MAGAZIN 01 - 2019
Stirb mit mir Uraufführung: „Gehen oder Der zweite April“ Wer bin ich? Franziska Melzer in „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“ Drama hinterm Deich Guido Lambrecht ist „Der Schimmelreiter“ Rita Feldmeier und Joachim Berger in „Gehen oder Der zweite April“
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EDITORIAL Verehrtes Publikum,
Besonders berührt hat mich der erstmalige Besuch
am 25. November gedachten wir mit einer Matinee des 85. Todestages von Hans Otto: Schauspieler, Kommunist und seit 1952 Namensgeber unseres Theaters. Hans Otto, geboren am 10. August 1900 in Dresden, hätte nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten die Möglichkeit gehabt, ins Ausland zu emigrieren. Er aber entschied sich, zu bleiben und im Untergrund zu kämpfen. Am 24. November 1933 verstarb er an den Verletzungen, die ihm in den vielen Verhören der SA zugefügt worden waren. Hans Ottos Haltung mahnt und verpflichtet uns, verfolgte Künstler*innen der Gegenwart zu würdigen, sozusagen die „Hans Ottos von heute“. Und so wurden Gedichte und Essays von Dichter*innen aus Bettina Jahnke, Intendantin
China, Tunesien, der Türkei und Syrien vorgetragen.
der Angehörigen von Hans Otto: Seine Nichte und ihre Tochter Kristin waren aus Grimma angereist, und aus Berlin kam der Sohn der Nichte, Friedrich-Herbert Axnick, mit Ehefrau und Tochter. Sie waren beeindruckt von unserem Gedenken und ermutigten uns, das Vermächtnis von Hans Otto weiterhin zu pflegen und ins Heute zu holen. Auch auf unsere Werbekampagne mit seinem Namen reagierten sie positiv, weil es ihn lebendig hält und ihn als einen von uns heute zeigt. Vor zwei Tagen bin ich mal wieder in der Nacht mit dem Taxi vom Theater nach Hause gefahren, und wie immer kam ich mit dem Fahrer ins Gespräch. Was ich denn am Theater mache, fragte der etwa 60-Jährige. „Ah, Intendantin. Die Neue also. Die Plakate mit Hans Otto gefallen mir. Viel Erfolg weiterhin.“
Das Vermächtnis Hans Ottos wurde nahbar und lebendig. Die Lesung zeigte, wie schwer es zu jeder
In diesem Sinne grüße ich Sie herzlich und
Zeit ist, Widerstand zu leisten und eine Entscheidung
wünsche Ihnen ein gutes 2019!
zu treffen: gehen oder bleiben.
Bettina Jahnke
„Der Tod ist nichts Abwegiges“ In seinem Stück Gehen oder Der zweite April erzählt der Schweizer Autor Jean-Michel Räber vom Wunsch eines Paares, sich gemeinsam das Leben zu nehmen. Ein Gespräch mit den Schauspieler*innen Laura Maria Hänsel, Arne Lenk und Katja Zinsmeister über Liebesentzug, Mut und Selbstbestimmung In „Gehen oder Der zweite April“ werden drei erwachsene Geschwister
Das Thema Sterbehilfe wird seit einigen Jahren im deutschsprachigen
mit dem Entschluss ihrer Eltern konfrontiert, gemeinsam aus dem Le-
Raum kontrovers diskutiert. Musstet ihr euch schon mal damit aus-
ben gehen zu wollen. Ihr spielt diese drei Kinder. Was habt ihr gedacht,
einandersetzen?
als dieser Stoff an euch herangetragen wurde?
Hänsel: Mit dem Tod, ja. Aber damit, es selbst tun zu wollen, um das
Arne Lenk: Dass es ein wichtiges Thema ist, das ich so noch nicht im
Leiden zu verringern, zum Glück nicht.
Theater gesehen habe.
Lenk: Noch nicht direkt. Aber seit ich mich mit dem Stück beschäftige,
Laura Maria Hänsel: Ich war offen und mir zugleich nicht wirklich
denke ich viel daran, was wohl in zehn, 15 Jahren sein wird.
bewusst, was auf mich zukommt.
Hänsel: Mit den eigenen Eltern?
Katja Zinsmeister: Zuerst hab ich auch gedacht: spannend, tolles
Lenk: Ja, wer weiß, ob einer dann auch auf so eine Idee kommt?
Thema. Als ich es dann las, ging mir das sehr nahe. Da hab ich mir
Zinsmeister: In der eigenen Familie habe ich das noch nicht erlebt,
gesagt, jetzt muss ich mich mal damit auseinandersetzen!
aber im Bekanntenkreis schon. Die Situation war allerdings eine andere als im Stück, wo ja noch beide gesund sind. In dem Fall, den ich mitbe-
Ihr seid mitten in den Proben. Wie geht es euch dabei?
kommen habe, ging es wirklich darum, das Leiden zu verkürzen.
Zinsmeister: Es ist toll, dass wir eine unglaublich leichte Arbeitsatmo-
Hänsel: Aber auch dieses Stück beruht ja auf einem realen Fall. Es gibt
sphäre haben – positiv, schön und lustig. Die hilft, das zu spielen und
einen Artikel im Magazin der Süddeutschen Zeitung darüber, der hat
einen Weg zu suchen, damit es spannend wird auf der Bühne.
mich nochmal ganz anders vom Pferd geholt.
Hänsel: Und es wird ja auch abseits dieses Selbstmordes vieles verhandelt, was die Familie angeht. Das nimmt viel Raum ein, bevor es ans
Wie bringt man so ein Thema auf die Bühne?
Eingemachte geht.
Zinsmeister: Es gibt einen super Kniff der Regie – die Enkelin. Im Stück
Lenk: Man kann sich diese Situation gut vorstellen. Weil das jedem
ist es die Tochter meiner Figur. Sie ist sechs Jahre alt. Bei uns ist es ein
von uns passieren kann, unabhängig davon, ob man mit den
Mädchen in der Pubertät, das die Geschichte rückblickend erzählt.
eigenen Eltern schon mal über so ein Thema geredet hat. Tod, Familie –
Sie nimmt quasi den Zuschauer an die Hand und führt ihn durch ihre
das ist ja nichts völlig Abwegiges. Auch dieser freiwillige Tod nicht.
