Fall Blau: Der letze "Blitzkrieg" im Osten

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5/2017 September | Oktober

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Clausewitz Das Magazin für Militärgeschichte

Me 163

Kraftei der Luftwaffe

Spezialeinheiten Israels Elitesoldaten

Krieg ums Öl 1942 Film „Steiner“ So entstand das harte Ostfront-Epos

Fall Blau: Der letzte „Blitzkrieg“ im Osten SCHLACHTEN DER WELTGESCHICHTE

Die Schlacht um Paris So zwangen die Deutschen Frankreich 1871 in die Knie

Marengo 1800 Wie Napoleon um ein Haar unterging


n e d n e g Le e t f ü L der

GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München

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Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, im Sommer 1942 wollte Hitler die Rote Armee mit einer Großoffensive entscheidend schlagen. Der NS-Diktator glaubte, die sowjetischen Truppen seien stark geschwächt, so dass die Wehrmacht den Gegner vernichten könnte. Dieser Übermut, gepaart mit Größenwahn, sollte sich für die deutschen Frontsoldaten bitter rächen. Deren dramatischen Erlebnisse schildern die vielen Divisionsgeschichten. So habe ich in Vorbereitung auf die aktuelle Clausewitz-Titelgeschichte zur Offensive „Fall Blau“ die Aufzeichnungen von Kriegsteilnehmern der deutschen 3. und 13. Panzerdivision gelesen. Trotz der gegenseitigen Grausamkeiten begegnen die Chronisten darin den Soldaten mit dem roten Stern auch mit Respekt vor deren militärischen Leistungen So heißt es in der Geschichte der 3. Panzerdivision zu den Kämpfen um Rossosch: „Das erste 8,8-ZentimeterGeschütz ist auf der Hauptstraße in Stellung gegangen und setzt auf 30 Metern Entfernung einem KW-1 [sowjetischer Panzer] einen Volltreffer in den Leib. Nun rollen die Batterien des Panzerartillerie-Regiments 75 heran. Leider sind die Munitionsstaffeln noch nicht da. So finden die Sowjetpanzer Zeit, sich durchzuschlagen. (...) Es sind besonders vier T-34, die wie Berserker kämpfen.“ Bei der 13. Panzerdivision heißt es zu Gefechten am Terek im Oktober 1942: „Größere Geländeschwierigkeiten, gut liegendes feindliches Pak- und Artilleriefeuer und zäh kämpfende feindliche Infanterie ließen den Angriff nicht richtig in Schwung kommen.“ In unserer Titelgeschichte „Die Sowjetunion am Abgrund“ erfahren Sie alles Wissenswerte über die schweren Kämpfe an Don, Wolga und Kaukasus – sie entschieden vor 75 Jahren den Zweiten Weltkrieg.

27. Folge Krieger, Söldner & Soldaten

Die Herren der Pferde – iberische Kavallerie Die Iberer gehören zu den besten Reiterkriegern der antiken Welt. Sie kämpfen erfolgreich sowohl im Sold Hannibals als auch bei der Verteidigung ihrer Heimat gegen die Römer ie im Süden der nach ihnen benannten Iberischen Halbinsel lebenden Völker treten seit dem 7. Jahrhundert vor Christus durch enge Kontakte mit den Griechen und Phöniziern in das Licht der Geschichte. Pferde spielen eine wichtige (auch religiöse) Rolle und sind von bester Zucht und Qualität. Der große Stellenwert dieses Tieres zeigt sich auch in der Kriegführung: Die Heere setzen sich bis zu einem Viertel aus Reiterei zusammen. Diese kämpft meist als leichte Kavallerie im zer-

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FAKTEN Zeit: 5. Jahrhundert vor Christus bis 1. Jahrhundert vor Christus Uniform: Kurze Tunika, kurze Reiterstiefel, breiter Leibgurt, Bronzehelm Hauptwaffen: Wurfspeere, kleiner Rundschild (caetra), Dolch mit dreieckiger Klinge, gerades Kurzschwert (gladius hispaniensis) oder gebogenes Hiebschwert (falcata) Bevorzugte Kampftaktik: Offene Gefechtstaktik der leichten Kavallerie Wichtige Schlachten: Trasimenischer See 217 vor Christus, Cannae 216 vor Christus, Toletum (Toledo) 193 vor Christus

streuten Gefecht, führt also überfallartige Angriffe auf Flanken, Nachschub oder Rücken des Gegners durch. Allerdings sind die vielseitigen Krieger auch in der Lage, als vollwertige Schlachtenkavallerie zu dienen oder abgesessen zu kämpfen. Die Kampfausrüstung der iberischen Reiter spiegelt verschiedene Einflüsse wider: Der Bronzehelm ist von griechischen Vorbildern beeinflusst, während die Vorläufer des Scheibenpanzers im Nahen Osten zu finden und durch phönizische Vermittlung auf die Iberische Halbinsel gelangt sind. Als Angriffswaffen dienen leichte Wurfspeere, von denen ein Krieger mehrere mit sich führt. Für den Nahkampf dient ein aus bestem Stahl geschmiedetes Kurzschwert, entweder das gerade Schwert oder die machetenartige Falcata, eine Hiebwaffe von furchtbarer Schlagkraft. Den Körperschutz vervollständigt – neben Helm und Panzer – der kleine Holzschild mit eisernem Schildbuckel, der auch offensiv als „stählerne Faust“ eingesetzt wird. Die effektive Ausrüstung der Iberer macht auf die Römer einen solchen Eindruck, dass sie sowohl den Dolch als auch das Kurzschwert in ihr Arsenal übernehmen. Aus diesen Waffen entwickeln sich der römische Militärdolch sowie der berühmte römische Gladius. VERLÄSSLICHE VERBÜNDETE, GEFÜRCHTETE GEGNER: Die Karthager werben in ihren Kriegen gegen die Römer die kampfstarken Iberer gerne als Söldner an und die Römer erleiden während der Eroberung Spaniens schwere Niederlagen gegen diese kühnen Kavalleristen. Die Pferde sind mit reich geschmücktem Zaumzeug versehen und die Reiter sitzen auf Decken oder Ledersätteln. Steigbügel sind noch unbekannt

Abb.: Johnny Shumate

Eine kurzweilige Lektüre wünscht Ihnen

Dr. Tammo Luther Verantwortlicher Redakteur

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Inhalt Titelthema

Titelgeschichte | „Fall Blau“ 1942

Gewaltige Großoffensive der Wehrmacht

Die Sowjetunion am Abgrund .....................................................................10 Gewaltige Großoffensive der Wehrmacht, „Fall Blau“ 1942.

Vorstoß ins Verderben

...................................................................................................

Sowjetunion am

5 KURZE FAKTEN

Abgrund

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ZEIT: Juni bis November 1942 ORT: Donezbecken; zwischen Don und Wolga; Kaukasusraum; Kubangebiet (Sowjetunion) KONTINENT: Europa GEGNER: Deutsches Reich/Sowjetunion EREIGNIS: Großoffensive der Wehrmacht im Südabschnitt der Ostfront

Sommer 1942:

Mit einem wuchtigen Schlag will Hitler der Roten Armee den Todesstoß versetzen. Doch der utopische Griff nach Stalins Ölquellen im Kaukasus misslingt und hat massive Auswirkungen auf den Kriegsverlauf Von Tammo Luther

Verbündete der Wehrmacht im Kampf.

Kraftakt auf Ketten................................................................................................................28 Kräftezehrender Angriff deutscher Panzerkräfte. Ausdruck von Größenwahn: Hitler will mit der Sommeroffensive „Fall Blau“ die Ölfelder von Maikop, Grosny und Baku unter deutsche Kontrolle bringen. Die Angriffstruppen, darunter die 1. Panzerarmee, müssen während ihres Vorstoßes zum Kaukasus riesige Steppenlandschaften überwinden. Die Rote Armee nutzt hingegen die Weite des Raumes und weicht zunächst zurück

Waffenbrüder S. 24 Zähe Gegner An „Fall Blau“ beteiligten sich auch Rumänen und Italiener.

Foto: ullstein bild - Arthur Grimm

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Die deutschen Tanks konnten kaum mit den sowjetischen mithalten.

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Die deutschen Angriffstruppen erreichen im Zuge der Großoffensive „Fall Blau” – wie hier bei Pjatigorsk – den Kaukasusraum. Doch die überdehnten Frontlinien und langen Nachschubwege machen ihnen schon bald schwer zu schaffen Foto: ullstein bild - Süddeutsche Zeitung Photo/Scherl

Magazin Neues zur Militärgeschichte, Ausstellungen und Bücher.

Menschen & Geschichten ......................

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Schlachten der Weltgeschichte

Der Tod in Zeitlupe..................................................................................................................40 Der Film Steiner – Das Eiserne Kreuz.

Entscheidung im Deutsch-Französischen Krieg ......................................................................................................................................................................32

Schlachten der Weltgeschichte

Die Belagerung von Paris 1870/71.

Die Schlacht bei Marengo 1800.

Militärtechnik im Detail

Teaser

Mittelschwere Maschine ..........................................................................................38

Clausewitz Spezial und Militär & Geschichte ............52

Der japanische Panzer Typ 97 Chi-Ha.

Waffen-SS und Eroberung Kretas.

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Napoleons Schicksalsstunde...........................................................................46


Schlachten der Weltgeschichte

Menschen und Geschichten TRAGIK UND TRIUMPH: Lange zögerten die Deutschen, Paris mit Artillerie zu beschießen. Mit dem Geschützfeuer begann zugleich ein großes menschliches Drama Abb.: picture alliance/akg (3)

Die Ostfront 1943: Nach dem Rückzug von einer Patrouille erfährt Feldwebel Rolf Steiner, dass seine Kompanie einen neuen Kommandeur erhalten hat. Hauptmann Stransky entspringt altem deutschen Adel, hat sich aber im Krieg noch nicht bewähren können. Nun möchte er unbedingt das Eiserne Kreuz erlangen, das Steiner schon besitzt, weil er im Kampf seinem Regimentskommandeur Oberst Brandt das Leben gerettet hat. Die beiden Männer geraten schnell aneinander, denn Stransky verkörpert jenen Typ Offizier, den Steiner abgrundtief hasst. Nach außen hin sehr auf die Einhaltung von Vorschriften bedacht, entpuppt er sich bei einem ersten sowjetischen Angriff als Feigling. Der Feind kann zwar durch das Eingreifen Leutnant Meyers zurückgeschlagen werden. Allerdings wird Meyer dabei getötet und Steiner schwer verwundet. Anschließend behauptet Stransky, er habe die Verteidigung geleitet und fordert für sich selbst das Eiserne Kreuz ein. Unterstützt wird er dabei durch die Aussage seines Adjutanten Triebig, den er mit dessen Homosexualität erpresst. Nach seinem Lazarettaufenthalt widerlegt Steiner den Bericht seines Hauptmanns, weigert sich aber gegenüber Oberst Brandt gegen Stransky auszusagen. Als die Sowjets eine neue Offensive einleiten, unterlässt es Stransky, Steiners Zug über den eingeleiteten Rückzug zu informieren, weil er hofft, so den ungeliebten Feldwebel aus dem Weg zu räumen. Allerdings gelingt es dem Trupp, den Rotarmisten zu entkommen und einen Funkspruch abzu-

Steiner – Das Eiserne Kreuz

Der Tod in Zeitlupe

1977: Der von Actionspezialist Sam Peckinpah inszenierte Weltkriegsfilm Steiner kommt in die Kinos – und wird kontrovers diskutiert. Heute ist der 40 Jahre alte „Ostfront-Western“ längst zum Kultfilm avanciert …

Von Alexander Querengässer

FAKTEN

Die Gegner Deutsche Truppen Befehlshaber: König Wilhelm I. von Preußen Truppenstärke: 240.000 Mann Verluste: 12.000 gefallene Soldaten

MEHRFRONTEN-KRIEG: Feldwebel Steiner (James Coburn) muss sich nicht nur gegen die Rote Armee zur Wehr setzen, sondern auch gegen die eigenen Offiziere. Peckinpahs einziger wirklicher Kriegsfilm schildert das harte Los einer Gruppe Wehrmachtssoldaten an der Ostfront

Entscheidung im Deutsch- Französischen Krieg 16. September 1870 bis 28. Januar 1871: 135 Tage lang belagern deutsche Truppen Frankreichs Hauptstadt – dann ist der Widerstand gebrochen. Dieser triumphale Sieg ebnet den Weg für die Gründung des Deutschen Reichs Von Daniel Carlo Pangerl

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ir schreiben den 19. Juli 1870: Bismarcks diplomatischer Coup mit der Emser Depesche hat Napoleon III. in aller Öffentlichkeit bloßgestellt. Der französische Kaiser erklärt jetzt Preußen den Krieg. Die Gegenseite reagiert unverzüglich: König Wilhelm I. lässt die Truppen des Norddeutschen Bundes aufmarschieren und übernimmt höchstpersönlich den Oberbefehl. An seiner Seite steht der Chefstratege Helmuth

von Moltke. Militärische Hilfe leisten die süddeutschen Staaten Bayern, Baden, Württemberg und Hessen-Darmstadt. Das übrige Europa bleibt neutral, denn es hält Frankreichs Aggression für unbegründet. Einen erstern französischen Vorstoß wehren die Deutschen am 2. August ab. Am Tag darauf überqueren drei deutsche Armeen, insgesamt 320.000 Mann, die gegnerische Grenze – angeführt von Karl Friedrich von Steinmetz (1.

Armee), Prinz Friedrich Karl Nikolaus (2. Armee) und Kronprinz Friedrich Wilhelm (3. Armee). Sie rücken rasch vor und erringen mehrere Siege.

Sedan und die Folgen Bereits Mitte August 1870 bricht die 3. Armee in Richtung Paris auf. Auf Befehl Moltkes ändert sie jedoch ihre Route, zieht nordwärts und vereinigt sich in den Ardennen mit wei-

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teren deutschen Kontingenten. Im Morgengrauen des 1. Septembers 1870 beginnt dann bei Sedan eine vorentscheidende Schlacht. Die Gussstahl-Hinterladergeschütze aus der Krupp-Schmiede setzen das französische Heer unter permanentes Artilleriefeuer; deren General Patrice de MacMahon wird schwer verwundet. Nun trifft Napoleon III. in Sedan ein und übernimmt selbst das Oberkommando. Aber bald erkennt er, dass die Lage aussichtslos ist und lässt die weiße Fahne schwenken. Am Morgen des 2. Septembers kapituliert er offiziell. Der französische Kaiser und 83.000 seiner Soldaten geraten in Gefangenschaft.

Die Folgen für Frankreichs staatliche Ordnung sind schwerwiegend: Wie ein Lauffeuer verbreitet sich in Paris die Kunde von der schmachvollen Niederlage. Am 4. September stürmen Revolutionäre die Deputiertenkammer und erklären die Monarchie für abgeschafft. Die Kaiserin muss fliehen; sie wird später zusammen mit ihrem Gatten ins englische Exil gehen.

Marsch auf Paris Die Amtsgeschäfte übernimmt nun eine republikanische „Regierung der nationalen Verteidigung“. Deren Wortführer Léon Gambetta und Jules Favre rufen einen

„Volkskrieg“ gegen die Deutschen aus. Die politischen Turbulenzen in Frankreich spielen Bismarck in die Karten, denn sie geben ihm handfeste Argumente, den Krieg fortzusetzen. Der Kanzler spricht davon, dass man den „revolutionären Funken“ bekämpfen müsse, ehe dieser auf deutsche Gebiete übergreife. Zudem sehen die übrigen Herrscher Europas jetzt erst recht von einer Intervention ab: Einem Land, in dem Gegner der Monarchie die Macht übernommen haben, werden sie keine Unterstützung gewähren. Der deutsche Generalstab peilt nun als Hauptziel an, Paris zu erobern: Wenn die Hauptstadt

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Ein Bestseller als Vorlage 1953 versucht sich der junge Produzent Wolf C. Hartwig mit dem semidokumentarischen Spielfilm Bis fünf nach zwölf – Adolf Hitler und das 3. Reich am deutschen Filmmarkt zu etablieren. Hartwig hat Erfolg und baut in den folgenden Jahren ein wachsendes Spielfilmimperium auf. In den Sechzigern produziert er Filme in allen seinerzeit beliebten Genres: Western, Agenten- und AbenteuerLISTE

Die besten Ostfront-Filme

Französische Truppen Befehlshaber: Louis Jules Trochu Truppenstärke: 500.000 Mann (inklusive Freiwilligenverbände) Verluste: 24.000 gefallene Soldaten sowie zirka 40.000 tote Zivilisten

Die Belagerung von Paris

setzen, der das Regiment von ihrer Rückkehr informiert. Diese Meldung wird von Stransky abgefangen, der Triebig dazu auffordert, die Rückkehrer erschießen zu lassen. Tatsächlich kommen fast alle von Steiners Männern nur wenige Meter vor den eigenen Linien um. In seiner Wut erschießt der Feldwebel Triebig. Er sucht nach Stransky, um auch diesen zu töten, als ein weiterer sowjetischer Großangriff einsetzt. Daraufhin schnappt er sich seinen Hauptmann, führt ihn in den Kampf und in das Land, „wo die Eisernen Kreuze wachsen.“

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Hunde, wollt ihr ewig leben? (BRD,1959) Befreiung (UdSSR 1969–1972) Stalingrad (BRD 1993) Ein Menschenschicksal (UdSSR 1959) Iwans Kindheit (UdSSR 1962)

VATER DER VORLAGE: Steiner basiert auf dem Roman Das geduldige Fleisch (1955 erschienen) von Willi Heinrich (1920–2005), in dem er eigene Erlebnisse als Soldat an der Ostfront verarbeitet Abb.: picture-alliance/dpa

filme. In den Siebzigern lässt er mit der Reihe Schulmädchenreport die deutschen Kinokassen klingeln. 1975 fühlt Hartwig sich bereit, auf den internationalen Kinomarkt vorzustoßen. Dafür sichert er sich die Rechte an Willi Heinrichs Weltkriegsroman Das geduldige Fleisch. In dem Buch verarbeitet Heinrich seine eigenen Kriegserlebnisse an der Ostfront. Während der Schlacht um eine sowjetische Fabrik gerät der junge Unteroffizier Steiner auch in Konflikte mit seinen Vorgesetzten, die die Kämpfe vor allem als Gelegenheit sehen, für sich selbst das Eiserne Kreuz zu erwerben. Den eigenen Landsern und auch Steiner, der die Auszeichnung bereits für seine persönliche Tapferkeit erhalten hat, sind solche Überlegungen fremd. Ihnen geht es vorrangig um das eigene Überlegen. Die Figur des Rolf Steiner basiert im Wesentlichen auf dem Leben von Johann Schwerdfeger, der von 1942 bis 1944 als Feldwebel in einem deutschen Jägerbataillon diente. Die Entscheidung zur Verfilmung von Das geduldige Fleisch scheint nahe liegend, denn das Buch hat auch auf dem englischsprachigen Buchmarkt bereits hohe Verkaufszahlen erreicht und ist von den Kritikern wegen seiner nüchternen Darstellung der deutschen Soldaten gelobt worden. Bei der Besetzung des Regisseurs gelingt Hartwig ein weiterer Coup, denn er kann Sam Peckinpah für den Job engagieren.

Der richtige Regisseur

Abb.: picture alliance/PictureLux

HÖLLE DES KRIEGES: Auch in Stalingrad (1993) kämpfen deutsche Soldaten ums ÜberAbb.: picture-alliance/KPA leben

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Die Wahl Peckinpahs ist ungewöhnlich. „Bloody Sam“, wie er von seinen Kritikern genannt wird, hat Ende der 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre eine Reihe von Western und Actionfilmen gedreht, die aufgrund ihrer exzessiven Gewaltdarstellung vom Publikum gut aufgenommen, von den Kritikern jedoch harsch gescholten werden. Dabei geht es Peckinpah nie darum, Gewalt zu verherrlichen, sondern diese realistisch darzustellen. Als er bei einem Jagdausflug mit seinem Vater seinen ersten Hirsch erlegt, spielt sich der Tod des Tieres vor den inneren Augen des jungen Peckinpah in Zeitlupe ab

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Spurensuche | Luxemburg 2017

Schlachten der Weltgeschichte

Die Schlacht bei Marengo

Napoleons

Schicksalsstunde Sommer 1800 Bei dem oberitalienischen Dorf Marengo erleidet Napoleon fast eine Niederlage gegen die Österreicher. Nur die Initiative einiger seiner Offiziere wendet das Blatt in letzter Minute – und ebnet den Weg für Napoleons Griff zu Kaiserkrone Von Jens Florian Ebert

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mringt von seinen Adjutanten, sitzt Napoleon am Rande der Straße nach San Giuliano und sieht schweigend zu, wie seine geschlagenen Truppen an ihm vorbeiziehen. Er denkt daran, dass eine Niederlage gegen die Österreicher seine Macht in Paris gefährden könnte. Erregt schlägt er mit seiner Reitgerte in den aufgewirbelten Staub – wird General Louis Desaix mit seiner Division noch rechtzeitig auf dem Schlachtfeld eintreffen?

der Ausgleich mit den Koalitionsmächten die Voraussetzung für die Konsolidierung seiner Macht. Als seine im Dezember 1799 an England und Österreich ergangenen Friedensangebote zurückgewiesen werden, gilt es für Napoleon, durch einen schnellen Sieg über Österreich, Frankreichs Hauptgegner auf dem Festland, den Zweiten Koalitionskrieg er-

Bedrängter Bonaparte Nachdem Napoleon durch seinen Staatsstreich vom 9. November 1799 das Direktorium gestürzt hat, nutzt er seine starke Position als Erster Konsul, um Frankreich eine neue Verfassung zu geben und politisch zu stabilisieren. Doch da Frankreich bei seinem Amtsantritt unter einer schweren Wirtschaftskrise leidet und das kriegsmüde Volk sich nach Frieden sehnt, ist

Die Gegner

folgreich zu beenden und dadurch seine Position zu festigen. Die Rheinarmee unter General JeanVictor Moreau und die Italienarmee in Ligurien unter General André Masséna müssen Frankreichs völlig überdehnte Frontlinie von Mainz bis Genua gegen Österreichs Streitkräfte allein verteidigen. Deshalb lässt Napoleon ab März 1800 im Raum Dijon eine Reservearmee aufstellen, die sich zum Einmarsch in die Schweiz bereithalten soll, um von dort entweder nach Süddeutschland oder Italien vorzustoßen. Die Lage auf dem italienischen Kriegsschauplatz ist besonders kritisch; die unter Masséna stehende Italienarmee zählt nur 35.000 Mann, während rund 85.000 österreichische Soldaten unter dem General Michael von Melas unaufhaltsam durch Norditalien marschieren. Gestützt auf die Seeherrschaft der Engländer im Mittelmeer, bereiten sie ihren Einmarsch in die Provence vor.

Quer durch die

Ardennen Luxemburg 2017

Die Spuren der Ardennenschlacht sind in Luxemburg allgegenwärtig. Wer sehen will, wo die Wehrmacht 1944/45 kämpfte, kann eine geführte Themenreise buchen. Unser Autor hat sich einer solchen Gruppe angeschlossen Von Milan Kroll

ORIGINAL: Am Militärmuseum in Diekirch steht dieser Sherman – hinter einer Panzersperre („Drachenzähne“) vom Westwall

MEISTER DER MANIPULATION: Den glimpflichen Ausgang der Schlacht verdreht Napoleon später zu „seinem“ großen Triumph

FRANZÖSISCHE ARMEE UNTER NAPOLEON Zirka 24.300 Mann Infanterie, 3.700 Reiter, 24 Geschütze ÖSTERREICHISCHE ARMEE UNTER MELAS Zirka 23.300 Mann Infanterie, 7.700 Reiter, 100 Geschütze

MOHNBLUME, verteilt am Memorial Day

Abb.: picture alliance/akg

LEBENSECHT: Ein deutscher Mörsertrupp in Aktion. Solche Dioramen finden sich in fast jeder Ausstellung zur Ardennenschlacht

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ESSENZIELLER ERFOLG: Ohne den Sieg bei Marengo wäre Napoleons Aufstieg wohl anders verlaufen Abb.: picture alliance/Heritage Images

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MEMORIAL DAY: Eine Gedenkfeier auf dem amerikanischen Soldatenfriedhof bildete den Auftakt der Rundreise durch Luxemburg

passende Auftakt für eine geführte Tour zu Stätten der Ardennenschlacht, die um die Jahreswende 1944/45 in dieser Region tobte.

Touristenmagnet Luxemburg Das kleine Luxemburg hat seinen Gästen viel zu bieten: abwechslungsreiche Landschaften, eine bodenständige und dennoch raffinierte Küche, schmucke Städtchen voller Historie. Aber neben diesen touristischen Dauerbrennern sind es zunehmend die Spuren des Zweiten Weltkriegs, die Besucher ins Land locken. Aus Übersee kommen ganze Familien angereist, die sehen wollen, wo „Daddy“ oder „Grandpa“ vor über 70 Jahren gekämpft hat. Sie werden nicht enttäuscht:

In beinahe jedem Dorf in Nordluxemburg und Südbelgien findet man Denkmäler, die an die „Battle of the Bulge“ (also die Ardennenschlacht) erinnern, es gibt hervorragende Museen zum Thema und zahlreiche Schlachtfelder zu entdecken. Wer davon möglichst viel in kurzer Zeit sehen möchte, bucht eine „Erinnerungstour“ und wird dann im Kleinbus von Ort zu Ort gefahren. In unserer Gruppe sind keine Amerikaner, dafür Franzosen, Engländer und Deutsche. Auf dem „Luxembourg American Cemetery and Memorial“ wohnen wir jetzt bei brütender Hitze der Gedenkveranstaltung bei. Der Blick fällt auf das weitläufige Gräberfeld, zwischen den Kreuzen (und einigen

Davidsternen) hat eine Ehrenformation der U.S. Air Force von der nahen Spangdahlem Air Base (Rheinland-Pfalz) Aufstellung genommen. Lieutenant General Richard M. Clark, Commander der 3rd Air Force in Ramstein, hält die Hauptrede. Er erinnert an den Mut und die Opferbereitschaft der jungen GIs, die 1944 Luxemburg befreiten und dann gegen Jahresende unvermittelt die deutsche Gegenoffensive parieren mussten.

Tiefe Verbundenheit Einheimische und Amerikaner mögen in solchen Momenten die tiefe Verbundenheit nachempfinden, die in der Kriegs- und Nachkriegszeit das beiderseitige Verhältnis ihrer Nationen prägte. Und es bleibt nicht aus, dass ich mich als Deutscher, obwohl

Fotos: Milan Kroll

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or dem Eingang zum Friedhof verteilen Veteranen der US-Armee kleine Mohnblumen aus Stoff. „Trage sie mit Stolz“ steht darauf geschrieben. Wir, eine kleine Reisegruppe aus sieben Leuten, nesteln uns die Blumen an Hemd oder Bluse und werden somit auch optisch Teil der Trauerund Gedenkgemeinde, die sich an diesem 27. Mai 2017 auf dem amerikanischen Soldatenfriedhof bei Hamm, Luxemburg, einfindet. Hier liegen mehr als 5.000 Gefallene des Zweiten Weltkriegs begraben. Über ihnen wehen heute die Nationalflaggen Luxemburgs und der Vereinigten Staaten auf Halbmast – zumindest bis zum Ende der Feierstunde. Es ist „Memorial Day“, die amerikanischen Streitkräfte gedenken ihrer Toten. Wenn man so will der

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mittendrin, hier nicht wirklich zugehörig fühle. Meine Großväter standen eben damals auf der anderen Seite.

Gräber und Sehenswürdigkeiten Für die in Luxemburg gefallenen Wehrmachtsoldaten gibt es selbstredend keine Feier, aber immerhin einen Friedhof, die „Kriegsgräberstätte Sandweiler“. 10.900 Tote sind hier begraben, jeweils vier teilen sich ein steinernes Kreuz. Nicht alle tragen Namen, oft steht nur „Ein deutscher Soldat“ oder „Zwei deutsche Soldaten“ darauf. Von diesen Unbekannten sind zudem Hunderte in einem Massengrab beerdigt, das am Ende des Hauptweges liegt. Dort zu stehen „erschüttert“ unsere heutige Fremdenführerin „jedesmal wieder“, wie sie uns verrät.

Anschließend geht es ein paar Kilometer zurück in die Hauptstadt. Auf dem Besichtigungsprogramm stehen hier auch „normale“ Sehenswürdigkeiten, darunter die „Kathedrale unserer lieben Frau“, das Regierungsviertel sowie das 1923 errichtete Mahnmal „Monument du Souvenir“, von den Einheimischen nur „Gëlle Fra“ (Goldene Frau) genannt. Die Statue erinnert an die Luxemburger, die während des Ersten Weltkriegs freiwillig in der belgischen oder französischen Armee gekämpft haben. Weil sie zu einem Symbol für die Freiheit und Unabhängigkeit des Großherzogtums geworden war, wurde sie 1940 nach dem Einmarsch der Wehrmacht auf Anordnung des Gauleiters Gustav Simon von ihrem Obelisken gerissen. Luxemburg sollte „germanisiert“ werden,

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Militär und Technik | Me 163

Akten, Dienste & Spione

BIOGRAPHIE

Mata Hari (1876–1917)

UNKLARES URTEIL: Ist Mata Hari eine skrupellose Super-Spionin oder ein nichtsahnender Naivling? Ihr Versuch, den deutschen und französischen Geheimdienst gegeneinander auszuspielen, hat jedenfalls fatale Konsequenzen. Das digital kolorierte Foto zeigt die Niederländerin als exotische und verführerische Nackttänzerin Abb.: picture alliance/akg-images

Mata Hari

BRUTALE UMSTÄNDE: Der Erste Weltkrieg schafft die Grundlage für Mata Haris ungewöhnliche Agenten-Karriere. Zur Zeit des Ausbruches befindet sie sich in Berlin, wo sie im Metropol-Theater auftritt

1876 Geboren in Leuwarden als Margaretha Geertruida Zelle

1895 Heirat mit dem niederländischen Kolonialoffizier Rudolph MacLeod

Abb.: picture alliance/Heritage Images

1897 Übersiedlung nach Java, Niederländisch-Indien (Indonesien)

1902

15. Oktober 1917: Die der Spionage für das Deutsche Reich für schuldig befundene Mata Hari wird durch ein französisches Erschießungskommando hingerichtet. Bereits unmittelbar danach setzt die Legendenbildung um ihre Person ein – ein Mythos entsteht Von Lukas Grawe

Rückkehr in die Niederlande, Scheidung

1904/05 Mata Hari feiert ihren Durchbruch als Tänzerin in Paris, ist auf dem Höhepunkt ihres tänzerischen Ruhms

TESTPILOT: Heini Dittmar ist mit der Me 163 zeitweise der schnellste Mann der Welt (hier in einer DFS 39)

1906–1914 Abstieg, Abgleiten in die Prostitution

Herbst 1915 Beginn der Spionagetätigkeit für das Deutsche Reich, Deckname „H 21“

KLEIN, STARK, SCHNELL: Das „Kraftei“ Me 163 begeistert seine Piloten mit hervorragenden Flugeigenschaften und extremen Leistungswerten

August 1916 Doppelagentin, nun auch im Dienste des „Deuxième Bureau“

Dezember 1916 Kurzzeitige Haft in Großbritannien, Ausreise nach Frankreich

Februar 1917

Lippisch-Messerschmitt Me 163 „Komet“

Verhaftung in Paris

Nimmt man Bücher über die Geschichte der Spionage in die Hand, stößt man in den allermeisten Fällen auf ihren Namen: Mata Hari. Ihre Vita ist auch 100 Jahre nach ihrer Hinrichtung fesselnder als mancher Kriminalroman, ihr äußerst wechselhaftes, ausschweifendes und abenteuerliches Leben ist längst zum Mythos geworden. Das Bild der spionierenden Kurtisane, des Männer verführenden Vamps, aber auch der blauäugigen Träumerin Mata Hari ist den meisten Geheimdienst-Interessierten ein fester Begriff. Bereits kurz nach ihrem Tod findet Mata Hari Eingang in die Propaganda der kriegführenden Parteien und wird auf diese Weise unsterblich.

Zwischen Indonesien und Paris Die Neigung der Menschen, die vorherrschenden Umstände und Begebenheiten mit „konspirativen Kriegsdeutungen und -erzählungen“ (Gundula Bavendamm) zu erklären, trägt ebenfalls dazu bei, dass sich die Legende entfaltet. Wer aber ist diese widersprüchliche Frau? Ist sie die größte Spionin des 20. Jahrhunderts, gar der Geschichte? Oder handelte es sich um eine naive Tänzerin, die nicht weiß, wie heiß das Feuer ist, mit dem sie spielt?

60

Juli 1917

Kometenhaftes „Kraftei“

Eröffnung des Prozesses gegen Mata Hari

Oktober 1917 Margaretha Geertruida Zelle, wie Mata Hari mit bürgerlichem Namen heißt, erblickt 1876 in der niederländischen Provinz Friesland das Licht der Welt. Bereits mit 19 Jahren heiratet sie den niederländischen Kolonialoffizier Rudolph MacLeod und wandert mit ihm nach Niederländisch-Indien, dem heutigen Indonesien, aus. Die übereilt geschlossene Ehe verläuft glücklos, die junge Frau kehrt schon 1902 in die Niederlande zurück. Ihre Zeit in Indonesien hat Margaretha dennoch tief geprägt: Sie entdeckt den Zauber fernöstlicher Kulturen, den sie mit nach Europa bringt und der sie auf den Varietébühnen der europäischen Hauptstädte weltberühmt machen wird. Die junge Niederländerin legt sich den Künstlernamen Mata Hari zu, was „Auge der Morgenröte“ bedeutet, und versucht sich fortan als fernöstliche exotische Tänzerin. Ab 1904 erntet Mata Hari mit ihren erotischen, in Anlehnung an orientalische Tempeltänzerinnen gehaltenen Shows in Paris erste Lorbeeren. Es folgen zahlreiche Auftritte in den berühmtesten Salons der französi-

schen und der spanischen Hauptstadt. Schnell entdeckt Mata Hari auch ihre Anziehungskraft auf das männliche Geschlecht und entwickelt Bekanntschaften zu reichen, einflussreichen Persönlichkeiten. In Spanien unterhält sie eine Liaison zum französischen Botschafter Jules Cambon, in Paris bandelt sie mit dem General und späteren Kriegsminister Adolphe Messimy an. Mata Hari ist auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs und für kurze Zeit eine der bestbezahlten Tänzerinnen der Welt. Sie tritt in Monte Carlo, Mailand und Wien auf, ihr Bild ziert Postkarten und Zigarettenschachteln.

Hinrichtung am 15. Oktober in Vincennes, Frankreich

A

Beruflicher Abstieg Doch ihr tänzerischer Erfolg ist nicht von Dauer. Jüngere, schönere und vor allem besser Tänzerinnen verdrängen Mata Hari von den gefragtesten Bühnen. Trotz des beruflichen Misserfolgs hält die Niederländerin an ihrem verschwenderischen Lebensstil fest. Ihr chronischer Geldmangel lässt Mata Hari in die Prostitution abgleiten, ständig auf der Suche nach reichen Gönnern und Liebha-

GLÜCKLOS: Die Ehe mit dem 20 Jahre älteren Kolonialoffizier Rudolph MacLeod ist nicht gerade eine Liebesheirat. Margaretha lernt den an Diabetes, Rheuma und vermutlich Syphilis leidenden Mann durch eine Kontaktanzeige in einer Zeitung kennen

Clausewitz 5/2017

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Abb.: picture alliance/Photoshot

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Spurensuche

Quer durch die Ardennen – Luxemburg 2017 ........54 Auf den Spuren der Ardennenschlacht von 1944/45. Akten, Dienste & Spione

Die größte Spionin des 20. Jahrhunderts? .....................60 Mata Hari. Menschen & Geschichten

„Immer vorn’ dabei!“..........................................................................................................66 Heikle Aufklärungseinsätze als Kradschütze. Clausewitz 5/2017

ls die Me 163 im August 1941 zum Erstflug abhebt, wird ein neues Kapitel der Luftfahrtgeschichte aufgeschlagen. Doch die Serienreife des späteren Rekord-Raketenjägers ist damit noch lange nicht erreicht: Unzählige Erprobungen und Testflüge folgen, um die hochsensible Technik in den Griff zu bekommen und das Fluggerät mit Raketenantrieb für die Luftwaffe einsatzbereit zu machen. Wenngleich ihre Bezeichnung auf die Messerschmitt-Werke verweist, hat die Me 163 in Wirklichkeit nicht allzu viel mit dem weltbekannten Flugzeugkonstrukteur zu tun: Tatsächlich verantwortlich für die Entstehung der Me 163 zeichnet Alexander Lippisch, der bereits in den 1920er-Jahren mit

Die Me 163 gilt als schnellstes Flugzeug des Zweiten Weltkriegs. Im Einsatz zeigt sich das „Kraftei“ als extrem gefährlich – und dies nicht nur für den Gegner, sondern vor allem auch für den Piloten selbst Von Herbert Ringlstetter

schwanzlosen Segelflugzeugen samt gepfeilten Flügeln für große Aufmerksamkeit sorgte. Auf der Wasserkuppe in der Rhön zählt Lippisch, der führende Kopf des Konstruktionsbüros der Rhön-Rossitten-Gesellschaft (RRG), zu den bekanntesten Persönlichkeiten jener Zeit. Was ohne Motor funktioniert, sollte auch mit Antrieb machbar sein. So entsteht eine Anzahl von schwach motorisierten aber leistungsstarken, schwanzlosen Fluggeräten – sogenannte Nurflügler.

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Zu Beginn des „Dritten Reiches“ erfährt die Fliegerei enormen Auftrieb, so auch die Segelfliegerei. Die RRG geht in die Deutsche Forschungsanstalt für Segelflug (DFS) über, die, basierend auf Lippischs Entwürfen, die Versuchsflugzeuge DFS 39 und DFS 194 erntwickelt. Um ein Raketentriebwerk zu erproben, will man die DFS 194 entsprechend modifizieren. Anfang 1939 gliedert man Lippischs Entwicklungsgruppe in die Messerschmitt-

Fotos, sofern nicht anders angegeben: Sammlung Herbert Ringlstetter

Die größte Spionin des 20. Jahrhunderts?

Werke bei Augsburg ein. Dort findet die als Abteilung L bezeichnete Mannschaft wesentlich bessere Bedingungen vor und arbeitet unter strengster Geheimhaltung weiter an der DFS 194. Da bei Messerschmitt beheimatet, läuft das Projekt nun offiziell unter Me 194. Wie das Vorgängermuster DFS 39, funktioniert die Steuerung der DFS/Me 194 über ein kombiniertes Höhen- und Querruder im hinteren Außenbereich der Tragfläche sowie über ein herkömmliches Seitenruder an der Seitenflosse. Für den Startvorgang dient ein zweirädriges und abwerfbares Rollwerk, für die Landung eine ausfahrbare Kufe.

von da an konstruierten Flugzeuge in Me. Da es nicht zur Serienfertigung der Bf 163 gekommen war, kann man die Bezeichnung 163 verwenden und so einen zusätzlichen Deckmantel über die Entwicklung des künftigen Jägers legen.

