der Provisorischen Gemeinsamen Leitung von GB und CCI(t) vor der Vereinigung) zur Situation in Frankreich. Mit 3,6 Millionen hat die Zahl der Arbeitslosen in Frankreich momentan einen historischen Höchststand erreicht. Das Wachstum des BIP hat sich dramatisch verlangsamt, und mit Hilfe der Regierung aus Sozialdemokraten, Grünen und bürgerlichen

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"Radikalen" bereitet der Unternehmerverband MEDEF neue Massenkündigungen und Angriffe auf Lohne, Arbeitszeit und Renten vor. Die reformistischen Arbeiterpar-

Kundgebungen gestartet. Unsere französischen Genossen haben mit Flugblättern und Zeitungen auf der Linie der Propagierung des Generalstreiks in den Konflikt inter-

Genossinnen und Genossen in den Gewerkschaften und am Arbeitsplatz illustriert. Zu Mittag präsentierte Genossin Valentina Cohen den Organisationsbericht, der ei-

Peugeot Aulnay: Seit 1 6. Jänner im Streik teien leisten diesen Plänen keinen wirklichen Widerstand: Die SP ist selbst Trägerin der Angriffe; die "Front de Gauche" (Linksfront) des ehemaligen sozialdemokratischen Ministers Jean-Luc Melenchon mit den Resten der KPF führt mit radikalen Sprüchen einen Kampf für die Erneuerung der bürgerlichen Demokratie und mobilisiert für den 5. Mai zu einer Großkundgebung für eine "6. Republik", die "der Staat aller Franzosen" sein soll. Zugleich gibt es seitens Melenchons und der FdG chauvinistische Ausfälle gegen immigrierte Arbeiter und Arbeiterinnen. Die KPF kontrolliert weiterhin die wichtige Gewerkschaft CGT. Diese spielt beim Kampf im Peugeot-Werk von Aulnay eine zurückzerrende Rolle, wobei dort an der Spitze der Gewerkschaftsorganisation ein Mitglied der pseudotrotzkistischen Gruppe "Lutte Ouvriere" steht. Die CGT weigert sich, den seit Jänner währenden Streik gegen Massenentlassungen bei PSA auf andere Konzernbetriebe auszuweiten und in anderen Branchen zu Solidaritätsaktionen aufzurufen. Stattdessen werden fallweise "aktionistische"

veniert. Der Nationalismus der traditionellen Arbeiterparteien, bis hin zur Unterstützung der militärischen Interventionen des französischen Imperialismus in Afrika, hat den reaktionären, klerikalen und offen faschistischen Banden Auftrieb gegeben. Im Gegensatz zu den anderen Organisationen führt die GMI einen entschlossenen Kampf für die Arbeiterselbstverteidigung. Anschließend an den Beginn der Diskussion erstattete Genosse Sergio aus Peru einen Bericht über die Arbeit des CoReP in seinem Land und überbrachte die Grüße der peruanischen Genossen an die Konferenz (wir werden in der nächsten Ausgabe eine Zusammenfassung seines Beitrages veröffentlichen). Am Abend diskutierten Kommissionen die künftige Gestaltung der Zeitung, die 1. Mai-Erklärung der Organisation, Sicherheitsfragen und die Endredaktion der progrmmatischen Plattform der künftigen gemeinsamen Organisation. Die Diskussion zum Referat des Genossen Amadys wurde am Sonntag morgen fortgesetzt und durch konkrete Berichte von Interventionen der

ne Bilanz der einjährigen Zusammenarbeit zwischen den beiden Organisationen und der gemeinsamen Leitung zog. Anschließend wurde die Plattform diskutiert, die das klare Bekenntnis der Organisation zum Kommunismus als Ziel festschreibt. (Das Politische Büro des CoReP, das nach der Konferenz der GMI zusammentrat, wird den Sektionen eine überarbeitete Fassung der Plattform als internationales Grundlagendokument vorschlagen). Bei den anschließenden Abstimmungen wurde einstimmig die Fusion beschlossen; dann wurde aus acht Vorschlägen der endgültige Organisationsname ausgewählt. Die Konferenz verlief in einer ausgesprochen kameradschaftlichen Atmosphäre, auch wenn es zu einzelnen Fragen mitunter heftige Diskussionen gab. Wir freuen uns, dass wir mit der GMI über eine wesentlich gestärkte Schwesterorganisation in Frankreich verfügen. Vive le Groupe Marxiste Internationaliste! Hoch die Internationalistische Marxistische Gruppe! Vorwärts im Kampf für den Aufbau der Revolutionären ArbeiterInneninternationale!


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AUS DEN ARCHIVEN DES MARXISMUS

Fatalismus und Marxismus Der proletarische Revolutionär muss vor allem begreifen, dass der Marxismus, die einzige wissenschaftliche Theorie von der proletarischen Revolution, nichts gemein hat mit fatalistischem Warten auf die „letzte“ Krise. Der Marxismus ist seinem Wesen nach eine Anleitung zu revolutionärem Handeln. Der Marxismus ignoriert nicht Willen und Mut, sondern hilft ihnen auf den richtigen Weg.