Erinnerung. Dadurch eröffnen sich uns verschiedene Ebenen: Fantasie, Erinnerung, Realität. Das hebt alles nochmal auf ein anderes Level.
INTERVIEW
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„Man kann sich diese Situation gut vorstellen. Weil das jedem von uns passieren kann.“
„Eine ganz moderne Frage“: Rita Feldmeier und Joachim Berger als Lore und Arno in „Gehen oder Der zweite April“ Lenk: Die Bühne ist nicht naturalistisch, sondern ein poetischer Raum.
Das Stück handelt auch von der Selbstbestimmung des Menschen.
Das eröffnet schöne Möglichkeiten des Spiels. Dass dieses Sterben-
Lore und Arno wollen selbst entscheiden, wann und wie sie „gehen“.
wollen von einer jungen Frau erzählt wird, die das wiederum als kleines
Warum lassen die Kinder sie eigentlich nicht?
Mädchen erlebt hat, finde ich sehr einleuchtend.
Zinsmeister: Ich finde das sehr schwierig.
Zinsmeister: Da verschiebt sich Zeit. Ganz große Themen werden da
Lenk: Es ist die Abwägung der Verantwortung, die man seinen Kindern und
aufgemacht.
Enkeln gegenüber hat, im Verhältnis zu dieser Selbstbestimmung. Es ist
Hänsel: Alles, was die reale Situation von den Figuren ablöst und sie in
ein Prozess, der miteinander stattfinden muss. Die Eltern versuchen es ja …
etwas Überzeitliches verwandelt, verstärkt das Poetische. Das finde ich
Zinsmeister: … sich zu erklären? Den Entschluss haben sie schon gefasst.
gleichzeitig erleichternd und erweiternd.
Lenk: Aber sie hoffen auf Verständnis – und auf einen Weg, den sie mit der Familie gemeinsam gehen können. Das scheitert natürlich.
Jan, Anna und Jule reagieren sehr unterschiedlich auf die Mitteilung
Zinsmeister: Meine Figur, Anna, lehnt das ja am kategorischsten ab. Ich
ihrer Eltern – von aggressiv bis verständnisvoll. Allen gemeinsam ist
dachte lange, dass mir das zu eindimensional ist. Inzwischen geht mir
eine Art Fluchtimpuls: Sie wollen der Wahrheit nicht ins Gesicht sehen
das nicht mehr so. Das rührt von einer großen Verletzung her, dass die
und verlassen immer wieder den Raum; ein wirkliches Gespräch findet
Eltern, vor allem die gesunde Mutter, sie verlassen – bei vollem Bewusst-
lange nicht statt. Man fragt sich: Was läuft schief in dieser Familie?
sein. Das ist eine ganz große Kränkung. Daraus entsteht diese Überfor-
Lenk: Einerseits läuft da etwas schief, es gibt viele Konflikte. Anderer-
derung, diese Reaktion zu sagen: Okay, dann breche ich das jetzt hier ab.
seits ist es eine ganz normale Familie …
Lenk: Die Kinder haben einfach das Gefühl, dass das eine Art von Lie-
Zinsmeister: … mit vielen Verletzungen und unter den Teppich gekehr-
besentzug ist.
ten Themen, aber auch mit viel Liebe und Humor. Letztlich steht die Frage im Raum, was egoistischer ist – zu gehen oder Es wird sehr darauf ankommen, wie ihr das spielen werdet.
jemanden zum Bleiben zu zwingen?
Lenk: Genau. Man könnte auch die absolute Alptraumfamilie draus machen.
Zinsmeister: Das kommt ja immer auf die Situation an!
Hänsel: Die Ankündigung der Eltern wirkt wie ein Nadelöhr auf die Fami-
Lenk: Aber es sind Fragen, die das Stück aufwirft. Deshalb finde ich das
lienmitglieder. Sie werden zueinander gezwungen. Konflikte, die vorher
Thema auch so interessant für die Bühne. Ich hab mir auch folgende
weltbewegend waren, geraten angesichts dieser Entscheidung in den
Frage gestellt: Wenn man ganz unkritisch sagen würde, jeder kann das
Hintergrund.
machen, wann immer er will – würde das nicht in der Gegenrichtung
Lenk: Jede Figur macht natürlich auch eine Entwicklung durch. Teilwei-
die Gefahr bergen, dass es jemand tut, um anderen nicht länger zur
se dreht sich das um 180 Grad.
Last zu fallen? Und dann stelle ich mir auch eine Familie vor, in der es
4 heißt: Du kostest viel Geld, wir müssen dich dauernd pflegen – warum
Was macht Mut in diesem Stück?
tust du es nicht einfach? Das ist die Schattenseite.
Zinsmeister: Die Enkelin.
Hänsel: Es ist ja auch eine Frage, die sich neu stellt! „Warum lässt
Lenk: Ja, stimmt. Sie vermittelt zwischen den beiden „Konfliktparteien“,
man sie nicht einfach gehen?“ Das war ja bisher nicht Usus in unserer
den Eltern und den Kindern.
Gesellschaft, das gibt es ja erst seit einem Jahrzehnt. Weil das Leben
Zinsmeister: Sie ist die Empathische, die das Verständnis füreinander
immer mehr verlängert wird, die Medizin immer potenter wird und man,
fördert.
statt mit 60 zu sterben, auf einmal mit 85 immer noch um den See lau-
Hänsel: Ach, ich finde, das ist gar kein Stück, an dem einem der Mut
fen kann. Oder eben nicht mehr und sich dann diese Frage aufdrängt:
gebricht. Natürlich ist das Thema traurig. Es ist der Versuch einer Aus-
Mach ich’s selbst, bevor es qualvoll wird? Das ist eine ganz moderne
einandersetzung damit – und die ist per se mutig. Es ist der Versuch, et-
Frage, zu der ich noch überhaupt keine Haltung habe.
was in poetischer Form zur Sprache zu bringen. Ich würde da alle Angst
Lenk: Ich finde es einerseits total schwer mir vorzustellen, wie es wäre,
nehmen wollen, dass man das nicht aushält.
wenn mir das mit meinen Eltern passieren würde. Andererseits kann ich Interview: Björn Achenbach
mir vorstellen, dass es für viele Menschen auch ein Trost sein und ihnen die Angst vor einem würdelosen Lebensende nehmen kann. Allein, diese Option zu haben. Hänsel: Es hat auch mit dem Rückzug der Religion zu tun. Wenn ich an das Deutschland denke, in dem ich groß geworden bin – das war in Westdeutschland –, dann läuteten allerorten die Kirchenglocken, es wurden Tischgebete gesprochen. Selbstmord war Sünde! Man kam dafür in die Hölle, vereinfacht ausgedrückt. Das ist vorbei. Statt dessen gibt es heute ganz vielfältige Sichtweisen auf das Leben, Yoga, Medi-
URAUFFÜHRUNG 18-JAN / 19:30 UHR GROSSES HAUS Weitere Vorstellungen:
tation, das Rad des Lebens und alles-kehrt-wieder. Weil das alles ver-
24-JAN, 19:30 Uhr / 27-JAN, 17 Uhr / 2-FEB / 23-FEB, jeweils 19:30 Uhr
schwimmt, sind auf einmal solche Überlegungen möglich.
