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Hanf aus Sicht eines Architekten mit dem Schwerpunkt auf die Baubiologie

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Rezepte

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von Nedim Aydogmus | Bautark

Gesundheit ist ein hohes Gut. Ohne die Gesundheit kommt das Leben ins Stocken. Die Lebensqualität nimmt ab und man hat weniger Freude im Alltag. Die gesellschaftlich weit bekannten Ursachen der Krankheiten sind vielfältig, wie zum Beispiel ungesunde Ernährung, mangelnde Bewegung oder innere Unausgeglichenheit. Ein weiterer wichtiger und nicht zu unterschätzender Faktor, welcher alle Menschen betrifft, ist die Baubiologie. Sie ist die ganzheitliche Lehre der Wechselbeziehungen zwischen den Menschen und ihrer gebauten Wohn- und Arbeitsumwelt.

Das erschaffende Umfeld ist die dritte Haut des Menschen, denn der durchschnittliche Mensch einer Industrienation, verbringt etwa 90% des Tages in Innenräumen. Bei 24 Stunden eines vollständigen Tages ergibt sich daraus die Stundenzahl von 21,6 Stunden, was einen beträchtlichen Anteil unserer Lebenszeit ausmacht.

Um so wichtiger ist es, neben anderen wesentlich Faktoren des Alltags, zu wissen, in welchem gebauten Umfeld man sich befindet. Ein falsches Umfeld kann den Menschen auf Dauer krank machen, was die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Sick-Building-Syndrom bezeichnet. Dabei geht es in erster Linie um die Beschaffenheit der Lebensräume. Möbel, Teppiche, Bodenbelag, elektrische Geräte, Belichtung, Behaglichkeit, Wandfarbe und sämtliche Baustoffe, wie z.B. Wärmedämmung oder Außen/-wandaufbau, die beim Bau oder der Sanierung des Gebäudes verwendet wurden. Bei menschenunfreundlichen Materialien können Schadstoffe bzw. Wohngifte, die man nicht zwingend sehen, riechen oder fühlen muss, schleichend in die Raumluft gelangen.

Nutzhanfprodukte leisten bei fachgerechter Ausführung, einen wesentlichen Beitrag zu einem sehr guten und gesunden Raumklima in Innenräumen.

Das Zusammenspiel von Hanf, Lehm, Kalk und Holz führt zu einem gesunden Ergebnis. Aus bauphysikalischer Sicht liegt dies daran, dass diese Materialien hygroskopisch sind, denn sie können das Raumklima hinsichtlich der Raumluftfeuchtigkeit selbstständig regulieren. Für die Behaglichkeit der genutzten Innenräume in einer Wohnung wird eine Raumluftfeuchtigkeit zwischen 40-60% empfohlen. Daher erscheint die Verwendung von natürlichen Materialien in Innenräumen ratsam.

Kleiner Tipp: Schimmelpilze fühlen sich in feuchten und feuchtbleibenden Räumen willkommen.

Neben der Tatsache, dass der Urzeitmensch vermutlich die Höhle als ersten Rückzugsort bevorzugte und erst Hanffasern in eine selbstgebaute erste Hütte aus Naturmaterialien eingezogen sind, bauen wir in der heutigen zivilisierten, postmodernen Epoche, wo der Zugang zu Bildung in der Menschheitsgeschichte vielleicht noch nie so einfach war, zunehmend menschenunfreundliche Bauwerke. Zum Bau konsequent menschenfreundlicher Bauwerke gehört eben nicht nur das Wissen über Bautechnik und Bauphysik, sondern viele Bereiche mehr.

Die Baubiologie ist so zu verstehen, dass man sich nicht primär rückbesinnen sollte oder muss. Ganz im Gegenteil, man sollte Erfahrungen unterschiedlicher Völker und Kulturen aus der Vergangenheit, in die heutigen modernen Prozesse einbinden und damit die gegenwärtige Bausituation im Sinne der Umwelt- und Menschenfreundlichkeit beflügeln.

Zurzeit bestehen im gegenwärtigen Haus- und Gebäudebau vergleichsweise viele Bauelemente aus kunststoffbasierten Baustoffen, wie z.B. Wärmedämmung aus XPS (Extrudiertes-Poly-Styrol). Die Entscheidung diese Baustoffe für das eigene Heim zu wählen liegt daran, dass oft das Argument der Wirtschaftlichkeit seitens Käufer und Verkäufer genannt wird.

Ganzheitlich betrachtet sind allerdings sämtliche kunststoffbasierte Baustoffe unter Betrachtung der langfristigen Wirtschaftlichkeit weder wirklich sinnvoll, noch für den menschlichen Organismus gesund. Das ist wiederum bei den meisten natürlichen Dämmmaterialien wie Nutzhanf anders. Eine Hanfdämmung ist robust, diffusionsoffen, gegenüber möglichen Schädlingen resistent und steht im Verhältnis zu konventionellen und gängigen Wärmedämmwerten nicht im Nachteil. Ganz im Gegenteil, neben der Wärmedämmung bietet sie u.a. auch eine Schalldämmung und ist nach der Nutzungsdauer des Bauwerks ohne große Schwierigkeiten zu recyclen, wobei keinerlei Entsorgungskosten im Sinne von Sondermüll entstehen. Hanfdämmplatten eigenen sich auch gut als Zwischensparrenndämmung beim Dach. Desweiteren kann man auf die Verwendung von Dichtungsfolien bei fachgerechter Ausführung verzichten.