„Großer Wurf“ ME-163-SCHÖPFER: Aerodynamiker und Nurflügler-Experte Alexander Lippisch, hier mit dem Modell der DM-1 von 1944/45

Gut verschleiert Im August 1940 startet Heini Dittmar, der Chefeinflieger (Cheftestpilot) des DFS, zum ersten Flug mit der von einem Walter-Raketenaggregat angetriebenen DFS 194. Die komplette Überarbeitung der DFS 194 führt zur Me 163 V4. Die Typnummer 163 trug ursprünglich die Bf 163, eine Konkurrenzentwicklung zu Fieselers Fi 156 „Storch“. Doch mit der Umwandlung der Bayerische Flugzeugwerke AG in die Messerschmitt AG Mitte 1938 änderte sich das Kürzel für die

AERODYNAMISCHE MEISTERLEISTUNG: Die Me 163 V4, mit der Heini Dittmar am 2. Oktober 1941 mit 1.003,67 km/h einen neuen inoffiziellen GeschwindigkeitsWeltrekord aufstellt

Während bei der Firma Walter die Entwicklung des neuen Raketentriebwerks HWK RII-203 läuft, beginnt die Lippisch-Mannschaft im Herbst 1940 damit, die antriebslose Me 163 V4 zu erproben. Dafür schleppt eine zweimotorige Messerschmitt Bf 110 den Nurflügler auf eine ausreichende Höhe, um die Maschine im Gleitflug auf ihre fliegerischen Fähigkeiten hin untersuchen zu können. Rasch zeigt sich: Lippisch war mit dem aerodynamisch sauber geformten, kompakten Flugzeug ein „großer Wurf“ gelungen. Der außergewöhnliche „Vogel“ fliegt sich hervorragend. Ein paar Unstimmigkeiten gibt es dennoch. Dazu zählt die auffällig lange Landestrecke, die man durch die Installation von Landeklappen ausreichend reduziert. Auch die Flatterproblematik an den Ruderflächen lässt sich innerhalb von 15 Flügen bis zum Frühjahr 1941 beheben. Den

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S.76 77

Speerspitze der Streitkräfte ..............................................................................70 Israels Special Forces – Auftrag, Taktik, Einsatz. Militär und Technik

Kometenhaftes „Kraftei“ ...........................................................................................76 Lippisch-Messerschmitt Me 163 „Komet“ Vorschau/Impressum............................................................................................................................82 Titelbild: Deutscher Panzer beim Vorstoß an der Ostfront im Sommer 1942

Titelfotos: ullstein bild - Süddeutsche Zeitung Photo/Scherl; Sammlung Herbert Ringlstetter; IDF; picture alliance/Mary Evans Picture Library; picture alliance/akg-images (2)

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Magazin Die Informationstafeln sind großzügig angelegt

Fotos: Museen der Stadt Nürnberg, Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände; Foto: Stefan Meyer, Architekturfotografie Nürnberg-Berlin

Die Sonderausstellung des Dokumentationszentrums präsentiert sich sehr modern

Ausstellungstipp

Albert Speer Sonderausstellung zu Hitlers Chef-Architekt und Rüstungsminister

Abb.: picture-alliance/United Archives; picture-alliance/Glasshouse Images; picture-alliance/Mary Evans Picture Library; dpa - Bildarchiv; picture-alliance/Glasshouse Images

lin-Spandau entlassen hatten, trug Albert Speer, einst als Architekt und Rüstungsminister ein enger Vertrauter Hitlers, seine Legende in die Öffentlichkeit: Er – und damit auch die meisten Deutschen – hätten von den NS-Verbrechen nichts gewusst und seien, von der „Aura“ Hitlers verführt, in den Krieg unverschuldet hineingeraten. Entgegen seiner eigenen Darstellung war Speer aber keineswegs nur Architekt und unpolitischer Techniker. Er war vielmehr einer der Haupttäter des NS-Regimes. Die Sonderausstellung lässt die Speer-Legende sowie

Liste Während des Zweiten Weltkriegs dienen zahlreiche spätere amerikanische Filmstars in der U.S. Air Force beziehungsweise den Army Air Forces ●

Charles Bronson (1921–2003) Bronson (eigentlich: Buchinsky) ist Bordschütze auf einer B-29 Superfortress über Japan. Er wird mit dem Purple Heart ausgezeichnet. Bekannte Kriegsfilme: Gesprengte Ketten (1963), Das dreckige Dutzend (1967)

Clark Gable (1901–1960) Gable fliegt Kampfeinsätze über Deutschland. Hitler soll sogar ein Lösegeld auf ihn ausgesetzt haben (wenn er lebend gefangen genommen wird). Bekannte Kriegsfilme: Combat America (1943, Dokumentarfilm), U 23 – Tödliche Tiefen (1958) ● Charlton Heston (1923–2008) Heston fungiert als Funker an Bord eines

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B-25-Bombers über den Aleuten. Bekannte Kriegsfilme: 55 Tage in Peking (1963), Schlacht um Midway (1976) ● Rock Hudson (1925–1985) Hudson ist während des Krieges Flugzeugmechaniker auf den Philippinen. Bekannte Kriegsfilme: Der Kommodore (1963), Die Kanonen von Tobruk (1967) ● James Steward (1908–1997) Steward dient als Pilot einer B-24 und fliegt mehr als 20 Einsätze über Deutschland. Bei Kriegsende bekleidet er den Rang eines Brigadegenerals. Bekannte Kriegsfilme: Winning your Wings (1942, Dokumentarfilm), In geheimer Kommandosache (1955)

den Umgang der Deutschen mit ihrer Vergangenheit während des Nationalsozialismus sichtbar werden. Damit einher geht die spannende Frage, warum diese Legende in der Bundesrepublik noch lange große Resonanz fand – selbst dann noch, als Historiker viele Erzählungen längst mit Fakten aus den Archiven widerlegt hatten. Kontakt: Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände Bayernstraße 110, 90478 Nürnberg www.museen.nuernberg.de/dokuzentrum

BUNDESWEHR

Neue „Wiege der Luftwaffe“ Offizierschule der Luftwaffe erhält neuen Standort

D

ie alte Offizierschule der Luft- Die neue Offizierschule der waffe in Fürsten- Luftwaffe entsteht in der Otfeldbruck soll bis et- to-Lilienthal-Kaserne in Roth wa 2020/2021 aufgegeben werden. Eine Sanierung der Gebäude war „als zu teuer“ verworfen worden. Stattdessen baut die Bundeswehr nun in der Otto-Lilienthal-Kaserne in Roth bei Nürnberg eine neue Schule. Am 29. Juni 2017 wurde in Roth der offizielle Spatenstich für den Neubau der Offizierschule gesetzt. Mit etwa 270 militärischen und zivilen Mitarbeitern soll Ende 2021 der Ausbildungsbetrieb beginnen.

Foto: picture-alliance/(dpa)

D

as Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg zeigt noch bis zum 26. November 2017 die Sonderausstellung „Albert Speer in der Bundesrepublik. Vom Umgang mit deutscher Vergangenheit“. Sie basiert auf über Jahrzehnte hinweg gesammelten Forschungsergebnissen zu Albert Speer und widerlegt dessen Legende eines von Hitler verführten, unpolitischen Technokraten, der vom Holocaust nichts gewusst habe. Nachdem ihn die Siegermächte im Oktober 1966 aus dem Gefängnis in Ber-


Kurioses

Bizarre Bomben Explosive Fledermäuse im Krieg gegen Japan

Das historische Zitat

„Das größte Unglück ist eine verlorene Schlacht, das zweitgrößte eine gewonnene.“ Arthur Wellesley (1769–1852), britischer Feldmarschall

ARCHÄOLOGIE

Sensationelle Skelettfunde Überreste von Gefallenen der Schlacht bei Aspern geborgen

Z

ahlreiche Relikte der Schlacht bei Aspern zwischen napoleonischen und österreichischen Truppen im Jahr 1809 hat man im Zuge von Bauarbeiten und anschließenden Grabungen geborgen. Das einstige Schlachtfeld nahe Wien ist heute ein bedeutendes Stadtentwicklungsgebiet. Archäologen haben dort bereits unzählige Reste des Kampfgeschehens freigelegt. Sie fanden vor allem Menschenknochen, aber auch Skelette von Pferden und Maultieren. Außerdem entdeckte man Uniformteile und Munitionsreste, bisher aber keine Waffen. Dies ist ein Indiz dafür, dass das Schlachtfeld nach dem blutigen Aufeinandertreffen nach brauchbaren Gegenständen abgesucht wurde. Das grausame Gemetzel am 21./22. Mai 1809 endete mit einem Sieg der Österreicher. Bisherige Ergebnisse werden in einer Publikation präsentiert: Napoleon in Aspern. Archäologische Spuren der Schlacht 1809, erschienen im Phoibos Verlag, Wien 2017.

Wie aus einem B-Movie – Mit Brandsätzen und Zeitzündern ausgerüstete Fledermäuse sollen Japans Industrie sabotieren

ganzes Heer von Fledermäusen mit Bomben (mit Zeitzünder) und setzen diese während der Dunkelheit über japanischen Industrieanlagen aus. Die Tiere suchen sich dann von allein beim Morgengrauen ein Plätzchen zum Schlafen, irgendwo in diesen Fabriken. Die Zeitzünder lösen die Brandbomben aus und richten katastrophale Schäden an. So jedenfalls der Plan des Zahnchirurgen und Erfinders der „Bat Bombs“ Lytle S. Adams, von dem diese Idee stammt. US-Präsident Roosevelt gibt das Projekt 1942 tatsächlich frei und beauftragt Adams mit weiteren Forschungen und dem Einsammeln von Fledermäusen. Die USA setzen diesen Plan aber niemals um.

Abb.: picture-alliance/Bildagentur-online; picture-alliance/natureinstock

ährend des Zweiten Weltkriegs entwickelt das US-Militär winzige Brandbomben, die von Fledermäusen getragen werden sollen. Vorgesehenes Einsatzgebiet sind die japanischen Hauptinseln. Verschiedene Gründe machen gerade diese Tiere so attraktiv für den angedachten Einsatz. Erstens gibt es Fledermäuse in großen Mengen – in Texas gab es beispielsweise eine Höhle, in der allein mehrere Millionen Exemplare lebten. Zweitens können Fledermäuse mehr als ihr eigenes Körpergewicht tragen. Drittens: Sie halten einen Winterschlaf und brauchen währenddessen weder Futter noch sonst irgendeine „Wartung“. Und, viertens, sie fliegen während der Nacht und suchen sich dann – meist unbemerkt – einen Schlafplatz. Der kuriose Gedankengang ist nun folgender: Die Amerikaner bewaffnen ein

Englische Langbogenschützen während des Hundertjährigen Krieges. Die gefürchtete Waffe muss am Ende der Arkebuse weichen

Abb.: akg-images/Osprey Publishing/Poitiers 1356/Graham Turner

Abb.: picture-alliance/akg-images/Erich Lessing

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MILITÄRHISTORISCHE FAKTEN

Langbogen versus Arkebuse

Foto: picture-alliance/akg-images

Mittelalterliche Fernwaffen im Vergleich

E Heftige Gefechte prägten die Schlacht von Aspern, von der unlängst immer neue Überreste freigelegt wurden

Clausewitz 5/2017

in Langbogen misst bis zu 1,80 Meter und benötigt enorme Kraft, um völlig gespannt zu werden. Die Reichweite liegt bei 366 Metern. Zum Vergleich: Eine Armbrust schafft 320 Meter, eine Arkebuse nur 150 Meter. Theoretisch ist eine Schussfrequenz von acht Pfeilen pro Minute möglich, doch die körperliche Anstrengung verringert sich aber die Feuerrate, je länger sie aufrechterhalten wird. Arm-

brust und Arkebuse kommen auf etwa zwei Schuss pro Minute. Warum setzt sich also die Arkebuse durch? Sie ist billiger herzustellen, ein Arkebusier kann mehr Munition mit sich führen (und somit länger im Gefecht bleiben), die Kugel ist wirksamer gegen Rüstungen und – am wichtigsten – die Ausbildung dauert nur ein paar Wochen. Das Beherrschen eines Langbogens hingegen benötigt Jahre.

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Magazin Die Zahl des Monats

Foto: Royal Air Force Museum Laarbruch-Weeze

Blick aus der Vogelperspektive auf das Museum und Teile der Großexponate

AUS DEN MUSEEN

Zehn Jahre RAF-Museum udelsackklänge und britisches Ambiente umrahmten die vom Förderverein auf dem Flughafen Weeze am 10. Juni 2017 durchgeführte Veranstaltung zum zehnjährigen Jubiläum des RAF-Museums. Mit dem Abzug der britischen Soldaten im Jahr 1999 entstand der Gedanke, hier an diesem Standort an die langjährige Geschichte der britischen Fliegerkräfte zu erinnern. Mit Unterstützung der Gemeinde Weeze und des Flughafens Weeze (NRN) konnten die Verantwortlichen 2007 einen ersten Teil der musealen Ausstellung in der ehemaligen anglikanischen Kirche eröffnen. Mitte 2017 folgten weitere Elemente, wobei man auch das ehemalige „Astra“-Kino

mit einbezogen hat. Dazu gehört vor allem auch die Präsentation eines Aufklärungsflugzeuges vom Typ „Canberra“, das lange Jahre dort stationiert war. Die Erweiterung erstreckt sich darüber hinaus auf eine in drei Seecontainern untergebrachte Ausstellung der auf Laarbruch stationierten 31 Squadron. Die ständigen Ausstellung verfolgt auch das Ziel, an die frühe Geschichte des bis 1945 existierenden deutschen Segelflugplatzes und des im April/Mai 1945 auf dem Gelände des heutigen Flughafens bestehenden britischen Feldflugplatzes B.100 zu erinnern. Weitere Informationen finden Sie im Netz unter der Adresse www.kle.nw.schule.de/ laarbruch-museum

www.sergey-larenkov.livejournal.com

Die Fotocollage des russischen Fotografen Sergey Larenkov stellt eindrucksvoll visualisiert einen Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Gegenwart her; www.sergey-larenkov.livejournal.com

Damals: Deutsche Truppen ziehen 1941 in die weißrussische Stadt Brest ein. Zu sehen ist das Cholmer Tor der Festung. 1944 kann die Rote Armee den Ort zurückerobern. Der Krieg hinterlässt schwere Schäden im Stadtbild. Heute: Die moderne, an der Grenze zu Polen gelegene Großstadt hat über 300.000 Einwohner. Sie gilt als „Tor zum Westen“, da sie der wichtigste Grenzübergang nach Polen und Deutschland ist. 8

Zentimeter beträgt der Durchmesser der nuklearwaffenfähigen US-Rakete „Honest John“, die seit den 1950er-Jahren auch in der Westdeutschland stationiert war und Gefechtsköpfe mit einer Sprengkraft von bis zu 40 Kilotonnen TNT tragen konnte. Die Bundeswehr stellte Raketenartilleriebataillone auf, die mit „Honest John“ ausgerüstet waren – bei bestehender US-Verfügungsgewalt über die atomaren Sprengköpfe.

NEUERSCHEINUNG

Der „Krieg der Kriege“ Neues Buch zum grausamen Konflikt von 1618–1648

I

m Jahr 2018 jährt sich der Beginn des „Krieges der Kriege“ zum 400. Mal. Der scheinbar nicht enden wollende Konflikt hat tiefe Spuren hinterlassen, die teilweise bis heute sicht- Johannes Burkund spürbar sind. Der His- hardt: Der Krieg der toriker Johannes Burkhardt Kriege. Eine neue versucht in seinem neuen Geschichte des Buch, die damaligen Ereig- Dreißigjährigen Krieges. Zirka 352 nisse auf dem Stand der ak- Seiten, Preis: 25 tuellen Erkenntnisse neu zu Euro, erscheint Anbewerten. fang September im Welche waren die wirk- Klett-Cotta Verlag lichen Hintergründe für diesen infernalischen Krieg? Wäre er vermeidbar gewesen? Welche Motive und Interessen hatten die einzelnen Parteien tatsächlich? Wie war es den Deutschen möglich, nach der totalen Verwüstung weiterzumachen? Das spannend geschriebene Buch kommt zu aufschlussreichen Antworten. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der damaligen Friedensdiplomatie. Eine höchst empfehlenswerte Neuerscheinung.

Abb.: Klett-Cotta Verlag

D

Foto: picture-alliance

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Das Royal-Air-Force-Museum in Laarbruch-Weeze feiert Jubiläum


Clau C use ewiittz Jagdpanth t er TTeechnik und Einsatz

Briefe an die Redaktion

Napoleon 1809

Niederlage vor Wien

Dieppe 1942

Was trieb die

Antiikeer Weelt ltkriieg

Zu „Das Debakel von Dieppe“ in Clausewitz 4/2017: Beim britisch-kanadischen Landungsunternehmen in Dieppe vom 19./20. August 1942 wurden vom dabei beteiligten Calgary-Regiment auch schwere Infanteriepanzer vom Typ „Churchill A-22 Mark II“ eingesetzt, die anstelle des Bug-MG über einen Flammenwerfer vom Typ „Oke“ verfügten. Dieses Flammgerät war eine britische Weiterentwicklung des kanadischen „Ronson“-Flammenwerfers, der 1941 von Major J.M. Oke für den Einbau in den schweren „Churchill“-Panzer konstruktiv weiterentwickelt worden war. Der „Oke“-Panzerflammenwerfer verschoss pneumatisch eine Flammöl-Mischung aus Gasoline (unverbleites, minderwertiges, niedrig siedendes Benzin) mit einem Aluminiumpulver-Zusatz. Die wirksame Strahlreichweite lag bei 50 yards = 45,72 Metern. Dipl.-Ing. Ulrich Bergemann, Eppertshausen Allgemein zu Clausewitz 4/2017: Wieder wie gewohnt (und erwartet) eine sehr gelungene Ausgabe. Obwohl selbst „moderner“ orientiert, lese ich mit großem Interesse die Beiträge über die Schlachten und Personen vergangener Jahrhunderte. Besonders berührt haben mich allerdings diesmal die Berichte über den Dieppe-Raid. Vor einigen Jahren habe ich in der Umgebung Urlaub gemacht und war mit dem Rennrad auch in Dieppe, um mir die Gegebenheiten anzuschauen. Wer einmal auf diesem abschüssigen Steinstrand gelaufen ist, kann wohl nachfühlen, wie es in voller Ausrüstung und unter Feuer wohl gewesen sein mag. Auch für die Panzer nahezu ein Ding der Unmöglichkeit, dort voranzukommen. Umso unfassbarer, dass hier die britische Aufklärung insgesamt nahezu total versagt hat. Sollte man in Zukunft aber nicht vermeiden, zwei Beiträge mit teilweise nahezu identischen Inhalten nebeneinander zu veröffentlichen? Besser wären wohl total unterschiedliche Gegenstände oder Betrachtungsweisen. Eine Anmerkung zum Foto auf Seite 44 (Attentat vom 20. Juli): Auf dieser Abbildung ist Skorzeny nicht

Clausewitz 5/2017

So bezwaang Rom das mächtigee Karthagoo

Alliierten zur Veerzweiflungstat?

ne gewisse Ähnlichkeit zu sehen, dafür SSKüstenraketen der NVA A mit den M-Booten, auch Gruppenführer Hergrößenmäßig, kann man mann Fegelein zwar erkennen, jedoch (4.v.li.). Der SS-Offizier im Hinterwaren die Boote mit unter anderem grund ist ein SS-Untersturmführer. zwei Torpedorohren kampfkräftiger Im Vordergrund links ein SS-Oberund mit maximal 30 Knoten Höchstgruppenführer. Dr. Bernd-Rüdiger Ahlbrecht, fahrt fast doppelt so schnell wie die per E-Mail deutschen M-35er. Vier dieser Boote fuhren nach der Besetzung Norwegens während des Krieges unter Als Leser (und Abonnent) der ersten deutschen Namen und Kommandos, Stunde möchte ich Ihnen und Ihrem Rückgabe an Norwegen 1945. Alles Team Lob und Anerkennung für die immer wieder gelungenen und kurz- nachzuschlagen bei Erich Groener: Die deutschen Kriegsschiffe 1815 – weiligen Ausgaben Ihres Magazins auf diesem Weg einmal ausdrücken. 1945, Band 2. Ich selbst bin während meiner Immer besser und interessanter, von Bordausbildung 1962–1963 auf eiAusgabe zu Ausgabe! Hut ab vor Ihnem M-35er im sogenannten „Inrer Leistung! sektengeschwader“ gefahren und Wo Licht ist, ist auch immer irerinnere mich, dass die Antriebsmagendwo ein Schatten: In Ihrem Artischinen auch als „Dampfmotoren“ kel „Unternehmen Walküre" meine bezeichnet wurden, weil die zwei ich, einen kleinen Fehler ausgeventilgesteuerten Vierzylinder-Mamacht zu haben. Bei dem Foto auf schinen gleich große Zylinder hatSeite 44 oben nennen Sie im Untertext: „..., ganz links hinten Otto Skor- ten, im Gegensatz zu den „konventionellen“ Dreizylinder-Expansionszeny ...“ Der war meines Wissens dampfmaschinen der späteren gar nicht in der „Wolfsschanze" kohlegefeuerten 1940er-Boote. beim Attentat. Erkennen kann ich Hartwin Tode, per E-Mail aber in der genannten Position den Adjutanten von „Reichsführer-SS“ Zu Clausewitz Spezial „1870/71“: Himmler, Hermann Fegelein, den späteren Schwager von Eva Braun. Gratulation für das Heft 1870/71! Hermann-Josef Mikus, per E-Mail Als jemand, der sich mit diesem Krieg seit vielen Jahren beschäftigt Anm. d. Red: Die Leser haben recht. und vor allem das Gebiet bei und um Es handelt sich nicht um Otto SkorGravelotte oft besucht hat, ist mir zeny, sondern um Hermann Fegeaufgefallen, wie viele deutsche lein. Wir bitten, diesen Fehler zu ent- Denkmäler dort noch erhalten sind. schuldigen und danken allen Lesern, Besonders bewegt mich als gedie uns darauf aufmerksam gemacht bürtiger Pommer immer wieder die haben. Gedenkhalle, wo an den Wänden Tafeln mit den Namen der Beteiligten Zu „Wegbereiter zur See“ Armee-Corps und deren Regimenin Clausewitz 2/2017: tern hängen. Neulich hatte ich die Ausgabe Ich habe mithilfe des Volksbundes 2/2017 in den Händen. Dabei stutzte dafür gesorgt, dass die beschädigten ich über ein Foto in dem aufschluss- sowie fehlenden des reichen Bericht von Eberhard Kliem II. Pommerschen wieder ausgebesüber die Hochseeminensucher der sert beziehungsweise ergänzt Kriegsmarine „Wegbereiter zur See“ wurden. Leider wurde die Halle vor auf S. 41 oben: Das Foto zeigt näm- ein paar Jahren von Rowdies innen lich ein ex-norwegisches Beute-Tor- beschmiert und auch zeitweilig pedoboot der „Sleipner“-Klasse und geschlossen. nicht etwa einen deutschen HochProf. Dr. Karl-Heinz Kuhlmann, seeminensucher der M-35-Serie. Ei- per E-Mail MILITÄR & TECHNIK

Fraanz Halder

Voom NS-General zum Regimegeegner

Schreiben Sie an: redaktion@clausewitz-magazin.de oder Clausewitz, Postfach 40 02 09, 80702 München Leserbriefe spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe aus Gründen der Darstellung eines möglichst umfassenden Meinungsspektrums sinnwahrend zu kürzen.

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Titelgeschichte | „Fall Blau“ 1942

Gewaltige Großoffensive der Wehrmacht

Sowjetunion am

Abgrund Sommer 1942:

Mit einem wuchtigen Schlag will Hitler der Roten Armee den Todesstoß versetzen. Doch der utopische Griff nach Stalins Ölquellen im Kaukasus misslingt und hat massive Auswirkungen auf den Kriegsverlauf Von Tammo Luther

Ausdruck von Größenwahn: Hitler will mit der Sommeroffensive „Fall Blau“ die Ölfelder von Maikop, Grosny und Baku unter deutsche Kontrolle bringen. Die Angriffstruppen, darunter die 1. Panzerarmee, müssen während ihres Vorstoßes zum Kaukasus riesige Steppenlandschaften überwinden. Die Rote Armee nutzt hingegen die Weite des Raumes und weicht zunächst zurück Foto: ullstein bild - Arthur Grimm

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5 KURZE FAKTEN

ZEIT: Juni bis November 1942 ORT: Donezbecken; zwischen Don und Wolga; Kaukasusraum; Kubangebiet (Sowjetunion) KONTINENT: Europa GEGNER: Deutsches Reich/Sowjetunion EREIGNIS: Großoffensive der Wehrmacht im Südabschnitt der Ostfront

Waffenbrüder S. 24 Zähe Gegner An „Fall Blau“ beteiligten sich auch Rumänen und Italiener.

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S. 28

Die deutschen Tanks konnten kaum mit den sowjetischen mithalten.

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Titelgeschichte | „Fall Blau“ 1942

WEITER VORSTOSS Anfangs erzielen die Verbände der Wehrmacht vielerorts militärische Erfolge und große Geländegewinne. Sie stoßen bis zur Wolga und zum Kaukasusgebirge vor und scheinen auf der Siegerstraße zu sein. Doch der Gegner gibt sich nicht geschlagen Foto: picture-alliance/akg-images

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Mit großer Wucht

FAKTEN

Deutsches Reich

(Verbündete)

Zielsetzung: Griff nach Stalins kriegswichtigen Industrieanlagen an der Wolga und den Erdölvorkommen im Kaukasusraum. Ausschaltung weiter Teile der wehrwirtschaftlichen „Lebensgrundlage“ der Roten Armee Befehlshaber: Generalfeldmarschall Wilhelm List (Heeresgruppe A*) Generaloberst Maximilian Freiherr von Weichs (Heeresgruppe B*) Großverbände/Heeresgruppen: Zu Beginn der Offensive Heeresgruppe Süd (unter Generalfeldmarschall Fedor von Bock); dann Heeresgruppe A und Heeresgruppe B (*die Heeresgruppe Süd wurde in der ersten Julihälfte 1942 auf Befehl Hitlers in die Heeresgruppen A und B aufgeteilt)

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Titelgeschichte | „Fall Blau“ 1942

ZUM KAMPF BEREIT ENTSCHLOSSENER WIDERSTAND: Sowjetische Panzer und Infanterie greifen an. Die Rote Armee muss zwar anfangs hohe Verluste verkraften, kann sich den von Hitler erhofften Kesselschlachten aber immer wieder entziehen. Ihre Gegenwehr nimmt schließlich immer stärker zu Foto: picture-alliance/akg-images

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Massiver Widerstand

FAKTEN

Sowjetunion Zielsetzung: Abwehr der deutschen Offensive, die man anfangs für ein Täuschungsmanöver im Vorfeld eines erneuten Großangriffs auf Moskau hält. Schutz der Industrieanlagen und Rüstungszentren im Wolgaraum und der Erdölgebiete im Kaukasus Befehlshaber (Auswahl): Marschall der Sowjetunion Semjon Konstantinowitsch Timoschenko (Stalingrader Front) Armeegeneral Iwan Wladimirowitsch Tjulenew (Transkaukasusfront) Großverbände/Fronten: Brjansker Front Woronescher Front Südwestfront Südfront Stalingrader Front Südostfront Nordkaukasusfront Transkaukasusfront

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Titelgeschichte | „Fall Blau“ 1942

AUF DEM VORMARSCH: Deutsche Truppen passieren ein Dorf im Vorfeld des Kaukasus. Noch geht es für die Foto: picture-alliance Wehrmacht vorwärts

HART UMKÄMPFT: Um die stark befestigte Stadt Rostow am Don ringen Deutsche und Sowjets im Sommer 1942 in erbitterten Foto: picture-alliance©dpa Gefechten

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er dumpfe Gefechtslärm der Schlacht bei Charkow Ende Mai 1942 ist kaum verhallt, schon lässt Hitler seine Armeen erneut zum Kampf gegen die Rote Armee antreten. Den vor allem seit dem Winter 1941/42 abgekämpften Soldaten der geschwächten Divisionen bleibt kaum Zeit zum Verschnaufen. Das Ziel der Großoffensive mit dem Decknamen „Blau“ liegt im Süden der Ostfront. Fast auf den Tag genau ein Jahr nach dem Beginn des Unternehmens „Barbarossa“ will der NS-Diktator Stalins Streitmacht mit einem zweiten „Blitzkrieg“ endgültig den Todesstoß versetzen. Während der Vorbereitungen für den nächsten Militärschlag gegen die Sowjetuni-

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on trifft der „Führer“ am 1. Juni 1942 im Hauptquartier der Heeresgruppe Süd (HGr. Süd) in Poltawa ein.

Gewaltige Großoffensive Dort erwartet ihn der Oberbefehlshaber der HGr., Generalfeldmarschall Fedor von Bock, mit seinem Stab. Weitere hochrangige Offiziere und Heerführer der für die Sommeroffensive vorgesehenen Verbände kommen hinzu. Unter ihnen sind Generaloberst Ewald von Kleist (1. Panzerarmee), Generaloberst Hermann Hoth (4. Panzerarmee) sowie General der Panzertruppe Friedrich Paulus, Oberbefehlshaber der 6. Armee. Verbände der 17. Armee (auch: Armeegruppe

Ruoff) unter Generaloberst Richard Ruoff und die Luftflotte 4 unter Generaloberst Wolfram Freiherr von Richthofen sollen die Offensivoperation ebenfalls unterstützen. Hitler will nach dem Scheitern des Sturms auf Moskau in den Wintermonaten 1941/42 „das Gesetz des Handelns wieder an sich reißen“ und „die den Sowjets noch verbliebene Wehrkraft endgültig (...) vernichten“, heißt es in der Weisung Nr. 41 vom 5. April 1942. Für dieses gewaltige Vorhaben will man „alle verfügbaren Kräfte der deutschen Wehrmacht


Hitlers Größenwahn KARTE

Deutsche Südoffensive im Osten, 1942

und die der Verbündeten“ heranziehen. Hitlers ehrgeiziger oder besser gesagt größenwahnsinniger Plan lautet: Großangriff am Südflügel der Ostfront, um in einem ersten Schritt bis Woronesch am Don vorzudringen und den westlich des Flusses stehenden Gegner zu vernichten. Anschließend sollen die Angriffskräfte Richtung Kaukasus vorstoßen, um die Ölgebiete bei Maikop und Grosny zu erobern und den Übergang über den Kaukasus zu erzwingen. Mehrere Armeen sollen den Planungen des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) zufolge nebeneinander aufmarschiert die Offensive nach dem Ende der Schlammperiode und mit Beginn des Sommers 1942 einleiten. Diese Verbände (6. Armee, 4. Panzerarmee, 17. Armee und 1. Panzerarmee) stehen Ende Juni 1942 am Donez beziehungsweise weiter südlich an der Schwarzmeerfront bereit, um der sowjetischen Militärführung „die wichtigsten kriegswirtschaftlichen Kraftquellen“ zu rauben. Damit würde man Moskau endgültig in die Knie zwingen, glaubt Hitler.

Siegessicherer „Führer“ Am 28. Juni 1942 beginnt die Großoffensive der Wehrmacht. Zuerst soll nach Angriff durch Verbände der zunächst bestehenden

SCHWARZES GOLD Hitler will Stalins kaukasische Erdölfelder bei Maikop, Grosny und später auch Baku unter seine Kontrolle bringen, um das ungelöste Problem der Rohölversorgung zu beseitigen

IM STURM: Die 1. Panzerarmee stößt im Sommer 1942 durch riesige Felder und Steppenlandschaften weit Richtung KauFoto: ullstein bild - Arthur Grimm kasus vor Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich

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Titelgeschichte | „Fall Blau“ 1942

SPUREN DES KAMPFES: Zerstörte sowjetische Panzer in der Stadt Woronesch, die Anfang Juli 1942 von den Deutschen eingenommen Foto: picture-alliance©dpa wird

DER FALL REICHEL Ein deutscher Offizier wird mit seiner Maschine abgeschossen. Streng geheime Unterlagen und Lagekarten fallen vor Beginn der Großoffensive in die Hände des Gegners. Doch Hitler befiehlt den geplanten Angriff

PROPAGANDAAUFNAHME: „Zwischen Donez und Don. Munitions- und Betriebsstoffübernahme auf der Vormarschstraße“, so die zeitgenössische Bildunterschrift vom 11. Juli 1942 Foto: picture-alliance©dpa

Armeegruppe Weichs (2. Armee, 4. Panzerarmee, 2. ungarische Armee) Woronesch fallen, um im Anschluss in einer umfassenden Zangenbewegung große Teile des Gegners westlich des Don einzukesseln und zu vernichten. Dann will man mit Paulus’ 6. Armee – flankiert von weiteren Verbänden – Richtung Wolga bis nach Stalingrad vorstoßen, um die Angriffsflanke im Nordosten zu decken. Kleists 1. Panzerarmee und Ruoffs 17. Armee sollen schließlich weiträumig in den Kaukasus vorstoßen. Hitler ist von einem Sieg seiner Armeen überzeugt. Seine Zuversicht gründet auch auf dem deutschen Erfolg bei Charkow im Mai 1942. Die Rote Armee sei durch die Kämpfe in den vorangegangenen Monaten stark angeschlagen, so die Überzeugung des Diktators. Dabei lässt er sich auch von skeptischen Stimmen, die auf das große Risiko und die Stärke des Gegners verweisen, nicht umstimmen. Ein Zwischenfall überschattet aus deutscher Sicht die Angriffsvorbereitungen kurz vor Beginn dieser Anfangsphase von „Fall

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Blau“. Am 19. Juni fielen geheime Aufmarschpläne und Lagekarten für den ersten Teil der Gesamtoperation durch Verlust eines deutschen Flugzeugs in die Hände der Roten Armee. Major Joachim Reichel, Erster Generalstabsoffizier der 23. Panzerdivision, hatte sich über dem Zwischenaufstellungsraum seiner Division verflogen und wurde vom Gegner abgeschossen. Auf deutscher Seite muss man daher davon ausgehen, dass der Gegner über die geplanten Operationen aus dem Raum Kursk Richtung Woronesch informiert ist. Was nun? Aufgrund der bereits sehr weit fortgeschrittenen Vorbereitungen zum Aufmarsch und des zu erwartenden Zeitverlustes im Änderungsfall will man dennoch wie geplant losschlagen. Dabei kommt es nun vor allem darauf an, dass alles schnell geht. Eine wichtige Frage für die deutsche Militärführung ist auch: Wie würde die sowjetische Sei-

te reagieren? In Moskau sieht man trotz des Vorfalls mit den geheimen Unterlagen keinen Anlass zur Hektik. Man glaubt eher an ein fingiertes Ablenkungsmanöver des Gegners und geht von einer erneuten feindlichen Großoffensive auf Moskau aus.

Stalins fataler Irrtum Im Hauptquartier STAWKA konzentrieren sich die führenden Militärs unter Stalin daher weiterhin vor allem auf die südliche Flanke des Mittelabschnitts. Im Südabschnitt der Front sieht man eher einen Nebenkriegsschauplatz. Inwieweit die im Abschnitt der HGr. Mitte seit Ende Mai 1942 tatsächlich von der Wehrmacht durchgeführten Täuschungsmaßnahmen (Tarnname „Kreml“) diese Haltung beeinflusst haben, ist bis heute unklar. Fest steht: Der sowjetische Diktator hält im Juni 1942 an seiner Beurteilung der Lage fest. Die sowjetische Militärführung zieht in Betracht, dass der erneute Schlag gegen Moskau von Süden her vorgetragen werden könnte, um die russische Hauptstadt ost-


Den Gegner unterschätzt

ENTSCHLOSSENE GEGNER: Sowjetische Schützen im Kampf. Die Rote Armee leistet an Don und Wolga heftigen Widerstand, Aufnahme vom August 1942 Foto: picture-alliance/akg-images

MAXIMILIAN FREIHERR VON WEICHS

SEMJON TIMOSCHENKO

Abgesetzt

Nachfolger

Widersacher

Wilhelm List übt während des Vorstoßes an die Wolga und in den Kaukasusraum Kritik an Hitlers Operationsführung. Er verliert im September 1942 seinen Posten als Chef der Heeresgruppe A

Maximilian Freiherr von Weichs beerbt den von Hitler abgesetzten Generalfeldmarschall Fedor von Bock ab Juli 1942 als Chef der Heeresgruppe B

Semjon Timoschenko befehligt im Juli 1942 die Stalingrader Front und kämpft mit seinen Truppen unter anderem gegen die 6. Armee von Friedrich Paulus

Foto: ullstein bild - ullstein bild

WILHELM LIST

Foto: ullstein bild - Walter Frentz

ullstein bild - Walter Frentz

ERBITTERTER WIDERSTAND: Die Rote Armee sieht anfangs wie der sichere Verlierer aus, doch die sowjetischen Soldaten sind ein Foto: picture-alliance/akg-images harter Gegner

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Titelgeschichte | „Fall Blau“ 1942

DUNKLE RAUCHWOLKEN: Maikop ist eines der Erdölzentren, auf die es Hitler mit der Großoffensive „Fall Blau“ abgesehen hat. Die Stadt wird schließlich erobert, doch die Russen zerstörten zuvor weite Teile der ÖlFoto: ullstein bild - ullstein bild förderanlagen TRÜGERISCHER TRIUMPH: Die deutschen Truppen erreichen zwar den Kaukasus, doch der Vorstoß über das Gebirge bis nach Baku ans Kaspische Meer misslingt Foto: picture-alliance/akg-images

wärts zu umgehen. Stalin vermutet, die Deutschen wollen Moskau vom Hinterland, dem Wolgaraum sowie dem Ural abschneiden, um die Metropole dann einnehmen zu können. Die Angriffe in Richtung des weit entfernten Kaukasus würden vor allem dazu dienen, sowjetische Reservekräfte aus der Moskauer Front herauszulösen – ein folgenschwerer Irrtum.

Deutsche Anfangserfolge Zwar lässt Stalin die Front im Raum Woronesch verstärken, doch der deutsche Vormarsch auf dieses wichtige Verkehrs- und Rüstungszentrum am Don geht zügig voran. Mit Unterstützung des VIII. Fliegerkorps erzielt die 4. Panzerarmee innerhalb weniger Tage bedeutende Geländegewinne. Die am 30. Juni 1942 zum Angriff angetretene 6. Armee stößt auf eher geringen Feindwiderstand und kommt ebenfalls gut voran. Von den ursprünglichen Plänen, Woronesch unbedingt einzunehmen, weicht das OKW in der Folge ab. Vielmehr sei es das Ziel, süd-

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westlich der Stadt den Don zu erreichen und diese Nordflanke des deutschen Angriffs vorwiegend mit Infanteriedivisionen abzusichern. In der Stadt selbst will man vor allem die wichtigen Rüstungsbetriebe und die Infrastruktur zerstören. Die schnellen Panzerverbände hingegen sollen so schnell wie möglich südostwärts einschwenken, um die nächste Phase der Großoffensive einzuleiten. Dagegen regt sich beim Oberbefehlshaber der HGr. Süd (wenig später unterteilt in HGr. A und B), Fedor Bock, Widerstand. Er möchte Woronesch einnehmen, um die geforderten Zerstörungen der Industrie- und Bahnanlagen gezielt vornehmen zu können. Mit dieser Meinung steht er im Gegensatz zu Hitler und dem Chef des Generalstabs des Heeres, Franz Halder. Beide sehen darin eine unnötige Zeitverzögerung des schnellen Vorstoßes der stark motorisierten Verbände, darunter die 24. Panzerdivision und die Division „Großdeutschland.“ Wenngleich die sowjetische Militärführung noch immer mit einem Schwenk Rich-

tung Norden auf Moskau zu rechnet, misst man den Ereignissen im Raum Woronesch mittlerweile größere Bedeutung zu. So lässt Stalin die Brjansker Front durch zwei Reserve-Armeen zusätzlich verstärken. Ein Stoß in die deutsche Flanke bei Woronesch am 3. Juli 1942 misslingt nicht zuletzt aufgrund der deutschen Luftüberlegenheit. Am selben Tag trifft sich Hitler mit Heeresgruppenchef Fedor von Bock, um über die Situation der schnellen Panzerverbände im Kampf um Woronesch zu sprechen. Der Generalfeldmarschall versichert seinem „Führer“, dass diese bald verfügbar seien. Doch dies ist ein folgenreicher Irrtum, wie sich später herausstellen wird. Denn die Panzer der 4. Panzerarmee befinden sich kurz darauf in schweren Kämpfen um die Stadt und lassen sich nicht so leicht herauslösen. Hoths Panzer werden jedoch dringend für einen wuchtigen Vorstoß ohne größeren Zeitverlust benötigt. Hitler ist über die Situation schließlich so verärgert, dass er Bock als Heeresgruppenchef ablöst. Auf der Gegenseite müssen sich zu diesem Zeitpunkt tiefe Sorgesfalten in Stalins


Massive Operationserweiterung VOM GEGNER GEFÜRCHTET: Die Luftwaffe mit ihren Flugzeugen, hier vom Typ Messerschmitt Bf 110, besitzt zu Beginn der Sommeroffensive die Luftüberlegenheit und unterstützt die Bodentruppen Foto: picture-alliance/©dpa

UNTERNEHMEN „BRAUNSCHWEIG“ So lautet die kurz nach Beginn von „Fall Blau“ (Bezeichnung bis 30. Juni 1942) festgelegte, neue Bezeichnung für die Sommeroffensive des Jahres 1942. Frühere Planungen trugen den Decknamen „Siegfried“ (bis Ende März 1942)

Stirn gegraben haben. Zwar gelingt es Marschall Semjon Timoschenko, seine Armeen der Stalingrader Front (ab 12. Juli unter Wassili N. Gordow) davor zu bewahren, vollständig eingekesselt und vernichtet zu werden. Doch die Einnahme des geräumten Woronesch durch die Deutschen am 6. Juli 1942 schmerzt die sowjetische Seite sehr. Hinzu kommt die Hiobsbotschaft, dass Erich von Mansteins 11. Armee am 4. Juli die Krim erobert hat. Die Voraussetzungen für einen militärischen Triumph der Wehrmacht scheinen im Sommer 1942 – sieben Monate nach der Niederlage vor Moskau – günstig zu sein.