Karten: 0331 9811-8 oder hansottotheater.de
„Eine Bühne für alle“ Was ist eigentlich eine Bürgerbühne? Eine Umfrage in Potsdam Am 27. Januar wird die Bürgerbühne des Hans Otto Theaters eröffnet.
„Eine Bühne für alle. Der Background ist egal. Ein Ort, an
Ziel ist es, einen Ort aktiver Teilhabe zu schaffen. Es soll um die Ausei-
den man gern kommt, sich ausprobiert und über sich
nandersetzung mit der Stadt, unserer Gesellschaft, Europa und einer
hinauswachsen kann. Wo man von der Vielfalt profitiert.
globalisierten Welt gehen. Inszenierungen, Theaterprojekte und offene
Gehört werden. Gesehen werden. Auf Augenhöhe.“ Fe (22), Studentin
Formate stehen auf dem Spielplan. Wir fragten Potsdamer*innen: Eine Bürgerbühne – was ist das? Worum sollte es gehen?
„Die Leute aus der Konsumhaltung rausholen. Selbst „Eine Bürgerbühne sollte offen sein für alle Theaterinteressierten aus der Stadt und um die Stadt herum. Sie könnte Menschen zusammenbringen, Kreativität, Mut, und Selbstvertrauen fördern, Freude bringen und positiv zur sinnvollen Freizeitgestaltung beitragen.“ Andrea (49), Inhaberin einer Fleischerei „Eine Bürgerbühne ist für mich ein geschützter Raum, wo die Menschen sich mit ihren verschiedenen Perspektiven auseinandersetzen können, unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit und ihrer Hautfarbe von Herzen sprechen und von Herzen zuhören.“ Kamal (39), Erzieher „Ich finde die Idee in der Theorie gut. Sofern man es schafft, Bürger aus unterschiedlichen Milieus und mit unterschiedlichen Meinungsbildern zusammen zu bringen, kann ich mir durchaus vorstellen, dass solche Projekte auch einen gesellschaftlichen Mehrwert erzeugen.“ Lukas (34), Angestellter
tätig werden! Stadtpolitische Themen verhandeln, die wirklich interessieren. Auf Spielfreude und Kreativität setzen – den Bürgern etwas zutrauen! Den Fokus nicht verlieren, damit der Austausch nicht in allgemeinem Gebrabbel über den eigenen kleinen Kosmos endet.“ Dörte (82), Historikerin „Ein Ort der Zusammenkunft, des Austauschs und des Vorstellens. Hier geht es um jeden Einzelnen und alle zusammen. Um Weltbewegendes und Belangloses. Es geht um das Leben an sich.“ Adrian (16), Schüler
BÜRGERFRÜHSTÜCK 27-JAN / 11 UHR GLASFOYER GROSSES HAUS EINTRITT FREI
Anmeldung unter 0331 9811-8 oder kasse@hansottotheater.de
5 „… aber süß war es doch“ Schillers Kabale und Liebe gilt als das berühmteste bürgerliche Trauerspiel der deutschen Literatur. Nun kommt es auf die Bühne des Hans Otto Theaters. Drei Liebesgedichte zur Einstimmung Eines der Haupthemen der Weltliteratur, über Generationen- und Län-
Musikertochter Luise Miller und dem Adelssohn Ferdinand von Walter
dergrenzen hinweg: die Liebe, beziehungsweise die Intrigen, die sie un-
zu scheitern droht. Doch schaffen es beide, sich den Intrigen ihres Um-
möglich machen. Nichts fasziniert die Menschen seit Jahrhunderten so
felds zu entziehen?
sehr, egal in welchen politischen Systemen oder sozialen Umständen sie leben: Liebe soll verbinden, so der romantische Wunsch. Doch die
Friedrich Schiller schrieb „Kabale und Liebe“ 1784, zu Zeiten des
Realität sieht vielfach anders aus. Und so lautet der zentrale Satz des
Sturm und Drang. Das Stück zeigt – heute ebenso aktuell – den Glau-
berühmtesten bürgerlichen Trauerspiels der deutschen Literatur: „Ich
ben an die Überwindung scheinbar unüberwindbarer Grenzen, an
fürchte nichts – als die Grenzen deiner Liebe“.
die (Schwierigkeiten der) Liebe und an ein selbstbestimmtes Leben.
Eigentlich könnte alles so einfach sein: Luise liebt Ferdinand. Ferdinand liebt Luise. Jedoch zeigt schon der Titel, dass es hier nicht allein um die Liebe gehen kann. Kabale, ein älterer Begriff für Intrige, zielt auf die Konflikte, an denen die junge Beziehung zwischen der bürgerlichen
Ode
(Ausschnitt)
Nur die Lieb', die ewig Schöne Streckt ihr Haupt den Sternen zu; Unstet kreisen Welt und Zeiten – Sie geneußt und spendet Ruh! Sieh – es sinkt die alte Welt mir Vor des Geistes kühnem Lauf; Rosig strahlt mir eine neue – Eine Welt der Liebe auf!
Joseph von Eichendorff
Liebe
„Det schönste an die Liebe is die Liebe selber.“ „Viel, fast alles auf der Welt war zu befriedigen, beinahe jede Sehnsucht war zu erfüllen – nur diese nicht. Was war, von oben betrachtet, ein Liebender? – ein Narr.“
Kurt Tucholsky
PREMIERE 8-FEB / 19:30 UHR GROSSES HAUS
Weitere Vorstellungen: 14-FEB / 16-FEB, jeweils 19:30 Uhr Karten: 0331 9811-8 oder hansottotheater.de
Ich glaub’, lieber Schatz ...