Dichtungsfolien, vornehmlich kunststoffbasiert, setzt man als Schutz vor Witterung ein. Diese haben allerdings im ganzheitlichen Betrachten einen entscheidenden Nachteil in Bezug auf das Raumklima in Innenräumen.

Ganz ohne Dichtung kommt die Konstruktion mit Hanfdämmung allerdings nicht aus, da Fugen zwischen dem Dämmmaterial und der tragenden Konstruktion entstehen können. Diese Zwischenräume können mit einem natürlichen Dichtungsband ausgeglichen werden. Das sogenannte Kalfaterband, welches aus feinen Hanffasern besteht, kann hier flexibel eingesetzt werden. Dieser Kalfaterhanf kommt übrigens in Sanitärinstallationen seit jeher als Dichtungsmaterial zum Einsatz.

Wärmedämmung – Gut oder Wut?

Immer wieder taucht die Debatte um den sogenannten Dämmwahn auf, ob sie nun richtig oder falsch ist. Den Energieverbrauch zu minimieren, um so die Umwelt und den Geldbeutel zu schonen ist richtig und sollte auch weiter prinzipiell verfolgt werden. Dämmung an der Fassade anzubringen ist im Prinzip unter dem Aspekt der Energieeinsparung fast immer sinnvoll. Das ist jedoch immer individuell zu betrachten, da jedes Bauwerk in der Konstellation verschiedenster Materialien und Konstruktionen ein Unikat ist. Die bestehende Bausubstanz und die konkrete, detaillierte Konstruktion der Außenwand sind immer entscheidend und so ist die Pauschalisierung, dass Wärmedämmung gut sei, mit Skepsis zu betrachten.

An dieser Stelle sollte diese Entscheidung aus ganzheitlicher Sicht, so wie es die Baubiologie macht, sorgfältig analysiert werden.

Ein Teilbereich der Ganzheitlichkeit wäre beispielsweise das Innenraumklima eines hochgedämmten Hauses. dicht eingepackt und nicht atmend, was man im Volksmund so bezeichnen würde. Häuser brauchen eine gewisse Zirkulation und Luftbewegung in Innenräumen. Stagnation führt zur physischen und psychischen Trägheit und gibt Möglichkeit zur Schaffung einer menschenunfreundlichen Wohnumgebung, welche wiederum die Lebensqualität negativ beeinflussen kann.

Schalldämmung und Lärm

In Räumen soll man sich wohlfühlen, um sich zu regenerieren, konzentrieren und ungestört arbeiten zu können. Ob der Raum in Anbetracht des Schallpegels angenehm ruhig oder zu laut ist, ist also Voraussetzung für ein gesundes Umfeld. Ungewollten Lärm in Form von Tritt-, oder Luftschall gilt es also möglichst zu mindern. Wandkonstruktionen sind dabei genauso entscheidend, wie Deckenaufbauten, denn in diesen Bereichen entsteht innerhalb des Gebäudes, durch den Menschen oder Geräte am meisten Schallübertragung. Auch in diesem sensiblen Bereich ist Nutzhanf vielseitig einsetzbar. Wände können durch Hanffasern gedämmt werden, die in das Ständerwerk oder Gefache eingearbeitet werden. Die Oberfläche wird anschließend durch die Kombination von Lehm und Hanf verputzt. Darüberhinaus gibt es für die Außenwände Hanf-Lehm Bausteine, die zwar nur selbsttragend sind, dafür aber diffusionsfähig und somit wesentlich zum gesunden Raumklima beitragen.

Für Deckenbereiche (Boden) werden je nach Konstruktionsart und Anspruch unterschiedliche Materialien angeboten. Zerkleinerte Hanffasern, die mit Lehm verarbeitet wurden, können auf die tragende Decke aufgetragen werden. Diese müssen gleichmäßig aufgebracht und im Nachhinein verdichtet werden, damit sich keine ungewollten Poren entwickeln. Diese Methode braucht viel Erfahrung und Geschick, besitzt aber im Anschluss eine dementsprechende handwerkliche Qualität, welche die Baubiologie ausdrücklich wünscht.

Ausblick und Maßnahmen

Die Baubranche trägt einen wesentlichen Anteil der Verantwortung des Klimawandels und der daraus prognostizierten Folgen, aber auch was die Gesundheit vieler Menschen angeht, die darauf vertrauen, dass gewissenhaft gebaut wurde. Gleiches gilt für die verwendendeten Ressourcen der Baustoffe, welche nicht aus Krisengebieten importiert und verarbeitet werden dürfen. Neben der Agrarwende ist die sachliche, kreativ dargestellte, gesellschaftliche, nicht überfordernde, Aufklärung notwendig. Dazu kann jede Person aktiv beitragen.

Nachhaltig wachsende Rohstoffe sollten strukturell, aber intelligent unterstützt werden. Weitere seriöse Kampagnen, den Hanf aus der Schmuddelecke rauszuholen sind dringend notwendig. Gezielte Kampagnen, die die Landwirte, Handwerker, Kreative, Ärzte, Umweltmediziner, Investoren, Ingenieure, Biologen und Architekten miteinbeziehen.

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