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Fehldiagnosen bei ADHS und Cannabiskonsum von Dr. Franjo Grotenhermen
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UNABHÄNGIG | ÜBERPARTEILICH | LEGAL Rechstlage CBD Was scheint legal, was nicht?
or mehr als fünfzig Jahren verbreitete die S t u d e n t e n b e we g u n g in der freien Stadt West-Berlin Angst und Schrecken im b ü r g e r l i c h - k o n s e r va t i ve n Milieu. Es wurde rebelliert, demonstriert und experimentiert – auch mit psychoaktiven Substanzen. Schon damals zeichnete sich ab, dass die Preußenstadt im Drogensumpf versinken wird und keine Macht der Welt dies verhindern kann. Alle Bemühungen der drei Staatsgewalten, Berlin mit harter Hand drogenfrei zu bekommen, waren von vorneherein zum Scheitern verurteilt und haben letztlich das ganze Gegenteil bewirkt. Heute, anno 2019, kann Berlin mit Stolz darauf verweisen, im Ruf eines Drogenparadieses zu stehen. Berlin tut gut, wenn man verbotenerweise kiffen, koksen und Pillen einwerfen will, ohne sich permanent den Rausch durch Paranoia versauen zu lassen.
hunderts in Amsterdam. Wer richtig Spaß haben will, der kommt im gottlosen Berlin auf seine Kosten. Gerade jetzt in der warmen Jahreszeit geht es rund in den Innenstadtbezirken und eine Party jagt die nächste. Kein Wochenende vergeht, an dem nicht irgendwo eine Veranstaltung stattfindet, die mal eben ein paar Tausend Menschen anzieht. Allein Pfingsten feierten rund eine Million vorwiegend junge Leute den „Karneval der Kulturen“. Begleitet wurde der Straßenumzug von einer Cannabis-Rauchwolke und Herscharen von Btm-Fachverkäufern, die von der Polizei unbehelligt ihren Dienst an den Feierwütigen versahen. Kaum Luft zu bekommen war auch auf der Hanfmesse „Mary Jane“, die Ende Juni bei schönstem Sommerwetter auf dem Areal der „Arena“ und dem dazugehörigen Badeschiff am Spreeufer mehrere zehntausend Besucher anlockte.
Der Drogentourismus boomt wie seinerzeit in den Siebzieger Jahren des letzten Jahr-
Und das war nur der Anfang der Berliner Partysaison. Am 27. Juli folgt ein weite-
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Polytoxikomanie Voll drauf und doch normal
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Kief selbstgemacht Der Budler bei Skyth
Ganz Berlin ist eine Cannabis-Wolke Bild: Archiv/Wikipedia res Highlight für Leute, die sich gerne an sich selbst berauschen. Insbesondere die Pulver-Fraktion wird aus aller Welt einfliegen, um sich auf dem „Christopher Street Day“ in Ekstase zu bringen. Erwartet werden 750.000 partyerprobte Besucher, die vom Kurfürstendamm über die Straße des 17. Juni bis zum Brandenburger Tor ziehen und gegen alle guten Sitten verstoßen – und das unter
den Augen der Weltöffentlichkeit, die sich wundert, dass die deutsche Polizei so etwas duldet. Über den Daumen gepeilt dürfte jeder zweite CSD-Teilnehmer eine illegale psychotrope Substanz intus haben. Die Versorgung mit dem passenden Stöffchen gewährleisten nicht nur ortsansässige Fachhändler, sondern auch Handelsreisende aus nah und fern.
Bewegung in der Sache Die Stimmung bei manchen Kiffern kippt
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rotz Sonnenschein scheint in Deutschland eine düstere Wolkendecke über vielen Befürwortern der Cannabislegalisierung zu hängen. Während in anderen Teilen der Welt mit der Freigabe des natürlichen Rauschmittels eine ganze Bevölkerungsschicht aus den Fängen der Strafverfolgung befreit worden ist, werden hierzulande die Konsumenten und Produzenten von Marihuana noch immer mit harter Hand bestraft, sollten sie sich bei ihrem friedlichen Treiben erwischen lassen. Auch die Schwierigkeiten für viele Patienten, einen passenden Arzt zu finden, der ein Rezept für Cannabisblüten ausschreibt, sorgen für schlechte Stimmung. Von der mangelhaften Versorgung des wachsenden Patientenkreises ganz zu schweigen. Dazu wird von der sogenannten Elite weiterhin proklamiert, dass eine Legalisierung von Cannabis schweren Schaden für die Bevölkerung mit sich brächte und alle heute schon herum rauschenden Kinder nur noch einfacher an die Blüten der Hanfpflanze gelangen würden – mit schrecklichen Folgen. Diese Situation scheint nach Jahrzehnten des Stillstandes in der Debatte
von vielen Freunden des Cannabis nicht länger gutwillig wahrgenommen werden zu wollen, weshalb sich im Internet nach Missmut nun echter Ärger zusammenbraut. Unpassende Vergleiche mit Deutschlands schrecklicher Vergangenheit werden angestellt, Aufforderungen zu Gewalttaten sprechen einzelne Wutbürger ohne jegliche Hinterfragung ihres öffentlich sichtbaren Verhaltens aus. Werden diese dann auf ihre Übertreibungen hingewiesen, schallt es bedrohlich zurück. Anstatt sich weiter zu vernetzen und Überlegungen anzustellen, wie man medienwirksam auf die Fehler der Drogenpolitik hinweisen könnte, spaltet sich daher die Community aktuell und macht es den Kritikern leicht, weiterhin mit simpel gedroschenen Phrasen das Konstrukt der Prohibition aufrecht zu erhalten und sich Finger zeigend auf die wenigen Ausreißer zu berufen, denen das gesunde Kraut offensichtlich ein wenig zu Kopf gestiegen ist. Da es wichtig ist, dass die Befürworter der Cannabisfreigabe an einem Strang ziehen, sollten die Mittel genutzt werden, die sich etabliert haben, anstatt auf prähistorische Verhaltensweisen zurückzu-
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HANFJOURNAL.DE | AUSGABE #234 | JULI 2019 Aufruf zur Hanfparade Legalisierung nur mit dir!
