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Mehr Narkosemittel wegen Cannabiskonsum?

Text: Dieter Klaus Glasmann

Wechselwirkungen zwischen Cannabis und Anästhesie vor chirurgischen Eingriffen

Wer sich bereits einmal einem chirurgischen Eingriff unterziehen musste, der erinnert sich vielleicht noch an ein Vorgespräch über die Operation, in welchem ihre Risiken und Möglichkeiten erörtert werden. Außerdem bekommt man vorab auch einen Fragebogen zum Ausfüllen, in dem man viele Angaben über seine gesundheitliche Verfassung machen muss, über eventuelle Vorerkrankungen, Dauermedikationen und vieles mehr.

Viele Substanzen können die Wirkung von An ästhesie beeinflussen

Vor einer geplanten Operation ist es von entscheidender Bedeutung, dem behandelnden Arzt alle relevanten Informationen bezüglich des eigenen Gesundheitszustands mitzuteilen. Dies schließt auch den Konsum von Medikamenten, Alkohol, Tabak und Drogen mit ein, da all das die Wechselwirkung mit Narkosemitteln beeinflussen kann. Werfen wir hier einmal einen detaillierten Blick auf die komplexen Zusammenhänge zwischen Cannabiskonsum und Anästhesie, und insbesondere auch darauf, warum es wichtig ist, vor einem medizinischen Eingriff ehrlich über den eigenen Konsum zu sprechen.

Wechselwirkung zwischen Cannabis und Narkose?

Die Wirkung von Cannabis ist eine komplexe Angelegenheit, da es sich bei der Pflanze, so wie eigentlich bei allem Lebendigen, um die Ansammlung einer immensen Anzahl verschiedener Substanzen handelt. Durch die langjährige Prohibition bedingt wissen wir heute nicht einmal im Ansatz über die Effekte und Eigenschaften aller einzelnen in Cannabis vorhandenen Moleküle bescheid. Von umfassenden Kenntnissen über die Interaktionen untereinander oder gar über die Wechselwirkung mit anderen Substanzen können wir nur träumen. Dennoch ist bereits bekannt, dass diverse psychoaktive Substanzen in Cannabis die Wirkung von Narkosemitteln beeinflussen können. Über die Art und Weise dieser Wechselwirkungen sind sich Studien nicht ganz einig, doch einiges deutet darauf hin, dass regelmäßiger Cannabiskonsum die Sensibilität gegenüber manchen Anästhesieprodukten verstärken könnte. Da allerdings schon die Wirkung von Cannabis von Faktoren wie der Dosierung, der Art und Häufigkeit des Konsums, oder auch der individuellen Verfassung oder gar von der Tagesform des Nutzers abhängt, wird Ähnliches auch für Wechselwirkungen mit anderen Substanzen gelten.

Eine angepasste Anäthesiepraxis muss erst entwickelt werden

Wie bereits erwähnt, steckt die wissenschaftliche Arbeit mit dieser Thematik noch in den Kinderschuhen, da eine dahin gehende Forschung aus rechtli- chen Gründen nicht nur uninteressant, sondern im besten Fall auch nur schwer durchführbar gewesen wäre. Erst das Cannabis als Medizin Gesetz hat der Wissenschaft an dieser Stelle die Tür ein wenig geöffnet. Für fundierte Schlussfolgerungen sind weit mehr Studien und Untersuchungen notwendig, denn es gilt, Jahrzehnte der Untätigkeit aufzuholen. Die spezifischen Mechanismen von Wechselwirkungen zwischen Cannabis und verschiedenen Anästhetika müssen besser verstanden werden, um eine faktengestützte Anästhesiepraxis für Cannabiskonsumenten und auch für Patienten mit Cannabinoidtherapie zu entwickeln.

Viele Faktoren sind schwer einzuschätzen

Bis eine bessere Datenlage geschaffen ist, gilt es, sich die Risiken bewusst zu machen, die Cannabiskonsum im Zusammenhang mit operativen Eingriffen bergen können. Reaktionen auf Narkosemittel können unvorhergesehen und unberechenbar sein. Weitere Komplikationen oder gesundheitliche Probleme können auftreten. Schon das Rauchen als Anwendung kann die Atemwege reizen und sich so negativ auf die At- mung während und auch nach einer Operation auswirken. Schon eine solche vermeintliche Banalität kann Konsequenzen haben, daher müssen sehr viele Faktoren von Arzt und Patient berücksichtigt werden.

Auch dem Herz-Kreislauf-System muss besondere Aufmerksamkeit entgegengebracht werden, wenn man den Einfluss von Cannabiskonsum auf die Wirkung von Narkosemitteln betrachtet. Wir gehen heute davon aus, dass Cannabis den Blutdruck beeinflussen kann. Bluthochdruck gehört in Deutschland zu einem der häufigsten Gründe für eine Verschiebung operativer Eingriffe. Wie man also sehen kann, sollte eine umfassende präoperative Evaluierung nicht nur die allgemeine Gesundheitsverfassung, sondern auch auf Substanzkonsum und seine möglichen Auswirkungen auf den Effekt der Anästhetika stattfinden.

Die nach wie vor dünne Studienlage in Bezug auf Wechselwirkungen zwischen Cannabis und Narkosemittel ist nicht allein problematisch, wenn es darum geht, die Anästhesie für einen Konsumenten oder Cannabispatienten anzupassen. Wenn zeitnah schrittweise valide Studienresultate gesammelt werden, müssen diese dann auch bis zu den vielen praktizierenden Medizinern durchdringen.

Offene Kommunikation zwischen Patient und Arzt ist geboten

Steht ein Eingriff mit Anästhesie bevor, so ist es unbedingt zu empfehlen, dass mit dem Arzt offen über den Konsum von Cannabis oder anderen Substanzen kommuniziert wird. Die Informationen, die dem Mediziner vor der Operation vorliegen, können über eine optimal angepasste Anästhesie und auch über den erfolgreichen Verlauf der Behandlung entscheiden. Nur mit der Kenntnis aller relevanten Details kann die bestmögliche Behandlung und damit auch die maximale Sicherheit des Patienten gewährleistet werden.

Vor dem Hintergrund der Illegalität ist der freizeitliche Umgang mit Cannabis zwar nach wie vor mit Stigmata behaftet und so ist nicht auszuschließen, dass der jeweilige behandelnde Mediziner den Konsum und damit auch den Konsumenten verurteilt. Dies sollte den Patienten jedoch nicht davon abhalten, absolut ehrlich zu sein, da dies unter Umständen weitreichende gesundheitliche Folgen haben kann.

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