Unter den blühenden Linden Weißt du‘s noch? Wir konnten das Ende nicht finden, Erst küßtest du mich, Und dann küßte ich dich Ich glaub‘, lieber Schatz, es war Sünde, Aber süß, aber süß war es doch! Der Vater rief durch den Garten Weißt du‘s noch? Wir schwiegen ... der Vater kann warten! Erst küßtest du mich, Und dann küßte ich dich: Ich glaub‘, lieber Schatz, es war Sünde, Aber süß, aber süß war es doch. Anna Ritter
6 „Das Tier in ihr“ Fräulein Smillas Gespür für Schnee ist ein Krimi, aber auch die Geschichte einer Suche nach Wahrheit und dem eigenen Ich. Franziska Melzer verkörpert die Titelheldin. Franziska Melzer hat gerade gut zu tun: Sie steht in „paradies spielen“ und „Occident Express“ auf der Bühne, neuerdings auch im Musical „Rio Reiser. König von Deutschland“, in dem sie den Part einer Kollegin übernahm. „Für mich ist diese neue Spielzeit schon sehr voll“, sagt die Schauspielerin. Und nun wartet sogar eine Titelrolle auf sie: Mitte Januar beginnen die Proben zu „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“. Viermal täglich fährt die zweifache Mutter zwischen Potsdam und Berlin hin und her – hier das Theater, dort die Familie. Doch das Pensum macht ihr nichts aus, im Gegenteil: „Ich mag mein Leben“, sagt sie gelassen. Sicher, es bleibe manchmal wenig Zeit für sie selbst, aber sie arbeite nun einmal gern. „Gern auch viel.“ Erst vor einem Jahr ist sie aus der Babypause zurückgekehrt. Sie gehörte von Anfang an zum Ensemble von Tobias Wellemeyer; nun wollte sie auch beim Abschied dabei sein. Die neue Intendantin Bettina Jahnke hat Franziska Melzer übernommen. „Es war ein wunderbares, anregendes Gespräch“, erinnert sie sich an die erste Begegnung. Der Wechsel wurde ihr leichtgemacht: „Ich fühle mich wertgeschätzt und ernstgenommen.“ Besonders in den Proben zu „paradies spielen“ sei zu spüren gewesen, wie das Ensemble tagtäglich zusammenwachse. „Die Frage alt oder neu stellt sich gar nicht.“ Dass sie nun die Smilla spielen darf, freut sie sehr. Als sie davon erfuhr, konnte sie es zuerst kaum glauben. „Woher wissen die, dass ich das spielen muss?“, schoss es ihr durch den Kopf. Smilla Jaspersen, die Heldin von Peter Høegs 1992 erschienenem Roman, ist eine junge Wissenschaftlerin, die zur Minderheit der Inuit gehört und sich fremd fühlt in Dänemark. Vor allem aber ist sie eine charakterstarke Frau, eine zähe, unbeirrbare Kämpferin. Ihr angeborenes „Gespür für Schnee“ bringt sie einem Verbrechen auf die Spur, das vertuscht werden soll. Doch Smilla lässt sich weder täuschen noch abschütteln. Jesaja, der Nachbarsjunge, der vom Dach gestürzt ist, war ihr bester Freund. Franziska Melzer ist fasziniert von dieser Figur. Sie sieht in Smilla eine moderne Großstädterin, aber auch eine Fremde in der Gesellschaft. Sie will eins sein mit der Natur, vermag es aber nicht. „Der Roman“, sagt
„Woher wissen die, dass ich das spielen muss?“ –
Melzer, „stellt die Frage: Wer bin ich?“ Smilla ist ein Kind der Arktis, und
Franziska Melzer als Smilla
„dieses Tier, dieser Urmensch in ihr, bricht sich plötzlich Bahn“. Ihr Ringen um die Wahrheit wird zu einem brutalen Überlebenskampf.
Für die Zeit nach „Fräulein Smilla“ wünscht sie sich vor allem eines: „Ich möchte mehr Musik machen.“ Denn das Potsdamer Publikum kennt und
Wie sie das wohl spielen wird? Auf der Bühne ist der behenden, ener-
schätzt auch diese Seite von Franziska Melzer. Sie werde oft darauf
getischen Darstellerin eine besondere Intensität eigen. Sie leuchtet
angesprochen, wann sie wieder singe, erzählt sie. Wer weiß, vielleicht ja
einfach, von innen heraus, und verfügt über eine bestechende Präsenz.
schon bald beim „Boxenstopp“, der Open Stage in der Reithalle Box?
Vielleicht hängt das mit ihrem Faible für Verwandlungen zusammen. Björn Achenbach
Sie findet es aufregend, im Spiel sie selbst zu sein und sich im selben Moment zu verwandeln. Dann fühlt sie sich „ganz“, „von Sinnhaftigkeit durchdrungen“. Doch erstmal liegen jetzt fünf Wochen harter Arbeit vor ihr, ihrem Schauspielerkollegen Jan Hallmann, der alle übrigen Rollen übernimmt, und der Regisseurin Caro Thum.
PREMIERE 22-FEB / 19:30 UHR REITHALLE
Weitere Vorstellungen: 23-FEB, 19:30 Uhr / 3-MÄRZ, 17 Uhr Karten: 0331 9811-8 oder hansottotheater.de
7 Der Spielwütige Theodor Storms Novelle Der Schimmelreiter erzählt von Kühnheit, Angst und Aberglaube. Guido Lambrecht spielt den Deichgrafen Hauke Haien. Guido Lambrecht ist neuerdings nah am Wasser gebaut. Seit es ihn im
stur-schweigsamen Nordfriesen – er ist gesellig, ein guter Erzähler und
Sommer mit der Familie nach Potsdam verschlug, begleitet ihn das feuch-
der Mittelpunkt jeder Tischrunde. Aber dieses Flackern in den Augen,
te Element auf Schritt und Tritt: Seine Wohnung liegt nah am Heiligen
das unterschwellig Fiebrige, Fanatische seines Helden kann man sich
See, sein Arbeitsplatz, das Hans Otto Theater, grenzt direkt an den Tiefen
bei ihm ebenso vorstellen. Als Schauspieler liebt er die Extreme, Lam-
See, und wenn er in Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“ die Szene
brecht kommt sehr über das Körperliche. „Zielorientiert und besessen“,
betritt: Wasser, nichts als Wasser – denn in der Inszenierung von Malte
so empfindet er diesen Hauke Haien, wenig empathisch und arrogant.