greifen, welche den gesamten Bemühungen kontraproduktiv gegenüber stehen. So können bekannte Sternchen aus dem Netz freundlich dazu bewegt werden, sich der Thematik einmal ernsthaft anzunehmen, Zeitungen aus der Umgebung angeschrieben und mit positiven Beispielen versorgt werden, oder man besucht Lokalpolitiker während ihrer Sprechstunden, um sie zum Aussprechen von klaren Aussagen bezüglich der Thematik anzustiften. Auch stellen alle Pro-Hanf-Events – wie Messen oder Demonstrationen a la GMM und Hanfparade – stets einen einladenden Moment dar, auf denen sich die Aktivisten und alle Legalisierungsbefürworter zum Austausch und Stimmungmachen verabreden sollten, um gemeinschaftlich für eine Verbesserung der Lage zu kämpfen. Auch wenn sich in Deutschland die Diskussion seit vielen Jahren im Kreis herum zu drehen scheint, so lassen sich eine Menge Erfolge nachweisen, die auf diesem Wege erreicht worden sind. Mit den Mitteln der Prohibitionisten sollte der Sieg der Hanfpflanze nicht unbedingt errungen werden, da die oft absichtlich falsch eingesetzten Methoden und Argumente
keiner längeren Überprüfung standhalten. Dagegen ehrlich, friedlich und überzeugend die Allgemeinheit zu erreichen, dürfte auf längere Sicht das sinnvollere Handeln darstellen, mit dem sich das Hanfverbot in die ewigen Jagdgründe verabschieden lassen wird. Da auch im Rest der Welt der Ruf nach vernunftbasierter Cannabispolitik immer lauter wird, können sich die Staatenlenker hierzulande auch nicht länger mit ihren fadenscheinigen Aussagen über Wasser halten, sodass es wirklich nur noch eine Frage der Zeit sein sollte, bis auch in Deutschland der Hanf frei gedeiht. Mit Diffamierungen, schlechter Laune und ungerechtem Handeln sollten friedliebende Cannabiskonsumenten daher nicht unbedingt hausieren gehen, möchten sie zukünftig nicht mit den schlechten Menschen in einen Topf geworfen werden, die ihre prohibitionistischen Ziele um jeden Preis verfolgten und denen zur Wahrung der fatalen Lage jedes Mittel recht gewesen ist. Uns genügt doch Cannabis, um zu gewinnen.
Eure Redaktion
Ebenso ohnmächtig wird die Staatsgewalt am 10. August zugucken, wenn die 23. „Hanfparade“ durch Berlin zieht und den Prachtboulevard Unter den Linden einnebelt. Manch Tourist aus dem funktionierenden Teil Deutschlands wird sich verwundert die Augen reiben angesichts der Masse an kriminellen Hänflingen, die ihr Recht auf freies Kiffen mittels zivilen Ungehorsams einfordern und exakt dem Menschenbild entsprechen, vor dem der Pastor daheim warnt. Um diesem Bild noch mehr Ausdruckskraft zu verleihen, möge es den Organisatoren der Hanfparade gelingen, möglichst viele Hänflinge vom Sofa zu holen und zum gemeinsamen Spaziergang durch Berlins Mitte zu bewegen.
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CBD gegen Beamtenfaulheit Sadhu von Hemp deckt auf
Doch nicht nur an Großkampftagen herrscht THCSmog-Alarm. Schuld daran trägt der Klimawandel, der mit heißen und trockenen Sommern die Berliner ins Freie treibt. Mittlerweile herrscht Parkbanknot in den Grünanlagen und an den Ufern der Stadtgewässer. Oftmals müssen sich Kiffer, die in Ruhe für sich einen Joint rauchen wollen, eine Bank mit anderen teilen, die auch entspannt für sich allein quarzen wollen. Es gibt kaum mehr Hemmungen, in aller Öffentlichkeit mit einem Tütchen im Mundwinkel durch die Stadt zu flanieren oder zu radeln. Durch die Häuserschluchten von Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln zieht des abends ein steter Ganja-Duft, der immer mehr besorgte Hipster-Eltern dazu zwingt, das Kinderzimmerfenster geschlossen zu halten. Kurz und gut, in Berlin steppt der Bär, und jeder kann nach seiner Façon selig werden, wenn er sich denn nicht allzu dämlich anstellt und Mut zur Freiheit hat. Dass die schrankenlos ausgelebte Lust am Sein auch ihre Schattenseite hat, soll nicht unerwähnt bleiben, ist aber angesichts des von sozialen und religiösen Zwängen beengten Lebens in der deutschen Provinz zu vernachlässigen.
Beitrag von Sadhu van Hemp