Klassenkampf 18

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CoReP

Interview mit dem Historiker Fritz Keller über Dollfuss, SPÖ und staatstragendes Gedenken

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KLA S S E N KA M PF Zei t u n g fü r Rä t em a ch t u n d Revol u t i on

Nummer 1 8 / Februar 201 4

Gruppe Klassenkampf

Preis 2,-- EUR

Polizeistaat, Betaversion?

Es war die Betaversion des Polizeistaates, die Wien am 24. Jänner 201 4 erlebt hat: Weil 400 ehrenwerte Herrschaften aus dem reaktionären bis faschistischen Lager unter Schirmherrschaft der FPÖ und ihres Obmannes H. C. Strache in der Hofburg unter sich bleiben und die biedere Geselligkeit einer Ballnacht zur Vernetzung und Bildung von Seilschaften nützen wollten, wurden in weiten Teilen Wiens grundlegende demokratische Rechte aufgehoben oder in Frage gestellt, die Freiheit der Medienberichterstattung eingeschränkt und eine „Sicherheitszone“ geschaffen, wie sie die Bundeshauptstadt noch nie gesehen hatte.

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www.klassenkampf.net

DOSSIER: 125 JAHRE SPÖ Teil 1 ISSN: 2220-0657


KLASSENKAMPF

EDITORIAL

Der rote Faden: Die „Führungskrise des Proletariats“ Diese Ausgabe des KLASSENKAMPF setzt sich im innenpolitischen Teil maßgeblich mit den Auswirkungen und Plänen der "neuen alten" Koalitionsregierung auseinander. Neben einer grundsätzlichen Einschätzung der Pläne des Kabinetts Faymann/Spindelegger beschäftigen wir uns mit den Lehren des Polizeieinsatzes beim "Akademikerball" der FPÖ und der folgenden "Gewaltdebatte".

Der beste und umfassendste Weg, um uns kennzulernen: Die Lektüre unseres programmatischen Dokuments Für Revolution, Rätemacht und Sozialismus Für 3,-- bei den Genossinnen und Genossen der GKK erhältlich.

Dass es sich hier um kein "Wien-Thema" handelt, sondern dass die generelle Orientierung des Staatsapparates im Umgang mit Demonstrationen und demokratischen Freiheiten zur Diskussion steht, sollte klar sein, nachdem sich Bundespolitiker bis hinauf zum "HBP" in die Debatte eingemischt haben. Bemerkenswert war allerdings, wie tief der Kniefall der Grünen vor den Scharfmachern von Ruhe & Ordnung ausgefallen ist: Ausschlussdrohungen gegen die eigenen Jugendorganisationen waren bisher eher ein Privileg der SPÖFührungen. Aus Anlass des 125. Geburtstages der SPÖ (Gründungsparteitag von Hainfeld) veröffentlichen wir den ersten Teil eines Streifzuges durch die Geschichte der Sozialdemokratie "von der Klassenpartei zur bürgerlichen Arbeiterpartei". Im engen Zusammenhang damit steht auch unser Aufruf zu einer klassenkämpferischen Gedenkstunde für die Opfer des 12. Februar und ein Interview mit dem Historiker Fritz Keller, der auf ein Dokument gestoßen ist, das den verbrecherischen Charakter des Austrofaschismus in seiner ganzen Perfidie bloßstellt. Dass wir uns mit dem Streik bei KBA-Mödling solidarisieren, ist klar - eine entsprechende Stellungnahme darf daher nicht fehlen. Worum es materiell für die arbeitende Bevölkerung geht, zeigen wir an Hand der Analyse einer Studie der AK zur Vermögensverteilung in Österreich. Sie belegt die zunehmende soziale Ungleichheit. Vor 20 Jahren wurde in Südafrika offiziell die Apartheid beseitigt. An der Situation der mehrheitlich schwarzen Arbeiterklasse hat sich dadurch freilich wenig geändert - nicht zuletzt durch den Verrat der stalinistischen Südafrikanischen KP (SACP). Nach dem Massaker von Marikana im Aufust 2012 wird die Situation immer instabiler - wir beschäftigen uns mit den jüngsten Entwicklungen am Kap. Ein Teil dieser Ausgabe ist unserer Solidaritätsarbeit mit der Arbeitern und Arbeiterinnen, den Arbeitlosen, den Migrantinnen und Migranten in Griechenland gewidmet. Wir können mit Stolz eine erste Bilanz unserer Kampagne "Helfen wir der Ameise" ziehen.

Die Plattform der französischen Sektion des CoReP ist eine hervorragende Einführung in den Kommunismus!

Ein Schwerpunkt unserer Schulungsarbeit ist derzeit der "Marxistische Lesekreis", in dem wir gemeinsam die Aktualität des "Manifests der Kommunistischen Partei" von Marx und Engels untersuchen. Dazu gibt es einen ergänzenden Artikel. Wir wünschen eine interessante Lektüre und freuen uns auf eure Rückmeldungen. Redaktion "KLASSENKAMPF"

Für Kommunismus! Den Kapitalismus überwinden! Für 3,-- bei den Genossinnen und Genossen der GKK erhältlich.

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IMPRESSUM:

Eigentümer, Herausgeber, Verleger, Druck: Gruppe Klassenkampf. Druckort: Wien


KLASSENKAMPF

Erklärung der Gruppe Klassenkampf

NUR DIE EINHEITLICHE ANTWORT DER ARBEITENDEN, ARBEITSLOSEN, DER JUGEND... KANN DIE ANGRIFFE DER REGIERUNG VERHINDERN! Noch einmal haben sich SPÖ und ÖVP auf ein gemeinsames Regierungsprogramm einigen können. Wenn es in den nächsten Jahren nicht zu einer radikalen Veränderung der innenpolitischen Situation durch organisierten Widerstand der Arbeiterinnen und Arbeiter, der Angestellten, der Jugend… kommt, wird dies vermutlich für lange Zeit die letzte Regierung unter Beteiligung der bürgerlichen Arbeiterpartei SPÖ gewesen sein dann wird die herrschende Klasse ihr lange unerfüllbares Ziel erreicht haben und endlich mit ausschließlich ihr verantwortlichen politischen Vertretungen herrschen können. Klar gestellt sei aber: Auch eine Regierung mit sozialdemokratischen Ministern und unter einem sozialdemokratischen Bundeskanzler ist eine bürgerliche Regierung, weil sie nichts anderes ist als der politische Ausschuss zur Führung der Geschäfte der herrschenden Klasse. Und diese Klasse ist das Bürgertum, die Bourgeoisie, die Klasse derjenigen, welche im Besitz der Fabriken, der Industrie, der Transportmittel, der Banken, also der Produktionsmittel ist.

der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Hainfeld hat es die sozialdemokratische Partei geschafft, durch ihre Unterordnung unter die Interessen des Kapitals und die Übernahme aller Laster der bürgerlichen politischen Elite Korruption, Abgehobenheit, Isolierung von der arbeiten-

den Bevölkerung - die eigene Parteibasis so zu dezimieren oder gegen sich aufzubringen, das Klassenbewusstsein so zu senken, die Bedeutung der Gewerkschaften so zu schwächen, dass die mit populistischen Phrasen um sich werfende FPÖ gemeinsam mit der ÖVP (und möglichwerweise kleineren bürgerlichen Splitterparteien) offen und brutal die Errungenschaften von jahrzehntelangen 125 Jahre nach Gründung Kämpfen um soziale Errun-

genschaften zunichte machen wird. Die Koalitionsregierung beruht auf einem Pakt, der ein völliger Kniefall der sozialdemokratischen Führung vor dem bürgerlichen Regierungsblock ist. Die Budgetkonsolidierung soll zu 50 % aus dem

Schließen von Steuerschlupflöchern und Bekämpfung von Steuerbetrug erfolgen, 32 % aus Einsparungen in der Verwaltung. Die Eintreibung von Steuerrückständen oder die Bekämpfung von Schwarzarbeit wäre eine Politik im Interesse der Arbeiterklasse. Eine solche ist von einer bürgerlichen Regierung nicht zu erwarten. Dafür ist mit “Einsparungen in der Verwaltung” sehr wohl zu rechnen - aber nicht in Form einer

verschwurbelten “Verwaltungsreform”, sondern durch Personalabbau im Ausbildungssektor, im Gesundheitsbereich und durch Privatisierungen. Zu erwarten sind daher noch vor 2018 unter anderem die massive Erhöhung von Massensteuern, vor allem bei Steuern auf einzelne Produkte des täglichen Bedarfs, Nivellierung des Sozialversicherungssystems nach unten (bürgerliches Schlagwort: "Vereinheitlichung") sowie die Erhöhung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters. Gleichzeitig wird der Druck auf Beschäftigungslose, die dem AMS in die Hände fallen, deutlich erhöht - durch die Umgehung bestehender Kollektivverträge für “Transitarbeitskräfte” wird, mit Duldung durch die Gewerkschaftsbürokraten, einer Mindestlohnregelung der Boden unter den Füßen weggezogen. Statt Arbeitsplätze und sinnvolle Qualifizierungsmöglichkeiten für Jugendliche zu schaffen, werden sinnlose Kurse und “Maßnahmen” angeboten, die nur der Schönung von Statistiken dienen. Ein deutliches Signal war die Zusammenlegung von Forschungsund Wirtschaftsministerium. Was wir Marxisten schon seit langem gesagt haben und was immer als “radikale Propaganda” abgetan wurde, hat nun die bürgerliche SP/VP-Regierung selbst offen auf den Tisch gelegt: Im bestehenden kapitalistischen Wirtschaftssystem gibt es keine “reine Lehre”, keine wertfreie Wissenschaft Forschung und Lehre sind vielmehr den Profitinteressen des Kapitals unterworfen. Die Dauerkrise des “Bildungs”bereichs ist nur Ausdruck dafür, dass die herrschende Klasse keinerlei Interesse daran hat,

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Fortsetzung von Seite 3 das Bildungsniveau der Menschen tatsächlich im Interesse der gesamten Gesellschaft anzuheben. Sie zeigt, dass der Kapitalismus in erster Linie funktionierende Arbeitsroboter braucht, denen durch Schule und Universitäten weder Wissen noch die Fähigkeit zum eigenständigen Denken vermittelt werden soll, sondern denen mit Pseudowissen und beruhigenden Ideologien das Hirn verkleistert und jeder Funke der Rebellion ausgetrieben werden soll. Tatsächlich haben sich erste, zaghafte, Proteste gerührt: der Widerstand von Schülerinnen und Schülern gegen die unzumutbaren Rahmenbedingungen für die Zentralmatura; Proteste der öffentlich Bediensteten gegen Personalabbau; Demonstrationen gegen das neue Lehrerdienstrecht…. Entscheidend wird es sein, die Zersplitterung dieser Bewegungen gegen die bürgerliche Sparpolitik zu überwinden. Es gilt, die Gemeinsamkeiten all dieser Proteste herauszuarbeiten und auf andere betroffene Gruppen der arbeitenden und arbeitslosen Bevölkerung auszuweiten. Die Gewerkschaften müssen diese Forderungen unterstützen! Als grundlegende gemeinsame Vereinigungen zur Vertretung der Interessen der arbeitenden Menschen gegründet, sind Gewerkschaften gerade heute weder unnötig noch unbedeutend. Daran können die Arbeiterinnen und Arbeiter übrigens die Verlogenheit der angeblichen “neuen Arbeiterpartei” FPÖ erkennen, die blauäugig als “Partei des kleinen Mannes” auftritt und gleichzeitig Gewerkschaften und Kollektivverträge zerschlagen möchte. Sehr wohl unnötig aber sind die bürokratischen Appa-

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rate, die sich im Bündnis mit der sozialdemokratischen Parteiführung zu den faktischen Herrschern über die Gewerkschaften aufgeschwungen haben. Sie müssen vertrieben und die Arbeiterdemokratie in den Gewerkschaften wieder hergestellt werden. Für klassenkämpferische Gewerkschaften, unabhängig vom bürgerlichen Staat! Ein wesentlicher Punkt bei der Überwindung der Spaltung der arbeitenden Menschen und der notwendigen Herstellung ihrer Einheit gegen die herrschende Klasse ist die Zurückweisung der Hetze gegen Migrantinnen und Asylwerberinnen! Schluss mit der Hetze gegen AsylwerberInnen! Unterstützung der Hauptforderungen der Refugee-Camp-Bewegung: Für das Recht von Flüchtlingen, sich frei zu bewegen, zu arbeiten und sich zu bilden, Schluss mit den Deportationen – no borders, no nation, no deportation! Damit die Angriffe auf die sozialen und kulturellen Errungenschaften der arbeitenden Menschen abgewehrt werden können, bedarf es eines klaren politischen Programms und einer ebenso klaren internationalen Orientierung. Die Angriffe, die jetzt auf die österreichischen Werktätigen zukommen, haben die griechischen Arbeiterinnen und Arbeiter in Armut und Elend gestoßen, zerrütten die Lebensgrundlage der arbeitenden Bevölkerung in Spanien und Portugal und haben den Arbeitern in Deutschland Hartz IV und Massenarbeitslosigkeit beschert. Spontan werden die Bewegungen aus sich heraus dieses Programm nicht entwickeln können - dazu bedarf es einer bewusst politisch agierenden Kraft, einer revolutionären Arbeiterpartei und einer revolutionären Arbeiterinternationale.