Leo Trotzki: Wohin geht Frankreich? März 1 935

Es gibt keine Krise, die von selber für den Kapitalismus „tödlich“ werden könnte. Die Konjunkturschwankungen schaffen lediglich Situationen, in denen es dem Proletariat leichter oder schwerer fällt, den Kapitalismus zu stürzen. Der Übergang von der bürgerlichen zur sozialistischen Gesellschaft hat zur Voraussetzung das Handeln lebender Menschen, die ihre eigene Geschichte gestalten. Dabei gehorchen sie nicht dem Zufall oder ihrer Lust, sondern dem Einfluss bestimmter objektiver Ursachen. Ihre eigenen Handlungen aber – ihre Initiative, Kühnheit, Aufopferung, oder umgekehrt Dummheit und Feigheit – bilden notwendige Glieder in der Kette der historischen Entwicklung. Niemand hat die Krisen des Kapitalismus numeriert und im voraus angemerkt, welche die „letzte“ sein soll. Aber unsere ganze Epoche und vor allein die gegenwärtige Krise gebieten dem Proletariat: nimm die Macht! Zeigt sich jedoch die Arbeiterpartei trotz günstigen Umständen unfähig, das Proletariat zur Machteroberung zu führen, dann wird die Gesellschaft notwendigerweise auf kapitalistischer Grundlage fortleben – bis zu einer neuen Krise oder einem neuen Krieg, vielleicht bis zum vollständigen Zusammenbruch der europäischen Zivilisation.

Lest die Presse des CoReP! Die Zeitschriften der Sektionen des Kollektivs Permanente Revolution können entweder direkt bei den Organiationen oder bei uns von der GKK bestellt werden.

http://www.revolucionpermanente.com 15


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FRANZÖSISCHE REVOLUTIONÄRE FUSIONIEREN

Frankreich:

Groupe Marxiste Internationaliste gegründet Am 28. April 2013 ist in Paris die Vereinigungskonferenz zwischen Groupe Bolchévik und Comité Communiste Internationaliste (trotskyste) mit dem Absingen der "Internationale" zu Ende gegangen. Die Konferenz beschloss einstimmig, die Groupe Marxiste Internationaliste (Internationalistische Marxistische Gruppe, franz. Sektion des CoReP) zu gründen. Die Zeitung der neuen Organisation wird "Révolution Communiste" heißen. Die GMI verfügt über Zellen in Paris, Lyon und Nantes sowie Stützpunkte im Limoges, Rennes und einer Stadt in Südfrankreich. Die Konferenz wählte eine fünfköpfige Leitung, die gleichzeitig die Redaktion der Zeitung ist. Am ersten Tag der Konferenz stand der Bericht zur internationalen Lage des österreichi-

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schen Vertretes im Politischen Büro des CoReP im Mittelpunkt der Diskussion. In seinem Referat gab Gen. Paul Mazurka einen Überblick über die aktuelle politische und ökonomische Krise der imperialistischen Weltwirtschaft. Die Krise des Kapitalismus äußert sich in verschiedenen Arten, und auf verschiedenen Kontinenten anders: In Europa erleben wir zur Zeit eine Welle sogenannter „Austeritätsmaßnahmen“, mit denen die Auswirkungen der Krise auf die arbeitenden Menschen abgewälzt werden sollen. Aber nicht nur die „arbeitenden“ im engsten Sinne des Wortes trifft es – immerhin gibt es in der EU zur Zeit 28 Millionen Arbeitslose, und auch deren Lebenssituation wird immer prekärer und elender.

Der russische Imperialismus ist im Zuge der „Zypernkrise“ erstmals in eine direkte Konfrontation mit westeuropäischen Imperialismen geraten. Damit ist ein neuer internationaler Krisenherd erstmals sichtbar geworden. In den USA versucht die Bourgeoisie Optimismus über einen Aufschwung zu verbreiten, der sich aber in den Löhnen der Arbeiterinnen und Arbeiter nicht im geringsten niederschlägt; für Afrika weisen die internationalen Statistiken ein Wirtschaftswachstum aus, das jedoch innerhalb des Kontinents und zwischen den Klassen völlig disproportional verteilt ist. Während ölfördernde Länder teilweise zweistellige Wachstumsraten vorweisen können (z.B. Angola), kommen die Gewinne nur der schmalen herrschenden

Elite zugute. Afrika im Subsaharagürtel ist nach wie vor der ärmste Teil der Welt, geprägt von Epidemien und Hungersnöten. In Asien stärkt sich der chinesische Imperialismus auf Kosten seiner regionalen Konkurrenten – und auf der Basis einer immer schärferen Ausbeutung der ArbeiterInnenklasse. Zugleich wachsen die sozialen Spannungen am indischen Subkontinent. In Lateinamerika ist es dem Imperialismus und den einheimischen Bourgeoisien in keinem einzigen Land gelungen, die traditionellen instabilen Verhältnisse zu beseitigen. Überall treffen die Sparpläne der Regierungen auf heftigen Widerstand der Arbeiter und armen Bauern. Weltweit verschärft der Impe-

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