Kreutzfeldt ist die Bühne komplett geflutet. Er spielt darin den Flieger
„Da würde ich gern suchen in der Figur“, sagt er nachdenklich, „was ist
Yang Sun und lässt die Figur schillern zwischen Lebensüberdruss, Zart-
das?“ Er hat ein Krankheitsbild vor Augen, das Asperger-Syndrom, eine
heit und herrischer Gier. Aber er holt sich jedes Mal nasse Füße dabei.
angeborene Kommunikationsstörung. Ihn beschleicht die Ahnung: „Das muss man sehr straight spielen.“
Da verwundert es eigentlich kaum noch, dass bei seiner nächsten Potsdamer Arbeit die Wellen so richtig hoch schlagen. In diesen Tagen
Der Deich als Lebensraum ist ihm nicht fremd, mit dem Hochwasser
beginnen die Proben zu „Der Schimmelreiter“, Theodor Storms Novelle
verbindet er sogar persönliche Erinnerungen. Seine Großeltern lebten
über den Deichgrafen Hauke Haien, der sein Dorf vor dem Hochwasser
in einem Haus bei Dessau, dort, wo Elbe und Mulde zusammenfließen;
schützen will und am Ende doch mitsamt seiner Familie in den Fluten
manchmal stand das Wasser drei, vier Meter hoch am Wall. Als junger
der Nordsee versinkt. Lambrecht wird die Titelfigur spielen. Er fand die
Mann jobbte er eine Zeitlang in einer Bar auf der Nordseeinsel Spieker-
Rolle „sofort klasse“; nun brennt er darauf, sie zu erkunden und mit
oog, auch dort war oft Alarm hinterm Deich. Die Mentalität der Insula-
all seiner Energie und Spielfreude auszufüllen. Dabei wirkt der ge-
ner glaubt er seither zu kennen: „Dadurch kann ich viele Bilder innerlich
bürtige Dessauer auf den ersten Blick eher wie das Gegenteil dieses
übersetzen und mir die Menschen vorstellen.“ Nun ist er gespannt, worauf die junge Regisseurin Katrin Plötner im Probenprozess den Fokus richten wird. Die gängige Lesart „Mensch vs. Natur“, soviel lässt sie durchblicken, ist es nur am Rande. Plötner interessiert sich mehr für den Konflikt zwischen Aufklärung und Aberglaube, der bei Storm eigentümlich mit dem christlichen Glauben vermischt ist und im „Schimmelreiter“ eine düstere Endzeitstimmung gebiert. Hier verläuft sichtbar auch die Schnittstelle zu unserer angstbesetzten Gegenwart. „Der Mensch geht grausam mit dem Menschen um. Ich glaube, dass der Deich deshalb bricht.“ Als Katrin Plötner diese Sätze sagt, sind es noch vier Monate bis zur Premiere. Man darf gespannt sein, wie das neunköpfige Ensemble um Guido Lambrecht ihre Fassung auf der Bühne zum Leben erweckt. Björn Achenbach
PREMIERE 1-MÄRZ / 19:30 UHR GROSSES HAUS
Weitere Vorstellungen: 15-MÄRZ / 6-APR / 13-APR / 14-APR / 5-MAI Der Vorverkauf für März startet am 1. Februar!
Guido Lambrecht wurde 1968 in Dessau geboren und hat in Leipzig Schauspiel studiert. Dort war er zweimal fest engagiert, von 1991 bis 1996 und dann nochmal von 2008 bis 2013, außerdem am Deutschen Schauspielhaus Hamburg und zuletzt am Schauspiel Köln. Prägende Zusammenarbeit mit den Regisseuren Pierre-Walter Politz, Sebastian Hartmann und Armin Petras. Regelmäßig unternimmt er Ausflüge in Kino und Fernsehen. Seit der Spielzeit 2018/19 gehört er zum Ensemble des Hans Otto Theaters. Energie und Spielfreude: Guido Lambrecht als Hauke Haien
8 Der Bär will mehr Mirjam Schollmeyer ist Puppenspielerin. Im Kinderstück Krähe und Bär oder Die Sonne scheint für uns alle agiert sie sowohl mit Masken als auch mit Figuren – und erweckt sogar Nahrungsmittel zum Leben. Ganz ähnlich geht Mirjam Schollmeyer auch beim Spiel mit Figuren vor. Bei manchen Puppen ist es Liebe auf den ersten Blick. Dann fällt ihr sofort ein, was für ein Wesen die Puppe sein könnte, wie sie sprechen und sich bewegen könnte. Puppenspiel ist ein stark körperlicher Vorgang. Ein Aspekt dabei ist, Bewegungen von Menschen oder Tieren genau zu beobachten und die charakteristischen Momente zu erfassen. Wenn sie dann auf die Puppe übertragen werden, erhalten die Bewegungen einen kleinen Impuls – einen Spielakzent – und werden so für die Zuschauer*innen klarer erkennbar. Die Puppe wirkt dann wie ein belebtes Wesen mit konkreten Charakterzügen, weil die Zuschauer*innen das Gesehene durch ihre eigenen inneren Bilder vervollständigen. Die Puppenspielkunst hält zahllose MöglichEin neuer Blick auf die Welt: Puppenspielerin Mirjam Schollmeyer bei der Arbeit
keiten und Gestaltungsformen bereit. Die Spieler*innen können
„Ich könnte hier ein Teeservice aufbauen. Und die Tassen könnten an-
auch selbst aktiv in Erscheinung treten und zum Beispiel einen Dialog
fangen zu sprechen. Es könnte eine aufgeregte Tasse geben. Und eine
mit ihrer Puppe beginnen.
freche Tasse. Die hieße dann vielleicht Susi.“ Sagt Mirjam Schollmeyer, die als Masken- und Puppenspielerin bei „Krähe und Bär“ mitwirkt, dem
So ist Mirjam Schollmeyer auch in „Krähe und Bär“ auf ganz unter-
neuen Kindertheaterstück des Jungen Hans Otto Theaters. Schollmeyer
schiedliche Weise im Einsatz. Als Maskenspielerin verkörpert sie die
kann scheinbar tote Gegenstände zum Leben erwecken – animieren
alte Krähe, einen Tier-Caterer, ein Konsumkind und einen Vagabunden.