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Polizeistaat, Betaver

Die Lehren a Was sie so sagten ... Die Frage ist, ob man diesen Gewalttaten entschiedener entgegentreten hätte müssen, ob man nicht, anstatt zu versuchen zu deeskalieren, bereits mit Waffengebrauch entgegentreten hätte müssen. (Wiens Polizeipräsident Pürstl, Ö1 Morgenjournal. 29. 1 . 201 4) Absolut nullstes Verständnis habe ich für jeden, der das (Proteste gegen Nazis) nicht gewaltfrei macht. (Eva Glawischnig, Obfrau der Grünen)

Ich lehne jede Gewalt dieser Art ab. Ich habe als Student an vielen Demos teilgenommen. Aber Auslagenscheiben wahllos und sinnlos einzuschlagen oder Autos umzuschmeißen, das sind Gewaltszenen, die ich in Wien nicht sehen möchte. (Heinz Fischer, Bundespräsident)


KLASSENKAMPF Es war die Betaversion des Polizeistaates, die Wien am 24. Jänner 201 4 erlebt hat: Weil 400 ehrenwerte Herrschaften aus dem reaktionären bis faschistischen Lager unter Schirmherrschaft der FPÖ und ihres Obmannes H. C. Strache in der Hofburg unter sich bleiben und die biedere Geselligkeit einer Ballnacht zur Vernetzung

rsion:

gewaltbereite Schlägertypen auf der Straße - vermummt und schwer bewaffnet: die "Einsatzkräfte der Republik", die 400 Ganz-, Halb- und Möchtegernfaschisten und ihrem Anhang ein "ungestörtes Ballvergnügen" garantieren sollten. Schon Tage vor dem „großen Ereignis“ wurden von Polizeisprechern Propagandamärchen der Extraklasse verbreitet: ganze

den WKR- aka Akademikerball dar. Positiv war heuer ohne Zweifel, dass auch Gewerkschaftsorganisationen zur Demonstration aufgerufen hatten. Hauptproblem war aber die stark studentische, rein „demokratische“ Orientierung. Allerdings konnten Organisationen, die sich auf die ArbeiterInnenbewegung berufen, offen auftreten und konnten so mit ihren

hatte. Am 25. Jänner begann die „demokratische“ Absetzbewegung von den Protesten: Was die internationlen Medien als „unbedeutende Scharmützel am Rande der Demonstration“ charakterisierten, wurde nicht nur von der FPÖ sofort zum Aufmarsch „ultralinker Stiefelbanden“ und zum „wahren faschistischen Ter-

aus dem 24. Jänner 2014 und Bildung von Seilschaften nützen wollten, wurden in weiten Teilen Wiens grundlegende demokratische Rechte aufgehoben oder in Frage gestellt, die Freiheit der Medienberichterstattung eingeschränkt und eine „Sicherheitszone“ geschaffen, wie sie die Bundeshauptstadt noch nie gesehen hatte.

Die Einschätzung ließe sich noch zuspitzen: Bewusst ist die FPÖ-Führung in die Bresche gesprungen, nachdem der sogenannten WKR-Ball einfach nicht mehr ohne breiten Widerstand abzuhalten war; damit hat die StrachePartie zugleich eine provokante „Strategie der Spannung“ betrieben, weil ihr „Akademikerball“ zwangsläufig die gleichen Proteste auf sich ziehen musste wie der Ball der halb- und ganzfaschistischen Burschenschaften. Als Parlamentspartei am Sprung zur Regierungsmacht konnte die FPÖ mit wesentlich mehr Durchsetzungskraft nach Polizeischutz schreien als die schlagenden Burschis. Und dieses Kalkül ist aufgegangen

Autobusladungen mit bundesdeutschen Strassenkämpfern, die nur auf Randale aus wären, würden gen Wien rollen; wilde Rotten bereiteten den Showdown vor. Also: Her mit dem Pfefferspray, her mit den Wasserwerfern, und die Polizistinnen und Polizisten mit Gräuelgeschichten so verängstigen, dass die jegliche Beißhemmung verlieren würden, stünden sie doch einem mörderischen „Schwarzen Block“ gegenüber. Die psychologische Vorarbeit des ExBurschenschafters und jetzigen SPlers Gerhard Pürstl, Polizeipräsident von Wien, könnte direkt aus dem militärischen Standardwerk „Vom Kriege“ des preussischen Generals Carl von Clausewitz stammen.

Fahnen und Transparenten ror“ umgelogen. Die SPÖ das Bild der Aktionen deut- hüllte sich in Schweigen, lich prägen. während die Grünen einen auf Gewaltfreiheit machten: Mag sein, dass echte "Ran- "Keine Gewalt" oder die Abdalierer", vermutlich eher lehnung der Parole "Unseren aber Provokateure in die Rei- Hass könnt ihr haben" ist hen der Demonstrationen ein- Ausdruck eines idiotischen gesickert sind - es war die Pazifismus, der Glaube, die

Die Gewalt der "Ordnungskräfte" begann schon lange vor Beginn der Demonstrationen - mit einem exzessiven Vermummungsverbot und der Einführung der Kontrolle der Presse - hier winkte der Polizeistaat schon gar nicht mehr aus der Ferne …

Polizei, es war die bürgerliche Politik, welche ihre Büttel losgeschickt hat, welche die Randale wollten! Wer aus 20 bis 30 Zentimetern Abstand den Leuten Pfefferspray ins Gesicht sprüht darf sich nicht wundern, wenn zurückgeschlagen wird. Die massive Gewaltanwendung der Robocops richtete sich gleichermaßen gegen die OgR-Demo wie gegen den noWKR-Bock aus Antinationalen und Autonomen, der sich bei Wien/Landstraße gesammelt

Die 8.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des breiteren Bündnisses „Offensive gegen Rechts“ stellten den HöheAm 24. Jänner waren nicht punkt der bisherigen langjähDutzende, es waren tausende rigen Mobilisierungen gegen

Reaktion durch "Wohlverhalten" zur Gewaltlosigkeit animieren zu können. Dass wir revolutionären Marxisten sinnlose Angriffe auf überlegene Polizeikräfte als unzweckmäßig ablehnen, ist hinlänglich bekannt; dass es lächerlich ist, wenn „heldenhafte“ Autonome oder Pseudo-Anarchisten in Foren und Blogs das Demolieren von Fensterscheiben bei einer Polizeiwache wie eine neue Schlacht um Stalingrad hoch-

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Fortsetzung von Seite 5 der Polizeiübergriffe, der Ein- sen entgegenzutreten und ih- terparteien unmöglich machstilisieren, versteht sich von selbst. Dass wir aber gleichzeitig sagen: Die provokative Heerschau des bürgerlichen Staates hat genau die Voraussetzungen geschaffen, die zur sogenannten „Randale“ geführt haben. Nur die permanenten Belästigungen der Demos, die Bildung von Kesseln, die Drohhaltung vorrückender Polizeikordons, die willkürlichen Knüppelorgien haben die Atmosphäre geschaffen, in der hauptsächlich junge Leute ihrer Wut in sinnloser Gewalt Ausdruck verliehen haben. Wenn Frau Glawischnig das „nullste“ Verständnis für Gewalt hat, zeigt das das ganze Elend dieser sich „links“ gebenden Bobopartie, die bereit ist, lieber die eigene Jugendorganisation zu maßregeln als sich ernsthaft mit dem Problem der Gewalt in der Politik auseinanderzusetzen. Dazu gehört natürlich die Frage der Selbstverteidigung von Demonstrationen und Kundgebungen. Gerade angesichts

schränkung von Grundrechten (inklusive der provokativen Umzingelung der Kunstakademie) wird es notwendig sein, die damit zusammenhängenden Fragen schon im Vorfeld weiterer Mobilisierungen zu klären.

Gleichzeitig dürfen wir der Diskussion nicht ausweichen: Ist es demokratisch, Veranstaltungen „demokratischer“ Parteien durch Mobilisierungen der Arbeiter und der Jugend zu verhindern? Unsere Antwort ist klar und geradezu nachhaltig: Ja natürlich! Wir lehnen jede Forderung nach „Verboten“ reaktionärer und faschistischer Umtriebe durch den bürgerlichen Staat ab. Die gesamte Geschichte der vergangenen hundert Jahre zeigt, dass in allen bürgerlichdemokratischen Staaten, in denen es einschlägige Gesetze gab und gibt, diese immer in erster Linie gegen Organisationen der Arbeiterbewegung angewendet werden. Daher ist es die Aufgabe der Arbeiterorganisationen selbst, ihren Todfeinden entschlos-

re Sammlungsversuche zu te, schworen die unterbinden. (Siehe dazu sozialdemokratischen Führer auch den Text unserer auf „demokratische“ Heilmitfranzösischen Genossen auf tel gegen den Naziterror. Seite 1 7!)

Griechenland ist ein gutes Beispiel: Das Goldene Morgengrauen ist nach wie vor eine „demokratische“ Parlamentspartei. Jeder Aktivist, jede Aktivistin der Arbeiterbewegung weiß, dass Chrisy Avgy in Wirklichkeit der politische Schirm über dem faschistischen Terror ist. Folgt man der Logik einer Frau Glawischnig, dürften die griechischen Arbeiter Veranstaltungen des Goldenen Morgengrauens solange nicht behindern, als eine andere bürgerliche Instanz – ein Gericht – die gesamte Partei für „undemokratisch“ erklärt. Genau dieses Vertrauen auf Gesetze, auf Legalismus, war ein wesentlicher Grund, warum die Nazis 1933 an die Macht kommen konnten. Während die stainistische KPD die Sozialdemokraten als „Sozialfaschisten“ denunzierte und damit die Einheit der Arbei-

Was Wien am 24. Jänner 2014 erlebt hat war ein Vorgeschmack auf das Vorgehen der Polizei unter einer Regierung mit FP-Beteiligung; wenn dieser politische Wechsel erfolgt, wird sich die Polizei mit Sicherheit nicht so passiv verhalten wie bei den Protesten während der ersten 30 Tage nach der Angelobung der Regierung Schüssel/Haider 2000. Die völlig aus dem Ruder gelaufene Diskussion über „Randalierer“ und „Gewaltexzesse“ spielt den reaktionären, semifaschistischen und faschistischen Banden in die Hände. Schon hat die berüchtigte Burschenschaft Olympia für Mai einen neuen Straßenaufmarsch angekündigt. Die Schraube der Strategie der Spannung wird also um eine Windung weiter gedreht.

Interview mi

„Nicht einmal der Naivste wird w dass in Dollfuss (...) auch nur ein

Fritz Keller bei einer europäischen Gewerkschafterdemonstration in Prag (2009)

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Fritz Keller, langjähriger Aktivist, Gewerkschafter und „Geschichtsarbeiter“ (Eigendefinition) hat soeben ein Buch über die Familie Pölzer geschrieben - "eine sozialdemokratische Familiensaga". Johann Pölzer Jr. ist einer der großen bekannten Unbekannten der proletarischen Geschichte in diesem Land: Nach dem 2. Weltkrieg war er Generalsekretär und später Vorsitzender der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten. Weniger bekannt ist das Faktum, dass "Schani" Pölzer am 1 2. Februar 1 934 im E-Werk in der Engerthstraße den Schalter umlegte und damit das Signal für den Generalstreik gab.

Wir fragten Fritz Keller zu einem sensationellen Fund im Rahmen seiner Recherchen.