Hitler greift ein Aber Hitler ist zutiefst ungeduldig und greift nun massiv in die Operationsplanung zu „Fall Blau“ ein. Er will den Vorstoß durch die weiten Steppen zwischen Kuban, Don und Wolga Richtung Kaukasus beschleunigen. Er entscheidet sich gegen kritische Stimmen aus dem Oberkommando des Heeres (OKH) dafür, die mehrstufig angelegte Gesamtoperation „Blau“ in zwei unterschiedliche Offensiven aufzuteilen. Ursprünglich Clausewitz 5/2017

DOKUMENT

Weisung Nr. 41 „Das Ziel ist es, die den Sowjets noch verbliebene lebendige Wehrkraft endgültig zu vernichten und ihnen die wichtigsten kriegswirtschaftlichen Kraftquellen so weit als möglich zu entziehen (...). Unter Festhalten an den ursprünglichen Grundzügen des Ostfeldzuges kommt es darauf an, bei Verhalten der Heeresmitte, im Norden Leningrad zu Fall zu bringen und die Landverbindung mit den Finnen herzustellen, auf dem Südflügel der Heeresfront aber den Durchbruch in den Kaukasus-Raum zu erzwingen. (...) Daher sind zunächst alle greifbaren Kräfte zu der Hauptoperation im Südabschnitt zu vereinigen mit dem Ziel, den Feind vorwärts des Don zu vernichten, um sodann die Ölgebiete im kaukasischen Raum und den Übergang über den Kaukasus selbst zu gewinnen.“ Auszug aus der Weisung Nr. 41 (Geheime Kommandosache) des „Führers und Obersten Befehlshabers der Wehrmacht“ vom 5. April 1942

ANGETRETEN: Sturmbannführer August Dieckmann, Kommandeur des Regiments „Germania“ der SS-Division „Wiking“, zeichnet Soldaten aus, die an den Kämpfen im Vorfeld des Kaukasus teilgenommen haben Foto: ullstein bild/Süddeutsche Zeitung Photo/Scherl

sollten die 6. Armee und die 4. Panzerarmee gemeinsam Richtung Stalingrad zur Wolga vordringen, um Timoschenkos Armeen den Rückzugsweg abzuschneiden. Diese zentrale Phase der Großoffensive „Blau“ sollte zunächst abgeschlossen werden, bevor der Vorstoß nach Rostow und über den unteren Don zum Kaukasusraum einsetzen könnte, so die OKW-Planung. Aber gegen Anfang/Mitte Juli 1942, rund zwei Wochen nach Operationsbeginn, kann Hitler es kaum erwarten, in südöstlicher Richtung nach dem Kaukasus und darüber hinaus zu greifen. Jetzt will er beide Angriffsstufen parallel angehen, um schneller das kaukasische Gebirge zu überwinden. Ziel sind die Ölvorkommen bei Baku am Kaspischen Meer.

Truppe am Limit Im Rahmen der Operationserweiterung teilt er die bisherige HGr. Süd auf in die HGr. A unter Generalfeldmarschall Wilhelm List und die HGr. B, die fortan Generaloberst Maximilian Freiherr von Weichs untersteht. Dass der „Führer“ mit diesen weitreichenden Zielen seine Truppen überfordern könn-

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Titelgeschichte | „Fall Blau“ 1942 te, kommt dem Diktator nicht in den Sinn. Dass er damit die Stoßkraft des Angriffs auf Stalingrad vermindert, ebenfalls nicht. Denn Hitler lässt Hoths 4. Panzerarmee nach Süden schwenken und entzieht der 6. Armee ein Panzerkorps. Damit ist die Schlagkraft der 6. Armee stark beeinträchtigt, die auf die Wolga vorstoßende HGr. B geschwächt.

Weit gesteckte Ziele Die HGr. A soll unterdessen mit den Verbänden der 1. Panzerarmee und der 17. Armee in südöstlicher Richtung an der Schwarzmeerküste und am Kuban-Fluss östlich der gerade eroberten Krim operieren. In der aus dem Führerhauptquartier ergangenen Weisung Nr. 45 vom 23. Juli 1942 sind die Ziele der HGr. wie folgt definiert: „Die nächste Aufgabe der HGr. A ist es, nunmehr die über den Don entkommenen feindlichen Kräfte

im Raum südlich und südostwärts Rostow einzuschließen und zu vernichten. (...) Nach Vernichtung der feindlichen Kräftegruppe südlich des Don ist es die wichtigste Aufgabe der HGr. A, die gesamte Ostküste des

„Die Zahl der vernichteten Panzer im Raume Woronesch und nördlich davon am gestrigen Tage ist auf 103 Panzer gestiegen.“ Aus dem Lagebericht des Oberkommandos des Heeres zur HGr. B vom 25. Juli 1942

Schwarzen Meeres in Besitz zu nehmen und damit die Schwarzmeerhäfen und die feindliche Schwarzmeerflotte auszuschalten (...).“ Diese Angriffsoperation trägt den Decknamen „Edelweiß“ und soll parallel zur Operation „Fischreiher“ der HGr. B losschlagen.

IN SZENE GESETZT: Die NS-Propaganda „feiert“ das Hissen der Reichskriegsflagge auf dem Elbrus-Gipfel im August 1942 GEWALTIGES NATURHINDERNIS: Ein Trupp deutscher Gebirgsjäger im Kaukasus. Die deutsche Offensive kommt im Hochkaukasus zum Erliegen. Die vorangegangenen Kämpfe und Strapazen haben die Truppe stark geschwächt, die Kräfte reiFoto: picture-alliance/©dpa chen nicht mehr aus

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Dieser Großverband hat laut Weisung Nr. 45 den Auftrag, „neben dem Aufbau der Donverteidigung im Vorstoß gegen Stalingrad die dort im Aufbau befindliche feindliche Kräftegruppe zu zerschlagen, die Stadt selbst

Foto: picture-alliance/Heritage-Images

zu besetzen und die Landbrücke zwischen Don und Wolga selbst zu sperren.“ Die weiteren Ziele lauten unter anderem: „Im Anschluss hieran sind schnelle Verbände entlang der Wolga anzusetzen mit dem Auftrag, bis nach Astrachan vorzustoßen und dort


Auf dem Weg in die Katastrophe gleichfalls den Hauptarm der Wolga zu sperren.“ Würde es Hitlers Armeen gelingen, diese äußerst weit gesteckten Ziele zu erreichen? Im Bereich der HGr. A sieht dies im Hochsommer 1942 anfangs tatsächlich so aus. Denn von Rostow aus kommen die deutschen Angriffskeile im August überraschend schnell voran – trotz extremer Hitze von bis zu 50 Grad. Innerhalb der ersten Wochen nach Angriffsbeginn sind Geländegewinne von 40, 50 und sogar bis zu 60 Kilometer am Tag keine Seltenheit. Bereits Anfang August 1942 erreichen Teile der 1. Panzerarmee die Ölfelder nahe Maikop. Die der 1. Panzerarmee unterstellte 13. Panzerdivision unter ihrem Kommandeur Generalmajor Traugott Herr nimmt an dem Angriff auf das bedeu-

unbrauchbar gemacht hat, befindet sich die Wehrmacht weiterhin auf der Siegerstraße. Hinzu kommt der Erfolg der 6. Armee in der Kesselschlacht bei Kalatsch rund 80 Kilometer westlich von Stalingrad am 11. August 1942. Hitler ist außer sich vor Freude über den vermeintlich so wichtigen Etappensieg bei Maikop. Er ist so zuversichtlich, dass er sogar Teile der HGr. A zur HGr. B verlegen lässt. Dies wird sich bald als verhängnisvoller Fehler herausstellen. Denn der Schein trügt: Zwar ist mit dem Vorstoß bis Maikop ein wichtiger Teilerfolg gelungen, doch am Ziel sind die abgekämpften Verbände noch lange nicht. Hitlers Vorgaben und Pläne sind viel weitreichender. Doch sind sie angesichts überdehnter Frontlinien und immer länger

stoßen, setzen Kriegsberichterstatter der Propagandakompanien die vermeintlichen Erfolge der Wehrmacht aufwendig in Szene. Im Deutschen Reich werden Fotos veröffentlicht, die Gebirgsjäger bei der Besteigung des mehr als 5.600 Meter hohen Elbrus zeigen. Die Männer tragen die Reichskriegsflagge im Rucksack und hissen diese am 21. August 1942 auf der Bergspitze. Die NS-Propaganda inszeniert anschließend einen regelrechten Triumph. Dabei ist dieser Gipfelsturm in militärischer Hinsicht vollkommen belanglos.

Schwerer Misserfolg Der Schwerpunkt der Kämpfe im Südabschnitt der Ostfront liegt während des Sommers 1942 lange Zeit am unteren Don und weiter nordwärts. Bis in die Herbstmonate hinein versuchen die Deutschen vergeblich, weiter südostwärts Richtung Kaspisches

TÖDLICH GETROFFEN: Gefallene Soldaten der Roten Armee in ihrer Stellung neben ihrem Maschinengewehr Foto: picture-alliance/Süddeutsche Zeitung Photo

tende Ölzentrum teil. In der Divisionsgeschichte heißt es dazu unter anderem: „Unser Ziel hieß Maikop. Die gleichen Pionierkräfte, die den Brückenschlag über den Kuban geschafft hatten, ermöglichten unter schwierigsten Geländeverhältnissen nun auch den Übergang über den Laba. Wir kamen in ein dschungelartiges Gelände. Es entspannen sich harte Kämpfe mit dem im Unterholz versteckten Feinde. Der Gegner war äußerst gewandt, an keiner Stelle biss er sich fest, sondern wich geschickt aus. (...) Feindliche Widerstandsnester wurden mehrfach umfahren, sie wurden den nachfolgenden Verbänden überlassen. Wie später bekannt wurde, erlitten die 3. und die 16. Panzerdivision bei ihrer Bekämpfung erhebliche Verluste. Wir mussten vorwärts!“ Die Stadt Maikop fällt nach harten Kämpfen im Vorfeld, an denen auch Teile der SSDivision „Wiking“ beteiligt sind, am 9. August in deutsche Hand. Wenngleich der Gegner zuvor große Teile der Ölanlagen Clausewitz 5/2017

Literaturtipp

Meer vorzustoßen. Der Plan misslingt, der Vorstoß endet nahe Ordschonikidse (Wladikawkas) südwestlich von Grosny. Die sowjetische Abwehrfront ist mittlerweile zu stark, die eigenen Versorgungslinien sind vollkommen überdehnt. Die Truppe ist abgekämpft. Schließlich holt die Rote Armee gegen Jahresende 1942 zum Gegenschlag aus und zwingt die HGr. A zum Rückzug. Am Ende des Unternehmens „Blau“ steht damit nicht nur der vergebliche Versuch, die Ölfelder zu erreichen, sondern auch die Tatsache, dass der Untergang der 6. Armee bei Stalingrad vorgezeichnet ist. Hitlers Größenwahn endet im November 1942 ein weiteres Mal in einem strategischen Misserfolg. Dieser folgenschwere Fehlschlag gleicht einer Katastrophe. Denn das Scheitern der deutschen Sommeroffensive im Süden der Ostfront bringt die Rote Armee zur Jahreswende 1942/43 endgültig auf die Siegerstraße.

Bernd Wegner: Der Krieg gegen die Sowjetunion 1942/43, in: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 6, hrsg. v. Militärgeschichtlichen Forschungsamt, Stuttgart 1990, S. 868–961.

Dr. Tammo Luther, Jg. 1972, Verantwortlicher Redakteur von Clausewitz und Freier Autor & Lektor in Schwerin.

werdender Nachschubwege auch erfüllbar? Und: Wie reagiert Stalin auf diese für die Rote Armee bedrohliche Lage?

Massiver Widerstand Der sowjetische Diktator lässt immer neue Truppen in den Süden der Hauptfront verlegen, um die Invasoren zu stoppen. Alle Versuche von Verbänden der Richtung Pjatigorsk am Rande des Kaukasus vorrückenden 4. Panzerarmee und 17. Armee, auch die Küstenstraße zwischen Noworossisk und Suchumi zu erreichen, schlagen schließlich fehl. Der Feindwiderstand ist zu groß. Während die deutschen Angriffstruppen an ihre Grenzen

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Titelgeschichte | „Fall Blau“ 1942 „WAFFENBRÜDER“: Ein deutscher Kradmelder der 22. Panzerdivision und rumänische Soldaten nahe Rostow am Don im Juli 1942 Foto: ullstein bild - Spring Collection

Verbündete der Wehrmacht im Kampf

Vorstoß ins Verderben Sommer/Herbst 1942: An der Großoffensive „Fall Blau“ sind auch starke rumänische, ungarische und italienische Verbände beteiligt. Sie kämpfen im Osten an der Seite der Wehrmacht – und zahlen einen hohen Blutzoll Von Tammo Luther

A

ls der „Führer und Oberste Befehlshaber der Wehrmacht“ in der Weisung Nr. 45 die Ziele der Offensive „Fall Blau“ neu definiert und massiv erweitert, leitet der NS-Diktator ein verhängnisvolles Vabanquespiel ein – die Aufteilung der Gesamtoperation in zwei Unternehmungen überfordert die eigenen Kräfte. Die großen Lücken und überdehnten Flanken, die durch weitere Truppenabzüge deutscher Einheiten an die Leningradfront und nach Frankreich entstehen, sollen mit Soldaten der Verbündeten gestopft werden. Und so kämpfen vor allem viele Rumänen

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(3. und 4. rumänische Armee), Ungarn (2. ungarische Armee) und Italiener (8. italienische Armee) sowie auch slowakische Soldaten 1942 im Süden der Ostfront an der Seite der Deutschen.

Blutige Verluste Das Einsatzgebiet der zahlenmäßig starken rumänischen Verbände beschränkt sich während des Russlandfeldzuges weitgehend auf den Südabschnitt in der Ukraine mit der Krim und auf das Donezbecken sowie den Kaukasusraum. Obwohl ihre zumeist eher schlecht ausgerüsteten Einheiten bewusst

nicht an Brennpunkten des Kampfes zum Einsatz kommen sollen, nehmen sie 1942 erfolgreich am Angriff auf Charkow und die Halbinsel Kertsch teil. Sie sind auch an der Eroberung von Odessa und von Sewastopol beteiligt. Auf der Krim zahlen die Rumänen einen besonders hohen „Blutzoll“. Sie müssen dort Verluste an Gefallenen und Verwundeten von schätzungsweise 15.000 bis 20.000 Mann verkraften. Bedeutende rumänische Kontingente stoßen auch zur Wolga und in den Kaukasus vor. So ist zu Beginn von „Fall Blau“ die 4. rumänische Armee der Heeresgruppe A


Harsche Kritik (HGr. A) unterstellt, während im Rahmen der HGr. B die 3. rumänische Armee auf deutscher Seite kämpft. Die bis dahin verbliebenen Reste der rumänischen Divisionen der 3. Armee werden bei den späteren Kämpfen um Stalingrad um die Jahreswende 1942/43 aufgerieben. Sie teilen damit das schwere Schicksal der 6. Armee unter Friedrich Paulus.

Mangelhafte Ausrüstung Damals herrscht eine offensichtliche Geringschätzung der deutschen Militärs für die rumänischen Verbände. Diese Haltung geht auf verschiedene Gründe zurück. Man kritisiert vor allem die vermeintlich mangelhafte Kampfmoral und Ausbildung der Rumänen. Doch ist vor allem die Ausrüstung mit wirksamen Waffen zur Panzerabwehr und mit Panzerfahrzeugen bei den rumänischen Truppen – ähnlich wie bei anderen Verbündeten – im Vergleich zur Wehrmacht sehr schlecht. „... und wenn er [Hitler, Anm. d. Red.] mit großen Worten von der Dritten

und Vierten Rumänischen Armee, von der Zweiten Ungarischen und von der Achten Italienischen Armee sprach, dann wussten sie [Hitlers Generäle] sehr gut, dass diese Verbände niemals gleichgesetzt werden konnten mit einem vollen deutschen Korps, ganz zu schweigen mit einer Armee. Der maßgebliche Grund dafür beruhte darauf, dass sich die Einheiten der Verbündeten gegen Panzerangriffe nicht wirkungsvoll verteidigen konnten“, urteilt der renommierte britische Historiker Antony Beevor in einem Abschnitt über den „Fall Blau“ in seinem bekannten Werk Stalingrad.

Neigung zur Panik? Tatsächlich hat der technische Fortschritt zu diesem Zeitpunkt viele rumänische Einheiten noch nicht erreicht. Gravierende Mängel im Verhältnis von überheblichen und mit Privilegien ausgestatteten Offizieren zu ihren Untergebenen sowie eine gewisse „Kopflosigkeit“ der einfachen Truppe im Falle des Todes von Vorgesetzen an der Front kommen hinzu. Dieses schwierige Verhältnis

zwischen Offizieren und Mannschaften ist übrigens besonders in der italienischen Armee ein großes Problem. Auch das Sanitätswesen der Rumänen scheint in vielen Bereichen eher aus dem 19. als aus dem 20. Jahrhundert zu stammen. Ein weiterer Aspekt ist die Tatsache, dass die Mehrzahl der rumänischen Soldaten – dies gilt auch für andere Verbündete – mit den Entwicklungen des technischen Fortschritts nur wenig vertraut ist. Dies führt immer wieder dazu, dass sie im Ernstfall – etwa bei Großangriffen mit Panzern oder Flugzeugen – leichter in Panik verfallen als der Großteil ihrer deutschen Waffenbrüder. Die slowakischen Soldaten hingegen werden 1942 von Generalfeldmarschall Gerd von Rundstedt, der damals an den Einheiten der Rumänen, Italienern und Ungarn kaum ein gutes Haar lässt, als „erstklassig“ und „sehr anspruchslos“ bezeichnet. Sie sind während der Sommeroffensive „Fall Blau“ unter anderem an den schweren Kämpfen

ENTWAFFNET: Gefangen genommene italienische Soldaten werden von ihren sowjetischen Bewachern abgeführt. An den Kämpfen im Südabschnitt der Ostfront nimmt 1942 die 8. italienische Foto: picture-alliance/akg-images Armee teil

ENTSCHLOSSENER BLICK: ein rumänischer Soldat an der Ostfront im Jahr 1942. Viele Rumänen ziehen in den Kampf, um für die Sicherung Bessarabiens gegen die sowjetische Bedrohung zu Foto: ullstein bild - Süddeutsche Zeitung Photo/Scherl kämpfen

Clausewitz 5/2017

EINGEGRABEN: Eine rumänische Maschinengewehrstellung im Dongebiet während der Offensive „Fall Blau“ im Sommer 1942 Foto: ullstein bild - Süddeutsche Zeitung Photo/Scherl

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Titelgeschichte | „Fall Blau“ 1942

GEMISCHT: Deutsche und verbündete Soldaten erwarten an einem Abschnitt der Ostfront den Angriff des Gegners Foto: ullstein bild - ullstein bild

MAKABER: Hitler verleiht Italo Gariboldi, dem Oberbefehlshaber der 1942/43 am Südabschnitt weitgehend aufgeriebenen 8. italienischen Armee, das Ritterkreuz

BESCHWERLICHER AUFSTIEG: Rumänische Gebirgsjäger gehen zur Ablösung auf eine Höhenstellung im Kaukasus vor, Sommer 1942 Foto: ullstein bild - Süddeutsche Zeitung Photo/Scherl

Foto: picture-alliance

um Rostow am Don beteiligt. Als die Stadt in deutscher Hand ist, meldet das OKW am 24. Juli 1942: „Wie durch Sondermeldung bekanntgegeben, haben Truppen des Heeres, der Waffen-SS und slowakische Verbände, von der Luftwaffe unterstützt, die stark befestigten und tief gegliederten Verteidigungsstellungen von Rostow auf der gesamten Front durchbrochen (...).“

Marsch in den Tod Das Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) mit Eintrag vom 9. August 1942 zeichnet für den Abschnitt der HGr. B folgendes Bild: „Die Divisionen des XXXXVIII. Panzerkorps stehen im harten Kampf süd.[lich] Stalingrad, wo sich der Feind laufend verstärkt. Rum.[änische] Divisionen stehen ostwärts des Don und haben feindl.[iche] Angriffe abgewehrt. (...) Westl. [ich] des großen Don-Knicks gelang es dem Feind, vor den ital.[ienischen] Stellungen in Gegend Baskowski über den Don herüberzugehen. Hier und nördl[ich] davon sind Ge-

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genangriffe im Gange. Westl[ich] Swoboda stehen ung.[arische] Truppen im Kampf mit feindl[ichen] Panzerkräften am Don.“ Die drei hauptsächlich an den Kämpfen an Don, Wolga und im Kaukasusraum beteiligten deutschen Verbündeten sind hier gemeinsam in einem Kriegstagebuch-Ein-

Der Eintrag spiegelt für diesen Tag an einem ganz bestimmten Frontabschnitt demnach aus Sicht der Deutschen ein positives Bild von den militärischen Leistungen der rumänischen Truppen, ein eher negatives von denen der italienischen und ein neutrales beziehungsweise nicht bewertetes von denen der ungarischen Soldaten wider. Dies ist na-

„Muttergottes, Hüterin Ungarns, bete für uns und bewahre uns vor allen Sünden und Katastrophen!“ Tagebucheintrag eines im Sommer 1942 am Don gefallenen ungarischen Soldaten

trag für die Heeresgruppe B aufgeführt. Während die Rumänen den Angriff des Gegners an jenem Augusttag 1942 aufhalten, können die Italiener in ihrem Frontabschnitt nicht verhindern, dass sowjetische Soldaten den Don überqueren. Wie sich die Ungarn während ihres Kampfes gegen die Panzer der Roten Armee „schlagen“, wird hier nicht bewertet.

türlich nur eine minimale Momentaufnahme und lässt keinerlei Rückschlüsse auf die Kampfkraft oder Moral der jeweiligen Verbände während der gesamten Sommeroffensive 1942 zu. Fest steht aber, dass alle Verbündeten an der Seite der anfangs scheinbar übermächtigen, letztlich aber doch unterlegenen Wehrmacht kämpften und Unzählige von ihnen ins Verderben marschierten.


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Titelgeschichte | „Fall Blau“ 1942

WARTEN AUF INSTANDSETZUNG: Fieberhaft bemühen sich die Deutschen, ihre Panzer zu verbessern, um mit den sowjetischen Tanks mithalten zu können. Zu den Resultaten gehört dieses Sturmgeschütz der Abteilung „Großdeutschland” Foto: Thomas Anderson

Kräftezehrender Angriff deutscher Panzer

Kraftakt auf Ketten Sommer 1942: Obwohl die deutschen Angriffsverbände nur unzureichend mit kampfkräftigen Panzern ausgerüstet sind, schickt Hitler sie in die Weiten zwischen Don, Wolga und Kaukasus – dort wartet eine böse Überraschung Von Thomas Anderson

NACHGERÜSTET: Dieser Panzerkampfwagen III Ausf F besitzt eine maximale Panzerung von 60 Millimetern und trägt die neue 5-Zentimeter-Kampfwagenkanone L/42. Gut geführt ist der Panzer ein gefährlicher Gegner, die moderneren russischen Panzer sind ihm jeFoto: Anderson doch überlegen

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Mangelnde Durchschlagskraft

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ach dem Scheitern des Sturms auf Moskau Ende 1941 wählt Hitler für 1942 ein anderes Operationsziel. Während sein Widersacher Stalin eine neue Offensive der Wehrmacht auf die Sowjetmetropole erwartet und starke Kräfte zu ihrem Schutz zusammenzieht, werden die neuen Schlachtpläne der deutschen Militärführung im März 1942 konkret: Nun will der „Führer“ die wichtigen Ölfelder im Kaukasus unter seine Kontrolle bringen. Zwar hat sich im Mai 1942 der Zustand der im Winter 1941/42 arg dezimierten deutschen Panzerwaffe stabilisiert. Es gibt jedoch weiterhin gravierende Probleme. Um die großen Verluste während der Schlacht um Moskau aufzufangen, muss die Rüstungsindustrie im Deutschen Reich die Panzerproduktion hochfahren – um jeden Preis. Zu Beginn der Sommeroffensive „Fall Blau“

Zuverlässige Zahlenangaben zur russischen Seite in dem weiträumigen Kriegsschauplatz am Südabschnitt der Front liegen nicht vor. Die Panzer mit dem roten Stern dürften aber deutlich in der Überzahl gewesen sein.

Neue Waffen müssen her Fest steht: Um auf das unerwartete Auftreten der modernen Panzer vom Typ T-34 und KW reagieren zu können, brauchen die Angreifer Mitte 1942 neue und bessere Waffen. In den deutschen Rüstungsschmieden sollen Entwicklungsarbeiten zum mittleren Panzer Panther und zum schweren Panzer Tiger führen. Diese kampfstarken Waffensysteme können der Truppe jedoch erst 1943 in nennenswerten Zahlen zugeführt werden. Wegen der Überlegenheit der russischen Panzer sind im Kriegsjahr 1942 auf deut-

UNTERLEGEN: Auch der Panzer 38 (t) steht noch in größeren Stückzahlen zur Verfügung, obwohl er dem Gegner nicht mehr gewachsen ist. Seine 3,7-Zentimeter-Kanone ist gegen moderne Panzer weitgehend wirkungslos Foto: Anderson

sind auf deutscher Seite neun Panzer- und sechs mit Panzern ausgerüstete Infanteriedivisionen einsetzbar. Zusätzlich stehen zwölf Sturmgeschütz-Abteilungen (StuGAbt) bereit. Sie können nach Bedarf an Schwerpunkten eingreifen.

scher Seite kurzfristige Kampfwertsteigerungen vorhandener Typen daher besonders wichtig. Doch welche Panzer sind im Sommer 1942 für die deutschen Divisionen überhaupt verfügbar?

Geringer Kampfwert

Laut den gültigen Mustergliederungen sind die leichten und mittleren Panzerkompanien der Panzerdivisionen und einiger weniger Infanteriedivisionen mit jeweils fünf der leichten Panzerkampfwagen II (PzKpf II) ausgestattet. Mit einer 2-Zentimeter-Maschinenkanone bewaffnet, will man die PzKpfw II mit Masse als Aufklärungsfahrzeuge, als Melder und für Sicherungszwecke verwenden. Konzeptionsbedingt ist es nicht möglich, diesen Typ weiterzuentwickeln. Das Fahrgestell wird nun für Selbstfahrlafetten mit 7,5-Zentimeter-Panzerabwehrkanone 40 herangezogen (PzSfl 1 und Marder II). Auch die leichten tschechischen Panzer PzKpfw 38 (t) sind 1942 von der Entwicklung überholt. Mit ihrer 3,7-Zentimeter-Kampfwagenkanone (KwK) stellen sie keine besonders große Gefahr für ihre

Insgesamt sind so etwa 1.800 Panzerkampfwagen und Sturmgeschütze für die Großoffensive verfügbar. Jedoch befinden sich darunter nur 165 Panzer III und 125 Panzer IV mit Langrohrkanone. Es sind damals die einzigen Panzer mit höherem Kampfwert, die den modernen russischen Tanks vom Typ T-34 und KW-1 (Kliment Woroschilow) Paroli bieten können. Fahrzeuge von vergleichsweise geringem Kampfwert stellen dagegen den Großteil der Panzer. Zusätzlich werden Anfang Juni 1942 noch 150 Panzer-Selbstfahrlafetten 1 (PzSfl 1) sowie 120 PzSfl 2 gemeldet. Man will sie größtenteils im Bereich der Heeresgruppe Süd (HGr. Süd), seit der ersten Julihälfte 1942 aufgeteilt in HGr. A und HGr. B, einsetzen. Clausewitz 5/2017

Technisch überholt

russischen Gegner dar. Trotzdem erhält eine Einheit, das Panzer-Regiment 204 der 22. Panzerdivision (Pz.Div.), noch mehr als 100 dieser Fahrzeuge. Diese Division wird 1942/43 bei der Schlacht um Stalingrad aufgerieben. Der stärkere PzKpfw III war ursprünglich als Hauptkampfpanzer vorgesehen. Zunächst mit einer 3,7-Zentimeter-KwK ausgestattet, entschied man 1940, eine 5-Zentimeter-KwK einzubauen (Neubau und Nachrüstung). Zu diesem Zeitpunkt war die leistungsstärkere 5-Zentimeter-Pak 38 mit der Kaliberlänge L/60 verfügbar. Man hätte diese nutzen können. Doch verwendete man zunächst eine verkürzte Variante mit der Kaliberlänge L/42, die deutlich schlechtere Panzer-Durchschlagsleistungen zeigte.

AUFWERTUNG: Die Einführung der 5-Zentimeter-Kampfwagenkanone L/60 erhöht den Kampfwert des Panzer III, doch eine überzeugende Foto: Anderson Antwort auf den T-34 ist er nicht

Erst gegen Ende 1941 ist die längere KwK in der nötigen Menge vorhanden und wird ab der Ausführung J/L verbaut. Aber auch diese Waffe ist nur auf kurze Entfernung in der Lage, T-34 und KW sicher zu bekämpfen. Konzeptionell ist es nicht möglich, eine Panzerkanone mit besseren Durchschlagsleistungen zu montieren. Ab Juli 1942 baut man parallel zur 5-Zentimeter-KwK L/60 die 7,5-Zentimeter-KwK L/24 (Ausf N) ein. Diese Kanone ist nun wegen der Umbewaffnung des Panzer IV in ausreichender Menge vorhanden. Zudem steht mit der 7,5-Zentimeter-Panzergranate HL/B ein wirkungsvolles Hohlladungsgeschoss zur Verfügung. Diese Munition kann den Kampfwert des Panzer III wieder steigern.

Geringe Stückzahlen Ursprünglich als Kampfunterstützungspanzer entwickelt, stattete man den PzKpfw IV anfangs mit einer kurzkalibrigen 7,5-Zentimeter-KwK L/24 aus. Mit Masse verfeuerten die Besatzungen Brisanz-Geschosse, denn die Durchschlagsleistung der Panzergranate war begrenzt.

29


Titelgeschichte | „Fall Blau“ 1942

AUF DEM WEG NACH STALINGRAD: Dieses Sturmgeschütz Ausf F ist mit der 7,5-ZentimeterSturmkanone 40 L/43 ausgerüstet, die Frontpanzerung beträgt noch 50 Millimeter Foto: Thomas Anderson

GEFÄHRLICH: Ab Mitte 1942 wird die 7,5-Zentimeter-Kampfwagenkanone L/24 in den Panzer III eingebaut. Dank der nun verfügbaren Hohlladungsgeschosse kann man die moderneren Feindpanzer aussichtsreicher bekämpfen Foto: Anderson

MIT ZUSATZPANZER: Während sich das 7,5-Zentimeter-Langrohrgeschütz leistungsstark zeigt, erweist sich die 50 Millimeter starke Frontpanzerung des Panzer IV Ausf F2/G Foto: Thomas Anderson als zu schwach

KAMPFKRÄFTIG: Ab Mai 1942 wird die leistungsstarke 7,5-ZentimeterKampfwagenkanone 40 in großer Zahl in den Panzer IV eingebaut Foto: Anderson

Anders als der PzKpfw III ist der PzKpfw IV konzeptionell dafür geeignet, ein komplett neues Geschütz in das Fahrzeug einzubauen. Die 7,5-Zentimeter-KwK 40 L/43 – ein Hochleistungsgeschütz mit wirksamer Panzermunition – soll den PzKpfw IV zum Rückgrat der kommenden Panzerkämpfe machen. Zunächst stehen diese kampfkräftigen Panzer nur in langsam steigenden Stückzahlen bereit. Zu Beginn der Sommeroffensive Ende Juni 1942 sind es insgesamt 125 Exemplare. Parallel dazu erhalten auch die Einheiten der Sturmartillerie die 7,5-Zentimeter-Lang-

rohrkanone (Sturmgeschütz Ausf F). Zwölf StuGAbt sind im Bereich der HGr. Süd eingesetzt – eine nicht zu unterschätzende Streitmacht. Wie bei den Panzerdivisionen stellen Mitte 1942 die älteren Modelle (7,5-Zentimeter-Sturmkanone L/24) noch die Mehrheit. Mehr und mehr führt man auch hier weitere Sturmgeschütze Ausf F als Ersatz nach.

Einsatz von Beutewaffen Die deutschen Panzerjägereinheiten stehen seit Beginn des Russlandfeldzuges unter starkem Druck. Zu großen Teilen noch mit der 3,7-Zentimeter-Panzerabwehrkanone

ausgerüstet, taugen diese leichten Geschütze nicht mehr als wirksame Waffe gegen die moderneren russischen Panzer. Auch die 5-Zentimeter-Pak 38 zeigt insgesamt unbefriedigende Leistungen. Ende 1941 wird das s-Pak-Programm (s Pak = schwere Panzerabwehrkanone) gestartet und forciert. Man führt verschiedene Pak-Geschütze vom Kaliber 7,5 Zentimeter ein.

STATISTIK

Verfügbare Panzer „Fall Blau" (Juni/Juli 1942, Auswahl) Verband Organisation Panzertyp PzKpfw II PzKpfw 38 (t) PzKpfw III (5 cm, kurz) PzKpfw III (5 cm, lang) PzKpfw IV (7,5 cm, kurz) PzKpfw IV (7,5 cm, lang) StuG (L/24 und L/43) Gesamtzahl Panzer

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3. Pz.Div. 9. Pz.Div. 11. Pz.Div. 13. Pz.Div. 14. Pz.Div. 16. Pz.Div. 22. Pz.Div. 23. Pz.Div. 24. Pz.Div. SS-Div. „Wiking“ 3. Inf.Div.(mot.) 16. Inf.Div. (mot.) PzRgt 6 PzRgt 33 PzRgt 15 PzRgt 4 PzRgt 36 PzRgt 2 PzRgt 204 PzRgt 201 PzRgt 24 SS-PzAbt 5 PzAbt 103 PzAbt 116 25

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15

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66 40 21 12

38 61 9 12

14 110 1 12

41 30 12

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14 114 41 19 20 4

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39 18 15 12

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8 53


Mangel an Nachschub

Der Panzer IV „Langrohr“ bringt die Überlegenheit Kommandant hat gute Beobachtungsmöglichkeiten

Die 7,5-cm-KwK 40 ist Mitte 1942 die leitungsfähigste Panzerkanone

265-PS-MaybachMotor erlaubt gerade noch ausreichende Beweglichkeit

50-mm-Frontpanzer wird im Laufe der Produktion auf gute 80 mm erhöht 40-cm-Kette bietet nur ungenügend Schlamm- und Schneegängigkeit

Zwei MG 34 zur Selbstverteidigung Einfaches BlattfederLaufwerk erlaubt nur geringe Geschwindigkeit im Gelände

Foto: Kocsis

Nach Erhöhung der Frontpanzerung auf 80 mm treten vermehrt Brüche des Seitenvorgeleges auf

REVOLUTIONÄRE ENTWICKLUNG: Bei Beweglichkeit, Panzerschutz und Bewaffnung zeigt sich der T-34 1941/42 den meisten deutschen Panzern als weit überlegen Foto: Anderson PANZERJÄGER: Die Panzer-Selbstfahrlafette 2 ist mit der russischen 7,62-Zentimeter-Feldkanone bewaffnet und soll die gegnerischen Panzer auf weite Entfernungen zerstören Foto: Anderson

Während des schnellen Vormarsches im Sommer 1941 erbeutet die Wehrmacht riesige Mengen an russischem Material, darunter die 7,62-Zentimeter-Feldkanone F-22. Diese Waffe wird – zur Nutzung deutscher Munition leicht modifiziert – als 7,62-Zentimeter-Pak 36 (r) in die deutschen Arsenale eingeführt. Parallel dazu entwickelt man die 7,5-Zentimeter-Pak 40. Im Prinzip ist das auch die Waffe, die im Panzer IV Ausf F2/G Verwendung finden soll. Die Pak 40,wie auch die 7,62-Zentimeter-Pak 36 (r) bewähren sich seit Ende 1941 gegen sowjetische Panzer. Zwar zeigen die neuen Panzerabwehrgeschütze

29. Inf.Div. PzAbt 129

60. Inf.Div. (mot.) 12 StuGAbt PzAbt 160 Heerestruppen

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8 273 56

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gute ballistische Leistungen, ihre Beweglichkeit ist jedoch je nach Witterung stark eingeschränkt. Um eben diese Mobilität sicherzustellen, entwickelt man auf Basis der PzKpfw II und 38 (t) leicht gepanzerte Selbstfahrlafetten und führt diese in größeren Mengen ein. Zunächst will man die 7,62-ZentimeterPak 36 (r) verwenden. Dieses Geschütz wird unter leichtem Panzerschutz auf die modifizierten Fahrgestelle des PzKfpw II Ausf D/E (PzSfl 1) und des PzKpfw 38 (t), (PzSfl 2), gesetzt. Beide Lösungen bewähren sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Es handelt sich aber um rein defensiv ausgerichtete Maßnahmen. Panzer oder Sturmgeschütze für Offensivoperationen können die Selbstfahrlafetten nicht ersetzen.

Aufgezehrte Kräfte Angesichts der geschilderten Ausgangssituation der deutschen Panzerkräfte zu Beginn von „Fall Blau“ drängt sich die wichtige Frage auf: Wie sind der anfangs so erfolgreiche Vormarsch und die riesigen Geländegewinne der Angreifer zu erklären? Ein bedeutender Grund ist, dass die deutschen Panzerverbände kampferprobt und ihre Soldaten mutmaßlich besser ausgebil-

det sind als der Gegner. Zudem verfügt nahezu jeder deutsche Panzer über eine funktionierende Funkverbindung – eine wesentliche Grundvoraussetzung für den „neuen“ Bewegungskrieg in den Weiten der Sowjetunion. Teils können die Einheiten mit dem roten Stern diesem Druck nicht standhalten, teils weichen sie ihm bewusst aus. Die sowjetische Militärführung leitet den Vormarsch der Deutschen – überspitzt gesagt – vielerorts ins Leere. Als die Verbände der Wehrmacht bei Stalingrad die Wolga und Hunderte von Kilometern südlich davon den Kaukasus erreichen, sind sie stark geschwächt. Ihnen fehlt ausreichend Nachschub an frischen Einheiten und modernem Material, um den seit Herbst 1942 einsetzenden Gegenangriffen der verstärkten Roten Armee standhalten zu können. Der Kraftakt auf Ketten ist krachend gescheitert. Thomas Anderson, Jg. 1958, ist als freier Autor tätig und arbeitet für verschiedene Zeitschriften und Verlage im In- und Ausland.

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Schlachten der Weltgeschichte

Die Belagerung von Paris

Entscheidung im Deutsch16. September 1870 bis 28. Januar 1871: 135 Tage lang belagern deutsche Truppen Frankreichs Hauptstadt – dann ist der Widerstand gebrochen. Dieser triumphale Sieg ebnet den Weg für die Gründung des Deutschen Reichs Von Daniel Carlo Pangerl

W

ir schreiben den 19. Juli 1870: Bismarcks diplomatischer Coup mit der Emser Depesche hat Napoleon III. in aller Öffentlichkeit bloßgestellt. Der französische Kaiser erklärt jetzt Preußen den Krieg. Die Gegenseite reagiert unverzüglich: König Wilhelm I. lässt die Truppen des Norddeutschen Bundes aufmarschieren und übernimmt höchstpersönlich den Oberbefehl. An seiner Seite steht der Chefstratege Helmuth

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von Moltke. Militärische Hilfe leisten die süddeutschen Staaten Bayern, Baden, Württemberg und Hessen-Darmstadt. Das übrige Europa bleibt neutral, denn es hält Frankreichs Aggression für unbegründet. Einen erstern französischen Vorstoß wehren die Deutschen am 2. August ab. Am Tag darauf überqueren drei deutsche Armeen, insgesamt 320.000 Mann, die gegnerische Grenze – angeführt von Karl Friedrich von Steinmetz

(1. Armee), Prinz Friedrich Karl Nikolaus (2. Armee) und Kronprinz Friedrich Wilhelm (3. Armee). Sie rücken rasch vor und erringen mehrere Siege.

Sedan und die Folgen Bereits Mitte August 1870 bricht die 3. Armee in Richtung Paris auf. Auf Befehl Moltkes ändert sie jedoch ihre Route, zieht nordwärts und vereinigt sich in den Ardennen mit wei-


TRAGIK UND TRIUMPH: Lange zögerten die Deutschen, Paris mit Artillerie zu beschießen. Mit dem Geschützfeuer begann zugleich ein großes menschliches Drama Abb.: picture alliance/akg (3)

FAKTEN

Die Gegner Deutsche Truppen Befehlshaber: König Wilhelm I. von Preußen Truppenstärke: 240.000 Mann Verluste: 12.000 gefallene Soldaten

Französische Truppen Befehlshaber: Louis Jules Trochu Truppenstärke: 500.000 Mann (inklusive Freiwilligenverbände) Verluste: 24.000 gefallene Soldaten sowie zirka 40.000 tote Zivilisten

Französischen Krieg teren deutschen Kontingenten. Im Morgengrauen des 1. Septembers 1870 beginnt dann bei Sedan eine vorentscheidende Schlacht. Die Gussstahl-Hinterladergeschütze aus der Krupp-Schmiede setzen das französische Heer unter permanentes Artilleriefeuer; deren General Patrice de MacMahon wird schwer verwundet. Nun trifft Napoleon III. in Sedan ein und übernimmt selbst das Oberkommando. Aber bald erkennt er, dass die Lage aussichtslos ist und lässt die weiße Fahne schwenken. Am Morgen des 2. Septembers kapituliert er offiziell. Der französische Kaiser und 83.000 seiner Soldaten geraten in Gefangenschaft. Clausewitz 5/2017

Die Folgen für Frankreichs staatliche Ordnung sind schwerwiegend: Wie ein Lauffeuer verbreitet sich in Paris die Kunde von der schmachvollen Niederlage. Am 4. September stürmen Revolutionäre die Deputiertenkammer und erklären die Monarchie für abgeschafft. Die Kaiserin muss fliehen; sie wird später zusammen mit ihrem Gatten ins englische Exil gehen.

