unabhängig, überparteilich, legal hanfjournal.de / Ausgabe #123 / 10.10 4 clubmed
6 news
8 guerilla growing
11 wirtschaft
12 cooltour
23 anderswo
WEEDPREISE 5 ein kleiner Überblick SHANTIBABA 8 im Interview HANF ZEIT
22
MESSE SPEZIAl Hanf total
24
die Ernte wird eingefahren
Bis an die Schmerzgrenze
und darüber hinaus: Gestrecktes Gras als Gefahr für Millionen Cannabis, noch ungestreckt - Foto: Archiv
Text: Michael Knodt
D
ie Kaliforiner/innen dürfen kommenden Monat über die Legalisierung von Cannabis abstimmen, in Österreich, Belgien, den Niederlanden, der Schweiz, Spanien, Portugal oder Tschechien wird der Anbau von ein paar Hanfpflanzen für den eigenen Bedarf toleriert oder nur noch mit Geldbußen versehen, während die Hanfraucher/innen hierzulande immer noch meist auf den Schwarzmarkt angewiesen sind. Denn anders als unsere Drogenbeauftragte behauptet, werden Menschen, die ein paar Hanfpflanzen für den eigenen Bedarf anbauen, weitaus härter bestraft als solche, die eine Geringe Menge Gras besitzen. Der illegale Schwarzmarkt bietet jedoch immer mehr Cannabisprodukte mit gesundheitsgefährdenden Beimischungen an, die die Gewinne der Verkäufer steigern und als netten Nebeneffekt die zu erwartende Strafe, sollte man erwischt werden, geringer ausfallen lässt. Denn 100 Gramm gestrecktes Gras enthalten weniger THC als die gleiche Menge ungestrecktes, und nur darauf kommt es beim Strafmaß an. Strafen für’s Strecken gibt es, anders als bei legalen Drogen, nicht. Anscheinend hat sogar das Landeskriminalamt in NordrheinWestfalen weiter reichende Erkenntnisse (siehe Bericht Seite 21), veröffentlicht sie aber aus uns unbekannten Gründen bis
dato nicht. Ein arrogantes „Selbst Schuld, wenn man kifft“ ist alles, was die Politik dazu zu sagen hat, selbst eine lapidare Warnung vor gesundheitsschädlichen Streckmitteln könne laut der Drogenbeauftragten als „Aufforderung zum Konsum“ mißverstanden werden. Geändert hat sich seit 2007 nichts, im Gegenteil: Der Streckmittelmelder des DHV wird stärker frequentiert als je zuvor, auch die Auswertung unserer Umfrage auf Seite 21 lässt ebenso Schlimmes vermuten. Wieso also wird dieses Thema, obwohl seit über drei Jahren aktuell und auch immer wieder von den großen Medien aufgegriffen, von der Politik tot geschwiegen? Weil eine öffentliche Warnung zu Streckmitteln in Cannabis, anders als bei Heroin oder Koks, die öffentliche Diskussion über eine Legalisierung neu entfachen könnte. Die kann man aber nur verlieren, weil, mehr als je zuvor, die Argumente fehlen. Ein Blick über den großen Teich reicht, um vorauszuahnen, was passieren wird, wenn das Thema Cannabislegalierung auch hier wieder Gegenstand einer öffentlichen Diskussion würde. Mediziner und Wissenschaftler sind sich mittlerweile einig, dass ein Cannabisverbot mehr schadet als nützt – so einig, dass weiter auf Seite 27
›››
Cannabizz backstage
S
o eine Messe ist ja immer eine Vorbereitung wert. Und nachdem unser Matze sämtliche Reisetermine für ebenso sämtliche Redakteure und Legalizer festgelegt hatte, war ich ganz entzückt, Freitagmorgen um 3:00 in der Nacht aufzustehen, um eine Stunde später Richtung Ostbahnhof zu schlafwandeln. Die Stimmung erreichte ihren vorzeitigen Höhepunkt, als der Bummelzug letztendlich eine Stunde später losfuhr. Matze selbst hatte nachts zuvor ähnlich viel Spass mit den Eisenbahnern. Die Fahrt selbst erlebte ich im Halbschlaf, das teilweise äusserst wirre Gequatsche um mich herum hätte ich bei vollem Bewusstsein sowieso nicht ertragen. Eine halbe Stunde bevor die Messetore der Thámova-Hallen geöffnet werden sollten, erreichten wir die tschechische Hauptstadt. Steffen bemühte sich, ein gutes Tempo vorzulegen, doch an jeder Ampel zückte eine(r) aus dem Legalizer-Team einen Stadtplan und wusste es besser. Das regelmässige „Können-wir-uns-nicht-ein-Taxi-rufen?“Genöhle machte den Weg mit schwerem Gepäck nicht angenehmer. Die Messe an sich übertraf in Sachen Besucherandrang und positivem Feedback alle Erwartungen. Allerdings war im Seminarraum meist noch genügend Platz, und ständig begegneten mir diverse Legalizer, die mit ihren akribisch vorbereiteten Vorträgen hektisch durch die Halle irrten. Zur Beruhigung des Gemüts war die „rollende Pizzeria“ mit Günther und Thilo immer wieder eine herzhafte Angelegenheit. Die flüssige Nahrungsaufnahme dagegen gab’s in der Business Lounge, in der man manchmal den Eindruck bekam, man wäre inmitten einer Legalisierungsdemo für tschechisches Bier, Sekt oder Desperados Red, auch wenn zwischendurch mal ein Becher Hanfkorn aus einer Wassermelone geschöpft wurde. Als ich das erste Mal in besagter Lounge auftauchte, kamen Assoziationen zu einem Swinger Club auf. Zumindest wunderte ich mich über den halbnackten Frauenkörper, den mein diskreter Blick hinter der Bar erhaschte. Freudig erregt lief ich am Sonntag auch in diese vermeintliche Kuschelzone, um 30 schmerzhaftwohltuende Minuten später berichten zu können, dass dort ein professioneller Masseur für alle „Exhibitors“ for free einen verdammt guten Job machte – wie im Übrigen auch der DJ, der diesen Chill Out Floor drei Tage lang mit feinstem House und ganz bezauberndem Drum’n’Bass bespielte. Von Prag selbst habe ich leider viel zu wenig gesehen, aber der abendliche Spaziergang zur Karlsbrücke war mindestens so lustig wie Frau Chabalala auf der Messe und diese launische Rückfahrt mit dem Zug, den wir fast verpasst hätten … danke, dass ich das noch erleben durfte. Text: Roland Grieshammer