Es muss einfach
funktionieren
Welche logistische Rolle spielt GS1 Austria in der aktuellen Corona-Krise? Und: Wie wichtig wird das Thema Rückverfolgbarkeit künftig für die heimischen Lebensmittelproduktion werden? KEYaccount sprach dazu mit Gregor Herzog, Geschäftsführer von GS1 Austria. ie Corona-Krise betrifft jede Branchen auf die eine oder andere Weise. Und plötzlich rücken manche Institutionen in den Fokus, deren Leistungen in krisenfreien Zeiten gerne als selbstverständlich hingenommen werden. Die elektronische Datenübertragung zwischen Handel und Industrie etwa. Ohne EDI-Traffic wären effiziente Replenishment-Strategien im LEH gar nicht denkbar. Oder anders formuliert: Ohne EDI keine vollen Regale. In Österreich ist die GS1 Austria Tochterfirma EDITEL die Datendrehscheibe in diesem Bereich. Doch wie läuft der Datentransfer in der Krise? „Wir haben ein solides operatives Geschäft, und müssen
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unsere Services aufrechterhalten“, sagt GS1 Austria Geschäftsführer Gregor Herzog im KEYaccount-Telefoninterview. Allerdings werde die Weiterentwicklung in den Arbeitsgruppen derzeit massiv zurückgefahren. Abgesehen davon herrsche bei GS1 Austria aktuell business as usual: „Wie sonst auch werden aktuell die Bestellungen des Handels von uns elektronisch an die Industrie weitergegeben“, sagt Herzog. KEYaccount will wissen, ob GS1 Austria jetzt in der Corona-Krise eine systemerhaltende Rolle zufällt. Herzog: „Diese Funktion haben wir immer und nicht nur jetzt in der Krise. Wir liefern 365 Tage im Jahr eine Basisdienstleistung, die dafür sorgt, dass die Ware, die heute ver-
kauft wurde, morgen wieder im Regal steht.“ Zum Glück verfüge GS1 Austria über eine robuste Technologie, die auch dann noch reibungslos funktioniert, wenn mal nicht alle Kapazitäten zur Verfügung stehen. „Unsere absolute Priorität aktuell ist, dass unsere Systeme stabil laufen. Wir vermeiden derzeit auch alle Änderungen im System, damit wir ja kein Risiko eingehen.“ Die Datenmengen, die normalerweise über die Server von GS1 Austria und der Tochter EDITEL laufen, sind enorm. Laut Herzog kommt alleine ein großer Lebensmittelhändler auf 30 Millionen elektronische Nachrichten pro Jahr. Und wenn mal etwas nicht funktioniert? Herzog: „Es muss einfach funktionieren.“
GS1 Austria
Foto: Shutterstock.com/Pasko Maksim, Katharina Schiffl, GS1 Austria
Die Zukunft der Rückverfolgbarkeit Zwar gibt es gegen den Coronavirus noch kein Medikament, die Versorgung mit hochwertigen Arzneimitteln rückt in Zeiten einer Pandemie trotzdem immer stärker in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Und genau in diesem Bereich, nämlich bei der gesetzlich vorgeschriebenen Rückverfolgbarkeit von Inhaltsstoffen, stellt GS1 Austria die technologischen Lösungen parat. Jedes verschreibungspflichtige Medikament, das in Österreich verkauft wird, muss seit 2019 gegen eine europäische Datenbank abgeglichen werden, in der die Hersteller die entsprechenden Seriennummern eingegeben haben. Der Apotheker oder der Arzt können so schnell überprüfen, ob das Medikament gefälscht ist. „Das ist ein ganz normaler Scan-Vorgang und das Serialisierungs-System beruht auf GS1 Technologie“, sagt Herzog. Ein ähnliches, gesetzlich vorgeschriebenes Rückverfolgbarkeits-System gibt es inzwischen auch bei Tabakwaren. So soll vor allem der Zigarettenschmuggel eingebremst werden. Und im Lebensmittelhandel? Hier bietet GS1 Austria seit einiger Zeit mit GS1 Trace ein Rückverfolgbarkeits-Programm an, das in der Branche immer besser angenommen wird. GS1 Austria spielt hier in die Hände, dass im grün-türkisen Regierungsprogramm festgehalten ist, dass gerade in der Gemeinschaftsverpflegung das Thema Herkunft forciert werden soll. Aktuell werde die Rückverfolgbarkeit vor allem von den deutschen Ketten forciert, speziell von der Edeka, sagt Herzog.
Und da viele österreichische Unternehmen auch an den deutschen LEH-Marktführer liefern, greifen diese verstärkt auf das Rückverfolgbarkeits-Tool von GS1 Austria, also auf GS1 Trace, zurück. Und die österreichische Ketten? Herzog: „Im Bereich Seefisch ist auch in Österreich vorgeschrieben. Bei einer TK-Packung etwa muss etwa die Herkunft bis zum Fischkutter, der den Fisch gefangen hat, dokumentiert werden. Gerade die Metro ist als größter Fisch-Importeur Österreich davon betroffen.“
Fleisch oder Energy Drinks? Wohin geht aber die Reise in Sachen Rückverfolgbarkeit bei Lebensmittel? „Klar ist, dass immer mehr Produktkategorien sich mit dem Thema auseinandersetzen werden“, sagt Herzog, der hier auch die Konsumentinnen und Konsumenten in die Pflicht nimmt. Diese hätte nämlich oftmals einen sehr selektiven Zugang zum Thema. „Es gibt Produkte, wie etwa Schnitzelfleisch, da wünscht sich der Konsument unbedingt eine Rückverfolgbarkeit, obwohl es klar ist, dass das Produkt aus Österreich kommt. Bei anderen Produkten, wie etwa bei Energy Drinks, ist es den Konsumenten völlig egal“, so der GS1 Austria-Geschäftsführer. Bei einem stark verarbeiteten Produkt wie etwa eine Tiefkühl-Pizza müsse man sich zudem überlegen, „wie tief man bei der Rückverfolgbarkeit gehen will“. Hier stecke der Teufel oftmals im wahrsten Sinne des Wortes im Detail. „Nehmen wir das Bei-
GS1 Austria-Geschäftsführer Gregor Herzog über Datenmanagement in der Coronakrise und den Trend zur Rückverfolgbarkeit.
spiel Pizza. Eine der Zutaten ist Mehl. Mehlhersteller mischen aber unterschiedliche Chargen, um eine gleichbleibende Qualität garantieren zu können. Das sind oft sehr spontane Prozesse. Eine Rückverfolgbarkeit gestaltet sich hier äußerst schwierig.“ Trotzdem ist Herzog überzeugt davon, dass das Thema künftig immer wichtiger werden wird. Übrigens: Der absolute Vorreiter in Sachen Rückverfolgbarkeit war und ist die österreichische Weinwirtschaft. Dort ist die Herkunftsauslobung seit dem Weinskandal in den 1980er-Jahren Pflicht.
Wolfgang Zechner