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LOGISTIKWELT
Muhamed Beganovic´, Chefredakteur der Internationalen Wochenzeitung Verkehr, berichtet über Trends und Entwicklungen in der Logistikbranche.
Das hat es in dieser Dimension in der globalen Luftfahrtbranche noch nie gegeben. Einmal mehr beweist Russland, dass es sich an bestehende Verträge und Abmachungen nicht zu halten gedenkt und sich vom Rest der Welt auch im Bereich Luftfahrt isoliert. Die staatliche russische Airline Aeroflot hat rund 500 Flugzeuge der Hersteller Boeing und Airbus im Bestand und flog damit bis zum Ausbruch des Ukrainekriegs weltweit 60 Länder an, unterhielt zahlreiche Stationen im Ausland. Das Gros dieser Flugzeuge ist bei westlichen Leasingfirmen geleast, die nun aufgrund der von zahlreichen Ländern verfügten Sanktionen gegen Russland die Verträge kündigen mussten. Damit geht für den Leasingnehmer, sprich Aeroflot (und auch andere russische Airlines), die Verpflichtung einher, die Flugzeuge zurückzugeben. Doch daran denkt Russland nicht. Ganz im Gegenteil – der russische Staat will die geleasten Flugzeuge per Gesetz enteignen, umregistrieren lassen und behalten. Das käme einem Flugzeugdiebstahl im großen Stil gleich und würde für die Leasingunternehmen einen Gesamtschaden von mehr als zwölf Milliarden US-Dollar bedeuten.
die Ketten gelegt. „Die größte Angst ist momentan, dass die geleasten Flugzeuge für immer verschwunden sind“, erklärte Steve Giordano, Geschäftsführer der Flugzeugleasinggesellschaft Nomadic Aviation Group.
RISIKEN FÜR DIE FAHRZEUGLOGISTIK NEHMEN ZU Der Sektor der Fahrzeuglogistik ist zurzeit mit einer Reihe äußerst belastender Herausforderungen konfrontiert. Die aktuellen Ereignisse in der Ukraine werden für ein drittes Krisenjahr in Folge verantwortlich sein, nachdem zunächst die Pandemie und dann der Halbleitermangel die Abläufe massiv beeinträchtigt haben. Die Automobilindustrie ist bei der Beschaffung verschiedener Bauteile sowie von Rohstoffen und Halbfertigmaterial in hohem Maße von der Ukraine abhängig. Am negativsten wirkt sich der Lieferausfall bei den sogenannten Kabelbäumen aus, die bisher in großer Stück-
zahl in der Ukraine hergestellt wurden. Eine Produktionsverlagerung ist weder leicht noch kurzfristig umzusetzen. Infolge des Krieges mussten bereits ganze Fabriken schließen. Wann sie wieder öffnen können, ist nicht vorhersehbar. Bereits vor dem Ukrainekrieg hatte die Branche mit der steigenden Inflation zu kämpfen. Die aktuell stetig steigenden Energie- und Rohstoffpreise verschärfen das Problem und belasten die Branche massiv. Die häufig angewendeten Treibstoff- und Bunkerklauseln können diese Entwicklungen nicht mehr abfangen, um die Flottenbetreiber zu entlasten. Innerhalb von sechs Monaten hat sich der Preis für Schiffstreibstoff verdoppelt. Pro Tag wird mit Mehrkosten von 25.000 Dollar gerechnet. Die Folge: Vielerorts, zum Beispiel im fragmentierten Transportmarkt Italiens, wird die Arbeit eingestellt, weil sich der Mitteleinsatz nicht mehr rentiert und sich Vertragspartner auf „höhere Gewalt“ berufen. Die steigenden Treibstoffkosten, der enorme Anstieg der Rohstoffkosten und die Inflation ergeben eine
TAKTISCHES VORGEHEN Bis zum 28. März hatten die Leasingfirmen Zeit, die Verträge mit Aeroflot zu kündigen. Aber schon bei Ankündigung dieser Maßnahme verfügte Russland die Rückkehr aller zu dieser Zeit im Ausland befindlichen Flugzeuge, um eine Festsetzung zu verhindern. Nicht alle der geleasten Flugzeuge haben aber den Weg zurück nach Russland geschafft, 78 davon wurden laut dem russischen Verkehrsminister Witali Saweljew im Ausland an
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Umfrage. Eine Erhebung unter 86.000 Logistik-Mitarbeiter:innen ergab eine steigende Unzufriedenheit mit der Managementebene generell sowie mit dem Fehlen von Arbeitsplatzsicherheit und Aufstiegschancen.
/ Q2/2022
Fotos / Shutterstock / Dmitriev Mikhail, how.fm
FLUGZEUG-DIEBSTAHL IM GROSSEN STIL?