Marsch auf Paris Die Amtsgeschäfte übernimmt nun eine republikanische „Regierung der nationalen Verteidigung“. Deren Wortführer Léon Gambetta und Jules Favre rufen einen

„Volkskrieg“ gegen die Deutschen aus. Die politischen Turbulenzen in Frankreich spielen Bismarck in die Karten, denn sie geben ihm handfeste Argumente, den Krieg fortzusetzen. Der Kanzler spricht davon, dass man den „revolutionären Funken“ bekämpfen müsse, ehe dieser auf deutsche Gebiete übergreife. Zudem sehen die übrigen Herrscher Europas jetzt erst recht von einer Intervention ab: Einem Land, in dem Gegner der Monarchie die Macht übernommen haben, werden sie keine Unterstützung gewähren. Der deutsche Generalstab peilt nun als Hauptziel an, Paris zu erobern: Wenn die Hauptstadt

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Schlachten der Weltgeschichte | Die Belagerung von Paris fällt, so Moltkes Überzeugung, dürfte die französische Niederlage besiegelt sein. In einer solch günstigen Verhandlungsposition könne man leicht finanzielle und territoriale Forderungen durchsetzen, etwa die Annexion von Elsass-Lothringen. Trotz des Triumphs von Sedan befinden sich die deutschen Heere in einer schwierigen Situation. Ein Teil der Truppen und Geräte sind anderweitig gebunden: Seit Mitte August belagern sie Straßburg, Toul und Metz. Ebenso besteht Personalbedarf für die Bewachung der Gefangenen und für die Absicherung der rückwärtigen Versorgungswege. Daher stehen für die Expedition nach Paris anfangs nur rund 150.000 Mann zur Verfügung. Am 2. September legen die Deutschen ihr Vorgehen fest: Lediglich das XI. preußische und das I. bayerische Armeekorps verbleiben in Sedan. Alle übrigen freien Kontingente rücken nach Paris vor. Dies sind im Wesentlichen die 3. Armee unter Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen sowie die sogenannte Maasarmee unter Prinz Albert von Sachsen. Letztere ist nach der Schlacht von Grave-

POPULÄR, ABER GLÜCKLOS

General Louis Jules Trochu (1815–1896) Trochu gehört zu den bedeutendsten Militärs, die Frankreich im 19. Jahrhundert hervorgebracht hat. Der 1815 in der Bretagne Geborene tritt 1837 in die französische Armee ein. Hier dient er zunächst als Leutnant in der Generalstabschule, dann ab 1851 im Kriegsministerium. Als General bewährt er sich im Krimkrieg (1853–1856) sowie 1859 in der Schlacht bei Solferino. Nun soll Trochu Kriegsminister werden; doch mit einer Denkschrift, die den Zustand der Armee kritisiert, verspielt er die Gunst des Hofes. Zu Beginn des Deutsch-Französischen Kriegs wird er Kommandant der 12. Territorialdivision zu Toulouse. Am 17. August 1870 ernennt ihn Napoleon III. zum Militärgouverneur von Paris. Etwa zwei Wochen später wird die Monarchie abgeschafft. Nun lässt sich der beim Volk sehr populäre Trochu auch noch zum Präsidenten der „Regierung der nationalen Verteidigung“ ernennen. Aber mit dieser Aufgabe ist er überfordert: Denn er ist zwar ein profilierter militärischer Theoretiker, aber kein „Krisenmanager“. Trochu gelingt es nicht, die deutsche Belagerung von Paris abzuwehren. Daher tritt er am 22. Januar 1871 von allen Ämtern zurück. Ein Jahr später zieht er sich desAGIERT KOPFLOS: Trochu ist zwar ein erillusioniert ins Privatleben zurück und stirbt fahrener Soldat, doch Paris verteidigt er 1896 in Tours. In seinen Memoiren muss ohne schlüssiges Konzept. Es spricht allersich Trochu eingestehen, dass er seinem Gedings von Charaktergröße, dass er diesen genspieler Moltke hoffnungslos unterlegen Fauxpas später unumwunden zugibt war: „Ich hatte für Paris weder eine strategiAbb.: picture-alliance/dpa sche noch eine taktische Idee.“

GUT GESCHÜTZT: Paris ist durch eine Reihe von Forts umgeben (das Bild zeigt die Anlagen von Süden aus gesehen), doch am Ende zahlt sich die eingeschlagene Defensivstrategie nicht aus – die Forts halten dem deutschen Ansturm nicht stand (siehe Fotos) Abb.: picture alliance/Mary Evans Picture Library; picture-alliance/akg-images (3)

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Unaufhaltsamer Marsch auf Paris

SPEKTAKULÄR: Gambetta flieht in dem Heißluftballon „Armand-Barbes“ aus dem eingeschlossenen Paris Abb.: picture-alliance/akg

verstärkt. Unterstützt wird die Festungsartillerie durch eine Flussflottille: Sie besteht aus neun Kanonenbooten, sechs dampfbetriebenen Schaluppen (Segelschiffen) und fünf schwimmenden Panzerbatterien. Der Vormarsch soll den Deutschen so schwer wie möglich fallen. Daher sprengen die Franzosen die meisten Marne- und Seine-Brücken im Umland von Paris und errichten Straßensperren und Hindernisse. Diese defensive Strategie erntet aber auch Kritik. Der berühmte Baumeister Eugène Viollet-le-Duc, damals in Paris als Hauptmann dienend, schreibt: „Es ist herrlich anachronistisch, wenn sich eine moderne Stadt wie Paris in einem so zentralisierten Land wie Frankreich in sein Verließ zurückzieht, während man das breite Land den Plünderungen preisgibt.“ Die Organisation der Verteidigung liegt in den Händen von General Louis Jules Trochu. Er ist noch von Napoleon III. zum Pariser Militärgouverneur ernannt worden und behält dieses Amt auch unter der neuen Regierung. Die Truppen, die ihm zur Verfügung stehen, geben jedoch kaum Anlass zum Optimismus. Von der geschlagenen kaiserlichen Sedan-Armee ist nurmehr ein kärglicher Rest verfügbar – und dies aus Zufall: Das XIII. Korps unter General Joseph Vinoy war zu langsam nach Sedan vorgerückt und

PREUSSENS CHEFSTRATEGE

General Helmuth von Moltke (1800–1891)

lotte am 19. August neu entstanden – aus drei Korps und Kavallerie, die ursprünglich zur 2. Armee gehört haben. Die 3. Armee nimmt die südliche Route über Reims, die Maasarmee die nördliche über Laon. Die Champagne zu durchqueren, wird zur Herausforderung, denn hier stoßen deutsche Soldaten auf erbitterten Widerstand durch die einheimische Bevölkerung. Freischärler verüben Anschläge aus dem Hinterhalt, zerstören Straßen und Proviant, können den Vormarsch jedoch nicht aufhalten.

Eine Stadt im Ausnahmezustand In Erwartung des deutschen Angriffs rüstet sich Paris für den Abwehrkampf. Die französische Hauptstadt gleicht einem Bollwerk, ein neun Meter hoher Wall umgibt sie. In Abständen von etwa fünf Kilometern befinden sich insgesamt 16 Forts, ausgestattet mit schweren Geschützen. Sie bilden zusammen einen Umkreis von rund 60 Kilometer Länge. Vor dem Wall liegt noch ein drei Meter breiter Graben. Bereits bei Kriegsausbruch werden diese Befestigungsanlagen erneuert und Clausewitz 5/2017

Der 1800 in Parchim bei Schwerin Geborene entstammt einem mecklenburgischen Adelsgeschlecht. Er dient zunächst im dänischen, seit 1822 im preußischen Militär. Der große Clausewitz ist einer seiner Mentoren. Nach einem Intermezzo im Orient kehrt Moltke 1840 nach Berlin zurück. Ab 1849 ist er Chef des Generalstabs des IV. Armeekorps, ab 1856 Adjutant von Kronprinz Friedrich Wilhelm. 1858 übernimmt er den preußischen Generalstab. Dieses militärisch-technische Büro formt er zur zentralen Planungsstelle des Heeres und der Kriegführung. Moltke hat großen Anteil an den preußischen Siegen im Deutsch-Dänischen Krieg 1864 und im Deutschen Krieg 1866. Eine taktische Meisterleistung gelingt ihm, als er den Feldzug von 1866 eröffnet: der Einmarsch in getrennten Kolonnen gegen die versammelte österreichischsächsische Armee unter dem Motto „Getrennt marschieren, vereint schlagen“. Seit 1866 General der Infanterie, triumphiert er auch im Deutsch-Französischen Krieg. Charakteristisch für seine Führung der Truppen ist hier die Vorgabe, den Anfangserfolg zu sichern: „Kein Operationsplan reicht mit einiger Sicherheit über das erste Zusammentreffen mit der feindlichen Hauptmacht hinaus“, so Moltke. Anders als Napoleon III. gewährt er den unteren Militärführern größere Handlungsfreiheit. Wilhelm von Preußen honoriert Moltkes Verdienste, indem er MULTITALENT MOLTKE: Der populäre ihm 1870 den erblichen Titel eines Grafen Preuße ist nicht nur ein brillanter verleiht und ihn 1871 zum GeneralfeldmarStratege, sondern betätigt sich auch schall ernennt. Bereits zu Lebzeiten eine als Politiker und erfolgreicher SchriftLegende, stirbt Moltke 1891 in Berlin. Abb.: picture alliance/akg-images steller

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Schlachten der Weltgeschichte | Die Belagerung von Paris somit der Katastrophe entgangen. Auf dem Rückzug kann es den deutschen Truppen ausweichen und am 13. September Paris erreichen. Neben diesen rund 60.000 Mann besitzt Trochu noch 13.000 kampferprobte Marine-Veteranen, überdies 100.000 Mobilgardisten – junge, eher schlecht geschulte Männer aus der Landwehr. Hinzu kommt die Pariser Nationalgarde, eine Freiwilligenarmee, die bei Kriegsbeginn 24.000 Mann umfasst. Indem die Verantwortlichen eine Zwangseinschreibung einführen, wächst sie auf fast 350.000 Mann an. Deren Großteil hat aber keinerlei militärische Ausbildung vorzuweisen. Entsprechend ernüchternd fällt Trochus Fazit aus: „Wir haben viele Männer, aber wenig Soldaten.“

Beginn der Belagerung Im deutschen Generalstab beraten Moltke und General Leonhard von Blumenthal, der Stabschef der 3. Armee, die weitere Vorgehensweise. In Anbetracht der momentan knappen Ressourcen beschränken sie sich vorerst darauf, die Stadt einzukesseln. Gleichzeitig hoffen sie auf baldige Hilfe durch frei werdende Truppenteile und Belagerungsgeräte, was ihnen neue Handlungsoptionen verschaffen würde. Ab dem 16. September legen die 3. Armee und die Maasarmee einen festen Ring um Paris. Ein Ausfallversuch, den Trochu am 19. September bei Versailles unternimmt, bleibt erfolglos. Am selben Tag treffen sich 40 Kilometer östlich von Paris Bismarck und der französische Außenminister Favre. Verhandlungen über einen Waffenstillstand und Friedensvertrag scheitern jedoch vorerst am Streitobjekt Elsass-Lothringen. Während in Paris die Soldaten auf beiden Seiten in Lauerstellung ausharren, ereignen sich in anderen Regionen Frankreichs wichtige Entscheidungen. Am 23. September kapituliert Toul, am 28. September Straßburg.

HINTERGRUND

Die deutsche Artillerie Ein entscheidender Faktor für die Einnahme von Paris ist die Schlagkraft der deutschen Artillerie. Ihre Stärke verdankt sie einer Innovation der Firma Krupp: Diese „Waffenschmiede“ baut 1858 erstmals ein Hinterlader-Geschütz mit gezogenem Rohr. Am 7. Mai 1859 befielt der damalige Prinzregent und spätere Kaiser Wilhelm, die SechsPfünder-Feldkanone C/61 einzuführen. In der preußischen Artillerie werden die herkömmlichen Vorderlader-Geschütze mit glattem Rohr sukzessive durch Hinterlader-Geschütze mit gezogenem Rohr ersetzt. Anstelle von Rundkugeln verwendet man zunehmend Langgeschosse – sogenannte Bleihemdgranaten. Der Bleiüberzug auf der Hülle verleiht dem Geschoss starken Drall, wodurch Reichweite und Zielsicherheit zunehmen. Diese technischen Neuerungen

führen im Deutsch-Dänischen Krieg 1864 zu einer Reorganisation der preußischen Artillerie: Es wird nun zwischen Feld- und Festungsartillerie unterschieden. Im DeutschFranzösischen Krieg 1870/71 kommt bevorzugt die Vier-Pfünder-Feldkanone C/67 zum Einsatz: Mit einer Reichweite von fünf Kilometern (doppelt so groß wie die der gegnerischen Modelle), einer Feuergeschwindigkeit von bis zu zehn Schuss pro Minute und mörderischer Präzision verursacht dieses Geschütz in Paris ein Inferno.

EIN RUF WIE DONNERHALL: Die Geschütze der Firma Krupp haben einen maßgeblichen Anteil an den deutschen Erfolgen gegen Frankreich. Das Foto zeigt einen Krupp-Hinterlader auf einer Ausstellung in Amerika Abb.: picture alliance/Everett Collection

Hierdurch werden deutsche Kontingente und Material für den Kampf um die Hauptstadt freigesetzt. Außerdem kann die Belagerungsarmee jetzt die Eisenbahnverbindung zur Saar nutzen, um dringend nötigen Nachschub herbeizuschaffen. Unter den Einwohnern von Paris verbreiten sich zunehmend Panik und Hysterie. Nahrungsmangel und galoppierende Geldentwertung verstärken dieses Klima der Angst. Unterdessen bezieht König Wilhelm am 6. Oktober sein neues Hauptquartier im

Schloss Versailles. Hier residieren auch Bismarck, der deutsche Generalstab und der Stab der 3. Armee. Bismarck drängt auf eine schnelle Entscheidung und fordert den Beschuss von Paris mit Kanonen; er kann sich aber zunächst nicht durchsetzen. Wilhelm warnt vor negativer Berichterstattung in der internationalen Presse, Moltke verweist auf logistische Probleme. Zudem gibt es die berechtigte Sorge, dass eine abrupt erzwungene Kapitulation die französischen Truppen außerhalb von Paris im Felde unbesiegt zurückließe. Hieraus könne schon bald

IM WÜRGEGRIFF: eine deutsche Geschützstellung vor Paris. Die französische Hauptstadt ist völlig eingeschlossen Abb.: picture-alliance/akg-images

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Geburt des Deutschen Reiches TRIUMPHAL: Deutsche Truppen (mit Kaiser Wilhelm an der Spitze) ziehen am 1. März 1871 feierlich in Paris ein Abb.: picture-alliance/akg-images

ein neuer Krieg entbrennen. Während die deutsche Führung noch diskutiert, gelingt ein spektakulärer Fluchtversuch, der für weltweite Schlagzeilen sorgt: Am 7. Oktober verlässt der französische Innenminister Gambetta mit einem Heißluftballon Paris. Er richtet in Tours eine neue Regierung ein und bemüht sich, Truppen zum Entsatz der Hauptstadt zu organisieren.

Die Festung Metz fällt Am 27. Oktober kapituliert die Festung Metz, so dass Prinz Friedrich Karl und seine Truppen Kurs auf Paris nehmen können. Diese schockierende Nachricht lässt ganz Frankreich erzittern. In der Hauptstadt kommt es zu tumultartigen Unruhen, die Nationalgardisten brutal niederschlagen. Trochu gerät zunehmend in die Kritik. Daher wagt er am 30. November einen neuerlichen Ausbruchsversuch. Seine Überlegung lautet: Falls es gelänge, die Eisenbahnlinie über Lagny zurückzuerobern, wären die Deutschen von ihrer wichtigsten Versorgungslinie abgeschnitten. Trochus Vertrauter General Ducrot übernimmt das Himmelfahrtskommando: Er erringt mit einem Heer von 80.000 Mann bei Villiers einen Achtungserfolg, doch bereits am 2. Dezember Clausewitz 5/2017

kann die Württembergische Division ihn wieder hinter die französischen Linien zurückdrängen. In der Zwischenzeit treffen die deutschen Belagerungsgeräte aus Metz ein. Dies verleiht König Wilhelm und Moltke neuen Handlungsspielraum. Um endlich eine Entscheidung zu erzwingen, befehlen sie am 27. Dezember den Einsatz von Geschützen. 76 Kanonen von der Ostfront und 98 Kanonen von der Südfront nehmen den Stadtwall unter permanenten Beschuss. Obgleich sich die Gegner tapfer wehren, können die deutschen Soldaten die Pariser Forts erstürmen und die Position ihrer Kanonen nach vorne verschieben. Jetzt liegt auch das Stadtgebiet in Reichweite: Täglich prasseln bis zu 400 Granaten auf die aufgeschreckten Bewohner nieder. Am 19. Januar 1871 unternimmt Trochu mit 90.000 Mann einen letzten, verzweifelten Ausfall; er wird jedoch bei Buzenval nahe Versailles von Kronprinz Friedrich Wilhelm besiegt. Diese Schlacht fordert rund 4.000 französische und 600 deutsche Todesopfer. Daraufhin reicht Trochu seinen Rücktritt ein und übergibt an General Vinoy. Am 22. Januar zetteln Teile der Nationalgarde und der Bürgerschaft in Paris einen Aufstand an.

Nun steht die republikanische Regierung mit dem Rücken zur Wand. In dieser ausweglosen Lage reist Außenminister Favre nach Versailles, um mit Bismarck zu verhandeln. Am 28. Januar wird ein Waffenstillstandsvertrag unterzeichnet; einen Tag später müssen alle französischen Soldaten ihre Waffen niederlegen. Nach 135 Tagen findet die Belagerung von Paris ein Ende.

Weitreichende Folgen Mit dem Sieg der deutschen Truppen über Paris endet der Deutsch-Französische Krieg. Frankreich muss das Elsass und Teile Lothringens an Deutschland abtreten. Zudem legen die Sieger eine Reparation in Höhe von fünf Milliarden Francs in Gold fest, innerhalb von drei Jahren zu zahlen. Für Frankreich bedeutet die Niederlage eine nationale Schmach, die das diplomatische Verhältnis zu Deutschland bis zum Ersten Weltkrieg vergiften wird. „Zankapfel“ bleibt Elsass-Lothringen. Das zentrale Ereignis auf deutscher Seite ist der lang ersehnte Nationalstaat. Dr. Daniel Carlo Pangerl, Jg. 1983, ist Historiker aus Starnberg.

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Militärtechnik im Detail

DER JAPANISCHE PANZER TYP 97 CHI-HA

Illustration: Jim Laurier

MITTELSCHWERE MASCHINE HERR DER TASTEN

Japanische Soldaten auf einem Typ 97 während des Vordringens der kaiserlichen Armee in die Stadt Hengyang in China (1944)

Im Turm des „97“ kommunizierte der Kommandant mit dem Fahrer nicht über eine Sprechanlage, sondern über zwölf Richtungs-Tasten

MUSKELPANZER Die 50 Millimeter starke Panzerung an der Kanone genügte gegen leichte Waffen, nicht jedoch gegen schwere Geschütze wie die 75-MillimeterKanone des Sherman

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ie Namensgebung „97“ des 15-Tonnen-Fahrzeugs spiegelt dessen Konstruktion im Jahr 2597 des traditionellen japanischen Kalenders wider (was 1937 unserer Zeitrechnung entspricht). Die Bezeichnung „Chisensha“ bedeutet „mittelschwerer Panzer“, „Ha“ (drei) bezieht sich auf die dritte Ausführung. Das verbesserte Modell stellte die Antwort auf die im August 1939 bei Chalchyn gol (Mongolei) erlittene Niederlage gegen sowjetische Panzer dar. Der schlagkräftigere „97“ durchquerte mühelos sumpfiges Gelände und glitt durch den malaiischen Dschungel, um das britische Singapur zu überrollen. Auf den Philippinen war die Kanone mit hoher Mündungsgeschwindigkeit in der Lage, die leichten amerikanischen M3-Stuart-Panzer zu zertrümmern. Als das Kaiserreich im Pazifikkrieg in die Defensive gedrängt wurde, verwendeten die Japaner die Panzer als „selbstfahrende Festungen“, die man in Stellung brachte und eingrub, damit sie als statische Verteidigungspunkte dienten. Beim größten japanischen Panzerangriff mit „97ern“ auf Saipan konnten allerdings die Männer des 6. US-Marine-Infanterieregiments den Gegner mit Mörsern, Maschinengewehren, Bazookas und Artillerie – unterstützt durch Schiffsartillerie – zurückwerfen. Ein mittelschwerer amerikanischer Panzer war jedoch in der Lage, es mit mindestens zwei Typ 97 aufzunehmen; als 14 Chi-Has zusammen mit 13 leichten Panzern auf Okinawa 800 Shermans gegenüberstanden, war der tödliche Ausgang vorhersehbar.

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VERKLEINERTES KALIBER 1942 wurde die 57-MillimeterKanone mit höherer Mündungsgeschwindigkeit gegen die frühere 47-Millimeter-Kanone ausgetauscht

KEINE KOMFORTZONE Der Chi-Ha war funktional geplant, nicht für die Bequemlichkeit der Besatzung. Die schlechte Federung des vollgepackten Fahrzeugs war nicht gerade komfortabel für die Mannschaft


DIE KONKURRENZ DEUTSCHER PANZER IV

Besatzung: fünf Mann Reichweite: knapp 200 Kilometer Höchstgeschwindigkeit: 40 km/h Stärkste Panzerung: 7,8 Zentimeter Bewaffnung: 75-Millimeter-Kanone, 2 x 7,92-Millimeter-Maschinengewehre Gewicht: 25 Tonnen Produktion: 8.553 Stück Varianten existierten als Luftabwehrpanzer, Sturmgeschütz und Panzerjäger

FRANZÖSISCHER CHAR B1

Besatzung: vier Mann Reichweite: 190 Kilometer Höchstgeschwindigkeit: 27 km/h Stärkste Panzerung: 5,8 Zentimeter Bewaffnung: 75-Millimeter-Haubitze, 47-Millimeter-Kanone, 2 x 7,5Millimeter-Maschinengewehre Gewicht: 28 Tonnen Produktion: 405 Stück Die Wehrmacht verwendete erbeutete B1Panzer und funktionierten sie für andere Zwecke um

US LEE M3

Besatzung: sechs Mann Reichweite: 190 Kilometer Höchstgeschwindigkeit: 40 km/h Stärkste Panzerung: 3 Zentimeter Bewaffnung: 75-Millimeter-Kanone, 37-Millimeter-Kanone, 2 x Maschinengewehr .30 cal. (7,62 Millimeter) Gewicht: 27 Tonnen Produktion: 6.258 Stück Panzerbesatzungen der Roten Armee nannten den altmodischen M3 das „Sechs-Mann-Grab“

BRITISCHER MATILDA II

Besatzung: vier Mann Reichweite: 250 Kilometer Höchstgeschwindigkeit: 25 km/h Stärkste Panzerung: 7,6 Zentimeter Bewaffnung: 40-Millimeter-Kanone, 1 x 7,92-Millimeter-Maschinengewehr Gewicht: 25 Tonnen Produktion: 2.987 Stück Zwischen 1940 und 1941 war der Spitzname des Matilda II in Nordafrika „Wüstenkönigin“

IMMER COOL BLEIBEN Der V-12-Mitsubishi-Motor war luftgekühlt – ein Vorteil in den Tropen – und erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von knapp 40 Kilometern pro Stunde. Die Reichweite des „97“ betrug etwa 200 Kilometer

Soldaten des 26. Panzerregiments gruben diesen Chi-Ha – einen von elf auf Iwojima bei der Landung der US-Truppen – bei Hügel 382 ein Abb.: National Archives (beide Fotos)

In dieser Serie u. a. bereits erschienen: Amerikanisches M1918A2 Browning Automatic Rifle (4/2016) Deutsche Panzerfaust 60 (5/2016) Amerikanischer P-38-Abfangjäger (6/2016) Sowjetischer schwerer Panzer IS-2 (Josef Stalin) (1/2017) Japanische Bomben und Torpedos bei Pearl Harbor (2/2017) US-Jagdbomber P-51D Mustang (3/2017) Sowjetischer Raketenwerfer Katjuscha (4/2017)

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Menschen und Geschichten

Steiner – Das Eiserne Kreuz

Der Tod in Zeitlupe

1977: Der von Actionspezialist Sam Peckinpah inszenierte Weltkriegsfilm Steiner kommt in die Kinos – und wird kontrovers diskutiert. Heute ist der 40 Jahre alte „Ostfront-Western“ längst zum Kultfilm avanciert …

Von Alexander Querengässer

MEHRFRONTEN-KRIEG: Feldwebel Steiner (James Coburn) muss sich nicht nur gegen die Rote Armee zur Wehr setzen, sondern auch gegen die eigenen Offiziere. Peckinpahs einziger wirklicher Kriegsfilm schildert das harte Los einer Gruppe Wehrmachtssoldaten an der Ostfront Abb.: picture alliance/PictureLux

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ie Ostfront 1943: Nach dem Rückzug von einer Patrouille erfährt Feldwebel Rolf Steiner, dass seine Kompanie einen neuen Kommandeur erhalten hat. Hauptmann Stransky entspringt altem deutschen Adel, hat sich aber im Krieg noch nicht bewähren können. Nun möchte er unbedingt das Eiserne Kreuz erlangen, das Steiner schon besitzt, weil er im Kampf seinem Regimentskommandeur Oberst Brandt das Leben gerettet hat. Die beiden Männer geraten schnell aneinander, denn Stransky verkörpert jenen Typ Offizier, den Steiner abgrundtief hasst. Nach außen hin sehr auf die Einhaltung von Vorschriften bedacht, entpuppt er sich bei einem ersten sowjetischen Angriff als Feigling. Der Feind kann zwar durch das Eingreifen Leutnant Meyers zurückgeschlagen werden. Allerdings wird Meyer dabei getötet und Steiner schwer verwundet. Anschließend behauptet Stransky, er habe die Verteidigung geleitet und fordert für sich selbst das Eiserne Kreuz ein. Unterstützt wird er dabei durch die Aussage seines Adjutanten Triebig, den er mit dessen Homosexualität erpresst. Nach seinem Lazarettaufenthalt widerlegt Steiner den Bericht seines Hauptmanns, weigert sich aber gegenüber Oberst Brandt gegen Stransky auszusagen. Als die Sowjets eine neue Offensive einleiten, unterlässt es Stransky, Steiners Zug über den eingeleiteten Rückzug zu informieren, weil er hofft, so den ungeliebten Feldwebel aus dem Weg zu räumen. Allerdings gelingt es dem Trupp, den Rotarmisten zu entkommen und einen Funkspruch abzu-

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setzen, der das Regiment von ihrer Rückkehr informiert. Diese Meldung wird von Stransky abgefangen, der Triebig dazu auffordert, die Rückkehrer erschießen zu lassen. Tatsächlich kommen fast alle von Steiners Männern nur wenige Meter vor den eigenen Linien um. In seiner Wut erschießt der Feldwebel Triebig. Er sucht nach Stransky, um auch diesen zu töten, als ein weiterer sowjetischer Großangriff einsetzt. Daraufhin schnappt er sich seinen Hauptmann, führt ihn in den Kampf und in das Land, „wo die Eisernen Kreuze wachsen.“

Ein Bestseller als Vorlage 1953 versucht sich der junge Produzent Wolf C. Hartwig mit dem semidokumentarischen Spielfilm Bis fünf nach zwölf – Adolf Hitler und das 3. Reich am deutschen Filmmarkt zu etablieren. Hartwig hat Erfolg und baut in den folgenden Jahren ein wachsendes Spielfilmimperium auf. In den Sechzigern produziert er Filme in allen seinerzeit beliebten Genres: Western, Agenten- und AbenteuerLISTE

Die besten Ostfront-Filme ■

Hunde, wollt ihr ewig leben? (BRD,1959) Befreiung (UdSSR 1969–1972) ■ Stalingrad (BRD 1993) ■ Ein Menschenschicksal (UdSSR 1959) ■ Iwans Kindheit (UdSSR 1962) ■

VATER DER VORLAGE: Steiner basiert auf dem Roman Das geduldige Fleisch (1955 erschienen) von Willi Heinrich (1920–2005), in dem er eigene Erlebnisse als Soldat an der Ostfront verarbeitet Abb.: picture-alliance/dpa

filme. In den Siebzigern lässt er mit der Reihe Schulmädchenreport die deutschen Kinokassen klingeln. 1975 fühlt Hartwig sich bereit, auf den internationalen Kinomarkt vorzustoßen. Dafür sichert er sich die Rechte an Willi Heinrichs Weltkriegsroman Das geduldige Fleisch. In dem Buch verarbeitet Heinrich seine eigenen Kriegserlebnisse an der Ostfront. Während der Schlacht um eine sowjetische Fabrik gerät der junge Unteroffizier Steiner auch in Konflikte mit seinen Vorgesetzten, die die Kämpfe vor allem als Gelegenheit sehen, für sich selbst das Eiserne Kreuz zu erwerben. Den eigenen Landsern und auch Steiner, der die Auszeichnung bereits für seine persönliche Tapferkeit erhalten hat, sind solche Überlegungen fremd. Ihnen geht es vorrangig um das eigene Überlegen. Die Figur des Rolf Steiner basiert im Wesentlichen auf dem Leben von Johann Schwerdfeger, der von 1942 bis 1944 als Feldwebel in einem deutschen Jägerbataillon diente. Die Entscheidung zur Verfilmung von Das geduldige Fleisch scheint nahe liegend, denn das Buch hat auch auf dem englischsprachigen Buchmarkt bereits hohe Verkaufszahlen erreicht und ist von den Kritikern wegen seiner nüchternen Darstellung der deutschen Soldaten gelobt worden. Bei der Besetzung des Regisseurs gelingt Hartwig ein weiterer Coup, denn er kann Sam Peckinpah für den Job engagieren.

Der richtige Regisseur

HÖLLE DES KRIEGES: Auch in Stalingrad (1993) kämpfen deutsche Soldaten ums ÜberAbb.: picture-alliance/KPA leben

Clausewitz 5/2017

Die Wahl Peckinpahs ist ungewöhnlich. „Bloody Sam“, wie er von seinen Kritikern genannt wird, hat Ende der 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre eine Reihe von Western und Actionfilmen gedreht, die aufgrund ihrer exzessiven Gewaltdarstellung vom Publikum gut aufgenommen, von den Kritikern jedoch harsch gescholten werden. Dabei geht es Peckinpah nie darum, Gewalt zu verherrlichen, sondern diese realistisch darzustellen. Als er bei einem Jagdausflug mit seinem Vater seinen ersten Hirsch erlegt, spielt sich der Tod des Tieres vor den inneren Augen des jungen Peckinpah in Zeitlupe ab

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Menschen und Geschichten | Steiner – Das Eiserne Kreuz TALENTIERTE TRUPPE: Neben James Coburn (Steiner) sind es gerade die „kleinen“ Rollen, die hervorstechen: Maximilian Schell (Stransky), James Mason (Brandt), Senta Berger (Krankenschwester Eva), Klaus Löwitsch (Krüger), Vadim Glowna (Kern) und Burkhard Driest (Maag) Abb.: picture alliance/Mary Evans Picture Library

WEIN UND WEIB: Steiner mit „seiner” Krankenschwester (Senta Berger) in einer der wenigen lieblichen Szenen des Films Abb.: picture alliance

– ein oft beobachtetes psychologisches Phänomen. Diesen Tod in Zeitlupe baut der Regisseur später virtuos in seine Filme ein. Es geht ihm dabei nicht darum, dem Sterben etwas Spektakuläres abzugewinnen, sondern er will den Tod nicht trivialisieren, wie es so viele Western dieser Zeit tun. Peckinpah strebt immer danach, authentisch zu sein. Deshalb lehnt er Mitte der 1970er-Jahre auch lukrative Angebote wie King Kong und Superman ab. Riesenaffen und fliegende Außerirdische mit Laserblick passen nicht in seine Welt. Er kehrt dem entstehenden Blockbuster-Kino Hollywoods daher den Rücken, um im sozialistischen Jugoslawien einen westdeutschen Weltkriegsfilm zu drehen.

Brillant besetzt Peckinpah kommt nicht allein. Mit seiner Besetzung gelingt es auch, James Coburn für die Hauptrolle zu engagieren. Für den Steiner aus Heinrichs Roman ist Coburn mit seinen fast fünfzig Jahren zu alt, denn eine der dramatischen Facetten dieses Unteroffiziers

liegt darin begründet, dass er aus dem Jugendalter direkt in einen brutalen Krieg geworfen wird. Der Film scheint diese Thematik aufzugreifen, denn die Titelsequenz beginnt mit dem Kinderlied „Hänschen klein“, geht in das Horst-WesselLied und schließlich in die erste Kampfszene über. Abgesehen davon legt der Amerikaner in dem Film allerdings eine hervorragende schauspielerische Leistung ab. Coburn und Peckinpah haben bereits mehrfach zusammengearbeitet, ebenso wie der britische Charakterdarsteller James Warner, der den Regimentsadjutanten Hauptmann Kiesel spielt. Zur Freude Peckinpahs und Hartwigs kann für die Rolle des Obersten Brandt James Mason gewonnen werden. Mason ist dem deutschen und dem internationalen Publikum vor allem für seine Darstellung als Feldmarschall Erwin Rommel in Henry Hathaways Der Wüstenfuchs in Erinnerung geblieben. STEINER IM WILDEN WESTEN: Die deutschen Soldaten in Steiner weisen eine deutliche Nähe zu Peckinpahs ambivalenten Westernhelden auf – sie sind aus demselben Holz geschnitzt. Die abgebildete Szene mit William Holden aus The Wild Bunch (1969) zeigt auch die stilistische Verwandtschaft beider Filme Abb.: picture alliance/Mary Evans Picture Library

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Die Männer in Steiners Kompanie werden dagegen überwiegend von deutschen Schauspielern verkörpert. Die Rolle des ehrgeizigen Stransky geht an Maximilian Schell, seine rechte Hand Triebig spielt Roger Fritz, von dessen Film Mädchen: Mit Gewalt Peckinpah sehr angetan war. Mit Vadim Glowna, Dieter Schidor, Burkhardt Driest, Fred Stillkrauth und Michael Nowka erhalten einige der damals größten Talente des deutschen Films Rollen als Steiners Soldaten. Peckinpah macht sich auch an eine Überarbeitung der ersten Drehbuchfassung, die von Julius Epstein (der auch den Klassiker Casablanca geschrieben hat) erstellt worden ist. Nach Ansicht Peckinpahs enthält das Script zu viele Klischees über das Soldatenleben. Daher engagiert er den amerikanischen Koreakriegsveteranen Jim Hamilton und beginnt mit ihm und dem Autor Walther Kelley, das Drehbuch zu überarbeiten. Um ein Gefühl für das Leben in der Wehrmacht zu bekommen, fliegt Peckinpah nach Deutschland und besucht dort Archive, um Augenzeugenberichte und alte Wochenschauaufnahmen zu sichten. Eine komplett eigenständige Geschichte bildet Steiners Romanze mit einer Krankenschwester, die er nach seiner Verwundung


Sliwowitz beim Steiner-Dreh in Slowenien HINTERGRUND

„Bloody“ Sam Peckinpah Geboren 1925 in Fresno, Kalifornien, beginnt Peckinpah nach seinem Wehrdienst bei den Marines Dramaturgie zu studieren und macht sich in den späten Fünfzigern einen Namen als Autor mehrerer erfolgreicher Westernserien. Seinen Durchbruch als Regisseur erzielt er 1962 mit seinem zweiten Spielfilm Sacramento. Sein drittes Projekt Sierra Charriba gerät jedoch im Jahr 1965 zum Debakel, nachdem das Studio ihm während der Dreharbeiten das Budget kürzt. Peckinpah dreht weiter wie ursprünglich geplant und wird anschließend von den großen Studios gemieden. 1969 gelingt ihm mit The Wild Bunch ein fulminantes Comeback. Exzessive Gewaltdarstellungen mit Hilfe von Zeitlupen werden sein Markenzeichen. Dennoch gilt Peckinpah als schwierig. Er verfällt dem Alkohol und legt sich weiterhin mit den Studiobossen an. Sein Western Pat Garret jagt Billy the Kid wird 1973 zu einem ähnlichen Debakel wie Sierra Charriba. Peckinpah beginnt Drogen zu nehmen, wodurch die Qualität seiner Filme zunehmend leidet. Im Jahr 1984 stirbt er an den Folgen eines Schlaganfalls.

in einem Lazarett kennenlernt. Dieser Nebenplot ist in Heinrichs Buch nicht enthalten und wird eigens von Peckinpah in das Skript eingefügt, nachdem er einige Monate vor Drehbeginn auf einem Münchener Filmball Senta Berger wiedertrifft. Berger hat 1965 mit Peckinpah Sierra Charriba gedreht, und der Regisseur will sie unbedingt für das neue Projekt gewinnen, weswegen er diese Rolle schafft.

Knappe Kasse Am 29. März 1976 beginnen die Dreharbeiten im slowenischen Teil Jugoslawiens. Hartwig bietet das gewaltige Budget von 16 Millionen D-Mark auf, was Steiner zur bis dahin teuersten Nachkriegsproduktion des deutschen Kinos werden lässt. Doch das Geld soll nicht reichen. Ursprünglich hat Hartwig geglaubt, mit 10 Millionen Mark auskommen zu können. Jugoslawien ist ein kostengünstiges Produktionsland, wo er in den Sechzigern bereits einige seiner Western und Agentenfilme hat drehen lassen. Nun stellt sich schnell heraus, dass trotz Unterstützung durch die jugoslawische Armee das Geld nicht reichen wird. Außerdem hat Hartwig bisher nur einen Bruchteil des Budgets tatsächlich zusamClausewitz 5/2017

KONTROVERSER KÜNSTLER: Sam Peckinpah (1925–1984) ist einer der talentiertesten und umstrittensten Regisseure Amerikas. Seine Vorliebe für Gewaltszenen und Unnachgiebigkeit gegenüber den Filmproduzenten brachte ihm die Spitznamen „Bloody Sam“, „Picasso of Violence“ und „Hollywoods Bad Boy“ ein Abb.: picture-alliance/dpa

men, weil ein Teil der Gesamtsumme aus Vorverkaufsrechten stammt. Als die Filmcrew schließlich in Jugoslawien eintrifft, sind die Sets noch nicht fertiggestellt.

zu verdanken, dass er diese aus verschiedenen Perspektiven filmte und so dem Zuschauer das Vorhandensein einer wesentlich größeren Zahl Panzer vortäuscht. Außerhalb der Bilder lässt der Regisseur CrewMitglieder mit brennenden Autoreifen auf und ab laufen, so dass Kameramann John Coquillon – ebenfalls ein Peckinpah-Veteran – authentisch wirkende Schlachtszenen einfangen kann. Allerdings hat Peckinpah auch mit persönlichen Problemen zu kämpfen. Er ist längst von Alkohol zu Kokain übergegangen, welches er aber in Jugoslawien nicht bekommt. Daher beginnt er, Sliwowitz zu trinken. Mit diesem Obstbrand gelingt es ihm tatsächlich, sich zwei bis drei Wochen lang unter Kontrolle zu bringen, aber darauf folgen Momente des inneren Zusammenbruchs. Seine Anweisungen werden konfus, er hat Aussetzer und vergisst teilweise, welche Szenen er bereits gedreht hat. Dazu kommt, dass Peckinpah nicht immer Rücksicht auf Hartwigs kleiner werdende Geldreserven nimmt. Dem Produzenten hätte dies durchaus bewusst sein müssen. Schon zwei Mal hat sich Peckinpah mit seinen Bossen angelegt, 1965 bei Sierra Charriba und 1973 beim Dreh von Pat Garret jagt Billy the Kid. In beiden Fällen ist ihm kurz vor Drehbeginn das Budget massiv gekürzt worden. Peckinpah ignorierte damals diesen Umstand und drehte die Filme, die ihm vor-

„Wir werden es richtig machen! Wir werden diese Szene nicht drehen! Wir werden die Szene drehen, die Sam drehen will! Jetzt bringt diesen Scheiß vom Set.“ James Coburn zu Wolf Hartwig während der finalen Dreharbeiten

Peckinpah streicht daher kurzerhand mehrere Schlachtszenen mit Flugzeugen aus dem Drehbuch. Für die im Film gezeigte Szene einer sowjetischen Panzeroffensive stehen ihm ganze drei T-34 zur Verfügung. Hartwig hatte ihm 15 versprochen. Es ist Peckinpahs Erfahrung und Geschick SCHWACHES SEQUEL: Steiner II (der „WestfrontSteiner“) ist mit Richard Burton, Rod Steiger, Curd Jürgens und Robert Mitchum zwar hervorragend besetzt, kann aber trotz dieser Stars nicht mit Peckinpahs kompromissloserem Film konkurrieren Abb.: Archiv Clausewitz

schwebten. Das gleiche tut er jetzt in Jugoslawien. Die große Anzahl an Actionszenen, die Peckinpah in seiner üblichen Zeitlupentechnik drehen will, sind äußerst kostenintensiv, da die verwendeten High-Speed Kameras eine Warmlaufzeit benötigen und daher viel mehr Filmmaterial verbrauchen. Je weiter der Dreh voranschreitet, desto mehr geht das Budget zur Neige. Peckinpah sieht sich schließlich dazu gezwungen, aus eigener Tasche 90.000 Dollar Gagen für seine Crew aufzubieten.

