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Hanf als Rohstoff, Medizin oder Genussmittel

TEXT DIETER KLAUS GLASMANN

Wenn man heute halbwegs aufmerksam durch die Einzelhandelsgeschäfte geht, trifft man auffallend oft auf Waren, die in jeglicher Art und Weise etwas mit Hanf zu tun haben. Nicht nur CBD-Produkte für den Wellnessbereich, auch gerade in der Herstellung von Lebensmitteln spielt Hanf eine immer größere Rolle. Aber auch in vielen anderen Lebensbereichen findet die Pflanze einen festen Platz. Bei Baustoffen ist Hanf eine willkommene Alternative zu herkömmlichen Materialien. Vor allem immer dann, wenn es um die Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit geht, ist Hanf eigentlich immer die bessere Wahl im Vergleich zu anderen Rohstoffen.Dies gilt für Nahrungsmittel und Baustoffe genauso wie für Kleidung. Die Hanffaser ist anderen dafür verwendeten Ressourcen in vielerlei Hinsicht überlegen. Nur der rechtlich schwierige Status der Hanfpflanze hat wohl ihren Durchbruch in vielen industriellen Bereichen verhindert. Langsam aber fallen diese Barrieren in allen Teilen der Welt und die Entwicklung der globalen Hanfbranche in den letzten Jahren ist wahrlich bemerkenswert. Gerade heute, da in Deutschland wieder viel über die Legalisierung von Cannabis als Genussmittel diskutiert wird, fragt sich sicher der eine oder andere, was im Fall der progressiven Reformen aus den verschiedenen Geschäftsbereichen Freizeitcannabis, Medizinalcannabis, CBD- Produkten und anderen Nutzhanfprodukten, werden wird. Werden sich die Industrien mischen? Und wenn nicht, wie entscheidet der Hersteller, in welchem Bereich er produzieren möchte? Bleibt Nutzhanf neben Medizin und Freizeitcannabis noch wirtschaftlich interessant?

Steigende Absatzzahlen bei Medizinalhanf

Als in Deutschland im März 2017 das Cannabis als Medizin Gesetz in Kraft trat, stieg die Zahl der für eine solche Therapie infrage kommenden Patienten, und infolgedessen der Bedarf nach Cannabismedikamenten, zügig an. Das Geschäftmit cannabinoidhaltigen Arzneien, insbesondere mit Cannabisblüten floriert in Deutschland im wahrsten Sinne des Wortes. Wir können ganz einfach ein paar Zahlen bemühen, um den Anstieg etwas vorstellbar zu machen. Während in der ersten Jahreshälfte 2020 lag die Importmenge für Cannabisblüten nach Deutschland bei knapp fünf Tonnen. Ein Jahr später waren es im gleichen Zeitraum beinahe neun Tonnen Cannabisblüten, die aus dem Ausland in den hiesigen medizinischen Markt eingeführt wurden. Zu den verstärkten Importen kommen dann noch die in Deutschland produzierten Blüten hinzu, die es 2020 noch nicht gab. Das Marktpotenzial für Medizinalcannabis gibt eigentlich bedeutend mehr her, doch es wird noch eine Weile dauern, bis alle Mediziner, die Cannabis verordnen könnten, auch über das Know-how und die Bereitschaft verfügen, dies auch zu tun. Sicher scheint aber, dass der Markt auch in den nächsten Jahren noch weiter wachsen wird. Einzig die Legalisierung von Cannabis als Genussmittel aber könnte vielleicht viele Patienten weg von der ärztlichen Behandlung und hin zur Selbstmedikation durch das Fachgeschäft bringen. Gerade aber im Bereich besonders schwerer Erkrankungen wird die ärztlich begleitete Therapie jedoch dadurch wohl nicht ersetzt werden. Trotz eigentlich positiver Prognosen scheint das Geschäft mit dem medizinischen Cannabis aber dennoch nicht so spannend für die Nutzhanfbauern zu sein. Der Aufwand alle notwendigen Richtlinien einzuhalten, Auflagen zu erfüllen und dementsprechend gesicherte Anlagen zu errichten, ist enorm hoch. Außerdem war die Lizenz für den Anbau auch nur über die Teilnahme an einer Ausschreibung erhältlich, daher sieht wahrscheinlich kaum ein landwirtschaftlicher Industriehanf-Betrieb seine Zukunft im Anbau von Medizinalcannabis.

Auch das Geschäft mit Freizeit-Cannabis verspricht lukrativ zu werden

Der Direktor des Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE) Dr. Justus Haucap hatte in einer Studie, die durch den deutschen Hanfverband in Auftrag gegeben wurde, in Zahlen gefasst, welche Steuerpotenziale in einem legalen Markt für Cannabis als Genussmittel vorhanden sind. Wo kann der Staat Steuern einsparen durch Wegfall der Strafverfolgung, und welche Steuereinnahmen sind durch den legalen Handel mit Cannabis zu erwarten? Der ermittelte Betrag, der dem Staat durch einen legalisierten Markt zugutekommen würde, liegt bei etwa 4,7 Milliarden Euro pro Jahr. Zusätzlich würde natürlich auch die Konjunktur allgemein angeregt und etwa 27.000 Arbeitsplätze geschaffen. In der Zukunft verspricht THC-potentes Cannabis ein wirklich großes Geschäft zu werden, denn man geht von einem Potenzial von mindestens vier Millionen Konsumenten aus, die gerne zu Kunden eines legalen Cannabis-Fachgeschäfts werden.

Hohe Hürden für den Industriehanfanbau

Obwohl die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe seit Jahrzehnten rückläufig ist, hat Deutschland heute noch über 250.000 Landwirte. Tatsächlich arbeiten aber nicht einmal tausend davon mit Hanfpflanzen. Der Hanfanbau scheint in unserer Landwirtschaft noch keine große Rolle spielen, so möchte man meinen. Trotzdem wächst das Interesse am Nutzhanf bei den Bauern schnell, und in den letzten Jahren steigt die Ackerfläche, die mit Industriehanf bestellt wird, stark an. Das Wachstum des Anbaus von 2020 zu 2021 stieg innerhalb eines Jahres um etwa zwanzig Prozent. Die deutsche Anbaufläche für Nutzhanf ist mit etwa 6.500 Hektar zwar deutlich kleiner als etwa die französische mit über 16.000 Hektar, dennoch ist das Wachstum im letzten Jahrzehnt geradezu eine Explosion, denn im Jahr 2012 betrug die Anbaufläche gerade einmal um 500 Hektar. Bereits seit 1996 darf man in Deutschland wieder Industriehanf kultivieren, beschränkt auf einen Katalog von etwa 50 Hanfsorten, deren THC-Konzentration unter 0,2 Prozent liegt. Dass der Nutzhanfanbau dann heute nicht bereits in größeren Dimensionen betrieben wird, könnte damit zusammenhängen, dass man dafür einigen Aufwand betreiben muss und dabei streng kontrolliert wird. Grundsätzlich darf Nutzhanf nur von einem richtigen Landwirtschaftsbetrieb kultiviert werden, weder Privatpersonen noch anderen Unternehmen ist es gestattet. Der Anbau muss vom Betrieb dann bei Behörden wie der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) angemeldet und im Verlauf ausgiebig dokumentiert werden. Der BLE müssen umfassende Informationen zum Anbau zur Verfügung gestellt und Entwicklungen wie der Eintritt in die Blütephase gemeldet werden. Die BLE überwacht dann auch die THC-Konzentration der Gewächse und gibt im Optimalfall das Okay für die Ernte. Für welche Zwecke man Hanf anbaut, ob für die Blüte, die Fasern oder die Samen, spielt für die Auflagen keine Rolle, alles wird gleichermaßen reguliert und kontrolliert.

Nutzhanf - anderes Geschäft, andere Dimensionen

Cannabis als Genussmittel, als Medizin, oder Hanf als Rohstoff für alle möglichen Erzeugnisse, sie werden wohl immer eigenständig sein, mit einem gewissen Potenzial für Überschneidungen. Einige Medizinalhanf-Hersteller werden auch Freizeitcannabis produzieren, manche CBD-Unternehmen bringen auch Hanf-Lebensmittel auf den Markt, und ein Landwirt für Faserhanf wird womöglich gleichermaßen für die Papierherstellung und für Textilien anbauen. Unwahrscheinlich ist aber, dass viele Hanfbauern künftig auch ins Geschäft für potentes Cannabis einsteigen werden. Die Größenordnungen, aber auch die Anforderungen unterscheiden sich grundlegend. Der gegenwärtige Bundesminister für Landwirtschaft, Cem Özdemir von den Grünen, hatte im Kontext eines Gesprächs über die Legalisierung gesagt, die Hanfbauern wären bereit und würden das Geschäft mit legalem Cannabis erwarten. Dem ist ganz bestimmt nicht so, denn der Anbaubetrieb für Nutzhanf verfügt nicht über die Infrastruktur oder das Knowhow um Pflanzen für einen maximalen Ertrag von THC-reichen Blüten zu züchten. Man muss ohnehin davon ausgehen, dass das Cannabis, das schließlich im Fachgeschäft gekauft werden kann, eher Indoor oder zumindest im Gewächshaus angebaut werden wird. Die Infrastruktur und die Expertise der Landwirte sind außerdem auf den Anbau in anderen Maßstäben ausgelegt. Sowohl die Anbauflächen als auch die Geräte und Technologien bearbeiten andere Dimensionen der Hanfkultivierung.

Nutzhanf schlägt THC- Cannabis als Zukunftsgeschäft

Man muss gewiss nicht lange überlegen, um festzustellen, dass die Nutzhanfindustrie der größte der Geschäftsbereiche rund um die Hanfpflanze ist, und so wird das wohl auch in Zukunft bleiben. So viele Branchen können mit Hanf als Rohstoff arbeiten und allein schon Umwelt- und Klimaschutz sind zwingende Gründe, eine solche Entwicklung zu unterstützen, ja sogar zu forcieren. Während Medizinalhanf und Cannabis als Genussmittel Märkte bedienen, die nur für einen bestimmten Teil der Bevölkerung relevant sind, wird der Industriehanf so breit in allen Lebensbereichen eingesetzt werden, dass beinahe jeder Berührungspunkte damit haben wird – vielleicht im Haus, im Auto, vielleicht in der Kleidung, im Essen oder auch im Körper. Industriehanf ist ein Zukunftsrohstoff, der beim verantwortungsvollen und nachhaltigen Umgang mit der Umwelt eine große Rolle spielen kann. Insofern ist jedem zu raten, Hanfprodukte, vor allem, falls sie in der eigenen Region erzeugt werden, auszuprobieren und bei Gefallen zu nutzen, um das Wachstum der Branche zu fördern und zu beschleunigen.

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