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unabhängig, überparteilich, legal

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Ausgabe 08-09/06

Grüße aus dem Schweizer Knast sendet Pastor Jan David Schlesinger. Wie es ihm geht und was ihr tun könnt lest bitte auf Seite 2

news s. 02

guerilla growing s. 04

Besser spät als nie Eigentlich wollten wir euch diese Ausgabe vom Hanf Journal wie immer Anfang des Monats präsentieren. Natürlich haben wir wie immer fleißig gearbeitet und waren auch pünktlich druckfertig. Leider war genau zu diesem Zeitpunkt unser Konto leer- ohne Geld kein Druck. ( Hanf Journal März 06). Deshalb mussten unsere LerserInnen so lange auf unsere Zeitung warten. Tut uns leid, soll nicht wieder vorkommen.

wirtschaft s. 07

cool-tour s. 08

fun+action s. 10

Text: Werner Graf

illu: marker

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte zeigt Deutschland seine Grenzen

Der Einsatz von Brechmitteln gegen mutmaßliche Dealer ist in Deutschland gang und gäbe. Erst nach einem Todesfall begann das Bundesland Bremen über diese harte Vorgehensweise nachzudenken. Die Hamburger schockte selbst ein Todesfall nicht – sie machten einfach munter weiter. Nun hat der Europäische Gerichtshof für Menschrechte (EuGM) die Vergabe von Brechmitteln als eine Verletzung der Menschenrechte bezeichnet. Die Bundesrepublik Deutschland wurde verurteilt, weil sie die Vergabe von Brechmitteln erlaubte. Nach Angaben der Richter erlaube Deutschland somit Folter , was in der EU nicht sein darf.

Sinn und Zweck des Einsatzes von Brechmitteln sind bis heute noch nicht schlüssig dargelegt worden. Offiziell sollen Dealer, die ihre Drogen kurz vor der Festnahme verschlucken, so überführt werden. Der Haken dabei ist aber, dass bisher auf diese Weise noch nie Menge gefunden wurden, die wirklich relevant waren. Welcher Straßen-Dealer läuft auch mit mehreren Gramm Koks in der Tasche herum? Auch das Motiv der Abschreckung wird bei den Dealern nicht greifen. Wer illegale Geschäfte macht, geht nicht davon aus, erwischt zu werden. Abschreckende Strafen haben noch nie Wirkung gezeigt, denn auch in Amerika gibt es trotz Todesstrafe nicht weniger Morde als in Europa. Der Einsatz von Brechmitteln ist widerwärtig, da er sich gegen die Schwächsten in einer ausgestoßenen Gruppe richtet. StraßenDealer haben meist den schlechtesten Ruf in der Gesellschaft, aber auch innerhalb ihrer Peargroup. Kaum ein gesetzter Deutscher mit Anspruch auf Hartz IV würde sich an das Kottbusser Tor oder den Hamburger Hauptbahnhof stellen und Drogen vertickern. Und das alles noch für eine relativ geringe Gewinnmarge, denn das große Geld streichen auch hier wieder Menschen im Hintergrund ein. Aber gegen diese wird mit der Vergabe von Brechmitteln nicht vorgegangen. Der Einsatz von Brechmitteln ist also bewusst eine Schikane des kleinen Dealers. Und das noch ohne großen Sinn und Erfolg, denn ist erst mal einer überführt und wieder abgeschoben, stehen schon längst vier neue auf der Matte. Dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nun Deutschland in die Schranken weist, war längst überfällig. Schon seit Jahren weist amnesty international auf diese Tatsache hin. Dass Länder wie Hamburg nun prüfen, wie sie mit diesen Rechtsspruch umgehen können zeigt nur, wie dogmatisch sie in der Drogenpolitik vorgehen. Es geht ihnen nicht um den Schutz der Konsumenten, es geht ihnen auch nicht darum, dass möglichst wenig Menschen Probleme mit Drogen haben,

www.hanfjournal.de

Reine Formsache ? von Michael Knodt

Brechmittel-Einsatz ist Folter Bisher wurden die Brechmittel vor allem in Hamburg, Berlin und Nordrhein-Westfalen eingesetzt. Nur Nordrhein-Westfalen hat jedoch bisher auf den europäischen Urteilsspruch reagiert und in einem Ministererlass den Einsatz von Brechmitteln verboten. In den übrigen Bundesländern steht eine Stellungnahme noch aus. Das Problem dabei ist, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte keine direkten Folgen auf die Rechtssprechung der nationalen Gerichte hat. Nur der Europäische Gerichtshof (EuGH) muss im Lichte des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte urteilen. Dieser, also der EuGH, ist dann wieder bindend für die europäischen Mitgliedsstaaten. So kann es also passieren, dass Hamburg trotz des Urteils so lange Brechmittel einsetzt, bis sich ein Einzelfall bis zum EuGH hoch klagt.

Das Hanf Journal wird fünf. Eine Auswahl unserer zahlreichen Gratulanten und deren Meinung über unsere Zeitung findet ihr im Eckthema.

sondern es geht ihnen nur darum, einen Feind, den sie sich auserkoren, haben möglichst abartig zu bekämpfen. Wenn es um Menschenrechte geht, glauben viele deutsche Politiker, dass sie sich nichts vorzuwerfen hätten. In Wahrheit ist aber der Abschnitt zu Costa Rica im Menschenrechtsbericht 2005 nur sieben Zeilen lang, der zu Deutschland hat fünf Seiten. Und auch die deutschen Ärzte sollten sich einmal überlegen, was es für ihre Zunft heißt, wenn immer noch genügend Weißkittel-Träger gefunden werden, die ganz offiziell Menschen foltern.

Zögerliches Verhalten der Bundesopiumstelle erschwert die Behandlung von Schwerstkranken Bisher lehnte das BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) alle Anträge zur Selbstversorgung von Kranken mit Cannabis ab. Das Bundesverwaltungsgericht rügte diese Praxis und forderte die Behörde auf, dies zu ändern (Hanf Journal 11/2005).. Kürzlich erhielten die Antragsteller Post, die gab auf den ersten Blick auch Anlass zur Freude, beim genaueren Hinsehen verflog das Hochgefühl aber ziemlich flott, denn: Prinzipiell hat das BfArM den AntragstellerInnen die Behandlung mit Cannabis genehmigt. Dafür ist ein „aussagekräftiges“ Gutachten des behandelten Arztes notwendig. Außerdem wird ein Negativbescheid der Krankenkasse über die Kostenübernahme für Dronabinol (künstliches THC) verlangt. Auch wenn es einige Mediziner als bedenklich ansehen, dass Dronabinol trotz fehlender Studien an PatientInnen und gegenteiliger Erfahrungsberichte von Betroffenen dem natürlichen Cannabis gleichgestellt wird. Ganz nebenbei lehnt die AOK momentan eine Kostenübernahme von Labor THC generell ab: „Nach Stellungnahme des BMG (Bundesgesundheitsministerium) zur Verordnungsfähigkeit von Rezepturen mit den Cannabis-Wirkstoffen Dronabinol und Nabinol sind diese Rezepturen nicht erstattungsfähig, da eine Bewertung durch den gemeinsamen Bundesausschuss fehlt. Daher können wir Ihnen leider keine Kostenzusage erteilen“ (Aus einem Brief der AOK an einen Cannabispatienten). So weit, so gut, diese beiden zu besorgenden Schriftstücke wären wohl für die Mehrzahl der Betroffenen eine noch zu meisternde Hürde. Doch dann kommt es knüppeldick: Die/der PatientIn muss Sicherungsmaßnahmen zur Aufbewahrung der „Droge“ nachweisen, außerdem sind bauliche Veränderungen zur Sicherung der Wohnung (im Regelfall sind das die eigenen vier Wände), in der der Hanf aufbewahrt werden soll, durchzuführen. Im Klartext heißt das: Zur Lagerung von Medizinalhanf muss die eigene Wohnung zum Hochsicherheitstrakt (Tresor, Stahltür, dickere Wände, Alarmanlage..) umgebaut werden. Das ist nicht nur in vielen Fällen aus mietrechtlichen Gründen gar nicht möglich, auch die Kosten spielen hierbei eine erhebliche Rolle, frei nach dem Motto: „Tach Herr Vermieter, ich muss mal kurz meine Wohnung umbauen, nur son paar Fenster zumauern und dickere Wände ziehen, ne Stahltür, einen Tresor und noch son paar Kleinigkeiten, damit ich Medizinalhanf anbauen kann. Vielleicht zahlt den Umbau auch die Krankenkassen, mal sehen..“ Würde der Umbau wider Erwarten irgendwie genehmigt und die daraus resultierenden Kosten erstattet werden, wäre da nur noch die Kleinigkeit mit der „sachkundigen Person“, die für die Abgabe verantwortlich ist. Der/der PatientIn wird verpflichtet, der Behörde Name; Anschrift und einen „Sachkundenachweis“ der Person zu hinterlegen, die sie/ihn mit Cannabis versorgt oder es für sie/ihn anbaut. Als Sachkundenachweis wird nur eine Berufsausbildung im pharmakologisch-medizinischen Bereich anerkannt. Auf Deutsch heißt das: Baut Eure Wohnung zu Fort Knox um, stellt Euch einen Teilzeitapotheker an oder lasst es bleiben. Kein Wort über die entstehenden Kosten oder deren Übernahme. Wenn man bedenkt, dass viele Patienten aus Methadonprogrammen nach einer gewissen Probezeit ein für andere tödlich wirkendes Gift mit nach Hause nehmen dürfen, ohne irgendwelche Sicherungsmaßnahmen nachzuweisen, fällt es schwer, eine Verhältnismäßigkeit zu erkennen. Ganz zu schweigen von Omi’s Valium im Alibert. Vielmehr sträubt sich das BfArM mit allen Mitteln dagegen, ein für unsere Regierung unbequemes Gerichtsurteil in die Tat umzusetzen. Deshalb raten wir den Betroffenen, nicht zu verzagen und den langen Weg durch den Behördendschungel anzutreten, denn immerhin: Der grundsätzliche Bedarf einer Selbstmedikation wird mit diesen Anträgen, zumindest theoretisch, zum ersten Mal rechtlich manifestiert, wenn auch (noch) mit nicht zu erfüllenden Auflagen für die Patienten.


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