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unabhängig, überparteilich, legal hanfjournal.de / Ausgabe #120 / 07.10 4 clubmed

6 guerilla growing 8 wirtschaft 12 cooltour 21 anderswo

22 news

In dieser Ausgabe:

LEGALISIEREN? 2 Ich kiff' doch gar nicht! WIRTSCHAFT SPEZIAL 8 Produkte, Shops & Gewinnspiele! 11

Das wird teuer Cannabis als Medizin in Deutschland: Wer profitiert vom aktuellen Modell? Text: Michael Knodt

W

er wäre der wirkliche Verlierer, wenn Deutschland die Behandlung mit medizinischem Cannabis ohne großen bürokratischen Aufwand, ähnlich wie in Spanien, den USA, Tschechien oder Kanada, zuließe? Jugendliche, die dauerbekifft mit einem gefaketen Rezept auf der Strasse gammeln? All die Cannabis-Gefährdeten, die dann einen gesellschaftlichen und sozialen Komplettabsturz erleiden würden? Wohl kaum, die wahren Verlierer hießen Avensis, Novartis, Hexal, Bayer oder Astra-Zeneca, um nur einige zu nennen. Der Plan der Pharma-Riesen, die vielen nützlichen Cannabinoide zuerst zu synthetisieren und dann zu verkaufen, nimmt konkrete Formen an, während die beauftragten Lobbyisten im Bundestag die Zulassung und Kostenübernahme von pflanzlichem Cannabis so lange zu verhindern wissen, bis man mit künstlich hergestellten Cannabinoiden genauso viel Geld verdienen kann wie mit herkömmlichen Arzneimitteln. Trotz positiver Beispiele aus den erwähnten Ländern besteht die Bundesregierung auf eigene Studien zu Cannabinoiden, lässt aber gleichzeitig keinerlei Pilotprojekte oder Forschung mit natürlichem Cannabis zu. Selbst anerkannte Patienten erhalten nicht einfach ein Rezept, sie erhalten lediglich eine Ausnahmegenehmigung, müssen ihr Medikament selbst bezahlen und machen sich strafbar, wenn sie genau die gleiche Pflanze, die es getrocknet für sie in der Apotheke gibt, auf der Fensterbank selbst anpflanzen.

Cannabis aus der Apotheke - Foto: marker

Kurzum: Es ist mehr als offensichtlich, dass es den Patienten so schwer gemacht werden soll wie nur irgendwie möglich. Kürzlich hat die BARMER-Ersatzkasse eine Liste mit den zehn teuersten Medikamenten in Deutschland veröffentlicht. Fünf dieser Medikamente lindern die Symptome bei MS, zwei helfen gegen Rheuma, eins gegen Asthma, eins gegen Krebs und eines gegen Magenleiden. Gerade bei MS sind alle Medikamente Symptomlinderer, bekämpfen also nicht die Ursache der Krankheit. Auch bei Rheuma, Krebs und Asthma gibt es zahlreiche Studien, die Cannabis eine heilende oder lindernde Wirkung zuschreiben. Das teuerste Medikament von allen, Humira, wird neben der Rheumabehandlung auch zur Behandlung von Morbus Crohn eingesetzt, bei dieser entzündlichen, chronischen Darmerkrankung gibt es ebenfalls seit Jahren anerkannte Cannabis-Patienten in Deutschland. In anderen Ländern ist Morbus Crohn als Indikation für Cannabis- Medizin ebenso anerkannt. Sicherlich wären nicht all diese High-Tech Medikamente einfach mal schnell durch Cannabis zu ersetzen, aber gerade bei denen, die lediglich die Symptome der betreffenden Krankheit lindern, könnten pflanzliche Cannabinoide eine kostengünstige Alternative darstellen, wie viele Patienten in anderen Ländern beweisen. Und zwar ab sofort und vor allen Dingen kostengünstig und effektiv. Momentan wird in Deutschland vorsätzlich verhindert, dass auf diesem Gebiet überhaupt geforscht wird. Ein Unternehmen wie Bionorica, Deutschlands größter Phyto-Arzneimittelproduzent, verlagert seine Forschung mit pflanzlichen CannaWeiter auf Seite 23 >>>

Hopp Schwiiz

I

mmer wieder prescht die Schweiz vor, was neue Ansätze in Sachen Drogenpolitik betrifft. Bereits im Sommer 2006 hatte das Berner Stadtparlament ein Pilotprojekt zur kontrollierten Hanfabgabe unter strengen Jugendschutzauflagen beschlossen. Doch Vertreter des Kantons Bern hatten im Falle der Durchführung Schritte angedroht, und die einstigen Befürworter des Projekts liessen sich wohl von der Aussichtslosigkeit ihres Unterfanges leicht überzeugen und ruderten zurück. Vier Jahre später gibt es im Zürcher Stadtrat nun eine Mehrheit für dieses Pilotprojekt, die Regierung hat zwei Jahre Zeit zur Umsetzung. Die Initiatoren sprachen von „einem politischen Signal Richtung Bern“. Und so haben inzwischen die Stadtparlamentarier von Bern und Basel nachgezogen und fordern ebenfalls, Hanfprodukte unter strengsten Jugendschutzauflagen probeweise legal zu verkaufen. Vor knapp zwei Jahren hatte Basel-Stadt bei der Hanflegalisierungs-Abstimmung mit fast 45 Prozent schweizweit die meisten Ja-Stimmen. „Die Stadt Bern soll ein Zeichen setzen“, wird Juso-Stadträtin Tanja Walliser zitiert. Dementsprechend will man der Stadt Zürich folgen und bei deren wissenschaftlich begleitetem Pilotversuch für den öffentlichen Cannabis-Verkauf mitmachen. Das Zürcher Stadtparlament hat schon grünes Licht gegeben und ein entsprechendes Postulat überwiesen. „In erster Linie ist dieser Pilotversuch positiv für die Prävention“, ist auch Walliser überzeugt. Man könne die Jugendlichen besser erreichen, Daten erheben und wissenschaftliche Untersuchungen durchführen. Die gesammelten Informationen könnten dann den Weg für eine Ausweitung der Regelung ebnen. Ausserdem sei sie der Meinung, dass „die Legalisierung endlich vorangetrieben werden muss“. Unterstützt wird sie von Aline Trede (Grünes Bündnis), die nicht glaubt, dass seit dem Scheitern der Hanf-Initiative am 30. November 2008 zu wenig Zeit vergangen ist, um das Thema wieder auf die politische Agenda zu bringen. Auch FDP-Stadtrat Christoph Zimmerli befürwortet den Pilotversuch, mit dem man dem Schwarzmarkt und der Kriminalität ihre Einkünfte aus dem Cannabis-Handel entziehen will. Mit dem Rückenwind aus Zürich könnte das Vorhaben diesmal gelingen. Zürich hat schliesslich schon in Bezug auf harte Drogen wie Heroin eine Vorreiterrolle inne. Anfang der 1990er Jahre eröffnete die Stadt, die damals grosse Probleme mit offenem Drogenhandel hatte, eigene Fixerstuben für Heroinsüchtige. Mit Erfolg – das Programm läuft bis heute.

Text: R. Grieshammer


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