Kein Blockbuster An den letzten drei Drehtagen soll schließlich die finale Schlacht gefilmt werden. Alles ist vorbereitet, als Hartwig persönlich am Set erscheint und Peckinpah mitteilt, dass seine letzten finanziellen Reserven erschöpft sind.

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Menschen und Geschichten | Steiner – Das Eiserne Kreuz STEINERS WIRKLICHKEIT: Artilleriebeschuss, Detonationen und Nahkämpfe mit den Sowjets. Peckinpahs Kriegsfilm beschönigt die Ostfront nicht, dennoch wird ihm eine „Faszination an der Gewalt“ vorgeworfen Abb.: picture alliance/Mary Evans Picture Library

ACTION AN DER OSTFRONT: Steiner enthält die „typischen“ Peckinpah-Ingredienzien wie Gewalt und Zeitlupenaufnahmen. Kritiker wurden oft nicht warm mit Steiner, das (deutsche) Publikum liebte den Film hingegen. Jeder sollte sich sein eigenes Bild maAbb.: picture alliance/Mary Evans Picture Library chen …

Er soll einen abschließenden Dialog zwischen Steiner und Stransky drehen und den Film beenden. Peckinpah bricht zusammen. „Sie nehmen mir den beschissenen Film weg“, klagt er. James Coburn, der genau weiß, wie sein Regisseur sich fühlt – er war sowohl an Sierra Charriba als auch an Pat Garret beteiligt – wirft Hartwig und seinen Co-Produzenten Alex Winitsky laut fluchend vom Set. Anschließend versammelt er die Crew und überzeugt sie, Peckinpah bei der Beendigung des Films zu helfen. Das Ergebnis ist ein famoser Kompromiss, denn anstatt in drei Tagen dreht Peckinpah in vier Stunden eine gekürzte Schlachtszene.

Gemischte Kritiken Nach 89 Drehtagen werden die Arbeiten am Film beendet. Hartwig sieht sich gezwungen, Teile der Filmrechte an die britische EMI zu verkaufen. In London erstellt Peckinpah mit seinem Cutter Tony Lawson eine 132-Minuten-Fassung des Films. Zumindest dieses Recht hat sich der Regisseur sichern können. In Amerika sind viele seiner Filme entgegen seiner Wünsche von den Studios umgeschnitten worden. Steiner soll, abgesehen von den budgetbedingten Einschränkungen bei der Schlussszene, seinen Vorstellungen entsprechen. Der Film wird nur teilweise der von Hartwig gewünschte Erfolg. In Deutschland und Österreich avanciert er umgehend zum Kassenschlager, ebenso in Ja-

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pan. In Amerika ist Steiner dagegen kein Erfolg beschieden, was vermutlich daran liegt, dass ein Film über Wehrmachtssoldaten und ohne GIs dem dortigen Publikum zu wenig Identifikationsmöglichkeiten bietet. Die Kritikermeinungen driften, wie bei jedem Peckinpah-Film, auseinander. Orson Wells nennt

EMPFEHLUNG

Steiner auf DVD/Blu-ray Die offizielle Laufzeit des Films beträgt 132 Minuten. Die erste deutsche DVD-Fassung (FSK 16) von Kinowelt ist um zirka eine Minute gekürzt und enthält auch keinerlei Extras. Die 2011 erschienene deutsche Blu-ray ist dagegen ungekürzt erschienen. Diese enthält außerdem umfangreiches Bonus-Material, unter anderem Teile von Passion & Poetry, einer biografischen Dokumentation von Filmemacher Mike Sigel, bei der etliche am Dreh beteiligte Schauspieler und Crewmitglieder zu Wort kommen. Die ungekürzte Version des Films wurde inzwischen – allerdings nur mit einem Teil der Extras der Blu-ray – auch auf DVD veröffentlicht.

Steiner den besten Kriegsfilm seit Im Westen nichts Neues. Die meisten übrigen amerikanischen Kritiker haben Peckinpah hingegen längst abgeschrieben und verurteilen ihn als einen mittelmäßigen Regisseur, der lediglich ein Händchen für Actionszenen hat. Zudem kann sich ein komplexer Film wie Steiner im beginnenden Blockbuster-Zeitalter nicht durchsetzen. Schnell wird der Film nur noch in zweitklassigen Kinos gezeigt und spielt in den USA und Großbritannien gerade einmal 635.620 Dollar ein, gegenüber erstaunlichen 81 Millionen für Superman – den Peckinpah abgelehnt hat – und fast 176 Millionen für Star Wars. Im Jahr 1977 erhält Peckinpah den Bambi und sein Film ein Jahr später in Deutschland das Prädikat „wertvoll“. Aber auch hier werfen einige Kritiker dem Film – zu Unrecht – vor, Peckinpah würde eine tiefschürfende Darstellung seiner Figuren zugunsten dramatischer Actionszenen opfern. Kein Urteil kann den Intentionen dieses Regisseurs mehr Unrecht tun. Alexander Querengässer, Jahrgang 1987, ist Militärhistoriker und Autor aus Dresden.


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Schlachten der Weltgeschichte

Die Schlacht bei Marengo

Napoleons

Schicksalsstunde Sommer 1800 Bei dem oberitalienischen Dorf Marengo erleidet Napoleon fast eine Niederlage gegen die Österreicher. Nur die Initiative einiger seiner Offiziere wendet das Blatt in letzter Minute – und ebnet den Weg für Napoleons Griff zu Kaiserkrone Von Jens Florian Ebert

Die Gegner FRANZÖSISCHE ARMEE UNTER NAPOLEON Zirka 24.300 Mann Infanterie, 3.700 Reiter, 24 Geschütze ÖSTERREICHISCHE ARMEE UNTER MELAS Zirka 23.300 Mann Infanterie, 7.700 Reiter, 100 Geschütze

ESSENZIELLER ERFOLG: Ohne den Sieg bei Marengo wäre Napoleons Aufstieg wohl anders verlaufen Abb.: picture alliance/Heritage Images

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U

mringt von seinen Adjutanten, sitzt Napoleon am Rande der Straße nach San Giuliano und sieht schweigend zu, wie seine geschlagenen Truppen an ihm vorbeiziehen. Er denkt daran, dass eine Niederlage gegen die Österreicher seine Macht in Paris gefährden könnte. Erregt schlägt er mit seiner Reitgerte in den aufgewirbelten Staub – wird General Louis Desaix mit seiner Division noch rechtzeitig auf dem Schlachtfeld eintreffen?

Bedrängter Bonaparte Nachdem Napoleon durch seinen Staatsstreich vom 9. November 1799 das Direktorium gestürzt hat, nutzt er seine starke Position als Erster Konsul, um Frankreich eine neue Verfassung zu geben und politisch zu stabilisieren. Doch da Frankreich bei seinem Amtsantritt unter einer schweren Wirtschaftskrise leidet und das kriegsmüde Volk sich nach Frieden sehnt, ist

der Ausgleich mit den Koalitionsmächten die Voraussetzung für die Konsolidierung seiner Macht. Als seine im Dezember 1799 an England und Österreich ergangenen Friedensangebote zurückgewiesen werden, gilt es für Napoleon, durch einen schnellen Sieg über Österreich, Frankreichs Hauptgegner auf dem Festland, den Zweiten Koalitionskrieg er-

folgreich zu beenden und dadurch seine Position zu festigen. Die Rheinarmee unter General JeanVictor Moreau und die Italienarmee in Ligurien unter General André Masséna müssen Frankreichs völlig überdehnte Frontlinie von Mainz bis Genua gegen Österreichs Streitkräfte allein verteidigen. Deshalb lässt Napoleon ab März 1800 im Raum Dijon eine Reservearmee aufstellen, die sich zum Einmarsch in die Schweiz bereithalten soll, um von dort entweder nach Süddeutschland oder Italien vorzustoßen. Die Lage auf dem italienischen Kriegsschauplatz ist besonders kritisch; die unter Masséna stehende Italienarmee zählt nur 35.000 Mann, während rund 85.000 österreichische Soldaten unter dem General Michael von Melas unaufhaltsam durch Norditalien marschieren. Gestützt auf die Seeherrschaft der Engländer im Mittelmeer, bereiten sie ihren Einmarsch in die Provence vor. MEISTER DER MANIPULATION: Den glimpflichen Ausgang der Schlacht verdreht Napoleon später zu „seinem“ großen Triumph Abb.: picture alliance/akg

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Schlachten der Weltgeschichte | Schlacht bei Marengo Anfang April 1800 gelingt es Melas, die französische Italienarmee in zwei Teile zu spalten. Während er deren rechten Flügel unter Masséna in Genua einschließt, drängt er den linken Flügel unter General Suchet bis hinter den Fluss Var zurück und besetzt die Riviera bis Nizza.

KARTE

Napoleons Alpenroute nach Marengo

Kampf um Oberitalien Die drohende Invasion Südfrankreichs zwingt Napoleon zum Handeln. Er wischt alle bestehenden Kriegspläne beiseite und bereitet sich darauf vor, Melas mit der Reservearmee in Italien anzugreifen. Sein Feldzugsplan stellt alles bisher Dagewesene in den Schatten! Napoleon lässt die Reservearmee in die Nähe der Schweizer Alpenpässe verlegen. Von hier will er in einem kühnen Marsch über die Alpen in den Rücken des österreichischen Heeres in Oberitalien stoßen, um es in einer aufgezwungenen Hauptschlacht vernichtend zu schlagen. Napoleon trifft am 13. Mai in Lausanne ein und führt das 36.000 Mann starke Heer in bitterer Kälte über den Großen St. Bernhard nach Italien. Als Melas am 22. Mai in Nizza von Napoleons Alpenübergang erfährt, belagert ein großer Teil seiner Armee noch Genua und ein anderer steht am Var. Nur 17.000 Mann, die die Zugänge zu den Alpentälern besetzt halten, stehen ihm zur Verfügung. Doch diese Streitmacht ist viel zu schwach, um dem heranrückenden französischen Heer ernsthaften Widerstand entgegenzusetzen. Melas reagiert sofort und begibt sich mit allen verfügbaren Truppen in Eilmärschen nach Turin, um Napoleons Vorstoß wirksam zu begegnen, dessen Vorhut unter General

Abb.: picture alliance/akg-images

DER EIGENTLICHE HELD

Divisionsgeneral Louis Desaix (1768–1800) Louis-Charles-Antoine Desaix de Voygoux entstammt einer altadligen, aber verarmten Familie und wird in der Auvergne geboren. Nach Besuch der Militärschule tritt Desaix 1784 in die königliche Armee ein, wird dann aber von der Französischen Revolution von 1789 mitgerissen. Durch seine Fähigkeiten und Tapferkeit vor dem Feind wird Desaix bereits 1793 Brigadegeneral und 1794 mit erst 26 Jahren Divisionsgeneral. Er zeichnet sich in der Rheinarmee unter Pichegru im Feldzug von 1795 am Oberrhein besonders aus und dient 1796/97 sehr erfolgreich unter Moreau als Korpskommandeur in der Rhein-Mosel-Armee. 1798 begleitet er Napoleon, mit dem er sich anfreundet, als Divisionskommandeur auf dessen Ägyptenfeldzug, kämpft im Juli 1798 in der Schlacht bei den Pyramiden und unterwirft erfolgreich Oberägypten, wo er in der Folge als Napoleons Statthalter regiert und sich von den Einheimischen den Beinamen „le Sultan juste“ erwirbt. Bei seiner Rückkehr nach Frankreich von den Briten auf hoher See abgefangen und kurzzeitig interniert, trifft Desaix gerade noch rechtzeitig im Juni 1800 bei der Reservearmee in Oberitalien ein, wo ihm Napoleon sofort wieder ein Divisionskommando überträgt. Desaix entscheidet mit seiner Division die Schlacht bei Marengo am 14. Juni 1800 und rettet dadurch Napoleons Armee vor der Vernichtung, wird aber im Moment des entscheidenden Gegenangriffs tödlich getroffen. Zunächst in Mailand bestattet, wird sein einbalsamierter Leichnam 1805 auf Napoleons Veranlassung in der Hospizkirche auf dem Großen St. Bernhard beigesetzt. Tapfer, erfolgreich und bei seinen Soldaten sehr beliebt, wäre Desaix im Jahr 1804 sicherlich von Napoleon zum Marschall ernannt worden.

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Napoleon verkennt die Lage FREUT SICH ZU FRÜH

General der Kavallerie Michael Freiherr von Melas (1729–1806) Michael Friedrich Benedikt Freiherr von Melas wird als Sohn eines protestantischen Pfarrers in Radeln in Siebenbürgen geboren, tritt 1746 als Kadett in die österreichische Armee ein und nimmt als Adjutant von Feldmarschall Daun am Siebenjährigen Krieg teil. 1781 Oberst und 1789 Generalmajor, steht Melas 1794 als Feldmarschall-Leutnant am Niederrhein, 1795 am Mittelrhein und 1796/97 in Oberitalien. Seit Februar 1799 General der Kavallerie, wird Melas an die Spitze des in Oberitalien stehenden österreichischen Heeres berufen, wo er mit der verbündeten russischen Armee unter Suworow gegen die Franzosen kämpft. Im August 1799 entscheidet er den Sieg in der Schlacht bei Novi, wofür er mit dem Kommandeurskreuz des MilitärMaria-Theresien-Ordens ausgezeichnet und in den Freiherrenstand erhoben wird. Im November 1799 siegt Melas in der Schlacht bei Genola, dringt im April 1800 bis zum Var vor und rüstet sich zum Einfall in die Provence, wird dann aber im Juni von Napoleon bei Marengo geschlagen und muss sich hinter den Mincio zurückziehen. Hierauf kommandierender General von Innerösterreich und seit 1801 in gleicher Eigenschaft von Böhmen, zieht sich Melas 1803 in den Ruhestand zurück und stirbt 1806 in Elbeteinitz in Böhmen.

Jean Lannes bereits über Ivrea bis Chivasso vorgedrungen ist. Aber gegen Melas Erwartungen zieht Napoleon, nachdem er sein Heer bei Ivrea versammelt hat, ostwärts, überschreitet den Ticino und marschiert auf Mailand, wo er am 2. Juni einzieht. Napoleon kann aber nicht verhindern, dass der in Genua belagerte Masséna mit seinen ausgehungerten Truppen kapituliert und die Stadt übergibt. Durch die rasche Einnahme Mailands setzen sich die Franzosen im Rücken der Österreicher fest und schneiden sie von allen ihren Versorgungsdepots und Rückzugslinien ab.

Napoleon agiert blind Napoleon postiert einige Divisionen entlang des Ticino und geht mit dem Rest seines Heeres zwischen Pavia und Piacenza auf das rechte Po-Ufer über, um Melas den Rückzug abzuschneiden und endlich zur Schlacht zu zwingen. Doch Melas kennt die Gefahr, die ihm droht. Er weiß, dass er so rasch wie möglich seine Rückzugslinie nach Piacenza über den Po nach Mantua gewinnen muss. Er ordnet deshalb eine Konzentration seiner Armee bei Alessandria auf halben Weg zwischen Turin und Genua an, in der Absicht, Napoleon unverzüglich anzugreifen und nach Osten durchzubrechen. Dieser hat es bisher nämlich versäumt, sich durch eine umfassende Aufklärung einen genauen Überblick über die Position seines Gegners zu verschaffen. Napoleon weiß Clausewitz 5/2017

nicht, wie nahe ihm Melas schon ist, als sein Heer am 13. Juni in die Ebene des Tanaro vorrückt, die sich zwischen Tortona an der Scrivia und Alessandria an der Bormida ausdehnt. Beide Orte verbindet die große Hauptstraße, die von Turin nach Piacen-

za führt. Zwischen beiden Städten liegt das Dorf Marengo. Napoleon ist inzwischen fest davon überzeugt, dass ihm Melas zu entkommen versucht, indem er entweder nordwärts nach Pavia ausweichen will oder sich in Genua auf der englischen Flotte einschifft. Um alle Fluchtwege des Gegners zu blockieren, entsendet Napoleon am Mittag des 13. Juni die Division Lapoype nordwärts, während er den eben erst aus Ägypten eingetroffenen General Desaix mit der Division Boudet nach Novi an der Straße nach Genua abkommandiert. Damit verfügt Napoleon nur noch über 22.700 Mann und 16 Geschütze. Seine Truppen kampieren in der Nacht zum 14. Juni verteilt rund um Marengo, das französische Hauptquartier befindet sich in Torre di Garofoli. Währenddessen hat Melas, der sich von der französischen Aufklärung unbemerkt einen kleinen Brückenkopf über die BorPROPAGANDA PAR EXCELLENCE: Napoleon sitzt auf diesem bekannten Gemälde mit wehendem Mantel auf seinem Pferd, als er die Alpenüberquerung seiner Armee überwacht. In Wirklichkeit gelangte Napoleon zu Fuß und auf einem Maultier über die Berge … Abb.: picture alliance/akg-images

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Schlachten der Weltgeschichte | Schlacht bei Marengo mida erhalten hat, im Schutz der Festung von Alessandria am 13. Juni seine Streitkräfte versammelt. Bei Tagesanbruch will er das bei Marengo lagernde Heer Napoleons angreifen und auf der Straße nach Piacenza durchbrechen, um die Verbindung mit den eigenen rückwärtigen Linien wiederherzustellen. Das österreichische Heer zählt 31.000 Mann mit 100 Geschützen.

Überrumpelter Napoleon Nachdem Melas‘ Vorhut am frühen Morgen des 14. Juni, einem heißen Tag, zum Angriff übergegangen ist und die überraschten Vorposten der Division Gardanne zurückgeworfen hat, entfaltet sich das österreichische Heer in der weiten Ebene. Die Grenadierdivision Morzin in Reserve haltend, lässt Melas mit den Divisionen Hadik im ersten und Kaim im zweiten Treffen das Dorf Marengo angreifen, welches das Zentrum der französischen Position bildet. Gleichzeitig entsendet er Feldmarschall-Leutnant Karl Ott mit einer starken Kolonne gegen den von Lannes kommandierten rechten französischen Flügel bei Castel Ceriolo. Der erste, gegen 10 Uhr unternommene Angriff auf Marengo scheitert jedoch unter schweren Verlusten, wobei auch Feldmarschall-Leutnant Karl Joseph Hadik tödlich verwundet wird. Eine zweite Attacke missglückt ebenso. Doch der Widerstand der

UNENTBEHRLICH: Neben Desaix gehört François-Etienne Kellermann (1770–1835) zu den zentralen Figuren auf Napoleons Seite. Seine mutige Reiterattacke wendet das Blatt zugunsten der Franzosen Abb.: picture-alliance/akg-images

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französischen Soldaten kann den Angriffsgeist der Österreicher nicht brechen, gegen 14:30 Uhr gelingt der Sturm – Marengo geht den Franzosen unter Victor verloren. Erst als Napoleon in seinem Hauptquartier in Torre di Garofoli gemeldet wird, dass der Gegner die Offensive über die Bormida ergriffen hat, sieht er sich vor einen Kampf gestellt, auf den er gar nicht vorbereitet ist. Anstatt einen weichenden Feind vorzufinden, wird er selbst angegriffen! Sowie Napoleon die Gefahr erkennt, schickt er gegen 11 Uhr an Desaix den Befehl, umzukehren und auf das Schlachtfeld zu eilen. Napoleon erscheint, während die Bataillone von Victor und Lannes in den Weinbergen östlich von Marengo neue Positionen beziehen, um 15 Uhr mit der Division Monnier und der Konsulargarde selbst auf dem

stand folgt der Rest des österreichischen Heeres – mit bereits geschulterten Gewehren und der Reiterei im Schritt nebenher. Als die Spitzenkolonne jedoch vor San Giuliano erscheint, zu dessen beiden Seiten die französischen Truppen in Richtung auf Torre di Garofoli zurückfluten, empfängt sie plötzlich starkes gegnerisches Abwehrfeuer. Was ist geschehen?

Rettung in letzter Minute Der von Napoleon zurückberufene Desaix war mit der 5.300 Mann und acht Geschützen starken Division Boudet früher als erwartet gegen 17 Uhr bei San Giuliano eingetroffen. Er hat gar nicht erst auf Napoleons Hilferufe gewartet, sondern ist aus eigenem Antrieb gegen Nachmittag umgekehrt und in Richtung Kanonendonner marschiert.

„In Marengo erfüllten sich die Hoffnungen nicht, die Bonaparte mit dieser Kampagne verknüpft hatte. Österreich war nicht als Gegner ausgeschaltet und konnte deshalb auch nicht zu einem sofortigen Friedensschluss gezwungen werden.“ Der Historiker Johannes Willms über die Schlacht bei Marengo

Schlachtfeld und versucht, indem er seine beiden Flügel verstärkt, die Schlacht zum Stehen zu bringen. Nachdem Napoleon die Division Monnier vergeblich gegen Ott in den Kampf geworfen und hohe Verluste erlitten hat, setzt er die 800 Grenadiere der Konsulargarde auf seinem hart bedrängten rechten Flügel ein. Aber selbst die Elitesoldaten werden von der österreichischen Kavallerie zersprengt. Unter dem Eindruck dieser Niederlage weichen auch die Truppen von Victor und Lannes vom Schlachtfeld und befinden sich gegen 16:30 Uhr in vollständigem Rückzug nach San Giuliano. Für Napoleon ist die Schlacht verloren, und für die österreichische Kavallerie ist jetzt der Augenblick gekommen, den Franzosen den vernichtenden Schlag zu versetzen. Doch die Attacke bleibt aus, da sich Melas mit dem bisherigen Erfolg begnügt. Melas, leicht verwundet und erschöpft von den Strapazen des heißen Kampftages, hält die Schlacht für entschieden und kehrt nach Alessandria zurück, um eine Siegesdepesche nach Wien anzufertigen. Generalmajor Anton von Zach, Melas‘ Stabschef, erhält die Aufgabe, die Verfolgung des geschlagenen Gegners aufzunehmen. Zach hält es jedoch für notwendig, eine neue Vorhut zu formieren, die sich erst nach einiger Verzögerung in Bewegung setzt. In einigem Ab-

Napoleon, der gerade dabei ist, sich mitten im Getümmel der noch halbwegs intakten 72. Halbbrigade den Österreichern entgegenzuwerfen, sprengt sofort nach San Giuliano voraus, um sich mit Desaix zu verständigen. Dessen Truppen haben einen Gewaltmarsch hinter sich und sind restlos erschöpft. Doch es soll noch einmal ein letzter Versuch unternommen werden, das Waffenglück zu wenden! Desaix ist zuversichtlich: „Ja, diese Schlacht ist verloren, aber wir haben noch Zeit, eine andere zu gewinnen.“ Das Eintreffen von Desaix gibt den zurückweichenden Bataillonen Napoleons neuen Mut. Die Generäle Victor und Lannes formieren ihre Truppen neu, um gemeinsam mit Desaix, der mit seiner Division den linken Flügel Napoleons bildet, den Kampf zu erneuern. Napoleons Artilleriechef, Brigadegeneral Auguste Marmont, bildet aus allen noch verfügbaren Geschützen eine Batterie, richtet sie aus nächster Nähe auf die österreichische Kolonne und überschüttet sie mit einem tödlichen Geschosshagel. Gleichzeitig führt der tollkühne Desaix an der Spitze von Jean Boudets Division einen Gegenangriff, wird von einer Kugel getroffen und ist sofort tot. Nun wirft Zach die Grenadiere der Brigade Lattermann nach vorn, als der französische Brigadegeneral François-Etienne Keller-


Auf Marengo folgt Hohenlinden IN AUFLÖSUNG UND PANIK: Französische Truppen fliehen vor den nachrückenden Österreichern, Napoleon versucht – in der Bildmitte mit grauem Mantel – die Ordnung wiederherzustellen. Wäre Desaix nicht rechtzeitig erschienen, so hätte Napoleon an diesem Tag eine NieAbb.: picture alliance/Mary Evans Picture Library derlage erlitten

mann die Gunst des Augenblicks erfasst und mit seinen 400 Reitern die offene linke Flanke der österreichischen Kolonne so ungestüm attackiert, dass er sie durchbricht. Generalmajor Zach, der mit 37 Offizieren und 1.627 Mann abgeschnitten ist, muss sich ergeben und fällt in französische Gefangenschaft.

Das Blatt wendet sich Erschrocken weichen die Österreicher auf der ganzen Linie zurück, während Kellermann seine Reiter wieder sammelt und, verstärkt durch die Kavallerie der Konsulargarde unter Brigadechef Jean-Baptiste Bessiéres, sich jetzt auf die österreichische Kavallerie stürzt. Diese kann dem Ansturm der Franzosen nicht standhalten und wirft sich panikartig auf die eigene Hauptkolonne, wo sie große Unordnung verbreitet. Die österreichischen Bataillone wenden sich in kopfloser Flucht über Marengo und die Bormida und kommen erst unter den Mauern von Alessandria wieder zum Stehen. Einzig die Brigade Weidenfeld verteidigt den Brückenkopf gegen die nachdrängenden Franzosen bis zum Einbruch der Dunkelheit. Gegen 22 Uhr ist die Schlacht zu Ende, Napoleons erschöpftes, aber siegreiches Heer behauptet das Schlachtfeld. Das österreichische Heer ist stark erschüttert. Es verzeichnet nach eigenen Angaben sechs GeneClausewitz 5/2017

räle, 252 Offiziere und 6.229 Mann an Toten und Verwundeten, einen General, 74 Offiziere und 2.846 Mann an Gefangenen sowie 13 verlorene Geschütze. Die Gesamtverluste der Franzosen betragen nach Napoleons offiziellen Angaben 5.600 Mann an Gefallenen, Verwundeten und Gefangenen, darunter zwei tote und vier verwundete Generäle. Melas ist über die schweren Verluste seiner Armee entsetzt. Sein Durchbruchsversuch ist gescheitert und seine Truppen sind so demoralisiert, dass er einen weiteren Kampf nicht wagen kann. Um seine Armee zu retten, schließt Melas mit Napoleon am nächsten Tag in Alessandria eine Konvention ab, der ihm darin einen Waffenstillstand und den freien Abzug seiner Truppen hinter den Mincio gewährt. Melas muss sich im Gegenzug dazu verpflichten, Piemont und die Lombardei zu räumen sowie Genua und alle anderen befestigen Plätze in Oberitalien bis zum Mincio an die französische Armee zu übergeben. Wenngleich die Niederlage bei Marengo die österreichische Armee gezwungen hat, sich aus Oberitalien zurückzuziehen, ist der Kaiser in Wien immer noch nicht zum Friedenschluss bereit. Es benötigt einen weiteren Sieg Frankreichs, den General Moreau am 3. Dezember 1800 in der Schlacht bei Ho-

henlinden erkämpft, um Wien zum Einlenken zu zwingen. Damit ist der Zweite Koalitionskrieg schließlich beendet.

Strategisch hui, taktisch pfui Der Feldzug von Marengo ist aus strategischer Sicht eine Meisterleistung Napoleons, seine Handhabung der Schlacht selbst – die ihm gegen 15 Uhr verloren geht und drei Stunden später durch das eigenständige Eingreifen seiner Generäle Desaix und Kellermann wieder gewonnen wird – ist aber alles andere als beeindruckend. So ist es nicht verwunderlich, dass Napoleon, der „Meister der Propaganda“, auf keine Schlacht seiner langen Feldherrnlaufbahn mehr selbstherrlich eingewirkt hat wie auf diese. Da es nicht zu seinem Image als „Schlachtengott“ passt, dass der entscheidende Sieg nahezu ohne sein eigenes Zutun errungen wird, lässt er die Vorgänge der Schlacht in den offiziellen Armeebulletins so verdrehen, bis die Verdienste von Desaix und Kellermann gegenüber seinen eigenen zurücktreten. Erst später wird der wirkliche Sachverhalt aufgrund übereinstimmender Augenzeugenberichte aufgeklärt. Jens Florian Ebert, Jg. 1977, ist Autor und Lokalhistoriker aus Albstadt.

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Clausewitz Spezial 18: Die Waffen-SS

WAFFEN-SS

Kaum eine andere Formation des Zweiten Weltkriegs hat so heftige und verbissene Debatten ausgelöst wie die Waffen-SS. Ursprünglich als Leibwache Hitlers gegründet, erkannte Himmler schon bald ihren Wert als innenpolitisches Machtinstrument, so dass er sie konsequent zu einer Armee ausbaute. Viele junge Männer, ideologisch verblendet, nahmen den neuen Waffenträger als eine attraktive Alternative zur „verknöcherten“ Wehrmacht wahr, zumal die WaffenSS auch den Nicht-Abiturienten erlaubte, ins Offizierskorps aufzusteigen. Sie ahnten nicht, dass das Regime sie im kommenden Krieg verheizen und zu Massenmorden heranziehen würde. Es waren denn auch die Verbrechen, durch die die junge Waffen-SS schon in den ersten Feldzügen einen mehr als zweifelhaften Ruf erwarb – nicht nur beim Kriegsgegner, sondern auch bei der Wehrmacht. Clausewitz zeigt, wie aus den verschiedenen Vorläuferorganisationen mit ihren „Parade- und Asphaltsoldaten“ schließlich die Waffen-SS hervorging. Ferner erklärt das Magazin, wie das Regime die Waffen-SS in Verbrechen verstrickte. Nicht zuletzt möchte Clausewitz auch die Frage beantworten, ob die Waffen-SS in den ersten Feldzügen ihrem Ruf als Elitetruppe gerecht werden konnte. Teil 1 der Reihe reicht von den Anfängen in der Weimarer Republik bis zum Ende des Balkanfeldzuges 1941.

Teil 1

– 9 41 1923–1

Clausewitz Spezial

Geschichte der Waffen-SS

g Einsat z und Aufstieg, Verbrechen der NS-Armee

Aufstieg

Die frühen Jahre der SS Wie der Schlägertrupp zur NS-Elite mutierte

Elite oder Schlächter?

S So schlug sich die Waffen-S in den frühen Feldzügen

Organisator des Terrors

SWie Heinrich Himmler die S te Verbände zur Armee ausbau

Die SS und der „Röhm-Putsch“

Der Brudermord Stand die SS zunächst im Schatten der SA, machte sie dieser bald erhebliche Konkurrenz. Um aber an ihre Stelle zu treten, musste die SS einen Beweis für ihre Treue gegenüber Hitler liefern – sie tat es auf Von Niels Weise höchst skrupellose Art

Die Waffen-SS 96 Seiten, zirka 250 Abbildungen Preis: 9,90 Euro ISBN: 978-3-86245-477-8 GeraMond Verlag GmbH Bezug: www.verlagshaus24.de

Foto: picture-alliance/ Keystone

POLITISCHE ARMEE: Sieht auf den ersten Blick wie Reichswehr aus, ist aber die SA im Jahr 1923. Die militarisierte Gruppe war ein enormer Machtfaktor Foto: picture-alliance/Heritage Images

I

hren großen Durchbruch verdankte die SS einer skrupellosen und schockierend brutalen Tat. Erst danach stieg sie zur eigenständigen Organisation auf und etablierte ihren bewaffneten Arm. Die Mordaktion vom 30. Juni bis zum 2. Juli 1934 bezeichnet man gemeinhin als „Röhm-Putsch“, obwohl dieser Begriff der NS-Propaganda entstammt und die Verbrechen als vorgebliche „Staatsnotwehr“ legitimieren sollte. Tatsächlich richtete sich die Gewalt gegen Röhm und ging nicht von ihm aus. Im Sommer 1934 gelang es Himmler und Göring, den Diktator davon zu überzeugen,

DER ZWEITE WAFFENTRÄGER: Clausewitz zeigt unter anderem wie aus der Nischenformation eine große Massenarmee wurde

einen lang schwelenden Konflikt zwischen der zunehmend renitenten SA-Führung auf der einen und der politischen Leitung der NSDAP auf der anderen Seite eskalieren zu lassen. Denn erst, als er große Teile der SAFührung und der konservativen Opposition liquidierte, brachte Hitler die „Machtergreifung“ zu einem wirklichen Abschluss. Zugleich zog er die Reichswehr auf seine Seite, da Hitler sie kurzfristig benötigte, um die anstehende Nachfolge Hindenburgs zu regeln. Aber auch langfristig war er zwingend auf sie angewiesen, um sein Lebensraumkonzept umzusetzen. Die Spitze der

DAS BRAUNE BAND: Hitler spricht in Dortmund zu SAAngehörigen (1933). Die SA bereitete der NSDAP den Weg im politischen Straßenkampf, wurde aber nach der „Machtergreifung“ zu einem Problem für das Regime. Um den Konflikt zu lösen, setzte Hitler auf eine neue Formation: die SS

Reichswehr ließ sich korrumpieren – und schwieg zu den Morden an den Generalen Schleicher und Bredow. Zugleich zerschmetterte Hitler die aufkeimende konservative Opposition und schaltete seine innerparteilichen Gegner aus.

Deutsche werden skeptisch Mit der nachträglich als „Staatsnotwehr“ verbrämten Mordaktion gelang es ihm, die Popularität der NSDAP wieder zu steigern. Denn angesichts unverändert hoher Arbeitslosigkeit und des andauernden Terrors sowie des anmaßenden Auftretens der SA waren

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viele Deutsche skeptisch geworden. Nun aber trat Hitler als „Führer“ auf, der selbst gegen seine eigene Klientel erbarmungslos vorging, um vermeintlich das Reich zu retten.

Älter als die SS Dass er mit der SA-Spitze gewaltsam „aufräumte“, stieß in der Öffentlichkeit durchaus auf Zustimmung. Viele erkannten allerdings das tatsächliche Ausmaß und Ziel der Mordaktion nicht. Selbst die ursprünglich liberale Frankfurter Zeitung kommentierte, „das Volk von der Herrschaft Minderwertiger zu befreien“ sei „ein Preis, der einen hohen Einsatz wert ist“. Dass den Morden nicht nur zahlreiche SA-Führer, sondern auch etliche Personen aus konservativen, katholischen oder sonstigen regimefernen Kreisen, darunter ein ehemaliger Reichskanzler und ein früherer bayerischer Ministerpräsident, zum Opfer fielen, ging dabei offenbar unter. Um die Konflikte zu verstehen, die zum vorgeblichen „Röhm-Putsch“ geführt ha-

ben, muss man sich vor Augen halten, dass die Sturmabteilung andere Wurzeln hatte als die Partei. Die Sturmabteilung der NSDAP, unter dem Kürzel SA bekannt geworden, bestand bereits seit 1920 – ursprünglich firmierte sie als „Turn- und Sportabteilung“. Die Ordnertruppe sollte den Kampf der NS-Bewegung gegen das verhasste Weimarer „System“ vorbereiten. Ehemalige Offiziere, darunter der „Maschinengewehrkönig von Bayern“ Ernst Röhm, wandelten die Truppe schon bald mithilfe der Reichswehr in einen paramilitärischen Verband um. „TRIUMPH DES WILLENS“: Trotz der Spannungen gaukelte das Regime Geschlossenheit vor wie hier im Film Foto: p-a/CPA Media Co. Ltd.

Als jedoch der Hitler-Putsch vom 9. November 1923, an dem sich die SA mit rund 1.500 Mann beteiligt hatte, scheiterte, wurde sie ebenso wie die NSDAP verboten. Ernst Röhm stieg sodann zum neuen Führer ihrer zahlreichen Tarnorganisationen auf. Erst als die NSDAP im Februar 1925 neu entstand, gliederte sich die SA in die Partei ein. Demgegenüber ging die SS erst nach 1923 aus dem „Stoßtrupp Hitler“ hervor und unterstand der SA. Sie zeichnete sich anfangs durch drei Merkmale aus: die unbedingte Treue zu Hitler, die Sicherungsaufgaben, die sie wahrzunehmen hatte, und ihr selbst gestellter Anspruch, eine Eliteformation zu sein – Letzteres galt vor allem ab 1929, als Himmler ihre Führung übernommen hatte. Heinrich Himmler betrachtete in diesem Sinne die SA als „Linie“, die SS hingegen als „Garde“, und damit

ZENTRAL: Mit dem Mord an Ernst Röhm profilierte sich die SS als skrupelloser Erfüllungsgehilfe

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Clausewitz Spezial

Personal

Das Personal der Waffe n-SS

Politische Soldaten?

Organisation

Die Verfügungstruppe als Vorläufer der Waffen-SS

Fanatisch und brutal – dies ist das gängige Bild der Angehör igen der Waffen-SS. Doch deckt es sich auch mit der historischen Realität?

Stiefbruder der Wehrmacht?

Z

u Beginn des Zweiten Weltkriegs setzte sich die Waffen-SS überwiegend aus Freiwilligen zusammen. Doch schon kurze Zeit später rekrutierte die SS auch Männer, die sich nicht freiwillig gemeldet hatten, und ab 1942 durchbrach die Führung das Freiwilligenprinzip endgültig. In den Reihen der Waffen-SS fanden sich in der zweiten Kriegshälfte daher immer mehr Soldaten, die unfreiwillig die Doppel-Siegrunen auf dem Kragenspiegel trugen, zuletzt bei-

Bei ihrem Aufstieg rieb sie sich aber Die Verfügungstruppe war Vorläufer der Waffen-SS. internen Konkurrenten. Der Konnicht nur an der Wehrmacht, sondern auch an einem beeinflussen Von Jens Westemeier flikt sollte den Charakter der Waffen-SS entscheidend

Von Roman Töppel

nahe die Hälfte. Dennoch riss der Strom jun- hen werden, dass es oft nicht ger Freiwilliger bis 1945 politische oder nicht ab. Welche ideologische , sondern ganz pragmatische Gründe hatte das? und mitunter banale Gründe waren, die junge Männer in die Reihen Der Weg zur Waffen-SS der bewaffneten SS treten ließen. Für viele Bewerber Die Soldaten der Waffen-SS spielten pogelten seit Bernd litische Gründe sogar nur eine Wegners grundlegender untergeordStudie von 1982 als nete Rolle. Zwar warb die bewaffnete „politische Soldaten“, die SS mit vor allem ideolo- der Botschaft, gisch motiviert gewesen seien. Auf das Füh- nalsozialistisc sie sei eine besonders natiorerkorps (Offizierkorps) he der Waffen-SS trifft außergewöhn Truppe und dem „Führer“ dies zweifellos zu. Doch lich treu verbunden. Doch darf nicht überse- auch die Wehrmacht galt bei vielen Deut-

schen als nationalsozialistische Armee. Der merhin als nationalsozialistische Dienst bei der SS spiegelte Elite schlagen. Außerdem dementsprechend schlechthin litt die bewaffnete SS verstand, zogen es vor, nicht automatisch eine besonders system- Wehrpflicht ihre aufgrund ihrer raschen Expansion unter bei der Wehrmacht abzuleisten. treue politische Einstellung wider. Das zeigte chronischem Führer- und Für Männer, die eine Offizierslaufb Unterführermansich etwa daran, dass sich ahn gel. Insofern bot die nur verhältnis- anstrebten, SS für viele einen dopstellten die bewaffneten mäßig wenige Mitglieder SS-Ver- pelten Anreiz: der Allgemeinen bände Man brauchte kein Abitur indes eine interessante Alternative SS freiwillig zur Waffen-SS zur und hatte dennoch meldeten. Die Wehrmacht rasche und gute Karriedar. Denn im Gegensatz meisten Angehörigen der zum rechancen. So wechselten Allgemeinen be- Heer konnte in den 1930er-Jahman bei der SS bereits vor ziehungsweise „Schwarzen dem ren beispielsweis SS“, die sich im- Krieg e viele Unteroffiziere der die Führerlaufbahn ohne Abitur ein- Reichswehr und Wehrmacht, die ihre zwölfjährige Dienstpflicht abgeleistet hatten, zur SS-Verfügungstruppe. In etlichen Fällen nahm die SS auch solche Männer als Führernachwuchs an, die sich bei der Wehrmacht für die Offizierslaufbahn beworben hatten, aber abgelehnt worden waren.

Erziehung zur Gewalt

Nicht nur Führern, sondern auch Unterführern und Mannschaften versprach der in den bewaffneten SS-Verbände Dienst n soziale und berufliche Aufstiegscha ncen. Mancher junge Deutsche fand durch seinen Beitritt sogar einen Ausweg aus der Arbeits- oder beruflichen Perspektivlos igkeit. Nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs kam ein weiteres wichtiges Motiv dazu: Viele Jugendliche hatte man dazu erzogen, sich

IM ZEICHEN DER SIEGRUNE: Identische Uniform – identische Menschen? Die Angehörigen der Waffen-SS gelten bis heute als überzeugte Nationalsozialisten. Tatsächlich aber konnten ihre Motive erstaunlich vielfältig sein Foto: ullstein bild/Süddeutsche

AUF DER SUCHE NACH NACHWUCHS: Die Waffen-SS warb auch Ausländer an, links ein niederländischer Bewerber, unten potenzielle Rekruten der französischen Legion, die im Juli 1944 mit der Waffen-SS verschmolz

Zeitung Photo/Scherl

Foto: ub/Süddeutsche Zeitung

Photo/Scherl (2); p-a/akg-images

MILITÄRISCH AUFGEBAUT: Die Soldaten der VT waren ausgerüstet wie die Angehörigen der Reichswehr Foto: ullstein bild/ Süddeutsche Zeitung Photo

Ebene gründeten höhere Generälen versprach er, dass er len, auf regionaler ach der „Machtergreifung“ galt es wehr. Den paramilitärische SonderVertrag aufheben und massiv SS-Führer weitere für die Nationalsozialisten, die Herr- den Versailler der SS, die Keimzellen der späwürde. Zugleich versicherte Hitler formationen schaft Hitlers gegen politische Geg- ausrüsten SS-Verfügungstruppe. Reichswehrführung, die Armee bleibe teren ner abzusichern, zu festigen und auszuwei- der alleinige Waffenträger Deutschlands. ten. Im Inneren richtete man dabei den Blick der Ergebener Paladin zerstreute er die Sorgen der Militärs, auf Sozialdemokraten, Gewerkschaftler und Damit die bewaffneten SSzogen 1933 März Seit zog Er SA könne diese Rolle einnehmen. Kommunisten. Hitler verfügte umgehend, die der „Leibstandarte SS Adolf Hitler“ Reichswehrminister General Werner Männer 15.000 SS-Männer zu bewaffnen. Als soge- damit Reichskanzlei auf. An ihrer Spitze Blomberg, den Oberbefehlshaber der vor der nannte Hilfspolizisten, die ihr Gehalt über von Josef „Sepp“ Dietrich, der auf seine Seite. Dennoch blieben stand der Bayer die Haushalte der Länder bezogen, gingen Reichswehr, zur Selbstaufgabe ergeben war. und die NS-Führungsriege gegenüber Hitler bis sie als innenpolitisches Werkzeug der Hitler kam 1892 in einfachsten VerhältnisDietrich misstrauisch. Offizieren den konservativen NSDAP gegen Oppositionelle vor. brachte es im Ersten Weltpersönlichen Schutz ließ Hitler sen zur Welt und Um seine außenpolitischen Ziele zu errei- Zu seinem in einer bayerischen Sturmpanzer-Ab„Leibstandarte SS Adolf Hitler“ aufstel- krieg chen, setzte Hitler hingegen auf die Reichs- die

N Vereidigung der Verfügungstruppe bei ihrer SCHATTENARMEE: SS-Anwärter der VT führte München. Der ständige Ausbau Photo 1938 auf dem Odeonsplatz in Foto: ullstein bild/Süddeutsche Zeitung zum Konflikt mit der Wehrmacht

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Plus: NVA-Szenario Der deutsche D-Day

LANDUNG AUF KRETA 1941

Vom 4. bis 12. Sept ember 1980 führten der Wars chau er-P akt-Staaten auf dem die Armeen DDR das Großman över „Waffenbrüde Gebiet der rschaft 80“ durch. Für den Fall einer milit ärisc hen zwischen den dam Konfrontation aligen verfeindeten Militärbündnissen lässt der Plan drei mögliche Szenarien erkennen : Rechts das „wor st case“Szenario der vorg eblic links der „best case hen Absichten der NATO, “ Vorstoßes bis Paris eines erfolgreichen eigenen , und in der Mitte das wesentliche – und viel reali stisc Schlacht um die DDR. here – Geschehen einer

TITELTHEMA

Dritter Weltkrieg in Europa

Im Mai 1941 versuchten deutsche Luftlandetruppen die strategisch wichtige Mittelmeerinsel Kreta unter Kontrolle zu bringen. Das Unternehmen „Merkur“ war minutiös geplant, doch die Fallschirmund Gebirgsjäger stießen auf unerwartet starken Widerstand

A

Abb.: p-a/Süddeutsche Zeitung Photo, p-a/akg-images

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Die Angriffe der deutschen Luft- belasteten das Verhältnis der Anraiwaffe sollten den Weg frei machen für nerstaaten untereinander, einige von nachfolgende Kameraden. Kurz nach ihnen waren auch innenpolitisch zer7 Uhr erschienen über Kretas Westen rissen. Zugleich verfolgten die Großdie ersten Gespanne: Transportma- mächte in der Region ihre eigenen schinen vom Typ Ju 52 schleppten Interessen. Im April 1939 annektierte vom griechischen Festland aus DFS- Italien Albanien, von dort aus griffen 230-Lastensegler heran, in jedem sa- italienische Truppen im September ßen neun Luftlandesoldaten samt 1940 Griechenland an, das seinerseits Ausrüstung. Das war der Auftakt zu ei- mit einem Angriff Bulgariens gerechner bis dahin beispiellosen Luftlande- net hatte. Doch so wie in Nordafrika, operation – im weiteren Verlauf des wo italienische Truppen einen Monat Tages wurden mehrere Tausend Fall- zuvor von Libyen aus Ägypten mit seischirm- und Gebirgsjäger über Kreta ner starken britischen Militärpräsenz abgesetzt beziehungsweise angelan- angegriffen hatten, scheiterte auch det. Die nun entbrennenden Kämpfe ihre Offensive auf dem Balkan. bildeten den Schluss- und HöheUrsprünglich hatte die deutsche punkt einer Reihe von Ereignissen, Führung Italien vor dem Beginn eines die als „Balkanfeldzug“ in die Anna- „Parallelkrieges“ gewarnt, zumal sich len eingingen. ihr eigener Blick bereits nach Osten richtete, gegen die Sowjetunion. Doch Zur Vorgeschichte weil dem Bündnispartner jetzt auf Ende der 30er-, Anfang der 40er-Jahre beiden Kriegsschauplätzen schwere war die politische Lage auf dem Bal- Niederlagen drohten, sah sich das kan äußerst angespannt. Nationalis- Deutsche Reich dazu gezwungen, ihn mus und hegemoniale Bestrebungen zu unterstützen: Das deutsche X. Flie-

Quelle: BArch, VA-01/ 29554

m Morgen des 20. Mai 1941 erschütterten heftige Explosionen mehrere Regionen an der Nordküste der Mittelmeerinsel Kreta. Schon seit Tagen gab es dort regelmäßig Luftangriffe, doch an jenem Morgen waren sie besonders intensiv. Deutsche Kampfflieger vom Typ Heinkel He 111, Junkers Ju 88 und Dornier Do 17 bombardierten die wichtigsten Flugplätze sowie die Gegend um den großen Militärhafen in der Soudabucht bei Chania. Sturzkampfbomber vom Typ Junkers Ju 87 und zweimotorige Messerschmitt Bf 110 warfen Bomben auf ausgewählte Ziele, feuerten aus Bordwaffen, während Jäger vom Typ Messerschmitt Bf 109 den Luftraum abschirmten und feindlichen Fliegern nachsetzten. Vom Boden schlug ihnen heftiges Abwehrfeuer entgegen.

Umkämpft: Eine getroffene Ju 52 geht über Kreta nieder. Die Eroberung der Insel wurde von der NS-Propaganda als Glanzleistung der deutschen Fallschirmjäger (links) gefeiert, obgleich die Truppe hohe Verluste erlitten hatte

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Pz.D

Was hinter dem Mythos um das Panzerkorps steckt

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Militär & Geschichte

Kampf um Kr K K eta t

UNTERNEHMEN „MERKUR“: Die Eroberung Kretas aus der Luft war ein beispielloser Erfolg – der aber mit hohen Verlusten erkauft war

Unternehmen „Merkur“ 1941 : So eroberten deutsche Elitesoldaten die Mittelmeerinsel

Militär & Geschichte 5/2017

SPEZIAL

Ende April 1941 befahl Hitler mit der „Weisung Nr. 28“, die strategisch wichtige Insel Kreta zu besetzen. Sie sollte als Stützpunkt für die Luftkriegführung gegen England im Mittelmeer dienen. Einen Monat später griffen deutsche Kampfbomber im Rahmen des Unternehmens „Merkur“ britische Stellungen und Häfen auf Kreta an, gefolgt von Hunderten Transportflugzeugen und Lastenseglern, die Fallschirm- und Gebirgsjäger absetzten. Doch die Verteidiger waren gewarnt – und bereiteten den Wehrmachtsoldaten einen ungemütlichen Empfang. Wie heftig die Kämpfe ausfielen und wie es den Deutschen doch noch gelang, die Insel zu erobern, lesen Sie in der neuen Militär & Geschichte, die bis zum 3. September 2017 im Zeitschriftenhandel erhältlich ist. Weitere spannende Themen: „Feldherrnhalle“-Verbände der Wehrmacht, Gewehr 98, geheime Operationspläne des Warschauer Paktes gegen die NATO, Bundeswehr im Kosovo-Krieg 1999 und vieles mehr.

STRATEGIE & TAKTIK

Tirailleurs

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Revolutionäre Taktik für Frankreichs Armee

Wie hätte die NVA VA gegen die BRD gekämpftt?

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Doch es kam anders: Der anfängliche im SpätBewegungskrieg erstarrte Stelherbst 1914 zum grausamen 98, lungskrieg. Dort zeigte das Gewehr Den unwas wirklich in ihm steckte. den Schütsäglichen Bedingungen in und zengräben wie Schlamm, Nässe Einflüssen Eis trotzte die vor äußeren ihgut geschützte Waffe und bestand Abre Reifeprüfung mit nur kleinen strichen. eigMit einer Länge von 1,24 Meter bei nete sich das Modell nur bedingt chaotischen die Für Sturmangriffen. Nahkämpfe im Graben befestigten die Soldaten noch ein 50 Zentimeter r 98/05) langes Bajonett (Seitengeweh

Abb.: p-a/akg-images, MIREHO/weitze.ne

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oschen Leistungen der Schützenpatr einne M/88 und nicht an der 1904/05 vom Typ geführten stärkeren Patrone EntMauser IS („Infanterie-Spitz“). Visierung sprechend passte man die der n der geänderten Geschossbah zwischen IS-Patrone auf Distanzen 400 bis 2.000 Meter an. An einiEine Änderung mit Folgen: die Grägen Frontabschnitten lagen als 30 Meben vom Feind nicht mehr führte Umstand Dieser ter entfernt. sodass die anfangs zu Hochschüssen, anvideutschen Infanteristen tiefer Eine Änderung mit Folgen um den Gegner zu sich das sieren mussten, Als weiteres Handicap stellte behalfen sich viele Solr“) heraus. treffen. Später („Lange-Visie Schiebevisier das Korn etwas abballisti- daten, indem sie Es orientierte sich an den

e am Gewehrlauf. Im Handgemeng einiges siwar der Bajonetteinsatz um schränkcherer als ein Schuss, aber er ein. te die Beweglichkeit nochmals im Deshalb griffen viele Soldaten zum Kampf Mann gegen Mann lieber Das Grabendolch oder zum Spaten. Mauser leichtere und etwas verkürzte rasch aufKarabiner 98a setzte sich n Eigengrund seiner vorteilhaftere insbesonschaften im Graben durch, . dere bei den Sturmtruppen

Funktionsweise des Karabiners 98k, der ab 1935 gefertigt wurde. Die detaillierte Schautafel stammt aus einem 1943 erschienenen „Leitfaden“ für die Ordnungspolizei

befand sich eine 70stand. Um der Granate der Kim- aus 100 Meter Entfernung en Gramm-Ladung TNT. schliffen und die Vertiefung im in den Phasen von Gefechtspaus Die übliche Patronenkammer im Anme tiefer einkerbten. nicht ständig mit dem Gewehr fasste standardmäßig Im Lauf der Zeit kam eine Vielzahl legten die Gewehrschaft egen- schlag stehen zu müssen, Patronen. Geübte Schützen von zusätzlichen Ausrüstungsg geladenen Geweh- nur fünf man die Soldaten die fertig ihrem „98“ bei intensimit feuerten ständen hinzu, mit denen Grabens des 15 Schuss wollte. re auf die Brustwehr ven Gefechten aber bis zu Waffenwirkung verbessern häufiges ein was in der Minute ab, Abhilfe Nachladen erforderte. Etwas verschaffte dabei ein zusätzliches woGrabenmagazin mit 20 Patronen, die verfügbare Munition auf dem Lauf zum mit sich erie- oder fixierten sie mit 25 Schuss erhöhte. Dazu gehörte das M1916-Infant auf Lafetten. Ebenfalls lafetGegner Weltkriegs Ersten des Kilogramm 15,5 Beginn Zu schild, eine 13 bis die deutsche Infantengewehre, eingebau- tiert verschoss gab es kaum Scharfschütze Gewehrschwere Metallplatte mit die 98 Gewehr in 98. Sie rie mit dem die Truppe sich anfänglich ter Schießluke für das Gewehr 1913/1914 mit einer sodass Schutz- granate Modell kommerziellen Sportdiente Schützen als mobiles Metern. In großer Zahl an Reichweite von bis zu 300 schild und hielt selbst MG-Beschuss

schon konnte Nur fünf Minuten üben, und beherrschen. jedermann die Technik sicher

S

DES WARSCHAUER PAK

TES

Fatale „Kriegsspiele“

In einem möglichen Dritten Weltkrieg wäre Deutschland zum Schlachtfeld gewor den. Die erhaltenen Pläne des Warschauer Paktes zeigen, Krieges auf einen immer dass man sich im Laufe des Kalten stärker werdenden Gegne in den 1980er-Jahren r einstellte, zunehmend defensiv plante die totale Verwüstung – und dabei von BRD und DDR mit einkalkulierte

owjetische Militärs und Politi- der Westen einen militärischen ker entwickelten in Kon- Vorstellung, den späten flikt beginnen dass groß angelegte würde. Die Zeit bis 1950er-Jahren fest gefügte Panda- zerangriffe die Vor- hin galt es so alles entscheidende stellungen über einen gut wie möglich für die Trumpfkarte zukünftigen eigenen auf dem europäisc Vorbereitungen zu Krieg zwischen den hen nutzen. Schlachtfe Blöcken in Ost Zentrale ld darstellten, wurde Bestandteile der dazu und West. Dieses Kriegsbild zuim nehmend infrage fußte auf Warschau ideologischen Vorgaben, er Pakt entwickelten gestellt: einmal Opera- durch die historischen tionsplän Entwicklung einer Vielzahl e bildeten eine erfolgreiErfahrungen und geostrategischen höchst effektiver Panzerabw che Grenzverteidigung, Zwängen. Zum Dogma ehrmitder sofortige tel in beiden erhoben, be- Übergang Blöcken, verbunden stimmte es über nahezu zur eigenen Offensive mit und der Ausweitu drei Jahr- ein schneller ng des Schlachtfeldes zehnte das militärisc Durchbruch durch he Denken in feindliche die (enlarged battlefield) Moskau und den anderen dank einer völlig n Linien. Damit sollten die neuen Generatio Hauptstäd- Armeen n von Flugzeugen des sozialistischen ten des Warschauer Bündnis- und Marschflu Pakts. Das Feindses den Krieg schnellstm gkörpern der NATO. bild blieb dabei klar öglich auf Und andererse umrissen: Der das Territorium des Gegners its durch die damit verwestliche Kapitalism tragen bundene us wurde uniso- und Zerstörung der „zweiten dort in zwei bis höchstens no als „aggressiv“ und drei Welle“ sowjetisch die Bundesre- Wochen die Entscheidung erzwingen er Panzerarmeen, publik Deutschland als „revanchis. bevor diese überhaup tisch“ angesehen. t in MitteleuroErste pa eintreffen würden. Risse im Dogma Aus der ideologischen Perspektive Dieses Während die DDR und Dogma von Offensive des Ostens stellte sich das benachund barte Polen bis also nicht die Durchbru dahin eher als HinterFrage, ob, sondern ch erhielt jedoch gegen vielmehr, wann Enland des zukünftigen Krieges de der 1970er-Jahre galten, erste Risse. Die gerieten sie nun aus Sicht östlicher Vorbereitung auf den Ernstfall:

7/45673

OPERATIONSPLÄNE

Abb.: p-a/ZB; BArch, DHV

STRAT EGIE & TAKTIK

WAFFEN & TECHNIK

GEHEIME PLÄNE: Wie hätten die Armeen des Warschauer Paktes im Ernstfall gegen die NATO gekämpft?

Der Warschauer Pakt ging einer offensiven zu einer allmählich von defensiven Strategie über. Im Bild eine Pionierbrü mit Schützenpanzern BMP-1 cke (Übung „Druschba 88“ bei Magdeburg, 1988)

Kaiserabzeichen für die besten Gewehrschützen der Infanterie, angenäht am Oberärmel der Feldbluse von 1895 bis 1913

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Militär & Geschichte

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PERFEKTE WAFFE: Die wegweisende Technik des Mauser Modell 98 wird bis ins kleinste Detail veranschaulicht

Die Karte zu Druschba 88 zeigt Raumes zwischen innerdeuts die Unterteilung des cher mehreren Verteidigungslinien, Grenze und Berlin in die Hauptverteidigungslinie knapp 50 Kilometer von der mehrere regionale Gegenstöß Grenze entfernt und e

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Clausewitz 5/2017

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Spurensuche | Luxemburg 2017

Quer durch die

Ardennen Luxemburg 2017

Die Spuren der Ardennenschlacht sind in Luxemburg allgegenwärtig. Wer sehen will, wo die Wehrmacht 1944/45 kämpfte, kann eine geführte Themenreise buchen. Unser Autor hat sich einer solchen Gruppe angeschlossen Von Milan Kroll

ORIGINAL: Am Militärmuseum in Diekirch steht dieser Sherman – hinter einer Panzersperre („Drachenzähne“) vom Westwall

MOHNBLUME, verteilt am Memorial Day

V

or dem Eingang zum Friedhof verteilen Veteranen der US-Armee kleine Mohnblumen aus Stoff. „Trage sie mit Stolz“ steht darauf geschrieben. Wir, eine kleine Reisegruppe aus sieben Leuten, nesteln uns die Blumen an Hemd oder Bluse und werden somit auch optisch Teil der Trauerund Gedenkgemeinde, die sich an diesem 27. Mai 2017 auf dem amerikanischen Soldatenfriedhof bei Hamm, Luxemburg, einfindet. Hier liegen mehr als 5.000 Gefallene des Zweiten Weltkriegs begraben. Über ihnen wehen heute die Nationalflaggen Luxemburgs und der Vereinigten Staaten auf Halbmast – zumindest bis zum Ende der Feierstunde. Es ist „Memorial Day“, die amerikanischen Streitkräfte gedenken ihrer Toten. Wenn man so will der

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passende Auftakt für eine geführte Tour zu Stätten der Ardennenschlacht, die um die Jahreswende 1944/45 in dieser Region tobte.

Touristenmagnet Luxemburg Das kleine Luxemburg hat seinen Gästen viel zu bieten: abwechslungsreiche Landschaften, eine bodenständige und dennoch raffinierte Küche, schmucke Städtchen voller Historie. Aber neben diesen touristischen Dauerbrennern sind es zunehmend die Spuren des Zweiten Weltkriegs, die Besucher ins Land locken. Aus Übersee kommen ganze Familien angereist, die sehen wollen, wo „Daddy“ oder „Grandpa“ vor über 70 Jahren gekämpft hat. Sie werden nicht enttäuscht:

In beinahe jedem Dorf in Nordluxemburg und Südbelgien findet man Denkmäler, die an die „Battle of the Bulge“ (also die Ardennenschlacht) erinnern, es gibt hervorragende Museen zum Thema und zahlreiche Schlachtfelder zu entdecken. Wer davon möglichst viel in kurzer Zeit sehen möchte, bucht eine „Erinnerungstour“ und wird dann im Kleinbus von Ort zu Ort gefahren. In unserer Gruppe sind keine Amerikaner, dafür Franzosen, Engländer und Deutsche. Auf dem „Luxembourg American Cemetery and Memorial“ wohnen wir jetzt bei brütender Hitze der Gedenkveranstaltung bei. Der Blick fällt auf das weitläufige Gräberfeld, zwischen den Kreuzen (und einigen

Fotos: Milan Kroll

LEBENSECHT: Ein deutscher Mörsertrupp in Aktion. Solche Dioramen finden sich in fast jeder Ausstellung zur Ardennenschlacht


MEMORIAL DAY: Eine Gedenkfeier auf dem amerikanischen Soldatenfriedhof bildete den Auftakt der Rundreise durch Luxemburg

Davidsternen) hat eine Ehrenformation der U.S. Air Force von der nahen Spangdahlem Air Base (Rheinland-Pfalz) Aufstellung genommen. Lieutenant General Richard M. Clark, Commander der 3rd Air Force in Ramstein, hält die Hauptrede. Er erinnert an den Mut und die Opferbereitschaft der jungen GIs, die 1944 Luxemburg befreiten und dann gegen Jahresende unvermittelt die deutsche Gegenoffensive parieren mussten.

Tiefe Verbundenheit Einheimische und Amerikaner mögen in solchen Momenten die tiefe Verbundenheit nachempfinden, die in der Kriegs- und Nachkriegszeit das beiderseitige Verhältnis ihrer Nationen prägte. Und es bleibt nicht aus, dass ich mich als Deutscher, obwohl Clausewitz 5/2017

mittendrin, hier nicht wirklich zugehörig fühle. Meine Großväter standen eben damals auf der anderen Seite.

Gräber und Sehenswürdigkeiten Für die in Luxemburg gefallenen Wehrmachtsoldaten gibt es selbstredend keine Feier, aber immerhin einen Friedhof, die „Kriegsgräberstätte Sandweiler“. 10.900 Tote sind hier begraben, jeweils vier teilen sich ein steinernes Kreuz. Nicht alle tragen Namen, oft steht nur „Ein deutscher Soldat“ oder „Zwei deutsche Soldaten“ darauf. Von diesen Unbekannten sind zudem Hunderte in einem Massengrab beerdigt, das am Ende des Hauptweges liegt. Dort zu stehen „erschüttert“ unsere heutige Fremdenführerin „jedesmal wieder“, wie sie uns verrät.

Anschließend geht es ein paar Kilometer zurück in die Hauptstadt. Auf dem Besichtigungsprogramm stehen hier auch „normale“ Sehenswürdigkeiten, darunter die „Kathedrale unserer lieben Frau“, das Regierungsviertel sowie das 1923 errichtete Mahnmal „Monument du Souvenir“, von den Einheimischen nur „Gëlle Fra“ (Goldene Frau) genannt. Die Statue erinnert an die Luxemburger, die während des Ersten Weltkriegs freiwillig in der belgischen oder französischen Armee gekämpft haben. Weil sie zu einem Symbol für die Freiheit und Unabhängigkeit des Großherzogtums geworden war, wurde sie 1940 nach dem Einmarsch der Wehrmacht auf Anordnung des Gauleiters Gustav Simon von ihrem Obelisken gerissen. Luxemburg sollte „germanisiert“ werden,

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Spurensuche | Luxemburg 2017

GUT GETARNT: In Wallendorf besichtigt die Reisegruppe einen MG-Bunker, dessen Schießscharte hinter der Sitzbank zu erkennen ist FACHKUNDIG: „Tourguide“ Roland Gaul am Schauplatz des US-Einmarsches in Moestroff. Fotos ermöglichen den Vergleich von damals zu heute

FREIHEITSSTATUE: Eine plastische Variante des KussFotos, das bei Kriegsende auf dem Times Square aufgenommen wurde, steht am Mardasson Memorial von Bastogne, Belgien

VETERANEN: In einem Raum der „Bastogne Barracks“ hängen Fotos ehemaliger US-Soldaten, die hier Ende 1944 ausgehalten haben

selbst Französisch zu sprechen war während der deutschen Besatzungszeit verboten. Am nächsten Tag fahren wir in den Norden des Landes. Im Grenzort Wallendorferbrück überqueren wir das Flüsschen Sauer, auf der deutschen Seite (Wallendorf) wartet der erste Bunker auf uns: Der kleine MGBunker (ein „C-Werk“ nach damaliger Klassifizierung) gehörte zur vordersten Linie des Westwalls. In den ruhigen Wochen vor der Ardennenoffensive wurde von hier aus die gegnerische Anhöhe beobachtet, auf der Teile des 109. US-Infanterie-Regiments lagen. Im Februar 1945 leistete er den vorrückenden US-Truppen dann nur kurzen Widerstand. Der nächste Bunker (ein „B-Werk“) liegt am Ortsrand von Gentingen. 1940 war er mit einer 3,7-Zentimeter-Pak bestückt, doch die

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Waffenentwicklung schritt rasant voran und als man ihn 1944 reaktivieren wollte passte die mittlerweile zum Standard gewordene 7,5-Zentimeter-Pak nicht hinein. Er diente dann nur als beschusssicherer Unterstand für deutsche Spähpatrouillen. Nach Kriegsende verpasste man ihm eine Hohlladung, doch die gewaltigen Mauern hielten der Sprengung stand. Verwüstet ist er trotzdem.

Authentische Orte „Die Amerikaner sind ganz verrückt nach Bunkern, aber leider sind hier kaum noch welche vorhanden“ erzählt Roland Gaul, der uns für den Rest der Tour als „Guide“ zur Verfügung steht. Der gebürtige Luxemburger hat sich mit seinem kleinen Unternehmen auf Führungen zum Thema Zweiter

Weltkrieg spezialisiert und begleitet überwiegend Besuchergruppen aus Übersee durchs Land. Er kennt sich in der Materie aus, 1984 hat er das „Nationale Militärmuseum“ im Ort Diekirch aus der Taufe gehoben, wo sich (fast) alles um die Ardennenschlacht dreht. Bevor wir seine ehemalige Arbeitsstätte besuchen fahren wir in den Dörfern Moestroff und Bettendorf vorbei. Hier sind manche Ecken unverändert geblieben. „Das fasziniert unsere Gäste immer ganz besonders“, strahlt Gaul, „wir können ihnen exakt die Orte zeigen, die sie von historischen Fotos kennen.“ Dann hält er eine großformatige Kopie hoch, auf der Soldaten der 5th U.S. Infantry Division im Januar 1945 durch eine Straße auf den Betrachter zukommen – und


Von Siegern und Besiegten

BEDRÜCKEND: Auf dem deutschen Soldatenfriedhof Sandweiler liegen mehr als 10.000 Gefallene; bei vielen ließ sich die Identität nicht mehr feststellen

WAFFENSCHAU: Vitrine im Museum von Diekirch, das sich um eine wertneutrale Darstellung bemüht – auch der deutschen Soldaten

UMSTRITTEN: Ein Denkmal für die medial ins Rampenlicht gerückte „E“-Company. Nicht alle US-Veteranen können den Kult um diese Einheit nachvollziehen

hinter ihm sind dieselben Gebäude im Jahr 2017 zu sehen. Genau hier muss damals der Fotograf gestanden haben ...

Drachenzähne und Dioramen Nun aber zum Museum in Diekirch. Vor dem Gebäude stehen US-Haubitzen, Granaten und Panzer, darunter ein Sherman hinter originalen „Drachenzähnen“ vom Westwall. Vor Jahren war ein reicher Amerikaner vom Anblick der deutschen Verteidigungslinie derart begeistert, dass er unbedingt einige dieser Panzersperren kaufen wollte. Gaul vermittelte erfolgreich den Deal mit deutschen Behörden – und bekam dafür zum Dank vom Käufer eine paar Betonhöcker für das Museum geschenkt. Glück muss man eben haben. Clausewitz 5/2017

Hinter den Glastüren werden wir endgültig in die Jahreswende 1944/45 katapultiert. Vitrinen voller Waffen, Uniformen, Ausrüstungsgegenständen beider Kriegsparteien, an den Wänden Fotos und Dokumente und dazwischen lebensechte Dioramen, die Kampfszenen von der Front zeigen oder ruhige Momente in Gefechtspausen. Da lädt ein deutscher Mörsertrupp sein Geschütz und nebenan ziehen GIs einen Truthahn aus dem Ofen, den ihre Regierung zu „Thanksgiving“ 1944 an die Truppe geliefert hatte – um die Moral zu heben. Im hinteren Gebäudeflügel wartet dann noch eine große Halle, hauptsächlich mit Fahrzeugen gefüllt. Die deutsche Ecke hat unter anderem ein SdKfz 251 und einen „Hetzer“ zu bieten, wiederum mit lebensechten Puppen bemannt.

Überhaupt trifft man in der damaligen Kampfregion vielerorts auf schweres Gerät. So steht neben der General-Patton-Statue in Ettelbrück (das Pattons 3. Armee am Weihnachtstag 1944 erreichte) ein weiterer Sherman, während das U.S. Memorial in Heinerscheid von einer 105-Millimeter-Haubitze M2A1 und einer deutschen 8,8-ZentimeterPak 43 flankiert wird.

Am Schloss von Clervaux In Weiswampach hingegen muss ein abstraktes Denkmal genügen, um an 13 junge Briten zu erinnern, die hier am 12. August 1944 beim Abschuss zweier Lancester-Bomber ihr Leben verloren. Vor dem mittelalterlichen Schloss in Clervaux, dem Ziel unserer heutigen Reise, ziehen dann wieder ein Sher-

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Spurensuche | Luxemburg 2017

IN BRONZE: Am nördlichen Ortsausgang von Ettelbrück steht diese Statue von General Patton, dem hier zudem ein Museum gewidmet ist

SCHWERES GERÄT: In einer Halle der Bastogne Barracks sind Dutzende Fahrzeuge der Alliierten aufgereiht – und auch ein paar der Wehrmacht

KULTORT: Zwischen den Schützenlöchern im Wald von Bois Jacques hat ein Verehrer der 101st Airborne Division diesen „Schrein“ errichtet

man und eine deutsche 8,8-Zentimeter-Pak die Blicke auf sich. Das Schloss hatte die Wehrmacht am 18. Dezember 1944 beschossen, woraufhin es ausbrannte. Kaum verwunderlich, dass es ein weiteres Museum zur Ardennenoffensive beherbergt. Am nächsten Morgen geht es 25 Kilometer westwärts nach Belgien. Wir nehmen dieselbe Straße, auf der vor über 72 Jahren deutsche Verbände vorgestoßen waren – Richtung Bastogne, schon damals ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Als die Wehrmacht, darunter die 26. Volksgrenadierdivision und die 2. Panzerdivision, Bastogne einkesselte, saßen die US-Soldaten der dort liegenden 101st Airborne Division in der Falle. Deren Befehlshaber, General Anthony C. McAuliffe, beantwortete eine deutschen Aufforde-

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rung zur Übergabe mit einem knappen „Nuts“ („Quatsch“) und erwarb sich damit bleibenden Ruhm. Abgespielt hat sich die Szene in den Bastogne Barracks, einer ehemaligen Kaserne, die zum Pflichtprogramm gerade der amerikanischen Besucher zählt. Sie dürften begeistert sein, wenn Roland Gaul in McAuliffes rekonstruiertem Dienstzimmer betont, dass dort „Weltgeschichte“ geschrieben wurde.

Eine lautstarke Attraktion Neben den einstigen Unterkünften der GIs und einer weiteren Weltkriegs-Ausstellung umfassen die Barracks eine riesige Fahrzeughalle (mit angeschlossener Restaurationswerkstatt), in der Dutzende alliierte Panzer, Lkw und Geschütze aufgereiht sind. Dazwi-

schen finden auch einige deutsche Fabrikate ihren Platz, vom Kübelwagen über ein Sturmgeschütz III bis zum Panzer IV. Nicht ganz so geräumig, aber nicht minder eindrucksvoll ist das zweite wichtige Kriegsmuseum der Stadt. Das „101st Airborne Museum“ ist ganz auf diesen legendären Verband zugeschnitten und hat neben den obligatorischen Dioramen eine besonders eindrucksvolle Attraktion zu bieten: In einem abgedunkelten Kellerraum kann man (akustisch) einen deutschen Luftangriff „miterleben“ und während der ohrenbetäubende Lärm von Detonationen und Flakfeuer durch Mark und Bein geht, zittert bedrohlich die Lampe an der Decke. Aus Sicht der Belgier steht Bastogne symbolisch für die Befreiung des Landes durch


Museen und Gedenkorte

IMPOSANT: Auf dem Gelände der Bastogne Barracks erinnert unter anderem eine 155Millimeter-Haubitze an die US-Truppen, die hier Ende 1944 eingekesselt waren

AM FALLSCHIRM: Installation im Eingangsbereich des 101st Airborne Museum, einem weiteren Highlight im belgischen Bastogne

Themenreisen in Luxemburg Grundlegende Informationen zum Land und zu bestimmten Themenreisen erhält man auf dem Internetportal www.visitluxembourg.com/de. Wer ausgesuchte Orte der Ardennenschlacht sehen möchte, kann eine Tour bei Roland Gaul (Luxemburg) buchen, dessen Unternehmen auf Wunsch auch die Übernachtungen organisiert. Die Vorträge gibt es wahlweise auf Deutsch, Englisch oder Französisch. Kontakt: Tel.: +352 621 562668. Mehr Infos auf www.gauls-legacy-tours.lu

die US-Armee und so hat man 1950 auch das zentrale Kriegsdenkmal vor den Toren der Stadt errichtet. Das zwölf Meter hohe, begehbare „Mardasson Memorial“ ist vom Grundriss her als fünfzackiger Stern erbaut und trägt Inschriften aller US-Divisionen, die in der Ardennenschlacht kämpften.

Souvenire vom Waldboden Viele Amerikaner verengen das aber mittlerweile auf eine ganz bestimmte Einheit: die sogenannte Easy Company, 2. Batallion, 506th Parachute Infantry Regiment der 101st Airborne Division. Ihre Geschichte wurde 2001 in der überaus erfolgreichen USMiniserie Band of Brothers erzählt und seither pilgern unzählige Geschichtsfans auf Spurensuche nach Bastogne. Clausewitz 5/2017

Nicht alle „Bulge“-Veteranen sind darüber glücklich. „Viele sind von diesem Rummel um das 506. Fallschirmjäger-Regiment regelrecht genervt“, verrät uns Roland Gaul an einem kleinen Denkmal, das speziell die Männer der „E“-Company feiert. „Die fragen dann: ,Was ist mit uns? Wir haben hier genauso gekämpft.’“ Es gehört zu den Vorzügen einer geführten Tour, dass man solche Hintergründe aus erster Hand erfährt. Zum Beispiel, dass nebenan im Wald von Bois Jacques, wo die „E“Company im Dezember 1944 einer deutschen Übermacht standhielt, nun zuweilen Amerikaner zwischen den noch vorhandenen Schützenlöchern herumkriechen und Tannennadeln in Plastikflaschen stopfen – als „blutgetränktes“ Souvenir für daheim.

Zurück in Luxemburg, führt der letzte Abstecher nach Wiltz, wo Ende 1944 schwerste Kämpfe tobten, besonders um die Straßenkreuzung „Schuhmanns Eck“. Das dort gelegene gleichnamige Cafe wurde dabei total zerstört. Heute, wieder aufgebaut, ist es ein bevorzugter Anlaufpunkt für USTouristen, auf die man sich längst eingestellt hat, auch kulinarisch. Auf der Karte stehen riesige Schnitzel, die wir uns gern schmecken lassen. Dann ist die dreitägige Tour zu Ende. Sie hat Lust auf mehr gemacht: Anders als 1944/45 kann man heute in Luxemburg auch als Deutscher nur noch gewinnen. Milan Kroll studierte Geschichte sowie Politikwissenschaft und arbeitet heute als Historiker in München.

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Akten, Dienste & Spione

Mata Hari (1876–1917)

Die größte Spionin des 20. Jahrhunderts? UNKLARES URTEIL: Ist Mata Hari eine skrupellose Super-Spionin oder ein nichtsahnender Naivling? Ihr Versuch, den deutschen und französischen Geheimdienst gegeneinander auszuspielen, hat jedenfalls fatale Konsequenzen. Das digital kolorier te Foto zeigt die Niederländerin als exotische und verführerische Nackttänzerin Abb.: picture alliance/akg-images

15. Oktober 1917: Die der Spionage für das Deutsche Reich für schuldig befundene Mata Hari wird durch ein französisches Erschießungskommando hingerichtet. Bereits unmittelbar danach setzt die Legendenbildung um ihre Person ein – ein Mythos entsteht Von Lukas Grawe Nimmt man Bücher über die Geschichte der Spionage in die Hand, stößt man in den allermeisten Fällen auf ihren Namen: Mata Hari. Ihre Vita ist auch 100 Jahre nach ihrer Hinrichtung fesselnder als mancher Kriminalroman, ihr äußerst wechselhaftes, ausschweifendes und abenteuerliches Leben ist längst zum Mythos geworden. Das Bild der spionierenden Kurtisane, des Männer verführenden Vamps, aber auch der blauäugigen Träumerin Mata Hari ist den meisten Geheimdienst-Interessierten ein fester Begriff. Bereits kurz nach ihrem Tod findet Mata Hari Eingang in die Propaganda der kriegführenden Parteien und wird auf diese Weise unsterblich.

Zwischen Indonesien und Paris Die Neigung der Menschen, die vorherrschenden Umstände und Begebenheiten mit „konspirativen Kriegsdeutungen und -erzählungen“ (Gundula Bavendamm) zu erklären, trägt ebenfalls dazu bei, dass sich die Legende entfaltet. Wer aber ist diese widersprüchliche Frau? Ist sie die größte Spionin des 20. Jahrhunderts, gar der Geschichte? Oder handelte es sich um eine naive Tänzerin, die nicht weiß, wie heiß das Feuer ist, mit dem sie spielt?

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BIOGRAPHIE

Mata Hari

BRUTALE UMSTÄNDE: Der Erste Weltkrieg schafft die Grundlage für Mata Haris ungewöhnliche Agenten-Karriere. Zur Zeit des Ausbruches befindet sie sich in Berlin, wo sie im Metropol-Theater auftritt

1876 Geboren in Leuwarden als Margaretha Geertruida Zelle

1895 Heirat mit dem niederländischen Kolonialoffizier Rudolph MacLeod

Abb.: picture alliance/Heritage Images

1897 Übersiedlung nach Java, Niederländisch-Indien (Indonesien)

1902 Rückkehr in die Niederlande, Scheidung

1904/05 Mata Hari feiert ihren Durchbruch als Tänzerin in Paris, ist auf dem Höhepunkt ihres tänzerischen Ruhms

1906–1914 Abstieg, Abgleiten in die Prostitution

Herbst 1915 Beginn der Spionagetätigkeit für das Deutsche Reich, Deckname „H 21“

August 1916 Doppelagentin, nun auch im Dienste des „Deuxième Bureau“

Dezember 1916 Kurzzeitige Haft in Großbritannien, Ausreise nach Frankreich

Februar 1917 Verhaftung in Paris

Juli 1917 Eröffnung des Prozesses gegen Mata Hari

Oktober 1917 Margaretha Geertruida Zelle, wie Mata Hari mit bürgerlichem Namen heißt, erblickt 1876 in der niederländischen Provinz Friesland das Licht der Welt. Bereits mit 19 Jahren heiratet sie den niederländischen Kolonialoffizier Rudolph MacLeod und wandert mit ihm nach Niederländisch-Indien, dem heutigen Indonesien, aus. Die übereilt geschlossene Ehe verläuft glücklos, die junge Frau kehrt schon 1902 in die Niederlande zurück. Ihre Zeit in Indonesien hat Margaretha dennoch tief geprägt: Sie entdeckt den Zauber fernöstlicher Kulturen, den sie mit nach Europa bringt und der sie auf den Varietébühnen der europäischen Hauptstädte weltberühmt machen wird. Die junge Niederländerin legt sich den Künstlernamen Mata Hari zu, was „Auge der Morgenröte“ bedeutet, und versucht sich fortan als fernöstliche exotische Tänzerin.

Karriere erreicht Zenit Ab 1904 erntet Mata Hari mit ihren erotischen, in Anlehnung an orientalische Tempeltänzerinnen gehaltenen Shows in Paris

Clausewitz 5/2017

erste Lorbeeren. Es folgen zahlreiche Auftritte in den berühmtesten Salons der französischen und der spanischen Hauptstadt. Schnell entdeckt Mata Hari auch ihre Anziehungskraft auf das männliche Geschlecht und entwickelt Bekanntschaften zu reichen, einflussreichen Persönlichkeiten. In Spanien unterhält sie eine Liaison zum französischen Botschafter Jules Cambon, in Paris bandelt sie mit dem General und späteren Kriegsminister Adolphe Messimy an. Mata Hari ist auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs und für kurze Zeit eine der bestbezahlten Tänzerinnen der Welt. Sie tritt in Monte Carlo, Mailand und Wien auf, ihr Bild ziert Postkarten und Zigarettenschachteln.

Beruflicher Abstieg Doch ihr tänzerischer Erfolg ist nicht von Dauer. Jüngere, schönere und vor allem besser Tänzerinnen verdrängen Mata Hari von den gefragtesten Bühnen. Trotz des beruflichen Misserfolgs hält die Niederländerin aber an ihrem verschwenderischen Lebensstil fest. Ihr chronischer Geldmangel lässt

Hinrichtung am 15. Oktober in Vincennes, Frankreich

GLÜCKLOS: Die Ehe mit dem 20 Jahre älteren Kolonialoffizier Rudolph MacLeod ist nicht gerade eine Liebesheirat. Margaretha lernt den an Diabetes, Rheuma und vermutlich Syphilis leidenden Mann durch eine Kontaktanzeige in einer Zeitung kennen Abb.: picture alliance/Photoshot

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Akten, Dienste & Spione | Mata Hari

zugeschrieben, die Männer nicht besitzen. Mata Hari gelingt es jedoch im Herbst 1914, in die neutralen Niederlande auszureisen. Ihr kosmopolitisches Leben aber kann sie nun nicht mehr fortführen, Reisen nach Frankreich gestalten sich äußerst schwierig. In Den Haag mietet sie ein sehr kleines Häuschen und befindet sich dennoch bald wieder in arger Geldnot.