(„animare“ bedeutet „eine Seele verleihen“). Das ist mit allen Alltags-
Außerdem agiert sie als Figurenspielerin mit einer Rattenpuppe und
gegenständen möglich, nicht nur mit extra angefertigten Puppen. Man
verschiedenen Nahrungsmitteln, die sie „zum Leben erweckt“.
spricht dann von Objekttheater. Damit die Animation gelingt und bei den Zuschauer*innen etwa die Illusion entsteht, eine Wintermütze sei
Durch ihre Mitwirkung entsteht ein überraschendes und fantasievolles
ein cooler, kuscheliger Frosch, gilt es einige handwerkliche und künst-
Umfeld für die Geschichte von der Krähe und dem Bären. Das Stück
lerische Regeln zu beachten, die Mirjam Schollmeyer im Studiengang
des bekannten Kinderbuchautors Martin Baltscheit erzählt davon,
‚Zeitgenössische Puppenspielkunst‘ an der renommierten Berliner
wie sich der Bär im Zoo gefangen fühlt und durch die außergewöhn-
Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ erlernt hat.
liche Freundschaft mit der Krähe einen ganz neuen Blick auf die Welt gewinnt. Dabei geht es um tiefsinnige Fragen. Was ist wichtiger: Frei-
Der Vorgang der Animation beginnt damit, dass sie das Objekt genau
heit oder Sicherheit? Warum sehnt man sich immer nach dem, was
betrachtet und untersucht. Wo liegt das Auffällige, Eigentümliche, Be-
die anderen haben? Und weshalb machen Vorurteile es so kompliziert,
sondere des Objekts? Wie ist seine Beweglichkeit, seine Funktionali-
Freundschaft zu schließen?
tät? Welche Assoziationen kommen ihr dabei? Beim Teeservice wäre
Christopher Hanf
beispielsweise ein Zuckerdöschen mit einem Klappdeckel ein prima Sprechwerkzeug, aus dem vielleicht Süßholzgeraspel oder Liebesgeflüster kommen könnte. So findet sie heraus, welchen Charakter der Gegenstand haben könnte. Und es kann gut sein, dass sie ihn plötzlich mit einem Namen anspricht.
PREMIERE 17–JAN / 10 UHR REITHALLE / 6+ Familienvorstellung: 10-FEB, 15 Uhr
SCOBEL FRAGT
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Kann ich richtig leben im Falschen? Theater als Erfahrungsraum der Demokratie: In der Reihe „Scobel fragt“ diskutieren am 22. Januar die SPD-Politikerin Gesine Schwan und der Schriftsteller Ingo Schulze über die Ursachen des Populismus und Alternativen dazu. aller Lebensverhältnisse auszeichnet, suchen viele Menschen heute Halt und Schutz bei rechtspopulistischen Parteien. Worin genau liegt deren Attraktivität? Welche Alternativen dazu müsste unsere Gesellschaft entwickeln, um positive Perspektiven anzubieten? Damit sollen Fragestellungen verfolgt und diskutiert werden, die auch in unseren Theaterproduktionen „Viel gut essen“, „paradies spielen“ und „Der gute Mensch von Sezuan“ aufgeworfen werden. Gesine Schwan
Ingo Schulze
Als Gesprächsgäste hat Gert Scobel die SPD-Politikerin und Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan sowie den Schriftsteller Ingo
Bei unserer neuen Debattenreihe mit dem TV-Moderator und Kultur-
Schulze eingeladen. Gesine Schwan war viele Jahre Präsidentin der
journalisten Gert Scobel sitzen die Zuschauer*innen gemeinsam mit
Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder und gründete 2009 die
den Gesprächsgästen direkt auf der Bühne. Mit Blick in das Innenleben
Humboldt-Viadrina School of Governance, deren Präsidentin sie heute
des Theaters. Seit seinen Anfängen ist das abendländische Theater ein
noch ist. 2004 und 2008 war sie von der SPD für das Amt der Bundesprä-
Ort, an dem zentrale gesellschaftliche Fragen verhandelt und disku-
sidentin nominiert. Ingo Schulze gilt als einer der wichtigsten Autoren
tiert werden. In der griechischen Tragödie gab es neben dem antiken
der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Seine Romane wie „Simp-
Chor zunächst nur den Protagonisten, der in Monologen gesprochen
le Storys“, „Adam und Evelyn“ und zuletzt „Peter Holtz“ waren erfolg-
hat. Dann kam der Antagonist hinzu – und die Möglichkeit zum Dialog
reich auf dem Buchmarkt und wurden mehrfach ausgezeichnet. Er gilt
war geboren. In diesem Sinne versteht sich auch unser Theater heute
als engagierter Autor, der die wichtigen Debatten der Gegenwart mit
als Erfahrungsraum der Demokratie, wo verschiedene Standpunkte
wachem Geist begleitet und eigene Positionen vertritt.