Klassenkampf: Fritz, bei Sichtung der Dokumente zum 1 2. Februar 1 934 bist Du auf ein sensationelles Dokument gestoßen, das mittlerweile einige Aufregung ausgelöst hat. Stichwort: Dollfuss und sein Wunsch nach dem Einsatz von Giftgas gegen die streikenden Simmeringer E-Werksarbeiter. Fritz Keller: Dieses – jetzt im PölzerBuch reprintierte - Dokument schlummert seit Jahrzehnten mit der Signatur 5923 in den Beständen des Dokumentationsarchives des österreichischen Wi-


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SOLIDARITÄT MIT DEM STREIK BEI KBA! Die Kolleginnen und Kollegen bi KBA Mödling, der Österreich-Niederlassung des deutschen Druckmaschinenherstellers König und Bauer in Würzburg, stehen im unbefristeten Streik gegen die geplante Kündigung von 460 Mitarbeitern – mehr als der Hälfte der 750 Beschäftigten. Ende vorigen Jahres erklärte KBA-Vorstandsvorsitzender Bolza-Schünemann: „Wir haben heute weitreichende Entscheidungen für KBA getroffen. Sie sind auch mit schmerzlichen Einschnitten für die Mitarbeiter verbunden. Diese Entscheidungen sind uns nicht leicht gefallen. Aber sie sind leider für die nachhaltige Zukunftssicherung unseres Unternehmens zwingend erforderlich“. Die „schmerzlichen Einschnitte“ sind geplante konzernweite Kündigungen von 1.100 bis 1.500 Kolleginnen und Kollegen an den Standorten Würzburg, Radebeul, Frankenthal, Mödling sowie in Dobruška (Tschechien). Trotz der Krise im Druckereibereich erwirtschaftete KBA-Mödling 2012 einen Umsatz von 166 Millionen und schrieb einen Gewinn von 4,8 Millionen Euro. Das ist den Aktionären der KBA offenbar nicht genug an Profit, den sie aus den Beschäftigten herauspressen. Wenn die Kündigungen durchgehen, stellt sich die Frage: Wie soll mit den verbliebenen Kolleginnen und Kollegen der Betrieb aufrechterhalten werden? Durch unbezahlte Mehrarbeit? Durch Steigerung der Arbeitshetze? Oder ist das der Beginn der schleichenden Li-

quidierung des gesamten Standortes? Die Gewerkschaft (PRO-GE) unterstützt den Streik bei KBA – aber sie ist prinzipiell bereit, über den Stellenabbau zu verhandeln. Das ist eine fatale, aus der Logik der Sozialpartnerschaft entspringende Sackgasse: Die Arbeiterinnen und Arbeiter sind nicht für die Profitgier der Shareholder verantwortlich! Warum sollen sie dafür mit ihrer Existenz zahlen, dass die Reichen noch reicher werden wollen? Die Kolleginnen und Kollegen bei KBA Möling dürfen sich nicht auf die Gewerkschaftsfunktionäre verlassen, sondern auf die eigene Kraft! Die hysterische Hetze der KBA-Geschäftsführung, die Drohung mit Entlassungen wegen Teilnahme am Streik zeigen, dass die Kollegen einen wunden Punkt getroffen haben.

Jetzt heißt es: Auf der Grundlage eines demokratisch gewählten, rechenschaftspflichtigen Streikkomitees den Kampf zu Ende führen und ausweiten! Bleibt im Betrieb, besetzt die Tore, verhindert die Demontage der Anlagen wie seinerzeit bei Semperit! Entsendung einer Arbeiterdelegation zu den Kollegen an den anderen KBA-Standorten! Für den konzernweiten Streik gegen die Unternehmerpläne! Für breite Solidarität mit den Kolleginnen und Kollegen bei KBA in allen Betrieben!

it dem Historiker Fritz Keller

wohl jetzt noch die Meinung vertreten können, n Funken Nächstenliebe vorhanden war“. derstandes und wurde sogar vom Bezirksbildungsausschuss der SPÖ Simmering 1974 völlig unauffällig und kommentarlos in einer Broschüre reproduziert. Diese Vorgangsweise deutet darauf hin, dass die SPÖ von diesem Dokument kein großes Aufsehen machen und es einfach in den Archiv-Beständen verschwinden lassen aber nicht vernichten wollte. Nur am Rande bemerkt: Beim verschwinden-lassen war die SPÖ nicht zimperlich. Schließlich wollte die Partei ja auch das Buch des Obmanns der illegalen Revolutionären Sozialisten, Joseph Buttinger „Am Beispiel Österreichs“ durch Aufkauf der gesamten Auflage verschwinden lassen, weil die von ihm bezeugte mit Feigheit gepaarte

Unfähigkeit der sozialdemokratischen Führung des Aufstandes 1934 nicht in Erinnerung gerufen werden sollte. (Ein in Deutschland in den 70er Jahren erschienener Raubdruck machte diesen Plan allerdings zunichte).

Klassenkampf: Wie fühlt man sich als Historiker, wenn man sich die Herren Faymann und Spindelegger bei einer gemeinsamen Kranzniederlegung für die "Opfer" des Februar vorstellt?

Fritz Keller: Bereits 1964 kam die Klassenkampf: Wird sich durch die- SPÖ im Interesse der groß-koalitionären

ses Dokument die Einschätzung der Rol- Zusammenarbeit auf die Idee, den Konle Engelbert Dollfuss' ändern müssen? servativen anzubieten,“ die Trauerblu-

men der demokratischen Republik

Fritz Keller: Nicht einmal der Naivs- gemeinsam zu pflegen“ (Der Vertrau-

te wird wohl jetzt noch die Meinung vertreten können, dass in Dollfuss, dem politischen Hampelmann des Faschisten Benito Mussolini, auch nur ein Funken Nächstenliebe vorhanden war.

ensmann Nr. 1-2/ Jänner Februar 1964). Von diesem seltsamen Ereignis erleben wir nun eine schlechte Reprise, aufgeführt von völlig unbegabten Statisten.

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AUFRUF DER GRUPPE KLASSENKAMPF

12. Februar 1934: Nicht vergessen, nicht vergeben! Vor 80 Jahren, am 12. Februar 1934, setzten klassenbewusste Arbeiterinnen und Arbeiter dem Vormarsch des Faschismus in Österreich bewaffneten Widerstand entgegen. Ohne entschlossene Führung, die den Widerstand ausweiten und zentralisieren hätte können, wurden sie geschlagen.

durch die Herren Faymann (SPÖ) und Spindelegger (ÖVP) entschieden ab. Die politischen Erben derer, welche die Arbeiterschaft entweder in die Niederlage geführt oder bewaffnet unterdrückt haben, verspotten damit das Andenken der gefallenen Arbeiterinnen und Arbeiter. Es kann kein gemeinsames Gedenken geben, es kann keine Gleichsetzung von Opfern und Tätern geben! Die heldenhaften Kämpfer des Schutzbundes, die proletarischen Opfer des Bürgerkriegs in Österreich sind nicht vergessen.

Der Austrofaschismus zeigte in den Februartagen sein wahres Gesicht. Christliche Phrasen auf den Lippen, ließen die Faschisten Dollfuss, Schuschnigg und Fey das Bundesheer mit Artillerie in Gemeindebauten hineinschießen, wurde das Standrecht verhängt und selbst vor der Hinrichtung Nach der Februarniederlage sangen die klassenbeschwerverletzter Gefangener nicht zurückge- wussten Arbeiterinnen und Arbeiter: schreckt. Im Gebrüll der Dollfusskanonen

Der Sieg des Faschismus führte zur Unterdrückung ging in Trümmer die Demokratie, der Arbeiterorganisationen, der Umwandlung der sind zerfetzt die Illusionen freien Gewerkschaften in eine faschistische Eineiner Klassenharmonie! heitsgewerkschaft, zu Massenverhaftungen, der Errichtung eines Internierungslagers nahe Wiens - Nach 1945 mussten die Kämpfer des Februar und und hunderten Toten unter der Arbeiterbevölkerung ihre Kinder miterleben, wie die Führer der Sozialdes Landes. demokratie im Namen des kapitalistischen Wiederaufbaus und einer angeblichen Sozialpartnerschaft Wir lehnen das zynische und rührselige Spektakel das Andenken derjenigen verrieten, die ihr Leben der offiziellen gemeinsamen Gedenkveranstaltung im Kampf gegen den Faschismus gelassen haben.

Wir wollen am Sonntag, 16. Februar, 11.00 Uhr, am Zentralfriedhof der proletarischen Opfer des austrofaschistischen Terrors mit einer kurzen Kundgebung gedenken.

Treffpunkt: Zentralfriedhof, 2. Tor, 10.45 oder um 11.00 Uhr beim Gedenkstein für die Opfer der Februarkämpfe (Gruppe 28, Reihe 36)

GRUPPE KLASSENKAMPF

Österreichische Sektion des Kollektivs Permanente Revolution (CoReP) www.klassenkampf.net

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AK-STUDIE BEWEIST:

HAARSTRÄUBENDE SOZIALE UNGLEICHHEIT IN ÖSTERREICH!

• Laut Studie hat jeder 4. österreichische Haushalt keine Vermögenseinkünfte. • Nur jeder 1 3. Haushalt hat abgesehen von Zinseinkünften aus Sparformen Einkünfte aus Vermietungen, Verpachtungen und Unternehmensbeteiligungen. • 1 % der Haushalte verfügt über 52 % der Vermögenseinkommen und bezieht daraus durchschnittlich EUR 8.000 monatlich, weitere 4 % haben nennenswerte Vermögenseinkünfte. • 95 % der Bevölkerung beziehen jedoch 97 % ihres Gesamteinkommens aus Arbeitseinkommen. Im Jänner 2014 legten mehrere Volkswirtschaftler der Universität Wien im Auftrag der Arbeiterkammern Wien und Niederösterreich eine als von der AK als erste wissenschaftliche Untersuchung über Vermögenseinkünfte in Österreich bezeichnete Studie vor. Verwendet wurde Zahlenmaterial der Oesterreichischen Nationalbank zu Einkommen und Vermögen (Household Finance Consumption Survey). Die Ergebnisse der AK Studie sind in ihrer Substanz weder neu noch überraschend. Weltweit zeigt die Vermögens-

verteilung – mit starken regionalen Unterschieden – ein ganz ähnliches Bild. Dabei geht es um viel mehr als den Verzicht auf Auto, Urlaub oder Zweitfernseher – oftmals nämlich um’s nackte Überleben. 2007 haben die mächtigsten transnationalen Privatgesellschaften mehr als 53 % des Weltbruttosozialprodukts kontrolliert. Gleichzeitig waren laut UNO Welternährungsbericht 856 Mio. der 6,6 Mrd. Erdbewohner schwer und dauerhaft unterernährt, obwohl die Produktivkräfte der Welt 12 Mrd. Menschen zu ernähren im Stande gewesen wären.

Das Problem der ungleichen Vermögensverteilung ist also systemimmanent und kein österreichisches Phänomen. Bereits vor ca. 150 Jahren analysierte Karl Marx im Kapital die Akkumulation (Anhäufung) des Kapitals (Band 1, VII Abschnitt: Der Akkumulationsprozess des Kapitals, S. 674 und 675): „Aber alle Methoden zur Produktion des Mehrwerts sind zugleich Methoden der Akkumulation, und jede Ausdehnung der Akkumulation wird umgekehrt Mittel zur Entwicklung jener Methoden. Es folgt daher, dass im Maße

wie Kapital akkumuliert, die Lage des Arbeiters, welches immer seine Zahlung, hoch oder niedrig, sich verschlechtern muss. Das Gesetz endlich, welches die relative Übervölkerung oder industrielle Reservearmee stets mit Umfang und Energie der Akkumulation in Gleichgewicht hält, schmiedet den Arbeiter fester an das Kapital als den Prometheus die Keile des Hephästos an den Felsen. Es bedingt eine der Akkumulation von Kapital entsprechende Akkumulation von Elend. Die Akkumulation von Reichtum auf dem einen Pol ist also zugleich Akkumulation von Elend, Arbeitsqual, Sklaverei, Unwissenheit, Bru-

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In Österreich (noch) ein ungewohntes Bild: Belegschaften, die für ihre Arbeitsplätze, ihre Löhne und um Lebenszeit kämpfen talisierung und moralischer steuersatzes! Degradation auf dem Gegenpol, d. h. auf Seite der Klasse, - Pensionen: Rücknahme die ihr eignes Produkt als Ka- der Pensionsreform von pital produziert.“ 2004, d. h. als Durchrechnungszeitraum die besten 15 In Österreich wäre die Ein- Jahre und Steigerungsbetrag führung einer progressiven wieder 2 %! Senkung des geBesteuerung von Vermögen- setzlichen Pensionsantrittsalseinkünften ein erster Schritt ters für Frauen und Männer in die richtige Richtung. Auf auf 60 Jahre! diesen müssen jedoch weitere Maßnahmen zur radikalen - Unternehmens- und VerUmverteilung im Steuerauf- mögensbesteuerung: Körperkommen folgen wie schaftssteuer wieder rauf von 25 auf 34 %! Offenle- Umsatzsteuersenkung als gung der Geschäftsbücher! ersten Schritt zur Abschaf- Komitees der Beschäftigten fung aller Massensteuern! sollen - gegebenenfalls unter - Abschaffung aller Selbst- Beiziehung von ihnen verantbehalte im Gesundheitswe- wortlichen Buchprüfern sen (Rezeptgebühr, kontrollieren, ob VermögensKrankenhausselbstbehalt, steuern und SozialversicheSelbstbehalte bei Seh- und rungsabgaben korrekt Hörbehelfen etc.)! abgeführt werden! Enteig- Freie Bildung ohne Stu- nungen angeblich unrentadiengebühren, Elternbeiträ- bler Betriebe unter ge in Schulen und Arbeiterkontrolle! AbschafSchulbuchselbstbehalte! fung des Stiftungsrechts und - Lohnsteuerreform: Erhö- der Gruppenbesteuerung! hung der Freigrenze für die Höhere Grundsteuer für Luuntersten Einkommen! Mehr xusimmobilien! Progressionsstufen als bisher! Erhöhung des Spitzen- - Einführung der Erb-

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schaftssteuer für Vermögen sen diese Forderungen unüber 1 Mio. EUR! terstützen! Dazu müssen die Bürokraten vertrieben und - Arbeit: Arbeitszeitverkür- die Arbeiterdemokratie in zung auf 30 Wochenstunden den Gewerkschaften wieder mit dem Ziel der Vollbeschäf- hergestellt werden. Für klastigung! Verbot aller prekären senkämpferische GewerkBeschäftigungsverhältnisse schaften, unabhängig vom wie „geringfügiger“ Beschäf- bürgerlichen Staat! tigung, Werkverträgen oder Scheinselbstständigkeiten! Um der Durchsetzung dieser Maßnahmen Nachdruck - Verkehr: Nulltarif auf al- zu verleihen und darüber len öffentlichen Verkehrsmit- hinaus die Lohnabhängigen teln! Steuerliche zum notwendigen KlassenBegünstigungen für den Kauf kampf zu sammeln und zu von Fahrrädern! Stärkere schulen, um die ganze alte Besteuerung von hochpreisi- kapitalistische Unrechtsgegen sowie emissionsreichen sellschaft ins Wanken zu motorisierten Fahrzeugen bringen und schließlich in einer sozialistischen Revoluti- Schluss mit der Hetze ge- on zu stürzen, um den gen AsylwerberInnen! Unter- Aufbau einer sozialistischen stützung der Hauptfor- Gesellschaft in Österreich derungen der Refugee-Camp- und weltweit beginnen zu Bewegung: Für das Recht können, bedarf es einer revovon Flüchtlingen, sich frei zu lutionären Partei. Deren Aufbewegen, zu arbeiten und bau ist die Aufgabe, der sich sich zu bilden, Schluss mit unsere internationale Orgaden Deportationen – no bor- nisation, das Komitee Permaders, no nation, no deportati- nente Revolution (CoRep), on! als ehrgeiziges Ziel gestellt hat. - Die Gewerkschaften müs-


KLASSENKAMPF

VON WEGEN „SOZIALSCHMAROTZER“

„AKTIVE ARBEITSLOSE“ ÜBER BEZUGSSPERREN DURCH DAS AMS

Oberösterreich mit 388 Sperren pro 1.000 Arbeitslose. In der Steiermark ist diese mit 245 Sperren pro 1.000 Arbeitslose am niedrigsten. Langfristig betrachtet, wurde der Druck auf Arbeitslose mit wachsender Massenarbeitslosigkeit stetig erhöht: 2000 entfielen auf 1000 Arbeitslose „nur“ 250 Sperren, einen vorläufigen Höchststand erreichte der Sanktionsdruck 2008 und 2011 mit 336 bzw. 335 Sperren pro 1000 Arbeitslose. Das heißt: unter Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) wurde die repressive Politik der schwarz-blauen Koalition von Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (ÖVP) – der damals für das AMS zuständig geblicher Vereitelung eines war – nicht nur weiter geführt vom AMS zugewiesenen Ar- sondern auch noch weiter beitsverhältnisses oder einer verschärft! AMS-Zwangsmaßnahme (-551 Sperren = -3,4 %). Die kom- MASSIVE WILLKÜR BEI plette Einstellung des AMS- DEN BEZUGSSPERREN Bezugs wegen angeblicher genereller Arbeitsunwilligkeit Eine nähere Untersuchung nach § 9 AlVG ist von einem der Sanktionspraxis ergibt zwar geringen Niveau aber deutliche Unterschiede. Ist stark um 67,6% von 207 auf die Spannbreite (prozentuelle 347 Sperren gestiegen. Differenz zwischen niedrigsDie größte Zunahme der tem Wert und höchstem Wert) Anzahl der Sperren durch über alle Sperrgründe hinweg AMS gab es in der Steiermark gerechnet bundesweit mit mit plus 14,6%, gefolgt von 63% noch moderat. Werden Kärnten mit plus 13,6% und die Sperrquoten bei den verOberösterreich mit plus 9,7%. schiedenen Sperrarten unterUmgerechnet auf die Zahl der sucht, so wird die Arbeitslosen stieg die in Vor- Schwankungsbreite deutlich arlberg mit plus 7,4% am größer, was auf eine recht unmeisten, gefolgt von der Stei- terschiedliche und somit willermark mit plus 5,2% und kürliche Handhabung der Kärnten mit plus 1,7%, die Bezugssperren hindeutet. größten Rückgänge bei der Bei der angeblichen „VereiSperrquote gab es im Burgen- telung“ von Arbeitsverhältnisland mit minus 10,3 % und sen und Schulungen beträgt Wien mit minus 8,9%. Die diese satte 350% (Kärnten: 18 Sperrquote fällt allerdings Sperren p.T. / Vorarlberg 81 sehr unterschiedlich aus: Am p.T.), das heißt in Vorarlberg häufigsten sperrt das AMS wird 4,5 mal so oft gesperrt Vorarlberg mit 390 Sperren als in Kärnten! Bei den Sperpro 1.000 Arbeitslose und ren wegen Selbstkündigung

Passend zu unserem Artikel über die Studie der AK zur Einkommensverteilung in Österreich veröffentlichen wir im Folgenden ausführliche Auszüge aus einer Presseaussendung des Vereins "Aktive Arbeitslose", der sich für die menschenwürdige Behandlung von "AMSKlienten" (!!!) einsetzt. Die GKK unterstützt inhaltlich zahlreiche Forderungen dieser Initiative. Die Redaktion

(Wien/Graz, 4.2.2014) Steigende Arbeitslosigkeit bedeutet auch steigender Druck auf Arbeitslose: Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Existenz gefährdenden Bezugssperren nach einer leichten Entspannung 2012 wieder auf eine neue Rekordhöhe gestiegen: Das AMS verhängte mit 105. 295 Bezugssperren um 6.394 Sperren bzw. um 6,5 % mehr als im Vorjahr. Die Sperrquopte sank nur leicht von 302 auf 295 verhängte Sperre pro 1.000 Arbeitslose und liegt damit fast gleichauf mit dem berüchtigten Hartz Deutschland (308 Sperren pro 1000 Hartz IV Empfänger 2012)! Im Gegensatz zu Hartz IV sind in Österreich aber alle Sperren 100%! Die meisten Sanktionen wurden wegen versäumter Kontrolltermine verhängt: 56.054 (+1.177 Sperren = +2,1%), gefolgt von 33.078 einmonatigen Sperren wegen Selbstkündigung (+5.628 Sperren = + 20,5%) und 15.816 6 oder 8 Wochen dauernden Sperren wegen an-

beträgt die Spanne ca. 240% (Wien 54 Sperren p.T. / Vorarlberg 184 p.T.) und bei Terminversäumnissen ca. 180 % (Steiermark 79 Sperren p.T. / Oberösterreich 221 p.T.). Vorarlberg ist im wahrsten Sinne ein „Ausreißer“, da es vor allem bei Sperren wegen Selbstkündigung, deren Ursache am geringsten vom AMS beeinflusst werden kann, am meisten abweicht und ohne Vorarlberg die Spannbreite von 240% auf 137% sinkt. Dieser Eindruck der Willkür ergibt sich auch bei Betrachtung der zeitlichen Verläufe: Lediglich bei den Sperren wegen Selbstkündigung verlaufen die Kurven der Sperrquote der verschiedenen Bundesländer in etwa gleichförmig, die Rangfolge verändert sich nur selten. Auffallend ist, dass bei den § 10 Sperren, die stark von Bezugssperren wegen Vereitelung von AMS-Zwangsmaßnahmen geprägt werden, starke Änderungen in Sperrquoten und Rangfolgen statt finden und mehr Ausdruck der jeweiligen politischen Wetterlage als der Lage am Arbeitsmarkt sein dürften. Dass Sanktionen oft willkürlich verhängt werden, entspricht nicht nur unserer durch die Beratung von über 1.000 Arbeitslosen gewonnenen Erfahrung, sondern auch der Tatsache, dass bislang rund 30% der Berufungen statt gegeben wurde, obwohl die zuständige AMS-Landesgeschäftsstelle, also die Vorgesetzten der Täter selbst, darüber entschieden haben! Die Initiative "Aktive Arbeitslose" im Internet: http://www.aktivearbeitslose.at/

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125 JAHRE: KLASSENKAMPF

DER WEITE W

Von der proletaris

Auszüge aus der Prinzipienerklärung des Hainfelder Gründungsparteitages der SDAP (1889)

Parteiführer Viktor Adler (1 852 1 91 8) war stark von Friedrich Engels beeinflusst

1889

Trotz einiger verschwommener Formulierungen verabschiedet der Gründungsparteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei eine Prinzipienerklärung, die klar auf dem Boden des Marxismus steht: Die Unabhängigkeit des Proletariats von den anderen Klassen wird deutlich unterstrichen, ebenso die Notwendigkeit, die Produktiivkräfte von den Fesseln des Privateigentums zu befreien, um zu einer Gesellschaft der sozialen Gleichheit zu gelangen. Betont wird die Rolle der Arbeiterpartei bei der Entwicklung des Klassenbewusstseins der Arbeiterinnen und Arbeiter.

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Die sozialdemokratische Arbeiterpartei in Österreich erstrebt für das gesamte Volk ohne Unterschied der Nation, der Rasse und des Geschlechtes die Befreiung aus den Fesseln der ökonomischen Abhängigkeit, die Beseitigung der politischen Rechtlosigkeit und die Erhebung aus der geistigen Verkümmerung. Die Ursache dieses unwürdigen Zustandes ist nicht in einzelnen politischen Einrichtungen zu suchen, sondern in der das Wesen des ganzen Gesellschaftszustandes bedingenden und beherrschenden Tatsache, daß die Arbeitsmittel in den Händen einzelner Besitzender monopolisiert sind. (...) Durch die technische Entwicklung, das kolossale Anwachsen der Produktivkräfte erweist sich diese Form des Besitzes nicht nur als überflüssig, sondern es wird auch tatsächlich diese Form für die überwiegende Mehrheit des Volkes beseitigt, während gleichzeitig für die Form des gemeinsamen Besitzes die notwendigen geistigen und materiellen Vorbedingungen geschaffen werden. Der Übergang der Arbeitsmittel in den gemeinschaftlichen Besitz der Gesamtheit des arbeitenden Volkes bedeutet also nicht nur die Befreiung der Arbeiterklasse, sondern auch die Erfüllung einer geschichtlich notwendigen Entwicklung. Der Träger dieser Entwicklung kann nur das klassenbewußte und als politische Partei organisierte Proletariat sein.(...) Es werden jedoch folgende allgemeine Grundsätze aufgestellt: 1. Die sozialdemokratische Arbeiterpartei in Österreich ist eine internationale Partei, sie verurteilt die Vorrechte der Nationen ebenso wie die der Geburt, des Besitzes und der Abstammung und erklärt, daß der Kampf gegen die Ausbeutung international sein muß wie die Ausbeutung selbst. 2. Zur Verbreitung der sozialistischen Ideen wird sie alle Mitteln der Öffentlichen Presse, Vereine, Versammlungen, voll ausnützen und für die Beseitigung aller Fesseln der freien Meinungsäußerung (Ausnahmegesetze, Preß-, Vereins- und Versammlungsgesetze) eintreten. 3. Ohne sich über den Wert des Parlamen-

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tarismus, einer Form der modernen Klassenherrschaft, irgendwie zu täuschen, wird sie das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht für alle Vertretungskörper mit Diätenbezug anstreben, als eines der wichtigsten Mittel der Agitation und Organisation. 4. Soll noch innerhalb des Rahmens der heutigen Wirtschaftsordnung das Sinken der Lebenshaltung der Arbeiterklasse, ihre wachsende Verelendung einigermaßen gehemmt werden, so muß eine lückenlose und ehrliche Arbeiterschutzgesetzgebung (weitestgehende Beschränkung der Arbeitszeit, Aufhebung der Kinderarbeit u.s.f.), deren Durchführung unter der Mitkontrolle der Arbeiterschaft, sowie die ungehinderte Organisation der Arbeiter in Fachvereinen, somit volle Koalitionsfreiheit angestrebt werden. 5. Im Interesse der Zukunft der Arbeiterklasse ist der obligatorische, unentgeltliche und konfessionslose Unterricht in den Volksund Fortbildungsschulen sowie unentgeltliche Zugänglichkeit sämtlicher höheren Lehranstalten unbedingt erforderlich; die notwendige Vorbedingung dazu ist die Trennung der Kirche vom Staate und die Erklärung der Religion als Privatsache. 6. Die Ursache der beständigen Kriegsgefahr ist das stehende Heer, dessen stets wachsende Last das Volk seinen Kulturaufgaben entfremdet. Es ist daher für den Ersatz des stehenden Heeres durch die allgemeine Volksbewaffnung einzutreten. 7. Die sozialdemokratische Arbeiterpartei wird gegenüber allen wichtigen politischen und ökonomischen Fragen Stellung nehmen, das Klasseninteresse des Proletariats jederzeit vertreten und aller Verdunkelung und Verhüllung der Klassengegensätze sowie der Ausnützung der Arbeiter zu Gunsten von herrschenden Parteien energisch entgegenwirken. 8. Da die indirekten, auf die notwendigen Lebensbedürfnisse gelegten Steuern die Bevölkerung umso stärker belasten, je ärmer sie ist, da sie ein Mittel der Ausbeutung und der Täuschung des arbeitenden Volkes sind, verlangen wir die Beseitigung aller indirekten Steuern und Einführung einer einzigen, direkten, progressiven Einkommenssteuer.


KLASSENKAMPF

WEG DER SOZIALDEMOKRATIE (1)

schen Klassenpartei zur bürgerlichen Arbeiterpartei

LEO TROTZKI ÜBER DIE SPFÜHRUNG 1 91 4

Demonstration für das allgemeine Männerwahlrecht in Wien (1 905)

1905

Unter dem Eindruck der russischen Revolution von 1905 fordern die Arbeiter immer lauter das gleiche allgemeine (Männer)Wahlrecht. ‟Abg. Seitz hielt eine Ansprache in welcher er sagte: Gleich Russland müsse nun auch Österreich, sich seine Freiheit erkämpfen”, berichtet eine konservative Tiroler Zeitung aus dem Reichstag. Aber in Österreich, ebenso wie in Deutschland, machen vor allem die Gewerkschaftsführer Front gegen die Generalstreikslosung. Reform statt Revolution ist die Devise, auch wenn Parteitheoretiker wie Karl Kautsky nach außen hin eine radikale Sprache verwenden.

Welche Stellung zum Kriege fand ich bei den leitenden Kreisen der österreichischen Sozialdemokratie? Die einen frohlockten offen, besudelten die Serben und Russen, ohne viel Unterschied zwischen Regierung und Volk zu machen: das waren die organischen Nationalisten, vom Lack der sozialistischen Kultur nur wenig bedeckt, und auch der bröckelte jetzt stündlich mehr und mehr von ihnen ab. Ich erinnere mich, wie Hans Deutsch, später so etwas wie ein Kriegsminister, offenherzig von der Unvermeidlichkeit und Heilsamkeit dieses Krieges sprach, der Österreich endlich vom serbischen „Alpdruck“ befreien würde. Die anderen – an deren Spitze Victor Adler stand – verhielten sich zum Krieg wie zu einer Naturkatastrophe, die man überstehen müsse. Diese abwartende Passivität diente dem aktiv nationalistischen Flügel als Deckung. Der eine oder der andere erinnerte tiefsinnig an den deutschen Sieg von 1871, der der deutschen Industrie einen mächtigen Stoß vorwärts gegeben hatte und damit auch der Sozialdemokratie.

DER GROSSE VERRAT

1914 gingen die meisten Führer der sozialdemokratischen Parteien in das Lager "ihrer" jeweiligen Bourgeoisien über. Auch die SDAP machte keine Ausnahme. Loyal versuchte der sozialdemokratische Parteivorstand während des gesamten Krieges, die Arbeiterinnen und Arbeiter von Streiks und Hungerrevolten abzuhalten.

Sozialisten aller Länder erklärten im Jahre 1912 zu Basel feierlich, daß sie den kommenden europäischen Krieg als das verbrecherische und erzreaktionäre Werk sämtlicher Regierungen ansehen, das den Zusammenbruch des Kapitalismus beschleunigen müsse, da es unweigerlich die Revolution gegen ihn auf den Plan rufe. Der Krieg kam, die Krise brach aus. An Stelle der revolutionären Taktik schlug die Mehrheit der sozialdemokratischen Parteien eine reaktionäre Taktik ein und stellte sich auf die Seite der eigenen Regierungen und der eigenen Bourgeoisie. Dieser Verrat am Sozialismus bedeutet den Zusammenbruch der II. Internationale (1889-1914), und wir müssen uns darüber Rechenschaft ablegen, was diesen Zusammenbruch verursacht, was den Sozialchauvinismus erzeugt, was ihm Stärke verliehen hat. W. I. Lenin, Sozialismus und Krieg

Ausgabe der Arbeiterzeitung am Tag des Beginns des imperialistischen Völkergemetzels mit chauvinistischem Leitartikel

1914

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KLASSENKAMPF

DIE RETTUNG DES KAPITALISMUS

1918

OTTO BAUER (ÜBER DAS JAHR 1 91 8)

Im vierten Jahr des imperialistischen Weltgemetzels kommt es auch in Österreich zu Streiks und Protesten gegen den Krieg; im Hafen von Cattaro meutern die Matrosen - die Auswirkungen der russischen Revolution und die Anziehungskraft des ersten Arbeiterstaates der Geschichte sind unübersehbar. Parallel zur Ausrufung der Republik im November 1918 bilden sich Arbeiter- und Soldatenräte. Die SDAP, in ihrer neuen Rolle als Partei der Bourgeoisie in der Arbeiterklasse, tut alles, um die Revolution abzuwürgen und bedient sich dabei einer Holzschnitt: Verhaftung radikalen Phraseologie. Der "Austromarxismus" be- meuternder Matrosen in weist die These Lenins, dass man den Sozialismus Cattaro am wirkungsvollsten im Namen des Sozialismus verrät ...

Keine bürgerliche Regierung hätte diese Aufgabe [die Massen zu beruhigen] bewältigen können. Sie wäre binnen acht Tagen durch Straßenaufruhr gestürzt, von ihren eigenen Soldaten verhaftet worden. Nur Sozialdemokraten konnten diese Aufgabe von beispielloser Schwierigkeit bewältigen. Nur Sozialdemokraten konnten wild bewegte Demonstrationen durch Verhandlungen und Ansprachen friedlich beenden, die Arbeiterklasse von der Versuchung zu revolutionären Abenteuern abhalten. Otto Bauer

TROTZKI ÜBER DIE AUSTROMARXISTEN (1 91 9) Man kann sich kaum etwas Absurderes vorstellen als Otto Bauers Argumentation, derzufolge Gewalt nur zur Verteidigung der bestehenden Demokratie angewandt werden darf. In die Sprache des Klassenkampfs übersetzt heißt das: Gewalt ist erlaubt, um die Interessen der staatlich organisierten Bourgeoisie zu verteidigen, Gewalt ist verboten, wenn es um die Errichtung eines Arbeiterstaats geht. Diese Theorie wird juristisch formuliert. Otto Bauer kaut die alten Formeln Lassalles über Recht und Revolution wieder. Aber Lassalle sprach vor Gericht, und dort waren seine Argumente treffend. Aber der Versuch, aus einem juristischen Duell mit dem Staatsanwalt Geschichtsphilosophie zu machen, dient nur der Feigheit zum Vorwand. Nach Bauer ist Gewalt nur statthaft, um auf einen schon vollzogenen Staatsstreich zu antworten, wenn der Boden des „Rechts“ nicht mehr gegeben ist, nicht aber 24 Stunden vorher, um ihn zu verhindern. Mit Hilfe dieser Konzeption zieht Bauer die Scheidelinie zwischen Austromarxismus und Bolschewismus, als wären das zwei Rechts-Schulen. In Wirklichkeit liegt der Unterschied darin, daß der Bolschewismus die Herrschaft der Bourgeoisie stürzen, die Sozialdemokratie sie verewigen will. Kein Zweifel, daß Bauer, käme es zum Staatsstreich, Folgendes erklären würde: wir haben die Arbeiter nicht gegen die Faschisten in Bewegung gebracht, als sie verfassungsfeindliche Banden organisierten und die gesetzliche Ordnung bedrohten, und wir noch über mächtige Organisationen, eine legale Presse, 43 Prozent der Abgeordneten und den Wiener Gemeinderat verfügten; jetzt haben die

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Faschisten den Staatsapparat in Händen und stützen sich auf ihr selbstgeschaffenes Recht, wir aber haben weder Feuer noch Wasser, stehen außerhalb der Gesetze, haben keine legalen Beziehungen zu den Massen, die zudem enttäuscht und unterdrückt sind und in großer Zahl zu den Faschisten überlaufen; unter diesen Umständen zum Aufstand rufen – das können nur verbrecherische Abenteurer oder Bolschewisten. Nach dieser theoretischen Wendung um 180 Grad wären die Austromarxisten sich selbst doch gänzlich treu geblieben. Die Parole der inneren Abrüstung übersteigt in ihrer reaktionären Gemeinheit alles, was wir bisher von seiten der Sozialdemokratie zu hören bekamen. Diese Herrschaften bitten die Arbeiter anständig, sich angesichts des bewaffneten bürgerlichen Staates zu entwaffnen. Die faschistischen Banden sind doch nur Hilfstruppen der Bourgeoisie; heute aufgelöst, können sie jeden Augenblick wieder in noch größerer Zahl und mit besserer Bewaffnung zusammengetrommelt werden. Aber den Arbeitern wird niemand Waffen geben, wenn die Sozialdemokratie sie mit Hilfe des bürgerlichen Staates erst einmal entwaffnet hat. Natürlich fürchtet die Sozialdemokratie die Waffen der Faschisten; aber sie fürchtet die Waffen in den Händen der Arbeiter fast noch mehr. Heute hat die Bourgeoisie vor dem Bürgerkrieg noch Angst, – erstens ist der Ausgang ungewiß, zweitens will sie keine wirtschaftlichen Erschütterungen. Die Entwaffnung der Arbeiter sichert die Bourgeoisie vor dem Bürgerkrieg und maximiert zugleich die Chancen eines faschistischen Staatsstreichs.

Otto Bauer (1 881 - 1 938) war in der 1 . Republik der anerkannte Führer der SDAP und der wichtigste Theoretiker des "Austromarxismus"


1927

KLASSENKAMPF

Die konterrevolutionäre Politik der SDAP und die (politische und theoretische) Schwäche der unerfahrenen Kommunistischen Partei erleichtern der Reaktion die Vorbereitung auf einen Generalangriff gegen die Arbeiterinnen und Arbeiter. Sie rüsten in Form der Heimwehren eine offen agierende faschistische Miliz auf, die immer wieder gewaltsame Angriffe auf Aktivisten der Arbeiterbewegung, aber auch einfach nur gegen Arbeiter auf Grund ihrer sozialen Stellung, verüben. Nach einem provokativen Aufmarsch im burgenländischen Schattendorf, bei dem unter anderem ein Kriegsinvalide und ein Kund von Faschisten erschossen werden, kommt es zu einem Schwurgerichtsprozess in Wien, der mit einem Freispurch endet. Spontan streiken die Arbeiter zahlreicher Wiener Betriebe und marschieren ins Stadtzentrum. Dort werden sie von berittener Polizei mit Säbeln auseinandergetrieben, dann gibt Polizeipräsident Schober den Schießbefehl. Laut Die offiziellen Zahlen starben 89 Arbeiterinnen und SDAPArbeiter unter den Kugeln und Schlägen der Polizei. Führung

wiegelt die empörten Arbeiter ab, predigt Geduld und treibt die Arbeiterinnen und Arbeiter zurück in die Betriebe. Die Feigheit der sozialdemokratischen Führung und die Demoralisierung der Parteibasis lässt die Faschisten in weiterer Folge immer aggressiver werden.

1934

Am 12. Februar1934 leisten in Linz die Mitglieder des Schutzbundes, der Wehrformation der SDAP. gegen eine provokante Durchsuchung der Parteizentrale im Hotel Schiff Widerstand. Gegen den Willen des sozialdemokratischen Parteivorstandes greifen die Kämpfe auf ganz Österreich über. In Wien schießt das Bundesheer

mit Artillerie auf die Gemeindebauten. Von den Führern im Stich gelassen, bricht der heroische Widerstand der Arbeiter nach wenigen Tagen zusammen. Hunderte Tote auf Seiten der Arbeiter sind der Preis für den Verrat durch die Führung. Dem Standrecht fielen neun Schutzbündler zum Opfer. Februar 2014 | Nummer 18

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KLASSENKAMPF

1945

Der Aufbau war nicht der des Sozialismus, sondern die Wiederaufrichtung des Kapitalismus ...

UND WIEDER: SOZIALDEMOKRATEN RETTEN DEN KAPITALISMUS! Hatte der II. imperialistische Weltkrieg in Griechenland, Frankreich, Italien... durch die Aktivitäten des bewaffneten Widerstandes mit starker proletarischer Beteiligung tendenziell Züge einer Umwandlung in eine vorrevolutionäre Situation in diesen Ländern hervorgebracht, ist weit weniger bekannt, dass es auch in Deutschland und Österreich – den Kerngebieten des Naziregimes also – bei und nach Kriegsende eine Welle von selbsttätigen Initiativen der werktätigen Massen zur Beseitigung der Reste des faschistischen Regimes gegeben hat, die tendenziell eine antikapitalistische Stoßrichtung anzunehmen drohten. Diesen „Antifaschistischen Einheitskomitees“ traten nicht nur die Besatzungstruppen, sondern auch die traditionellen Führungen – SPÖ und KPÖ – entgegen. Die SPÖ war aus der Verschmelzung der „alten“ Mitglieder der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP), die den offen reformistischen Flügel der österreichischen ArbeiterInnenbewegung verkörperte, und den Resten der Revolutionären Sozialisten (RS) im Inland und einigen ihrer aus dem Ausland zurückgekehrten VertreterInnen entstanden. Die RS, in denen sich ab Mitte der 30er Jahre weitgehend der austromarxistische Flügel durchgesetzt hatte (nach einer frühen Phase unmittelbar nach dem Bürgerkrieg des Februar 1934, als eine „Leninisierung“ der alten Partei möglich erschien), standen von Haus aus unter enormem Druck seitens der „Parteirechten“. Weder die SDAP - noch die RS-Tradition in der SPÖ war eine revolutionäre. Beide Strömungen waren – bei unterschiedlich radikaler Terminologie – reformistisch. Die KPÖ war eine komplett durchstalinisierte Partei. Ihre politischen Konzeptionen bewegten sich im Rahmen der in Yalta und Potsdam zwischen der Kremlbürokratie und den imperialistischen Mächten Pläne zur Aufteilung der Welt in Einflußsphären – einer veritablen konterrevolutionären Heiligen Allianz. Strategisches Ziel der KPÖ war „die Möglichkeit, auf friedlichem Weg eine starke Demokratie“ zu errichten (KP-Führer Friedl Fürnberg 1946). Unmittelbar nach Kriegsende gab es an der Basis beider (degenerierter) ArbeiterInnenparteien starke Einheitstendenzen, die aber von beiden Parteiführungen mit scheelem Blick beäugt wurden. Einheit – ja, aber wenn, dann nur, um den „Einheitspartner“ schlucken zu können. Seitens der KPÖ war das eine Illusion – auch wenn viele sozialdemokratische ArbeiterInnen den größten Respekt vor den Leistungen kommunistischer Kader im Widerstand gegen die Nazis hatten, waren die Sowjetunion mit ihrem bizarren Stalinkult, der bekannten Verfolgung von Oppositionellen, ihr System der „Diktatur über das Proletariat“ statt einer Diktatur des Proletariats und die Erinnerung an die Schwenks der KPÖ in der Zwischenkriegszeit für die Masse der österreichischen ArbeiterInnen nach wie vor extrem abschreckend. Die SPÖ-Führung rund um Adolf Schärf und Oskar Helmer wiederum wusste, ebenso wie ehemalige RS-Leute vom Schlage Oscar Pollaks, das die KPÖ nicht zu knacken war, solange die Kremlbürokrate hinter ihr stand. Das gemeinsame Bestreben von SPÖ und KPÖ, eine friedliche kapitalistische Rekonstruktion in Österreich zu ermöglichen, fand in der ersten Koalitionsregierung aus ÖVP, SPÖ und KPÖ ihren Ausdruck. Aus: Klassenkampf Nr. 9

Im 2. Teil unseres Dossiers "125 Jahre Sozialdemokratie in Österreich" werden wir die Nachkriegsentwicklung, die "goldene" Kreisky-Ära und den Niedergang der "Massenpartei" behandeln. 16⁠

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KLASSENKAMPF

ERKLÄRUNG DER GROUPE MARXISTE INTERNATIONALISTE

Zum Verbot der Auftritte von Dieudonné Kurz nach der Ankündigung der Wünsche Francois Hollandes, den Unternehmern die Hände entgegenzustrecken und den damit verbundenen Geschenken, während die kompletten oder teilweisen Schließungen von Unternehmen weitergehen und weiterhin tausende Lohnabhängige

Antisemitismus unbestritten. In einer Rhetorik, die an die des Faschismus der 1930er Jahre erinnert, prangert er nicht den die Krise verursachenden Kapitalismus an, nicht den Imperialismus, der den Planeten plündert und zerstört, sondern “Mächte'” , womit die Juden gemeint

seinem Nazi-Druckhaus E&R (Égalite et Réconciliation, Gleichheit und Versöhnung d. Übers.), allesamt deklarierte Arbeiterfeinde, speziell jener mit ausländischen Ursprung.

der Staatsrat eben bestätigte, könnte als Grundsatzurteil gelten und schon morgen gegen alle Treffen und Kundgebungen revolutionärer Organisationen verwendet werden. Erinnern wir uns an die Verwendung des Gesetzes vom 10. Jänner 1936, erlassen gegen die faschistische Organisation Croix de Feu (CdF, Feuerkreuzler), als die Regierung am 12. Juni 1968 nicht weniger als 11 Organisationen, welche sich auf die Revolution und den Internationalismus beriefen, auflöste.

Hollande und seine Regierung stehen ganz im Dienste des Kapitalismus: sie diskriminieren die eingewanderten Arbeiter, sie führen in Afrika Militärinterventionen im Auftrag des französischen Imperialismus durch, sie unterstützen mit offenen Armen die Unternehmer gegen die Lohnabhängigen in Frank- Nur der Kampf reich: die Politik, die sie mit der Komplizenschaft der Ge- - gegen Hollande und seine werkschaftsführer betreiben, Regierung ist der Nährboden des Rassis- - für eine Arbeiterregierung mus und des Faschismus. Die die den Kapitalismus entzum Verbot der Auftritte schieden angreift Dieudonnés gestartete Initia- - für den Internationalistive ist keineswegs eine wirk- mus, gegen Nationalismus Dieudonné (stehend) beim Handschlag mit dem Faschisten same Maßnahme gegen und Imperialismus Jean-Marie Le Pen, dem Taufpaten seines dritten Kindes Rassismus, wovon Antisemi- - für die Einheit der Arbeitismus einen Teil darstellt, terorganisationen gegen die auf die Straße gesetzt wer- sind. Er erfindet Verschwö- sondern ein simpler Trick um Faschisten den, hat die Regierung in ei- rungen, die die Gesamtheit zu versuchen, die Massen hinnem dilettantischen der Juden in aller Welt mit ters Licht zu führen. kann eine politische AntAblenkungsmanöver ein Ver- dem Siedlerstaat Israel, Inwort auf die reaktionäre Verfahren zum Verbot der Auf- strument des amerikanischen Die präventive Verwendung kommenheit, die Dieudonné, tritte von Dieudonné wegen Imperialismus, und seinen der Bedrohung der öffentli- Valls und ihresgleichen proAntisemitismus und Gefähr- Verbrechen gegen das paläs- chen Ordnung zum Verbot pagieren, darstellen. dung der öffentlichen Ord- tinensischen Volk gleichset- von Veranstaltungen, welche nung durch Innenminister zen. Er verwechselt M.Valls eingeleitet.. Jenes absichtlich Antizionismus mit In dieser Nummer der Valls, der die Jagd auf illegale Antisemitismus, der nichts REVOLUTION Einwanderer organisiert und anderes als eine Ausprägung COMMUNISTE: die Rom aus Osteuropa als des Rassismus ist, welcher • Gegen die Sonntagsarbeit! nicht anpassungsfähig be- immer der Bourgeoisie zur • Das Gesetz Fioraso gegen zeichnet. Der Staatsrat, eine Spaltung des Proletariats die höhere Ausbildung der höchsten juristischen In- dient. Das Proletariat jedoch •Die Koalition in Österreich stanzen der extrem reaktio- ist die einzige Kraft mit der • Der Zustand der nären V. Republik, hat dies der Fähigkeit, den Rassismus kapitalistischen gerade, entgegen der Mei- durch die weltweite sozialistiWeltwirtschaft nung des Verwaltungsgerichts sche Revolution auszulö• Neues aus der Türkei in Nantes, bestätigt. schen. • Eine Wende in den USA? Früher bekämpfte Dieu- Folgerichtig unterhält Dieudonné die Front National und donné Kontakte mit Le Pen machte sich über die Bour- Senior und der faschistoiden geoisie lustig. Heute ist sein Partei FN, mit Alain Soral und

• Die italienische Revolution 1 943 - 1 945 Die Zeitung der GMI kann • Gegen die Intervention in über uns bestellt werden! Zentralafrika!

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KLASSENKAMPF

SÜDAFRIKA

DIE ARBEITERKLASSE VOR ENTSCHEIDENDEN AUSEINANDERSETZUNGEN

Eineinhalb Jahre nach dem Massaker von Marikana hat der Zersetzungsprozess des herrschenden politischen Systems in Südafrika einen neuen Höhepunkt erreicht: Der außerordentliche Kongress der mächtigen Metallarbeitergewerkschaft NUMSA, der vom 17. bis 20. Dezember stattfand, erklärte den Bruch der Gewerkschaft mit dem ANC, der Südafrikanischen KP (SACP) und der regierenden Drei-Parteien-Allianz. Nachdem die ANC-Führung und ihre Verbündeten bei den Trauerfeiern für den kurz zuvor verstorbenen historischen ANC-Führer (und Mitglied des ZK der SACP) Nelson Mandela miterleben mussten, wie Präsident Zuma bei seiner Rede ausgebuht und ausgepfiffen wurde, bedeutete der NUMSA-Kongress eine noch viel schmerzhaftere Schlappe für die regierende Volksfront.

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Der Beschluss des Kongresses, bei den bevorstehenden Wahlen nicht wie früher zur Wahl des ANC aufzurufen, die Aufforderung an den Gewerkschaftsdachverband COSATU, aus der Dreiparteien-Allianz auszutreten und die Ankündigung des Aufbaus einer „Bewegung für den Sozialismus“ sind Indizien dafür, wie stark der Druck an der Basis der mit 300.000 Mitgliedern stärksten Einzelgewerkschaft des Landes mittlerweile ist. Tatsächlich waren der Kongress und seine Resolutionen durchaus widersprüchlich. Die Führung der NUMSA selbst hat jahrelang die Politik des COSATU mitgetragen, dem auf Grund einer offensichtlich innerbürokratischen Abrechnung abgesetzten COSATU-Generalsekretär Zvekinzima Vavi auf dem Kongress einen begeisterten Empfang bereitet und hält in der Strategieresolution am

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Konzept der „national-demokratischen Revolution“ (mehr dazu weiter unten) fest. Andererseits bedeutet die offene Frontstellung gegen die regierende Volksfront ein ermutigendes Zeichen und kann Türen aufstoßen, welche die revolutionäre Arbeitervorhut in Südafrika nutzen kann. Dass die Botschaft angekommen ist, bewies Präsident Jacob Zuma während des Kongresses: Bewusst provokant unterzeichnete er während des NUMSA-Kongresses ein Gesetz, das Unternehmen bei der Einstellung von „jungen Arbeitskräften“ massive Steuererleichterungen verspricht. Die Gewerkschaften, allen voran die NUMSA, sahen in dem Gesetzesentwurf einen klaren Versuch, eine Generationsablöse in den Betrieben herbeizuführen: Ältere, kampferprobte Arbeiter könnten so gegen eine neue, jüngere Generation ausge-

tauscht und die Kampfkraft der Belegschaften zurückgefahren werden. Was Zuma und die SACP hart traf, war ein Zitat des verstorbenen Nelson Mandela in der Abschlussresolution der Gewerkschaftstagung: „Wie oft hat eine Arbeiterbewegung eine Freiheitsbewegung unterstützt, nur um am Tag der Befreiung selbst verraten zu werden?“. Mandela selbst lieferte allerdings ein Beispiel für seinen eigenen, abstrakt richtigen, Satz: Nach seinem Tod wurde das „bestgehütete offenste Geheimnis der südafrikanischen Geschichte“ auch offiziell gelüftet: Mandela war zum Zeitpunkt seiner Verurteilung durch das Apartheid-Regime 1960 bereits einige Zeit im Geheimen Mitglied des Zentralkomitees der südafrikanischen KP. Seine spätere Regierungspolitik, deren Auswirkungen der NUMSA-Kongress als „neoliberalen Verrat“ anprangert, ist aber genau die Frucht der von der SACP vertretenen Konzeption einer nationaldemokratischen Revolution. Mit dieser Theorie, die eine Adaption der klassischen stalinistischen Volksfrontorientierung und die Umsetzung des falschen Konzepts der „antiimperialistischen Einheitsfront“ ist, wird die Unterordnung der Arbeiterinnen und Arbeiter in den kolonialen und halbkolonialen Ländern unter die „nationale“ Bourgeoisie gerechtfertigt. Erst müsse ein lebensfähiger Kapitalismus und ein stabiler


KLASSENKAMPF bürgerlichen Staat aufgebaut werden, dann könne man, irgendwann später, Richtung Sozialismus gehen. Wir Revolutionäre setzen diesem Konzept die Theorie der permanenten Revolution gegenüber: Eine sozialistische Revolution, also die vollkommene Enteignung der wichtigsten Industrien, der Banken und des Großgrundbesitzes, bietet die Möglichkeit, die Produktivkräfte im Dienste der Allgemeinheit zu entwickeln, die Not und das Elend der Massen zu beseitigen, ohne die Grundlage einer neuen Ausbeutung zu sein; an Stelle eines bürgerlichen Staates mit seinen angeblich „demokratischen Institutionen“, der, wie im August 2012 in Marikana, die Arbeiter zusammenschießen lässt, schlagen wir die Lenkung der Gemeinschaft durch direkt-demokratisch gewählte, jederzeit absetzbare Räte und die allgemeine Bewaff-

nung der Arbeiterklasse vor. Alle möglichen Arten von „linken“ Populisten versuchen aus der sich seit Jahren verschärfenden sozialen Krise Kapital zu schlagen. Dazu gehören vor allem die „Economic Freedom Fghters“ (Ökonomische Freiheitskämpfer) des ehemaligen ANC-JugendsekretärsJulius Malema; Malema, der sich selbst enorm persönlich bereichert hat, versuchte sich nach dem Marikana-Massaker mit linkspopulistischen Losungen als „Arbeiterfreund“ zu profilieren. Das Fehlen einer revolutionären Alternative hat dieses Unterfangen begünstigt, wie das Wachstum der EFF zeigt. Das muss als ein Positivum des NUMSA-Kongresses gewertet werden, dass es zu keinem Schulterschluss mit Malema kam. Das Democratic Socialist Movement (DSM – Sektion des Komitees für eine Arbeiterinternationale CWI, in Ös-

terreich vertreten durch die SLP) versucht, mit dem Vorschlag des Aufbaus einer „Arbeiter- und sozialistischen Partei“ ihren Einfluss auszuweiten. Sie hat dadurch den Hass der Stalinisten der SACP auf sich gezogen, die mit einer ungalublichen Hetzkampagne ausgerechnet die internationale Unterstützung für die DSM verteufelt. Das von Propagandisten einer Partei, die sich völlig zu Recht bei ihrem Widerstand gegen das Apartheid-Regime auf breite internationale Solidarität stützen konnte... Die DSM, die in Abwandlung der alten „entristischen Linie“ des CWI in „Massenorganisationen“ selbst jahrelang im ANC eine „marxistische Strömung“ aufbauen wollte und in südafrikanischen Killercops „Arbeiter in Uniform“ sieht, hat allerdings eine primär parlamentarische Orientierung und will sogar mit der

EFF ein Wahlbündnis eingehen. Revolutionäre Arbeiterinnen und Arbeiter müssen sehr genau einschätzen, wie der Schwenk der NUMSA-Führung genützt werden kann. Egal, ob sie in der geplanten „Bewegung für Sozialismus“ oder außerhalb von ihr den besten Ansatz zur Organisierung sehen – entscheidend wird es sein, vor den südafrikanischen Massen ein klares revolutionäres Programm zu entfalten. Dieses kann sich nicht auf Reformen des Regimes und juristische Schritte gegen Minenunternehmer und Gewerkschaftsbürokraten beschränken (wie das di DSM tut) – es muss das Programm der Zerschlagung der kapitalistischen Grundlagen der südafrikanischen Gesellschaft, der sofortigen Hebung des Lebenstandards der Massen und der Errichtung der Rätemacht sein.

BOIKETLONG, SEBOKENG

Sterben, um menschenwürd i g z u l e be n ? Während diese Ausgabe des KLASSENKAMPF in Druck geht, intensivieren sich die Proteste in Boiketlong, einer „informellen Siedlung“ außerhab von Sebokeng. In den Slums von Boiketlong gärt es seit langem. Tausende Meschen hausen dort in provisorischen Hütten aus rostigem Blech, Holzresten und Bauschutt. Es gibt einen einzigen Wasserauslass, die hygienischen Bedingungen sind eine Katastrophe (es gibt selbstgebaute Latrinen). Seit Jahren fordern die Bewohner dieser „Shantytowns“, dass die von der regierenden Drei-Parteien-Allianz angekündigten Instandsetzungsarbeiten endlich beginnen. Aber die dafür vorgesehenen Mittel (auch die von den ausländischen Konzernen eingehobenen sogenannten „Solidaritätsabgaben“) versickern bei einheimischen „Stammesfältesten“ – einer noch zu Apartheid-Zeiten geschaffenen Institution, um die schwarze Bewegung in den

Slums zu spalten. Da sich die Proteste seit dem Marikana-Massaker landesweit verschärft haben, nimmt die Repression unerbittlich zu. Erst am Mittwoch, dem 6. Februar, wurde der 26jährige Lerate Victor Rabolila unter den Augen schwerbewaffneter Polizisten von einem mutmaßlichen Killerkom- Sebokeng: Wie das Grafitti "Fuck Zuma" zeigt, mando des ANC erschossen. Augen- ist der Stern des ANC im Sinken begriffen ... zeugen berichten, dass ein Protestmarsch von Slumbewohnern von einer Gruppe Bewaffneter gestoppt wurde, die sofort das Feuer eröffneten. Die Demonstranten konnten sich nur mit Steinwürfen verteidigen, es gelang ihnen aber trotzdem, die Killer zu verjagen. Derzeit profitiert in erster Linie die Bewegung des Ex-ANC-Jugendführers Julius Malema von dieser Politik des ANC. Seine radikale Rhetorik macht vergessen, dass er selbst Bestandteil des korrupten Systems war und ist.

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MARXISTISCHER LESEKREIS

Friedrich Engels und die „Grundsätze des Kommunismus“ Vor der revolutionären Welle von 1848 waren in verschiedenen Ländern Geheimgesellschaften entstanden – demokratische, republikanische, sozialistische oder kommunistische. Natürlich waren die Arbeiterorganisationen noch nicht sehr weit entwickelt – das junge Industrieproletariat befand sich in den meisten Ländern noch in seiner Formierungsphase, und die „Handwerkerkommunisten“ vermischten alle Arten von aufklärerischen, utopischen und religiösen Vorstellungen zu Visionen einer besseren, gerechten Gesellschaft. Eine diese Geheimgesellschaften war der von deutschen Handwerkern getragene „Bund der Gerechten“, der sich drei Jahre davor vom demokratisch-republikanischen „Bund der Geächteten“ in Paris abgespalten hatte. Die neue Vereinigung verwandelte sich aber rasch von einem primär deutschen revolutionären Flüchtlingsclub in einen internationalen Arbeiterbund. Karl Marx (1818 – 1883) und Friedrich Engels (1820 – 1895) wirkten an der politischen Neuorientierung des Bundes tatkräftig mit. Im Sommer 1847 wurde der „Bund der Gerechten“ in den „Bund der Kommunisten“ umgeandelt. Marx und Engels wurden beauftragt, das Manifest des Bundes zu formulieren. Der erste Entwurf wurde 1847 von Engels in Form eines „revolutionären Katechismus“ abgefasst. Damit knüpfte er an übliche Traditionen der Geheimbünde der damaligen Zeit an, in denen sehr häufig die Programme in Frage-Antwort-Form gehalten und bei der Neuaufnahme von Mitgliedern „abgeprüft“ wurden. Dieses „Kommunistische Glaubensbekenntnis“ blieb lange unveröffentlicht, erst 1913 veröffentlichte es der einstige Se-

kretär Friedrich Engels, Eduard Bernstein, unter dem Titel „Grundsätze des Kommunismus“ (Bernstein hatte damals bereits mit dem Marxismus gebrochen und war zum Hauptvertreter des friedlichen Reformismus geworden). Marx und Engels waren aber letztlich mit dieser Form der Vermittlung des Programms unzufrieden und entschlossen sich letzten Endes für die mittlerweile allgemein bekannte Form des „Manifests der Kommunistischen Partei“. Ein Vergleich der Texte zeigt, dass inhaltlich keine nennenswerten Unterschiede zwischen dem Entwurf von Engels und der Fassung des „Manifests“ bestehen. Was das „Glaubensbekenntnis“ spannend macht, sind die Antworten auf die Fragen 19 und 20, die wir hier in ihrer Gesamtheit wieder. In der stalinisierten Sowjetunion wurde bereits in den 20er Jahren massiv an der Interpretation der Antwort auf Frage 19 heruminterpretiert. Ging es hier immerhin um einen Eckpfeiler stalinistisches Selbstverständnisses – den „Sozialismus in einem Land“. Engels antwortet auf die Frage: „Wir diese [sozialistische] Revolution in einem einzigen Lande allein vor sich gehen können?“ mit einem klaren „Nein“. Und in Frage 20 geht Engels auf eine Reihe von Fragen ein, die Marxistinnen und Marxisten immer wieder gestellt werden, wenn es darum geht, die Grundzüge einer kommenden sozialistischen, kommunistischen und schließlich klassenlosen Gesellschaft zu skizzieren. In diesem Punkt ist Engels im „Glaubensbekenntnis“ viel umfassender als im „Manifest“. Daher veröffentlichen wir diese Passagen als Ergänzung zu den von uns ausgearbeitete Schulungsunterlagen für den Marxistischen Lesekreis.

Gruppe Klassenkampf

Auszug aus dem "Kommunistischen Glaubensbekenntnis" (1847) 1 9. Frage: Wird diese Revolution in einem einzigen geworden. Die kommunistische Revolution wird daher keine Lande allein vor sich gehen können? bloß nationale, sie wird eine in allen zivilisierten Ländern, d.h. wenigstens in England, Amerika, Frankreich und Deutschland Antwort: Nein. Die große Industrie hat schon dadurch, daß gleichzeitig vor sich gehende Revolution sein. Sie wird sich in sie den Weltmarkt geschaffen hat, alle Völker der Erde, und jedem dieser Länder rascher oder langsamer entwickeln, je namentlich die zivilisierten, in eine solche Verbindung mitein- nachdem das eine oder das andre Land eine ausgebildetere ander gebracht, daß jedes einzelne Volk davon abhängig ist, Industrie, einen größeren Reichtum, eine bedeutendere Maswas bei einem andern geschieht. Sie hat ferner in allen zivili- se von Produktivkräften besitzt. Sie wird daher in Deutschsierten Ländern die gesellschaftliche Entwicklung so weit land am langsamsten und schwierigsten, in England am gleichgemacht, daß in allen diesen Ländern Bourgeoisie und raschesten und leichtesten durchzuführen sein. Sie wird auf Proletariat die beiden entscheidenden Klassen der Gesell- die übrigen Länder der Welt ebenfalls eine bedeutende Rückschaft, der Kampf zwischen beiden der Hauptkampf des Tages wirkung ausüben und ihre bisherige Entwicklungsweise gänz-

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MARXISTISCHER LESEKREIS lich verändern und sehr beschleunigen. Sie ist eine universelle Entwicklung der Produktion ganz andere Menschen bedürfen Revolution und wird daher auch ein universelles Terrain ha- und auch erzeugen. Der gemeinsame Betrieb der Produktion ben (7). kann nicht durch Menschen geschehen wie die heutigen, deren jeder einem einzigen Produktionszweig untergeordnet, an 20. Frage: Was werden die Folgen der schließlichen ihn gekettet, von ihm ausgebeutet ist, deren jeder nur eine Beseitigung des Privateigentums sein? seiner Anlagen auf Kosten aller anderen entwickelt hat, nur einen Zweig oder nur den Zweig eines Zweiges der GesamtAntwort: Dadurch, daß die Gesellschaft die Benutzung sämt- produktion kennt. licher Produktivkräfte und Verkehrsmittel sowie den Austausch und die Verteilung der Produkte den Händen der Schon die jetzige Industrie kann solche Menschen immer Privatkapitalisten entnimmt und nach einem aus den vorhan- weniger gebrauchen. Die gemeinsam und planmäßig von der denen Mitteln und den Bedürfnissen der ganzen Gesellschaft ganzen Gesellschaft betriebene Industrie setzt vollends Mensich ergebenden Plan verwaltet, werden vor allen Dingen alle schen voraus, deren Anlagen nach allen Seiten hin entwickelt die schlimmen Folgen beseitigt, welche jetzt noch mit dem Be- sind, die imstande sind, das gesamte System der Produktion trieb der großen Industrie verknüpft sind. Die Krisen fallen zu überschauen. Die durch die Maschinen schon jetzt unterweg; die ausgedehnte Produktion, welche für die jetzige Ord- grabene Teilung der Arbeit, die den einen zum Bauern, den nung der Gesellschaft eine Überproduktion und eine so mäch- anderen zum Schuster, den dritten zum Fabrikarbeiter, den tige Ursache des Elends ist, wird dann nicht einmal vierten zum Börsenspekulanten macht, wird also gänzlich verhinreichen und noch viel weiter ausgedehnt werden müssen. schwinden. Die Erziehung wird die jungen Leute das ganze Statt Elend herbeizuführen, wird die Überproduktion über die System der Produktion rasch durchmachen lassen können, sie nächsten Bedürfnisse der Gesellschaft hinaus die Befriedi- wird sie in Stand setzen, der Reihe nach von einem zum angung der Bedürfnisse aller sicherstellen, neue Bedürfnisse dern Produktionszweig überzugehen, je nachdem die Bedürfund zugleich die Mittel, sie zu befriedigen, erzeugen. nisse der Gesellschaft oder ihre eigenen Neigungen sie dazu veranlassen. Sie wird ihnen also den einseitigen Charakter Sie wird die Bedingung und Veranlassung neuer Fortschritte nehmen, den die jetzige Teilung der Arbeit jedem einzelnen sein, sie wird diese Fortschritte zustande bringen, ohne daß aufdrückt. Auf diese Weise wird die kommunistisch organisierdadurch, wie bisher jedesmal, die Gesellschaftsordnung in te Gesellschaft ihren Mitgliedern Gelegenheit geben, ihre allVerwirrung gebracht werde. Die große Industrie, befreit von seitig entwickelten Anlagen allseitig zu betätigen. Damit aber dem Druck des Privateigentums, wird sich in einer Ausdeh- verschwinden notwendig auch die verschiedenen Klassen. So nung entwickeln, gegen die ihre jetzige Ausbildung ebenso daß die kommunistisch organisierte Gesellschaft einerseits kleinlich erscheint wie die Manufaktur gegen die große Indus- mit dem Bestand der Klassen unverträglich ist und andrertrie unserer Tage. Diese Entwicklung der Industrie wird der seits die Herstellung dieser Gesellschaft selbst die Mittel bieGesellschaft eine hinreichende Masse von Produkten zur Ver- tet, diese Klassenunterschiede aufzuheben. fügung stellen, um damit die Bedürfnisse aller zu befriedigen. Ebenso wird der Ackerbau, der auch durch den Druck des Pri- Es geht hieraus hervor, daß der Gegensatz zwischen Stadt vateigentums und der Parzellierung daran verhindert wird, und Land ebenfalls verschwinden wird. Der Betrieb des sich die schon gemachten Verbesserungen und wissenschaftli- Ackerbaues und der Industrie durch dieselben Menschen, chen Entwicklungen anzueignen, einen ganz neuen Auf- statt durch zwei verschiedene Klassen, ist schon aus ganz maschwung nehmen und der Gesellschaft eine vollständig teriellen Ursachen eine notwendige Bedingung der kommuhinreichende Menge von Produkten zur Verfügung stellen. nistischen Assoziation. Die Zersplitterung der ackerbauenden Bevölkerung auf dem Lande, neben der Zusammendrängung Auf diese Weise wird die Gesellschaft Produkte genug her- der industriellen in den großen Städten, ist ein Zustand, der vorbringen, um die Verteilung so einrichten zu können, daß nur einer noch unentwickelten Stufe des Ackerbaues und der die Bedürfnisse aller Mitglieder befriedigt werden. Die Tren- Industrie entspricht, ein Hindernis aller weiteren Entwicknung der Gesellschaft in verschiedene, einander entgegenge- lung, das schon jetzt sehr fühlbar wird. setzte Klassen wird hiermit überflüssig. Sie wird aber nicht nur überflüssig, sie ist sogar unverträglich mit der neuen Ge- Die allgemeine Assoziation aller Gesellschaftsmitglieder zur sellschaftsordnung. Die Existenz der Klassen ist hervorgegan- gemeinsamen und planmäßigen Ausbeutung der Produktionsgen aus der Teilung der Arbeit, und die Teilung der Arbeit in kräfte, die Ausdehnung der Produktion in einem Grade, daß ihrer bisherigen Weise fällt gänzlich weg. Denn um die indus- sie die Bedürfnisse aller befriedigen wird, das Aufhören des trielle und Ackerbauproduktion auf die geschilderte Höhe zu Zustandes, in dem die Bedürfnisse der einen auf Kosten der bringen, genügen die mechanischen und chemischen Hilfsmit- andern befriedigt werden, die gänzliche Vernichtung der Klastel nicht allein; die Fähigkeiten der diese Hilfsmittel in Bewe- sen und ihrer Gegensätze, die allseitige Entwickelung der Fägung setzenden Menschen müssen ebenfalls in higkeiten aller Gesellschaftsmitglieder durch die Beseitigung entsprechendem Maße entwickelt sein. Ebenso wie die Bau- der bisherigen Teilung der Arbeit, durch die industrielle Erzieern und Manufakturarbeiter des vorigen Jahrhunderts ihre hung, durch den Wechsel der Tätigkeit, durch die Teilnahme ganze Lebensweise veränderten und selbst ganz andere Men- aller an den durch alle erzeugten Genüssen, durch die Verschen wurden, als sie in die große Industrie hineingerissen schmelzung von Stadt und Land - das sind die Hauptresultate wurden, ebenso wird der gemeinsame Betrieb der Produktion der Abschaffung des Privateigentums. durch die ganze Gesellschaft und die daraus folgende neue