SPIONIN DURCH ZUFALL: Mata Hari ist eigentlich Tänzerin und Kurtisane. Als ihr das Angebot gemacht wird, bei ihrem nächsten Frankreichaufenthalt Informationen für die Deutschen zu sammeln, kann die in permanenten Geldnöten steckende Frau nicht widerstehen – sie wird zur Agentin Abb.: picture alliance/United Archives/WHA

Spionage in Paris Für die klamme Niederländerin bietet sich jedoch ein Ausweg: Der deutsche Amtsgerichtsrat Werner von Mirbach – ein Bewunderer der Tänzerin – schlägt ihre Tätigkeit für die „Sektion III b“, den deutschen Militärgeheimdienst, vor. Walter Nicolai, der Chef der Sektion, erklärt sich einverstanden und bittet Mata Hari zu einem ersten Treffen nach Köln. Dort hinterlässt die schöne Frau nachhaltigen Eindruck und für sie ist die Aussicht auf Geld und Abenteuer verlockend. Nicolai weist seine Untergebenen an, Mata Hari in einem Schnellkurs zur Agentin ausbilden zu lassen. Elisabeth Schragmüller, Deutschlands einziger weiblicher Nachrichtendienstoffizier, lehrt Mata Hari in mehreren Wochen den Gebrauch von Geheimtinte und die Kunst der Nachrichtenübermittlung. Als Decknahmen erhält sie nun die Bezeichnung „H 21“.

Mata Hari in die Prostitution abgleiten, ständig auf der Suche nach reichen Gönnern und Liebhabern, die ihren Lebenswandel finanzieren. Bis 1914 tritt die einst gefeierte Tänzerin nur noch in zweitklassigen Theatern als Schauspielerin auf. Sie reist durch ganz Mitteleuropa, sieht sich als Kosmopolitin, geht zahlreiche flüchtige Männerbekanntschaften ein, die ihre Finanzen sichern. Erst der Ausbruch des Ersten Welt-

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kriegs setzt diesem internationalen Reiseleben ein jähes Ende. Mata Hari erlebt den Beginn des Krieges in Berlin, wo man sie kurzzeitig sogar für eine Russin hält und als „feindliche Ausländerin“ interniert. Überall macht sich eine ausgewiesene Spionagehysterie breit, hinter jeder Ecke werden feindliche Agenten vermutet. Gerade Frauen verdächtigt man häufig, werden ihnen doch Verführungskünste

MYTHOS MATA HARI: Sehr schnell wird die Agentin nach ihrer Hinrichtung zur Legende. Sie ist seitdem der Archetyp des verführerischen weiblichen Spions Abb.: picture-alliance/MAXPPP; picture alliance/The Advertising Archives


Dienst als Doppelagentin

Mata Hari kehrt nach Den Haag zurück, um bald darauf nach Paris aufzubrechen. Dort soll sie die nächsten Offensivpläne der Entente auskundschaften, dabei ständigen Kontakt zur deutschen Kriegsnachrichtenstelle West in Düsseldorf und zur Agentenzentrale der deutschen Botschaft in Madrid halten. In Den Haag versorgt sie der deutsche Konsul Karl Cramer mit 20.000 Francs. „Reisen Sie, bringen Sie uns Neuigkeiten!“, gibt ihr Cramer mit auf den Weg. Später wird sie aussagen, sie habe aus Paris keinerlei Informationen an den deutschen Konsul berichtet und dort lediglich ihre persönlichen Sachen abholen wollen. Über Großbritannien reist sie nach Frankreich, um dort ihre alten Kontakte wieder aufleben zu lassen. Schnell schließt sie Bekanntschaften mit zahlreichen Offizieren, Diplomaten und Politikern. Ende des Kriegsjahres 1915 berichtet sie an den deutschen Nachrichtenoffizier Hoffmann, „daß vorläufig, insbesondere jetzt, nicht an eine französische Offensive gedacht wird.“

ABSOLUT KINOTAUGLICH: Das schillernde Leben Mata Haris bietet den perfekten Stoff für Filmemacher. Am bekanntesten ist wohl Greta Garbos Darstellung von 1931 (links), Abb.: picture alliance (2) aber auch Jeanne Moreau hat „H 21“ auf der Leinwand verkörpert

Mata Hari kann überzeugen Ihre Rückreise nach Holland führt über das neutrale Spanien. Auf dem Weg durch Südfrankreich Richtung spanische Grenze soll Mata Hari Truppenbewegungen und Garnisonsstandorte auskundschaften. Ob sie überhaupt brauchbare Informationen sammelt, ist in der historischen Forschung nach wie vor umstritten. Der deutsche Militärattaché in Madrid, Arnold Kalle, stuft sie allerdings als sehr wichtig ein. Als Mata Hari am 12. Januar 1916 in Madrid eintrifft und sich mit dem Major in seiner Funktion als Leiter der

sam, bei dem es sich um niemand anderen als Mata Hari handeln kann … Nach einer zweiten Reise nach Madrid versucht die Agentin im Juni 1916 wieder nach Frankreich einzureisen, doch französische Grenzbeamte halten sie zunächst auf. Das Einreiseverbot, das die Beamten bereits am nächsten Tag wieder aufheben, hätte die Spionin eigentlich stutzig machen müssen, doch führt sie ihre Reise wie geplant fort. In Paris hängt sich der französische Geheimdienst, das „Deuxième Bureau“, an ihre Fer-

„agent h-21 in madrid angekommen wurde von franzosen engagiert von engländern aber zurückgesandt nach spanien und bittet jetzt um geld und weitere anweisungen.“ Funkspruch von Major Kalle an das deutsche Konsulat in Den Haag, Dezember 1916

deutschen Spionage gegen Frankreich in Verbindung setzt, ist dieser von den Materialien von „H 21“ derart angetan, dass er sie direkt per Funk an Cramer in Den Haag weiterleitet. Was Kalle jedoch nicht weiß: Der britische Funkabhördienst hat den deutschen Funkschlüssel „geknackt“ und liest daher alle Berichte mit. Auf diese Weise werden britische Agenten auf „H 21“ aufmerk-

Clausewitz 5/2017

sen. Der Chef des Dienstes, Georges Ladoux, ist auf die ehemalige Tänzerin aufmerksam geworden. Er plant, sie im Dienste Frankreichs nach Belgien zu entsenden, um Informationen aus dem deutschen Hauptquartier zu erlangen. Ladoux arrangiert ein Treffen mit Mata Hari. Bis heute ist umstritten, was die beiden besprechen. Den Erinnerungen Ladoux‘ zufol-

ge fordert Mata Hari für ihre Dienste die exorbitante Summe von einer Million Francs. Der französische Geheimdienstchef geht auf die Forderung ein, will aber keinen Vorschuss zahlen. Über Spanien soll Mata Hari nach Den Haag zurückkehren und dort weitere Anweisungen erhalten. Fortan treibt sie das gefährliche Spiel der Spionage als Doppelagentin auf die Spitze.

Verhaftung in Großbritannien Über Spanien und Großbritannien soll Mata Hari in die Niederlande zurückkehren. Doch bei der Einreise in Großbritannien kommt es zu einem Zwischenfall: Scotland Yard verdächtigt die ehemalige Tänzerin, die deutsche Spionin Clara Bendix zu sein und setzt sie vorerst fest. Mata Hari versucht das Missverständnis aufzuklären und eröffnet den staunenden Beamten, sie sei im Auftrag Frankreichs unterwegs. Als Ladoux erfährt, dass seine neu angeworbene Agentin ihre Tarnung fallen gelassen hat, ist er entsetzt. Wütend kabelt er an Scotland Yard, dass er Mata Hari für eine deutsche Spionin halte und fordert ihre Rückkehr nach Spanien. Von dem Telegramm ahnt Mata Hari nichts, unbedarft reist sie zurück nach Madrid. In Spaniens Hauptstadt trifft sich Mata Hari zuerst mit dem französischen Militärattaché Colonel Danvignes, der ihr den Auftrag erteilt, Informationen über deutsche Lan-

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Akten, Dienste & Spione | Mata Hari

ENDE DURCH EXEKUTION: Am 15. Oktober 1917 wird Mata Hari in einem Waldstück außerhalb von Paris vor ein Erschießungskommando gestellt (siehe Foto). Laut einem Bericht soll sie den Soldaten noch eine Kusshand zugeworfen haben, bevor diese schossen. Da keine Familienangehörigen ihre Überreste einfordern, wird ihr – wie damals bei Kriminellen üblich – der Kopf abgeschnitten und ins Musée d’Anatomie in Paris verbracht Abb.: picture alliance/Mary Evans Picture Library

dungspläne in Marokko und den Standort deutscher U-Boote im Mittelmeer zu sammeln. Mit dem Feuer spielend, die Tragweite ihrer Doppeltätigkeit wohl nicht ganz erfassend, trifft sich Mata Hari anschließend mit Major Kalle. Dieser schätzt nach wie vor ihr Talent, an geheime Nachrichten zu gelangen, ist sich aber ihrer Vertrauenswürdigkeit nicht mehr sicher. Bewusst leitet Kalle daher falsche Informationen an Mata Hari weiter, um zu sehen, ob diese bei den Franzosen ankommen.

Zugleich fordert er in Den Haag telegrafisch weitere Gelder für die extravagante ExTänzerin an, was sich als verhängnisvoller Fehler erweist: Dieses Mal lesen die Franzosen den Funkverkehr mit. Die Geldforderung Kalles wird im späteren Prozess gegen Mata Hari verwendet werden. Im Januar 1917 kehrt Mata Hari nach Paris zurück. Dass der französische Geheimdienst mittlerweile davon überzeugt ist, sie spioniere ausschließlich für Deutschland, ahnt sie

nicht. Als sie am 13. Februar verhaftet wird, weist sie jede Schuld kategorisch von sich. Ein viermonatiger Verhörmarathon beginnt, geleitet durch den Militär-Untersuchungsrichter Pierre Bouchardon. Dieser legt der ExTänzerin die kompromittierenden Telegramme vor, konfrontiert sie mit ihrem auffälligen Reiseleben und ihren Affären mit deutschen Offizieren und Diplomaten. „Die Tatsache, daß ich mit gewissen Leuten ein Verhältnis hatte, schließt auf keinen Fall ein, daß ich Spionage betrieb“, lässt Mata Hari verlauten.

HINTERGRUND

Die „Sektion/Abteilung III b“ Um auf den steigenden Bedarf an Informationen über ausländische Heere angemessen zu reagieren, ruft der Große Generalstab der preußischen Armee 1889 mit der „Sektion III b“ den ersten militärischen Nachrichtendienst des deutschen Kaiserreichs ins Leben. Erstmals wird das militärische Geheimdienstwesen auf diese Weise institutionalisiert, obgleich die Sektion zunächst nur mit drei Offizieren auskommen muss. Daher stehen zunächst nur Frankreich und Russland im Fokus, denn das geringe Budget von 300.000 Mark lässt keine weiteren Ziele zu. Als der Erste Weltkrieg ausbricht, ist das deutsche Geheimdienstwesen daher noch

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ziemlich unterentwickelt. Dank des Einsatzes des Chefs der Sektion, Major Walter Nicolai, wird „III b“ 1915 zu einer Abteilung hochgestuft und erhält ein größeres Budget und mehr Mitarbeiter. Neben der Spionage im Hinterland, der Planung von Revolutionen und der Aufwiegelung von nationalen Minderheiten in den Feindstaaten obliegt der „Abteilung III b“ auch der Frontnachrichtendienst. Bis zum Ende des Krieges gelingen dem Geheimdienst zwar einige Erfolge, doch haben diese keinen maßgeblichen Einfluss auf den Ausgang des Krieges. Mit der Auflösung des Generalstabes im Jahr 1919 endet schließlich auch die Existenz der Abteilung.

Verhaftung in Paris „Ich habe niemals irgendwelche Spionage für Deutschland betrieben. Mit Ausnahme Frankreichs habe ich auch für kein anderes Land spioniert.“ Obwohl die Beweislage nicht vollkommen eindeutig ist, lässt Mata Haris Lebenswandel sie dennoch verdächtig erscheinen. Hinzu kommt, dass die französische Öffentlichkeit von den Rückschlägen an der Front abgelenkt werden muss. Schließlich scheitern die alliierten Offensiven kläglich am deutschen Widerstand, in einigen französischen Einheiten brechen Meutereien aus. In dieser Situation kommt ein spektakulärer Spionageabwehr-Erfolg gerade recht. Am 24. Juli 1917 beginnt der Prozess gegen die ehemalige Tänzerin. „Der Schaden,


Mata Hari wird zur Legende

Lesen Sie noch eln oder samm

DAS SPIEL IST AUS: Margaretha alias Mata Hari alias „H 21“ wird verhaftet. Die schlanke Frau mit dem lasziven Blick hat ihre Spionagetätigkeit niemals zugegeben. Dieses Jahr – genau 100 Jahre nach dem Gerichtsverfahren – werden die französischen Akten einsehbar. Vielleicht klärt sich dann endgültig diese Frage? Abb.: picture-alliance/akg-images

KURZ VOR DER HINRICHTUNG: Eines der letzten Fotos von Mata Hari zeigt sie in einem Wintermantel. Bei ihrer Hinrichtung soll sie Kleidung getragen haben, die sie sich extra für diesen Anlass hat herstellen lassen Abb.: picture-alliance/dpa

den diese Frau angerichtet hat, ist unbeschreiblich. Sie ist mutmaßlich die größte Spionin unseres Jahrhunderts“, betont ihr Ankläger André Mornet im Verlauf der Verhandlungen nachhaltig. Einstimmig verurteilt der Rat der Geschworenen Mata Hari

Bis heute streiten Historiker darüber, ob Mata Hari eine gewiefte und erfolgreiche Spionin war oder doch eher eine naive, leichtsinnige Frau, die das Risiko der Spionage eingeht, um ihren ausschweifenden Lebensstil zu finanzieren. Ihr deutscher Führungsoffi-

„Der Schaden, den diese Frau angerichtet hat, ist unbeschreiblich. Sie ist mutmaßlich die größte Spionin unseres Jahrhunderts.“ Ankläger André Mornet über Mata Hari, 1917.

bereits einen Tag später zum Tode, auch Gnadengesuche von Mata Haris Anwalt bei Präsident Poincaré bleiben erfolglos.

Widersprüchliches Bild Letztlich wird der Spionin ihre Doppelagenten-Tätigkeit zum Verhängnis, wie auch der Historiker Janusz Piekalkiewicz schreibt: „Wenn sie wirklich als Doppelagentin hätte tätig sein wollen, so wäre dies nur mit dem Wissen und vollem Einverständnis ihrer Auftraggeber möglich gewesen.“ Durch ihre Exekution am 15. Oktober avanciert Mata Hari schnell zu einer Legende, die auch die Propaganda beider Kriegsparteien aufgreifen wird.

zier, Major von Roeppel, betonte nach dem Ersten Weltkrieg: „Was nun die Leistungen von H 21 anbelangt, so gehen die Ansichten hierüber sehr auseinander. Ich persönlich glaube, daß sie bestimmt sehr gut beobachtet und gemeldet hat; denn sie war eine der klügsten Frauen, die ich je kennengelernt habe. […] Spionage zugunsten Deutschlands hat sie bestimmt betrieben, und ich bin der Meinung, daß sie von den Franzosen – leider – zu Recht erschossen wurde.“

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Menschen & Geschichten CHAOTISCH: Verstopfte und verschlammte Straßen und Ortsdurchfahrten sind ein großes Problem für die motorisierten Truppen während des Balkanfeldzuges

Heikle Aufklärungseinsätze als Kradschütze

„Immer vorn’ dabei!“ 1939–1941: Hermann Hormann nimmt an den Feldzügen der Wehrmacht in Polen, Frankreich und auf dem Balkan teil. Als Kradschütze bei der 9. Panzerdivision ist er beim Vormarsch den Gegnern oft dicht auf den Fersen Von Jörg-M. Hormann

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Die abgesessenen Kradschützen krallen sich im steinigen Acker des Geländes fest und liegen flach in minimalen Deckungen. „Umgehen dieses fast deckungslosen Geländes entlang der Vormarschstraße ist die einzige vernünftige Lösung“, denkt Oberleutnant Hermann Hormann, Führer der 1. Kompanie der Kradschützen. Doch da wirft sich neben ihm ein Offizier in die flache, nasskalte Erdmulde. Er trägt schwarze

Kragenspiegel – auf der rechten Seite mit SSRunen – und auf den Schulterstücken die verschlungenen Buchstaben der „SS-Leibstandarte Adolf Hitler.“ „Wir machen das! Befehl von Obergruppenführer Dietrich! Wir stürmen beiderseits der Straße“, brüllt ihm der Obersturmführer ins Ohr.

Kopfschütteln über Waffen-SS Mit „wir“ meint er sich und seine Kameraden mit dem Hoheitsadler auf dem linken Oberarm. Sprachlos verfolgt Oberleutnant Hormann das rigorose, aber völlig überzogene Vorgehen der SS-Soldaten an einer Straße, die für den motorisierten Vormarsch nachhaltig zerstört ist. Er liegt mit seiner Annahme richtig, dass von Einheiten seines Bataillons bereits ein später erfolgreicher Umfassungsangriff im Gange ist. Der für den effektiven, aber auch schonenden Einsatz im Kampf ausgebildete Heeresoffizier der Kradschützen erlebt hier das erste Mal den draufgängerischen Kampfstil ZEITZEUGE: Hermann Hormann als Hauptmann im Oktober 1943

Alle Bilder: MIREHO

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s ist Ostersonntag, der 13. April 1941. Die 9. Panzerdivision (9. Pz.Div.) des deutschen Heeres hatte während des Balkanfeldzuges am Vortag die Grenze von Jugoslawien nach Griechenland überschritten. Jetzt heißt der Auftrag, über Vevi weiter bis Ptolemaida in Westmakedonien durchzustoßen. Noch geht der Vormarsch des Kradschützen-Bataillons 59 zusammen mit den Panzeraufklärern der Aufklärungs-Abteilung 9 (mot.) in gemäßigtem Tempo voran. Man hat zunächst mehr mit unbeständigem Aprilwetter, desolaten Straßenverhältnissen und Versorgungsschwierigkeiten zu tun als mit dem eigentlichen Feind. Doch das wird sich an jenem 13. April 1941 ändern, wie das Kriegstagebuch (KTB) des Kradschützenbataillons zeigt: „Über das Gefechtsfeld südlich Vevi, das Spuren harten Kampfes trägt, geht der Marsch flüssig bis zum Südausgang des Passes nördlich Amynteo, wo die Straße vermint ist und um 7:45 Uhr die Spitze gut liegendes Artilleriefeuer erhält. Straßensprengungen bedingen den Halt der Kradschützen und etwa 30 englische Panzer werden im Gelände erkannt.“


HINTERGRUND

Kradschützen: „Waffe auf drei Rädern“ Seit der Aufstellung erster Einheiten 1935 faszinieren die Kraftradschützen (kurz: Kradschützen) des Heeres ihre Planer und Strategen. Sie zählen zu den militärischen Werkzeugen der „Blitzkriege“ und während des Balkanfeldzuges sind die Kradschützen auf ihrem militärischen Höhepunkt. „Sie charakterisierten sich durch eine Vereinigung von Schnelligkeit, Wendigkeit und hoher Feuerkraft und der Fähigkeit, sich bei günstigen Bodenverhältnissen auch abseits von Wegen

der Waffen-SS. Dieser lässt ihn den Kopf schütteln. Im KTB heißt es zwar: „… das eigene Artilleriefeuer vertreibt die Panzerwagen und schafft der auf der deckungslosen, eingesehenen Fläche entlang der Vormarschstraße mit großer Bravour angreifenden SSLeibstandarte Luft …“ Aber in der Tagesbilanz stehen auch bis dahin ungewöhnlich hohe personelle Verluste mit acht Gefallenen, acht Schwerverwundeten und zwei Leichtverwundeten sowie bemerkenswerte Erfahrungen: „1. Die unabhängig voneinander fechtenden Einheiten der SS-Leibstandarte und der 9. Pz.Div. haben in den unteren Einheiten keine Verbindung. Die Kampfführung ist mangels Kenntnis der Absicht und des Auftrages des Nachbarn erschwert und nicht frei von Zweifeln und Unsicherheiten. 2. Die Anlage und Durchführung der Straßensprengungen durch die australischen motorisierten Einheiten ist ebenso meisterhaft wie die Führung ihres hinhaltenden Kampfes …“

GRUPPENFOTO: Oberwachtmeister Hormann (Mitte) bei einer Übung seiner Kradschützen im Frühjahr 1939

und Straßen in freiem Gelände mit ihren Krafträdern bewegen zu können. Das wesentlichste Kennzeichen ihrer Gefechtsführung war der spontane Wechsel zwischen schneller Bewegung auf Beiwagenkrädern und dem abgesessenen Kampf zu Fuß.“ So beschreibt eine zeitgenössische Quelle die neue „Waffe auf drei Rädern“, die als Kradschützen-Kompanien und -bataillone immer in die militärische Struktur der Aufklärungsverbände und Panzertruppen eingebunden sind.

Hoff“, ist dagegen das Argument seiner bäuerlichen Eltern. So bleiben dem 1915 geborenen Hermann Hormann, der mit sieben Geschwistern als Jüngster auf einem Bauernhof groß wird, nur zwei Wege, um der dörflichen Enge zu entfliehen. Entweder lässt er sich in den Armen der Kirche zum Pastor ausbilden oder er geht zum Militär.

Bei der Feldartillerie Er entscheidet sich für Letzteres und bewirbt sich 1933 beim 100.000-Mann-Heer der Reichswehr: Dort angenommen zu werden, ist seinerzeit der Wunsch Tausender junger Männer. Doch Hermann Hormann ist einen Zentimeter zu klein, wie sich bei der Musterung herausstellt. Er wartet daher ein Jahr, ehe es am 1. November 1934 klappt. Er wird als tauglich gemustert und landet bei der

I. Abteilung des Artillerie-Regiments 58 in Oldenburg, die ihn zum Artilleristen ausbilden soll. Seine Berufsbezeichnung „Landwirt“ dürfte dazu beigetragen haben, dass seine Soldatenlaufbahn bei der berittenen Feldartillerie beginnt. Die „Köttelbespannten“, die noch dreispännig mit Protze und Feldgeschütz durchs Gelände galoppieren, machen aus den Männern im Sattel nur selten Pferdeliebhaber. Der Charakter von Militärpferden hat es

Wegweisende Entscheidung Soweit eine Episode der zahlreichen Kampferlebnisse des späteren Majors und Abteilungsführers der Panzeraufklärer Hermann Hormann. Er erlebt und überlebt als Berufssoldat den Zweiten Weltkrieg. Rückblick in Hormanns Jugend: „Der Junge muss auf das Gymnasium“, dies ist die Meinung des Dorfschullehrers in Binnen bei Nienburg an der Weser. „De Jung blivt up n

„BLUMENKRIEG“: Wachtmeister Hormann (rechts), jetzt Zugführer in der Kradschützenabteilung des 9. Aufklärungsregiments, beim Einmarsch in das Sudetenland im Oktober 1938 FÜR DEN ERNSTFALL: Üben an der 10-Zentimeter-Feldkanone 18 bei der motorisierten II. Abteilung des Artillerie-Regiments 58, die in Bremen stationiert ist

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Der Zeitzeuge SCHNELLE TRUPPE: Kradschützen auf dem schnellen Vormarsch in Griechenland. Bahnlinien waren gut geeignet, um sich zu orientieren

„tretfreudig“ in sich. Diese Erfahrung macht Hormann sehr schnell. Nach seinem Offiziersbewerber-Lehrgang in Wandsbek bei Hamburg im August 1938 hält das Heer eine ganz besondere Aufgabe für den Artilleristen Hormann bereit: Die Führung schickt ihn zur „Aufnordung“ nach Horn bei Wien. Seit dem „Anschluss Österreichs“ stellt die Wehrmacht die Verbände des österreichischen Bundesheeres auf deutsche Verhältnisse um. So wird aus dem einzigen motorisierten Verband des Bundesheeres, der „schnellen Division“, im März 1938 die 4. leichte Division der Wehrmacht. Aus ihr formieren die Verantwortlichen nach dem Polenfeldzug des Jahres 1939 die 9. Panzerdivision. Personell besteht und ersetzt sich diese vor allem aus Österreichern. Und darin sieht die Heeresführung in Berlin ein Problem. Sie traut der österreichischen Dienstauffassung nicht. Die vermeintliche Laxheit des „Kameraden Schnürschuh“ des Ersten Weltkriegs ist bei großen Teilen der deutschen Militärführung fest im Kopf verankert. Aus diesem Grund kommt die „Aufnordung“. „Stramme Norddeutsche“ sollen den Österreichern „militärische Gangart“ beispielhaft vorführen. Am Morgen nach seiner Ankunft in Horn bei Wien meldet sich Unteroffizier und Offiziersanwärter Hormann im perfekten Anzug bei seinem Chef. Er ist Feuer und Flamme für seine neue Aufgabe. „Stehen Sie bequem, Kamerad! Kennen Sie Wien?“, begrüßt ihn TECHNIK IM DETAIL

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ROBUST UND ZUVERLÄSSIG: Krad BMW R75 mit Seitenwagen. Seit 1941 bei den Kradschützen des Grafik: MIREHO Heeres im Einsatz 1 vorderer Hebebügel 2 vorderes Schutzblech mit Nummernschild 3 Volkswagenreifen 4 vorderer Kippständer 5 Lichtmaschine 6 Lichtschalter 7 Kupplungshebel 8 ZweizylinderBoxermotor 9 Fußschalthebel 10 Tank 11 Kraftstoffumschalthahn 12 Sammler 13 Anwerfhebel 14 Sicherungsdose 15 Fußrost für den Sozius 16 hinterer Hebebügel

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Nummernschild Bremslicht Rohrrahmen Auspufftopf Kardanwellenantrieb Seitenwagenantriebswelle 23 Scheinwerfer mit Tarnvorsatz 24 Seitenwagengehäuse 25 Reserverad 26 Schutzblech mit Leuchte 27 Fußbremshebel 28 Handbremshebel 29 gefederte Sitze und Sitzpolster im Seitenwagen 30 Haltegriffe

sein Kommandeur Oberstleutnant Bruno Ritter von Hauenschild jovial: „Nein? Dann haben sie jetzt drei Tage Urlaub. Schauen Sie sich die Stadt an!“ Diese Reaktion hat Hormann nicht erwartet.

Karriere nimmt Fahrt auf Seit dem 10. September 1938 ist Hormann zur 1. Schwadron in der I. Abteilung des Aufklärungs-Regiments 9 (mot.) der 4. leichten Division unter General Alfred Ritter von Hubicki kommandiert. Obwohl der Verband voll motorisiert ist und bis auf ein paar Offiziersreitpferde keine Vierbeiner zu versorgen hat, tragen die Männer die goldgelbe Waffenfarbe der Kavallerie. Auch die Dienstgradterminologie entspricht jener der Reiterei: Der Feldwebel ist ein Wachtmeister und der Hauptmann firmiert als Rittmeister, um zwei Beispiele zu nennen. Das Tempo der Karriere des Offiziersanwärters Hormann nimmt nun Fahrt auf. Der Beförderung zum Wachtmeister am 1. Oktober 1938 folgt bereits am 1. Dezember der Oberwachtmeister. Am 1. Januar 1939 ist Hermann Hormann schon Leutnant. Nach


Harte Kämpfe auf dem Balkan

BEGUTACHTET: Vor dem Gasthaus in Moerdijk am 12. Mai 1940. Der erste Spähpanzer der Aufklärungsgruppe „Lüttwitz“ des 9. Aufklärungsregiments erreicht die Kameraden der Fallschirmjäger

dem Einmarsch in das Sudetenland Anfang Oktober 1938 bleibt das Aufklärungs-Regiment 9 weitgehend dort, rückt allerdings am 15. März 1939 in die von der NS-Propaganda so bezeichnete „Rest-Tschechei“ mit ein. Damit sind die „Blumenfeldzüge“ vorbei. Am 19. August 1939 verlegt die Division ihren Bereitstellungsraum westlich der Hohen Tatra. Kurz darauf bricht schließlich der Zweite Weltkrieg aus.

1939 ist Oberstleutnant Josef Vichytil Kommandeur des Aufklärungs-Regiments 9 und damit neuer Chef von Leutnant Hormann. Der Westfeldzug für das Regiment – im Verband der 9. Pz.Div. – beginnt am 11. Mai 1940 mit dem Vordringen als Divisionsspitze. Ziel ist es, sich mit den bei der niederländischen Gemeinde Moerdijk abgesprungenen Fallschirmjägern zu vereinen. Beim weiteren Vorstoßen erlebt Hormann den

„Da kamen wir richtig aus dem Dreck und eine Stunde später ist der ,Kleine Erich’, dritter Mann auf meinem Krad, gefallen …“ Oberleutnant Hermann Hormann, Führer der 1. Kompanie im Kradschützen-Bataillon 59, nach Gefechten in Griechenland 1941

Für Leutnant Hormann, jetzt Zugführer im Kradschützen-Bataillon des Aufklärungs-Regiments 9, beginnt der Polenfeldzug am 1. September 1939 mit den Durchbruchskämpfen in Westgalizien und dem Gefecht bei Rawa. Inzwischen hat man für die Kradschützen die alten Kavalleriebezeichnungen der Einheiten und Dienstgrade abgeschafft und an die allgemeine Heeresterminologie angepasst. Mit den Gefechten bei Tomaszów-Krasnobród vom 23. bis 25. September 1939 enden die „Schlachtund Gefechtsbezeichnungen“ zum Polenfeldzug im Wehrpass von Hermann Hormann. Darin ist auch die Auszeichnung mit der II. Klasse des Eisernen Kreuzes vermerkt.

Die 9. Pz.Div. entsteht Die Felderfahrungen führen schließlich dazu, dass die Wehrmacht die 4. leichte Division zur 9. Pz.Div umgliedert. Und seit dem 15. Oktober Clausewitz 5/2017

verheerenden Bombenangriff auf Rotterdam, bei dem seine Einheit massiv Leuchtkugeln schießt, um „friendly Fire“ der deutschen Flieger zu vermeiden. Der weitere Weg der Aufklärer führt auf den Rückzugsstraßen des englischen Expeditionskorps über die Somme Richtung Dünkirchen. Er ist geprägt vom Chaos einer

Panzeraufklärer Russlandfeldzug: Mehr über das Schicksal von Oberleutnant Hermann Hormann und seine dramatischen Erlebnisse als Panzeraufklärer bei der 9. Panzerdivision im Russlandfeldzug erfahren Sie in unserem Clausewitz Spezial: Deutsche Panzer, Teil 3, das ab dem 6. November 2017 im Zeitschriftenhandel erhältlich sein wird.

ANGESPANNT: Oberleutnant Hormann (rechts) und die Männer seines Kradgespanns nach den ersten Kämpfen gegen das britische Expeditionskorps in Griechenland um Ostern 1941

flüchtenden Truppe. „… zerschossen und zerfleddert lag alles auf der Straße und im Graben, was ein Korps als Versorgung so braucht. Von Regimentskassen, über mit dem Bajonett angestochene Fleischdosen und ganze Wagenladungen nagelneuer, ungetragener Felduniformen, lag alles Mögliche herum …“, so Hermann Hormann in seiner Erinnerung an diesen dramatischen Teil des Westfeldzuges.

An anderen Fronten Ab dem 5. Juni 1940 führt der Weg des Aufklärungs-Regiments 9 über Amiens Richtung Paris bis Clermont und von da aus fast bis Bordeaux. Dann kapituliert Frankreich. Nach dem Heimmarsch löst die Wehrmacht das Regiment am 31. Juli 1940 nach zweijährigem Bestehen auf. Aus der Masse der I. Abteilung entsteht das Kradschützen-Bataillon 59 mit Leutnant Hormann als Offizier in der 1. Kompanie. Die II. Abteilung und das 4. Schwadron der I. Abteilung bilden die zukünftige Aufklärungs-Abteilung 9 (mot.). In dieser dient Hormann während des Russlandfeldzuges, nachdem man sein Kradschützen-Bataillon aufgelöst hat. Doch zuvor kämpft er noch auf dem Kriegsschauplatz Balkan. Jörg-M. Hormann, Jg. 1949, Sachbuchautor mit Schwerpunkten bei der deutschen Luftfahrt-, Marineund Militärgeschichte mit über 40 Buchveröffentlichungen. Er ist der Sohn von Hermann Hormann, dessen Soldatenlaufbahn und Fronterlebnisse er im vorliegenden Beitrag schildert.

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Menschen & Geschichten | Israels Special Forces

Israels Special Forces – Auftrag, Taktik, Einsatz

MARTIALISCHER ANBLICK: Die israelischen Spezialkräfte genießen einen legendären Ruf, hier eine Übung der Einheit „Rimon“ im Jordantal 2016. Das Gesicht ist unkenntlich gemacht, um den Soldaten nicht zu gefährden Foto: Staff Sergeant Alexi Rosenfeld, IDF Spokesperson's Unit

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Speerspitze der Streitkräfte


Israels Spezialeinheiten sind eng mit den Streitkräften des Staates verbunden. Ihr Operationsgebiet ist der gesamte Nahe Osten – und ihre streng geheimen Missionen sind äußerst heikel Von Marcel Serr Militärdoktrin. Diese zeichnet sich durch einen starken Hang zum Unkonventionellen und einen ausgeprägten Offensivdrang aus.

Der Prototyp: Unit 101

ORDE WINGATE PIONIER: Der britische Offizier Orde Wingate (1903–1944) wird 1936 nach Palästina versetzt und baut die Special Night Squads auf – die erste jüdische Kommando-Einheit. Der Einfluss Wingates auf Israels Militärdoktrin ist bis heute spürbar Foto: SZ Photo/Süddeutsche Zeitung Photo

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hre brisanten Einsätze sorgen seit vielen Jahrzehnten weltweit für Aufsehen – natürlich erst nach Abschluss der Aktionen, wenn an die Öffentlichkeit gelangt ist, wer dahinter steckt. Die Anfänge jüdischer Spezialeinheiten reichen mittlerweile rund 80 Jahre zurück: Bereits in den Jahrzehnten vor der Gründung Israels (1948) kommt es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den zionistischen Siedlern und der arabischen Bevölkerung im britischen Mandatsgebiet Palästina. Ab den 1930er-Jahren weiten sich die Spannungen zu einem regelrechten Bürgerkrieg aus. In dieser Situation prägt der britische Offizier Orde Wingate die spätere israelische Kriegführung nachhaltig durch den Aufbau der Special Night Squads (SNS) – einer jüdischen Spezialeinheit zur Aufklärung und verdeckten Kriegführung in arabischen Gebieten. Getreu der Prämisse „Angriff ist die beste Verteidigung“ werden nächtliche Überfälle tief hinter den feindlichen Linien zum „Markenzeichen“ der SNS. Obgleich die Einheit nur etwa ein Jahr operiert, beginnen viele Schlüsselfiguren der späteren Israel Defense Forces (IDF) ihre militärische Karriere in den SNS (wie zum Beispiel der General und Politiker Moshe Dayan). Daher ist Wingates Erbe bis heute wesentlicher Bestandteil israelischer

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Im August 1953 gründet Ariel Sharon in direkter Anlehnung an die SNS die berüchtigte Unit 101. Israels Führung betraut die erste Spezialeinheit der IDF mit riskanten Überfällen in den arabischen Nachbarstaaten, da diese als Rückzugsraum der palästinensischen Terror- und Guerilla-Organisationen dienen. Sharon und seine Kampfgefährten sind alles andere als zimperlich und rücksichtsvoll, so dass es bei den Operationen teilweise zu erheblichen zivilen Opfern kommt. Daher integriert Israels Militär die Unit 101 im Januar 1954 in die neu gegründete Eliteeinheit der Fallschirmjäger. Unit 101 ist der Prototyp der israelischen Spezialeinheit in struktureller und operativer Hinsicht. Es handelt sich um die erste

Einheit, die die reguläre Befehlskette umgeht und direkt dem Generalstab untersteht. Sie führt innovative Offensiv- und Infiltrationstaktiken ein und ist bis heute das Vorbild israelischer Kommando-Operationen. „Unit 101 wurde zu einer Legende, obwohl es sich um eine kleine Einheit handelte, die gerade einmal fünf Monate existierte. Aus 1-0-1 ging eine Gruppe von Kämpfern hervor, die die gesamte Armee mit einem neuen Kampfgeist inspirierte“, urteilt der israelische Sicherheitsexperte Michael Bar-Zohar.

Die „Großen Drei“ Im Jahr 1957 entsteht auf direkten Wunsch des Generalstabs die Spezialeinheit Sayeret Matkal (Späher des Generalstabs). Das Aufgabenspektrum umfasst die nachrichtendienstliche Aufklärung hinter feindlichen Linien. Aus einer bereits vorstaatlichen Organisation geht Shayetet 13 (Flottille 13) hervor – eine maritime Spezialeinheit, zu deren Auf-

GRUPPENFOTO: Ehemalige Kämpfer von Israels berüchtigter Unit 101 (hier 1955 als Teil des 890. Fallschirmjäger-Bataillons). Ariel Sharon (2. v. l. stehend) ist Gründer der kontroversen Spezialeinheit. Moshe Dayan (mit Augenklappe) ist zu diesem Zeitpunkt Stabschef der Israel Defense Forces Foto: ullstein bild - Reuters

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Menschen & Geschichten | Israels Special Forces gaben seegestützte Aufklärungs-, Sabotageund Angriffsoperationen zählen. Nach dem Jom-Kippur-Krieg (1973) entsteht mit Shaldag (Eisvogel) eine Spezialeinheit der Luftwaffe, die sich auf Luft-Lande-Operationen und die Laser-Zielmarkierung für Luftschläge spezialisiert.

auf den Bereichen Nahkampftechniken, Navigation, Aufklärung und Überlebenstraining in feindlichem Gebiet. Sayeret-MatkalVeteranen gelangen oftmals in einflussreiche Positionen im Militär und der Politik. Ehud Barak, Israels höchstdekorierter Soldat, ist später zum Generalstabschef und Ministerpräsident (1999–2001) aufgestiegen. Benjamin Netanyahu, Israels derzeitiger Regierungschef, ist ebenfalls Sayeret-Veteran.

Hinter den feindlichen Linien Sayeret Matkal steht unter administrativer Leitung des Militärgeheimdienstes AMAN. Die Hauptaufgaben liegen darin, nachrichtendienstliche Informationen hinter feindlichen Linien einzuholen. Seit den 1970er-Jahren kommen mit der Terrorbekämpfung und Geiselbefreiung im Ausland neue Aufgabenbereiche hinzu. Die Einheit entwickelt sich zu einer Elite-Fallschirmjägereinheit. Größere Bekanntheit erlangt Sayeret Matkal durch die „Operation Thunderball“ (siehe Kasten). Die Einheit hat bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung des israelischen Militärs: Sie dient als Experimentierplattform für neue Infiltrations- und Kommandotaktiken sowie Tarn- und Antiterror-Kampftechniken. Anfangs ist die Einheit streng geheim. Kämpfer und Kommandanten sind handverlesen. Bis heute dürfen sie sich nicht öffentlich zu erkennen geben und tragen keine Abzeichen. Rekruten durchlaufen eine fast zweijährige Ausbildung mit Schwerpunkt

Kampf gegen die Hisbollah

EHUD BARAK MILITÄR UND POLITIKER: Ehud Barak (Jahrgang 1942) ist der höchstdekorierte Soldat der Israel Defense Forces. Barak beginnt seine militärische Karriere 1959. Er wird Kommandant von Sayeret Matkal, Direktor des militärischen Geheimdienstes und später Generalstabchef (1991–1995). Anschließend wechselt er in die Politik; zunächst als Innenminister unter Yitzhak Rabin, dann als Außenminister und schließlich als Ministerpräsident (1999–2000); hier im März 2012 bei einem Besuch in Deutschland Foto: Jose Giribas/Süddeutsche Zeitung Photo

IN SZENE GESETZT: Shayetet 13 ist Israels maritime KommandoEinheit, hier bei einer Übung 2012 Foto: IDF

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Die Marineeinheit Shayetet 13 ist für Infiltration, Sabotage und maritime Aufklärung zuständig. Außerdem soll sie im Ernstfall Terroristen bekämpfen, Geiseln befreien und feindliche Schiffe übernehmen. Die Einheit ist in Land-, See- und Luftoperationen geübt und hat an fast allen größeren Militäroperationen Israels teilgenommen. Im Jom-Kippur-Krieg infiltrieren Kommando-Einheiten ägyptische Häfen und versenken fünf ägyptische Kriegsschiffe. Anfang der 1980er-Jahre wird die Einheit insbesondere im Libanon und gegen die Hisbollah eingesetzt. Typische Missionen dieser Zeit sind das Abfangen von Versorgungsschiffen der Terrororganisation. Größere Bekanntheit erreicht Shayetet 13 durch das Kapern von Schiffen, die während der 2. Intifada (2000– 2005) Waffen an die Palästinenser lieferten.


Heikle Missionen HINTERGRUND

„Operation Thunderball“ („Yonatan“) Am 27. Juni 1976 entführen Terroristen den Air-France-Flug 139 von Tel Aviv nach Paris nach einem Zwischenstopp in Athen. Es handelt sich um eine deutsch-palästinensische Aktion: Zwei arabische Entführer gehören der Popular Front for the Liberation of Palestine (PFLP) an. Die Deutschen, Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann, sind Mitglieder der Revolutionären Zellen. Die Maschine der Air France landet schließlich auf dem Entebbe Airport in Uganda, wo weitere Terroristen zu den Entführern stoßen. Diktator Idi Amin heißt die Entführer willkommen. Die Geiseln werden zu einem alten Terminal gebracht und dort festgehalten. Ausgerechnet die deutschen Terroristen separieren die jüdischen Passagiere von den übrigen, die freigelassen werden.

ERLEICHTERUNG: Freudentränen bei Geiseln der im Sommer 1976 von Terroristen nach Entebbe in Uganda entführten AirFrance-Maschine nach der Befreiung durch ein israelisches Spezialkommando Foto: ullstein bild - AP

Zusammen mit der französischen Crew, die freiwillig bei den jüdischen Geiseln bleibt, haben die Terroristen noch 105 Personen in ihrer Gewalt. Die PFLP fordert für ihre Freilassung die Befreiung von inhaftierten Terroristen in Israel, Deutschland und anderen Ländern. Israels Verteidigungsminister Shimon Peres ist nicht jedoch verhandlungsbereit. Schließlich entscheidet man sich für eine Befreiungsoperation. Die Speerspitze bildet Sayeret Matkal unter dem Kommando des 30-jährigen Yonatan Netanyahu, Bruder von Israels derzeitigem Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu. Am Nachmittag des 3. Juli 1976 heben vier Herkules-Maschinen der IAF mit 180 Elitesoldaten sowie einigen Fahrzeugen unter Begleitung von zwei Boeing-Maschinen als fliegende Kommando- und medizinische Notfallzentrale in das 4.000 Kilometer entfernte Entebbe ab. Gegen 23 Uhr landet die erste Herkules unter dem Schutz einer zeitgleich ankommenden britischen Maschine – unbemerkt vom ugandischen Kontrollturm. Ein schwarzer Mercedes, ein ähnliches Model wie Idi Amins Dienstlimousine, sowie zwei Land Rover jagen aus dem Bauch der Herkules zum alten Terminal. Sayeret-Matkal-Soldaten stürmen das Gebäude. Die überraschten Terroristen haben keine Chance. Die Terroristen und drei ins Kreuzfeuer geratene Geiseln sterben. Auch Yonatan Netanyahu wird tödlich getroffen. Derweil landen die übrigen drei Herkules. Israelische Fallschirmjäger übernehmen die Kontrolle des Flughafens, die vier Maschinen heben mit den Geiseln wieder ab. Die gesamte Operation dauert rund eine Stunde.

BESONDERHEIT: Israels Militär hat mit Krav Maga eine eigene Nahkampftechnik entwickelt. Sie gehört für die israelischen Spezialeinheiten zu den Ausbildungsschwerpunkten Foto: Pvt. Eden Briand, IDF Spokesperson's Unit

dag zu einer luftgestützten Allzweck-Spezialeinheit. Sie übernimmt zunehmend auch Terrorbekämpfungs- und Geiselbefreiungsoperationen. Seit Dezember 2015 fasst die Kommando-Brigade Oz weitere Spezialeinheiten der IDF zusammen. Darunter befindet sich Duvdevan, die in den palästinensischen Gebieten operiert.

Undercover-Operationen Die Einheit ist insbesondere auf UndercoverOperationen spezialisiert und gehört zu den Mista’aravim-Kräften (wörtlich: arabisiert). Ihr Charakteristikum ist die Verkleidung als Araber. Sie führt verdeckte Operationen in arabischen Gebieten durch. In der Ausbildung wird großen Wert auf die Sprache sowie Unterricht in den arabischen und islamischen Traditionen sowie auf typische Verhaltensweisen gelegt.

Im Jahr 1976 gründet Sayeret-Matkal-Offizier Muki „Betzer Shaldag“, die Eliteeinheit der Luftwaffe, als direkte operative Lehre aus dem Jom-Kippur-Krieg (1973): Die Israeli Air Force (IAF) hat aufgrund der sowjetischen Boden-Luft-Raketen der Ägypter erhebliche Verluste hinnehmen müssen. Die Stellungen aufzuklären und frühzeitig zu neutralisieren, hätte Israel erhebliche Vorteile verschafft. Shaldag soll sich dieser Problematik annehmen. Die erste Bewährungsprobe ist der Libanonkrieg von 1982. Tatsächlich gelingt es Shaldag, die syrischen Luftabwehrstellungen weitgehend auszuschalten.

Beeindruckender Luftsieg In den folgenden Luftkämpfen gegen die syrische Luftwaffe kann die IAF einen atemberaubenden Erfolg verbuchen und über 80 Kampfflugzeuge des Gegners abschießen. Mitte der 1990er-Jahre entwickelt sich ShalClausewitz 5/2017

SHAUL MOFAZ EINFLUSSREICH: Shaul Mofaz (Jahrgang 1948), rechts im Bild, hier gemeinsam mit Premierminister Ariel Sharon (2000–2006). Mofaz kämpft im Sechstagekrieg, dem JomKippur-Krieg und dem ersten Libanonkrieg (1982). Er nimmt auch an der Operation „Thunderball“ in Entebbe teil. 1998–2002 dient er als Stabschef der Israel Defense ForFoto: ullstein bild - Reuters ces und wechselt anschließend in die Politik

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Menschen & Geschichten | Israels Special Forces HINTERGRUND

„Operation Noah’s Ark“ Ende 2001 wird Israels Geheimdienst Mossad auf den Frachter Karine A aufmerksam. Man lässt das Schiff nicht mehr aus den Augen und beobachtet, wie es vom Libanon über Port Sudan nach Kisch, vor der Küste des Iran, fährt. Dort wird es im Schutz der Dunkelheit mit 80 Containern beladen. Anschließend fährt das Schiff in Richtung Suezkanal. Der Mossad ist überzeugt, dass es sich um eine große iranische Waffenlieferung an die Palästinenser handelt. Die Regierung Ariel Sharons beauftragt Shayetet 13, das Schiff zu kapern. Die Operation findet am frühen Morgen des 3. Januar 2002 im Roten Meer statt. Eine kleine Flottille fährt in enger Formation: Zwei Patrouillenboote nehmen die Festrumpfschlauchboote mit den Kommandos in die Mitte, so dass sie von Weitem den Anschein eines großen Schiffes erwecken. Aus der Luft überwachen israelische Kampfjets, Helikopter sowie ein Aufklärungs- und Betankungsflugzeug und eine Boeing 707 als Kommandozentrum das Geschehen. Im entscheidenden Moment gibt es ein Problem: Karine A bewegt sich in einer Gruppe von Schiffen. Es ist nun unklar, welches das gesuchte ist. Das Zeitfenster für die Operation wird immer kleiner. Israels Marine agiert 500 Kilometer vom Heimathafen in Eilat entfernt und damit am Limit der Reichweite beteiligter Hubschrauber und Boote. Buchstäblich im letzten Moment, bevor die Helikopter wegen Treibstoffmangel umdrehen müssen, macht ein ShayetetOffizier den charakteristischen Schornstein der Karine A aus. Nun setzen sich die Schlauchboote und Helikopter mit den Kommandos in Bewegung; innerhalb von sieben Minuten übernehmen sie die Kontrolle des Frachters – ohne einen einzigen Schuss abzufeuern. Die 13 Mann starke palästinensische Crew ist vollkommen überrascht. „Seht ihr irgendetwas?“, will IDF-Stabschef Shaul Mofaz aus der fliegenden Kommandozentrale wissen und meint damit die Waffenlieferung. Doch die Kommandosoldaten finden nur Reissäcke und Kinderspielzeug. Erst ein Verhör des Schiffskapitäns bringt Klarheit: Versteckt im Bug lagert ein riesiges Waffenarsenal. Eine systematische Suche ergibt, dass sich 64 Tonnen Waffen an Bord befinden. Shayetet 13 hat verhindert, dass diese gegen Israel eingesetzt werden.

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BENJAMIN NETANYAHU SOLDAT UND POLITIKER: Benjamin Netanyahu (Jg. 1949) tritt kurz nach dem Sechstagekrieg (1967) seinen Militärdienst an. Er wird Teamleiter in Sayeret Matkal, wo er fünf Jahre lang an vielen Operationen teilnimmt. 1996–1999 sowie seit 2009 dient NetanyaFoto: ap/dpa/picture alliance/Süddeutsche Zeitung Photo hu Israel als Ministerpräsident

Darüber hinaus sind Egoz (Anti-GuerillaEinheit), Rimon (Wüstenkampf) und Maglan (Fernaufklärung und Kommando-Operationen) in der Oz-Brigade organisiert. Die israelischen Spezialeinheiten genießen ein hohes Prestige innerhalb der IDF und haben Zugriff auf die fähigsten Rekruten. Während die Spezialeinheiten anfangs so geheim sind, dass die

Kämpfer lediglich auf persönliche Empfehlungen aufgenommen werden, stehen sie heute für freiwillige Rekruten offen. Diese müssen ein mehrtägiges Auswahlverfahren (Gibbush) durchlaufen. Im Gegensatz zu vielen anderen Spezialeinheiten der Welt rekrutieren sich die Angehörigen von Israels Special Forces zum Großteil aus regulären Wehrdienstleistenden.

Verstärkte Terrorbekämpfung VERMUMMT: israelischer Soldat der Kommando-Brigade, die im Februar 2016 ihr erstes gemeinsames Training im Jordantal absolviert Foto: IDF

Seit den 1970er-Jahren setzt Israel alle Spezialeinheiten zunehmend für Operationen in der Terrorbekämpfung ein. Insbesondere gezielte Tötungen von Schlüsselakteuren sind dabei ein „Markenzeichen“. Auch wenn die operativen Anforderungen der Missionen komplexer werden, bleiben Israels Special Forces den Kernprinzipien von SNS und Unit 101 treu: offensive, taktisch kluge und wagemutige Überfälle. Aller taktischen Klasse zum Trotz können die Operationen von Spezialeinheiten aber nur im Rahmen einer durchdachten Strategie ihr volles Potenzial entfalten. „Spezialeinsätze sind wie Dunkings während eines Basketball-Spiels: Sie sind schön anzuschauen, aber sie entscheiden nicht das Spiel“, gibt der frühere stellvertretende IDF-Stabschef Major General Uzi Dayan zu bedenken. Marcel Serr, M.A., Jg. 1984, Politikwissenschaftler und Historiker, lebte und arbeitete bis 2013 in Jerusalem/Israel und beschäftigt sich in erster Linie mit Israels Sicherheit und der Militärgeschichte des Nahen Ostens.


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Militär und Technik | Me 163

KLEIN, STARK, SCHNELL: Das „Kraftei“ Me 163 begeistert seine Piloten mit hervorragenden Flugeigenschaften und extremen Leistungswerten

Lippisch-Messerschmitt Me 163 „Komet“

Kometenhaftes „Kraftei“ A

ls die Me 163 im August 1941 zum Erstflug abhebt, wird ein neues Kapitel der Luftfahrtgeschichte aufgeschlagen. Doch die Serienreife des späteren Rekord-Raketenjägers ist damit noch lange nicht erreicht: Unzählige Erprobungen und Testflüge folgen, um die hochsensible Technik in den Griff zu bekommen und das Fluggerät mit Raketenantrieb für die Luftwaffe einsatzbereit zu machen. Wenngleich ihre Bezeichnung auf die Messerschmitt-Werke verweist, hat die Me 163 in Wirklichkeit nicht allzu viel mit dem weltbekannten Flugzeugkonstrukteur zu tun: Tatsächlich verantwortlich für die Entstehung der Me 163 zeichnet Alexander Lippisch, der bereits in den 1920er-Jahren mit

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Die Me 163 gilt als schnellstes Flugzeug des Zweiten Weltkriegs. Im Einsatz zeigt sich das „Kraftei“ als extrem gefährlich – und dies nicht nur für den Gegner, sondern vor allem auch für den Piloten selbst Von Herbert Ringlstetter

schwanzlosen Segelflugzeugen samt gepfeilten Flügeln für große Aufmerksamkeit sorgte. Auf der Wasserkuppe in der Rhön zählt Lippisch, der führende Kopf des Konstruktionsbüros der Rhön-Rossitten-Gesellschaft (RRG), zu den bekanntesten Persönlichkeiten jener Zeit. Was ohne Motor funktioniert, sollte auch mit Antrieb machbar sein. So entsteht eine Anzahl von schwach motorisierten aber leistungsstarken, schwanzlosen Fluggeräten – sogenannte Nurflügler.

Zu Beginn des „Dritten Reiches“ erfährt die Fliegerei enormen Auftrieb, so auch die Segelfliegerei. Die RRG geht in die Deutsche Forschungsanstalt für Segelflug (DFS) über, die, basierend auf Lippischs Entwürfen, die Versuchsflugzeuge DFS 39 und DFS 194 erntwickelt. Um ein Raketentriebwerk zu erproben, will man die DFS 194 entsprechend modifizieren. Anfang 1939 gliedert man Lippischs Entwicklungsgruppe in die Messerschmitt-


Fotos, sofern nicht anders angegeben: Sammlung Herbert Ringlstetter

TESTPILOT: Heini Dittmar ist mit der Me 163 zeitweise der schnellste Mann der Welt (hier in einer DFS 39)

Werke bei Augsburg ein. Dort findet die als Abteilung L bezeichnete Mannschaft wesentlich bessere Bedingungen vor und arbeitet unter strengster Geheimhaltung weiter an der DFS 194. Da bei Messerschmitt beheimatet, läuft das Projekt nun offiziell unter Me 194. Wie das Vorgängermuster DFS 39, funktioniert die Steuerung der DFS/Me 194 über ein kombiniertes Höhen- und Querruder im hinteren Außenbereich der Tragfläche sowie über ein herkömmliches Seitenruder an der Seitenflosse. Für den Startvorgang dient ein zweirädriges und abwerfbares Rollwerk, für die Landung eine ausfahrbare Kufe.

von da an konstruierten Flugzeuge in Me. Da es nicht zur Serienfertigung der Bf 163 gekommen war, kann man die Bezeichnung 163 verwenden und so einen zusätzlichen Deckmantel über die Entwicklung des künftigen Jägers legen.

„Großer Wurf“ ME-163-SCHÖPFER: Aerodynamiker und Nurflügler-Experte Alexander Lippisch, hier mit dem Modell der DM-1 von 1944/45

Gut verschleiert Im August 1940 startet Heini Dittmar, der Chefeinflieger (Cheftestpilot) des DFS, zum ersten Flug mit der von einem Walter-Raketenaggregat angetriebenen DFS 194. Die komplette Überarbeitung der DFS 194 führt zur Me 163 V4. Die Typnummer 163 trug ursprünglich die Bf 163, eine Konkurrenzentwicklung zu Fieselers Fi 156 „Storch“. Doch mit der Umwandlung der Bayerische Flugzeugwerke AG in die Messerschmitt AG Mitte 1938 änderte sich das Kürzel für die Clausewitz 5/2017

AERODYNAMISCHE MEISTERLEISTUNG: Die Me 163 V4, mit der Heini Dittmar am 2. Oktober 1941 mit 1.003,67 km/h einen neuen inoffiziellen GeschwindigkeitsWeltrekord aufstellt

Während bei der Firma Walter die Entwicklung des neuen Raketentriebwerks HWK RII-203 läuft, beginnt die Lippisch-Mannschaft im Herbst 1940 damit, die antriebslose Me 163 V4 zu erproben. Dafür schleppt eine zweimotorige Messerschmitt Bf 110 den Nurflügler auf eine ausreichende Höhe, um die Maschine im Gleitflug auf ihre fliegerischen Fähigkeiten hin untersuchen zu können. Rasch zeigt sich: Lippisch war mit dem aerodynamisch sauber geformten, kompakten Flugzeug ein „großer Wurf“ gelungen. Der außergewöhnliche „Vogel“ fliegt sich hervorragend. Ein paar Unstimmigkeiten gibt es dennoch. Dazu zählt die auffällig lange Landestrecke, die man durch die Installation von Landeklappen ausreichend reduziert. Auch die Flatterproblematik an den Ruderflächen lässt sich innerhalb von 15 Flügen bis zum Frühjahr 1941 beheben. Den

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Militär und Technik | Me 163

ENORME LEISTUNG: Die DFS 194 mit 400 Kilopond Schub leistendem Raketentriebwerk. 45 Flüge finden in dieser Konfiguration statt. Obwohl die Maschine für nur rund 300 km/h ausgelegt ist, stößt Dittmar in ihr in Geschwindigkeitsbereiche von bis zu 550 km/h vor

EINSATZ FÜR TESTZWECKE: Die Me 163 B-0 V8 gehört zu den Versuchsflugzeugen der B-Serie

VOLLE KONZENTRATION: Das „Kraftei“ muss mit größter Sorgfalt betankt werden. Die sieben Behälter fassen 1.660 Liter beziehungsweise 1.550 Kilogramm T-Stoff und 470 Kilogramm CStoff

TRIEBWERK: Das Herzstück einer Me 163 B liefert die Firma Walter mit dem nur 177 Kilogramm schweren HWK 109-509. Als Treibstoff dienen 80-prozentiges Wasserstoffsuperoxyd (T-Stoff) und ein Gemisch aus Methanol, Hydrazinhydrat und Wasser (C-Stoff). Beide Stoffe werden, im Verhältnis 1:3 zerstäubt, in der Brennkammer vereint, was zu einer kontinuierlichen Explosion führt

schwierigen Trudeleigenschaften der Me 163 V4 begegnet Lippisch, indem er Vorflügel einbauen lässt. Im Sommer 1941 kann in Peenemünde das dringend erwartete HWK R II 203 – ein sogenanntes „kaltes Triebwerk” – in die V4 eingebaut werden. Ein besonders hohes Maß an Sorgfalt gilt dabei der Abdichtung der Rohrleitungen. Man will dadurch verhindern, dass der hochgradig explosive und brandgefährliche T-Stoff austritt.

Unglaubliche Leistungen Im August 1941 bricht der mit Spannung erwartete Tag herein: Der erste „scharfe“ Start der Me 163 V4 steht bevor. Den Beteiligten, allen voran Heini Dittmar, ist bewusst: Mit der V4 hat die Mannschaft ein im Vergleich zur DFS 194 wesentlich potenteres Fluggerät geschaffen. Die Schubkraft des Raketenaggregats ist nun etwa doppelt so groß. Dies lässt enorme Flugleistungen erwarten. Tatsächlich beschert die Me 163 V4 Heini Dittmar ein atemberaubendes Flugerlebnis. Die Beschleunigung der Raketen-Maschine ist außergewöhnlich, die Steigleistung schier unglaublich. Berechnungen zufolge könnte eine Höchstgeschwindigkeit von 1.000 km/h mit der Me 163 erreichbar sein. Man will dies ausloten und einen neuen absoluten Geschwindigkeits-Weltrekord aufstellen. Natürlich darf dieser wegen der strengen Geheimhaltungsstufe des Projektes keinen offiziellen Status erlangen.

Schnellstes Flugzeug BEENGT: Der Arbeitsplatz eines Me-163-Piloten. Gegen Beschuss von vorne ist oberhalb der Gerätetafel eine 90 Millimeter starke Panzerglasscheibe montiert

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Sicherheitshalber plant Heini Dittmar, den Rekordflug in wenigstens 3.000 Metern Höhe zu fliegen. Im ersten Anlauf kommt der Rekordjäger lediglich auf 900 km/h, da das Triebwerk wegen Spritmangels den Dienst versagt. Um die geringe Flugdauer zu umgehen, lässt sich Dittmar beim nächsten Flug auf 4.000 Meter Höhe schleppen und zündet dann erst das durstige Triebwerk. Um vom


Rekord-Raketenjäger Boden freizukommen, muss die vollgetankt immerhin 2.400 Kilogramm schwere Me 163 auf satte 200 km/h beschleunigen. So füllt man die Tanks am 2. Oktober 1941 nur zu drei Viertel. Doch bedeutet dies immer noch Schwerstarbeit für die Schleppmaschine und ihren Piloten. In ausreichender Höhe erweckt Heini Dittmar das HWK R II 203 zum Leben. Die Me 163 V4 nimmt rapide Fahrt auf. Dittmar fliegt exakt in 3.000 Metern Höhe über der Messstrecke, während die kleine Me 163 immer noch beschleunigt. Schließlich steht der Fahrtmesser bei 1.000 km/h, als die Maschine zu flattern beginnt. Infolge der nun entstehenden Kompressibilitätsprobleme beim Annähern an die Schallgeschwindigkeit beginnt die Me 163, über die linke Fläche gewaltig nach unten zu drücken. Dittmar verliert dabei die Kontrolle über das Flugzeug. Erst nach dem Stillstand des Triebwerks und Fahrverlust hat er die Maschine wieder im Griff. Anschließend lässt Dittmar das Aggregat erneut an und fliegt die Tanks leer. Bis die exakte geflogene Geschwindigkeit feststeht, bricht der Abend herein. Genau

SCHALLMAUER Mit 1.000 km/h fliegt die Me 163 gefährlich nahe an die Schallmauer heran

SEITENANSICHT: Me 163 A V4, die direkte Vorgängerversion des Einsatzmusters Me 163 B, im Oktober 1941 Zeichnung: Herbert Ringlstetter/Aviaticus

auch in der B-Variante ein auffallend kleines Flugzeug. Für den Vortrieb der Jagdmaschine sieht man ein abermals leistungsstärkeres Raketenaggregat von Hellmuth Walter, das HWK 109-509 (R II 211), vor. Der Planvorgabe nach sollte es im Sommer 1942 einbaufertig sein. Doch Triebwerkshersteller Walter hinkt weit hinterher, so dass man kaum eine Chance sieht, den ins Auge gefassten Termin einzuhalten. Chefeinflieger Heini Dittmar beginnt derweil am 26. Juni 1942, die seit April 1942 fertiggestellte Me 163 B-0 V1 im Gleitflug zu erproben. Für den Start dient wieder das bewährte Rollwerk, das beim Einziehen der Landekufe automatisch ausklinkt. Fliegerisch kann auch die Me 163 B überzeugen und beeindruckt mit herausragenden Flugeigenschaften. Dennoch sind noch zahlreiche technische Änderungen vorzunehmen.

Belastung der Piloten 1.003,67 km/h lautet der Wert für den neuen – wenn auch inoffiziellen – absoluten Geschwindigkeits-Weltrekord.

Im Fokus der Luftwaffe Es entstehen in der Folge mehrere (vermutlich zehn) mit der V4 weitgehend baugleiche Flugzeuge, die man als Me 163 A bezeichnet und die Versuchs- und Schulungszwecken dienen. Die insgesamt positiv verlaufenden Erprobungsflüge und die eindrucksvollen Leistungsdaten des Raketenflugzeugs lassen die Luftwaffenführung aufhorchen. So ergeht im Herbst 1941 die klare Weisung, die weiteren Arbeiten an der Me 163 gezielt am Einsatz als Abfangjäger auszurichten. Dafür entwirft und baut die Mannschaft um Alexander Lippisch ein nahezu gänzlich neues Flugzeug. Genau wie bei der Me 163 A entsteht der Rumpf aus Leichtmetall, während man Tragflächen und Seitenleitwerk in Holzbauweise fertigt. Insgesamt fällt die neue, mit dem Beinamen „Komet“ versehene Messerschmitt Me 163 B etwas größer aus. Doch bleibt die „163“ Clausewitz 5/2017

Aus Mangel eines der neuen HWK 109-509 demontiert man notgedrungen das HWK R II 203 aus einer Me 163 A und baut es in die Me 163 B-0 V8 ein. Mit dieser Maschine hebt Rudolf Opitz am 21. Februar 1943 erstmals ab. Weitere Monate vergehen, ehe am 24. Juni 1943 die erste Me 163 B mit dem neuen Walter-Triebwerk steil gen Himmel steigt. Die Einsatzhöhe von über 12.000 Metern belastet die Piloten aufgrund der fehlenden Druckkabine enorm. Sie verlangt den lediglich mit Sauerstoff fliegenden Flugzeugführern einiges ab. Längere Aufenthalte in großen Höhen und Druckkabinen helfen den Männern dabei, die Strapazen leichter zu überstehen. Die bei Messerschmitt in Obertraubling bereits gefertigten Exemplare der 70 Flugzeuge umfassenden Vorserie B-0 können nach Abschluss der Tests nach und nach mit ihrem Herzstück versorgt werden. Bei der Bewaffnung fällt die Wahl zunächst auf zwei schwere 20-Millimeter-Maschinengewehre des Typs MG 151/20. Sie sind in den Flächenwurzeln montiert und verfügen über einen Munitionsvorrat von je

TECHNISCHE DATEN

Me 163 B Einsatzzweck Einsitziger Objektschutzjäger Antrieb Raketentriebwerk Walter HWK 109-509 A-1 Standschub 1.600 kp (4.500 PS am Boden) Spannweite 9,30 m Länge 5,70 m (5,92 m*) Höhe (ohne Rollwerk) 2,50 m Flügelfläche 19,60 m² Flügelpfeilung 23,3° Leergewicht 1.908 kg Startgewicht 4.310 kg Höchstgeschwindigkeit 900 km/h, 960 km/h zulässig Startrollstrecke 500 m Landestrecke 600 m Anfangssteigleistung 80 m/s Steigleistung zirka 3,5 min auf 12.000 m Landegeschwindigkeit 160 km/h bei 1.900 kg Gipfelhöhe 12.000 m Größte erflogene Höhe 15.000 m Reichweite zirka 80 km Flugdauer bei Vollschub 4 bis 5 min Flugdauer max. zirka 7,5 min Bewaffnung 2 MG 151/20 – 20 mm 2 x MK 108 – 30 mm (ab 46. Flugzeug) *Andere Quellen

100 Schuss. Im Laufe der B-Serie baut man zwei Maschinenkanonen MK 108 (Kaliber 30 Millimeter) mit je 60 Schuss ein. Bereits Anfang Mai 1943 löste Rudolf Rentel Alexander Lippisch als Leiter der Abteilung L ab, da es wiederholt zu Differenzen zwischen Lippisch und Willy Messerschmitt gekommen war. Lippisch leitet seither die Luftfahrt-Forschungsanstalt Wien, bleibt jedoch dem Me 163-Projekt per Beratervertrag verbunden.

Erprobungskommando 16 1942 wird in Peenemünde-West das Erprobungskommando 16 (EK 16) aufgestellt, das die Einsatztauglichkeit der Me 163, auch „Kraftei“ genannt, untersuchen soll. Die Führung des EK 16 überträgt man Wolfgang Späte, einem erfahrenen Jagdflieger des Jagdgeschwaders 54 (JG 54) und bekannten Vorkriegs-Segelflieger. Zunächst mit Me 163 A ausgestattet, erhält das EK 16 Ende 1942 erste antriebslose Me 163 B. Erst Anfang 1944

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Militär und Technik | Me 163

BEVORZUGTE „BEUTE“ DER ME 163: US-Bomber B-17 Flying Fortress über dem Reichsgebiet Mitte 1944 Foto: US Air Force

RITT MIT DEM „KRAFTEI“: Eine Me 163 A in der Beschleunigungsphase kurz nach dem Start – das Rollwerk ist abgeworfen. Anschließend geht es mit brachialem Schub steil gen Himmel

HINTERGRUND

Erste Luftsiege Laut Pilotenaussagen des Jagdgeschwaders 400 (JG 400) kommt es am 16. August 1944 zu ersten Luftsiegen durch Me 163 B mit dem Abschuss von drei US-Bombern B-17 durch drei Piloten der 1./JG 400. Dabei wird Leutnant Hartmut Ryll selbst von P-51-Piloten tödlich abgeschossen. Als erfolgreichster Me-163-Pilot gilt Feldwebel Siegfried Schubert mit drei (eventuell vier?) Bomber-Abschüssen. Grundsätzlich gibt es unterschiedliche Darstellungen und Angaben zu den Abschüssen und Erfolgen des JG 400.

JAGDFLIEGER: Feldwebel Siegfried Schubert vor dem Einsatz in einer Me 163 B. Neben der Panzerglasscheibe liegen seine Schutzhandschuhe

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kommen die ersten kompletten Einsatzmaschinen zum EK 16, das von September 1943 an in Bad Zwischenahn liegt.

BEUTESTÜCK: Zahlreiche Me 163 fallen 1945 den Alliierten in die Hände. Die restaurierte Me 163 B-1a des Museums der U.S. Air Force gehört zu den wenigen „Komet“-Jägern, die den Krieg Foto: US Air Force überstanden

Schritt für Schritt Die Ausbildung führt den angehenden Me163-Piloten über verschiedene Segelflugzeuge langsam an die schnelle Me 163 heran. Einer sauber durchgeführten Landung gilt die höchste Aufmerksamkeit. Denn ein zu hartes Aufsetzen oder gar eine Bruchlandung können aufgrund von hochexplosiven Treibstoffresten tödlich enden. Die hohe Landegeschwindigkeit der Me 163 erschwert es dem Piloten zusätzlich, präzise aufzusetzen. Beim Start muss der Pilot darauf achten, das Rollwerk erst in sieben bis zehn Metern Höhe auszuklinken. Andernfalls kann der vom Boden abprallende Startwagen das Flugzeug treffen – in der Regel mit tödlicher Wirkung. Um die Pilotenschulung zu erleichtern, konzipiert man Ende 1944 die antriebslose zweisitzige Me 163 S und fertigt sie in wenigen Exemplaren. Der Fluglehrer sitzt darin in überhöhter Position in einer eigenen Kabine hinter dem Schüler.

Ende Januar 1944 formiert Späte in Bad Zwischenahn aus dem Erprobungskommando 16 die I. Gruppe des JG 400 als regulären Einsatzverband. Weitere Staffeln folgen, was letztlich zu zwei mit Me 163 ausgerüsteten Jagdgruppen (I. und II./JG 400) unter Kommodore Späte führt. Wegen der geringen Reichweite ist die Verwendung als Objektschutz-Jäger geplant. So verlegt die I./JG 400 zum Schutz der Leuna-Werke nach Brandis bei Leipzig. Die II./JG 400 übernimmt später den Schutz einer Treibstofffabrik bei Stettin. Am 13. Mai 1944 hebt Major Späte in der eigens für diesen ersten offiziellen Einsatz gegen alliierte Bomber nach „RichthofenArt“ rot lackierten Me 163 B-0 V41 ab. Er kehrt ohne Abschuss, aber unversehrt und mit der Erkenntnis zurück, dass es noch zahlreiche Schwierigkeiten mit der revolutionären Waffe zu überwinden gilt.


Riskante Einsätze

WERKNUMMER 191477: Me 163 B-1a der Anfang 1945 in Brandis zum Schutz der Leuna-Werke stationierten 13./JG Zeichnung: Herbert Ringlstetter - Aviaticus 400

In einem üblich verlaufenden Angriffsverfahren steigt der Me-163-Pilot auf 10.000 bis 12.000 Meter Höhe weit über den feindlichen Verband. Mit abgeschaltetem Triebwerk sticht er zum Angriff auf die Feindmaschinen herunter, zündet anschließend das Triebwerk wieder und steigt abermals. Zwischen dem Abschalten und Wieder-Anlassen muss der

JAGDFLIEGER WOLFGANG SPÄTE Bei seinem ersten „scharfen“ Einsatz am 24. Mai 1944 in der für ihn von Kameraden rot lackierten V41 gerät er genau in dem Moment, als er einen USJäger ins Visier nimmt, in den ab 960 km/h auftretenden kritischen Fahrtbereich. Die „Komet“ bockt, das Triebwerk versagt sogleich den Dienst. Die US-Maschinen fliegen dahin, bemerken davon nichts

EINGESPIELTES DUO: Der 1. Wart ist dem Flugzeugführer beim Einsteigen und Anschnallen behilflich. Aufgrund des extrem aggressiven T-Stoffs tragen die Piloten spezielle Schutzkleidung, die im Ernstfall jedoch kaum hilft Clausewitz 5/2017

weitaus langsamere Feindjäger nicht zu fürchten. In der Gleitflugphase kann er sich dagegen einzig durch steiles Wegdrücken oder enges Kurven entziehen und bestenfalls Schutz in einer Wolke finden. Für den Ausstieg per Fallschirm darf die „Komet“ maximal 400 km/h schnell sein, sonst lässt sich die Haube nicht absprengen.

Verheerende Bilanz Am verwundbarsten zeigt sich die Me 163 im Landeanflug, wenn der Flugzeugführer Richtung Einsatzplatz gleitet und sich auf ei-

„Flugeigenschaftsmäßig war die Me 163 das Schönste, was man sich vorstellen konnte.“ Jagdflieger Wolfgang Späte über die Me 163

Flugzeugführer, technisch bedingt, zwei Minuten warten – sofern dies überhaupt gelingt. Die sehr geringe Brenndauer des Triebwerks ermöglicht in der Regel maximal vier, je nach Situation oftmals aber auch nur einen oder zwei direkte Angriffe. Ein weiteres Problem liegt in der Empfindlichkeit des HWK-Aggregats, das sich bereits bei geringer negativer Beschleunigung abschaltet. Aufgrund der hohen Annäherungsgeschwindigkeit in Verbindung mit der relativ geringen Schussfolge der Kanonen lassen sich nur wenige Schüsse abgeben, ehe der Feindbomber aus dem Visier verschwindet. Die maximale Schussentfernung beträgt etwa 600 Meter, spätestens 200 Meter vor dem gegnerischen Flugzeug muss der Me 163-Pilot abdrehen, um eine Kollision zu vermeiden. Die effektive Beschusszeit liegt daher bei wenigen Sekunden. Vielversprechend verlaufen Testflüge mit ungelenkten 55-Millimeter-Raketen an einer Me 163 A, doch diese Form der Bewaffnung gelangt nicht mehr zur Einsatzreife. Zwar braucht der Me-163-Pilot im Raketenflug

ne saubere Landung konzentriert. Denn mehr als den Feind fürchten die Piloten der Me 163 B die eigene Maschine. Die Verlustrate spricht hier eine deutliche Sprache: Während ganze fünf Prozent (sechs Maschinen) durch direkte Feindeinwirkung verloren gehen, verunglücken 80 Prozent allein bei Start und Landung. Ernüchternd wirkt auch die Zahl der mit Me 163 erzielten Luftsiege: Je nach Quelle fallen den „Komet“-Jägern lediglich neun bis 15 Feindflugzeuge zum Opfer. Im Hinblick auf den Aufwand ergibt dies eine verheerende Einsatz- und Erfolgsbilanz. Insgesamt entstehen 364 Me 163, der Großteil davon bei den Firmen Klemm (B-1a) in Böblingen und Messerschmitt in Regensburg. Die projektierten, vergrößerten Folgeversionen Me 163 C und Me 263 produziert man aufgrund des Kriegsverlaufes nicht mehr in Serie. Den technischen Nutzen aus der Me 163 ziehen letztlich die Ingenieure und Konstrukteure der Alliierten – nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Herbert Ringlstetter arbeitet überwiegend als Freier Autor, Grafiker und Fotograf unter anderem im Bereich Historische Luftfahrt bis 1945.

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1916: Die auf deutscher Seite neu formierten Sturmbataillone sollen feindliche Schlüsselstellungen an der erstarrten Front knacken. Und tatsächlich: Die besonders geschulten und ausgerüsteten Sturmtruppen erzielen mit ihrer neuen Taktik beachtliche Erfolge – und dienen als wichtige Lehr- und Ausbildungstruppe für die Angriffsverbände des Heeres.

Clausewitz ABO-SERVICE Gutenbergstr. 1, 82205 Gilching Tel. +49 (0) 1805 321617* oder +49 (0) 8105 388329 (normaler Tarif) +49 (0) 1805 321620* leserservice@clausewitz.de www.clausewitz.de/abo www.clausewitz.de/archiv *14 ct/min aus dem dt. Festnetz, Mobilfunkpreise max. 42 ct/min

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Impressum Nr. 39 | 5/2017 | September–Oktober | 7. Jahrgang Clausewitz, Tel. +49 (0) 89 130699-720 Infanteriestr. 11a, 80797 München

Andreas Hofer

Foto: ullstein bild - Süddeutsche Zeitung Photo/Scherl; picture-alliance/akg-images; picture-alliance/akg-images

Der Rebell aus Tirol 1809: Andreas Hofer besiegt mit einem Bauernheer am Bergisel die scheinbar übermächtigen Bayern und Franzosen. Wer war der charismatische Freiheitskämpfer, der für kurze Zeit Napoleon auf der Nase herumtanzte und noch heute von vielen Menschen als Volksheld verehrt wird?

„Festung Breslau“ 1945 Dramatische Kämpfe um die Odermetropole Februar 1945: Die von Hitler zur „Festung“ erklärte niederschlesische Großstadt Breslau ist vom Gegner eingeschlossen und soll auf Befehl des „Führers“ unter allen Umständen gehalten werden. Festungskommandant Hans von Ahlfen organisiert den Widerstand und versucht mit letzter Kraft, die Oderstadt gegen die übermächtige Rote Armee zu verteidigen.

Außerdem im nächsten Heft: Militärpolizei der Wehrmacht. Deutsche Feldgendarmerie und Feldjäger-Kommandos. Konstantinopel 1453. Blutige Eroberung der Hauptstadt des Byzantinischen Reiches durch die Osmanen. Und viele andere Beiträge aus den Wissensgebieten Geschichte, Militär und Technik.

Die nächste Ausgabe von 82

erscheint am 9. Oktober 2017.

Redaktion Markus Wunderlich (Chefredakteur Luftfahrt, Geschichte, Schifffahrt und Modellbau), Dr. Tammo Luther (Verantw. Redakteur), Maximilian Bunk, M.A., Stefan Krüger, M.A., Alexander Müller (Volontär) Chef vom Dienst Christian Ullrich Berater der Redaktion Dr. Peter Wille Ständige Mitarbeiter Dr. Joachim Schröder, Dr. Peter Andreas Popp Layout Ralph Hellberg Verlag GeraMond Verlag GmbH Infanteriestr. 11a 80797 München www.geramond.de Geschäftsführung Clemens Hahn Gesamtanzeigenleitung Thomas Perskowitz Tel. +49 (0) 89 130699-527 thomas.perskowitz@verlagshaus.de Anzeigenleitung Uwe Stockburger Tel. +49 (0) 89 130699-521 uwe.stockburger@verlagshaus.de Anzeigendisposition Rita Necker Tel. +49 (0) 89.13 06 99.552 rita.necker@verlagshaus.de Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 27 vom 1.1.2017 Vertriebsleitung Dr. Regine Hahn Vertrieb/Auslieferung Bahnhofsbuchhandel, Zeitschriftenhandel: MZV Moderner Zeitschriften Vertrieb GmbH & Co. KG, Unterschleißheim Litho ludwigmedia, Zell am See, Österreich Druck Severotisk, Ústí nad Labem, Tschechien © 2017 by GeraMond Verlag. Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Durch Annahme eines Manuskripts erwirbt der Verlag das ausschließliche Recht zur Veröffentlichung. Für unverlangt eingesandte Fotos und Manuskripte wird keine Haftung übernommen. Gerichtsstand ist München. Verantwortlich für den redaktionellen Inhalt: Markus Wunderlich; verantwortlich für die Anzeigen: Thomas Perskowitz beide: Infanteriestraße 11a, 80797 München. ISSN 2193-1445 Hinweis zu §§ 86 und 86a StGB: Historische Originalfotos aus der Zeit des „Dritten Reiches“ können Hakenkreuze oder andere verfassungsfeindliche Symbole abbilden. Soweit solche Fotos in Clausewitz veröffentlicht werden, dienen sie zur Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens und dokumentieren die militärhistorische und wissenschaftliche Forschung. Wer solche Abbildungen aus diesem Heft kopiert und sie propagandistisch im Sinne von § 86 und § 86a StGB verwendet, macht sich strafbar! Redaktion und Verlag distanzieren sich ausdrücklich von jeglicher nationalsozialistischer Gesinnung.


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Alle 2 Monate neu am Kiosk! Vom 4. bis 12. September 1980 führten die Armeen der Warschauer-Pakt-Staaten auf dem Gebiet der DDR das Großmanöver „Waffenbrüderschaft 80“ durch. Für den Fall einer militärischen Konfrontation zwischen den damaligen verfeindeten Militärbündnissen lässt der Plan drei mögliche Szenarien erkennen: Rechts das „worst case“Szenario der vorgeblichen Absichten der NATO, links der „best case“ eines erfolgreichen eigenen Vorstoßes bis Paris, und in der Mitte das wesentliche – und viel realistischere – Geschehen einer Quelle: BArch, VA-01/29554 Schlacht um die DDR.

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