zum Ausdruck kommen können. Wo man es in gegenseitigem Respekt auch aushalten kann, wenn die unterschiedlichen Positionen nebeneinander stehen bleiben und kein Konsens erreicht wird. So diskutierten bei der ausverkauften Auftaktveranstaltung von „Scobel
22-JAN / 19 UHR GROSSES HAUS
Christopher Hanf
Karten: 0331 9811-8 oder hansottotheater.de
fragt“ Marianne Birthler und Eugen Ruge durchaus kontrovers darüber, inwiefern gegenwärtige Entwicklungen in Ostdeutschland vor allem zu-
IN ZUSAMMENARBEIT MIT kulturradio rbb
rückzuführen seien auf die DDR-Vergangenheit oder auf schwere Fehler
PRÄSENTIERT VON DEN Potsdamer Neuesten Nachrichten
im Prozess der Wiedervereinigung in den 90er Jahren. Insbesondere bei der Frage, wie der Umgang des DDR-Staates mit dem Faschismus zu bewerten sei, vertraten Birthler und Ruge dezidiert gegensätzliche Positionen. Wir halten es für sinnvoll und notwendig, dass solch verschiedenen Sichtweisen auf einem öffentlichen Forum zur Sprache kommen und diskutiert werden. Offensichtlich besteht zu den Themen DDR-Vergangenheit und Wiedervereinigung noch eine Menge Redebedarf. Bei der nun folgenden zweiten Veranstaltung unserer Reihe geht es darum, inwiefern man das gegenwärtige Anwachsen des Populismus als Reaktion auf massive gesellschaftliche und politische Fehlentwicklungen verstehen kann. Oder anders gesagt: Ausgehend von Adornos Diktum, dass es kein richtiges Leben im Falschen gebe, fragen wir danach, wie man sich ethisch verantwortungsvoll verhalten kann, wenn die Verhältnisse nicht „stimmen“. Angesichts einer Wirklichkeit, die sich durch eine unfaire Verteilung des Wohlstands sowie durch die Ökonomisierung, Beschleunigung und zunehmende Unübersichtlichkeit
PNN-Abonnenten sparen bis zu 50 % beim Kauf von Karten für das Hans Otto Theater und andere Bühnen Potsdams! (gilt nur bei Kauf im PNN-Shop WilhelmGalerie)
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POTSDAM LIEST EIN BUCH
Potsdam neu entdecken Der Lesemarathon „Potsdam liest ein Buch“ hat begonnen. Seien Sie dabei! Was kann das Wohnzimmer eines Innenstadtbewohners, das Bürger-
Die Vorleseorte können unterschiedlicher kaum sein – und sicher lässt
haus am Schlaatz, ein Schaugewächshaus im Botanischen Garten, das
sich dabei auch für „Alteingesessene“ noch Unbekanntes entdecken.
Kunst- und Kreativhaus Rechenzentrum oder den Newsroom einer Tages-
Hinter den Kulissen des Hans Otto Theaters waren Anfang Januar
zeitung miteinander verbinden? Ein Buch! Und zwar das Buch, welches
schon die ersten Seiten des Buches zu hören, aber noch weitere litera-
Potsdam in den nächsten Wochen lesen wird. Bis Mitte Dezember stan-
rische Stationen sind geplant. Zu Beginn jeder Lesung gibt es eine kurze
den fünf Bücher zur Wahl, und nun ist es entschieden – Potsdam liest
Einführung. So kommen auch Späteinsteiger*innen auf ihre Kosten. Die
„Die Liebe unter Aliens“ von Terézia Mora!
Website des Hans Otto Theaters hält nützliche Infos bereit, so zum Beispiel, welche Geschichte genau von den meist freiwilligen, engagierten
Der Band mit zehn Erzählungen geht nun auf eine Reise durch die Stadt.
Vorleser*innen aller Generationen gelesen wird oder wie die Bedingun-
30-minütige Lesungen bieten Anlass zu Begegnung und Austausch zwi-
gen vor Ort sind. Gelesen wird demnächst zum Beispiel auch …
schen literaturinteressierten oder einfach nur neugierigen Menschen.
… in der GOTORUN
… IN DER PANORAMA-
LÄUFERLOUNGE, die
ETAGE der Firma
sonst ein Ort für ak-
Oracle Deutschland
tive Pausen, Training
B.V. & Co. KG., die
und Entspannung
sonst nur internen
ist. Sie befindet sich
Meetings vorbehal-
in der Lindenstraße
ten ist.
über den Dächern der Stadt.
… in der ZWEIGBIBLIO-
Seien Sie eingeladen, gemeinsam Literatur zu entdecken und darüber
THEK WALDSTADT, die
ins Gespräch zu kommen!
seit 1985 im Wohngebiet integriert ist und
Alle Lesungen unter hansottotheater.de
mit verschiedenen Veranstaltungen die Lese- und Sprachkompetenz von Kindern fördert.
… bei Potsdams Gastrosophin Katrine Lihn, die in ihrem SALON in der Mangerstraße dazu einlädt, gemeinsam dem Genuss des Lesens zu verfallen.
… im von 1771 bis 1777 errichteten BAROCKEN TREPPENHAUS DES GROSSEN WAISENHAUSES, einem markanten Wahrzeichen der Stadt.
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LETZTE FRAGEN
11
„Hans Meyer ist einfach Kult“ Volkmar Raback, scheidender Geschäftsführender Direktor des Hans Otto Theaters, über gemischte Gefühle zum Abschied, Fußball als Hobby und seinen Schlagabtausch mit der Trainerlegende Hans Meyer
Sparfuchs: Volkmar Raback
Trainerfuchs: Hans Meyer
Aus dem Büro nebenan dringt meist schon morgens um neun herzhaftes
Haben Sie noch einen Rat für die neue weibliche Doppelspitze?
Lachen, später gern auch mal Gesang. Der Mann, der so gut gelaunt
Bodenständig bleiben, Netzwerk ausbauen, politische Entwicklungen
in den Arbeitstag startet, heißt Volkmar Raback und ist, besser: war 25
beachten und stets das Ohr an der Masse haben. Man sollte immer un-
Jahre lang Geschäftsführender Direktor des Hans Otto Theaters. Zum
gefähr wissen, wo der nächste Schlag herkommt (lacht).
Jahreswechsel ging er in den Ruhestand. Doch am 7. Februar kehrt er noch einmal zurück an seine alte Wirkungsstätte: In der Reithalle Box
Am 7. Februar kehren Sie noch einmal zurück: Mit der Trainerlegende
trifft er den ebenfalls pensionierten Fußballlehrer Hans Meyer zum Ge-
Hans Meyer werden Sie über Fußball, Gott und die Welt plaudern. Für
spräch. Gründe genug für letzte Fragen an den 64-Jährigen.
mich war das eine Überraschung – Sie, ein Fußballfan? Ja, schon immer. Ich habe ja auch aktiv gespielt, damals in der Be-
Herr Raback, mit welchen Gefühlen verlassen Sie das
zirksliga für Glückauf Sondershausen. Daher rührt das Grundinteresse.
Hans Otto Theater?
Heute fiebere ich vor dem Fernseher mit.
Volkmar Raback: Mit gemischten Gefühlen. Einesteils bin ich froh, dass ich den Stress los bin und mir wieder selbst gehöre. Traurig ist natür-
Hans Meyer war ein Großer seiner Zunft – mit Carl-Zeiss Jena, Borussia
lich, dass ich dann nicht mehr im Geschehen drin bin. Es ist schließlich
Mönchengladbach und dem 1. FC Nürnberg hat er große Erfolge ge-
ein Abschied nach 25 Jahren Hans Otto Theater und über 30 Jahren
feiert. Was schätzen Sie an ihm?