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GRIECHENLAND

AUCH 2014: VIEL ARBEIT FÜR „DIE AMEISE“

Athen, 25. Jänner: Verteilung der Kleiderspenden aus der Kampagne "Helfen wir der Ameise"

Die Verteilung von Lebensmitteln und Kleidung ist nur ein Tätigkeitsfeld der Ameise. Für dieses Jahr ist die Intensivierung von Lerngruppen und Unterricht für jene geplant, die sich den Besuch von Schulen oder Universitäten nicht mehr leisten können oder auf Grund ihrer Situation Lernprobleme haben. Außerdem sollen die Englischkurse ausgeweitet werden. Politisch plant To Mirmigi eine Kampagne gegen Zwangsversteigerungen, weil die Regierung ein Gesetz beschlossen hat, das die Zwangsräumung und Versteigerung von Wohnungen wesentlich erleichtert hat. Da in fünf Monaten Wahlen stattfinden sollen, wappnet sich die "Ameise" auch auf Konrontationen mit den Neonazis des "Goldenen Morgengrauens". Diese haben ihre Kampagne amit eröffnet, dass sie den Schauplatz des Mordes an Pavlos Fyssas verwüsten.

Das Kollektiv Permanente Revolution(CoReP) www.revolucionpermanente.com Frankreich: GROUPE MARXISTE INTERNATIONALISTE http://groupemarxiste.info

Peru: REVOLUCION PERMANENTE (PERU) http://luchamarxista.blogspot.fr/

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ZWEI STATEMENTS VON TO MIRMIGI

PRESSEERKLÄRUNG VON TO MIRMIGI ZUR SOLIDARITÄTSLIEFERUNG AUS ÖSTERREICH

Der Solidaritäts-LKW - voll Kleidung, Spielzeug, Büchern Räumlichkeiten von "To Mirmigi" im Juli, entschied die GKK und medizinischem Bedarf - aus Österreich erreichte Kypseli sich dazu Kontakt aufzunehmen und Hilfe so zu leisten, wie am hl. Abend. sie am dringendsten benötigt wurde - als Geld- und Das Solidaritätsnetzwerk von Kypseli, „die Ameise“, gibt jetzt seit einem Jahr einen kleinen Sack Lebensmittel an jene aus, die sie dringend benötigen. Sofern vorhanden, verteilen wir auch Kleidung, Bücher, Spielzeug und alles übrige an diejenigen, denen es an eben diesen Dingen mangelt. Fünfhundert Familien kommen jede zweite Woche um sich dieses Solidaritätssackerl abzuholen, das wir mit den Nahrungsmitteln füllen, die wir vor Supermärkten von deren Kunden gespendet bekommen. Wir organisieren GratisUnterricht für Schüler, Märkte ohne Zwischenhändler und kulturelle Ereignisse. Anbei ein Statement der Gruppe Klassenkampf, der wir für Ihre Solidarität danken möchten, die sie uns gegenüber gezeigt hat. Die Initiative zur Sammlung materieller Hilfsgüter in Wien, zu Gunsten von "To Mirmigi", ging von der "Gruppe Klassenkampf" (GKK, der österreichischen Sektion des Kollektivs Permanente Revolution "CoRep") aus. Nach den durch Faschisten verübten Brandanschlägen auf die

Kleiderspenden sowie Spenden in Form von allem, woran es mangelte. Sie rief die Kampagne "Let's help the ant!" ("Helfen wir der Ameise!") ins Leben, weil sie den an den Arbeitern und Bauern Griechenlands geprobten Raub als vorausgeworfenen Schatten dessen erkannte, was der Kapitalismus für alle Arbeitenden Europas vorbereitet: Privatisierungen, Entlassungen, Hunger und die Zerstörung bereits durch vorangegangene Generationen erkämpfter sozialer Errungenschaften. Die GKK ist Mitglied des "Komitee für Solidarität mit dem Widerstand in Griechenland", einer gemeinsamen Plattform von Organisationen und Einzelpersonen aus der Arbeiterschaft und Gewerkschaftsbewegung. Das Komitee befürwortet die Kampagne der GKK. Der Aufruf zur Unterstützung von "To Mirmigi", und der Opfer der kapitalistischen Krise in Kypseli, erfuhr breiten Zuspruch und wurde durch Buchhandlungen, soziale Netzwerke und Websites verbreitet. Am Ende machte die gelungene Kooperation mit der österreichischen "Volkshilfe" den Transport der Güter möglich.

BRIEF VON TO MIRMIGI AN DIE GRUPPE KLASSENKAMPF Liebe Genossen,

Sonntag, 14. Januar 2014 händler und führten Dutzende Diskussionen über Solidaritätsarbeit, Faschismus, Umwelt- und Arbeiterbewegungen, etc.

heute hatten wir unser erstes jährliches Meeting, in dem wir einen Bericht über das erste Jahr getaner Arbeit hörten. Im November 2012 nahmen wir die Arbeit auf. „Die Ameise“, eigentlich ein kleines Haus in Kypseli (einem Stadtteil Athens, Anm.), ist jetzt – ein Jahr später - ein etablierter Treffpunkt für die Einwohner des Bezirks. Über 500 Familien haben wir inzwischen mit einem Sack voller Lebensmittel versorgt, mehr als 30 Menschen - und das ist, denken wir, unser größter Erfolg – haben sich uns angeschlossen. Man kennt uns jetzt in der Nachbarschaft. Schon bei jedem Gang zum Supermarkt versuchen uns die Menschen zu unterstützen – und wenn es nur eine Packung Spaghetti ist, die man uns in die Spendenkörbe legt.

Kypseli ist eine Nachbarschaft, in der das „goldene Morgengrauen“ („Golden Dawn“) sehr viel Einfluss ausübt. Deshalb glauben wir, dass „die Ameise“, weil sie Solidarität für alle und ohne jede diskriminierende Einschränkung ausübt, eine wichtige Rolle in Sachen Anti-Faschismus spielt. Wir möchten uns bei Euch für die Unterstützung und vor Allem die Solidarität bedanken, die Ihr uns gegenüber gezeigt habt. Was wir an Hilfsgütern von Euch erhalten haben werden wir am 25. in Fokionos Negri - einer Fußgängerzone in Kypseli - verteilen, weil „die Ameise“ zu klein ist um alle gleichzeitig zu versorgen.

Noch einmal vielen Dank. Wir hoffen – wie wir zu Silvester Darüber hinaus haben wir Unterricht für Schüler im Alter gesagt haben – dass „die Ameise“ nächstes Jahr keinen von 7 bis 17 Jahren eingerichtet (Mathematik, Biologie, Che- Grund mehr für ein weiteres Fortbestehen hat. mie, Altgriechisch, Literatur, Griechisch) und bemühen uns Computerunterricht und solchen für Immigranten zu organi- „Die Ameise“ sieren. Wir veranstalteten 4 Märkte ohne jeden Zwischen-

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UNSERE SOLIDARITÄT MIT TO MIRMIGI

DREI PALETTEN MIT HILFSGÜTERN FÜR DIE „AMEISE“! Als "Aktivisten der ersten Stunde" haben wir im Komitee Solidarität mit dem Widerstand in Griechenland immer darauf hingewiesen, dass praktische Solidarität, praktische Hilfe für unsere Klassenbrüder- und schwestern in dem von der Krise schwer betroffenen Land Not tut.

Unser erstes Plakat für die ToMirmigi-Kampage

Nachdem wir durch den faschistischen Brandanschlag im vergangenen Jui auf die Räumlichkeiten des Selbsthilfeprojekts "To Mirmi" (Die Ameise) von dieser Initiative erfahren haben,die uns deshalb so wichtig erscheint, weil sie (illegale) Migrantinnen und Migranten genauso unterstützt wie alle anderen Krisenopfer, fassten wir den Beschluss, unsere Solidaritätsarbeit auf die Unterstützung von To Mirmigi zu konzentrieren. Heute können wir die ersten Erfolge vermelden. Rechtzeitig zum Weihnachtsfest in Athen (Anfang Jänner) konnten wir drei Paletten mit Sachspenden - in erster Linie für Babys und Kinder, aber auch Wintersachen für Erwachsene, bei To Mirmigi abliefern. Möglich war dies durch die Hilfsbereitschaft vieler Menschen, die ihre praktische Solidarität zeigen wollten, und die logistische Hilfe durch die Volkshilfe Oberösterreich. Unterstützt wurde die Sammlung auch vom Komitee Solidarität mit dem Widerstand in Griechenland, dem wir angehören.

Kypseli (Athen): Unsere Hilfssendung wird entladen

KONTAKT

BERT BRECHT: SOLIDARITÄTSLIED

Die Gruppe Klassenkampf im Internet:

Vorwärts und nicht vergessen, worin unsere Stärke besteht! Beim Hungern und beim Essen, vorwärts und nie vergessen: die Solidarität!

Die Gruppe Klassenkampf kontaktieren:

1. Auf ihr Völker dieser Erde, einigt euch in diesem Sinn, daß sie jetzt die eure werde, und die große Näherin. Refrain:

www.klassenkampf.net

gruppe.klassenkampf@gmail.com Unsere Postadresse: Gruppe KLASSENKAMPF Stiftgasse 8 A-1 070 Wien

2. Schwarzer, Weißer, Brauner, Gelber! Endet ihre Schlächterei! Reden erst die Völker selber, werden sie schnell einig sein. Refrain:

3. Wollen wir es schnell erreichen, brauchen wir noch dich und dich. Wer im Stich läßt seinesgleichen, läßt ja nur sich selbst im Stich. Refrain: 4. Unsre Herrn, wer sie auch seien, sehen unsre Zwietracht gern, denn solang sie uns entzweien, bleiben sie doch unsre Herrn. Refrain: 5. Proletarier aller Länder, einigt euch und ihr seid frei. Eure großen Regimenter brechen jede Tyrannei!


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