Theater überhaupt.
Er ist bodenständig, ironisch und schlagfertig. Was mir natürlich liegt,
Wenn Sie zurückblicken: Worauf sind Sie besonders stolz?
und West hatte. Er ist einfach Kult.
weil ich ja auch so ein bisschen Ironiker bin. Und dass er Erfolge in Ost Dass ich das Theater durch die Turbulenzen der neunziger Jahre gesteuert habe – natürlich nicht allein, sondern mit Partnern und der
Eigentlich hätten Sie ja Uli Hoeneß einladen müssen …
ganzen Belegschaft. Damals ging es ja wirklich um Existenz oder
(lacht) Ja, gut, als Fan des FC Bayern läge das nahe. Hoeneß ist auch
Nicht-Existenz dieses Theaters.
ein ironischer Typ. Er kann auch locker sein. Aber Meyer hat auf der Trainerbank gesessen. Hoeneß nie.
In welchem Zustand übergeben Sie das Haus an Ihre Nachfolgerin Petra Kicherer?
Wie sind Sie als gebürtiger Thüringer eigentlich zum Bayern-Fan
In einem sehr guten. Sei es künstlerisch durch die neue Intendanz oder
geworden?
gebäudetechnisch, auch wenn nach zwölf Jahren Spielbetrieb natür-
Tja, das ist auch so ne Geschichte. Zu DDR-Oberliga-Zeiten war ich Fan
lich das eine oder andere renovierungsbedürftig ist. Und finanziell
von Rot-Weiß Erfurt. Aber da wurden die Leute ja immer weggekauft –
eigentlich auch. Es ist auskömmlich, wenn auch sicher kein Schlaraf-
zu Dynamo Dresden, zum BFC oder zu Magdeburg. Bayern hat eben
fenland, und es sieht so aus, als würden es die Geldgeber auch weiter-
immer Spitze gespielt. In der Bundesliga oder international sähe es ohne
hin positiv begleiten.
sie sehr trübe aus. Interview: Björn Achenbach
Als Theatermanager haben Sie vier Intendanten kommen und gehen sehen. Wie bewerten Sie den Start von Bettina Jahnke? Sehr positiv. Der Start ist gelungen. Okay, sie hat erst fünf Monate hinter sich. Die Mühen der Ebene kommen noch.
EINS GEGEN EINS: RABACK TRIFFT MEYER 7-FEB / 19:30 UHR REITHALLE BOX
Schon gesehen? Vier Empfehlungen für Ihren Theaterbesuch bei Hans Otto „Das Potsdamer Hans Otto Theater gehört derzeit zu den spannendsten Bühnen in Deutschland“, schrieb der Berliner Theaterkritiker Peter Claus kürzlich. Und was ist mit Ihnen? Wann waren Sie zuletzt im Theater der Landeshauptstadt? Falls Sie jetzt Ihren nächsten Besuch planen möchten, nur zu! Wir haben vier Stückempfehlungen für Sie zusammengestellt:
Occident Express
von Stefano Massini
Viel gut essen von Sibylle Berg
Die Geschichte einer Flucht aus dem Nordirak über die Balkanroute
Ein glücklicher Mann. Eigentlich. Dann aber fällt seine ganze Existenz
bis nach Europa, vom italienischen Autor Stefano Massini fesselnd und
auseinander – und er verwandelt sich in einen Wutbürger. „Eine stark
mit archaischer Wucht erzählt. „Rita Feldmeier zeigt hier ihre große
artifizielle Inszenierung, die sich bewusst nicht genau verorten lässt.
Kunst. Wann sah man sie zuletzt so blank, so außer sich?“ Potsdamer
Nur am Ende geben die Fenster die Sicht auf den Alten Markt in Potsdam
Neueste Nachrichten
12-JAN / 26-JAN / 24-FEB
In Zeiten des abnehmenden Lichts
von Eugen Ruge
frei – die radikalen Gedanken sind mitten unter uns.“ kulturradio rbb
12-JAN / 26-JAN / 2-FEB / 24-FEB
Pension Schöller
Schwank von Wilhelm Jacoby und Carl Laufs
Eugen Ruges großer Familienroman über die DDR, inszeniert von Bettina
Philipp Klapproth aus Kyritz an der Knatter glaubt, in der Berliner Pen-
Jahnke. „Als Regisseurin hat sie ganz fein gearbeitet. Jede und jeder
sion Schöller auf eine Gruppe „Verrückter“ zu treffen. Eine Begegnung
auf der Bühne hat Momente, in denen man Gänsehaut kriegt, weil sich
mit turbulenten Folgen! „Es geht um Unterhaltung pur. Zweieinhalb
da plötzlich Seelen öffnen. Man hätte tatsächlich die berühmt-berüch-
Stunden lang werden die bequemen Sitzkissen der gutbürgerlichen
tigte Stecknadel fallen hören können.“ Deutschlandfunk Kultur
Welt gut durchgeschüttelt.“ Potsdamer Neueste Nachrichten
20-JAN / 9-FEB
1-FEB / 15-FEB / 22-FEB
Karten unter 0331 9811-8, hansottotheater.de und an der Theaterkasse Impressum Herausgeber Hans Otto Theater GmbH / Schiffbauergasse 11 / 14467 Potsdam Spielzeit 2018/19 Intendantin Bettina Jahnke Geschäftsführende Direktorin Petra Kicherer Redaktion Kommunikation und Marketing, Dramaturgie Konzeption Pongping Konzeption & Gestaltung Roya Visual Ideas Fotos Thomas M. Jauk (Titel, S. 2-3, 6-8, 11 links, 12), Bettina Jantzen (S. 10 unten und rechts), Peter Könnicke (S. 10 oben links), privat (S. 4), Gaby Gerster (S. 9 rechts), picture point (S. 11 rechts), Jaqueline Schulz (S. 10, 2. von unten) Druck Pressedruck Potsdam GmbH, Friedrich-Engels-Str. 24, 14473 Potsdam Redaktionsschluss 6. Dezember 2018 Ein Unternehmen der Landeshauptstadt Potsdam, gefördert mit Mitteln der Landeshauptstadt Potsdam und des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg